Tiffany Sexy Band 93 - Isabel Sharpe - E-Book

Tiffany Sexy Band 93 E-Book

Isabel Sharpe

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Beschreibung

EIN LOVER ZUM ABHEBEN von MAGUIRE, MEG
Schauspielerin Leigh flüchtet nach ihrer geplatzten Hollywood-Hochzeit solo ins Honeymoon-Paradies. Nach ein paar heißen Nächte mit dem sexy Inselpiloten Will scheint aller Kummer vergessen. Doch ist er bereit seine langgehegten Träume für das gemeinsame Glück aufs Spiel setzen?

BITTE RECHT SÜNDIG von SHARPE, ISABEL
Noch nie war der attraktive Fotograf Jack Shea so scharf darauf, eine Frau ins Visier zu nehmen: Die smarte, zurückhaltende Melissa ist das Motiv seiner Träume. Und diese Träume werden immer erotischer. Leider sind die Regeln klar: Ablichten erlaubt, anfassen verboten …

MISSION: VERFÜHRUNG von HAVENS, CANDACE
Surferin Kelly Callahan kann sich nichts Schöneres vorstellen, als den aufregenden Marine Rafe in ihrem Südsee-Wellness-Resort zu verwöhnen. Einziger Wehrmutstropfen: Er glaubt, die innigen E-Mails, die ihn nach Fidschi lockten, stammen von ihrer Model-Schwester …

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Seitenzahl: 581

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Meg Maguire, Isabel Sharpe, Candace Havens

TIFFANY SEXY BAND 93

IMPRESSUM

TIFFANY SEXY erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: 040/60 09 09-361 Fax: 040/60 09 09-469 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Christel BorgesGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY SEXYBand 93 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg

© 2013 by Meg Maguire Originaltitel: „The Wedding Fling“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: BLAZE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Charlotte Kesper

© 2012 by Muna Shehadi Sill Originaltitel: „Light Me Up“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: BLAZE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Alina Lantelme

© 2013 by Candace Havens Originaltitel: „Mission: Seduction“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: BLAZE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Andrea Cieslak

Abbildungen: Malek Chamoun / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733751968

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY

MEG MAGUIRE

Ein Lover zum Abheben

Ein bildhübsches Starlet trösten, das sich nach einem Liebesskandal ins karibische Luxusresort zurückzieht, und gleichzeitig bei den Klatschblättern abkassieren? Klingt nach einem guten Deal, findet Will Burgess. Doch je heftiger es zwischen dem abenteuerlustigen Insel-Piloten und der öffentlichkeitsscheuen Leigh knistert, desto mehr drückt sein Gewissen …

ISABEL SHARPE

Bitte recht sündig

Was bildet dieser Typ sich eigentlich ein – sie heimlich beim Yoga abzulichten? Melissa ist empört, lässt sich vom Fotokünstler Jack dann aber doch zu ein paar sinnlichen Sessions überreden. Ihr fester Vorsatz: Kein Sex! Was gar nicht so einfach ist, wenn der Mann hinter der Kamera so wahnsinnig verführerisch ist – und man selbst nichts als einen Seidenschal trägt …

CANDACE HAVENS

Mission: Verführung

Mimis Mails sind der Lichtblick in Rafes Leben, auch wenn er das Model seit Monaten weder persönlich sah noch sprach. Umso freudiger folgt er ihrer Einladung nach Fidschi. Dort erwartet ihn allerdings nur Mimis sexy Schwester Kelly, was Rafe in Konflikte stürzt. Denn er begehrt sie von der ersten Sekunde an! Aber was ist mit der Frau, mit der er so heißen Schriftverkehr hatte?

Ein Lover zum Abheben

1. KAPITEL

Leigh drückte vor sich eine Kuhle in die Daunendecke ihres Hotelbettes, legte eine Serviette hinein und ein schon geöffnetes Glas Erdnussbutter samt Löffel. Tief tunkte sie den Löffel in das Glas. Kaum breitete sich der süße Geschmack auf ihrer Zunge aus, verblasste ihre Angst, und für einen Moment waren all ihre Sorgen vergessen.

Im Fernsehen nahmen gerade zwei Moderatorinnen den Kleidungsstil eines jungen Sternchens auseinander. Leigh sah neugierig zu, während sie, ohne einen Gedanken an die Kalorien zu verschwenden, erneut den Löffel in das Glas tauchte und sauber ableckte. Was die Presse wohl dazu sagen würde?

„Also, Leigh Bailey mag Hollywoods letztes anständiges Mädchen sein, aber was glaubst du? Wird sie in Weiß heiraten?“

Ein alberndes Lachen der zweiten Frau, dann: „Keine Skandale bisher, aber jetzt? Immerhin wird sie einen Musiker heiraten.“

Ihr Handy läutete, es war der Klingelton, den sie für ihre Mutter gewählt hatte und sogleich wieder Panik in ihr weckte und den magischen Bann der Erdnussbutter durchbrach. Sie schälte sich aus dem Wirrwarr der Decke, tappte zur Kommode und nahm das Handy. „Hi, Ma.“

„Leigh, wo bist du?“

„Im Bett, esse Erdnussbutter und sehe mir Klatschsendungen im Fernsehen an.“

„Schätzchen.“ Ihre Mutter seufzte. „Die Schneiderin ist bereits in der Suite, es ist halb neun. Und du solltest nicht so einen Müll essen, kurz bevor die halbe Stadt dich in maßgeschneiderte Seide gehüllt sieht.“

Jetzt war es an Leigh zu seufzen. Sie drehte sich zum Fernseher um, gerade in dem Moment, als ein Bild von ihr im Bikini eingeblendet wurde.

„Diese Fotos …“, sagte die Moderatorin.

„Sie sah nie besser aus“, fügte ihre Kollegin hinzu.

Leigh lächelte trocken. Großartig. Zwei Wochen lang hatte ein ekelhafter Virus sie damals quasi ans Bad gefesselt, aber sie hatte nie besser ausgesehen … Sehnsüchtig beäugte sie die Erdnussbutter.

„Leigh?“

„Ja?“

„Wie lange noch, Schätzchen?“

„Ich komme schon. Nur noch duschen“, sagte sie resigniert.

„Das ist keine Premiere, Leigh Bailey. Es ist deine Hochzeit.“

„Der Tag, an dem ich Flip-Flops und ein Sommerkleid tragen sollte, im Garten meiner Oma“, sagte Leigh frustriert. „Ich wollte ein Barbecue. Ich wollte dich und Dad und Cody da haben und Dans Familie. Keine achthundert Leute, die ich kaum kenne, auf irgendeinem riesigen Anwesen.“ Lustig, wie sich in nur sechs Monaten die Gäste vermehrt hatten, eine andere Lokalität gewählt wurde, das Budget explodiert war und Leighs großer Tag von einer Grillparty zu einem riesigen Zirkus geworden war.

„So läuft das nun mal nicht, wenn man ein Star ist, Schätzchen“, fuhr die Direktorin dieses Zirkus fort.

„Ich bin kein Star, Ma. Ich bin nur ein Mädchen, das ständig in irgendwelchen Magazinen erscheint. Ich habe seit zwei Jahren keinen Film gedreht.“

„Darum geht es heutzutage aber nicht mehr.“

Gedankenverloren betrachtete Leigh die Erdnussbutter.

„Leigh?“

„’Tschuldigung, was?“

„Ich sagte, du bist ein Star. Ich weiß, dass du alles lieber etwas schlichter gehabt hättest, aber denk an Dan. Er möchte es so.“

„Anfangs wollte er das nicht.“ Ein flaues Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus. Jetzt wollte Dan es, den ganzen Zirkus. Manchmal fragte sie sich, welche Frau ihr Verlobter in ihr sah – die aus dem Fernsehen, über deren Kleidung und Taillenweite diskutiert wurde, oder die, die im Pyjama Erdnussbutter aß. Dan war ein Anker für sie gewesen, der sie inmitten des ganzen Chaos am Boden gehalten hatte, aber über die letzten zwei Jahre hatte es kleinere Veränderungen gegeben, die sich schließlich summierten. Eine neue Wohnung, neue Kleidung, neue Meinungen darüber, in welches Restaurant sie gehen konnten und in welches nicht. Genau wie ihre Hochzeit mutiert war, so hatte sich auch ihre Beziehung verändert, Schritt für Schritt, kaum merklich, wenn man jetzt nicht zum Anfang zurücksah.

Dan hatte immer von seiner Musik gesprochen und seiner Band. Aber seine Band hatte seit Monaten nicht mehr zusammen gespielt, und sein Enthusiasmus fürs Songwriting war seinem Gerede übers Produzieren gewichen und darüber, in ein Label zu investieren und einen Club zu eröffnen. Mehr von Prestigedenken beeinflusst als von Kreativität. Manchmal fürchtete sie, er glaubte an den Mythos des Mädchens aus dem Fernsehen. Manchmal glaubte sie selbst daran. Aber nicht mehr in letzter Zeit, nicht seit ihre bevorstehende Hochzeit derartige Ausmaße angenommen hatte.

„Glaubst du, er liebt mich noch?“, fragte Leigh ihre Mutter.

