Tom Jones - 2. Band - Henry Fielding - E-Book

Tom Jones - 2. Band E-Book

Henry Fielding

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Beschreibung

Tom erlebt während seiner Reise zahlreiche Abenteuer. Er schließt sich kurzzeitig Rotröcken an und gibt seinen Plan auf, zur See zu gehen. Er begegnet Partridge, den man vor Jahren verdächtigt hat, sein Erzeuger zu sein. Partridges Dummheit verhindert, dass sich Sophia und Tom in Upton begegnen, so dass Sophia zu der Überzeugung kommt, dass Tom sie nicht mehr liebt und weiter nach London flieht. Tom folgt ihr nach London, wo er von der wohlhabenden Lady Bellaston verführt wird. Partridge offenbart, dass es sich bei Mrs. Water um niemand anderen als Jenny Jones gehandelt habe, die angeblich Tom Jones' Mutter ist. Für eine kurze Zeit glaubt Tom, Inzest begangen zu haben. Jenny Jones offenbart ihm jedoch, dass seine Mutter tatsächlich Bridget Allworthy war. Bridget Allworthy hat dies ihrem Bruder mittlerweile auf ihrem Totenbett gestanden. Tom aber wird verhaftet, weil es scheint, dass er in einem Kampf seinen Gegner getötet hat. Sophia wiederum kann ihm seine Affäre mit Lady Bellaston nicht vergeben und es scheint, als könnte nichts mehr Toms Schicksal verschlimmern. Eine unvorhergesehene Wendung offenbart jedoch William Blifils tückische Intrigen, mit denen er Tom seit frühester Kindheit quälte. Tom erlangt wieder die Zuneigung seines reumütigen Onkels. Wenig später trifft Tom auf Sophia, die ihn immer noch liebt, und schließlich erringt er auch die Zustimmung ihres Vaters zu der Beziehung.

