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Drei nicht mehr ganz taufrische Damen treffen in der Metropole Bangkok aufeinander. Dagmar sucht ihren Mann, Hermine ihren Sohn und Ute einen neuen Job. So ungleich ihre Ziele, so verschieden ihre Charaktere und ihre Handlungsweisen auch sind, finden sie doch gemeinsam das, was sie gar nicht gesucht hatten: Eine freundschaftliche Koexistenz in einer exotischen Umgebung. Ein verliebter, jedoch ausgebrannter, Kommissar plagt sich mit einer grauenvoll entstellten Leiche ab. Sein Bemühen wird von seinem ehrgeizigen Assistenten durchkreuzt. Viel schlimmer aber hat es einen deutschen Urlauber erwischt, dessen fatale Fehlentscheidung sich als direkter Weg zur Hölle erweist. All diesem Leid setzt die kleptomane und niemals um eine Ausrede verlegene Hermine ihren urkomischen Stempel auf.
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Seitenzahl: 481
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Andreas Tietjen wuchs in einer niedersächsischen Kleinstadt auf und pendelt seit vielen Jahren zwischen der Metropole Berlin und einem kleinen Dorf in der Lüneburger Heide. Der studierte Kunsttherapeut und Kunstpädagoge wirkte mehr als 25 Jahre lang als Keyborder, Komponist und Texter in verschiedenen Musikformationen im Bereich Pop- und Rockmusik. Seine Reiseleidenschaft führt ihn regelmäßig in viele verschiedene Länder, insbesondere nach Süd-Ost-Asien. Besonders angezogen fühlt er sich von der Kultur, von der Landschaft und natürlich von den Menschen Thailands. Er erlernt die thailändische Sprache und verbringt viel Zeit in den entlegenen Dörfern und Kleinstädten im Norden und Nordosten des Königreichs. Die vielfältigen Begegnungen, inspirierenden Erlebnisse und Eindrücke, die er dort gesammelt hat, regten ihn Anfang der Zweitausenderjahre an, seine ersten Romane zu schreiben. Mittlerweile sind mehrere belletristische Werke unterschiedlicher Genres erschienen.
Kapitel EINS
Kapitel ZWEI
Kapitel DREI
Kapitel VIER
Kapitel FÜNF
Kapitel SECHS
Kapitel SIEBEN
Kapitel ACHT
Kapitel NEUN
Kapitel ZEHN
Kapitel ELF
Kapitel ZWÖLF
Kapitel ZWÖLFEINHALB
Die Abendsonne tauchte die weite Flussebene in goldgelbes Flimmerlicht. Die Tageshitze wich der umhüllenden Wärme der dunklen Hälfte des Tagesverlaufs. Geräusche und Gerüche nahmen an Intensität zu, Mensch und Tier bereiteten sich auf die erholsamen Nachtstunden vor, die kraftspendende Rast für alle tagaktiven Lebewesen.
Der kleine Thon, jüngster Sohn des armen Bauernpaares Aran und Sittichai aus dem Dorf Yang Than im Distrikt Krok Phra, machte sich, wie jeden Abend um diese Zeit, auf den Weg zum Flussufer. Er begleitete seinen Freund Tao zu seinem täglichen Bad im seichten Wasser der Sandbank, die sich in der Biegung des Chao-Phraya Flusses gebildet hatte. Tao war ein Wasserbüffel. Er war nicht nur Thons Freund, sondern auch treuer Begleiter und eines der wichtigsten Mitglieder der Familie. Der zwölfjährige Junge war mit dem starken Arbeitstier aufgewachsen. So lange, bis er im Alter von fünf Jahren täglich zur Schule ging, hatte er die meiste Zeit des Tages in seiner Nähe verbracht. Die beiden ungleichen Freunde verstanden sich wortlos und einer konnte sich auf den anderen verlassen. Den kleinen Abhang der Uferböschung pflegte Tao im Laufschritt zu nehmen. Erstens freute er sich auf das erfrischende Wasser und zweitens zog ihn sein stattliches Gewicht voran. An diesem Tag jedoch stemmte sich Tao mit aller Kraft gegen den unter seinen Hufen rutschenden Sand. Unten am Ufer angekommen, suchte er nervös den Rückweg, der ihm jedoch von Thon abgeschnitten wurde. Der Junge war überrascht und verwundert über das Verhalten des Büffels.
»Tao pai loei!«, rief er, »lauf schon, Tao!«
Doch das Tier reagierte ängstlich und unruhig, so als ob es eine Gefahr witterte.
»Was ist los, mein Grauer?«, fragte der Junge. »Wovor hast du Angst? Da ist doch gar nichts!«
Suchend ließ er seinen Blick über den Fluss schweifen.
»Siehst du? Gar nichts ist auf dem Wasser, nicht einmal eines dieser lärmenden Schnellboote.«
Tao drehte und wendete sich nervös, schließlich erklomm er die Uferböschung und lief fluchtartig in Richtung Zuhause.
»Dieser Sturkopf, was hat er nur?«, schimpfte Thon und blickte dem Dickhäuter hinterher. Er warf noch einen prüfenden Blick über den Fluss, bevor er sich aufmachte, dem Büffel zu folgen. Er schüttelte den Kopf - doch da, was war das? Zwischen dem Treibholz, das am oberen Ende der Sandbank angeschwemmt worden war, tauchte ein heller Fleck auf und ab. Es war wie ein Zuwinken. Was immer es war, es war klein, aber es stach intensiv aus seiner Umgebung hervor. Der Junge fixierte es mit seinen Blicken und beobachtete es eine Weile. Er verfolgte sein periodisches Auf- und Abtauchen. Neugierig ging er hinunter zur Sandbank. Er durchwatete das seichte Wasser und stampfte durch den feuchten Sand. Je näher er dem unbekannten Etwas kam, desto weniger konnte er etwas mit den Konturen anfangen. War es ein Tongefäß? Eine Schachtel oder Dose? Nein, jetzt sah es aus wie ein Tier. Vielleicht doch ein Kanister? Thon erschrak. Einen Meter nur von ihm entfernt ragte ein Fuß aus dem lehmigen Wasser des großen Flusses. Durch die Wellen eines vorbeiziehenden Frachtschiffes aufgetrieben, folgte ein zweiter Fuß, dann die schwachen Konturen eines menschlichen Körpers. Auf und ab, da und wieder verborgen im dunklen Nass. Der Junge erschauderte. Er konnte sich kaum lösen von dem furchtbaren Anblick.
»Paw, Mae! - Vater, Mutter!«, schrie er und rannte auf kürzestem Wege nach Hause.
»Was ist los mit dir?«, rief eine Nachbarin. »Hast du den Verstand verloren?«
»Im Fluss, bei der Sandbank, Füße ...«, stammelte Thon, als ihn seine Großmutter auffing.
»Im Fluss liegt ein Toter, ein Farang.«
Es waren alle aus dem Dorf Yang Than zu der Sandbank gekommen. Man hatte um die Füße des Farang eine Schnur geknüpft und diese an einem angetriebenen Baumstamm befestigt Nun wurde aufgeregt über die fremdartige Leiche diskutiert. Farang nannte man die hellhäutigen Ausländer und ebensolch ein Ausländer soll vor ein paar Tagen mit seinem Motorrad durch das Dorf gefahren sein.
»Er war viel zu schnell unterwegs«, behauptete die alte Manau, »und er hätte fast die Motorrad Suppenküche von Arnee gerammt.«
»Nein, er war so langsam über die Dorfstraße getuckert, dass der Songthaeo mit den Schulkindern auf der Ladefläche stark abbremsen musste und sie alle durcheinandergepurzelt waren«, widersprach der Apotheker. »Außerdem hatte er irgendetwas im Dorf gesucht.«
Der Fischer Saeng hatte sogar gleich zwei Langnasen durch das Dorf fahren sehen und diese saßen in einem Auto mit Bangkoker Kennzeichen. Sicherlich würde der zweite Farang auch noch von den Fluten des Chao-Phraya freigegeben werden, mutmaßte er. Die Gerüchte und Spekulationen entwickelten sich immer wilder und absurder. Die Polizei beendete die Gespräche, indem sie Fragen stellte, wer den Toten gefunden hatte und ob irgendwer aus dem Dorfe den Fremden schon einmal gesehen hätte. Nun konnte sich plötzlich niemand mehr erinnern und alle schwiegen verlegen. Thon schritt gemeinsam mit den Beamten erneut den Weg ab, den er gegangen war, nachdem er diesen unerklärlichen hellen Fleck erstmals gesehen hatte. Das ganze Dorf folgte ihnen. Dann kamen weitere Polizeiautos aus der Stadt Nakhon Sawan herangefahren und immer mehr Polizisten versackten mit ihren Lederstiefeln im feuchten Schlick der Sandbank. An einem Seil wurde die Leiche schließlich aus dem Wasser gezogen und ein entsetztes Raunen ging durch die Menge der Schaulustigen. Dem Toten war der linke Arm unterhalb der Schulter abgetrennt worden, ja man kann sagen, dass er regel recht abgefetzt wurde. Nun lag ein dicker, aufgequollener weißer Körper bäuchlings im Schlick. Er war bekleidet mit einer schwarzen Badehose oder dergleichen. Keiner der Polizisten wollte der Erste sein, der diesen verwesenden Fleischberg umdrehen und ihm ins Antlitz schauen sollte. Es herrschte eine schaurig gespannte Stille. Die gesamte Dorfbevölkerung starrte den Toten an. Zwei Beamte fassten schließlich allen Mut und drehten die Leiche um. Ein Schrei ging durch die Menge. Der Tote war ein Mann, aber ihm fehlte das Gesicht. An dessen Stelle klaffte eine rote Wunde, aus der vereinzelt Zähne und Knochenteile herausragten.