„Natürlich liebt Dan dich. Ihr zwei passt perfekt zusammen. Hör zu, jede Braut kriegt Bammel vor der Hochzeit. Wir müssten uns Sorgen machen, wenn du nicht nervös wärst.“

„Stimmt.“

„Nun beeil dich, junge Dame.“

Sie legte auf und trottete zu dem beeindruckenden Bad der Suite. Alles aus glänzendem Marmor und Glas. Nach dem Duschen cremte sie ihre gewachsten Beine mit einer Lotion ein, wickelte ein Handtuch um ihre Haare und putzte vorsichtig ihre Zähne; so frisch gebleicht schmerzten sie noch ein wenig. „Du selbst, nur besser“, wie ihre Mutter zu solchen Dingen immer sagte. Aber sollten Mütter einen nicht so lieben, wie man war?

Nackt wie sie war, betrachtete sie sich in dem großen Spiegel, heilfroh, dass sie sich nie zu wesentlichen Eingriffen hatte überreden lassen – größere Brüste würden an ihrem schmalen Körper lächerlich aussehen und wären nur hinderlich, sollte sie jemals wieder mit dem Tanzen beginnen. Glücklicherweise bewunderte man ihren blassen, cremigen Teint, sodass das Thema ‚Fake Tan‘ schon mal vom Tisch war. Sie sah auf ihre Fingernägel, gefeilt und poliert von einem Nagelstylisten, aber ansonsten ihre eigenen.

Ihr Verlobungsring funkelte im Licht der Halogenspots. So hübsch. Sie hatte hart dafür gekämpft, ihn behalten zu dürfen, entgegen der Proteste ihrer Mutter, dass er zu schmal und zu schlicht war, zu sehr nach jedermann aussah. Doch genau wie bei den Brüsten fand Leigh, dass klein und unauffällig genau zu ihr passte.

Sie ging den langen Flur entlang zum anderen Ende des Hotels und klopfte an die Tür. Ihre Mutter öffnete sofort, schon komplett gestylt. Sie hatte ein Handy am Ohr, und ihr Tonfall schnürte Leigh die Kehle zu. Es konnte nur ihr Vater am anderen Ende sein.

Unbemerkt verdrehte Leigh die Augen. Ständig gifteten die beiden einander an, das war schon immer so gewesen. Deshalb war Leigh früher, so oft es ging, im Tanzstudio abgetaucht. Erst Ballett, später Modern Dance, egal was, solange es sie von zu Hause und den ewigen Streitereien ihrer Eltern fernhielt. Als Leigh ihre erste Filmrolle bekam, hatte das Gezanke wie durch Zauberei plötzlich ein Ende, und ihre Eltern verbündeten sich für ein neues Projekt – Leighs Karriere. Natürlich war der Frieden nicht von langer Dauer gewesen, also stand sie jetzt hier, zehn Jahre später, und strengte sich immer noch an, das brave Mädchen zu sein, erfolgreich und angesehen, immer noch mit der kindlich naiven Hoffnung, sie könnte die Ehe ihrer Eltern irgendwie retten, wenn sie nur hart genug arbeitete.

Kopfschüttelnd beendete ihre Mutter das Gespräch, seufzte frustriert und schaltete dann urplötzlich auf fürsorgliche Mutter um, als hätte jemand einen Knopf gedrückt. Sie lächelte warm und schloss Leigh in die Arme. „Oh, Liebling, dein großer Tag. Endlich ist er da, nicht?“

Leigh nickte, und erwiderte das Lächeln ihrer Mutter so gut, wie sie konnte.

„Siebenundzwanzig. Wo ist nur die Zeit geblieben?“

Ja, wo nur? Und mit siebenundzwanzig war man viel zu alt, um immer noch für die Anerkennung seiner Eltern zu leben. Sie dachte an das Flugticket in ihrer Handtasche. Wenn sie in ein paar Wochen wieder in den Staaten landete, würde sie ein Machtwort sprechen. Ihre Eltern hatten ihr eigenes Leben, genau wie Leigh. Wenn sie nur wüsste, wie dieses Leben aussehen sollte …

Ihre Mutter wandte sich dem Treiben im Raum zu, dem Hochzeitsplaner, der Schneiderin.

Dieses Kleid! Die Schlacht darum hatte sie aufgegeben, um den Krieg für ihren Ring zu gewinnen. Den Ring würde sie für den Rest ihres Lebens tragen, das Brautkleid nur für einen Tag. Es war dennoch ein hübsches Kleid. Viel eleganter als das verspielte Modell, in das Leigh sich verliebt hatte, aber man musste eben Kompromisse eingehen, um Mütter glücklich zu machen … oder sie zumindest zum Schweigen zu bringen.

„Wunderschön, nicht wahr?“, meinte ihre Mutter.

„Ja, wirklich.“

„Und bist du jetzt froh, dass ich dich dazu überredet habe? Es passt perfekt zu der Location.“

Leigh nickte. Sie hatte diese Worte so satt – Location, Auftritt, Präsentation.

Sie ließ sich zu der Schneiderin führen und zog sich artig aus. Das Kleid war glatt und kühl wie Seewasser, als es an ihrer nackten Haut hinabglitt, und es fühlte sich an, als sei sie in noch etwas anderes als Seide gekleidet … ins Erwachsensein, vielleicht. Ins Frausein. Ihre Mutter riss sie aus ihren Gedanken.

„Oh, Leigh.“ Sie tippte mit dem Zeigefinger an Leighs Bauch. Und nur in L. A. würde man das überhaupt Bauch nennen. „Du und diese Erdnussbutter.“

„Mädchen sollten wissen, dass es normal ist, einen Bauch zu haben.“

„Das stimmt zwar, aber es ist trotzdem nicht normal, ein halbes Glas von dem Zeug ganz alleine zu essen. Es ist viel zu fettig, und dein Stoffwechsel wird nicht ewig so gut funktionieren.“

Leigh zuckte nur die Schultern.

„Wie auch immer“, sagte ihre Mutter, „du siehst wunderschön aus, auch der Bauch und so.“

Leigh betrachtete sich im Spiegel und musste zugeben, dass ihr gefiel, was sie sah.

Durch das große Fenster schaute sie hinaus auf die Stadt. Was Dan wohl grade tat? Vermutlich schlief er nach seinem Junggesellenabschied aus. Obwohl er nicht zu der wilden Sorte zählte. Er war eher der ruhigere Typ. Zumindest war er das einmal gewesen. Inzwischen war ihr nicht mehr ganz so klar, wer Dan eigentlich war.

Sie vermisste seine Leidenschaft. Ihre hektische Verlobung, die groß durch die Medien gegangen war, hatte ihrem Sexleben nicht gutgetan, und Leigh vermutete, dass er sie mittlerweile mit anderen Augen sah. Sie war nicht mehr seine Freundin, sondern seine zukünftige Frau.

Während die Schneiderin am Saum des Kleides hantierte, lehnte Leigh sich zu ihrer Mutter und flüsterte: „Ich glaube, Dan und ich hatten seit einem Monat keinen Sex mehr.“

„Ihr habt beide viel zu tun.“

„Niemand hat so viel zu tun. Wir sind noch nicht einmal verheiratet, das ist doch nicht normal?“

„Du und Dan seid keine normalen Leute. Und Dan ist sehr ehrgeizig. Du hast Glück, einen Mann mit so viel Tatendrang zu haben, wirklich. Nicht wie dein Vater …“

„Ma.“

„Viele Mädchen in deiner Position haben Ehemänner, die keinen Finger mehr krumm machen, wenn sie sich erst so eine Berühmtheit geangelt haben. Dan ist keiner von denen. Du hast sehr, sehr viel Glück.“

Leigh wusste, dass sie glücklich sein sollte. Ihr zukünftiger Ehemann war ihr bester Freund. Oder war es einmal gewesen. Sie hoffte, sie würden etwas davon zurückgewinnen, während sie zwei Wochen alleine miteinander waren. Nein, sie würden es zurückgewinnen. Sie musste positiv denken. Trotzdem konnte etwas Bestätigung nicht schaden.

Als die Schneiderin wegen eines Telefonats kurz unterbrach, lief Leigh kurz entschlossen zurück in ihr eigenes Zimmer, schloss die Tür und lehnte sich an die Bar. Dann nahm sie ihr Handy und rief Dan an.

Er ging dran, als sie eben schon wieder auflegen wollte. „Hey, du. Was gibt’s?“

„Hey, ich, ähm … Oh Gott, ich weiß nicht.“ Sie lachte nervös.

Seine Stimme klang warm, aber auch angespannt. „Alles in Ordnung? Du klingst etwas verkrampft.“

2. KAPITEL

Am Flughafen angekommen, schälte Leigh sich, geschützt durch die getönten Scheiben, auf dem Rücksitz aus ihrem Kleid und zog Jeans und ein T-Shirt an, fischte aus ihrem Koffer ein Paar Slipper, schlüpfte hinein und warf dabei einen Blick auf das Kleid. Es sah aus wie die abgeworfene Haut einer wunderschönen, mystischen Kreatur. Sie ließ es im Auto liegen.

Um ihr Gesicht und die Tränen in ihren Augen zu verbergen, setzte sie ihre große Sonnenbrille und eine Kappe der Giants auf. Sie schluckte all die Wut und Traurigkeit und ihre aufsteigende Verwirrung hinunter und zwang sich zu lächeln.

„Danke, Hector.“

„Das ist mein Job.“

„Würden Sie noch etwas für mich tun?“

Er nickte, und Leigh zog den Verlobungsring von ihrem Finger und reichte ihn ihm. Statt der Trauer, die sie erwartet hatte, fühlte es sich an, als fiele eine fünfzig Kilo schwere Last von ihr ab.