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Seitenzahl: 726

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Table of Contents
Impressum
Vierter Teil
Elftes Buch. Umfaßt einen Zeitraum von drei Tagen.
Erstes Kapitel. Ein Brocken für die Kritiker.
Zweites Kapitel.Was sich mit Sophie nach ihrer Abreise von Upton zutrug.
Drittes Kapitel. Ein kurzes Kapitel, in welchem nichts destoweniger eine Sonne, ein Mond, ein Stern und ein Engel erscheinen.
Viertes Kapitel. Die Geschichte der Madame Fitzpatrick.
Fünftes Kapitel. In welchem Madame Fitzpatrick ihre Erzählung fortsetzt.
Sechstes Kapitel. In welchem Sophie durch den Irrthum des Wirths in außerordentliche Bestürzung versetzt wird.
Siebentes Kapitel. In welchem Madame Fitzpatrick ihre Erzählung beendet.
Achtes Kapitel. Ein furchtbarer Aufruhr im Gasthofe und die Ankunft eines unerwarteten Freundes der Madame Fitzpatrick.
Neuntes Kapitel. Der Morgen. Ein Postwagen. Die Höflichkeit der Kammerjungfern. Sophiens hoher Gleichmuth. Ihre Freigebigkeit. Die Abreise der Gesellschaft und ihre Ankunft in London; nebst einigen nützlichen Bemerkungen für Reisende.
Zehntes Kapitel. Enthält einen oder einige Winke in Bezug auf Tugend, und einige mehr in Bezug auf Verdacht.
Zwölftes Buch. Umfaßt einen gleichen Zeitraum wie das vorige.
Erstes Kapitel. Zeigt, was bei einem modernen Schriftsteller als Plagiat, und was als eine erlaubte Aneignung zu betrachten ist.
Zweites Kapitel. Worin der Squire, wenn auch nicht seine Tochter, doch etwas findet, das seiner Verfolgung ein Ende macht.
Drittes Kapitel. Jones' Abreise von Upton, und was zwischen ihm und Partridge unterwegs vorfiel.
Viertes Kapitel. Das Abenteuer mit einem Bettler.
Fünftes Kapitel. Jones' und seines Gefährten weitere Reiseabenteuer.
Sechstes Kapitel. Aus dem sich ergiebt, daß auch das Beste mißverstanden und gemißdeutet werden kann.
Siebentes Kapitel. Enthält außer einigen Bemerkungen von uns deren mehrere von der guten Gesellschaft in der Küche.
Achtes Kapitel. In welchem Fortuna etwas günstiger gegen Jones gestimmt gewesen zu sein scheint, als wir bisher gesehen haben.
Neuntes Kapitel. Enthält wenig mehr als einige wunderliche Bemerkungen.
Zehntes Kapitel. Herr Jones und Herr Dowling trinken eine Flasche zusammen.
Elftes Kapitel. Die unangenehmen Vorfälle, welche sich auf der Reise nach Coventry ereigneten, und Partridge's weise Bemerkungen.
Zwölftes Kapitel. Berichtet, daß Jones trotz Partridge's Anrathen seine Reise fortsetzte, und was sich weiter ereignete.
Dreizehntes Kapitel. Ein Zwiegespräch zwischen Jones und Partridge.
Vierzehntes Kapitel. Was sich mit Herrn Jones auf seiner Reise nach St. Albans zutrug.
Dreizehntes Buch. Umfaßt einen Zeitraum von zwölf Tagen.
Erstes Kapitel. Eine Anrufung.
Zweites Kapitel. Was Herrn Jones bei seiner Ankunft in London begegnete.
Drittes Kapitel. Ein Plan der Madame Fitzpatrick und ihr Besuch bei Lady Bellaston.
Viertes Kapitel. Der Besuch.
Fünftes Kapitel. Jones' Abenteuer in seiner Wohnung, nebst einigen Bemerkungen über einen jungen Herrn, der mit ihm in demselben Hause wohnte, und über die Wirthin mit ihren beiden Töchtern.
Sechstes Kapitel. Enthält einen Vorfall, der sich ereignete, während die Gesellschaft beim Frühstück saß, und einige Winke über die Erziehung von Töchtern.
Siebentes Kapitel. Die Kurzweil eines Maskenballs.
Achtes Kapitel. Handelt von einer Scene häuslicher Noth, die den meisten unsrer Leser außerordentlich vorkommen wird.
Neuntes Kapitel. Handelt von ganz andern Dingen als das vorhergehende.
Zehntes Kapitel. Ein Kapitel, das trotz seiner Kürze manchem Auge Thränen entlocken dürfte.
Elftes Kapitel. Wird den Leser mit etwas überraschen.
Zwölftes Kapitel. Mit welchem das dreizehnte Buch schließt.
Fünfter Teil
Vierzehntes Buch. Enthält zwei Tage.
Erstes Kapitel. Es wird zu beweisen versucht, daß der Schriftsteller besser schreibt, wenn er etwas von der Sache versteht, über die er schreibt.
Zweites Kapitel. Enthält Briefe und andere Dinge, die zu einer Liebschaft gehören.
Drittes Kapitel. Enthält Mancherlei.
Viertes Kapitel. Wird hoffentlich von jungen Leuten beiderlei Geschlechter sehr aufmerksam gelesen werden.
Fünftes Kapitel. Eine kurze Lebensgeschichte der Mad. Miller.
Sechstes Kapitel. Enthält eine Scene, welche ohne Zweifel alle unsere Leser rühren wird.
Siebentes Kapitel. Die Unterredung zwischen Herrn Jones und Herrn Nightingale.
Achtes Kapitel. Was zwischen Jones und dem alten Herrn Nightingale geschah und die Ankunft einer Person, die in dieser Geschichte noch nicht erwähnt worden ist.
Neuntes Kapitel. Enthält seltsame Dinge.
Zehntes Kapitel. Ein kurzes Kapitel, welches das Buch beschließt.
Funfzehntes Buch. Die Geschichte rückt um zwei Tage vor.
Erstes Kapitel. Ist zu kurz, als daß es einer Vorrede bedürfte.
Zweites Kapitel. Ein schwarzer Plan gegen Sophien.
Drittes Kapitel. Eine weitere Auseinandersetzung des erwähnten Planes.
Viertes Kapitel. Man wird daraus erkennen, ein wie gefährlicher Anwalt eine Dame ist, sobald sie ihre Beredtsamkeit einer bösen Sache widmet.
Fünftes Kapitel. Enthält Dinge, welche den Leser rühren, sowie andere, die ihn überraschen werden.
Sechstes Kapitel. Auf welche Weise der Squire seine Tochter ausfindig gemacht hatte.
Siebentes Kapitel. In welchem den armen Jones mancherlei Unglück betrifft.
Achtes Kapitel. Kurz und süß.
Neuntes Kapitel. Enthält Liebesbriefe verschiedener Art.
Zehntes Kapitel. Besteht theils aus Ereignissen, theils aus Bemerkungen über dieselben.
Elftes Kapitel. Enthält merkwürdige und beispiellose Dinge.
Zwölftes Kapitel. Partridge macht eine Entdeckung.
Sechszehntes Buch. Umfaßt einen Zeitraum von fünf Tagen.
Erstes Kapitel. Ueber Prologe.
Zweites Kapitel. Ein komisches Abenteuer, welches den Squire betraf und die unglückliche Lage Sophiens.
Drittes Kapitel. Was Sophien während ihrer Haft begegnete.
Viertes Kapitel. Sophie wird aus ihrer Haft befreit.
Fünftes Kapitel. Jones empfängt einen Brief von Sophien und geht mit Mad. Miller und Partridge in das Theater.
Sechstes Kapitel. Die Geschichte geht zurück.
Siebentes Kapitel. Squire Western besucht mit Herrn Blifil seine Schwester.
Achtes Kapitel. Pläne der Lady Bellaston zum Verderben unseres Helden.
Neuntes Kapitel. Jones besucht Mad. Fitzpatrick.
Zehntes Kapitel. Die Folgen des vorigen Besuchs.
Sechster Teil
Siebzehntes Buch. Umfaßt drei Tage.
Erstes Kapitel. Etwas Einleitendes.
Zweites Kapitel. Das edelsinnige und dankbare Benehmen der Mad. Miller.
Drittes Kapitel. Die Ankunft Westerns nebst Einigem über die väterliche Gewalt.
Viertes Kapitel. Eine außerordentliche Scene zwischen Sophie und ihrer Tante.
Fünftes Kapitel. Mad. Miller und Herr Nightingale besuchen Jones im Gefängnisse.
Sechstes Kapitel. Mad. Miller besucht Sophien.
Siebentes Kapitel. Eine pathetische Scene zwischen Herrn Allworthy und Mad. Miller.
Achtes Kapitel. Enthält Verschiedenes.
Neuntes Kapitel. Was Jones in dem Gefängnisse widerfuhr.
Achtzehntes Buch. Umfaßt etwa sechs Tage.
Erstes Kapitel. Abschied von dem Leser.
Zweites Kapitel. Enthält einen sehr tragischen Vorfall.
Drittes Kapitel. Allworthy besucht den alten Nightingale und macht bei dieser Gelegenheit eine seltsame Entdeckung.
Viertes Kapitel. Enthält zwei Briefe von sehr verschiedener Art.
Fünftes Kapitel. Die Geschichte geht weiter.
Sechstes Kapitel. Die Geschichte schreitet ferner weiter fort.
Siebentes Kapitel. Fortsetzung der Geschichte.
Achtes Kapitel. Weitere Fortsetzung.
Neuntes Kapitel. Eine weitere Fortsetzung.
Zehntes Kapitel. Die Geschichte nähert sich dem Ende.
Elftes Kapitel.Die Geschichte kommt dem Schlusse noch näher.
Zwölftes Kapitel. Die Geschichte kommt dem Schlusse noch näher.
Letztes Kapitel. Die Geschichte wird beschlossen.

Henry Fielding

Tom Jones

Geschichte eines Findlings

Impressum

Texte: © Copyright by Henry Fielding

Umschlag: © Copyright by Walter Brendel

Übersetzer: © Copyright by Dr. A. Dietzmann

Illustrator: © Copyright by Walter Brendel

Verlag:

Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag

Gunter Pirntke

Mühlsdorfer Weg 25

01257 Dresden

[email protected]

[email protected]

Vierter Teil

Elftes Buch. Umfaßt einen Zeitraum von drei Tagen.

Erstes Kapitel. Ein Brocken für die Kritiker.

Es könnte unserm letzten einleitenden Kapitel zufolge scheinen, als wären wir gegen jene furchtbare Menschenklasse, die man Kritiker nennt, mit weniger Rücksicht verfahren, als uns zukommt, indem dieselben von Seiten der Schriftsteller großen Respekt verlangen, und dieser ihnen auch wirklich allgemein zu Theil wird. Wir werden daher in dem gegenwärtigen die Gründe unseres Verfahrens gegen diese erhabene Corporation an den Tag legen und dieselbe sogleich aus einem Gesichtspunkte betrachten, aus dem sie vielleicht bisher noch nicht betrachtet worden ist.

