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Wahrscheinlich hat der griechischen Misanthropen Timon von Athen William Shakespeare als Vorbild gedient für die Tragödie, die zugleich eine Satire ist und die Aspekte Einsamkeit, Opportunismus und Schicksal beleuchtet. In jedem Falle gehört sie zum unbestrittenen Kanon der Weltliteratur mit anhaltendem und vielfältigem Einfluss auf den lesenden Menschen und die Literaturgeschichte – bis heute. Spannend und unterhaltend, vielschichtig und tiefgründig, informativ und faszinierend ist auch dieses Werk wie alle E-Books großer Schriftsteller, Philosophen und Autoren der einzigartigen Reihe "Weltliteratur erleben!".
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Seitenzahl: 110
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William Shakespeare
ISBN 978-3-7339-0178-3
Übersetzt von
Timon, ein edler Athenienser. Lucius, Lucullus, Sempronius und Ventidius, Schmeichler und falsche Freunde des Timon. Alcibiades, ein General der Athenienser. Apemanthus, ein Cynischer Philosoph. Flavius, Timons Verwalter. Flaminius, Lucilius und Servilius, Bediente des Timon. Caphis, Varro, Philo, Titus, Lucius und Hortensius, Bediente von den Gläubigern des Timon. Ein Poet. Ein Mahler. Ein Juweelen-Händler. Ein Galanterien-Krämer. Ein Kauffmann. Drey Diebe. Etliche Senatoren. Cupido und Masken. Phrynia und Timandra, Maitressen des Alcibiades.
Verschiedne Bediente, Soldaten, und andre als stumme Personen.
Die Scene, Athen, und ein nicht weit davon gelegner Wald.
(Eine Halle in Timons Hause.)
Der Poet, der Mahler, der Juweelen-Händler, der Kauffmann, und der Galanterie-Krämer treten durch verschiedne Thüren auf.
Poet. Guten Tag, mein Herr.
Mahler. Ich erfreue mich über euer Wohlbefinden.
Poet. Ich hab' euch lange nicht gesehen; wie geht's in der Welt?
Mahler. So daß es besser seyn könnte, mein Herr.
Poet. Nun, das ist etwas bekanntes. Aber was giebt es vor besondere Seltenheiten? Was ist so ausserordentlich, wovon wir nicht in den Urkunden der Welt mehr als ein Beyspiel finden? – – Seht, o Zauberey der Freygebigkeit! Alle diese Geister hat deine Macht zusammenbeschworen, dir aufzuwarten – – Ich kenne den Kauffmann.
Mahler. Ich kenne beyde; der andere ist ein Juweelen-Händler.
Kauffmann. O! es ist ein würdiger Edelmann!
Juweelen-Händler. Das ist ausgemacht.
Kauffmann. Ein recht unvergleichlicher Mann, von einer unerschöpflichen und immerwährenden Gütigkeit beseelt. Er übertrift – –
Juweelen-Händler. Ich habe hier ein Juweel – –
Kauffmann. O ich bitte euch, laßt mich's sehen – – Für den Lord Timon, mein Herr?
Juweelen-Händler. Wenn er es so hoch bezahlt als es geschäzt ist; doch was das betrift – –
Poet.
Wenn wir um Lohn den Lasterhaften singen,So wird auch des Gerechten Lobes GlanzDadurch beflekt, das wir der Tugend bringen – –
Kauffmann(indem er das Juweel betrachtet.) Es ist schön geschnitten.
Juweelen-Händler. Und reich; was das für ein Wasser ist! Seht ihr?
Mahlerzum Poeten. Mein Herr, ihr seyd, däucht mich, im Enthusiasmus, über irgend einem Werk, das diesem grossen Mann gewidmet werden soll.
Poet. Es ist eine Kleinigkeit, die mir in einer müssigen Stund' entgangen ist. Unsre Poesie ist wie ein Gummi, das daher entspringt, woher es genährt wird. Das Feuer in dem Kiesel zeigt sich nicht eher bis es herausgeschlagen wird; unsre anmuthige Flamme entzündet sich von selbst, und überströmt wie ein reissendes Wasser jeden Damm, der sie einzwängen will. Was habt ihr hier?
Mahler. Ein Gemählde, mein Herr – – Wenn kommt euer Werk ans Licht?
Poet. An den Fersen meiner Gegenwart, mein Herr. Laßt mich euer Stük sehen.
Mahler. Es ist ein gutes Stük.
Poet. Das ist es; das reicht an vortrefflich.