Es gibt Augenblicke, in denen man zu sehr mit Nebensächlichkeiten beschäftigt ist, als dass man ein Gespür für die Dramatik des Moments entwickeln könnte. Später, wenn man die Tragweite einer scheinbar belanglosen Szene unwiderruflich vor Augen hat, wird man sich immer und immer wieder fragen: »Warum habe ich nicht bemerkt, dass etwas Tragisches geschehen wird? Warum habe ich mich meiner Müdigkeit, meiner Erschöpfung, meiner Ungeduld hingegeben und nicht darüber nachgedacht, weshalb ich so ein mulmiges Gefühl hatte?«
Solch ein Schicksalsmoment ereignete sich auch in jenem Hotelzimmer, in dem das Ehepaar Schöller seine erste Nacht in einer fremden Stadt verbrachte.
Dagmar richtete sich im Bett auf und schob ihre Schlafbrille hoch. Sie schaltete die Leselampe an, nahm den Wecker in die Hand und erkannte mit kneisternden Augen, dass es eben erst elf Uhr war. Elf Uhr nachts, Bangkoker Zeit wohlgemerkt. Aus dem angrenzenden Bad drangen leise Geräusche.
»Heinz?«, rief sie. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
Heinz Schöller öffnete die Tür und trat in deren keilförmigen Lichtkegel.
»Ich kann nicht schlafen«, sagte er mit resignierendem Unterton.
»Ist ja auch kein Wunder. Du hast den ganzen elfstündigen Flug über geschlafen«, antwortete seine Frau nasal.
»Deinem Geschnarche verdanken alle anderen Passagiere, dass wenigstens sie jetzt hundemüde sind.«
»Die Tabletten!«, erwiderte Heinz entschuldigend. »Ich glaube, eine Schlaftablette hätte gereicht. Ich geh noch ein wenig an die Bar, vielleicht werde ich dann irgendwann schläfrig. Gibst du mir etwas thailändisches Geld?«
»Wozu denn das? Du kannst doch alles auf die Zimmerrechnung setzen lassen.«
Dagmar war gereizt und übermüdet; sie wollte nun endlich zur Ruhe kommen.
Stunden später wurde Dagmar von dem nervtötenden Läuten eines Telefons aus ihrem tiefen, traumlosen Schlaf gerissen. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie begriff, was der Mann am anderen Ende der Leitung mit den Worten »Good morning, Madame Sir, this is your wakeup call!« meinte.
»Yes, äh, sänk you!«, stammelte sie und versuchte, sich in dem fremden Zimmer zu orientieren.
»Heinz?«, rief sie in der Annahme, dass ihr Ehemann sich im Bad befand. Diese Szene war das Letzte, woran sie sich vom Vorabend erinnerte. Sie bekam keine Antwort. Dagmar erhob sich steif und ging zu der schmalen Teakholztür hinüber. Eine dunkle Vorahnung überkam sie, ohne dass sie hätte sagen können, warum. Sie war einfach da und sie fühlte sich mit jedem Schritt, den sie sich dem Badezimmer näherte, bedrohlicher an. Sie hatte ihren Gatten vor eineinhalb Jahren zusammengebrochen und nur noch schwach atmend hinter einer Badezimmertür, auf dem Boden liegend, vorgefunden. Ein Erlebnis, das sie seither nicht aus ihrer Erinnerung löschen konnte. Beherzt, doch mit aller gebotenen Vorsicht drückte sie die Tür auf. Das Bad war dunkel, nur der fahle Lichtschein, der von der Bettlampe herüberstrahlte, erhellte Fußboden und Waschtisch. Dagmar schaltete das Licht an, fand den Raum jedoch leer vor.
»Wo steckt der Kerl denn nur wieder?«, murmelte sie leicht verärgert, aber dennoch beunruhigt. War Heinz überhaupt von seinem angekündigten Barbesuch zurückgekehrt? Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass er zu ihr ins Bett gestiegen war. Alles lag noch so da, wie sie es vor dem Einschlafen zuletzt gesehen hatte.
Dagmar versuchte, sich rasch anzukleiden. Ihr waren die Anstrengungen der Reisevorbereitungen und des langen Fluges an den müden Augen anzusehen. Ihre Frisur sah fürchterlich aus und sie kämpfte damit, die schulterlangen, naturkrausen Haare mit einer Spange in Façon zu bringen. Sie zog sich einen schlichten Leinenanzug an und eilte nach unten ins Foyer. Hilflos sah sie sich um und suchte nach einem bekannten Gesicht - der Reiseleiterin oder wenigstens einem der Mitreisenden, so sie jemanden von denen wiedererkennen würde. Man hatte sich am Vorabend nach einer fast einstündigen Fahrt vom Flughafen in einem modernen Reisebus und nach einer anschließenden etwa zehnminütigen Einweisung in den Reiseverlauf schon wieder getrennt, um die verschiedenen Zimmer zu beziehen. Dagmar fing ein Paar am Fahrstuhl ab.
»Entschuldigen Sie, haben Sie vielleicht ...«
Der Herr bedauerte höflich, nur Englisch und Spanisch zu sprechen.
Sie suchte weiter, lief schließlich zum Restaurant, in dem das Frühstücksbuffet angerichtet war. Viele Gäste saßen bereits an den Tischen und aßen oder standen in der schier endlosen Schlange an, die sich am Buffet entlangzog. Es gab nur Tischgruppen, an denen vier Personen Platz hatten, keine langen Tafeln für ganze Reisegruppen. Dagmar wandte sich wieder dem Eingang zu und endlich begegnete sie der Reiseleiterin, einer jungen Deutschen, die vielleicht Anfang dreißig war.
»Ich vermisse meinen Mann!«, schmetterte sie ihr entgegen.
»Ja, das ist jetzt aber ungünstig, denn wir wollen um neun Uhr pünktlich mit der Stadtbesichtigung beginnen. Dafür ist es wichtig, dass wir uns rechtzeitig am Bus treffen, so wie ich es gestern Abend allen Teilnehmern gesagt hatte.«
Die Reiseleiterin - ein blaues Plastikschildchen an ihrer Kostümjacke wies sie als Sandra Klöpper aus - schenkte Dagmar einen überheblichen Blick.
»Nein, nein!«, erwiderte Dagmar. »Sie verstehen mich nicht. Er ist verschwunden! Seit gestern Abend. Er wollte nur kurz an die Hotelbar gehen und ist danach nicht mehr zurückgekehrt. Er war die ganze Nacht über fort.«
Fräulein Klöpper wirkte gereizt.
»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen da helfen könnte. Das Tagesprogramm heute ist fakultativ. Wenn Sie nicht daran teilnehmen möchten, dann wird Ihnen auch nichts berechnet.«
»Ich möchte ja, das ist es ja gar nicht«, brachte Dagmar fast flehend heraus. »Das ist ja nicht das Problem. Ich fürchte, dass meinem Mann etwas zugestoßen ist!«
»In der Hotelbar?«
»Nein, ich weiß es nicht! Es ist nur ungewöhnlich; mein Mann würde nie ... ich meine, er weiß doch, dass wir heute früh ...«
Dagmar wankte; ein aufmerksamer Kellner fing sie auf und half ihr zu einem Stuhl.
»Warten Sie hier bitte einen Moment«, sagte Fräulein Klöpper und eilte in Richtung Lobby. Der Kellner brachte Dagmar ein Glas Orangensaft und fragte sie besorgt, ob alles okay wäre. Dagmar nickte und gleichzeitig lief ihr eine Träne die Wange herunter. Sie fühlte sich auf einmal so hilflos und alleine gelassen. Wo mochte Heinz nur stecken? Die Zeiten seiner Eskapaden lagen doch schon über zwanzig Jahre zurück. Er war alt geworden, auch wenn er gerne den unbesiegbaren Helden im besten Mannesalter vorgab. Er hatte jede Menge Zipperlein und seine vormals hemmungslosen Alkoholexzesse wurden mittlerweile bereits nach zwei, drei Gläsern Whisky mit einem wehleidigen Verweis auf seine Galle beendet. Hatte er gestern überhaupt seine Medikamente genommen? Na, heute Morgen ja wohl auf jeden Fall nicht.
Sandra Klöpper kam mit einem unverschämten Hüftschwung herangewackelt, ein Klemmbrett unterm Arm.
»Sagen Sie mir bitte Ihren Namen«, kommandierte sie, während Dagmar sich langsam erhob.
»Frau Dagmar Schöller und Herr Heinz Schöller«, las die Reiseleiterin von einer Liste ab. »Dann sind Sie für die große Thailand angemeldet, ja? Und für Bangkok Märkte und Sehenswürdigkeiten hatten Sie sich auch eingetragen. Frau Schöller, was ich im Moment für Sie tun kann, ist, dass ich Sie von unserem Tagesprogramm streiche - alle beide - und dass Sie in der Zwischenzeit versuchen, Ihren Mann zu finden. Ich habe eben in der Bar angerufen, aber dort ist er nicht. Vielleicht gehen Sie selber noch einmal hoch, aber das Personal konnte mir gegenüber keine Angaben über den Verbleib Ihres Gatten machen. Ich würde sagen, wir treffen uns heute Abend um siebzehn Uhr wieder dort drüben an der Lobby und Sie berichten mir, was Sie erreicht haben.«
Dagmar schluckte.