Das Wort Kritik ist griechischen Ursprungs und bedeutet Urtheil. Daraus schließe ich, daß manche Personen, denen dieses Wort nur der Uebersetzung und nicht der ursprünglichen Bedeutung nach bekannt war, der Meinung gewesen sind, es bedeute Urtheil im gerichtlichen Sinne, oder Urtel, was häufig gleichbedeutend mit Verurtheilung gebraucht wird.

Ich bin um so mehr zu dieser Ansicht geneigt, als die Mehrzahl der Kritiker in den letzten Jahren Advocaten waren. Viele dieser Herren haben, vielleicht aus Verzweiflung, jemals auf der Bank in Westminsterhall zu erscheinen, auf den Bänken des Schauspielhauses Platz genommen, wo sie ihre Fähigkeit zum Richteramte geübt und ihr Urtheil abgegeben, d. h. ohne Erbarmen verurtheilt haben.

Die Herren würden vielleicht ganz wohl damit zufrieden sein, wenn wir es dabei bewenden ließen, sie mit einem der wichtigsten und ehrenvollsten Stände im Staate verglichen zu haben, und wenn uns daran läge, uns bei ihnen in Gunst zu setzen, so würden wir es auch thun: allein da es unsre Absicht ist, uns frei und offen gegen sie auszusprechen, so müssen wir an noch einen andern Diener der Gerechtigkeit, weit niederen Ranges erinnern, mit dem sie, in so fern als sie ihr Urtheil nicht allein aussprechen, sondern auch vollstrecken, gleichfalls einige entfernte Aehnlichkeit haben.

Aber es giebt in der That noch einen andern Gesichtspunkt, aus dem sich diese modernen Kritiker mit vollem Fug und Recht betrachten lassen; und von diesem aus erscheinen sie als gemeine Verläumder. Wenn jemand, der Anderer Charakter blos aus dem Grunde erforscht, um ihre Fehler zu entdecken und sie vor der Welt zu veröffentlichen, den Namen eines Verläumders verdient, weil er Menschen um ihren Ruf bringt; warum sollte nicht ein Kritiker, der aus der nämlichen boshaften Absicht liest, eben so füglich ein Verläumder genannt werden, da er Bücher um ihren Ruf bringt?

Kaum kann das Laster einen verworfenern Sclaven unter seinen Dienern haben, die Gesellschaft ein größeres Scheusal erzeugen und die Hölle einen ihrer würdigern und willkommnern Gast aufnehmen als einen Verläumder. Ich fürchte, die Welt betrachtet dieses Ungeheuer nicht mit halb so viel Abscheu als ihm gebührt; noch mehr fürchte ich, den Grund dieser strafbaren Milde anzudeuten; und doch, gegen ihn gehalten, scheint der Dieb noch unschuldig, ja selbst die Schuld des Mörders wiegt die seinige selten auf; denn Verläumdung ist eine gefährlichere Waffe als ein Schwert, ihre Wunden sind stets unheilbar. Wirklich giebt es nur eine Art des Mordes, und zwar die niedrigste und abscheulichste von allen, die mit dem hier gerügten Laster ihrer Aehnlichkeit wegen verglichen werden kann, und das ist Vergiftung; – ein so niedriges Mittel zur Rache, und doch so abscheulich, daß einst unsere Gesetze es von allen andern Arten des Mordes durch eine besondere Strenge in der Bestrafung weise unterschieden.

Außer dem furchtbaren Unheil, das durch Verläumdung gestiftet worden ist, und der Gemeinheit des Mittels, wodurch es vollbracht wurde, giebt es noch andere Umstände, die uns dieses Laster um so viel häßlicher erscheinen lassen: oftmals nämlich bietet sich seinem Ausbruche gar keine Veranlassung und selten ein Lohn dar, es müßte denn irgend eine schwarze teuflische Seele in dem Gedanken, einem Andern Ruin und Elend bereitet zu haben, einen Lohn sehen.

Shakspeare hat dieses Laster herrlich geschildert, indem er sagt: »wer mir mein Geld stiehlt, stiehlt eine Lumperei, 's ist etwas, nichts; 's war mein, 's ist sein und 's war der Sclav von Tausenden; der aber, der mir meinen guten Namen stiehlt, nimmt mir etwas, das ihn nicht reich, mich aber wirklich arm macht!«

Mit diesem Allen wird der geneigte Leser ohne Zweifel einverstanden sein; aber vieles davon wird ihm wahrscheinlich zu streng scheinen, wenn es auf den Verläumder von Büchern angewendet wird. Aber man bedenke nur, daß bei beiden dieselbe Ruchlosigkeit der Gesinnung angetroffen wird, und daß beide gleich weit entfernt sind, sich mit der Versuchung entschuldigen zu können. Auch werden wir das auf diesem Wege zugefügte Unrecht nicht als so geringfügig betrachten, wenn wir ein Buch als des Autors Sprößling, als das Kind seines Geistes ansehen.

Derjenige Leser, der seine Muse bisher im Zustande der Jungfräulichkeit verharren ließ, kann nur eine undeutliche Vorstellung von dieser Art Vaterliebe haben. Auf ihn könnten wir den empfindsamen Ausruf Macduff's parodiren: »Ach! Du hast kein Buch geschrieben.« Aber der Schriftsteller, dessen Muse geboren hat, wird das Rührende darin empfinden, wird mir vielleicht unter Thränen beistimmen (zumal wenn sein Sprößling bereits nicht mehr ist), wenn ich der Unbehaglichkeit gedenke, mit der die schwangere Muse ihre Bürde umherträgt, der Schmerzensarbeit, unter der sie gebiert, und endlich der Sorgfalt und Liebe, mit welcher der zärtliche Vater seinen Liebling nährt, bis er ihn zur Reife gebracht und in die Welt eingeführt hat.

Auch kann es keine Vaterliebe geben, die weniger auf reinem Instinkt zu beruhen scheint, und die sich so wohl mit Weltklugheit verträgt als diese. Diese Kinder können mit dem vollsten Rechte die Reichthümer ihres Vaters genannt werden; und viele derselben haben ihren Vater in seinen alten Tagen mit wahrhaft kindlicher Treue ernährt: so daß der Schriftsteller durch diese Verläumder, deren giftiger Athem seinem Buche ein frühzeitiges Ende bereitet, nicht allein in seinen Gefühlen, sondern auch in seinem Interesse auf's Tiefste verletzt werden kann.

