Titus Andronicus - William Shakespeare - E-Book

Titus Andronicus E-Book

William Shakespeare

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Beschreibung

Intrigen, Mord und blutige Rache – diese Tragödie von William Shakespeare ist nichts für schwache Nerven! Der römische General Titus Andronicus kehrt von einem erfolgreichen Feldzug gegen die verfeindeten Goten zurück. Tamora, die Königin der Goten, sowie ihre drei Söhne bringt er als Kriegsgefangene ebenfalls nach Rom. Titus lässt Tamoras ältesten Sohn hinrichten, woraufhin sie bittere Vergeltung schwört – und dazu ist ihr jedes Mittel recht. Zwei Familien werden in einen unaufhaltsamen Strudel aus Rache, Gewalt und Hinterhalt hineingezogen, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint...-

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William Shakespeare

Titus Andronicus

Übersezt von Wolf Heinrich Graf von Baudissin

unter der Redaktion von Ludwig Tieck

SAGA

Titus Andronicus

 

Übersezt von Wolf Heinrich Graf von Baudissin

 

Titel der Originalausgabe: Titus Andronicus

 

Originalsprache: dem Englischen

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1831, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726886030

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Personen:

Saturninus, Sohn des verstorbenen römischen Kaisers, späterhin selbst Kaiser

Bassianus, dessen Bruder, Liebhaber derLavinia

Titus Andronicus, ein edler Römer und Heerführer wider die Goten

Marcus Andronicus, Volkstribun, des TitusBruder

Lucius, Quintus, MarciusundMutius, Söhne des Titus Andronicus

Der jüngere Lucius, Lucius' Sohn,Titus' Enkel

Publius, Sohn des Marcus Andronicus

Ämilius, römischer Patrizier

Alarbus, ChironundDemetrius, Söhne der Tamora

Aaron, ein Mohr, TamorasGeliebter

Ein Hauptmann

Ein Tribun

Ein Bote

Ein Bauer

Römer, Goten

Tamora, Königin der Goten

Lavinia, Tochter desTitus Andronicus

Eine Wärterin mit einem Mohrenkind

Senatoren, Tribunen, Verwandte des Titus, Gerichtsdiener, Kriegsleute und andres Gefolge

Die Szene: Rom und die umliegende Gegend

Erster Aufzug

Erste Szene

Rom. Vor dem Kapitol

Trompetenstoß. Es erscheinen oben auf der Bühne Senatoren und Tribunen, wie zur Versammlung; dann von der einen Seite Saturninus mit seinem Gefolge, von der andern Bassianus mit dem seinigen. Trommeln und Fahnen

Saturninus.

Edle Patrizier, Schirmer meines Rechts,

Verteidigt meinen Anspruch mit dem Schwert;

Und ihr, Mitbürger, Freunde wert und treu,

Werbt mit den Waffen um mein erblich Recht.

Ich bin des' Erstgeborner, den zuletzt

Geschmückt Roms kaiserliches Diadem:

So folge mir des Vaters Würde nach.

Kränkt meinen Vorrang nicht durch diese Schmach.

Bassianus.

Römer, Gefährten, Fördrer meines Rechts!

Wenn je zuvor Bassianus, Cäsars Sohn,

Roms königlichem Auge wohlgefiel,

Besetzt den Zugang hier zum Kapitol

Und duldet nicht, daß Unwert dürfe nahn

Dem Kaisersitz, der Tugend stets geweiht,

Dem Recht, der Mäßigung, dem Edelmut.

Laßt Stimmenmehrheit das Verdienst erhöhn,

Und, Römer, kämpft für Freiheit eurer Wahl! –

Marcus Andronicus oben auf der Bühne, mit der Krone

Marcus.

Ihr Prinzen, die durch Anhang und Partein

Ehrgeizig strebt nach Herrschaft und Gewalt;

Es grüßt das römsche Volk, für das wir stehn

Mit unsern Freunden, durch einmütgen Ruf

Nach seinem Wahlrecht, als des Reiches Fürst

Andronicus, der Fromme zubenamt,

Für sein vielfach und groß Verdienst um Rom. –

Ein beßrer Krieger und ein größter Mann

Lebt nicht zu dieser Stund in unsrer Stadt;

Er ist zurückberufen vom Senat

Aus heißem Kampf mit den barbarschen Goten;

Er mit den Söhnen, unsrer Feinde Schreck,

Bezwang dies starke, kriegsgewohnte Volk.