»Aber Sie können mich doch nicht hier alleine lassen!«, empörte sie sich. »Ich spreche doch noch nicht einmal die Sprache und mein Englisch ist auch eher so lala. Irgendwer muss mir doch bei der Suche helfen!«
»Frau Schöller, im Grunde genommen beginnt Ihre Reise erst morgen früh ...«
»Ich möchte dann aber jetzt bitte sofort Ihren Vorgesetzten sprechen«, protestierte Dagmar.
»Ich kann Ihnen gerne die Telefonnummer von Frau Conner geben, aber mich müssen Sie freundlicherweise entschuldigen. Ich muss mich jetzt um meine Tagesgruppe kümmern.«
Die Reiseleiterin drückte Dagmar eine Visitenkarte in die Hand, auf der sie mit ihrem Kugelschreiber eine Telefonnummer unterstrichen hatte. Dann klemmte sie ihr Zettelbrett unter den Arm und ließ die arme Frau einfach stehen.
Dagmar warf einen müden Blick auf das Buffet. Nach etwas zu essen war ihr im Moment weiß Gott nicht zumute. Sie raffte sich auf und ging zur Rezeption. Der hilfsbereite Bedienstete wählte für sie die Nummer auf dem Telefon und überreichte ihr den Hörer. Es dauerte nicht lange, bis sich Frau Conner meldete. Dagmar beschrieb ihr die Situation. Nach dem unerfreulichen Gespräch mit der Reiseleiterin war sie nun vorbereitet und so legte sie die nötige Vehemenz in ihre Stimme. Sie ließ auch keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie die gesamte Reisegruppe nicht eher zur großen Thailandrundreise aufbrechen lassen würde, bis ihr zumindest ein kompetenter Angestellter des Reiseveranstalters für die Suche nach ihrem Mann zur Seite gestellt werden würde. Frau Conner hörte geduldig zu und versprach ohne Umschweife, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Dagmar solle doch bitte in der Zwischenzeit ihr Frühstück einnehmen und anschließend im Foyer auf einen Mitarbeiter des Unternehmens warten.
Es vergingen gut zwei Stunden, in denen Dagmar versuchte, ein halbes Brötchen mit Marmelade herunterzuwürgen, bis endlich eine Dame mit einer dunkelgrauen Aktentasche an der Hand die Hotellobby betrat. Die Frau war groß gewachsen, schlanke bis dürre Figur, sie hatte ihr dunkelbraunes Haar zu einem Knoten gebunden und man erkannte an ihrem graublauen Kostüm, dass sie zu Martan Travel gehörte. Dagmar sprang von ihrem riesigen Ledersessel auf und ging auf die Frau zu. Diese stellte sich als Ute Radok vor; auch sie wirkte leicht unterkühlt und abweisend. Der gleiche Schlag von Mensch wie die unverschämte Reiseleiterin, Fräulein Klöpper, dachte Dagmar enttäuscht. Frau Radok nahm Dagmar mit in einen kleinen Büroraum direkt neben der Rezeption. Im Vorbeigehen orderte sie eine Tasse Kaffee, und noch bevor die beiden Frauen Platz genommen hatten, begann sie mehrere Telefongespräche zu führen, die mit dem eigentlichen Grund ihres Kommens nichts zu tun hatten.
»Frau Schöller«, eröffnete sie anschließend das Gespräch in strengem Ton. »Sie haben ein Problem; schildern Sie mir bitte, was vorgefallen ist.«
»Mein Mann ist verschwunden. Er konnte gestern Abend nicht einschlafen und wollte noch kurz an die Hotelbar gehen. Das ist das Letzte, was ich von ihm gehört habe, und das ist inzwischen mehr als zwölf Stunden her.«
»Ist das Ihre erste Thailandreise?«, fragte Frau Radok.
»Nein, wir waren vor sechs Jahren schon einmal mit Martan Travel hier, aber die Rundreise mussten wir abbrechen, weil ich eine Magen-Darm-Infektion bekommen hatte. Wir sind dann damals direkt nach Koh Samui geflogen, wo es mir schließlich besser ging. Mein Mann ist vor einem Jahr alleine für zwei Wochen nach Jomtien geflogen. Das war so eine Art Rehamaßnahme nach einem Zusammenbruch, den er erlitten hatte.«
Frau Radok sah von ihrem Schreibblock auf, in dem sie eifrig Notizen zu dem Gespräch machte.
»Jomtien, ja?! Und hat er dort jemanden kennengelemt?«
»Wie meinen Sie das - jemanden kennengelernt?«, fragte Dagmar entrüstet.
»Frau Schöller, wir wollen uns doch nichts vormachen. Ihr Mann hat indessen gewisse Thailanderfahrung. Wenn er nach einem Barbesuch nicht sofort zurückkommt, dann kann das alle möglichen Gründe haben. Die Stadt ist groß - wo sollen wir da anfangen zu suchen?«
Dagmar verschlug es die Sprache. Nicht genug, dass sich das Schicksal im Moment gegen sie gewandt zu haben schien, waren auch noch die Menschen, die sie um Hilfe ersuchte, an Unverschämtheit und Frechheit nicht zu überbieten.
»Ich verstehe Ihre Anspielung«, antwortete sie mit bebender Stimme. »Aber glauben Sie mir, wenn Sie einmal in eine ähnliche Situation kommen sollten wie ich jetzt, dann werden Sie sich wünschen, nicht noch obendrein mit Leuten wie Ihnen konfrontiert zu werden.«
»Ich bin seit heute Morgen um Viertel vor fünf Uhr in ganz Bangkok unterwegs, um mich um verlorene Taschen, verlorene Schlüssel, verlorene Pässe und dergleichen zu kümmern. Sie sehen also, dass ich alle Hände voll zu tun habe.«
»Mit anderen Worten«, antwortete Dagmar verbittert, »Sie haben keine Lust mehr, sich auch noch um einen verloren gegangenen Menschen zu kümmern, ja?!«
Frau Radok schwieg einen Moment lang. Sie rückte die unordentlich gepackte Aktenmappe vor sich auf dem Tisch zurecht, bevor sie Dagmar ernst ansah und sich entschuldigte.
»So habe ich das nicht gemeint, verzeihen Sie mir bitte. Ich werde hier von einem Fall zum nächsten geschickt und komme nicht einmal dazu, in Ruhe eine Tasse Kaffee zu trinken. Sie glauben nicht, was da draußen auf den Straßen los ist um diese Zeit.«
Sie nahm einen hastigen Schluck aus ihrer Kaffeetasse und blickte Dagmar erwartungsvoll an.
»Wenn Sie einverstanden sind, beginnen wir unser Gespräch noch einmal ganz von vorne.«
Frau Radok ließ zwei weitere Tassen Kaffee in den Konferenzraum bringen und widmete sich nun mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit Dagmars Problem. Die beiden Frauen sprachen so mehr als eine Stunde miteinander und Frau Radok machte sich eifrig Notizen. Sogar ihr ständig piependes Mobiltelefon schaltete sie für die Dauer der Unterhaltung stumm. Anschließend schlug sie vor, dass sie gemeinsam erste Nachforschungen unternehmen sollten, da die Polizei mit Sicherheit bei der mehr als dürftigen Informationslage keine große Hilfe sein würde.
Als Dagmar in ihrem Zimmer nach einem Foto ihres Mannes suchte, stellte sie fest, dass dessen Pass nicht aufzufinden war. Zunächst schenkte sie diesem Umstand keine weitere Beachtung, doch die Frage, wann und warum Heinz das Dokument mitgenommen hatte, beschäftigte sie hintergründig. Die beiden Damen suchten die Hotelbar auf, um das Personal zu befragen. Hier oben herrschte Einschichtbetrieb und so hatten sie Glück, gleich mehr als die Hälfte der Bediensteten anzutreffen, die am vorherigen Abend dort gearbeitet hatten. Frau Radok unterhielt sich mit dem Chef der Bar auf Thailändisch und Englisch. Zwischendurch gab sie Dagmar kurze Zusammenfassungen davon in deutscher Sprache. Der Barkeeper konnte sich noch sehr gut an Heinz erinnern und auch daran, dass er die Bar zusammen mit einem fremden Mann verlassen hatte. Sogar die genaue Uhrzeit, nämlich ein Uhr zweiundvierzig, konnte sich anhand des elektronischen Kassenbeleges ermitteln lassen. Wohin die beiden jedoch gegangen waren, wusste niemand der Bediensteten zu sagen. Auch eine brauchbare Beschreibung des anderen Gastes war nicht aus ihnen herauszubekommen. Der Mann musste ungefähr die gleiche Statur, ein vergleichbares Aussehen und Alter wie Heinz gehabt haben. Dies alles ergab ein ähnliches Bild, als wenn ein Europäer einen Asiaten in der Art beschreiben würde, dass dieser eine gelbliche Hautfarbe, schwarze Haare und Schlitzaugen hätte. Für jegliche Nachforschungen war das unbrauchbar. Frau Radok fragte den Barmann, ob er irgendeine Idee hätte, wo zwei Männer, die wahrscheinlich noch relativ wenig Alkohol zu sich genommen hatten, um diese späte Zeit hingegangen sein könnten, woraufhin die Hotelangestellten verlegen zu grinsen anfingen. Auf Frau Radoks weiteres Drängen hin erwähnte der Barchef, dass einige Gäste gelegentlich in ein Barviertel gingen, das sich in einer Seitenstraße der Sukkhumvit Road befände. Dieses Viertel hieß Nana Plaza. Dort würden aber überwiegend Touristen verkehren, die nicht der feineren Gesellschaft angehörten, und das Personal würde keinesfalls die guten thailändischen Umgangsformen beherrschen. Frau Radok verstand diesen Fingerzeig und sie suchte nach Worten, wie sie ihrem Schützling schonend beibringen konnte, welche Vermutung der Thailänder da eben geäußert hatte.