Endlich ist der Verläumder eines Buchs in Wahrheit der Verläumder des Verfassers: denn so wie Niemand einen Andern Bastard nennen kann, ohne der Mutter den Namen einer Hure beizulegen; eben so wenig kann Jemand ein Buch als ein abgeschmacktes und elendes Machwerk schildern, ohne den Verfasser einen Strohkopf zu nennen, was, wenn es auch von moralischer Seite genommen immer noch erträglicher ist, als ein Bösewicht genannt zu werden, doch vielleicht für sein weltliches Interesse von größerem Nachtheile sein kann.

Wie spaßhaft nun auch Einigen dies alles erscheinen mag, so werden doch Andere, wie ich nicht zweifle, die darin enthaltene Wahrheit fühlen und anerkennen; ja vielleicht, daß sie sogar der Meinung sind, ich habe den Gegenstand nicht mit dem erforderlichen Ernst behandelt; aber man kann ja auch lächelnd die Wahrheit reden. In der That, ein Buch boshafter oder muthwilliger Weise herabzuwürdigen, ist zum wenigsten ein sehr schlechter Dienst; und einen mürrischen und knurrenden Kritiker kann man meines Bedünkens immerhin für einen boshaften Mann halten.

Ich will daher in dem noch übrigen Theile dieses Kapitels die Merkmale eines solchen näher anzugeben versuchen, um zu zeigen, welcher Art Kritik ich hiermit begegnen will; denn unmöglich kann man mich so verstehen, höchstens könnten es gerade die Personen, die hier gemeint sind, als behauptete ich, es gäbe keine fähigen Beurtheiler von Schriften, oder als suchte ich irgend einen jener vortrefflichen Kritiker, deren Arbeiten die gelehrte Welt so viel verdankt, aus dem Staate der Literatur auszuschließen. Zu diesen gehören Aristoteles, Horaz und Longinus unter den Alten; Dacier und Bossu unter den Franzosen, und vielleicht auch einige von unsrer Nation, die allerdings in foro literario eine richterliche Autorität auszuüben berechtigt gewesen sind.

Ohne aber alle die erforderlichen Eigenschaften eines Kritikers festzustellen, auf die ich an einem andern Orte hingedeutet habe, denke ich kühn der Beurtheilung eines jeden entgegen treten zu können, der das Werk, dem dieselbe gilt, gar nicht gelesen hat. Von solchen Recensenten wie diese, mögen sie nun, was sie vorbringen, selbst gerathen oder vermuthet oder aus den Berichten und Ansichten Anderer geschöpft haben, kann man füglich sagen, sie verläumden den Ruf des Buches, das sie verurtheilen.

Auch von denen möchte sich wohl das Gleiche behaupten lassen, welche, ohne sich auf die Anführung einzelner Fehler einzulassen, das Ganze in allgemeinen und herabwürdigenden Ausdrücken tadeln, als da sind: leeres, abgeschmacktes, langweiliges Gewäsch &c. &c. und namentlich durch den Gebrauch des Wortes gemein.

Ferner, wenn gleich einige Fehler in dem Werke richtig angezeigt sein können, wird es dennoch, wenn diese nicht die wesentlichsten Theile betreffen, oder wenn sie durch größere Schönheiten aufgewogen werden, vielmehr nach der Bosheit eines Verläumders als nach dem Ausspruche eines wahren Kritikers schmecken, ein strenges Urtheil über das Ganze zu fällen, blos um eines fehlerhaften Theiles willen. Dieses steht im geraden Gegensatze zu dem Ausspruche des Horaz:

Verum ubi plura nitent in carmine, non ego paucis Offendar maculis, quas aut incuria fudit, Hut humana parum cavit natura –

Denn, wie Martial sagt, aliter non fit, avite, liber: anders ist nie ein Buch geschrieben worden. Alle Schönheit, des Charakters sowohl als des Gesichts oder überhaupt jedes Theiles vom Menschen muß nach diesem Maßstabe beurtheilt werden. Es wäre wirklich grausam, wenn ein Werk wie dieser Roman, das so viele tausend Stunden Arbeit gekostet hat, sollte verworfen werden, weil ein oder das andere Kapitel, oder einige, gerechten Tadel verdiente. Und gleichwohl ist nichts gewöhnlicher als die strengsten Urtheile über Bücher, und zwar unterstützt durch solchen Tadel, der, wenn er gegründet wäre (was er nicht immer ist), dem Ganzen keineswegs zum Verdienste gereichen würde. Im Theater namentlich wird ein einziger Ausdruck, der nicht nach dem Geschmacke der Zuhörer oder auch eines einzelnen Kritikers dieser Versammlung ist, ausgepfiffen; und wird eine Scene mißbilligend aufgenommen, so ist auch das ganze Stück gefährdet. Innerhalb so strenger Regeln wie diese zu schreiben ist eben so unmöglich, als nach den Anforderungen mürrischer Pedanten zu leben; und wenn wir nach den Gesinnungen mancher Kritiker und mancher Christen gehen wollen, so wird kein Schriftsteller erlöset werden auf dieser Welt und kein Mensch in der andern.

Zweites Kapitel.Was sich mit Sophie nach ihrer Abreise von Upton zutrug.

Unmittelbar ehe wir uns in unserer Erzählung etwas zurückzugehen genöthigt sahen, hatten wir von der Abreise Sophiens und ihres Mädchens aus dem Wirthshause berichtet; wir werden daher diesem liebenswürdigen Wesen jetzt weiter folgen und verlassen ihren unwürdigen Geliebten, damit er sein Mißgeschick oder vielmehr sein Mißverhalten ein wenig länger betrauern könne.

Sophie hatte ihrem Führer den Befehl gegeben, sie auf Nebenwegen durch das Land zu geleiten. Sie gingen jetzt über die Savern und waren kaum eine halbe Stunde von dem Wirthshause entfernt, als die junge Dame, während sie sich einmal umsah, mehrere Pferde in vollem Laufe hinter ihnen herkommen sah. Dies versetzte sie in große Unruhe, weshalb sie den Führer zur größtmöglichen Eile aufforderte.

Er gehorchte ihr sogleich, und so flogen sie denn in gestrecktem Trabe dahin. Allein je schneller sie ritten, desto eiliger folgte man ihnen; und da die hinteren Pferde schneller waren als die vorderen, so wurden diese endlich eingeholt. Es war ein glücklicher Umstand für die arme Sophie, die durch Furcht und Ermattung fast gänzlich erschöpft war; denn sie fühlte sich augenblicklich beruhigt, als eine weibliche Stimme sie in einem freundlichen und äußerst höflichen Tone begrüßte. Diesen Gruß erwiederte Sophie, sobald sie wieder etwas Athem geschöpft hatte, mit gleicher Höflichkeit und mit dem Gefühle der größten Herzenserleichterung.

Die Reisenden, welche sich an Sophie anschlossen und ihr so viel Angst verursacht hatten, bestanden, gleich ihrer eigenen Gesellschaft, aus zwei Frauen und einem Führer. Beide Parteien ritten gegen eine Meile Weges zusammen, ehe eine zum Sprechen wieder den Mund öffnete, bis die Heldin unserer Erzählung, nachdem sie ihre Furcht so ziemlich überwunden hatte (aber doch etwas befremdet war, da die andere sich noch immer zu ihr hielt, da sie doch keiner großen Straße folgte und bereits mehrere Krümmungen passirt war), die fremde Dame in sehr verbindlichem Tone anredete und sagte, sie wäre hocherfreut, wahrzunehmen, daß sie beide denselben Weg reisten. Die andere, die, wie ein Geist, nur angeredet sein wollte, antwortete sogleich, daß das Vergnügen ganz auf ihrer Seite wäre, daß sie diese Gegend ganz und gar nicht kennte und sich deshalb glücklich schätzte, eine Gefährtin gefunden zu haben; daß sie sich vielleicht einer Zudringlichkeit schuldig gemacht habe, um deretwillen sie um Verzeihung bitten müsse, indem sie nämlich gleichen Schritt mit ihr halte. Aehnlicher Höflichkeiten wurden zwischen diesen beiden Damen mehr gewechselt; denn Mamsell Honour hatte dem feinen Anzuge Platz gemacht und war zurückgeblieben. Aber obgleich Sophie sehr neugierig war zu wissen, warum die andere Dame sich immer noch auf einem und demselben Nebenwege zu ihr hielt, ja, obgleich es ihr einiges Unbehagen, ja sogar Furcht verursachte, so hielt sie doch ihre Bescheidenheit, oder irgend eine andere Rücksicht von der Frage darnach zurück.

Die fremde Dame hatte mit einer Unannehmlichkeit zu kämpfen, deren Erwähnung die Würde der Geschichte kaum gestattet. Ihre Kopfbedeckung war ihr in der letzten halben Stunde nicht weniger als fünf Mal vom Kopfe gewehet worden: und sie konnte kein Band oder Tuch finden, um jene damit zu befestigen. Als Sophie dies wahrgenommen hatte, erbot sie sich sogleich, ihr mit einem Tuche auszuhelfen; während sie es aber aus der Tasche zog, mochte sie wohl die Führung ihres Pferdes zu sehr vernachlässigt haben, denn das Thier stolperte, fiel auf die Kniee nieder und warf seine schöne Reiterin von seinem Rücken.

Obgleich Sophie kopfüber auf den Boden kam, so nahm sie doch glücklicherweise nicht den geringsten Schaden; und der nämliche Umstand, der vielleicht zu ihrem Falle beigetragen hatte, schützte sie jetzt vor Verlegenheit; denn der Weg, den sie gerade ritten, war schmal und mit überhängenden Bäumen besetzt, so daß der Mond sein Licht nur spärlich hereinwerfen konnte und überdieß in diesem Augenblicke von einer Wolke so verfinstert wurde, daß es fast ganz dunkel war. Dadurch kam es, daß das Schaamgefühl der jungen Dame, das ungemein zart war, eben so wenig verletzt ward als ihre Glieder, und sie saß wiederum in ihrem Sattel, ohne durch ihren Sturz etwas anderes als einen kleinen Schreck davon getragen zu haben.

Das Licht brach endlich in seinem ganzen Glanze hervor, und jetzt, da die beiden Damen, während sie neben einander über einen Anger ritten, einander ins Gesicht sahen, blieben ihre Augen starr auf einander geheftet, beide hielten ihre Pferde an und beide riefen gleichzeitig und mit gleich großer Freude, die eine den Namen Sophie, die andere den Namen Henriette aus.

Dieses unerwartete Zusammentreffen überraschte die Damen weit mehr, als es, wie ich mir einbilde, den scharfsinnigen Leser überraschen wird, der jedenfalls errathen hat, daß die fremde Dame niemand anderes als Madame Fitzpatrick, Fräulein Western's Cousine, sein konnte, von der wir oben berichteten, daß sie wenige Minuten nach ihr das Wirthshaus verlassen hätte.

So groß war die Ueberraschung und Freude der beiden Cousinen über dieses Zusammentreffen (denn sie waren früher die vertrautesten Freundinnen gewesen und hatten zusammen bei ihrer Tante Western gelebt), daß es unmöglich ist, nur die Hälfte der Freudenbezeigungen wieder zu erzählen, die sie austauschten, ehe eine jede der andern eine sehr natürliche Frage vorlegte, nämlich die, wohin sie eigentlich wollte?

Diese Frage kam jedoch endlich zuerst von Madame Fitzpatrick; aber, so ungezwungen und natürlich auch die Frage scheinen mag, Sophie fand es schwer, sogleich eine bestimmte Antwort darauf zu geben. Sie bat daher ihre Cousine, ihre Neugierde zu verschieben, bis sie in ein Gasthaus kommen würden, »und das,« sagte sie, »wird vermuthlich nicht lange mehr dauern; auch kannst Du mir glauben, Henriette, daß ich meinerseits bis dahin nicht weniger Neugierde zu bezwingen habe; denn ich glaube wirklich, daß unser beiderseitiges Erstaunen ziemlich gleich groß ist.«

Die Unterhaltung, welche diese Damen unterwegs führten, verdient, meines Erachtens nach, keiner besonderen Erwähnung, und sicherlich noch weniger die der beiden Kammermädchen, die sich ebenfalls einander höflich begrüßten. Was die Führer anlangt, so war ihnen das Vergnügen der Unterhaltung dadurch abgeschnitten, daß der eine die Vorhut und der andere die Nachhut bilden mußte.