Zehn Jahre sind es nun, seit er zuerst

Roms Sache führt', und strafte mit dem Schwert

Der Feinde Hochmut; fünfmal kehrt' er heim

Blutig, nach Rom, die tapfern Söhne führend

Auf Bahren aus dem Feld;

Und nun, zuletzt, geschmückt mit Ruhmstrophäen,

Zieht dieser wackre Titus heim gen Rom,

Andronicus, der edle Waffenheld.

Wir bitten euch, bei seines Namens Glanz,

Den ihr für würdig achtet eures Throns,

Und kraft des Kapitols und des Senats,

Den andachtsvoll zu ehren ihr bekennt:

Entfernt euch jetzt, entsagt der Übermacht,

Schickt heim die Freund', und wie's Bewerbern ziemt,

Verfolgt in Fried und Demut eur Gesuch.

Saturninus.

Wie schön spricht, mich zu sänftgen, der Tribun!

Bassianus.

Marcus Andronicus, ich trau so sehr

Auf deinen unbestechbar graden Sinn,

Dich und die Deinen ehr und lieb ich so,

Den edlen Bruder Titus, seine Söhne,

Und sie, der sich mein Sinn in Demut neigt,

Die reizende Lavinia, Zierde Roms

Daß ich heimsende meiner Treuen Schar

Und meinem Glück und unsers Volkes Gunst

Vertraun will zur Entscheidung mein Gesuch.

(Die Soldaten des Bassianus gehn ab.)

Saturninus.

Freunde, die so bereit mein Recht geschirmt,

Ich dank euch all'n, und all entlaß ich euch;

Und meines Vaterlandes Lieb und Gunst

Vertrau ich hier mich selbst und mein Gesuch. –

Rom, sei gerecht, und so gewogen mir,

Als ich mit vollem Zutraun neige dir;

Öffnet das Tor und laßt mich ein!

Bassianus.

Auch mich, Tribunen, mit bescheidnem Flehn!

(Alle gehn in das Senatsgebäude.)

Zweite Szene

Daselbst

Ein Hauptmann tritt auf

Hauptmann.

Römer, macht Platz! Andronicus, der Held,

Der Tugend Schützer, stärkster Kämpfer Roms,

Sieger in allen Schlachten, die er focht,

Ist heimgekehrt, an Glück und Ehre reich

Von wo er unterwarf mit seinem Schwert

Die Feinde Roms und unters Joch sie führte.

Trommeln und Trompeten. Dann treten auf Mutius und Marcus; nach ihnen zwei Männer, die einen schwarzverhängten Sarg tragen; hierauf Quintus und Lucius. Dann folgt Titus Andronicus; nach ihm Tamora mit Alarbus, Chiron, Demetrius und andern gotischen Gefangenen, Soldaten und Gefolge. Der Sarg wird niedergesetzt und Titus spricht.

Titus.

Heil dir, o Rom! Siegprang im Trauerkleid!

Sieh, wie das Schiff, das ablud seine Fracht,

Mit teurer Ladung heim zum Hafen kehrt,

Wo es zuerst die Anker lichtete, –

So kommt Andronicus im Lorbeerkranz;

Mit Tränen grüßt er seine Heimat neu,

Mit Tränen wahrer Lust des Wiedersehns. –

Du großer Schirmherr dieses Kapitols,

Sieh gnädig auf des heilgen Opfers Brauch!

Von fünfundzwanzig tapfern Söhnen, Rom,

Hälfte der Zahl von König Priams Stamm,

Schau hier den armen Rest, lebend und tot! –

Mit Lieb empfange Rom euch Lebende;

Euch Toten, die zur letzten Ruhstatt gehn,

Schenk es ein Grab in ihrer Ahnen Gruft;

Hier gönnt der Got' erst Ruhe meinem Schwert.

Titus, unliebend, sorglos für dein Blut,

Was duldst du, daß noch grablos dein Geschlecht

Umschweben muß des Styx graunvollen Strand?

Geh, bette sie bei ihren Brüdern hin! –

(Das Grab wird geöffnet.)

Dort grüßt euch schweigend, wie's der Toten Brauch;

Schlaft friedlich, die ihr starbt fürs Vaterland!