Die beiden Frauen bestellten sich je einen alkoholfreien Cocktail und beratschlagten das weitere Vorgehen.
»Die einzigen Hinweise, denen wir im Moment nachgehen können, sind die dürftige Beschreibung eines Unbekannten, mit dem Ihr Mann zusammen gesehen worden ist, und die vage Annahme, dass die beiden in ein Barviertel hier in der Nähe gegangen sein könnten«, sagte Frau Radok. »Das ist nicht viel für den Anfang! Uns bleibt nichts anderes übrig, als mit Ihrem Foto in der Hand im Nana Plaza die Barmädchen zu befragen. Dafür ist es aber jetzt noch zu früh. Ich schlage vor, dass Sie eine Tablette nehmen und sich für fünf Stunden schlafen legen. Danach essen wir eine Kleinigkeit und machen uns anschließend auf den Weg. Was halten Sie davon?«
Dagmar war einverstanden und erleichtert, in dieser Situation nicht selbst die Initiative ergreifen zu müssen. Um Punkt achtzehn Uhr wurde sie von Frau Radok telefonisch geweckt. Sie nahmen gemeinsam ein sehr nur leicht scharf gewürztes Essen im Hotelrestaurant ein. Frau Radok hatte sich legerer, aber dennoch elegant gekleidet. Dagmar fühlte sich hohl und matt, obwohl sie tief und fest geschlafen hatte. Die Vorstellung, dass ihrem Heinz etwas Schreckliches zugestoßen sein könnte, ließ sie nicht los.
»Meinen Sie wirklich, wir haben eine Chance, meinen Mann ohne die Hilfe der Polizei zu finden?«, fragte sie.
»Die Polizei wird auch nichts anderes tun als wir, höchstens, dass sie mit ihrem elefantösen Feingefühl noch die letzten möglichen Spuren zertrampeln würde. Nein, nein, wir müssen erst einmal genügend Hinweise bekommen, dass wir der Polizei eine Richtung vorgeben können. Erst dann macht es Sinn, sie um Hilfe zu bitten.«
Als die beiden Damen das Eingangsportal des Nana Plaza betraten, fühlte sich Dagmar an eine Kirmes erinnert. Aus unzähligen Buden drang unterschiedliche Musik an ihre Ohren. Alles war bunt, schrill und laut. Nur waren die Marktschreier hier ordinär aufreizende Teenager und junge Frauen in kaum vorhandener, geschmackloser Kleidung. An diesen Buden drängten sich auch keine Kinder und Jugendlichen, die die farbenfrohen Verlockungen der Auslagen anschmachteten, sondern erwachsene Männer in meist fortgeschrittenem Alter. Es war schwer auszumachen, auf welcher Seite der Bartresen es ordinärer zuging. Und hierher sollte Heinz zusammen mit einem fremden Mann auf Vergnügungstour gegangen sein? Unmöglich! Eigentlich wollte sie Frau Radok sofort von ihrem Vorhaben abbringen, aber die hatte sich bereits auf einen Hocker geschwungen und mit heiterer Miene ein Gespräch in thailändischer Sprache mit einer Bardame begonnen. Sie bedeutete Dagmar, sich ebenfalls auf einen der Schemel zu setzen. Ein höchstens zwanzigjähriges Mädchen trat an Dagmar heran und hielt ihr schüchtern lächelnd eine Getränkekarte entgegen. Nachdem Dagmar einen Blick auf die laminierte und an den Ecken schon stark ausgefranste Karte geworfen und sich unschlüssig die Getränke der anderen Besucher dieses Etablissements betrachtet hatte, bestellte sie ein Singha-Bier. Das Barmädchen deutete eine Verbeugung an und stellte ihr wenig später eine Flasche, die bis zum Hals in einem bunt beklebten Styroporkühler steckte, auf den Tisch. In einen Plastikbecher stopfte sie die dazugehörige Rechnung über hundert Baht. Dagmar probierte einen Schluck und stellte fest, dass das Getränk für diese Tageszeit exakt richtig temperiert war. Gierig nahm sie einen weiteren, und erst jetzt bemerkte sie, wie durstig sie inzwischen durch das ungewohnt heiße Klima geworden war.
Frau Radok hatte das Gespräch mit der Bardame beendet und drehte sich nun zu Dagmar herüber.
»Ich würde Sie bitten, hier einen Moment auf mich zu warten«, sagte sie mit ruhiger Stimme. »Ich habe da gerade einen Hinweis bekommen, dem ich gerne nachgehen möchte. Ich weiß nicht genau, aber es könnte ein paar Minütchen dauern. Ich muss dort drüben in diese Gogo-Bar gehen und versuchen, etwas in Erfahrung zu bringen.«
Schnell sprang Dagmar von ihrem Hocker auf.
»Aber ich kann doch eben mitkommen ...«
»Nein, bitte nicht«, wies sie Frau Radok zurück. »Es wird Ihnen erstens nicht besonders gut dort gefallen, und zweitens möchte ich da nicht mit einer Übermacht auftreten. Mir wäre es sehr lieb, wenn Sie mich das kurz alleine machen lassen würden.«
Also blieb Dagmar an ihrem Platz an der Bar zurück und stierte betrübt vor sich hin. Sie orderte ihr zweites Bier und trank davon einen großen Schluck. Ein weiteres Mädchen, etwas älter als die Kleine, die sie verträumt und unroutiniert bediente, gesellte sich dazu. Sie grüßte mit einem fröhlichen »Hello« und stellte vor Dagmars Nase eine Holzschatulle hochkant auf den Bartresen. Geschickt zog sie den Kasten nach oben hin weg und zum Vorschein kam der Turm eines Jenga Spiels. Das Mädchen zog gekonnt eines der Holzklötzchen aus der untersten Reihe hervor und legte es seitlich oben auf den Stapel.
»It's your turn«, ermunterte sie Dagmar.
Dagmar bemühte sich redlich, eine gute Figur bei diesem Spiel zu machen. Es war Jahre her, dass sie zuletzt mit ihrer Tochter und deren damaligen Freundinnen dieses Geschicklichkeitsspiel gespielt hatte. Als der wackelige Turm schließlich laut krachend unter den Fingern des Barmädchens zusammenfiel, brach ein lauter Jubel und schallendes Gelächter bei den anwesenden Mädchen aus.
»One more, one more!«, drängelte Phu, das Barmädchen, und baute geschwind einen neuen Turm auf. Nun schlossen sich zwei weitere Mädchen an, Nok und Nu, und Dagmar bekam eine frische Flasche Bier auf den Tresen gestellt.
Ute Radok betrat den dunklen Raum der Go-Go-Bar. Sechs nur mit knappen weißen Bikinis bekleidete junge Mädchen hielten sich an chromglänzenden Stangen auf einem Catwalk fest und bewegten sich kaum sichtbar zum Takt der Musik. Keine von ihnen lächelte, keine nahm wirklich Notiz von ihr. An Bistrotischen auf Barhockern saßen einige Männer und befummelten ordinär kreischende Frauen. Ute bahnte sich einen Weg zu dem Bartresen in der hinteren rechten Ecke. Sie sprach die nicht mehr ganz taufrische Bardame an, die dort mit dem Wegräumen von Gläsern beschäftigt war, und fragte sie auf Thai nach Nid. Die Frau, die bei näherem Hinsehen puppenhaft gepudert und geschminkt war, sah Ute misstrauisch an. Sie war nicht besonders redselig und antwortete ausweichend, dass Nid heute nicht da wäre. Ute setzte sich auf einen Hocker und bestellte einen thailändischen Rum mit Cola. Dann bemühte sie sich, mit der Barfrau ins Gespräch zu kommen, was bei der herrschenden Lautstärke gar nicht so einfach war. Zunächst erwähnte sie beiläufig, dass in der gestrigen Nacht zwei Männer hier gewesen sein müssen, die anschließend in Begleitung zweier Mädchen, unter ihnen Nid, das Etablissement verlassen hatten. Auch sprach sie darüber, dass einer der Männer, der der Ehemann ihrer Freundin sei, seither vermisst wurde und dass sich die beiden Frauen sehr große Sorgen seinetwegen machten. Ohne eine Antwort abzuwarten, wechselte Ute dann aber das Thema und fragte die Bardame nach ihrer Herkunft. Als die ein Dorf aus der Nähe von Tat Phanom als ihre Heimat nannte, fing Ute an, vom Isaan, dem Nordosten Thailands, zu schwärmen. Sie erzählte von einem Wan Loi Krathong, dem Lichterfest, das sie in der Kleinstadt Tat Phanom erlebt hatte. Während Frau Radok lächelnd von dem lichterschimmernden Zierteich schwärmte, in den die festlich gekleideten Menschen ihre Krathongs, die tellergroßen, selbst gebastelten und fantasievoll dekorierten Schiffchen, die mit brennenden Kerzen bestückt waren, ins Wasser gleiten ließen, und während sie die prunkvollen traditionellen Kostüme schilderte, in welchen die Schönsten der umliegenden Dörfer um den Titel der Miss Loi Krathong antraten, sie die fröhlichen Tänze bei Morlam und klassischer Trommelmusik beschrieb, bekam die Bardame glasige Augen. Gedankenverloren polierte sie unnötigerweise ein völlig sauberes Glas und sah Ute Radok unsicher an.
