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Was als ein erholsamer Badeurlaub auf der Ferieninsel Phuket geplant war, entwickelte sich für den Hamburger Architekten Thomas Defries zu einer turbulenten ›Road-Story‹ quer durch Thailand, bis in den äußersten Nordosten des Landes, den Isaan. Ein Junkie, ein cholerischer Manager, ein thailändischer Hotelboy und, nicht zuletzt, eine Gangsterbande aus Bangkok kreuzen dabei ständig ihre und seine Wege. Ihre verschiedenen Sichtweisen und Erlebnisse geben dem Leser einen spannenden Blick auf Land und Leute. Den Autor Andreas Tietjen zieht es seit vielen Jahren in die verschiedenen Länder Süd-Ost-Asiens, insbesondere nach Thailand. Die unzähligen Erlebnisse und Eindrücke die er auf seinen Reisen gesammelt hat und der witzige Hintersinn der Menschen dort, der sich ihm durch seine Kenntnisse der thailändischen Sprache immer wieder erschlossen hat, inspirierte ihn zu dieser Geschichte.
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Seitenzahl: 258
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Der Flug
Bangkok
Die Abreise
Joost und Nok
Thonburi
Mit dem Zug nach Osten
Khorat
Dr. Grünzel
Tom Yam Gung
Ubon Ratchathani
Wat Pho, Massage und eine lange Reise
Khun Duan auf Abwegen
Florian Grünzel
Alle Wege führen nach Nong Khai
Epilog
Anmerkungen
Landkarte von Thailand (Action Map)
Der Fahrer raste mit hoher Geschwindigkeit durch die Nacht. Die Scheinwerferder Verfolger blendeten im Rückspiegel. Mit zusammengekniffenen Augen suchte er den Verlauf der Straße ab, immer wieder schaffte er es gerade noch, den engen Kurven zu folgen. Schweißperlen tränkten seine Augenbrauen, bis sie überliefen und sich brennend in seine Augen ergossen. Er fühlte die Geschwindigkeit immer größer werden, ihn verließ die Konzentration, und dann passierte es. Unausweichlich, lange erwartet, fast erlösend brach der schwere Wagen durch die Hecke und stampfte, sprang schüttelnd in die Dunkelheit. Es zerrte an seinem linken Arm.
Thomas riss die Augen auf und starrte in das Gesicht der hübschen jungen, asiatischen Flugbegleiterinmit dem frechen roten Basecap.
»Schnallen sie sich bitte an, wir durchfliegen ein Gebiet mit heftigen Turbulenzen!«
Thomas begriff die Situation nicht. Er wandte seinen Blick nach rechts und sah seinen Freund Nils hektisch an dessen Gurt zerren. Auch er war durch das Schütteln der Boeing 767-300 der Lauda Air aus dem Tiefschlaf gerissen worden. Langsam besann sich Thomas.
»Wo sind wir?«, fragte er Nils. Der blickte kurz nach rechts oben auf den Monitor.
»Wir fliegen gerade über Myanmar.«
»Und wie lange wird es noch dauern?«
Nils sah erneut hoch, zögerte eine Weile und antwortetedann:
»Noch circa zwei Stunden bis Bangkok. Hast du schlafen können? Ich bin total kaputt! Diese Langstreckenflüge machen mich immer wieder fix und fertig!«
»Na dann frag mich mal«, antwortete Thomas gähnend. »Ich wäre eben fast bei einem Autounfall draufgegangen!«
Das Schütteln der Maschine verstärkte sich, es schien überhaupt kein Ende zu nehmen. Im Flugzeug war eine große Unruhe zu spüren. Thomas entnahm seiner kleinen Reisetasche eine Flasche Mineralwasser und trank daraus einen kräftigen Schluck. Es schäumte in seinem Mund und er verzerrte das Gesicht beim Herunterschlucken. Jetzt war er sich wieder so weit gefasst, dass er seine Gedanken den Flug und den ganzen anstrengenden letzten Tag in Hamburg zurücklaufen lassen konnte. Ihm war flau im Magen. Und er war sich überhaupt nicht sicher, ob dies ausschließlich von den Turbulenzen her rührte, oder ob die Ereignisse zu Hause, die sich nun über mehr als ein Jahr chaotisch zugespitzt hatten, der eigentliche Grund für sein unbehagliches Gefühl waren. Die Entwicklung seiner dahinsiechenden, und schließlich zerschellten Ehe. Die Vorwürfe seiner inzwischen verselbstständigten Tochter und die Intrigen und das verhohlene Mobbing im Architekturbüro der großen, international operierenden Baufirma, wo er arbeitete.
Seine ehrgeizige Karriere hatte kurz nach dem zweiten Studium begonnen, als er gerade dabei war eine Existenz als freier Architekt zu planen. Noch bevor er die Räumlichkeiten für sein erstes eigenes Büro gemietet hatte, war ein sportlicher, älterer Herr aus einem schwarzen Porsche Cabrio gestiegen und hatte ihn von der Straße weg zu einem Anstellungsgespräch entführt. Es war Jens Clausen, Chef der weit über Hamburg hinaus bekannten Architekturfirma Clausen, Bretz & Partner. Er bot Thomas, für seine von Mitarbeitern zuvor ausgespähten Fähigkeiten als noch junger Architekt, Statiker und Bauingenieur, einen Haufen Geld und ein außergewöhnlich gutes Betriebsklima.