O meiner Kinder heiliges Gewölb,

Geliebtes Wohnhaus echten Edelsinns,

Wie manchen Sohn hast du mir schon entrafft

Und hältst ihn ewig hier in finstrer Haft! –

Lucius.

Gib der gefangnen Goten stolzesten,

Daß wir, die Glieder stümmelnd, seinen Leib

Ad manes fratrum opfern in der Glut,

Vor diesem irdschen Kerker ihres Staubs! –

Auf daß nicht ungesühnt ihr Schatten sei,

Noch uns bedräu auf Erden ihr Gespenst!

Titus.

Ich geb ihn euch, der Feinde trefflichsten:

Den Erstgebornen dieser Königin. –

Tamora.

Halt, römsche Brüder! Gnadenreicher Held,

Siegreicher Titus, sieh die Tränenflut,

Die einer Mutter Gram dem Sohne weint!

Und waren deine Söhn je teuer dir,

Ach denk, nicht minder seis der meine mir! –

Genügt dirs nicht, daß man nach Rom uns führte,

Als deines Einzugs und Triumphes Schmuck,

Gefangne dir und deinem Römerjoch?

Mußt du den Sohn noch schlachten auf dem Markt,

Weil er fürs Vaterland mit Mut gekämpft?

Oh, dünkt der Streit für König und für Volk

Euch fromme Pflicht, so ist er's diesem auch:

Titus, beflecke nicht dein Grab mit Blut;

Und willst du der Natur der Götter nahn,

Nah ihnen denn, indem du Gnade übst,

Denn Gnädigsein gibt echten Adel kund.

O schone, Titus, meinen ältsten Sohn! –

Titus.

Füg ins Geschick dich, Fürstin, und verzeih. –

Hier stehn die Brüder derer, die dein Volk

Lebend und tot sah; den Erschlagnen heischt

Ein Totenopfer frommes Pflichtgefühl;

Dem ist dein Sohn bestimmt; sein Tod versöhnt

Der heimgegangenen Schatten Klageruf.

Lucius.

Hinweg mit ihm! Ein Feuer zündet schnell;

Auf einem Holzstoß laßt uns mit dem Schwert

Die Glieder ihm zerhaun, bis sie verbrannt.

(Mutius, Marcius, Quintus und Lucius gehn mit Alarbus ab.)

Tamora.

O grausam gottverhaßte Frömmigkeit! –

Chiron.

War Szythien halb so blutig je gesinnt?

Demetrius.

Vergleiche Szythien nicht dem stolzen Rom!

Alarbus geht zur Ruh, wir leben noch

Und zittern vor des Titus zorngem Blick.

So faßt Euch, Mutter, aber hofft zugleich,

Derselbe Gott, der Trojas Königin

Gelegenheit zu bittrer Rache gab,

An Thraziens Wütrich in dem eignen Zelt –

Gönnt Tamora, der Gotenkönigin,

(Wenn Goten Goten, Ihr die Königin! –)

Daß sie die Blutschuld tilgt an ihrem Feind.

Lucius, Quintus, Marcius und Mutius kommen zurück.

Lucius.

Seht, Herr und Vater, treu befolgten wir

Den römschen Brauch; Alarbus ward zerstückt,

Sein Eingeweide nährt die Opferglut,

Daß Dampf, dem Weihrauch gleich, die Luft durchwürzt.

Nun fehlt nur noch, die Brüder zu bestatten,

Und hier in Rom der laute Freundesgruß.

Titus.

Also geschah es, und Andronicus

Sagt ihrem Geist sein letztes Lebewohl.

(Trompetenstoß, die Särge werden in die Gruft gestellt.)

Schlaft, meine Söhne, hier in Fried und Ruhm!

Roms mutigste Verteidger, ruht allhier,

Geschirmt vor Leid und Wechsel dieser Welt!

Hier lauert kein Verrat, hier schwillt kein Neid,

Wächst kein verhaßter Zwist, kein Sturm für euch,

Kein Lärm: nur Schweigen und ein ewger Schlaf;

In Fried und Ruhm liegt, meine Söhne, hier! –

Lavinia tritt auf.

Lavinia.

In Fried und Ruhm, Held, Titus, lebt noch lang!

Mein großer Herr und Vater, lebt geehrt!

An diesem Grab bring ich der Tränen Zoll

Den Brüdern dar als letzte Huldigung,

Und weine kniend dir zu Füßen auch

Der Freude Tränen, weil du heimgekehrt.