Mahler. Erträglich.
Poet. Bewundernswürdig! Was für eine Wahrheit, welch ein Anstand in dieser Stellung! Was für eine geistige Kraft schießt aus diesem Auge! Was für eine schwangre Einbildungskraft bewegt sich in diesen Lippen! Selbst die stumme Gebehrde wird hier zum Ausdruk – –
Mahler. Es ist eine ganz artige Nachäffung der Natur; hier ist ein Strich – – Was sagt ihr davon?
Poet. Ich will nichts sagen, als, er meistert die Natur selbst; eine künstliche Bewegung lebt in diesen Strichen, die lebhafter ist als das Leben selbst.
Einige Senatoren zu den Vorigen.
Mahler. Wie viel Aufwart dieser Herr hat!
Poet. Die Senatoren von Athen! Glüklicher Mann!
Mahler. Seht, noch etliche.
Poet. Ihr seht diesen Zusammenfluß, diese grosse Fluth von Besuchern – – Ich habe in diesem rohen Werk einen Mann entworffen, den diese Unterwelt mit überschwenglicher Hochachtung umfaßt, und in die Arme schließt. Meine freye Absicht hält keinen besondern Lauf, sondern bewegt sich selbst in einer weiten See von Wachs; keine gesäurte Bosheit vergiftet ein einziges Comma in dem Lauf den ich halte: sondern er fliegt einen Adler-Flug, kühn, in einem fort, und läßt keine Spur zurük.
Mahler. Wie soll ich euch verstehen?
Poet. Ich will es euch aufrigeln. Ihr seht wie alle Stände, wie alle Arten von Leute, sowohl die von glatter und schlüpfriger als die von spröder und herber Beschaffenheit, ihre Dienste zu den Füssen des Lord Timon legen: Sein grosser Reichthum, der an seiner leutseligen und gütigen Gemüthsart hängt, überwältigt alle Arten von Herzen, und macht sie zu seinen freywilligen Unterthanen; ja, von dem Spiegelartigen Schmeichler bis zum Apemanthus, der wenige Dinge so sehr liebt als sich selbst zu verabscheuen; aber auch dieser gießt sich auf die Knie vor ihm hin, und kehrt vergnügt, und durch ein Kopfniken des Timons, in seinen Gedanken, höchst glüklich von ihm zurük.
Mahler. Ich sah sie mit einander reden.
Poet. Ich dichte also das Glük, auf einem hohen und anmuthigen Hügel gethront. Der Fuß des Berges ist mit allen Arten von Personen und Verdiensten dicht umgeben, die sich bestreben sich auf dem Busen dieser Sphäre festzusezen. Unter allen diesen Wesen, deren Augen auf diese allgewaltige Beherrscherin geheftet sind, personificire ich einen in Timons Gestalt, den Fortuna mit ihrer elfenbeinernen Hand zu sich winkt, und durch diese Gunst in ebendemselben Augenblik alle seine Nebenbuhler zu seinen Dienern und Sclaven macht.
Mahler. Eine mahlerische Idee! Dieser Thron, diese Fortuna und dieser Hügel, mit einem Manne, dem aus den übrigen untenstehenden emporgewinkt wird, und der sein Haupt gegen den schrofen Berg beugt, um zu seinem Glük hinaufzuklettern, würde, nach unsrer Kunst, wohl ausgesonnen seyn.
Poet. Nein, hört mich nur weiter: Alle diese, die so kürzlich erst seines gleichen waren, einige besser als er, folgen in diesem Augenblik seinen Schritten, drängen sich aufwartsam um ihn her, regnen flüsternde Schmeichlereyen in sein Ohr, machen sogar seine Schuhriemen zu einem Heiligthum, und trinken die freye Luft durch ihn.
Mahler. Zum Henker, was wollt ihr mit diesen?
Poet. Sobald nun Fortuna, in einem Anstoß von Wankelmuth den, der kaum ihr Liebling war, mit Füssen tritt; so seht ihr, wie alle seine Verehrer, die mit Knien und Händen sich auf den Gipfel des Berges hinaufarbeiteten, ihn hinunter schlüpfen lassen, ohne daß nur ein einziger seinen ausglitschenden Fuß begleiten wollte.
Mahler. Das ist gemein; ich kan euch tausend moralische Gemählde zeigen, die dergleichen plözliche Glüks-Streiche weit lebhafter vorstellen sollen, als Worte. Doch thut ihr wohl, dem Lord Timon zu zeigen, daß es schon begegnet ist, daß erniedrigte Augen den Fuß über dem Kopf gesehen haben.