Thomas hatte seine Zusage nie bereut. Er war an den aufregendsten Planungen der Stadt maßgeblich beteiligt, hatte unmögliche Konstruktionen, in unzähligen durcharbeiteten Nächten, in einem fast intimen Teamwork möglich gemacht. Er konnte aufgrund seiner vielfältigen Fähigkeiten zurecht das Gefühl haben, dass er und seine Firma den Turm von Babel hätten verwirklichen können.
Diese glorreiche Zeit hatte genau zwölf aufregende Jahre angedauert. Doch dann kam der jähe Absturz. Der Bauboom war dramatisch eingebrochen und immer mehr ausländische Firmen drängten mit Dumpingangeboten auf den deutschen Markt. Clausen, Bretz & Partner hatten zu hoch gepokert und verloren eine Anzahl von wichtigen Ausschreibungen. Das Gewicht in der Baubranche verlagerte sich von Genialität zu Rentabilität. Jens Clausen und Heino Bretz zerstritten sich und über Nacht wurde der ganze Laden von Assan-Bau übernommen.
Nun war diese elitäre Ideenschmiede urplötzlich zu einer kleinen Zeichenabteilung der ›Assan-Millionen-Kubikmeter-Beton AG‹ geworden und es wurde sehr bald klar, dass Thomas und dessen Kollegen glücklich sein konnten, wenn sie nicht ganz schnell neben den inzwischen Zigtausend arbeitslosen Architekten auf der Straße saßen.
Hatte seine Ehe vorher noch unzählige Zerreißproben wegen der ständigen physischen wie auch geistigen Abwesenheit des angesehenen Architekten überstanden, so zerbrach sie nach nur zwei weiteren Jahren an der Trostlosigkeit und an den Depressionen, die ihn in diesem Arbeitslager überkamen.
Inder Zeit, nach Trennung von Frau und Tochter, in der unerfreuliche Vorgänge in der Firma immer wieder für Spannungen zwischen ihm und der Büroleitung sorgten, nahm er einen unscheinbaren, fleißigen Bauzeichner war. Nils machte ihn zunächst diskret auf Manipulationen von Kollegen aufmerksam, die Thomas eigene Arbeit sabotierten und die für Gerüchte und für Stimmung gegen ihn sorgten. Es ging letztendlich darum, wer bei den ständigen Veränderungen im Betrieb auf der Strecke blieb, und wer seinen Job retten konnte.
»Mir ist aufgefallen, dass du ein echter Einzelgänger in der Firma bist«, sprach Thomas seinen Kollegen an.
Nils blickte eine Weile wortlos in seinen Cappuccino. Dann hob er seinen Blick und sagte etwas unsicher:
»Ich habe nichts dagegen, ein Außenseiter zu sein! Das ist mir lieber, als mich auf das Niveau der Heuchler und Kriecher zu begeben. Ich habe bisher fast immer mein Gesicht wahren können, auch wenn ich oft Nachteile dadurch hatte. Irgendwann werden die Leute, die sich so verhalten wie die meisten unserer Kollegen, ihr Fett schon abbekommen, da bin ich mir ganz sicher! Aber wie du dich hier von denen fertigmachen lässt und dich überhauptnicht wehrst, das kann ich nicht verstehen!«
»Ich habe nie um irgendetwas kämpfen müssen«, erwiderte Thomas nachdenklich. »Mir ist immer alles zugefallen. Ich konnte mich bislang immer einfach darauf konzentrieren, meine Arbeit gut zumachen. Ich bin leider nicht der große Kämpfertyp!«
Die beiden Männer wurden bald zu echten Freunden. Sie trafen sich gelegentlich privat, häufig in Nils Stammkneipe, und spielten regelmäßig Badminton oder Squash zusammen.
Diese Freundschaft tat Thomas sehr gut, er wurde in vielen Dingen lockerer, nahm sich nicht mehr alles so sehr zu herzen und fand den Humor seiner Jugend teilweise wieder.
Thomas erzählte Nils von den Problemen, die er mit seiner Scheidung und dem unglücklichen Verhältnis zu seiner Tochter hatte. Er liebte seine Tochter abgöttisch, obwohl sie ihn letztlich abwies und ihm alleine die Schuld an dem Zerbrechen der Familie gab. Marike war neunzehn Jahre alt, verstand sich allerdings auch mit seiner Exfrau nicht gut.
Nils war ein angenehmer Zuhörer, der auch hin und wieder gute Ratschläge gab. Er selbst gab von seinem Privatleben hingegen nur wenig preis. Über das Thema Beziehungen hatte er nur ausweichend gesprochen, und auch von seiner Familie, die in Bonn lebte, erzählte er wenig. Eines Tages im letzten Spätsommer, das war genau zu der Zeit als Thomas erneut von Depressionen und Existenzängsten geplagt war, schlug Nils unerwartet vor, dass sein Freund sich einmal eine Auszeit gönnen, und ihn auf seiner geplanten Thailandreise begleiten sollte.