So ritten sie mehrere Stunden fort, bis sie auf eine breite und gebahnte Straße gelangten, die sie bald an ein sehr einladend aussehendes Gasthaus brachte, vor dem sie alle abstiegen; nur Sophie, die so sehr ermüdet war, daß sie sich in der letztern Zeit nur mit großer Mühe hatte auf dem Pferde erhalten können, sah sich außer Stande, ohne fremden Beistand herabzukommen. Der Wirth, der ihr Pferd am Zügel gefaßt hatte und dies sogleich bemerkte, erbat sich, sie herabzuheben, was sie auch sehr gern annahm. Es schien wirklich, als ob es Sophiens Geschick darauf angelegt gehabt hätte, ihr diesen Tag Verlegenheiten zu bereiten, und dieser zweite boshafte Versuch gelang besser als der erste; denn unser Wirth hatte die junge Dame nicht sobald in seinen Armen aufgenommen, als ihm seine Füße, denen die Gicht nur noch vor Kurzem sehr hart zugesetzt hatte, abgingen, und er zu Boden fiel, wobei er es jedoch mit ebenso viel Gewandtheit als Galanterie, so einzurichten wußte, daß er unter seine reizende Bürde zu liegen kam und somit die Quetschungen vom Falle allein auf sich nahm; denn alles was Sophie davontrug, war eine Kränkung ihres Schaamgefühls, die sie empfand, als sie beim Aufstehen die Gesichter der meisten Umstehenden zu einem unmäßigen Lachen verzerrt sah. Dies lies sie ahnen, was eigentlich geschehen sei und was wir aus Rücksicht gegen diejenigen Leser, die über eine Verletzung der Schaamhaftigkeit junger Damen lachen können, hier nicht wieder erzählen werden. Ereignisse solcher Art haben wir nie komisch behandelt; auch nehmen wir keinen Anstand, zu behaupten, daß der einen sehr unrichtigen Begriff von dem Schaamgefühl einer schönen jungen Dame haben müßte, welcher es einem so armseligen Vergnügen, wie das Lachen gewähren kann, aufopfern wollte.

Schreck und Schaam, verbunden mit der großen Ermattung, hatten Sophien dergestalt angegriffen, daß sie kaum noch Kraft genug hatte, auf den Arm ihres Mädchens gelehnt, in das Gasthaus zu wanken. Hier hatten sie sich kaum niedergelassen, als sie nach einem Glase Wasser verlangte, statt dessen aber Mamsell Honour, was meiner Meinung nach sehr klug war, ein Glas Wein brachte.

Madame Fitzpatrick, die von Mamsell Honour erfuhr, daß Sophie die letzten zwei Nächte in kein Bett gekommen war und sie sehr blaß und erschöpft fand, drang ernstlich in sie, sich durch einige Stunden Schlaf zu stärken. Sie war zwar unbekannt mit ihren letzten Schicksalen oder ihren Besorgnissen; aber sie würde selbst in dem Falle, daß sie dieselben gekannt hätte, keinen andern Rath gegeben haben; denn Ruhe war ihr offenbar nothwendig; und ihre lange Reise auf Nebenstraßen beseitigte so gänzlich alle Gefahr einer Verfolgung, daß sie selbst in dieser Beziehung außer aller Sorge war.

Sophie war leicht überredet, dem Rathe ihrer Freundin zu folgen, worin ihr Mädchen ihr herzlich gern beistimmte. Madame Fitzpatrick erbot sich, ihrer Cousine Gesellschaft zu leisten, was von Sophien mit Vergnügen angenommen wurde.

Die Herrin war nicht sobald zu Bett, als die Dienerin sich anschickte, ihrem Beispiele zu folgen. Sie bat ihre Schwester Zofe um Entschuldigung, sie an einem so schrecklichen Orte, wie ein Gasthof, allein zu lassen; aber die andere, die sich nach einem Schläfchen nicht minder sehnte, unterbrach sie und bat um die Ehre, ihr Bett mit ihr theilen zu dürfen. Sophiens Mädchen erklärte sich dazu bereit, jedoch nicht ohne die ganze Ehre für sich in Anspruch zu nehmen. So gingen denn, nach vielen Höflichkeiten und Complimenten, die beiden Kammermädchen zusammen zu Bett, wie das zuvor ihre Gebieterinnen gethan hatten.

Der Wirth hatte (wie das in der That bei seiner ganzen Collegenschaft der Fall zu sein pflegt) die Gewohnheit, sich bei allen Kutschern, Bedienten, Postillonen und andern umständlich nach den Namen aller seiner Gäste, nach ihren Gütern und wo sie lägen, zu erkundigen. Es kann daher nicht Wunder nehmen, daß die mancherlei eigenthümlichen Umstände, welche bei unsern Reisenden auffielen, und namentlich, daß sie zu einer so ungewöhnlichen Stunde, wie zehn Uhr Morgens, schlafen gingen, seine Neugierde rege machten. Sobald daher die Führer in die Küche traten, fing er an, sie zu examiniren, wer die Damen wären und woher sie kämen, allein die Führer, obgleich sie getreulich alles berichteten, was sie wußten, konnten ihn nur wenig zufriedenstellen. Im Gegentheil, sie reizten seine Neugierde eher, als sie dieselbe stillten.

Dieser Wirth stand bei allen seinen Nachbarn in dem Rufe, ein sehr kluger Patron zu sein. Man glaubte von ihm, er durchschaue die Dinge klarer und tiefer als irgend einer im Dorfe, selbst den Pfarrer nicht ausgenommen. Vielleicht hatte sein äußeres Ansehen nicht wenig dazu beigetragen, ihm diesen Ruf zu erwerben; denn es lag darin etwas merkwürdig Kluges und Bedeutungsvolles, namentlich, wenn er eine Pfeife im Munde hatte, und diese brachte er wirklich sehr selten heraus. Auch sein Anstand mochte zu der Meinung von seiner Klugheit mitgewirkt haben. In seinem Gange lag etwas Feierliches, wo nicht etwas Phlegmatisches; und wenn er sprach, was selten geschah, so sprach er stets mit leiser Stimme, und unterbrach seine Bemerkungen, obgleich sie kurz waren, durch viele Hm's und Ha's und Ja Ja's und andere Flickwörtchen, so daß er, obschon er seine Worte mit gewissen erläuternden Gesten, als Schütteln oder Nicken mit dem Kopfe, oder Deuten mit dem Zeigefinger, begleitete, gemeiniglich seine Zuhörer glauben machte, er denke sich mehr als er ausspreche; ja er gab ihnen wohl auch selbst zu verstehen, daß er weit mehr wisse, als er mitzutheilen für gut halte. Dieser letzte Umstand dürfte wirklich allein hinreichen, um uns über die Bewandtniß, die es mit dem Rufe seiner Klugheit hatte, aufzuklären, indem die Menschen den sonderbaren Hang besitzen, das zu verehren, was sie nicht verstehen: ein großes Geheimniß, worauf schon mancher Betrüger seine Pläne und die Hoffnung ihres Gelingens gegründet hat.