Trompeten. Timon tritt auf, und wendet sich auf eine leutselige Art an die verschiednen Personen, die ihm die Aufwartung machen.
Timonzu einem Boten. Er sizt im Gefängniß, sagt ihr?
Bote. Ja, gnädiger Herr; Seine Schulden belauffen sich auf fünf Talente, seine Mittel sind sehr knapp, seine Glaubiger sehr dringend; er bittet euch, an diejenige, die ihn eingesezt haben, zu seinem Behuf zu schreiben, und würde ohne allen Trost seyn, wenn ihr ihm diese Gunst versagen würdet.
Timon. Der edle Ventidius! Gut! Ich bin nicht von der Art, meinen Freund zu verlassen, wenn er meiner am meisten nöthig hat. Ich weiß, er ist ein Edelmann, der wohl verdient, daß man ihm aushelfe; ich will es thun, ich will die Schuld bezahlen, und ihn befreyen.
Bote. Euer Gnaden verpflichtet sich ihn auf ewig.
Timon. Empfehlt mich ihm; ich will ihm seine Ranzion schiken, und ihn, wenn er wieder frey seyn wird, zu mir einladen. Es ist nicht genug, dem Schwachen aufzuhelfen, man muß ihm auch den Arm zum Gehen leyhen. Lebt wohl.
Bote. Ich wünsche Euer Gnaden tausend Wohlergehen.
(Geht ab.)
Ein alter Athenienser tritt auf.
Alter Athenienser. Lord Timon, hört mich reden.
Timon. Rede frey, mein guter alter Vater.
Alter Athenienser. Du hast einen Diener, namens Lucilius.
Timon. So ist's; was soll er dann?
Alter Athenienser. Sehr edler Timon, laß diesen Mann sogleich vor dich kommen.
Timon. Ist er hier oder nicht? – – Lucilius! – –
Lucilius tritt auf.
Lucilius. Hier, was befehlen Euer Gnaden?
Alter Athenienser. Dieser Bursche hier, Lord Timon, dieser dein Diener besucht des Nachts mein Haus. Ich bin ein Mann, der von der Jugend an sich Müh gegeben hat, etwas zu erwerben, und mein Vermögen erheischt einen gewichtigern Erben, als einen der auf einem hölzernen Teller ißt.
Timon. Gut; was weiter?
Alter Athenienser. Ich hab' eine einzige Tochter, und sonst keinen Anverwandten, dem ich vermachen könnte was ich erworben habe. Das Mädchen ist hübsch, so jung als eine Braut seyn kan, und ich habe keine Kosten gespart, sie zu den besten Eigenschaften zu erziehen. Dieser dein Diener bewirbt sich um ihre Liebe; ich bitte dich, edler Lord, vereinige dich mit mir, ihm ihren Umgang zu untersagen; ich selbst hab' es fruchtlos gethan.
Timon. Der Mann ist ein ehrlicher Mann.
Alter Athenienser. So wird er's auch hierinn seyn, Timon. Seine Ehrlichkeit belohnt ihn durch sich selbst, sie soll ihm nicht meine Tochter kuppeln.
Timon. Liebt sie ihn?
Alter Athenienser. Sie ist jung und mannbar; unsre eigene ehmalige Leidenschaften lehren uns, wie leichtsinnig die Jugend ist.
Timonzu Lucilius. Liebt ihr das Mädchen?
Lucilius. Ja, mein Gnädiger Herr, und sie ist es zufrieden.
Alter Athenienser. Wenn sie einander ohne meine Einwilligung heurathen, so rufe ich die Götter zu Zeugen, daß ich meinen Erben aus den Bettlern auf der Strasse wählen, und ihnen alles entziehen will.
Timon. Wieviel soll sie zum Brautschaz haben, wenn sie einen Mann heurathete, der ihr an Vermögen gleich wäre?
Alter Athenienser. Drey Talente fürs Gegenwärtige, und künftig alles.
Timon. Dieser wakere Mann hat mir lange gedient; um sein Glük zu machen, will ich mich ein wenig angreiffen; es ist eine Pflicht der Menschlichkeit. Gieb ihm deine Tochter; so viel du ihr giebst, will ich ihm auch geben, um zu machen, daß er so viel wägen soll als sie.
Alter Athenienser. Sehr edler Lord, verspreche mir das auf euer Ehrenwort, so soll er sie haben.