»Ich kenne mich gut aus da drüben, und du wirst dich erholen können und eine ganz neue Sichtweise bekommen. Ich zeige dir, wo es langgeht und du lässt dich einfach treiben. Keine Angst, wir werden nicht die ganzen drei Wochen lang Händchen halten!«
Das war vor knapp drei Monaten und nun wurde Thomas durch die Turbulenzen zehntausend Meter über Myanmar, dem ehemaligen Burma, geweckt. An Schlafen war bei dem Gewackel nicht zu denken. Zum Glück wurde es nach einer Stunde ruhiger, und als sie schließlich die Jalousien vor den Fenstern nach und nach aufschoben, blendete das Licht der Mittagssonne über der Grenze zwischen Thailand und Myanmar durch die Luken. Thomas war jetzt sehr aufgeregt. Er hatte viele von Nils Fotos gesehen. Er hatte sich Bücher über Thailand ausgeliehen und er hatte jede Sendung im Fernsehen zu diesem Thema angesehen. Aber er hatte nicht die geringste Vorstellung davon, wie es dort unten, 10.000 Meter unter seinen Füßen, wohl aussehen würde.
Thomas wusste nur, dass sie beide von einem Bekannten von Nils am Flughafen erwartet würden. Ea war geplant, dass sie für ein paar Tage in Bangkok in einem Mittelklasse Hotel wohnen, und dass sie dann gemeinsam auf die Insel Phuket fliegen würden, wo sie dann mal mehr, mal weniger getrennte Wege gehen wollten.
Angst vor der Fremde hatte Thomas nicht. Dafür war er in besseren Tagen zu oft dienstlich, wie auch privat, unterwegs gewesen. Er hatte nur ein wenig Bedenken, ob ihm am Strand nicht langweilig werden würde. Er hatte die letzten Jahre in ständiger Hektik und Stress verbracht. Außerdem wusste er von sich, dass er dazu neigte, in unbekannter Umgebung verklemmt zu sein. Davon hatte er Nils nie erzählt, denn es war ihm ein wenig peinlich!
In das Rauschen an Bord des Flugzeugs schob sich ein leises ›Ping‹, und dann wurde die bevorstehende Landung auf dem Bangkok International Airport angekündigt. Da die beiden in einer mittleren Sitzreihe saßen, konnten sie nur wenig von der Landschaft sehen. Den sich durch die schachbrettartigen Felder windenden Fluss Maenam Chao Praya, den schnurgeraden Highways und die bunten Dächer der Tempel. Der Landeanflug schien eine Ewigkeit zu dauern, und kurz bevor sie sanft aufsetzten, sah Thomas auf der linken Seite des Flugplatzes Golfspieler. Direkt neben der Landebahn! Unfassbar!
Die Pass- und Zollprozedur dauerte eine geschlagene Stunde. Die Passbeamten bewegten sich im Schneckentempo und verzogen nicht eine Mine, nicht einmal als Nils sie nahezu akzentfrei mit »sawadee khrab« begrüßte. Dafür waren die Zollbeamten umso lockerer. Sie scherzten miteinander und nahmen den Passagieren die Zollerklärungen ab, ohne einen Blick darauf zu werfen.
Dann folgte ein Spießrutenlauf durch eine Masse von Hotelangestellten, die den angekommenen Touristen auffordernd die Schilder ihrer Herbergen entgegenhielten. Ein Durcheinander von geschrienen Personen- und Hotelnamen, von Taxifahrern auf der Lauer nach Beute. Thomas stolperte verwirrt an der Absperrung entlang, die diese Menschenmassen trennten und Nils, der diese Szenerie bereits zur Genüge kannte, nahm ihn energisch am Ellbogen und schob ihn vor sich her nach draußen.
Eine Hitzewelle schlug ihnen entgegen. Straßenlärm von abfahrenden Taxis, Ruß blakenden Bussen, dem gegenüberliegenden Tollway und »Täxi mistää!«-Rufe. Thomas fühlte sich wie in einer Taucherglocke. Er blinzelte in das grelle Licht und versuchte sich irgendwie zu sammeln.
Von Nils Bekannten war nicht die Spur zu sehen. Nils ließ Thomas mit dem Gepäck-Trolley an einer Sitzbank zurück und machte sich auf die Suche. Eine Gestalt näherte sich Thomas. Ein Weißer, mit verfilzten, gelb gefärbten Haaren, hager, ungepflegt, in einer schmuddeligen roten Baumwollhose und mit einem verblichen, rosarot karierten, langärmeligen Hemd.
»Du bist Deutscher, stimmt´s!?«, kam es zwischen seinen braunbeigefarbenen Zähnen hervor. »Ein Glück, dass ich hier mal einen Deutschen treffe!«
Thomas war sich zwar sicher, dass fast alle Touristen um ihn herum bei der Abfertigung deutsch gesprochen hatten, aber er hörte dem Mann weiter zu.