»Du sprichst gutes Thai«, sagte sie.
Ute erklärte ihr, dass sie seit vielen Jahren in Thailand arbeitete und dass sie sich in diesem Land glücklich und zu Hause fühlte.
»Hast du keinen Mann?«, wollte die Thailänderin wissen, denn ein Mensch ohne Familie ist für Thailänder eine bemitleidenswerte Kreatur.
»Ich hatte einen Mann, aber der war schlecht zu mir. Ich habe ihn vor neunzehn Jahren verlassen«, antwortete Ute in resigniertem Tonfall und fügte hinzu: »Männer bereiten uns Frauen nur Kummer und Sorgen.«
Die Frau hinter dem Tresen nickte zustimmend und stellte Ute wortlos ein weiteres Glas Mekong-Cola auf die Bar. Dann kritzelte sie ein paar thailändische Schriftzeichen und eine Telefonnummer auf einen Zettel und schob ihn Ute unter vorgehaltener Hand zu.
»Nid wohnt normalerweise bei einer Freundin«, raunte sie Ute zu. »Sie hatte heute Morgen Krach mit dem Chef und der hat sie anschließend rausgeworfen. Wenn du Glück hast, findest du sie bei der Adresse, die ich dir aufgeschrieben habe. Sag ihr, dass ich sie dir gegeben habe, dann wird sie dir vielleicht weiterhelfen können.«
Als Ute zurückkam und gut gelaunt den Innenhof des Nana Plaza betrat, fand sie Dagmar umringt von Barmädchen. Alle schienen bester Dinge zu sein und sich gut und laut lachend zu unterhalten.
»Ich habe Würmer und Heuschrecken gegessen und die haben gar nicht mal übel geschmeckt!«, begrüßte Dagmar ihre Begleiterin lallend.
»Frau Schöller, Sie sind ja betrunken!«, gab Ute Empörung vor. Insgeheim amüsierte sie sich über den Anblick dieses angeheiterten Häufchens Elend.
»Ich werde Sie jetzt besser zurück zu Ihrem Hotel bringen, bevor Sie mir hier noch vom Stuhl fallen.«
Dagmar verzog das Gesicht und schob ihre Unterlippe vor.
»Nein, ich will noch nicht gehen«, maulte sie. »Das sind alles meine Freundinnen. Das sind gaaanz süße Mädchen - alle. Das isss meine Freundin Phu, die anderen Namen kann ich mir nicht merken. Phu, one more Schinga for everybody, pleeeeese!«
»Ich glaube, wir sollten jetzt wirklich besser gehen«, bemühte sich Frau Radok. »Sehen Sie mal, die Leute schauen schon ...«
»Die sind ja alle zum Schauen hierhergekommen! To look all the sexy ladies! «
Die Barmädchen juchzten bei Dagmars Worten, beantwortet von fröhlichen Rufen und Schreien aus den Nachbarbars.
»Siehst du, Frau Radok? I am also sexy lady - thirty years ago! Hahaha, wenn ich beschwipst bin, kann ich richtig gut Englisch sprechen, mir fallen immer mehr Vokabeln ein. Ist das nicht zum Piepen, Frau Radok? Wie heißt du eigentlich mit Vornamen? Ich heiße Dagmar oder ist das jetzt unhöflich so von mir? Ach egal, ich hab heute meinen Mann verloren - nee - gestern meinen Mann verloren, aber jetzt habe ich eins, zwei, drei, vier, viele Freundinnen. Getsern hatte ich überhaupt keine Freundin. Hab ich getsern gesagt? Getsern. Wie heißt das noch mal? Getstern. Geststern. Geststern?«
Indessen konnte sich Ute ein ganz offenes Lachen nicht mehr verkneifen. Sie bezahlte die Zeche aus ihrer eigenen Tasche und schob die lautstark lamentierende Urlauberin vor sich her, bis zum nächsten freien Taxi, gleich vorne an der Straße mit dem melodischen Namen Soi Nana. Einmal noch bäumte sich Dagmar vergeblich auf, nämlich als die beiden Damen an Ständen mit Bergen von herrlich duftenden Fleischspießen vorbeilaufen mussten. Der Taxi Fahrer war etwas unwirsch, als er begriff, dass die Fahrt nur wenige hundert Meter weit gehen sollte. Aber hier half ein Fünfzig Baht Schein, um schnell wieder für gute Stimmung zu sorgen. Die kalte Klimaanlagenluft in dem Taxi kühlte jedoch leider auch Dagmars Stimmung ganz rapide ab. Zunächst verstummte sie nur, kurz vor dem Ziel ereilte sie dann eine Niedergeschlagenheit, die ihr sofort die Tränen in die Augen steigen ließ. Nachdem beide das Fahrzeug verlassen hatten, fiel Dagmar Ute Radok um den Hals und fing laut an zu schluchzen.
»Wie soll ich denn heute Nacht schlafen können? Ich weiß überhaupt nicht mehr weiter! Ein Mensch kann doch nicht einfach so verschwinden, das geht doch gar nicht. Das muss doch jemand mit bekommen haben!«
Weitere fünfzehn Minuten später lag Dagmar dann endlich in ihrem Hotelzimmer im Bett. Ute Radok hatte einige Mühe, sie so weit zu bewegen, aber schließlich war es ihr, mit viel gutem Zureden, doch gelungen, die schwer angeschlagene Urlauberin zur Ruhe zu bringen. Dagmar hatte noch einmal eine Tablette genommen und Minuten später war sie in einen tiefen Schlaf gefallen.
Ute Radok machte sich alleine auf den Weg zu ihrem Hotelappartement, wo sie, bei einem einsamen Glas Rotwein, endlich Zeit finden würde, sich mit ihren eigenen Sorgen zu beschäftigen.
Ute hatte mit der Telefonnummer von Nids Freundin nichts erreichen können. Entweder war die Nummer falsch oder es ging einfach niemand an den Apparat. Die Adresse, die ihr die Barbedienung gegeben hatte, befand sich in einem entlegenen Stadtteil.
Ute rief im Hotel Tamarind an, um sich mit Dagmars Zimmer verbinden zu lassen. Die Leitung war jedoch besetzt und so legte sie wieder auf. Eine Sekunde später läutete das Telefon. Am anderen Ende der Telefonleitung war ihre Vorgesetzte Stefanie Conner, die sofort eine Schimpfkanonade begann.
»Frau Radok, wir haben ja indessen mitbekommen, dass Sie Martan Travel durch Sabotage in den Ruin treiben wollen. Ich hätte aber nicht gedacht, dass Sie dabei so unverschämt und leichtsinnig vorgehen würden.«
In Ute staute sich Adrenalin an, sie fühlte sich zu sehr überrumpelt, als dass sie eine Antwort hätte geben können. Frau Conner fuhr fort: »Sie hatten gestern Abend eine vierundzwanzigköpfige Gruppe am Suvarmabhumi Airport abholen sollen. Die armen Menschen standen dort eine geschlagene Stunde hilflos herum, und wer war nicht zur Stelle? Was glauben Sie eigentlich was wir uns noch alles von Ihnen bieten lassen werden?«
Ute fand langsam ihre Fassung wieder und stammelte mit vor Wut zugeschnürter Kehle:
»Ich hatte im Büro angerufen und Ihnen mitteilen lassen, dass ich mich um einen vermissten Gast zu kümmern hatte. Hat Ihnen denn niemand etwas gesagt? Ich hatte mit Herrn Soest gesprochen und der hat mir zugesichert ...«
»Ob und wann Sie sich um welche Gäste zu kümmern haben, das entscheide immer noch ich, Frau Radok!«, brüllte die Abteilungsleiterin ins Telefon. »Das ist hier kein kindischer Selbstbedienungsladen für alternde Reisetussies! Wir haben Verantwortung für mehrere Tausend gut zahlende Reisegäste, Monat für Monat, Woche für Woche. Wenn hier nicht bald ein wenig Disziplin einkehrt, dann werden hier Köpfe rollen, das verspreche ich Ihnen! Sie werden jetzt Ihren Hintern bewegen und in fünfzehn Minuten in meinem Büro stehen. Wenn Sie das nicht schaffen sollten, egal aus welchem Grund, dann können Sie sich heute noch Ihre Papiere abholen! Haben Sie mich verstanden?!«
Fassungslos starrte Ute auf den Telefonhörer in ihrer Hand. Der Berufsverkehr war in vollem Gange und es spielte eigentlich kaum eine Rolle, ob sie nun versuchte, die Hochbahn BTS zu nehmen, deren nächste Station schon alleine einen Fußweg von einer Viertelstunde entfernt lag, oder ob sie sich in ein Taxi schwingen sollte, das dann spätestens an der Ecke Silom Road hoffnungslos im Stau stecken würde, oder ob sie sich zu Fuß auf den mehr als vier Kilometer langen Weg machen sollte. Sie konnte die Zeitvorgabe partout nicht erfüllen. Keine Chance, es ging einfach nicht!