Timon. Hier hast du meine Hand, mein Ehrenwort ist mein Versprechen.
Lucilius. Ich danke Euer Gnaden demüthigst; nimmer möge mir das Glük gedeyhen, welches ich nicht eurer Güte schuldig zu seyn erkenne.
(Lucilius und der Alte Athenienser gehen ab.)
Poet. Nehmet diese Arbeit so gütig auf, als die Wünsche, die ich für Euer Gnaden langes Leben thue.
Timon. Ich danke euch, ihr sollt gleich mehr von mir hören; geht nicht weg – – Was habt ihr hier, mein Freund?
Mahler. Ein Gemählde, welches ich Euer Gnaden bitte anzunehmen.
Timon. Mahlerey ist mir allezeit willkommen. Seitdem die Falschheit mit der Natur des Menschen ein Gewerbe treibt, ist ein gemahlter Mensch soviel als ein natürlicher; gemahlte Figuren sind gerade das, wofür sie sich geben. Euer Werk gefällt mir, und ihr sollt finden, daß es mir gefällt; wartet, bis ihr wieder von mir hört.
Mahler. Die Götter erhalten euch!
Timon. Lebt wol, mein Herr; gebt mir eure Hand, wir müssen heute mit einander zu mittagessen. Mein Herr, euer Juweel hat von allzugrossem Lob gelitten.
Juweelen-Händler. Wie, Milord? Ist es mißfällig?
Timon. Es ist mir bis zum Ekel angepriesen worden. Wenn ich es bezahlen sollte, wie es geschäzt wird, so müßte ich mich zu Grunde richten.
Juweelen-Händler. Gnädiger Herr, es ist so geschäzt wie diejenige, die es verkauffen, es gerne gäben; ihr wißt aber wol, daß Dinge von gleichem Werth, wenn sie ungleiche Eigenthümer haben, nach ihren Besizern geschäzt werden; glaubt mir, Gnädiger Herr, das Juweel würde einen noch grössern Werth erhalten, wenn ihr es trüget.
Timon. Ihr scherzet mit mir, mein guter Mann.
Kauffmann. Nein, Gnädiger Herr, er redt nur die gemeine Sprache, die alle Leute mit ihm reden.
Timon. Seht, wer hier kommt – – Wollt ihr ausgescholten seyn?
Apemanthuszu den Vorigen.
Juweelen-Händler. Wir wollen's mit Euer Gnaden theilen.
Kauffmann. Er wird keinen verschonen.
Timon. Guten Morgen, mein angenehmster Apemanthus.
Apemanthus. Warte du auf einen Gegengruß, bis ich angenehm werde.
Poet. Wenn werden wir das Glük haben, das zu erleben?
Apemanthus. Wenn du Timons Hund seyn wirst, und diese Schelmen ehrlich.
Timon. Warum nennst du sie Schelme? Du kennst sie nicht.
Apemanthus. Sind sie nicht Athenienser?
Timon. Ja.
Apemanthus. So nehm' ich mein Wort nicht zurük.
Juweelen-Händler. Ihr kennt mich, Apemanthus.
Apemanthus. Du weißst daß ich dich kenne, ich nannte dich bey deinem Namen.
Timon. Du bist stolz, Apemanthus.
Apemanthus. Auf nichts so sehr, als das ich dem Timon nicht ähnlich bin.
Timon. Wo willt du hin?
Apemanthus. Einem ehrlichen Athenienser das Hirn ausschlagen.
Timon. Das wär' eine That, wofür du sterben müßtest.
Apemanthus. Richtig, wenn das Gesez eine Todesstrafe auf nichts thun sezt.
Timon. Wie gefällt dir dieses Gemählde, Apemanthus?
Apemanthus. Am besten, weil es nichts böses thut.
Timon. Arbeitete der nicht gut, der es mahlte?
Apemanthus. Der arbeitete noch besser, der den Mahler machte; und doch ist er nur ein schlechtes Stük Arbeit.
Mahler. Ihr seyd ein Hund.
Apemanthus. Deine Mutter ist von meinem Stamme; was war sie, wenn ich ein Hund bin?
Timon. Apemanthus, willt du mit mir zu mittagessen?
Apemanthus. Nein, ich esse keine grosse Herren.
Timon. Wenn du es thätest, würden die Damen über dich böse werden.
Apemanthus. O! die verschlingen gar die grossen Herren, und kriegen dike Bäuche davon.
Timon. Das ist ein unzüchtiger Einfall.
Apemanthus.