»Du, ich bin in einer total blöden Situation!« Der Blonde setzte sich neben Thomas auf die Bank.
»Ich habe in Frankfurt eine Stewardess kennengelernt und die hat mich überredet, mit ihr nach Bangkok zu kommen. Sie hatte ja Frei-Tickets. Ich bin also mit, so wie ich war, und wir haben uns hier ein paar schöne Tage gemacht. Dann ist die plötzlich völlig ausgetickt! Ich hab keine Ahnung, was die mit einem Mal hatte!«
Der Punk gönnte Thomas keine Pause.
»Und dann ist die einfach abgehauen. Ich sitze in dem Hotel, keine Kohle, kein Ticket, noch nicht einmal das Zimmer hatte sie bezahlt!«
Er erzählte dem völlig erschöpften und schweißtriefenden Thomas eine ungeheuerliche Geschichte von Flucht vor dem Hotelmanager, der deutschen Botschaft, die keinen Finger für ihn rühren wollte, weil er ja kein Neckermann-Touri sei, vom Betteln um etwas zu essen und den ›Scheiß-Thai‹, die es nur auf die Kohle der Touries abgesehen hätten. Endlich kam er zur Sache: Er brauchte dringend ein paar Hundert Euro um das Hotel bezahlen, und um sich ein Ticket nach Deutschland besorgen zu können. Er kramte eine Visitenkarte aus seiner Hosentasche hervor, auf der das Logo einer bekannten Frankfurter Firma, ein Name mit Adresse und Telefonnummer, sowie die Berufsbezeichnung Chief Executive Officer stand. Er redete beschwörend auf Thomas ein und erzählte ihm vom thailändischen Knast, der ihn erwartete, wenn er weiter ohne gültiges Visum hier in Bangkok bliebe. Dann zeigte er Thomas seinen Pass mit gleichlautendem Nachnamen.
»Das hier ist die Visitenkarte von meinem Vater in Frankfurt. Er überweist dir die Kohle, noch bevor du aus dem Urlaub zurück bist.«
Thomas öffnete seine Brieftasche, um nachzusehen, wie viel Geld er überhaupt bei sich hatte. In diesem Moment trat Nils durch die Schiebetür. Er erfasste die Situation sofort und ließ sich kurz schildern, was der Mann Thomas erzählt hatte. Er zog Thomas am Arm hoch, nahm ihn etwas an die Seite und zischte:
»Sag mal spinnst du?! Siehst du nicht, was das für ein Typ ist? Das ist ein Junkie! Was meinst du, was der mit deinem Geld als Nächstes macht?!«
Von hinten näherte sich ein anderer junger Mann. Ein Asiat, relativ groß, gut gekleidet, geschmeidiger Gang und ein unsicheres Lächeln im Gesicht. Als er näher kam, wurde sein Lächeln immer strahlender und endlich erkannte ihn auch Nils.
»Hallo, welcome!«
Der junge Mann begrüßte Nils, indem er flüchtig seinen Arm streifte. Nils stellte die beiden gegenseitig vor:
»Thomas, my friend from Germany, I told you! Chai, ich glaube, ich habe dir noch gar nicht viel von ihm erzählt!«
»Eigentlich überhaupt nichts!«, antwortete Thomas. Die beiden gaben sich die Hand und sagten sich freundlich lächelnd »Hallo!«
Chai deutete in die Richtung, aus der er gekommen war, und wollte gerade etwas sagen, als ein Polizist in einer dunkelbraunen Uniform an ihnen vorbei rannte. Er hielt sich dabei seine Mütze mit der einen und die riesige Pistole an seinem Gürtelhalfter mit der anderen Hand fest und schrie etwas auf Thai. Erschrocken sahen die Drei dem Mann hinterher und stellten fest, dass bereits ein Kollege den blonden Junkie am Unterarm gepackt, und ihm diesen knackend auf den Rücken gedreht hatte. Der Blonde schrie und wand sich, aber er wurde von den beiden Uniformierten in das Flughafengebäude gedrängt.
Der Blonde rief den drei verdutzten Männern noch zu:
»Sie werden mich umbringen! Die machen mich ganz einfach kalt!«
Dann verschwand er aus ihrem Blickfeld.
»Was war das?!«, fragte Thomas verdutzt.