Dieser kluge Mann nun nahm seine Frau bei Seite und fragte sie, was sie wohl von den zuletzt angekommenen Damen dächte. – »Was ich von ihnen denke,« sagte die Frau, »nun, was soll ich von ihnen denken?« – »Ich weiß,« entgegnete er, »was ich denke. Die Führer erzählen sonderbare Dinge. Der eine will von Gloucester und der andere von Upton kommen; und keiner von beiden, so viel ich aus ihnen herausbringen kann, weiß mir zu sagen, wohin sie reisen. Aber was für Leute kommen über Land von Upton hierher, namentlich nach London? Und eines von den Kammermädchen fragte, ehe sie vom Pferde abstieg, ob das nicht die Londoner Straße wäre? Nun habe ich alle diese Umstände zusammengenommen, und was denkst Du wohl, wen ich aus ihnen herausgefunden habe?« – »Ja,« antwortete sie, »das weißt Du, daß ich mir nicht anmaße, Deine Entdeckungen zu errathen.« – »'S ist ein gutes Kind,« versetzte er, indem er sie an das Kinn faßte; »ich muß sagen, in solchen Sachen hast Du Dich immer auf meine Klugheit verlassen. Nun denn, glaube mir; merke was ich sage, glaube mir, sie sind gewiß einige von den Rebellen-Damen, die, wie es heißt, mit dem jungen Ritter reisen und die einen Umweg gemacht haben, um der Armee des Herzogs auszuweichen.«

»Mann,« sagte die Frau, »Du hast es sicher getroffen; denn eine von ihnen ist schön gekleidet wie eine Prinzessin; und wahrhaftig, sie sieht auch ganz so aus. Aber dennoch, wenn ich mir Eins überlege – –« – »Wenn Du Dir überlegst,« rief der Wirth verächtlich – – »Nun, laß doch hören, was Du Dir überlegst.« – »Nun ich meine nämlich,« antwortete die Frau, »daß sie zu bescheiden ist für eine große Dame; denn während unsere Betty das Bett wärmte, nannte sie dieselbe immer mein Kind, und meine Liebe, und mein Herzchen; und als sich Betty erbot, ihr die Schuhe und Strümpfe auszuziehen, nahm sie es nicht an und sagte, sie wolle sie nicht bemühen.«

»Bah!« entgegnete der Mann, »das will nichts sagen. Du denkst wohl, weil Du manche große Dame untergebene Personen rauh und unhöflich hast behandeln sehen, keine wisse, wie sie sich gegen Niedere betragen soll? Ich denke ich verstehe mich auf die Vornehmen, wenn ich sie sehe. Ich denke es. Verlangte sie nicht ein Glas Wasser, als sie hereinkam? Eine andere Art Frauenzimmer hätte etwas Kräftigeres verlangt; das weißt Du doch. Wenn sie nicht eine Dame von hohem Range ist, sollst Du mich für dumm verkaufen; und ich glaube, wer mich dafür kauft, soll einen schlechten Handel gemacht haben. Sag', würde eine Dame von ihrem Stande wohl ohne einen Bedienten reisen, wenn nicht solche außerordentliche Umstände vorhanden wären?« – »Ja, das ist wahr, Mann,« sagte sie, »Du verstehst Dich besser auf solche Dinge, als ich oder die meisten Leute.« – »Das wollt' ich meinen, daß ich mich etwas darauf verstehe,« sagte er. – »Wahrhaftig,« fuhr die Frau fort, »die arme Kleine sah so erbarmungswürdig aus, als sie sich auf den Stuhl niederließ, daß sie mich wirklich dauerte, fast so sehr als wenn sie ein armes Ding gewesen wäre. Aber was ist da zu thun, Mann? Wenn sie zu den Rebellen gehört, so stelle ich mir vor, Du wirst sie an den Hof verrathen wollen. Mag sie sein was sie will, jedenfalls ist sie eine freundliche gutmüthige Dame, und ich würde weinen müssen, wenn ich hörte, daß sie gehängt oder geköpft worden wäre.« – »Bah!« versetzte der Mann. »Was zu thun ist? das ist nicht so leicht gesagt. Ich hoffe, daß wir, ehe sie abreist, Nachricht von einer Schlacht erhalten sollen; denn wenn der Ritter (der Prätendent) die Oberhand behielte, so könnte sie uns bei Hofe von Nutzen sein und uns glücklich machen, ohne daß wir sie zu verrathen brauchten.« – »Ei das ist wahr,« meinte die Frau; »und ich will nur wünschen, daß es in ihrer Macht stehe. Das ist wahr, eine liebe gute Dame ist sie; es würde mir erschrecklich nahe gehen, wenn ihr ein Unglück zustoßen sollte.« – »Bah!« rief der Wirth, »Weiber sind immer so weichmüthig. Du wolltest doch nicht gar Rebellen beherbergen, oder wolltest Du?« – »Nein, gewiß nicht,« antwortete die Frau; »und wenn wir sie verrathen, so kann uns niemand tadeln, komme auch daraus, was da wolle. An unsrer Stelle würde jeder so handeln.«

Während unser schlauer Wirth, der, wie wir sehen, nicht mit Unrecht bei seinen Nachbarn im Rufe großer Klugheit stand, die Sache noch bei sich überlegte (denn die Ansicht seiner Frau beachtete er wenig), trafen Nachrichten ein, daß die Rebellen dem Herzoge entwischt wären und einen Tagemarsch gegen London voraushätten. Bald darauf kam ein berüchtigter jacobitischer Herr an, der dem Wirth die Hand schüttelte und mit freudestrahlendem Gesicht sagte: »Jetzt ist Alles gewonnen; zehntausend brave Franzosen sind in Suffolk gelandet. Es lebe Altengland! zehntausend Franzosen, mein lieber Mann!«

Diese Neuigkeit bestärkte den klugen Wirth in seiner Vermuthung, und er beschloß, der jungen Dame seine Aufwartung zu machen, sobald sie aufgestanden sein würde: denn er hatte jetzt, wie er sagte, herausgebracht, daß sie niemand anders wäre als Jenny Cameron selbst.