„Geben Sie das Ma oder Dad oder Dan … wen Sie als Erstes sehen. Und das Kleid auch. Aber gehen Sie denen allen erst einmal ein paar Stunden aus dem Weg, so lange, bis ich im Flieger sitze.“

„Muss ich mir Sorgen um Sie machen?“

Sie atmete tief durch. „Nein, es wird alles gut werden. Ich brauche nur etwas Zeit für mich. Zum Glück geht die Reise an einen Ort, wo mich niemand erkennen wird.“

Wieder nickte er, steckte den Ring in seine Brusttasche und, aus einem Impuls heraus, tat Leigh etwas, was sie nie zuvor getan hatte. Sie umarmte ihren Fahrer. Der erwiderte die Umarmung kurz, soweit es sein Berufsethos zuließ.

„Passen Sie auf sich auf. Ich werde Ihre Mutter möglichst lange hinhalten.“

Sie zog den Griff des Rollkoffers heraus. „Drücken Sie mir die Daumen, dass ich einen früheren Flug bekomme.“

Er hielt zwei symbolisch gedrückte Daumen hoch. „Genießen Sie Ihre Flucht.“

Sie winkte zum Abschied. Seins würde für die nächsten zwei Wochen das letzte bekannte Gesicht sein. Stumm sagte sie auf Wiedersehen zu L. A. und zu dem Mädchen, das nicht mehr länger sie selbst war, dann trat sie mit einem Schritt durch die automatischen Schiebetüren des Flughafens ins Unbekannte.

Der Flug, den sie nach New York ergattert hatte, war irrsinnig überteuert, doch jeden Cent wert, denn sie sah L. A. unter sich verschwinden. Wenn irgendeiner der Erste-Klasse-Passagiere sie erkannte, war er nett genug, sich nichts anmerken zu lassen. Es waren die ruhigsten sechs Stunden der letzten Wochen; nichts als blauer Himmel und weiße Wolken, der komplette Gegensatz zu dem Sturm, der in ihrem Kopf tobte.

Der Anschlussflug ließ sich nicht umbuchen, sodass sie gezwungen war, bis zum nächsten Morgen zu warten. Die Vorstellung, allein mit ihren Gedanken in einem fremden Hotelzimmer zu hocken, ängstigte sie so sehr, dass sie es vorzog, im Flughafen zu nächtigen.

Gegen Mittag erreichte sie Bridgetown auf Barbados. Sie hatte noch einige Stunden bis zu ihrem letzten Flug, glücklicherweise, denn ihr Koffer war nicht mit ihr angekommen, und so nutzte sie die Zeit, um durch die Straßen zu schlendern und sich ein paar neue Sachen zu kaufen, etwas zu essen und ihrer Mutter eine SMS zu schicken:

Es geht mir gut. Werde eine Weile nicht erreichbar sein. Mach dir keine Sorgen und folge mir nicht. Tut mir leid, dass ich dir Stress mache. Wir sehen uns in zwei Wochen. Leigh.

Die Mitteilungen und verpassten Anrufe ignorierte sie schlichtweg.

Um halb drei setzte ein Taxi sie an einem Flugplatz an der Küste ab – ein winziges Gebäude, keine Landebahn. Ein langer Steg über glitzerndem Wasser führte zu einem kleinen Wasserflugzeug – eine Cessna auf Skiern –, das träge auf den Wellen schaukelte. Soweit sie wusste, war das die einzige Möglichkeit, nach Harrier Key zu gelangen. Sie hatte das Inselchen wegen seiner Abgeschiedenheit gewählt und eine von lediglich vier Villen darauf gebucht.

Sie ging durch die offenen Türen des Terminals, wo hinter einem langen Tresen eine dunkelhäutige Frau in lachsfarbenem Kleid stand. Außer ihr war nur noch ein weiterer Passagier da, der in der Abflughalle Zeitung las. Leigh holte ihr Ticket hervor.

„Miss Bailey?“, begrüßte die Frau sie mit dem für die Inseln typischen breiten Lächeln, und Leigh fiel krachend zurück auf den Boden der Wirklichkeit. So viel zu ihrer Anonymität.

„Ja. Das bin ich.“

„Ich wusste es! Wissen Sie, woher ich es wusste?“

„Hoffentlich nicht aus der Klatschpresse.“

Die Frau warf ihr einen amüsierten Blick zu. „Klatschpresse? Gott, nein. Ich weiß es, weil Sie die einzige Frau sind, die heute mit uns fliegt.“

„Oh, verstehe.“

„Und schon sind Sie eingecheckt. Was ist mit Mr Cosenza?“

Sie verzog das Gesicht. „Er wird nicht kommen.“

„Ach je.“

„Planänderung.“

„Ich fürchte, das Geld für das Ticket kann nicht erstattet werden.“

„Das ist schon in Ordnung. Tut mir leid, wenn es Ihnen jetzt Umstände macht.“

3. KAPITEL

Mit der langsam sinkenden Sonne stieg Leighs Laune zunehmend.

Sie war im Meer geschwommen und schlüpfte nun in die neu erworbenen Shorts und ein niedliches Trägertop. Als sie sah, dass es schon halb sechs war, nahm sie ihre Sandalen in die Hand, ging hinaus und wanderte barfuß den Strand entlang. Nach etwa zwanzig Minuten entdeckte sie, wie sie gehofft hatte, in der Ferne die Siedlung der Angestellten.

Wills alter Pickup war neben der Straße geparkt. Leigh folgte einem hölzernen Steg durch Sand und Gras zu einem Haus. Musik tönte blechern irgendwo aus einem Radio, und als sie näher kam, konnte sie dessen Besitzer erkennen.

Er hockte auf einem umgedreht aufgebockten Kanu, gleich neben dem Gebäude, und schleifte abblätternde Farbe ab. Was seine lässige Kleidung anging, gab es scheinbar keine Grenzen. Er trug eine über den Knien abgeschnittene Khakihose; um seinen Oberkörper flatterte ein verblichenes, völlig offenes Hemd in der sachten Brise. Als er sich sein zerzaustes Haar aus den Augen strich, musste Leigh ihn einfach bewundernd anstarren. Gebräunt, sehnig, das hübsche Gesicht mit den schalkhaften Zügen zur Abwechslung einmal ganz friedlich, schien er ganz auf seine Arbeit konzentriert.

Sie schlug die Sohlen ihrer Sandalen zusammen. „Klopf, klopf.“

Grinsend sah Will auf. „Na, sieh mal an! Haben Sie sich auf dem Weg zu einer Hot-Stone-Massage verirrt?“

„Wohnen Sie hier, Captain?“ Sie nickt zu dem auf Stelzen ruhenden Gebäude. „Das ist bezaubernd.“

Gespielt beleidigt funkelte Will sie an.

„’Tschuldigung. Es ist männlich. Echt männlich.“

Er legte das Schleifgerät zur Seite und wischte sich die Hände an der Hose ab. „Was kann ich für Sie tun, Miss Bailey? Brauchen Sie einen Chauffeur in die Zivilisation?“

„Nein.“

„Gott sei Dank.“ Er nahm eine Flasche Bier vom Fensterbrett und trank einen großen Schluck. „Wie war der Kaffee?“

„Gut, danke.“

„Sind Sie den ganzen Weg zu Fuß gegangen?“

„Ist doch nur ungefähr eine halbe Meile.“

„Ich wusste nicht, dass Ihre Sorte überhaupt zu Fuß geht.“

Sie warf ihm einen arroganten Blick zu und kam zögernd näher. „Meine Sorte?“

Sein Lächeln wurde breiter, und Leighs Puls erhöhte sich augenblicklich. „Ja, Ihre Sorte, kleines Fräulein Filmstar.“

„Sie sind anscheinend sehr schlecht informiert. Meine Sorte tut noch weit mehr, als zu Fuß zu gehen. Ich bin hier, weil Sie gestern vom Tanzen sprachen.“

Er hob die Brauen. „Was? Sie wollen tanzen?“

„Klar. Ich liebe nichts mehr. Zumindest war das mal so.“

„Und ich dachte, Sie hätten mich vermisst.“

„Noch mal, Sie sind schlecht informiert.“

„Ich weiß ja nicht, woran Sie so gedacht haben, aber das Tanzen hier ist sicher nicht das, wonach Sie suchen. Es ist mehr so was wie Trockensex im Stehen.“

„Klingt wie ein Film, in dem ich mitgemacht habe.“

Ein weiteres tödliches, höhnisches Lächeln. „Und worum ging es da?“

„Der nervtötende Pilot zeigt der charmanten Schauspielerin, wo man kühle Drinks und tolle Rhythmen findet.“

„Was auch sonst.“

Diese verdammten Grübchen! „Also, werden Sie mir sagen, wo?“

„Besser noch. Ich nehme Sie mit.“

„Ehrlich?“

„Klar, was soll’s.“

Sie lächelte. „Danke. In meiner Villa ist es viel zu ruhig.“

„Ich werde einen Anschiss kassieren, wenn die aus der Hotelleitung denken, ich hätte Sie ermutigt, sich mit uns kleinen Angestellten zu verbrüdern.“

„Ich könnte Sie bestechen“, meinte sie.

„Keine Bestechungen mehr.“

„Machen Sie das in Ihrer Freizeit? Alte Boote reparieren?“ Leigh strich mit einer Hand über eine glatte, schon polierte Stelle und starrte auf Wills nackte Brust, während der ein paar Werkzeuge verstaute.