Chai antwortete:
»Very bad man! Have many problem with drug! Heroin!«
Nils ergänzte:
»Hab ich dir ja gesagt! Der Typ wird bestimmt nicht von einem Hotelmanager, geschweige denn, von einer hübschen blonden Stewardess gesucht! Wie kommt der nur auf die Idee, dass normale Menschen auf solch eine Räuberpistole hereinfallen?!«
Sie schlenderten den Bürgersteig entlang und überquerten die Straße. Chai hatte einen alten weißen Toyota. Er verfrachtete das Gepäck in den Kofferraum, sie stiegen ein und fuhren los. Erst als sie auf dem Tollway waren, fingen Nils und Chai an, sich mit gedämpfter Stimme zu unterhalten. Sie sprachen überwiegend auf Thai, nur ab und zu meinte Thomas, ein paar englische Brocken herauszuhören. Da er auf dem Rücksitz sowieso akustisch etwas isoliert war, versuchte er gar nicht erst irgendetwas von dem zu verstehen, sondern betrachtete beeindruckt die an ihnen vorbeiziehende Vorstadt. Von ihrer erhabenen Position auf der Hochstraße aus, lag Bangkok wie eine riesige Malerpalette um sie herum ausgebreitet. Ein weites Häusermeer mit vereinzelten, langsam dichter stehenden Hochhäusern, die wie riesige, bizarre Urwaldbäume in den Himmel ragten. Dann plötzlich tauchten sie in eine Häuserschlucht ab. Wie im Sturzflug verließen sie die Schnellstraße und waren sofort inmitten eines Gewimmels von Autos, Motorrädern und Menschen. Die Häuserzeilen ragten steil nach oben, über ihren Köpfen waren Betonpisten der Schnellstraßen. Durch die getönten Scheiben in ihrer, durch die Klimaanlage abgekühlten Autozelle, sah Thomas eine Stadt an sich vorbei rauschen, die er wohl lange nicht verstehen würde.
Nils drehte sich zu ihm herum.
»Man liebt Bangkok oder man hasst Bangkok. Dazwischen geht nichts! Wir sind übrigens schon gleich da, wobei ›gleich‹ nur die räumliche Entfernungbedeutet, nicht die Zeitliche!«
In einer kleinen Seitenstraße hupte Chai zweimal. Ein uniformierter Mann sprang auf die Straße, hielt seinen Arm steil nach oben, blies in seine Trillerpfeife und deutete Chai dannnach links abzubiegen, direkt in die Tiefgarage des Hotels. Sie stiegen aus dem Auto und ein ohrenbetäubender Straßenlärm, gemischt mit der heißen, abgasgeschwängerten Luft schlug ihnen entgegen. Ein Hotelpage rollte einen Gepäckwagen mit verchromter Anzugstange herbei und sie gelangten mit dem Fahrstuhl in die geräumige Hotellobby. Die Eincheck-Zeremonie, eine weitere Fahrt mit dem Fahrstuhl und endlich waren sie in ihren Hotelzimmern. Da es erst früher Nachmittag war und sie sich beide gerne von dem anstrengenden Flug ausruhen wollten, verabredeten sie sich für achtzehn Uhr in der Lobby. Sie wollten anschließend gemeinsam essen gehen, später vielleicht noch einen Absacker an einer der vielen Bars dieser Stadt nehmen.
Thomas öffnete seinen Koffer, nahm ein paar Dinge heraus und ging erst einmal genüsslich duschen. Als er fertig war, legte er sich, noch in Unterwäsche gekleidet, auf das Fußende des großen Bettes. Er schloss die Augen – nur für einen ganz kurzen Moment – nur um das ganz langsame Drehen des Hotelzimmers, um seinen dröhnenden Schädel herum, anzuhalten. Verschreckt starrte er das klingelnde Telefon an. Er lag immer noch so da, fror aus Übermüdung und auch deshalb, weil die Klimaanlage erbarmungslos arktische Luft in den Raum blies. Thomas nahm den Hörer ab. Es war bereits zwanzig nach sechs; Nils hatte bereits in der Lobby auf ihn gewartet. Schnell schlüpfte er in die bereitgelegte Kleidung und eilte mit dem Lift nach unten. Die Tür öffnete sich und ein Hotelpage lächelte ihn an. Auf der gegenüberliegenden Seite der Lobby saßen Nils und Chai in einer Sitzgruppe und unterhielten sich.
Die drei Männer verließen das Hotel zu Fuß, bogen aus der kleinen Nebenstraße, in der sich das Hotel befand, nach rechts in eine riesige, sechsspurige Straße ein, deren Bürgersteige von dicht gedrängten Markt- und Souvenir Ständen gesäumt waren. Es waren viele Ausländer unterwegs und es herrschte ein dichtes Gedränge in der vom Gehsteig übrig gebliebenen engen Gasse.
»Dies ist jetzt die berühmte Sukhumvit-Road«, erklärte Nils. »Hier decken sich die Touristen mit allen möglichen Souvenirs und Kleidungsstücken ein.«
Thomas blieb an einem Stand stehen und betrachtete die überwältigende Auswahl an Hemden der berühmtesten Hersteller.
»Ich habe gelesen, dass man hier supergünstig Anzüge schneidern lassen kann?«, fragte Thomas, der offensichtlich schon den ersten Anflug des gefürchteten Thailand-Kaufrausches hatte.
»Das war früher einmal so«, antwortete Nils. »Heutzutage bekommst du in Deutschland viel günstiger Konfektionsanzüge in einer deutlich besseren Qualität. Und obendrein ersparst du dir noch die nervenaufreibende Feilscherei und die endlosen Anproben, unter Zeitdruck und zu den unmöglichsten Tageszeiten! Außerdem sind die Schneider hier der Mode immer ein paar Jahre hinterher. Nur wenn du etwas sehr Hochwertiges suchst und dich wirklich gut in Bangkok auskennst, dann kannst du vielleicht noch Schnäppchen im Vergleich zu deutschen Preisen machen. Und in den oberen Preisklassen ist die Qualität dann auch wirklich spitze!«
An einem Stand mit T-Shirts und Baumwollhosen, die alle in Schnitt und Farben identisch, aber mit den Namen der unterschiedlichsten Nobelmarken bestickt waren, hielten sie an. Chai wandte sich der jungen Verkäuferin zu und fing an wild zu gestikulieren. Thomas fiel nach einer Weile auf, dass sie offenbar taubstumm war. So standen sie noch einige Zeit neben dem Verkaufsstand im Gedränge und Thomas beobachtete, dass viele der Markthändler in diesem Straßenabschnitt taubstumm waren und sich in Gebärdensprache miteinander verständigten. Sie gingen ein paar Meter weiter, bis Chai an den Straßenrand trat, um ein Taxi anzuhalten.
»Was war das da eben?«, fragte Thomas Nils beiläufig. Doch der zuckte nur mit den Schultern und meinte:
»Ich weiß nicht genau. Chai sagte vorhin nur kurz, dass er eine Freundin treffen wollte.«
Sie fuhren die Sukhumvit-Road herunter und Thomas hatte das Gefühl, dass die Marktstände gar kein Ende nahmen. Ihm gefiel das bunte Treiben sehr und er konnte seine Augen gar nicht davon weglenken. Nils spielte während der Fahrt den Reiseführer. Er schien sich hervorragend in dieser riesigen, quirligen Stadt auszukennen, die Thomas wie im Rausch an sich vorbei ziehen ließ.
»Da links«, sagte Nils, »dort ist der Erawan Schrein. Den muss ich bei jedem Bangkokaufenthalt mindestens einmal besuchen. Man sagt der Brahmafigur nach, dass sie demjenigen, der ihr eine Opfergabe darbringt, einen dringenden Wunsch erfüllen würde.«
»Und?«, fragte Thomas, »hat sie dir schon mal einensolchen Wunsch erfüllt?«
»Ich kann mich wirklich nicht beklagen!«, erwiderte Nils geheimnisvoll.
Sie bogen nach links ab, die Straßen wurden enger und die Häuser wirkten jetzt mehr und mehr so, wie Thomas sich eine Stadt in einem asiatischen Land vorgestellt hatte. Es spielte sich das ganze bunte und in vielfarbiges Licht gehüllte Leben auf den engen Straßen ab. Auch hier gab es wieder Unmengen von Straßenständen, jetzt jedoch mit den verschiedensten Waren und Speisen, die ganz sicher nicht extra für die ausländischen Touristen bestimmt waren. Dann wieder durchfuhren sie breitere Straßen, die mit mächtigen, reichlich verzierten Gebäuden in großzügigen, tropischen Gärten gesäumt waren. Eine lange, hohe Mauer und dann erneut engere Gassen. Thomas war fasziniert, alleine schon durch das, was er aus dem kleinen Fenster des dahinbrausenden Taxis erkennen konnte.
›Man liebt Bangkok oder man hasst Bangkok!‹, waren Nils Worte. Für ihn stand schon nach wenigen Stunden fest, dass er diese Stadt lieben würde.
Die Drei Männer betraten ein Restaurant im ersten Stock eines alten Hauses direkt am Ufer des großen Flusses Maenam Chao Phraya. Ein Kellner sah sie, eilte ihnen entgegen und begrüßte sie freundschaftlich. Er schien Chai, aber auch Nils, gut zu kennen. Sie wurden zu einem Tisch mit Blick auf den Fluss geführt und ein paar Kollegen legten eifrig Bestecke auf, reichten den Gästen Speisekarten und entzündeten in der Mitte des Tisches eine Kerze. Nils bestellte drei Flaschen Bier, ohne sich dafür von den anderen beiden extra das Okay einzuholen. Dann machte er sich über die Speisekarte her.
»Ich habe einen Bärenhunger und schon fast ein Jahr lang auf echte thailändische Küche warten müssen«, entschuldigte er sich.
Er wechselte mit Chai und dem diskret wartenden Kellner einige Sätze auf Thai. Thomas war überrascht, wie gut er diese, für ihn völlig chaotisch klingende Sprache beherrschte.
»Wo hast du so gut Thai sprechen gelernt?«, fragte er ihn.
»Ich sagte dir ja schon, dass ich hier jedes Jahr herkomme. Zuerst habe ich zu Hause nach Buch und Kassette gelernt. Wenn man erst einmal einen gewissen Grundstock an Phrasen hat, dann lernt sich der Rest nach und nach wie von selbst.«
Ein Kellner brachte das Bier, der Tischkellner nahm es ihm ab und füllte der Reihe nach die Gläser. In eines der Gläser gab er ein paar Eiswürfel und stellte es vor Chai auf den Tisch. Nils bekam ein Glas Bier ohne Eis, und bevor er dem verdutzten Thomas das dritte Bier aushändigte, sah er ihn fragend an und deutete mit der Eiszange auf den gefüllten Eiskübel.