O segne mich mit deiner Siegerhand,

Die Besten Roms erfreun sich ihrer Tat.

Titus.

O gütges Rom, das liebreich aufbewahrt

Die Stärkung meines Alters, mir zum Trost!

Lavinia, überleb als Preis der Tugend

Den Vater in des Nachruhms ewger Jugend!

Marcus Andronicus, Saturninus, Bassianus und andre treten auf.

Marcus.

Lang lebe Titus, mein geliebter Bruder,

Als hohen Triumphator grüßt ihn Rom.

Titus.

Dank, mein Tribun, mein edler Bruder Marcus.

Marcus.

Willkommen, Neffen, aus glorreicher Schlacht,

Ihr, die noch lebt, und ihr, die schlaft in Ruhm!

Ihr Tapfern, die für eures Landes Wohl

Das Schwert gezückt – eur Los ist völlig gleich!

Doch sichrern Glanz beut dieser Leichenpomp,

Der das erreicht, was Solon Glück genannt,

Und das Geschick im Bett des Ruhms besiegt. –

Titus Andronicus, das römsche Volk

(Des Freund du warst von je nach strengem Recht)

Schickt dir durch mich, als Anwalt und Tribun,

Dies weiße Kleid von unbeflecktem Glanz,

Und nennt für dieses Reiches Kaiserwahl

Dich nebst den Söhnen unsres letzten Herrn.

Sei Candidatus dann, und leg es an,

Und hilf zum Haupte dem hauptlosen Rom.

Titus.

Ein beßres Haupt gebührt so edlem Leib

Als meins, das längst von Schwäch und Alter wankt.

Wie trüg ich dies Gewand euch zur Bescher?

Ihr wähltet heut mit lautem Beifall mich,

Und morgen gäb ich Kron und Leben auf

Und schafft euch allen neue Sorg und Not!

Ich war dein Krieger, Rom, an vierzig Jahr

Und führte meines Volkes Macht mit Glück,

Legt einundzwanzig tapfre Söhn' ins Grab;

Im Kampf erhöht zu Rittern, fielen sie

In tapfrer Feldschlacht für des Landes Wohl.

Gebt einen Ehrenstab mir altem Mann,

Kein Zepter reicht mir, das der Welt gebeut;

Eur letzter Kaiser führt' es grad und fest.

Marcus.

Du wirst die Herrschaft, Titus, haben, fordern! –

Saturninus.

Ehrsüchtiger Tribun, wie weißt du das?

Titus.

Geduld, Prinz Saturnin.

Saturninus.

Rom, schaff mir Recht! –

Patrizier, zieht eur Schwert und steckts nicht ein,

Bis Saturninus Kaiser ward in Rom!

Andronicus, zur Hölle fahre hin,

Eh du des Volkes Herzen mir entziehst!

Lucius.

Du stolzer Saturnin! du störst das Wohl,

Das Titus hochgesinnt dir zugedacht.

Titus.

Sei ruhig, Prinz, dir lenk ich wieder zu

Des Volkes Gunst, daß sie den Willen wandeln.

Bassianus.

Andronicus, nicht schmeichl' ich jemals dir,

Doch ehr ich dich, und will es bis zum Tod.

Stärkst du mit deinen Freunden meine Macht,

Werd ich höchst dankbar sein, und Dank erscheint

Dem edlen Mann als ehrenwerter Lohn.

Titus.

Ihr, Römer, und ihr Volkstribunen hier,

Ich bitt um eure Stimm und gültge Wahl:

Schenkt ihr sie freundlich dem Andronicus?

Marcus.

Dem trefflichen Andronicus zuliebe

Und feiernd seine Heimkehr hier in Rom,

Wird den das Volk annehmen, den er nennt.

Titus.

Habt Dank, Tribunen. So ersuch ich euch,

Daß ihr erwählt des Kaisers ältsten Sohn,

Prinz Saturnin; des Tugend, hoff ich, Rom

Bestrahlen wird, wie Titans Licht die Welt,

Und Recht und Sitte reifen hier im Staat.

Drum, wenn ihr wählen wollt nach meinem Rat,

Krönt ihn und ruft: Lang lebe Saturnin! –

Marcus.

Mit Ruf und Beifallszeichen aller Art,

Patrizier und Plebejer, grüßen wir

Prinz Saturnin als Roms erhabnen Herrn

Und jubeln: