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Sie ist verdammt schnell, unverschämt sexy und immer tödlich. Die tschuktschische Profikillerin Tin-Tun kennt keine Gnade. Und sie gibt sich richtig Mühe in der globalen Personendezimierungsbranche. Denn ein Kill muss Klasse haben. Unter Anleitung ihres Geschäfts- und Gefechtspartners Doktor Adrian Phoenix reist Tin-Tun nach Malibu Beach, Grönland, Korsika oder an den Niederrhein. Ob sie ein berüchtigtes IT-Girl oder eine eiskalte Drogenqueen ausschaltet - Tin-Tun führt ihre Aufträge stets phantasievoll und mit vollem Körpereinsatz aus. Fünf Killergeschichten mit einem echten Killer-Babe. Totlachen garantiert!
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Seitenzahl: 80
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Tödliche Tin-Tun
Killergeschichten
Impressum:
Cover: Karsten Sturm-Chichili Agency
Foto: fotolia
© 110th / Chichili Agency 2014
EPUB ISBN 978-3-95865-105-0
MOBI ISBN 978-3-95865-106-7
Urheberrechtshinweis:
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Ist das ein Delphin, ein Hai oder ein Blue Marlin? Schwimmt ungewöhnlich schnell. Und stur geradeaus, wie an einer Schnur gezogen. Warum bewegt er sich direkt auf mich zu?
Das waren Mikeys letzte Gedanken, bevor der Torpedo in dem Landungssteg einschlug und alles hochging. Diese ewige Fragerei!
Ein Feuerball von der Größe eines Einkaufszentrums erleuchtete den Privatstrand der Coconut Bay. Die Explosion legte auch das Bootshaus in Trümmer und schleuderte den Golfcart, mit dem Mikey immer zu seinem Badeplatz zockelte, in einen Palmenhain am anderen Ende der Insel. Von den giftgrünen Bermudas, in denen Mikeys Stachelbeine an diesem Morgen steckten, blieb nicht mal der Innenslip übrig.
„Gestochen scharf.“ Tin-Tun legte die Spezialkamera weg, mit der sie alles festgehalten hatte. Sie löste ihren Bikini von der Antenne und schob den Gashebel nach vorn.
„Ich mag diesen Job.“ Die Turbinen brüllten auf, und das Thunderboat schoss über die Wellenkämme davon, hinaus aufs offene leuchtende Meer. Dank neuester Tarnkappentechnik war es für jedes Radar unsichtbar.
Vanuatu, ein Inselstaat im Südpazifik. Die französische Marine veranstaltete in diesen Gewässern gerade ein Zielschießen. Dabei gingen immer mal wieder Torpedos verloren. Die Frogs würden die Detonation einem Irrläufer zuschreiben und den Vorfall vertuschen. Berühmter Regisseur verschwindet auf mysteriöse Weise beim Schnorcheln, würde es heißen. Und Mikey würde die Nichte eines Mafiabosses nicht mehr über seine Besetzungscouch prügeln und mit ihr eklige Dinge anstellen, um ihr die Rolle dann doch nicht zu geben. Nein, das würde er nicht mehr tun. Ein Torpedo war nicht besonders elegant, Tin-Tun hatte diesen Auftrag schnell erledigen müssen. Nachts per Schleichfahrt in die Bucht. Auf Mikey warten, der hier jeden Morgen schwimmen ging. Dann Sonnenbaden auf dem Deck, den Bikini abstreifen und an die Antenne knoten. Sich ein wenig räkeln, bis Mikey mit Stielaugen über den Landungssteg stolperte. Und dann: Rohr frei. Schöne, tödliche Tin-Tun.
Die Arbeit war getan. Jetzt zum Vergnügen, dem Killerspiel. Dieser abgefahrene Wettbewerb eines wahnsinnigen, schwerreichen Wracks, Roderick van Larven. Sie konnte es kaum erwarten.
„Zieh dir was an“, sagte Doktor Phi, die vertraute Stimme in ihrem Headset. „Sonst erkältest du dich.“
Doktor Adrian Phoenix: Späher, Mentor, Geschäfts- und Gefechtspartner, Freund. Tin-Tuns virtueller Schatten, wenn man so wollte. Von einem mobilen Kontrollzentrum aus überwachte er jeden ihrer Schritte. Kameras waren seine Augen, Sensoren seine Hände. Wenn nötig, hackte er sich in Militärdrohnen, knackte Datenbanken, zapfte Geheimdienste und Terrororganisationen an.
„Einsam, Doc?“
„Ich bin nicht aus Stein. Nimm bitte Rücksicht auf meine Gefühle.“
Tin-Tun schlüpfte in lachsfarbene Hotpants und zog ein weißes Stricktop über. „Besser?“ Sie winkte in das Objektiv über dem Armaturenbrett.
„Geht so.“
Seit Phoenix den Außendienst an den Nagel gehängt und Tin-Tun in die globale Personendezimierungsbranche eingewiesen hatte, führten sie eine Fernbeziehung. Sie durften nie zusammen gesehen werden, sich nie treffen. So lautete die Regel. Umgeben von Monitoren saß Doktor Phi in einem schäbigen Lieferwagen, der in einer Seitenstraße von Brisbane, Australien, abgestellt war. Die Cola war alle, der Pizzakarton leer, er musste dringend duschen – während seine beste Schülerin über die Wogen der Korallensee donnerte. Gischtspritzer bildeten einen glänzenden Film auf ihrer bambushellen Haut. Das Stricktopp brachte die Rundungen ihres gestählten Körpers voll zur Geltung. Ihr langes pechschwarzes Haar flatterte im Wind wie ein Banner des Todes. Schöne, unerreichbare Tin-Tun.
Doktor Phi wurde ihres Anblicks nie müde. Aus väterlichem Stolz, versteht sich. Inzwischen hatte sie sich zur besten Nachwuchskillerin beider Hemisphären gemausert, Spezialität: Prominentenmorde. Wenn eine Hollywood-Schauspielerin an einer Überdosis Pillen einging. Wenn ein Rocksänger sich selbst strangulierte. Wenn Privatjets abstürzten, Heliumballons verschwanden, Luxuskarossen in Unterführungen zerschellten – könnte sein, dass Tin-Tun dahintersteckte. Oder glauben Sie, was in den Zeitungen steht?
Geboren auf der Tschuktschenhalbinsel im äußersten Nordosten Sibiriens entstammte sie einem untergehenden Volk. Die Tschuktschen sahen äußerlich den Inuit ähnlich. Umsiedlung, Krankheiten, Alkoholismus, all die Segnungen der Zivilisation hatten die alten Jäger und Fischer fast ausgelöscht – ganz zu schweigen von leckenden sowjetischen Atom-U-Booten. Auch Tin-Tuns Eltern war es schlimm ergangen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Doktor Phi hatte das Kind am Ufer des Polarmeeres gefunden, mitten in einem Schneesturm, allein, verlassen, hungrig. Aber nicht hilflos. Mit einem Pekal, dem rasiermesserscharfen Frauenmesser der Tschuktschen, konnte sie schon als Sechsjährige umgehen. Kaum zu glauben, welche Talente in dem kleinen Ding schlummerten. Das Training war hart gewesen, ihr Lehrmeister unerbittlich. Es hatte sich ausgezahlt.
Tin-Tun schaltete auf Autopilot. „Also dann, Doc, das Killerspiel. Wie gehen wir’s an?“
„Möchtest du wirklich bei diesem Blödsinn mitmachen?“
„Klar. Sich mit den Besten messen. Das ist die Gelegenheit, um mir Respekt bei den Kollegen zu verschaffen.“
„Du willst es für dein Ego tun“, sagte Phoenix. „Was hab ich dir beigebracht?“
„Keine Vorträge bitte.“
„Van Larven ist verrückt. Ein Sadist. Unberechenbar.“
„Wer unserer Auftraggeber ist das nicht?“, fragte Tin-Tun.
„Na ja ...“
„Das Preisgeld ist nicht zu verachten.“
„Hat uns Geld je etwas bedeutet?“
„Klar. Und ich kann selbst entscheiden.“
„Wie?“
„Zum ersten Mal darf ich das Opfer aussuchen. Das reizt mich.“
„Schicksal zu spielen?“
„Wenn wir es nicht tun, machen es irgendwann andere. Und sie machen es schlechter.“
Doktor modulierte mit ein paar Handgriffen den Sender, der alle paar Sekunden die abhörsicheren Kanäle wechselte. Man konnte nie vorsichtig genug sein. „Du hast dir wohl schon jemanden ausgesucht“, sagte er schließlich.
„Copenhagen.“
„Was willst du denn da? Die kleine Meerjungfrau einschmelzen?“
„Nicht die Stadt. Die Person. Copenhagen Byatt. Copy.“
„Die Milliardenerbin?“
„Genau. Das It-Girl. Die selbstverliebte Skandalnudel. Die arroganteste Schnepfe auf dem Planeten. Die schlechteste Sängerin unter der Sonne. Dieser verdammte Pop-Zombie.“
„Was hat sie dir denn getan?“, fragte Doktor Phi. Er konnte die verwöhnte Copy zwar auch nicht leiden. Und für das Byatt-Imperium, ein Stahl- und Drogenkartell, empfand er noch weniger Sympathien. Aber das war noch lange kein Grund.
„Sie hat’s verdient.“
„Machst du es dir nicht zu einfach?“
„Bevor wir Mikey abserviert haben, war ich in Sydney. Was ich dort auf den Straßen sah, Doc, ich kann’s kaum beschreiben.“ Tin-Tun verzog angewidert das Gesicht. Sie klang betroffen. „All die Mädchen und jungen Frauen, die liefen rum wie Klone von Copy. Das gleiche Outfit, die gleiche Frisur und Haarfarbe, dünn wie ein Kleiderständer. Sie sagten dauernd: ‚That’s stupid’, du weißt schon, Copys Lieblingsspruch, den sie markenrechtlich schützen ließ.“
„Das ist nur ein Modetrend“, wandte Doktor Phi ein. „Das geht vorbei.“
„Eben nicht. Ich saß in einem Café und hab zugehört, was die so reden. Die Mädchen lassen ihre Freunde Sexvideos von ihnen drehen, weil sie das hot finden. Die setzen sich betrunken hinters Steuer und hoffen, eingebuchtet zu werden. Und das Schlimmste: Sie schaffen sich alle Hündchen an, Würste auf Beinen, zottelige Ratten zum Rumtragen.“
„Ich hatte mal eine Dogge. Ist depressiv geworden.“
„Die Kids sind gehirngewaschen, es ist wie ein Virus, der auf jeden übergreift. Bald werden wir alle Schreikrämpfe kriegen, wenn wir den Lichtschalter nicht auf Anhieb finden. Die Zukunft der Menschheit sieht düster aus. Ich sehe mich schon selber ohne Slip aus dem Taxi steigen.“
„Du hast Recht.“ Doktor Phi schreckte hoch. „So weit dürfen wir es nicht kommen lassen.“
„Sag ich doch.“
Er begann, sich mit dem Gedanken anzufreunden. „Vielleicht sollten wir den Leuten mal was Gutes tun.“
„Endlich verstehen wir uns.“
Während Tin-Tun das Thunderboat in Operationsbasis 5 unter den Klippen Nordaustraliens vertäute, saß Doktor Phi bereits in einer Qantas-Maschine nach Los Angeles. Er arbeitete gern in den USA. Die meisten Aufträge, mit denen ihr kleines florierendes Unternehmen betraut wurde, führten das Duo ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Land der unbegrenzten Überwachung müsste es eigentlich heißen. Wer es richtig anstellte, hatte Zugriff auf ein flächendeckendes Netz von Informationsquellen. Es war nur eine Frage der Auswahl, wie beim Internet. Was war mehr wert: Die Infrarotbilder eines Spionagesatelliten oder die Echtzeit-Videoaufnahme vom Handy einer neunjährigen Göre?
Mehr Input bedeutete größeres Equipment. Doktor Phis Kommandostation befand sich in einem riesigen Truck. Auf den Wänden war „Cap’n Crunch“ abgebildet, die Werbefigur eines Frühstücksmüslis. Der Schriftzug „Crunchatize Me, Cap’n!“ lief in drei Meter hohen Lettern über beide Seiten. Je auffälliger eine Tarnung in den Staaten war, desto besser. Bei einem unscheinbaren grauen Van schöpften die Leute sofort Verdacht.
Copys derzeitigen Aufenthaltsort zu lokalisieren war einfach. Die Boulevardmedien legten eine breite Spur nach Hollywood. Das Starlet spielte mal wieder in einem unsäglichen B-Movie mit. Da lag es nahe, dass sie abends in irgendeinem Nachtclub auftauchte. Ging Sie ins Les Trois, ins Seek oder ins Mice? Manchmal entschied sich Copy spontan. Die Paparazzi würden es schneller herausfinden als FBI und CIA zusammen.
Doktor Phi klinkte sich in den Blackberry von Copys persönlichem Assistenten ein. Er rief den Terminplan für die kommende Woche ab. Copy hatte einen Auftritt in Las Vegas und eine Werbepräsentation in New York. Außerdem wollte sie in einem Studio in Miami ein paar neue Songs aufnehmen. Es würde nicht einfach sein, ihr mit all der Ausrüstung auf den Fersen zu bleiben. Phoenix vertiefte seine Recherchen, beschaffte sich Luftaufnahmen und Gebäudepläne, spielte verschiedene Szenarien durch.
Tin-Tun bereitete sich in ihrem Hotelzimmer auf den Einsatz vor. Die Daten des Doktors erschienen auf ihrem Notebook.
Okay. Copy war selten allein. Wahrscheinlich hielt sie es in ihrer eigenen Gesellschaft nicht aus. Bestimmt gab es beim Killerspiel Punktabzug, wenn außer der Zielperson noch unschuldige Dritte dran glauben mussten. Tin-Tun musste chirurgisch vorgehen, schweres Gerät war in diesem Fall tabu. Also keine Lenkwaffen, Haftminen, Streubomben.