„Ich mache alles Mögliche. Und da ich weniger als vier Stunden am Tag arbeite, tue ich eine Menge davon.“

Sie wartete, während Will im Haus verschwand. Das Radio verstummte, kurz darauf kam er mit einer Kühlbox und einem Paar Sandalen darauf zurück.

„Was ist da drin?“

„Lebensnotwendige Dinge.“ Er warf die Sandalen auf den Boden und schlüpfte hinein, als sie die raue Straße erreichten. Leigh tat es ihm gleich.

„Danke“, sagte sie.

Will zuckte die Schultern. Eiswürfel klirrten in der Kühlbox aneinander. „Ich wäre vermutlich so oder so da gelandet, mit oder ohne Ihnen.“

„Wohin gehen wir?“

„Zu Bethany und Oscar.“

„Arbeiten die auch hier?“

„Klar. Bethany ist Köchin, Oscar managt den Fahrdienst.“

„Und schmeißen sie viele Partys?“

„Wir sind hier nicht so organisiert. Man geht einfach in die Richtung, aus der der Lärm kommt.“

„Wie oft kommen Gäste mit zu solchen Treffen?“

„Selten. Vor allem so welche wie Sie.“ Will grinste selbstgefällig.

„So welche wie ich? Und was bedeutet das?“

„Nur, dass Sie ein Mädchen sind. Normalerweise sind es ältere Männer, die den Urlaubsvorstellungen ihrer Ehefrauen entkommen wollen. Aber auch das ist eher selten. Und Sie sind ganz besonders selten.“

Sie lachte. „Wie alt sind Sie eigentlich?“

„Dreiunddreißig.“

Unsicher, was sie erwartet hatte, nickte sie einfach nur. Seinen Lebensstil hätte sie eher einem entweder deutlich jüngeren Mann zugeschrieben, der noch auf der Suche war, oder einem älteren, der das herkömmliche Leben satthatte. „Wie ist es, in so einer Postkartenwelt zu leben?“

Einen Moment blickte er schweigend über das Meer. Leigh sah in seine Augen, die im Licht der untergehenden Sonne leuchteten wie blaue Glaskristalle.

„Es ist wundervoll“, sagte er schließlich.

„Was ist am wenigsten wundervoll daran?“

„Die Orkane.“

„Ich meine, so im Alltag.“

„Ehrlich gesagt gibt es da nicht viel. Es ist nur etwas schwierig, an manche Dinge zu kommen, weil es ein Vermögen kostet, sich etwas aus den Staaten liefern zu lassen. Deshalb auch die Bestechungsgelder.“

„Und was wäre das? Was vermissen Sie?“

„Sie haben ziemlich viele Fragen.“

Leigh lächelte. „Ich brauche bloß dringend menschlichen Kontakt.“

„Müssen Sie wohl, wenn Sie zu mir kommen. So viel zu Ihrem Traum von Abgeschiedenheit.“

„Also, was vermissen Sie?“

Er dachte kurz nach. „Die Knicks spielen zu sehen. Hab keinen Fernseher.“

„Ich bin mir sicher, dass ich einen Sportsender in der Villa empfangen kann. Kommen Sie ruhig rüber und sehen sich ein Spiel an, als Gegenleistung für die Party heute.“

Einen Moment sah er sie direkt an. „Eventuell komme ich darauf zurück.“

„Natürlich muss es sich für mich lohnen“, sagte sie, machte die Geste des Geldzählens und sah ihn vielsagend an. Schon ewig hatte sie nicht mehr so herumgealbert.

„Miss Bailey, Sie passen hervorragend hierher.“

Ihre Blicke trafen sich länger als üblich, ehe sie beide wieder auf die Straße sahen. Leigh spürte wieder diese Hitze in sich, die sie am liebsten auf das Wetter geschoben hätte. Dieses Mal hatte es nichts mit Rache an Dan zu tun; etwas hatte sich verschoben, und sie empfand es als erfreulich und gefährlich zugleich.

„Da ist es.“ Will nickte zu dem letzten Haus in der Siedlung, größer als sein eigenes, aber ebenfalls auf Stelzen gebaut, mit runden, lavendelfarbenen Dachschindeln, die wie Fischschuppen wirkten. Überall am Strand waren Fackeln aufgestellt, und um einen Grill sammelten sich ein Dutzend Leute, die Becher und Bierflaschen in den Händen hielten und wild gestikulierend miteinander redeten. Der sachte Wind trug das Gelächter zu ihnen, die Aromen des brutzelnden Fleisches und der Ozeanbrise und den unverkennbaren Duft der Karibik, nach Blumen und Sand und dem unendlichen Himmel. Leigh sog alles tief in sich auf und versank einen Moment im Anblick der sich in der Dämmerung verfärbenden Wolken. Sie sog diesen Ort in sich auf, bis kein Platz mehr für einen einzigen unangenehmen Gedanken blieb.

Will zog die Sandalen aus, als sie von der Straße herunter auf den Strand kamen, dann sah er Leigh an. „Sind Sie bereit?“

Sie betrachtete die Leute. „Klar. Scheint ruhig genug für mich.“

Er grinste. „Warten Sie, bis die Sonne ganz untergegangen ist.“

„Ihr könnt hier unmöglich verrückter sein als die Spinner in L. A.“

Als sie um das Haus herumgingen, klatschten einige der Partybesucher, als sie Will entdeckten.

„Hört mal alle her“, rief er. „Wir haben heute Abend einen blaublütigen Gast unter uns Primitiven.“

Noch mehr Leute jubelten und schwenkten grüßend ihre Bierflaschen.

„Ihre Hoheit möchte etwas vom Leben der echten Insulaner abbekommen“, fuhr Will mit einem nachsichtigen Grinsen fort. „Also benehmt euch so schlecht, wie ihr könnt.“

Er führte Leigh über den warmen Sand zum Grill, wo er seine Kühlbox abstellte. Ein großer, beleibter Mann begrüßte ihn mit Handschlag und einem Klatsch auf den Rücken, ehe er sich lächelnd Leigh zuwandte.

„Oscar, das ist Leigh, sie ist Gast im Shearwater, Leigh, das ist Oscar, der Gastgeber des heutigen Abends.“

„Schön, Sie kennenzulernen“, sagte sie und schüttelte ihm die Hand.

„Gleichfalls.“ Oscars Aufmerksamkeit driftete ab, als Will zwei glänzend blaue Fische aus der Kühlbox zog. „Die sind toll! Bethany wird sich freuen.“

Will reichte ihm das Mitbringsel und säuberte seine Hände im Eis, während Oscar die Fische zum Grill brachte, an dem eine hochschwangere Frau werkelte.

„Haben Sie die gefangen?“, fragte Leigh.

„Hm, ich fahre fast jeden Morgen raus. Mit dem Motorboot, nicht dem Kanu.“

„Wow.“ Dieses Mal bemerkte sie es selbst und äffte sich nach, ehe Will es tat. „Wow.“

Er lächelte. „Einen Drink? Bier? Cocktail?“

„Bier.“ Sie wusste nicht, ob sie schon für härtere Sachen bereit war. Sie folgte Will in die belebte Küche und lächelte den anderen Gästen nervös zu, während Will ihr ein Bier holte. Mit herzlichen, neckenden Worten wurde sie einer Flut an Namen und Gesichtern vorgestellt.

Draußen ertönte eine Trommel. Will schien ihre Unsicherheit zu spüren, er nickte Richtung Ausgang, und Leigh ging mit ihm hinaus in die kühle Abendluft. Sie schlenderten zum Wasser, wateten in der Gischt, tranken und genossen stumm, wie das Licht der Fackeln sich in den dunklen Wellen spiegelte.

Will räusperte sich. „Also, bereuen Sie es? Ihn verlassen zu haben?“

Verblüfft sah sie ihn an. Verblüfft, weil er etwas so Persönliches ansprach, so Gefühlsbetontes, und zugleich überrascht, dass ihr selbst diese Frage noch gar nicht gekommen war. Über die Antwort musste sie allerdings nicht lange nachdenken. „Nein, ich bereue es nicht.“

Will nickte, seine Miene gab nichts preis, während er den Blick wieder auf das Meer richtete.

Leigh stieß einen langen, melancholischen Seufzer aus, an dessen Ende sie sich unvernünftig erleichtert und entspannt fühlte. „Es wäre ein großer Fehler gewesen, die Heirat durchzuziehen. Die Art und Weise, wie ich erkannte, dass ich ihn nicht heiraten kann … Es tut trotzdem weh. Es ist erniedrigend und kompliziert, aber wenn das alles erst einmal verblasst ist, werde ich mit meiner Entscheidung sehr glücklich sein.“

„Sie wirken auf mich ziemlich vernünftig.“

„Für einen Prominenten …“, sagte Leigh trocken.

„Für jedermann.“ Er trank einen Schluck. „Wie kann man vor dem Altar landen, wenn man auch nur einen Funken Zweifel spürt?“

„Das ist schwer zu erklären. Stellen Sie sich Ruhm als eine Droge vor. Es macht etwas mit Ihrem Kopf. Es macht Sie irgendwie betrunken, oder high, es verändert die Realität. Besonders, wenn alle um Sie herum die Dinge genauso sehen.“ Sie sah auf die wabernden Reflektionen im Wasser. „Als sähe man die Welt durch einen Zerrspiegel, aber jeder stimmt zu, dass alles normal ist, also … gewöhnt man sich an das Verzerrte, schätze ich.“

„So sehr, dass man den falschen Mann heiraten würde?“

„Beinahe. Ich weiß, es klingt schrecklich.“

„Klingt irgendwie typisch. Die Leute aus Hollywood sind nicht grade für ihre stabilen Beziehungen bekannt.“

Leigh nickte. „Meinen Verlobten – oder zumindest den Kerl, wie er früher war – hätte ich ohne zu zögern geheiratet. Aber als der große Tag dann da war, war er anders. Und in dieser Welt ist es so einfach, sich zu sagen, dass sich alles normalisieren wird, sobald X passiert ist. Aber X passiert, und gar nichts normalisiert sich. Normal existiert einfach nicht mehr, sobald man Teil der Unterhaltungsindustrie ist.“

„Viele Menschen träumen davon, das zu haben, was Sie haben.“

„Ich weiß.“

„Aber Sie nicht.“

Nachdenklich trank sie ihr Bier. „Ich wollte nie berühmt sein. Ich war siebzehn und wollte nichts außer tanzen und versuchen, damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Berühmt zu werden war Zufall, aber es hatte eine ganz eigene Dynamik, besonders, als ich sah, wie stolz es meine Eltern machte. Ich will es irgendwie jedem recht machen. Okay. Ich will es immer jedem recht machen.“

Will lachte. Und das wirkte ebenso entspannend wie der Alkohol. So warm und intim, wie seinen Atem in ihrem Nacken zu spüren, dachte sie.

„Es ist schwer zuzugeben, dass ich nichts mehr von all dem will. Vermutlich werden mich wer weiß wie viele Leute undankbar nennen, wenn ich wirklich aufhöre.“

„Sie meinen die Fans?“

„Die auch. Aber es geht noch viel mehr um die Familie, die glaubt sonst was für einen geopfert zu haben. Und die vielen Leute, die an dein Talent geglaubt haben, dich gefördert und vorangebracht haben. Aber ich weiß, dass ich entbehrlich bin. Ich bin nicht mehr das zwanzigjährige Sternchen von nebenan.“

Endlich sah er ihr in die Augen, die im Fackellicht ebenso hell glänzten wie im Sonnenschein. „Mit fünfundzwanzig schon verbraucht? Das ist krass.“

„Siebenundzwanzig, aber ja. Ich bin eine bestimmte Art von Ware, und meine Zeit ist begrenzt. Es gibt eine Menge frischer Nachfolger, die froh wären, meine alte Rolle zu übernehmen.“

„Autsch.“

Leigh lachte. „Ja, mein Verfallsdatum ist fast erreicht.“

Sie lächelten sich an, wieder länger, als es unschuldig wäre. Ihr Blick wanderte zu seiner nackten Brust, ehe sie sich wieder im Griff hatte und hinüber zu der Party am Strand sah. Die Leute lachten und aßen, und zu dem Trommler hatten sich noch andere Musiker gesellt, Kinder tanzten im Sand.

„Und was wollen Sie jetzt tun?“, fragte Will. „Wenn Ihr Traum, ein Niemand zu sein, wahr wird?“

Sie hielt ihren Blick auf die Party gerichtet. „Ich will tanzen.“

„Wie ‚auf der Bühne‘ oder …“

„Nein, jetzt. Ich will tanzen.“ Sie wollte nicht daran denken, was sie tun würde, wenn sie nach Hause kam. Wollte nur das Jetzt genießen, den Spaß an diesem Ort.

Sie schlenderte zum Strand zurück, stellte ihre Flasche in einem leeren Kasten ab und ging rüber zu den Musikern.

Sie tanzte alleine, genoss den Rhythmus und die Atmosphäre, das Flackern des Feuers und das tiefe Indigoblau des Himmels über ihr. Sie schloss die Augen und sog das Lachen und die Musik in sich auf, fühlte sich so frei wie seit Jahren nicht mehr. Sie war nur irgendein Mädchen, das an irgendeinem Strand tanzte. Einfach nur Leigh, zum ersten Mal seit einer Ewigkeit.

Über den Strand hinweg traf sie Wills Blick. Dieses verdammte Lächeln … Ihr inneres Kraftfeld verlagerte sich, rutschte tief in ihren Bauch hinein, warm und neugierig, und Leigh fragte sich, ob es nicht höchste Zeit war, einige schlechte Entscheidungen zu treffen.

4. KAPITEL

Will stellte seinen Teller in der Küche ab. Leigh sollte sich etwas zu Essen nehmen, solange noch etwas da war … aber sie tanzte mit Rex, einem der jüngeren Fahrer, ein Anblick, der Will einen seltsamen Stich versetzte.

Eifersucht wäre als Diagnose wohl etwas übertrieben, Besorgnis wohl auch. Sollte sie ihren Spaß haben. Er hoffte nur, sie würde nicht zu sehr ausflippen, da Prominente eine gewisse Neigung dazu zu haben schienen.

Er ging näher heran, wenn auch nur, um ein Auge auf sie zu haben. Also gut – um sie besser im Blick zu haben. Sie, die Antwort auf seine finanziellen Gebete … auch wenn er das, was sie ihm im Flugzeug erzählt hatte, noch nicht weitergegeben hatte. Gerade jetzt fiel es ihm schwer, im Kopf zu behalten, was sie eigentlich für ihn sein sollte. Haut so blass wie der Sand, ein Lächeln so strahlend wie die Fackeln. Diese unsichere, gehetzt wirkende Frau von ihrem ersten Treffen war verschwunden, dafür hatte nun ein vor Leben nur so sprühendes Geschöpf ihren Körper in Besitz genommen. Um nichts in der Welt könnte er sagen, wer diese Frau wirklich war, und bis dahin konnte er sich auch nicht überwinden, nur das kleinste Detail an die Presse zu verkaufen, auch wenn es noch so harmlos war.

Aber wer immer sie auch war, es war aufregend zuzusehen, wie sich ihr Körper bewegte, wie die Wellen auf dem Meer, rhythmisch und chaotisch zugleich. Will wusste besser als jeder andere, wie berauschend dieser Ort sein konnte. Er war schon seit sieben Jahren high.

Was würde die Klatschpresse über sie schreiben? Flüchtige Braut feiert die Nacht mit Hotelpersonal durch. Dazu ein paar Fotos von ihr mit beim Tanzen wild schwingendem Haar. Dann noch eins, auf dem sie völlig betrunken wirkte – obwohl sie bisher nicht einmal ein zweites Bier geöffnet hatte. Keines der Bilder würde vermitteln, was er in ihr sah – eine Frau, die sich in ihrer eigenen ansteckenden Freude verloren hatte. So wie eine Frau aussehen sollte, die auf ihrer Hochzeit tanzte.

Will erinnerte sich noch daran, was er empfunden hatte, als er zum ersten Mal einen Fuß auf so einen Strand setzte. Acht Jahre alt war er damals; sein Vater hatte ihn mit nach Mexiko genommen – der erste Flug eines zukünftigen Piloten, der erste Trip eines Stadtkindes über die Grenzen des U-Bahn-Netzes hinaus. Der ganze braune Schlamm der Bronx war vergessen, kaum dass sie sich in die Lüfte erhoben hatten, und angesichts der Aufregung, zu fliegen, war die Dunkelheit des Winters verblasst. Kaum versanken seine Zehen in dem warmen Sand, wusste er, dass er irgendwann an einem Ort wie diesem leben würde. Es war nur eine winzig kleine Küstenstadt, aber etwas Besseres hatte sein Vater sich nicht leisten können. Und Will wusste damals nur eins: dass die Welt zum ersten Mal, seit seine Mutter abgehauen war, wieder wunderschön war.

Er fragte sich, ob Leigh wohl einen armen Kerl mit gebrochenem Herzen zurückgelassen hatte. Aber er bezweifelte es. Sie war Schauspielerin, vielleicht sogar eine gute, aber selbst ein einfacher Typ wie er konnte den Schmerz hinter ihrem Auftreten spüren. Er gehörte nicht zu der neugierigen Sorte, die dauernd Fragen stellte, aber er wollte Antworten von dieser Fremden, die es geschafft hatte, ihn davon zu überzeugen, dass er sie hierher mitnahm. Er war selbst Meister darin, den freien Geist zu spielen, und wenn Leighs Fassade der seinen glich, fragte er sich, welch schwere Last sie dahinter versteckte. Will schnappte sich ein neues Bier und drängte sich zwischen herumwirbelnden Pärchen durch, um zu Leigh und ihrem Tanzpartner zu gelangen. Sie waren sich ganz schön nahe gekommen, wenn auch nicht so nah, wie Rex es gerne gehabt hätte.

„Darf ich ablösen?“

Rex verabschiedete sich übertrieben mit Handküssen und Verbeugungen. „Jetzt zeigen Sie besser, was sie können. Er war gut.“

Will gehorchte und bewegte sich im Rhythmus der Musik in seiner gewohnt gelassenen Art. „Wollen Sie nicht etwas essen, ehe nichts mehr da ist?“

Sie warf einen Blick zum Grill „Ich habe keinen Hunger. Ich will nur das hier.“ Sie kam näher, und wie sie ihre Hüften schwang und auf ihrer Kehle der Schweiß im Fackelschein glänzte, brachte Will völlig aus dem Takt

„Haben Sie Angst vor mir?“, neckte sie ihn, als sie seine Blicke sah.

„Ich versuche nur, professionell zu sein, Miss Bailey.“

Lächelnd verdrehte sie die Augen „Oh, richtig. Mein Anstandswauwau. Sehr professionell, besonders als Sie mir das Bestechungsgeld abgeschwatzt haben.“

„Ich hab’s zurückgegeben, oder?“

„Haben Sie. Und Sie können es sich zurückverdienen, wenn Sie jetzt richtig mit mir tanzen.“

„Sie könnten schwanger davon werden, was hier unter ‚richtigem‘ Tanzen läuft.“

Leigh lachte wieder, ein klarer, erregender Klang. „Gut, dann vielleicht nicht richtig richtig.“

Will wechselte die Bierflasche von der rechten in die linke Hand, damit er seine Rechte an Leighs Taille legen konnte, dann kam er näher, so nah, dass sich ihre Knie und Schenkel berührten. So nah bei ihr fühlte er sich auf eine primitive, aggressive Art groß, wie er sich schon lange nicht mehr gefühlt hatte.

Sie hatte den Körperbau einer Tänzerin, schlanker Hals, langer Rumpf, Proportionen, wie sie nicht ganz möglich schienen. Proportionen, nach denen sich alle Frauen sehnten – die Respekt erzeugten, ohne die unübersehbaren Kurven, die Männermagazine wie Frischfleisch darboten. Leigh bewegte sich, wie Will es keiner Amerikanerin zugetraut hätte, so als würde niemand zusehen. Als tanzte sie um des reinen, körperlichen Vergnügens willen. Ein sehr unprofessioneller Gedanke ließ Will sich vorstellen, was ihr Körper sonst noch von seinem verlangen könnte.

Sie kamen sich noch näher. Der Trommelschlag verlangsamte sich, bis er genau den Rhythmus von Sex zu haben schien. Wills Oberschenkel glitt zwischen ihre Beine, ihre Hüften waren kaum einen Millimeter voneinander getrennt. Sie legte ihre Hand auf seine nackte Haut unter seinem offenen Hemd, und er spürte ihre Blicke auf seinem Körper ebenso, wie er ihre Hände spürte.

Er öffnete den Mund, schloss ihn dann wieder. Sein verwirrter Geist war unfähig, ihn etwas Spöttisches sagen zu lassen, was so rasch so typisch für ihren Umgang miteinander geworden war. Sein Blut sammelte sich an gefährlichen Stellen, und er gab sich größte Mühe, an etwas Langweiliges zu denken. Etwas, das ihn von dem so wendigen, geschmeidigen Körper ablenkte, der seinen immer wieder streifte.

Als wollte ihm da oben irrtümlich jemand einen Gefallen tun, hörte die Musik langsam auf. Sie trennten sich, als die Band aufstand, um eine Pause zu machen, und sahen einander an. Wie sie die Lippen schürzte, verriet ihm, dass sie aus ihrer sinnlichen Trance erwacht war. Trotz des offenen Hemdes fühlte er sich, als wäre ihm sein Kragen zu eng.

„Danke“, murmelte sie.

„Habe ich mich gut angestellt?“

Sie nickte. „Sehr gut. Sie sind eigentlich sehr umgänglich, wenn Sie den Mund halten.“

Kopfschüttelnd lächelte er. „Wollen Sie etwas essen?“

„Gerne.“

Er holte Leigh einen Teller, und sie suchte sich etwas vom Grill aus. Da keiner der provisorischen Sitze frei war, ließen sie sich, ein wenig abseits, auf dem Sand nieder, sodass sie sowohl die Party als auch den Ozean sehen konnten.

„Das ist toll hier“, sagte Leigh zwischen zwei Bissen. „Genau was ich gebraucht habe.“

„Gut.“

„Ich weiß, dass Sie eigentlich nicht mit mir abhängen sollten, also danke.“

Will zuckte die Schultern. „Ich habe nie getan, was ich sollte. Das war also nur zu erwarten.“ Er musterte sie, während sie die Szenerie in sich aufnahm. Ihr Gesicht hatte sich im Feuerschein von hübsch zu sexy gewandelt, ihre grauen Augen dunkel und glänzend, und die Fackeln spiegelten sich darin.

„Für Sie ist das sicher nichts Ungewöhnliches mehr.“ Sie sah ihn zu schnell an, als dass er noch so hätte tun können, als hätte er sie nicht angestarrt.

Er räusperte sich. „Nein, aber es ist nichts Ungewöhnliches mehr, weil es jeden Abend aufs Neue stattfindet, und ich kann mir nichts Besseres vorstellen.“

Er schaute zu den Leuten die in den letzten Jahren seine Freunde geworden waren. „Ehrlich gesagt …“ Er sprach nicht weiter, fürchtete, einer Fremden zu viel von sich preiszugeben. Sie wäre die Erste, der er es sagen würde, was ihm viel zu vertraut vorkam, und viel zu früh.

Sacht stupste sie ihn mit dem Ellbogen an. „Ehrlich gesagt, was?“

Unwillkürlich platzte es aus ihm heraus. „Ich, ähm … Ich werde ein Haus auf dem Festland kaufen. In ein paar Wochen schon, hoffe ich.“

„Oh, Sie wollen umziehen?“

„Vielleicht, ja.“

„Aber Sie werden weiterhin die Gäste fliegen?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein. Ich will ein heruntergekommenes altes Ferienhaus kaufen, direkt am Strand. Es ist eher eine etwas zwielichtige Ecke der Stadt, aber ich werde versuchen, das etwas zu ändern.“

„Wie?“

„Ich will einen Club aus dem Haus machen.“

„So was wie eine Bar?“

„Nichts Schickes. Nur so wie hier“, sagte er und deutete auf die kleine Party. „Lagerfeuer am Strand, einfache Gerichte, kaltes Bier. Eine Tanzfläche mit flackernden Lichtern drum herum.“

„Nur für die Einheimischen?“

„Nein, für jeden. Einheimische, Touristen, Bräute auf der Flucht.“

Lächelnd sah sie auf ihren Teller.

„Einfach ein Ort, an dem man abhängen kann. Was Reelles, kein Schnickschnack.“

„Das hört sich nett an.“

Ja. Und bis vor einer Woche war dieser Traum noch völlig außer Reichweite gewesen. Es zu erwerben, würde er sich so gut wie leisten können, doch dann seine Vorstellungen zu verwirklichen … Nach der Renovierung musste Personal angeheuert und ausgebildet und diverse Lizenzen beantragt werden. Bei seinem Einkommen würde das Jahre dauern, und Will hatte noch weniger Zeit als Geld. Wenn er jedoch ein bisschen harmloses Getratsche an die Klatschpresse verkaufte, würde er finanziell gut dastehen. Allerdings mochte er Leigh. Er würde nichts Peinliches und keine Fotos weitergeben. Trotzdem lag ihm das Angebot schwer im Magen. Die kostbare Gelegenheit schmeckte plötzlich schal, nachdem er diese Frau näher kennengelernt hatte, und die Unsicherheit nagte an seinem Entschluss.

„Ich würde es gerne einmal sehen. Ihren Club“, murmelte sie verträumt, als wäre sie innerlich weit weg oder schon im Halbschlaf.

„Da gibt es noch nicht viel zu sehen. Nur eine heruntergekommene Ruine am Strand.“

„Sitzen Sie manchmal dort und versinken in Tagträumen? Stellen sich vor, wie es einmal sein könnte?“

Will spürte, wie er errötete, eine ziemlich fremdartige Gefühlsregung. „Hmm, ja …“

„Wie soll es heißen?“

„Billy’s.“

„Ist das Ihr Spitzname?“

„Nein, der von meinem Vater.“

„Oh. Stehen Sie sich sehr nahe?“

„Ja. So nah wie es geht, wenn man so weit voneinander entfernt lebt. Er ist seit letztem Jahr krank. Wurde in seinem Taxi angeschossen. Drei Monate, bevor er in den Ruhestand gehen wollte. Er war ewig im Krankenhaus, das hat ein Vermögen gekostet.“ Und damit waren seine sämtlichen Ersparnisse weg. „Er ist zweiundsechzig, aber als ich ihn das letzte Mal sah, wirkte er wie hundert.“

Sacht legte sie eine Hand auf sein Knie, um ihn aus seinen Gedanken zurück in die Gegenwart zu holen.

„Drücken Sie mir die Daumen, dass meine Pläne aufgehen, dann kann ich vielleicht einige von unseren finanziellen Problemen lösen.“

„Das mache ich.“

Plötzlich war sie ihm so nahe, einladend nahe. Warm und weich wie der Schein des Feuers. Sein Gesicht war so dicht bei ihr, es bräuchte nur eine kleine Bewegung, um sie zu berühren, und doch so viel Mut angesichts seines Deals. Und selbst, wenn seine ohnehin schon fragwürdige Moralvorstellung sich ganz verflüchtigte, war hier, vor all den Zeugen, nicht der richtige Ort.

Und doch spürte er, dass sie ihn ermutigte, sah es daran, wie ihr Blick von seinen Augen zu seinem Mund und zu ihrer Hand auf seinem Knie wanderte. Er konnte es so deutlich spüren, wie das Flehen seines eigenen Körpers, sich darauf einzulassen. In ihren Augen lag etwas wie Verwegenheit, ein Bedürfnis, etwas, das in ihm widerhallte und sein eigenes Verlangen heiß in ihm aufwallen ließ. Er wollte sie so sehr wie nie zuvor eine Frau, und sein schlechtes Gewissen und dieser unmögliche Ort verstärkten sein schmerzhaftes Sehnen noch. In seinem Kopf schwirrte alles durcheinander und, ihre Lippen anstarrend, schluckte er schwer.

Lautes Gelächter der anderen Gäste riss ihn aus seiner Trance, und er bemerkte, dass die Dinge eine gefährliche Wendung genommen hatten. Er richtete sich auf und räusperte sich. „Also.“

Einen Augenblick glaubte er, Enttäuschung in ihrem Gesicht zu sehen, dann zog Leigh ihre Hand zurück und sagte leichthin. „Also?“

„Geht’s Ihnen jetzt besser? Nachdem Sie sich ein bisschen unters Volk gemischt haben, um den Hollywood-Glitter abzuschütteln“

„Das ist Unsinn.“

„Aber Sie werden zurückgehen. Zu den Partys und den Premieren? Sie sagten zwar, Sie wollen ein Niemand sein, aber seien Sie ehrlich. Sie werden das doch vermissen, oder? Nicht heute, aber irgendwann.“

„Ich habe lange genug Verkleiden gespielt und im Mittelpunkt gestanden. Jetzt will ich einfach nur eins sein, verstehen Sie?“ Sie streckte ihre Beine aus und bohrte ihre Fersen in den Sand. „Schlicht und einfach nur ich.“

Will tat das Gleiche, streckte seine Füße neben ihren aus. „Und das sind jetzt schlicht und einfach Sie?“

„Ja. Hier bin ich so sehr ich selbst wie schon ewig nicht mehr. Von Leuten umgeben zu sein, die nicht wissen, wer ich bin und nicht aufgrund einer Filmrolle auf meinen Charakter schließen.“

Will musterte verstohlenen ihr Profil. Ihm gefiel die schlichte und einfache Leigh. Bei ihrem ersten Zusammentreffen hatte er geglaubt, sie wäre wild auf Aufmerksamkeit, weil sie ausgerechnet am Tag ihrer Hochzeit abgehauen war. Doch es musste mehr als das sein. Irgendeine üble Geschichte, die sie beschlossen hatte zu bewältigen. Keine feige Flucht Richtung Freiheit und weg von der Verantwortung.

„Wie ist dein Ex so?“, fragte Will. „Was macht er?“

„Er ist Musiker. Oder war es. Als wir uns kennenlernten, war er in einer Band.“

„Rock-Star?“

Sie lachte schwach. „Nicht ganz. Aber seine Band war auf der Independent-Schiene. Es hätte wirklich was aus ihnen werden können, wenn sie gewollt hätten, aber nachdem wir zusammenkamen, packte ihn das Hollywood-Fieber. Jetzt geht es ihm mehr um die Szene als um die Musik. Er will produzieren. Und einen Club eröffnen. Genau wie Sie.“ Mit forschend verengten Augen sah sie Will an. „Nein, eigentlich gar nicht wie Sie.“

„Nein?“

„Er will daraus so ein In-Ding machen. Ihr Plan klingt eher nach dem Gegenteil.“

„Alkohol, Sand, Musik“, stimmte Will zu. „Ziemlich einfache Sache.“

„Ist mir sympathischer als das, was Dan will.“

Dan.

„Klingt sogar sehr schön“, fuhr sie gähnend fort. „Ich werde mir das mal ansehen, wenn es fertig ist.“

„Tun Sie das. Die erste Runde geht auf mich.“ Eigentlich sollten alle Runden auf ihn gehen, wenn die Finanzierung auf ihre Kosten klappen sollte. „Sie sehen müde aus. Soll ich Sie zurück in die Villa bringen?“

Leigh runzelte die Stirn, nickte aber. „Ich schlafe seit Tagen nicht besonders gut. Aber ich finde auch alleine zurück. Es ist fast Vollmond.“

Will stand auf und half ihr auf die Beine. „Ich kann Gäste nicht schutzlos alleine durch die Dunkelheit laufen lassen. Für eine Nacht habe ich genug Regeln gebrochen. Ich sollte wenigstens den anständigen Begleiter spielen.“

Sie verabschiedeten sich von allen, zogen ihre Sandalen wieder an und gingen auf die Straße. Will hatte so wenig getrunken, dass er sie hätte fahren können, aber der Spaziergang würde ihm guttun. Seinen Kopf klären und vielleicht wieder so geraderücken, dass ihm klar wurde, was dieses Mädchen für ihn war. Ihn vielleicht dazu bringen, endlich bei dem Typen von der Presse anzurufen und das versprochene Geld zu verdienen, für das er seine letzten Skrupel verkauft hatte. Wieder spürte er diesen Stich in der Brust.

Er brachte die Kühlbox in sein Haus, dann gingen er und Leigh, wieder barfuß, den Strand entlang zurück. Der nahezu volle Mond warf sein bläuliches Licht auf den Sand, auf Leighs Gesicht und ihre nackten Arme, die sie vor der Brust verschränkt hatte.

„Ist Ihnen kalt?“

„Nein, alles okay.“

„Hier.“ Will blieb stehen und zog sein Hemd aus.

Lächelnd nahm sie es an und reichte ihm die Flip-Flops, damit sie es zuknöpfen konnte. Verdammt. Was war das nur mit Frauen in Männerhemden?

„Danke.“ Sie nahm ihre Schuhe wieder.

„Und freuen Sie sich auf einen weiteren trägen Tag morgen?“

„Ja, aber erst brauche ich einmal wirklich etwas Ruhe. Ich war gestern so durcheinander, dass ich nur ein bisschen auf der Couch eingenickt bin. Jetzt, wo ich richtig erschöpft bin, werde ich als Erstes mindestens acht Stunden in einem richtigen Bett schlafen.“

„Ist es groß? Eins von diesen Fußballfeld großen?“

„Ja.“

Will stellte sich das Bett vor, mit hauchdünnen Vorhängen, die von der Decke herabhingen, verträumtes Dämmerlicht, eine schläfrige Frau. Nackte, schlanke Beine, in kühle, glatte Laken gehüllt …

Böser Anstandswauwau.

Er fuhr sich mit den Fingern durch das zerzauste Haar und fragte sich zum ersten Mal seit Langem, was jemand anders über ihn dachte. Was Leigh dachte. Dass er faul war, vielleicht. Beneidenswert faul, aber trotzdem faul. Er war sechs Jahre älter als sie, aber sie war ihm Äonen voraus darin, etwas aus dem Leben zu machen. Allerdings wollte er nichts mit dieser verdrehten, westlichen Auffassung von Erfolg zu tun haben. Er wollte nicht mit sechzig plötzlich voller Reue aufwachen. Er wollte nicht werden wie sein alter Herr, so sehr er ihn auch liebte. Und wenn ihn das zu einem anspruchslosen Tagedieb machte, dann sollte es so sein.

Man konnte immer nur die Menschen verletzen, die sich auf einen verlassen hatten – indem man sie verließ oder durch seine Handlungen. Die beste Lösung dafür war, seine Beziehungen so einfach wie möglich zu halten, so wenig Verantwortung wie möglich zu tragen. Nichts versprechen, nichts bereuen müssen. Wenn sein Vater ihm nicht unermüdlich zugesprochen hätte, hätte Will wohl nie den Mut gehabt, wegzugehen und sich sein eigenes Leben, basierend auf diesem Motto, aufzubauen. Anfangs hatte die Schuld ihn fast aufgefressen, die Scham, den einzigen Menschen zurückgelassen zu haben, den er wirklich, aufrichtig liebte, der Opfer gebracht hatte, damit Will werden konnte, was immer er sich erträumte. Aber diese Schuld war über die Jahre verblasst, nur um ihn mit voller Wucht zu treffen, als sein Vater angeschossen worden war. All die Jahre hatte Will Bindungen vermieden, um niemanden zu verletzen, wie seine Mutter ihn und seinen Vater verletzt hatte, als sie abgehauen war … Und jetzt war er hier, tausende Meilen weit weg, als sein Vater ihn am meisten brauchte. Und fühlte er sich trotz all dieser guten Absichten als Deserteur.

Jetzt hatte er nur noch eine Mission: Seinen Vater herzuholen, damit er im Paradies leben konnte, solange ihm noch Zeit blieb. Will sah zu Leigh, hoffte, es wäre vielleicht ein Zeichen, dass sie heute zu ihm gekommen war, ein Beweis, dass der Deal klargehen würde, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Er hatte nicht einmal selbst etwas dafür tun müssen, um sie aufzuspüren. Sie war zu ihm gekommen.

In der Ferne tauchte die Villa auf, das Mondlicht spiegelte sich in den Fensterscheiben. Plötzlich blieb Leigh stehen.

Will sah sich um, aber alles schien normal. „Was ist?“

Sie atmete tief ein, dann wieder aus und betrachtete das Gebäude. „Es ist nur so … leer. Besonders, wenn man es von hier aus ansieht. Wie ein Aquarium oder so. Als könnte ich darin ertrinken.“

Will schaute unverwandt auf das Wasser, lauschte ihren tiefen Atemzügen. Dann umfing ihre kleine Hand seinen Ellbogen.

Als er in ihr Gesicht sah, wirkte sie entschlossen und unsicher zugleich. Ihre Sandalen plumpsten in den Sand, und er sog scharf die Luft ein, als sie ihre Hand um seinen Nacken legte. Ohne nachzudenken, tat er, was ihre Berührung verlangte, beugte sich zu ihr und hieß ihre Lippen mit seinen willkommen.

Sie schmeckten salzig von der Seeluft. Als er seine Hand in ihrem Haar vergrub, vertiefte sie den Kuss. Das Rauschen der Wellen schien seinen Geist zu überschwemmen und alle Logik zu ertränken.