Ute suchte das Bad auf, frisierte ihre Haare ganz in Ruhe, zog sich mit einem Eyeliner gewissenhaft ihren Lidstrich, tat etwas Rouge auf - nicht zu viel, nur einen Hauch unterhalb ihrer Wangenknochen. Sie ging in ihre Garderobe, zupfte sich den Rock ihres graublauen Kostüms zurecht, schlüpfte in ihre flachen Schuhe, legte sich ihre Kostümjacke über den Arm, nahm ihr Handy vom Esstisch und zog nach dem Verlassen des Appartements energisch die Tür ins Schloss. Sie war die Ruhe in Person, fast schon apathisch. Keinen Gedanken an die möglichen Folgen des Telefonats mit Frau Conner. Keinen Gedanken an ihre Zukunftsperspektiven als alleinstehende Mittfünfzigerin. Schlendernd machte sie sich auf den Weg zur BTS-Station Sathorn im Stadtteil Silom. So absurd es ihr selbst in diesem Moment erschien, sie sorgte sich um Dagmar und deren verschollenen Mann. Ihre eigenen Probleme wollten einfach nicht in den Vordergrund ihres Denkens treten.
Dagmar war etwa um acht Uhr von dem Klingeln des Telefons aufgewacht. Sie hatte starke Kopfschmerzen und einen sehr trockenen Mund.
»Frau Schöller, wir warten auf Sie«, hörte sie die ihr bekannte Stimme von Frau Sandra Klöpper vorwurfsvoll aus dem Hörer tröten. »Der Bus fährt in genau einer halben Stunde ab, und wir haben Sie weder im Frühstücksrestaurant noch in der Hotellobby gesehen. Sie haben doch hoffentlich nicht verschlafen!«
Dagmar brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, was die Reiseleiterin von ihr wollte.
»Aber mein Mann ist doch immer noch nicht wieder aufgetaucht! Ich kann doch jetzt nicht einfach die Rundreise antreten, so als wäre nichts geschehen!«
Frau Klöpper blieb für einen Augenblick stumm.
»Aber wir müssen um spätestens halb neun losfahren. Ich weiß auch nicht, wie Sie das machen wollen. Ich jedenfalls kann nicht länger warten, dann müssen Sie sich mit Frau Conner auseinandersetzen. Die Nummer habe ich Ihnen gestern gegeben.«
Dagmar saß aufrecht im Bett und starrte leer vor sich hin. Dann rappelte sie sich auf und stürzte, zusammen mit einer Kopfschmerztablette, einen halben Liter Mineralwasser in sich hinein.
Nach dem Beenden ihrer Morgentoilette bereitete sie einen Nescafé, setzte sich in einen der beiden vorhandenen Sessel und wählte auf ihrem Handy die Nummer ihrer Tochter Sarah in Wolfsburg. Sie ließ das Telefon etwa fünf Minuten lang klingeln, bis der Anrufversuch durch ein Tut-Signal ergebnislos abgebrochen wurde. Nervös wiederholte sie dieses Prozedere zwei weitere Male, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass in Deutschland gerade drei Uhr in der Nacht war.
Dagmar fühlte sich matt und ausgelaugt. Sie versuchte, an ihren Mann zu denken, aber es wollte ihr nicht gelingen. Sosehr sie sich auch bemühte, brachte sie es nicht fertig, sich sein Bild vorzustellen. Immer wieder schweiften ihre Gedanken ab und machten sich an belanglosen Dingen fest. Wieso sind die Gardinen so lang, dass sie am Boden einen Knick bilden, fragte sie sich. Sie blickte nach oben und entdeckte großflächig Farbspritzer der weiß getünchten Decke an den oberen Gardinenrändern. Offensichtlich hatte man diese gestrichen, ohne vorher die Vorhänge abzunehmen. Dagmar schüttelte den Kopf. Erneut versuchte sie, ihre Tochter zu erreichen. Als dies wieder nicht klappte, wählte sie die Nummer von Frau Radok, doch deren Telefonleitung war besetzt.
Dagmar gab sich einen Ruck und machte sich auf, um frühstücken zu gehen. Sie saß alleine an einem Tisch mit vier Stühlen und stocherte lustlos in einem Quarkmüsli herum. Der Kaffee schmeckte lausig, der Orangensaft dünn. An einem benachbarten Tisch unterhielten sich vier Männer in unerträglicher Lautstärke. Als sie dann gingen, hinterließen sie mehrere randvoll mit allen möglichen Speisen gefüllte Teller und einen Haufen Müll.
Wieder zurück in ihrem Zimmer, versuchte sie erneut, ihre Tochter und Frau Radok zu erreichen, schließlich wählte sie die in den Reiseunterlagen von Martan Travel angegebene Servicenummer. Nach mehrmaligem Läuten antwortete eine Dame mit deutlichem thailändischem Akzent. Dagmar schilderte ihr Anliegen, doch die Frau am Ende der Leitung verstand sie nicht oder wollte sie nicht verstehen. Erst als Dagmar hörbar in Tränen ausgebrochen war, bemühte sie sich, ihr zu helfen.
»Misse Connor nicht da in Augeblick. Sie vermutlich in eine Besprekung.«
Und als Dagmar sie verzweifelt fragte, was sie denn jetzt so ganz alleine tun sollte, antwortete die Thailänderin fürsorglich: »Sie müsse besser gehe Polizei. Dort helfe. Un wenn Polizei dann gehe Botschafter in der South Sathorn Road Number nine.«
Sie diktierte noch die Telefonnummer der Botschaft und wies darauf hin, dass diese nur in der Zeit von acht Uhr dreißig bis elf Uhr dreißig geöffnet wäre. Das war für Dagmar natürlich nicht mehr zu schaffen, zumindest nicht an diesem Tag. Trotzdem rief sie dort an und schilderte ihr Problem. Nachdem sie mehrmals weiter geleitet worden war, sprach sie mit einem Botschaftsattaché, der sehr verständnisvoll und bemüht war. Er bat Dagmar, umgehend in die South Sathorn Road zu kommen, er würde sich heute noch um ihr Anliegen kümmern. Dagmar stieg in ein Taxi und knapp eine Stunde später saß sie in einem großen, hallenartigen Warteraum. Außer einer jungen Thailänderin, die damit beschäftigt war, die Sitzmöbel mit einem feuchten Lappen abzuwischen, war sie die einzige anwesende Person. Dagmar saß regungslos auf ihrem kunstlederbezogenen Sessel und beobachtete die Frau bei ihrer Arbeit. Diese wischte mit einer unvorstellbaren Langsamkeit Möbelstück für Möbelstück mit dem grauen, halb zerfetzten Lappen ab, ohne das Tuch ein einziges Mal in den bereitstehenden Wassereimer zu tauchen. Genauso wischte sie die Lampen, die an den Wänden angebracht waren, ab, dann das Fensterbrett, indem sie den Lappen großzügig um die darauf stehenden Blumentöpfe herumführte. Wenn sie mich jetzt auch gleich noch abfeudelt,, dann haue ich ihr eine runter, dachte Dagmar. Doch die Putzfrau übersprang sowohl Dagmar als auch den Stuhl, auf dem sie saß, mit einem zuckersüßen Lächeln, das sie der Deutschen schenkte. Als Dagmar schließlich von einem Botschaftsmitarbeiter abgeholt wurde, hatte die Thailänderin gerade damit begonnen, den gefliesten Fußboden in aller Seelenruhe, und natürlich mit dem gleichen Lappen, zu wischen.
»Goodbye Madam«, rief sie ihr mit einem Strahlen im Gesicht hinterher.
Gedankenverloren rührte Ute ihren Caffè Latte um, leckte den langen Stiellöffel ab und legte ihn neben ihr iPhone auf den Bistrotisch. Das Café und Bistro Siam Coffee World in der Silom Road war einer jener Orte, an den sie sich zurückzog, wenn sie einmal keine bekannte Menschenseele sehen wollte. Hier wurde dezente Musik gespielt, aufmerksame, aber unaufdringliche Bedienstete servierten ausgezeichnete Kaffee und Gebäckspezialitäten und ansonsten hatte man dort einfach seine Ruhe. Nachdem Ute einen Brownie verzehrt und einen weiteren Caffè Latte bestellt hatte, nahm sie ihr Mobiltelefon entschlossen in die Hand und wählte die Nummer ihres ehemaligen Kollegen Rainer Holl. Sie blickte auf ihre Armbanduhr und wartete ab, bis der sich endlich meldete.
»Ute hier. Hab ich dich gerade geweckt?«, fragte sie schuldbewusst.
»Ute! Ist schon okay. Es wird sowieso höchste Zeit für mich«, kam als Antwort. »Wo brennt es denn? Ich habe ja eine Ewigkeit nichts mehr von dir gehört.«
»Die Party letzte Woche ...«
»Oh nein! Erinnere mich nicht daran!«
Rainer gähnte laut ins Telefon hinein.
»Bin ich dir neulich etwas schuldig geblieben oder habe ich mich unflätig benommen? Ich weiß, dass ich keinen guten Eindruck gemacht habe, aber ...«
Ute unterbrach ihn: »Können wir uns treffen?«
»Treffen? Ja natürlich. Wir könnten morgen Abend zusammen mit ...«
»Jetzt!« Sie atmete tief ein. »Ich brauche deinen Rat. Ich könnte zu dir kommen, sagen wir in einer Viertelstunde.«
»Zu mir?! Ausgeschlossen! Das geht nicht, ich meine, ich habe nicht aufgeräumt. Sieht zurzeit nicht so besonders ordentlich in meiner Wohnung aus. Ich hatte Besuch und so. Wir könnten uns irgendwo treffen, sagen wir in einer Stunde.«
Ute war erleichtert. Sie bezahlte, verließ das Café und machte noch ein paar kleinere Besorgungen. Dann kehrte sie zurück in die Siam Coffee World und wartete weitere zehn Minuten, bis Rainer gehetzt das Lokal betrat.
»Hast du den Sky-Train hierher genommen?«, begrüßte sie ihren Freund.
»Bist du verrückt? Gleich nach dem Duschen in die BTS, da kommst du ja als Eisblock an deinem Ziel an. Nein, ich bin mit einem Motorrad-Taxi gekommen.«
Ute erzählte von den Ereignissen der letzten Tage. Sie schilderte den Fall des vermissten Gastes Heinz Schöller und die Eskalation im Verhältnis zu ihrer Vorgesetzten Stefanie Conner.
»Ich schmeiße meinen Job hin«, sagte sie mit bebender Stimme. »Ich trete dieser Person nur noch in Gegenwart eines Anwalts unter die Augen.«
Rainer war mehrere Jahre lang Kollege Ute Radoks. Als Stefanie Conner die Leitung von Martan Travel übernommen hatte, war er glücklicherweise schon längst dort ausgestiegen. Er hatte vor gut zwei Jahren als Gebietsleiter bei Südwind-Reisen angeheuert. Er und Ute hatten sich bereits vor Jahren angefreundet und oft in verschiedenen Reisebelangen kooperiert. Während der Asienkrise wurde ihm bei Südwind erst Personal abgezogen und schließlich ein wesentlich jüngerer Mitarbeiter zur Seite gestellt, der ihm nach seinem Job trachtete. Rainer kündigte auch dort und lebte seither als Gelegenheitsgeschäftsmann in Thailand. Er war Lebemann und Stammgast in allen möglichen Bars und Bordellen. Er war zwar ein Müßig- und Partygänger und seine Einstellung zu Frauen war mehr als grenzwertig, doch war er Ute ein guter und zuverlässiger Freund geblieben. Im Grunde genommen war er ihr einziger Freund in Asien.
»Wenn ich jetzt kündige, dann werde ich vielleicht noch ein halbes Jahr mit meinen Ersparnissen auskommen können«, fuhr Ute fort. »Ich brauche also dringend einen Job. Hast du nicht eine Idee für mich?«
Rainer runzelte die Stirn und überlegte.
»Du solltest nicht selbst kündigen, sondern dich von der Conner rausschmeißen lassen. Das ist arbeitsrechtlich günstiger für dich. Außerdem solltest du dir so bald wie möglich einen Anwalt nehmen. Dabei könnte ich dir auf jeden Fall helfen. Du musst versuchen, eine fette Abfindung zu bekommen, damit du deine finanziellen Reserven strecken kannst. Mit dem Job wird das gar nicht so einfach werden. Das kann dauern, ich werde aber auf jeden Fall meine Fühler ausstrecken.«
Rainer bestellte sich einen weiteren Bagel und einen Becher Kaffee.
»Du hast es gut, du bist schon über fünfzig. Ich bin erst siebenundvierzig und ich muss mich noch drei Jahre lang durchtricksen, bis ich ein Dauervisum bekommen kann. Aber irgendetwas geht immer. Lass den Kopf nicht hängen, wir schaukeln das schon!«
Dagmar fühlte sich nach dem einstündigen Gespräch mit dem Botschaftsattaché getröstet, aber nicht beruhigt. Man hatte ihr versprochen, sich um alle notwendigen administrativen Belange zu kümmern. Die Botschaft würde sich mit der Polizei in Verbindung setzen. Zunächst sollte Dagmar in Bangkok zur Verfügung bleiben. Sie wurde gebeten, ihr Mobiltelefon empfangsbereit zu halten, ansonsten aber versuchen, in der Großstadt ein wenig Zerstreuung und Entspannung zu finden. Auch eine Mappe mit Prospekten und einen Stadtplan hatte man ihr mitgegeben. Von einem Verbrechen oder einer Gewalttat wollten weder der Attaché noch der anwesende Mitarbeiter sprechen.
»Vertrauen Sie auf unsere Erfahrung«, hatte er zu trösten versucht. »In mehr als neunzig Prozent aller Fälle gibt es eine harmlose Erklärung für das Verschwinden von Personen.«
»Harmlos aus Sicht der Behörden oder aus Sicht der Betroffenen?«, hatte sie bitter gefragt.
Der Mann hatte ihr aufmunternd auf die Schulter geklopft.
»Lassen Sie den Kopf nicht hängen, es wird sich schon alles fügen.«
Nun schlenderte sie die Sathorn Tai Road entlang in Richtung BTS-Sky-Train-Station und dachte darüber nach, was sie jetzt mit ihrer ewig lang erscheinenden Zeit anfangen sollte. Es war brütend heiß, der Verkehr war schnell, heftig und laut. Auf dem breiten Gehweg waren kaum Menschen unterwegs. Die Stadt war gigantisch groß und sie fühlte sich darin wie ein Staubkorn im Universum. Dagmar hatte nach so kurzer Zeit in Bangkok noch kein Gefühl für diese Riesenmetropole entwickeln können. Sie war immer noch nicht dort angekommen, ihr fehlte jeglicher Ansatzpunkt, um sich zu orientieren. Ach, wenn sie doch Ute Radok erreichen würde. Die könnte ihr wenigstens sagen, was sie hier in Bangkok machen sollte.
Dagmar blieb am Rand des Gehwegs stehen und suchte ihr Mobiltelefon in ihrer Handtasche.
»Ich versuch 's noch mal ...«, sagte sie zu sich selbst. In diesem Moment hörte sie ein Krachen und Scheppern hinter sich. Als sie sich erschrocken umdrehte, sah sie ein Motorrad auf dem Gehsteig liegen und einen weißen Toyota Kleinbus schräg auf der Kreuzung stehen. Für einen Moment verharrte alles in dieser Situation, dann fuhr der Wagen mit hoher Geschwindigkeit davon. Ein paar Passanten liefen zusammen und scharrten sich um den am Boden liegenden Motorradfahrer. Viele Menschen gafften neugierig, aber niemand bemühte sich um den Verletzten. Nachdem Dagmar sich von dem Schreck erholt und die Situation einigermaßen erfasst hatte, eilte sie dem Mann zur Hilfe. Sie sprach ihn auf Englisch an und drehte ihn instinktiv in eine stabile Lage. Der Motorradfahrer stöhnte leise. Blut sickerte in sein linkes Hosenbein; eine schmale Blutspur rann ihm am unteren Helmrand heraus. Hilfe suchend sah sich Dagmar um, aber die Umstehenden schauten ihr nur neugierig bei ihrem Tun zu. An der Kreuzung lief der Verkehr in rasender Geschwindigkeit weiter, so als wäre nichts geschehen.
»Anybody please call for an ambulance and for the police«, rief sie in die Menge. Niemand reagierte. »Police, please!«, wiederholte sie. Schließlich nahm sie ihr Handy aus der Tasche und wählte die internationale Notrufnummer 112. Sie hörte eine automatische Ansage in thailändischer Sprache. Dagmar wandte sich flehend dem am nächsten stehenden Mann zu, zog ihn am Hosenbein und schrie ihn an: »Please call a doctor!«
Der Mann sah sie an, als ob er aus einer Trance erwachte. Er griff nach seinem Handy und wählte eine Nummer. Dann sprach er mit jemandem - schnell, hektisch, mit bebender Stimme. Nach endlos erscheinenden Minuten kam ein Pick-up mit hoher Geschwindigkeit und schrill jaulender Sirene angebraust. Auf der Ladefläche befand sich ein seitlich mit mattierten Glasscheiben versehener Aufbau. Zwei Männer und eine Frau in leichter Freizeitkleidung, aber mit gelben Signalwesten bekleidet, sprangen aus dem Fahrzeug und bemühten sich um den Motorradfahrer. Einer der Helfer war ein Europäer. Er sprach Dagmar auf Englisch an; sie erkannte an seinem Akzent, dass er Deutscher war. Er fragte sie, ob sie den Unfall beobachtet hatte, doch sie verneinte. Die beiden Thailänder hievten den verletzten Mann in die hintere Kabine des Pick-ups. Bevor der Deutsche ebenfalls in das Fahrzeug sprang und sich mit einem Stethoskop an dem Verletzten zu schaffen machte, überreichte er Dagmar seine Visitenkarte und bat sie, ihn später anzurufen. Dann raste der Pick-up davon und der Menschenauflauf löste sich rasch auf.
Dagmar stand noch eine Weile da, die Visitenkarte des Deutschen in der Hand, und beobachtete beiläufig, wie das zerbeulte Motorrad auf einen Polizeiabschleppwagen gehievt wurde. Als sie Ute endlich am Telefon hatte, versagte ihr für einen Moment die Stimme. Unter Tränen krächzte sie ein paar Laute in ihr Handy.
Ute wusste sofort, wer sie angerufen hatte.