»No! No, thank you!«, stammelte Thomas entsetzt. Die anderen lachten. Bevor sie nun daran gingen, das Essen zu bestellen schlug Nils vor, die Unterhaltung auf Englisch zu führen, da Chai sonst dem Gespräch nicht folgen könne.
Die Speisekarte war in Thai und in Englisch verfasst, aber trotzdem konnte Thomas nicht viel damit anfangen. Als Nils seinen hilflosen Blick bemerkt hatte, bot er an, etwas besonders Schmackhaftes für ihn mit zu bestellen. Thomas solle sich überraschen lassen. Nun folgte eine Bestellung in thailändischer Sprache. Nils traf die Auswahl und Chai machte hin und wieder eine Bemerkung oder gab einen Einwand dazu ab. Die beiden waren sich aber offensichtlich im Großen und Ganzen ziemlich einig. Als er die Bestellung für Thomas aufzugeben schien, nickte er kurz in dessen Richtung und der nun besonders aufmerksame Thomas vernahm die Worte ›Mai Pet!‹, worauf hin der Kellner Thomas ebenfalls kurz ansah, ›Mai Pet!‹, wiederholte und breit zu grinsen begann.
Pet! Thomas schwante Übles!
»Was hast du da für mich bestellt?«, fragte er panisch. »Pet hieß doch Haustiere!«
Nils fing schallend an zu lachen und übersetzte eiligst für Chai, denn Thomas war wieder in gewohntes Deutsch gefallen. Auch Chai lachte, erzählte es dem neugierig herbeigeeilten Kellner weiter, der erzählte es seinen Kollegen und die wiederum in der Küche. Bald war das ganze Lokal am Lachen – außer Thomas, der verlegen grinste.
Nils erlöste ihn schließlich mit der Erklärung:
»Phet heißt scharf und Mai Phet demnach nicht scharf! Du hast sicherlich davon gehört, dass man in Thailand Hunde isst. Das stimmt sogar in gewisser Weise, dies trifft jedoch nur für bestimmte Gegenden Nordost-Thailands zu. Und das sind dort teure Kostbarkeiten, du wirst garantiert nicht ohne deinen ausdrücklichen Wunsch darauf stoßen!«
Das Essen schmeckte wirklich ausgezeichnet! Erst wurde eine große Silberschale mit Reis gebracht. Nils und Chai teilten sich eine riesige Platte mit unterschiedlichsten Fleisch- und Gemüse-Spezialitäten. Hier bekam Thomas eine Extraportion, die zwar optisch dem Gericht der anderen ähnelt, die aber extra für europäische Gaumen entschärft war. Es duftete nach tausendundeiner Nacht. Das Gemüse knackte beim Draufbeißen, das Fleisch war würzig und die Soßen waren scharf, süß und säuerlich. Thomas musste zugeben, eine solch harmonische Speise-Symphonie noch nie gekostet zu haben. Man aß mit dem Löffel und schob sich die Portionen mundgerecht mit einer Gabel darauf zurecht. Alles war so zubereitet, dass ein Messer zum Zerschneiden nicht nötig war. Das Fleisch auf Thomas Teller bestand aus Schweine- und Hühnerfleisch, die beiden anderen hatten zusätzlich noch Rindfleisch. Neugierig und mutig geworden probierte Thomas einen kleinen Streifen davon. Die Schärfe lies ihm unverzüglich die Tränen in die Augen schießen, er rang nach Luft und tastete nach seinem Bier.
»Nicht trinken!«, lachte Nils. »Nimm etwas Reis gegen die Schärfe, wenn du jetzt etwas trinkst, wird es noch schlimmer!«
Thomas tat, wie ihm geheißen und tatsächlich nahm das Brennen auf seiner Zunge ab.
Sie verbrachten noch drei schöne Stunden in diesem Restaurant. Nils und Chai, der langsam ein klein wenig gesprächiger wurde, erzählten viel von Thailand und insbesondere von Bangkok. Immer wieder lies Thomas seinen Blick über den breiten Fluss schweifen, der so gemächlich in der Dunkelheit dahin zog, und auf dessen Wellen unzählige, schwach beleuchtete Boote in allen Größen vorbeituckerten. Spät fuhren sie mit einem Taxi zum Hotel zurück. Nils und Chai wollten noch in einer Bar ein Bier trinken gehen, doch Thomas war müde und verabschiedete sich auf sein Zimmer. Sie verabredeten sich für acht Uhr zum Frühstück im Hotelrestaurant. Als Thomas den Fahrstuhl erreichte, stand der freundliche Page wieder dort. Er begrüßte ihn mit einem:
»Good evening, sir!«
Er öffnete die Fahrstuhltür und fragte:
»Room-number, sir?«
Thomas zeigte ihm das Schlüssel-Schild, auf dem die Nummer 614 gedruckt war. Der Page folgte Thomas in den Fahrstuhl, drückte den Knopf für den sechsten Stock und verließ den Fahrstuhl wieder mit einem freundlichen:
»Good night, sir!«
Thomas lies sich aufs Bett fallen. Er hatte zu wenig geschlafen und zuviel getrunken. Er schaffte es gerade noch, sich auszuziehen und unter die Decke zu kriechen. Duschen und Zähneputzen verschob er auf den nächsten Morgen.