Sie küsste anders, als sie aussah – nicht süß und unerfahren. Nicht wie das Mädchen von Nebenan. Sie küsste wild, sodass ihm schwindelte. Ihre Finger streichelten seine nackte Brust, ihre kurzen Nägel kratzten leicht darüber, und seine Beherrschung war dahin.

Er ließ seine Schuhe fallen, sank auf die Knie und zog Leigh mit sich. Unwillkürlich stöhnte er auf, als er ihr Gewicht auf seinen Schenkeln spürte. Er fasste sie bei den Hüften und drängte sich an sie. Ihr leises Keuchen wärmte seinen Mund, und er öffnete ihn weiter, um sie zu schmecken. Worte schossen ihm durch den Kopf – Racheakt, unverzeihliche Schweinerei, Boulevardpresse. Eine abstrakte Wortsammlung, die gegen ihre faszinierende Körperform, gegen ihren Kuss keine Chance hatten.

Er strich über ihr Haar und küsste sie tiefer, unterdrückte ein Stöhnen, als sie ihre Beine um seine Hüften schlang und sich an ihn drückte. Er gab ihr mehr, als sie verlangte, presste sie hart an sich, so nah, dass unmissverständlich klar wurde, dass ihr Kontrollverlust beidseitig war. Scharf sog sie Luft zwischen den Zähnen ein und verharrte plötzlich reglos in seinen Armen.

Er schluckte. „Das wäre der perfekte Moment für ein Wow, Miss Bailey.“

Sie biss sich auf die Lippe, ohne ihr Lächeln zu verbergen. „Du kannst Leigh sagen.“

„Du kannst Captain Burgess sagen.“

Sie schüttelte den Kopf, aber ihr freches Lächeln wurde noch breiter. Da war ein warmer, ungezwungener Ausdruck in ihrem Gesicht, wie Will ihn seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Seine Prioritäten gerieten ins Wanken.

Sie räusperte sich. „Ich sollte wirklich nicht in deinem Schoß sitzen.“

„Nein, wirklich nicht. Besonders, weil ich mich so sehr bemühe, dich wieder loszuwerden.“

„Das dürfte ein ausgesprochen großzügiges Trinkgeld zur Folge haben.“

„Dreißig Prozent.“ So herumzualbern fiel ihm schwer. Sein Herz steckte ihm in der Kehle, und seine Vorsätze gingen den Bach runter. Auch sein Blut hat den Weg nach unten gefunden, wo es nun so hart zwischen seinen Beinen pochte, dass er kaum klar denken konnte.

Erneut suchte sie seine Lippen, und dieser Kuss war ganz anders, tief, langsam und hungrig, vernebelte seinen Geist und brachte seinen Körper auf schreckliche, brillante Ideen. Leigh protestierte nicht, als er ihre Brüste umfing. Ihre Lippen hafteten fest an seinen, und ihre Hüften drängten rhythmisch gegen ihn und schienen seine Erektion in Flammen zu setzen. Forschend strich sie mit den Händen über seine Brust und seinen Bauch, fummelte an seinem Hosenbund. Erstickt aufstöhnend schaffte er es, sich von ihr wegzudrücken und ihre Hand ein wenig fortzuschieben.

Unsicher kam sie auf die Füße. „Tut mir leid.“ Ihr Ton klang reuig.

„Das muss dir nicht leidtun.“ Er stand auf und klopfte den Sand von seinen Schienbeinen.

„Ich … das war nicht geplant.“

„Ich weiß. Sonst hättest du jemanden ausgesucht, der es eher verdient als ich.“

Sie lächelte nervös.

„Aber wie lange bist du Single? Seit ein paar Tagen?“

„Ja, genau genommen.“ Sie hob ihre Sandalen auf, ohne ihn anzusehen.

„Glaub mir, ich fühle mich geehrt. Aber ich bin mir sicher, du fühlst dich … Mann, ich hab keine Ahnung, was du fühlst. Ich will nur nicht, dass du das hier bereuen musst … morgen oder nächste Woche, oder wenn du wieder in L. A. bist.“ Lügner, du willst nur selbst nichts bereuen.

Sie nickte, noch immer seinem Blick ausweichend.

Er ging zu ihr, berührte ihre Schulter, aber sie stieß seine Hand weg und lief los zur Villa. Will rannte ihr nach. „Hey!“

Sie hielt an, knöpfte das Hemd auf, zog es aus und warf es ihm zu. „Hier. Danke!“

Er klemmte es sich unter den Arm und lief weiter. Packte sie am Arm, als er sie eingeholt hatte und drehte schließlich ihr Gesicht zu ihm.

„Ich bin nicht wütend oder so“, sagte er. „Ich fühle mich wirklich mehr als geschmeichelt.“

„Dann wolltest du mich schützen?“

„Ich schätze schon. Aber ich wette, du wirst mir jetzt sagen, dass du nicht beschützt werden musst.“

Sie öffnete den Mund, schluckte den Kommentar aber hinunter.

„Ich will nur nicht, dass ich das nächste Mal, wenn ich dich zum Festland fliege, in deinen Augen unwillkürlich Reue lesen muss.“

Sie seufzte schwer. „Wolltest du mich küssen?“

„Darauf brauchst du keine Antwort. Wolltest du mich küssen? Oder wolltest du nur irgendjemanden küssen, der nicht dein Ex ist?“

„Ich weiß nicht.“ Sie starrte zu Boden. „Ich glaube, ich wollte endlich mal etwas Falsches tun. Zehn Jahre lang habe ich den kleinsten Ausrutscher gefürchtet … und du … du hast nichts mit meinem anderen Leben zu tun. Ich glaube, du schienst mir genau der richtige Mann, mit dem man Mist bauen kann.“

Als sie fröstelte, rieb er ihr die kalten Arme und legte ihr sein Hemd um. „Warum bist du abgehauen? Hat er dich gelangweilt? Oder verletzt?“

Sie antwortete nicht.

„Gut, geht mich auch nichts an. Ich bin auch kein so aufrechter Typ, dass es mich kränkt, aus Rache benutzt zu werden.“

Verärgert lächelnd schüttelte sie den Kopf.

„Aber irgendein kleines, ritterliches Überbleibsel in mir sagt, dass ich ins Meer springen und mich abkühlen sollte. Und aus irgendeinem Grund werde ich darauf hören.“

„Scheint weise zu sein, dieses Überbleibsel.“

„Dann kommst du klar? Du wirst noch mit mir fliegen können, ohne dass es dich sticht?“

„Sehen wir dann. Bestimmt findest du noch irgendetwas anderes, das mich trotzdem sticht.“ Sie lächelte wieder, dieses Mal eher kleinlaut und weich. „Du bist ein netterer Kerl, als du dir selbst zugestehst.“

Und du bist ein bezaubernder, wundervoller Dummkopf, wenn du das glaubst, und viel zu reizend für jemanden wie mich. „Mit der Meinung stehst du allein da, aber genieß die Illusion. Du kannst es auch gerne ins Gästebuch schreiben.“

Sie sah zu ihrer Unterkunft hinüber. „Bringst du mich zur Tür?“

Schweigend legten sie den Weg bis zu der Schiebetür zurück. Durch das Glas konnte er ihr Bett sehen und wandte den Blick schnell etwas anderem zu.

Leigh zog ihre Schlüsselkarte heraus und öffnete die Tür. „Danke“, sagte sie und sah ihm in die Augen.

„Kein Problem.“

„Keine Angst, ich werde dich nicht wieder nerven und dich um Sachen bitten, die nicht in den Prospekten angeboten werden.“

„Zu schade.“

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, fasste seine Schulter und gab ihm einen Kuss auf die Wange, dann zog sie sich hochaufgerichtet zurück und salutierte kurz und äußerst professionell. „Gute Nacht, Captain Burgess.“

Er erwiderte die Geste, dann steckte er die Hände in die Tasche. „Gute Nacht. Und schlaf dich aus.“

Sie schob die Tür auf, winkte ihm zum Abschied und verschwand in die Dunkelheit der Suite.

Will zitterte, als er sich entfernte. Kleine Beben vom Adrenalin. Lust und Überraschung und Schuld vermischten sich zu einem Cocktail, der jeden vernünftigen Mann aus den Latschen gehauen hätte. Tief atmete er durch, bis sich sein Herzschlag normalisierte.

Als er an der Küste entlangging, zog er sein Handy aus der Tasche.

Es war spät, aber nicht zu spät. Und egal, wie spät es war, er hatte ein Telefonat zu führen, mit einem Mann in L. A. Der gutes Geld zahlen würde, wenn Will ihm über Leigh Bailey berichtete.

5. KAPITEL

Zwei Tage später gab es gegen Abend eine Sturmwarnung, doch man versichert Leigh, die Villen seien so massiv gebaut, dass sie nichts zu befürchten habe. Also richtete sie sich auf einen gemütlichen Abend im Haus ein.

Nach dem Abendessen flegelte sie sich mit einem Glas Chardonnay auf die Couch, um durch die Panoramascheiben das Naturschauspiel zu betrachten. Ein bisschen wie die wenigen leidenschaftlichen Minuten am Strand mit Will. Sie verpasste sich eine mentale Ohrfeige dafür, dass sie so gerne daran dachte. Für ihn war sie doch nur eine weitere reiche, langweilige Touristin des Jet-Sets. Diese Erkenntnis hatte am nächsten Morgen geschmerzt, vertrieb aber dennoch nicht dieses schummrige Gefühl aus ihrer Magengegend. Dumm wie sie sich benommen hatte, blieb es trotzdem dabei: Sie war ein wenig verschossen.