»Dagmar? Was ist mit dir? Wo steckst du? Ich habe mehrmals versucht, dich zu erreichen!«
Dagmar bemühte sich, ihre Fassung wiederzuerlangen. Sie schilderte ihren Tagesablauf in Kurzform und bat Ute, sich mit ihr zu treffen. Schon ein paar Minuten später saßen die beiden Damen zusammen in einem Taxi und fuhren zum Flussufer des Menam Chao-Phraya. Auf der Terrasse des Royal Orchid Sheraton bestellte Ute zwei Wassermelonen-Shakes und ein paar Snacks. Sie war hier durch ihre Firma bekannt und bekam großzügige Rabatte.
»Was wird mit dem armen Motorradfahrer geschehen?«, fragte Dagmar nachdenklich. »Wenn du gesehen hättest, wie die Leute da untätig herumgestanden sind. Genauso könnte es Heinz ergangen sein. Vielleicht liegt er irgendwo hilflos und niemand kümmert sich um ihn!«
»Da müsste er schon sehr tief in einen Klong gefallen sein!«, hielt Ute dagegen.
Dagmar sah Ute fragend an.
»Klongs sind unsere Grachten. So nennt man die Kanäle hier in Bangkok.«
Dagmar schüttelte stumm den Kopf. Es konnte doch nicht sein, dass sich der Mann, der den größten Teil ihres Lebens maßgeblich mitbestimmt hatte, in Luft aufgelöst hatte. Dass er so ganz ohne Vorwarnung von einer Minute auf die andere verschwunden war. Sie wischte sich eine Träne von der Wange.
»Wir müssen ihn suchen«, schluchzte sie. »Die Polizei tut doch gar nichts! Die interessieren sich überhaupt nicht für meinen Mann!«
Ute sah sie lange an. Sie kannte diese Stadt und dieses Land seit vielen Jahren. Sie war vertraut mit der Mentalität und der Denkweise der Menschen hier und sie wusste, dass die Realität in diesem tropischen Land eine andere war, als sich die Europäer im Entferntesten vorstellen konnten.
»Hier leben fünfzehn Millionen Menschen hinter heruntergelassenen Rollläden ihrer Shophouses, in luxuriösen Penthäusern, auf den Rücksitzen ihrer Tuk-Tuks, in Hütten und Häusern«, sagte sie ruhig, aber eindringlich. »Wo willst du da anfangen zu suchen? Die Thailänder haben eine ganz andere Wahrnehmung als wir Europäer. Die sind als Zeugen so gut wie gar nicht zu gebrauchen. Was denkst du, warum die eine so dermaßen miese Aufklärungsquote bei ihren Verbrechen haben? Aus deren Sicht sind Schicksalszusammenhänge logischer als forensische Fakten. Die Polizei ermittelt nicht, um ein Verbrechen aufzuklären, sondern weil sie das Ermitteln an sich so spannend und aufregend findet. Was sollen da zwei problembehaftete Langnasen in reiferem Alter schon groß ausrichten können? Ich fürchte, dass du damit beginnen solltest, dich damit abzufinden, so schwer es dir auch fällt!«
Ute sah nachdenklich auf den breiten Fluss hinaus, auf dem schwer beladene Schuten an langen Seilen von kleinen, bunt bemalten Schleppern gezogen wurden. Expressfähren und zahnstocherdünne Boote mit ausladenden Schrauben-Quirlen an lärmenden Motoren brachten das dunkelbraune Flusswasser zum Kochen.
»Was für ein Mensch ist dein Mann?«, fragte sie nachdenklich. »Meinst du, er würde alleine in einem fremden Land zurechtkom men?«
Dagmar, die gerade in ein Papiertaschentuch geschnäuzt hatte, sah sie verwundert an.
»Na, ein ganz normaler Mensch. Er war Unternehmer, wir hatten einen mittelständischen Betrieb mit hundertzwanzig Beschäftigten - na ja, als es alles noch lief.«
Sie machte eine Pause, als ob sie sich selbst über ihre Gedanken und Gefühle klar werden müsste.
»Wir hatten uns auseinandergelebt. In letzter Zeit ging es wieder etwas besser, aber das lag auch mit daran, dass jeder mehr oder weniger seine eigenen Wege ging und er fast nie zu Hause war. Diese Reise sollte uns irgendwie auf den bevorstehenden Ruhestand einstimmen. Wir sind ja aufeinander angewiesen, jetzt, wo unsere Tochter endgültig aus dem Haus ist.«
Ute hatte während ihrer langjährigen Laufbahn in der Reisebranche schon so manche Überraschung mit scheinbar ganz normalen Menschen erlebt. Je unauffälliger ihre Reisenden wirkten, desto tiefer waren die Abgründe, die sich bei ihnen manchmal auftaten.
»Sei mir nicht böse, aber ich habe so eine Ahnung, dass dich dein Heinz irgendwie hinters Licht führt!«, sagte sie wie zu sich selbst. Dagmar blickte sie mit weit aufgerissenen Augen an.
»Ich weiß nicht, wieso mir ein Gefühl sagt, dass mit deinem Heinz irgendetwas nicht stimmt!«
»Na hör mal, du kennst ihn doch gar nicht!«, protestierte Dagmar.
Ute wechselte das Thema und machte ein paar Vorschläge, wie Dagmar die nächsten Tage in Bangkok verbringen könnte. Auf einen Block schrieb sie genau auf, wie und wann Dagmar zu den verschiedenen Besichtigungspunkten gelangen würde. Den Königspalast mit dem prunkvollen Wat Phrakaeo, den Wat Po mit dem bedeutenden liegenden Buddha, Wat Arun auf der anderen Flussseite und Wat Saket auf dem Golden Mountain mit seiner beeindruckenden Aussicht über die Altstadt. Sie schlug vor, dass sie sich einmal zu Fuß durch Chinatown schlagen und mit dem Expressboot zum Stadtteil Dusit fahren sollte. Dort stand das Vimanmek Mansion, der hölzerne Palast des verehrten früheren Königs Chulalongkorn.
»Hörst du mir überhaupt zu?«
Ute hatte Dagmars glasigen Blick bemerkt. Eine Träne lief über ihre Wange - sie suchte ein Papiertaschentuch in ihrer Handtasche. Ute nahm Dagmars Hand und tröstete sie: »Ich kann mir gut vorstellen, wie es dir im Augenblick geht. Du musst dich aber beschäftigen und etwas ablenken, sonst drehst du noch durch. Im Moment können wir doch nur warten.«
Dagmar nickte stumm und schnäuzte sich.
»Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich dich hier alleine lasse. Zwar habe ich auch meine Probleme, wir werden das Kind schon irgendwie schaukeln. Außerdem bin ich jederzeit über Handy zu erreichen.«
»Ich habe übermorgen Geburtstag«, flüsterte Dagmar. »Den wollten wir in Nordthailand feiern.«
Die nächsten Tage brachte Dagmar damit zu, den Besichtigungsplan abzuarbeiten. Sie litt unter der Hitze und der schlechten Großstadtluft. Die Menschenmassen machten ihr zu schaffen und oft stand sie ratlos an irgendeiner Ecke und fand keine Orientierung. Hin und wieder wurde sie von Thailändern angesprochen, die ihr weiterhalfen, ihr gut gemeinte Tipps gaben und ihr eine schöne Zeit in Bangkok wünschten. Niemals fühlte sie sich dabei bedrängt oder genötigt und so erlangte sie langsam Selbstvertrauen und ein gewisses Gefühl von Sicherheit. Allmählich gelang es ihr sogar, die Schönheit der Dinge einfach zu genießen und sich ein wenig treiben zu lassen. An Hunderten von geparkten Reisebussen vorbei, gelangte sie vom Sanam Luang Platz zum Grand Palace. Im goldbunt glitzernden Wat Phra Kaeo war es ihr viel zu voll und zu hektisch, so brach sie ihre Besichtigung dort ab und suchte auf der Karte das nächste Ziel, den Wat Po. Ute hatte ihr aufgeschrieben, dass sie bei ausreichender Kondition ruhig das Stück zwischen den bei den Sehenswürdigkeiten zu Fuß gehen sollte. Vorbei an einem Amulett-Flohmarkt, ging sie parallel zum großen Fluss im spärlichen Schatten der jungen Alleebäume. Der Schweiß lief ihr den Nacken herunter und die Sonne blendete. Im Tempel bewunderte sie den riesigen liegenden Buddha, der reich mit filigranen Ornamenten verziert war. Auch hier drängten sich viele Menschen, im Vergleich zum Smaragd-Buddha-Tempel Phra Kaeo ging es hier jedoch ruhig und besinnlich zu. Die so ganz andere Geräuschkulisse fiel ihr auf. Hier kann man die Leute lächeln hören, dachte sie fasziniert. Auf dem Rückweg von der Toilette, die unerwartet sauber und modern war, wurde sie von einer jungen Thailänderin abgefangen.
»Madame, do you want Thai-Massage?«, fragte sie lächelnd. Dann stellte sie die verschiedenen Angebote anhand einer Schautafel vor. Sie bedrängte Dagmar auf eine so freundliche und charmante Art, dass sie sich schließlich breitschlagen ließ. Sie wählte eine einstündige Ölmassage. Nur mit einem Handtuch bedeckt, lag sie auf einer Liege und genoss die sanfte Quälerei. Auf dem Weg ins Reich der Träume hörte sie die kräftige Masseuse schimpfen, dass sie zu sehr verspannt wäre. Als sie schließlich behutsam von der Frau wieder geweckt wurde, konnte sie kaum glauben, dass bereits etwas mehr als eine Stunde verstrichen war. Ach, war das herrlich, dachte Dagmar und bedankte sich bei der Masseuse. Sie streckte ihre Glieder und kleidete sich an.