Als ihn der Wecker um sieben Uhr dreißig erbarmungslos aus dem Tiefschlaf riss, brauchte Thomas eine Ewigkeit um sich zu besinnen, wo er überhaupt war. Daran, ob er etwas geträumt hatte, und dass er mitten in der Nacht frierend aufgestanden war, um die Klimaanlage auszuschalten, konnte er sich nicht mehr erinnern. Er blieb noch eine Weile liegen und betrachtete vom Bett aus das Zimmer. Es war ein schöner großer Raum mit altrosafarbenen Stofftapeten. Das Mobiliar war komplett aus Teakholz gefertigt; alles wirkte ausgesprochen gemütlich und gepflegt.
Als er nach einer ausgiebigen Morgentoilette frisch und gut gelaunt aus dem Fahrstuhl stieg, lächelte ihn als Erstes der Page an, der ihn schon am Abend zuvor verabschiedet hatte.
»Sawadee khrab, good morning, Sir. May I show you the way to the restaurant? Your friends are already there.«
Der Page führte Thomas direkt an den Tisch, an dem seine Freunde bereits mit dem Frühstücken begonnen hatten. Er winkte einen Kellner heran, der das Frühstücksbuffet erläuterte und eine Tasse Kaffee einschenkte, und verließ erst dann zufrieden den Raum.
Thomas war überrascht von so viel Zuvorkommenheit und Umsicht. Er musste unweigerlich an seine Erfahrung in europäischen Hotels dieser Kategorie denken, in denen er früher häufig übernachtet hatte. Diese kamen ihm jetzt vor wie Jugendherbergen.
Während sich Nils und Thomas ein Continental Breakfast zusammengestellt hatten, besorgte sich Chai eine Nudelsuppe. Sie genossen das Frühstück und wechselten nur wenige Worte.
Nach dem Frühstück sollte Thomas erst einmal eine umfangreiche Stadtführung durch seine Freunde erleben. Sie gingen zu Fuß zu einer nahe gelegenen Anlegestelle für Klong-Boote. Diese Boote sahen von oben aus wie Omnibusse mit Klappverdeck. Auf langen, quer verlaufenden Holzbänken saßen an die hundert Fahrgäste dicht an dicht gedrängt, und wurden mit affenartiger Geschwindigkeit durch das Kanalnetz katapultiert. Zum Schutz vor Spritzwasser waren seitlich Planen angebracht, die in regelmäßigen Abständen mit Schnüren, die über Rollen liefen, befestigt waren. An diesen Schnüren konnten die Passagiere die Plane hochziehen und zum Einsteigen anderer Fahrgäste wieder herunter lassen. Das alles wirkte unglaublich provisorisch, funktionierte aber einwandfrei und die Klongboote bewährten sich als eines der schnellsten Verkehrsmittel dieser riesigen Stadt. Für Chai war diese Fahrt völlig normal, für Nils ein riesen Spaß und für Thomas die verrückteste Bootsfahrt seines bisherigen Lebens. Sie mussten noch einmal umsteigen und am Ende kamen sie an einem Tempel an, der sich wie ein riesiger goldener Berg aus dem Häusermeer erhob. Es war der berühmte Wat Saket, oder auch Golden Mountain genannt, von dessen oberster Plattform aus sich ein herrlicher Blick über die ganze Altstadt und den Königspalast ergab. Sie verließen das Tempelgelände, über einen Hintereingang, der in ein wunderschönes, vom Autoverkehr weitestgehend verschontes Handwerkerviertel führte. Hier war das Zentrum der Holzwerkstätten, der Tischlereien und der Holzhändler. Eine Insel mitten in der Großstadt. Über Nebenstraßen gelangten sie weiter zum Königspalast und dem Wat Phra Khaeo.
Trotz des Gedränges mit tausenden von Touristen war der Besuch dieser gigantischen Anlage ein beeindruckendes Erlebnis für Thomas. Mit einem Taxi fuhren sie zum Wat Po mit dem großen liegenden Buddha und gingen anschließend zum großen Fluss Maenam Chao Phraya. Hier gab es eine Anlegestation für Flussboote und eine unübersehbare Schar von Touristen und Thailändern. Über Lautsprecher wurde auf dem großen Vorplatz in regelmäßigen Abständen vor Taschendieben und Betrügern gewarnt. Man solle auf keinen Fall Fahrscheine für die Expressboote und Fähren außerhalb der Fahrkartenschalter kaufen, da die Verkäufer völlig überhöhte Preise verlangen und Touristen auf teure Ausflugsboote locken würden. Mit einem klapprig aussehenden Fährboot setzten sie über den Fluss und besichtigten dort den berühmten Wat Arun