Drittes Kapitel. Ein kurzes Kapitel, in welchem nichts destoweniger eine Sonne, ein Mond, ein Stern und ein Engel erscheinen.

Die Sonne war schon längst zur Ruhe gegangen, als Sophie aufstand wunderbar gestärkt durch den Schlaf, den sie, so kurz er auch war, einzig und allein ihrer außerordentlichen Ermüdung verdankte; denn obgleich sie ihrem Mädchen und vielleicht auch sich selbst gesagt hatte, daß sie sich, als sie Upton verließen, vollkommen wohl fühlte, so war doch sicher ihr Gemüth nicht ganz frei von jener Krankheit, welche von den ruheraubenden Symptomen eines Fiebers begleitet zu sein pflegt.

Auch Madame Fitzpatrick verließ gleichzeitig mit ihr das Bett und kleidete sich, nachdem sie ihr Mädchen gerufen, sofort an. Sie war in der That eine sehr hübsche Frau und würde, wäre sie in anderer als Sophiens Gesellschaft gewesen, für schön haben gelten können; aber als Mamsell Honour aus freiem Antriebe erschien (denn ihre Herrin wollte nicht, daß sie geweckt würde) und unsere Heldin angekleidet hatte, erfuhren die Reize der Madame Fitzpatrick, welche dem Morgensterne, dem Vorläufer und Verkünder größeren Glanzes, zu vergleichen war, das Schicksal jenes Sternes, – sie wurden mit dem Aufgange dieses Glanzes gänzlich verdunkelt.

Vielleicht nie war Sophie schöner erschienen als in diesem Augenblicke. Wir können daher auch das Stubenmädchen des Gasthauses ihrer Hyperbel wegen nicht tadeln, wenn sie, nachdem sie Feuer angezündet hatte und wieder hinabgegangen war, erklärte und durch einen Schwur bekräftigte, wenn es jemals einen Engel auf Erden gegeben habe, so sei er jetzt in ihrem Hause eingekehrt.

Sophie hatte ihre Cousine mit ihrem Plane, nach London zu gehen, bekannt gemacht und Madame Fitzpatrick sich bereit erklärt, sie zu begleiten; denn durch die Ankunft ihres Gemahls zu Upton fand sie sich veranlaßt, ihren Entschluß, sich nach Bath oder zu ihrer Tante Western zu begeben, abzuändern. Sobald sie also ihren Thee eingenommen hatten, machte Sophie den Vorschlag, aufzubrechen, weil es eine helle Mondnacht sei. Die Kälte achtete sie nicht viel, auch war sie frei von jener Furcht, die eine Reise zur Nachtzeit vielen jungen Damen verursacht haben würde; denn sie war, wie wir schon erwähnt haben, nicht ohne natürlichen Muth, und diesen steigerte ihre innere Aufregung, die nahe an Verzweiflung streifte, noch um ein Bedeutendes. Ueberdies war sie, da sie bereits zwei Nächte in Mondschein gereist war, ohne einen Unfall zu erleiden, um so kühner geworden, dies auch ein drittes Mal zu wagen.

Madame Fitzpatrick war furchtsamer; denn obgleich die geringeren Schrecken vor den größeren in den Hintergrund getreten waren und die Gegenwart ihres Gemahls sie zu so ungewöhnlicher Stunde von Upton vertrieben hatte; so wirkten doch jetzt, wo sie sich vor seiner Verfolgung sicher hielt, diese geringeren Schrecken, diese Furcht vor ich weiß nicht was, so mächtig auf sie ein, daß sie ihre Cousine dringend bat, bis zum nächsten Morgen zu bleiben, und sich nicht den Gefahren einer Nachtreise auszusetzen.

Sophie, die überaus nachgiebig war, willigte endlich ein, da sie sah, daß sie ihre Cousine weder durch Scherze, noch durch Vernunftgründe von ihrer Furcht befreien konnte. Wenn sie freilich von ihres Vaters Ankunft in Upton etwas gewußt hätte, würde sie vielleicht schwerer zu überreden gewesen sein; der Gedanke, von Jones eingeholt zu werden, machte ihr, fürchte ich, keine große Sorge; ja ich glaube, wenn ich die Wahrheit gestehen soll, sie wünschte es mehr, als daß sie es fürchtete; obgleich ich diesen Wunsch eben so gut hätte vor dem Leser geheim halten können, da er eine jener geheimen und flüchtigen Regungen der Seele ist, die oftmals von der Vernunft unbeachtet bleiben.

Nachdem unsere jungen Damen die Nacht in dem Gasthofe zuzubringen beschlossen hatten, erhielten sie einen Besuch von der Wirthin, die sich erkundigte, was dieselben zu essen wünschten. Es lag ein so großer Zauber in Sophiens Stimme, in ihrem Wesen und in ihrem leutseligen Betragen, daß sie die Wirthin im höchsten Grade entzückte, und diese gute Frau, in der Meinung, sie habe Jenny Cameron ihre Aufwartung gemacht, von diesem Augenblicke an in eine vollkommene Jacobitin umgewandelt wurde und auch der Sache des jungen Prätendenten, um der großen Freundlichkeit und Leutseligkeit willen, mit der sie von seiner muthmaßlichen Herzensgebieterin behandelt worden war, alles Gedeihen wünschte.

Die beiden Cousinen sprachen jetzt von Neuem gegenseitig ihre Neugierde aus und verlangten von einander zu wissen, welche außerordentlichen Ereignisse sie so unerwartet und auf so sonderbare Weise zusammengeführt hätten. Endlich begann Madame Fitzpatrick, nach dem Versprechen Sophiens, ein Gleiches thun zu wollen, ihre Mittheilungen zu machen, die der Leser, wenn er ihre Lebensgeschichte kennen lernen will, im folgenden Kapitel nachlesen mag.

Viertes Kapitel. Die Geschichte der Madame Fitzpatrick.

Madame Fitzpatrick begann nach einer Pause von wenig Augenblicken und einem aus tiefer Brust herausgeholten Seufzer folgendermaßen:

»Es ist natürlich, daß der Unglückliche ein geheimes Interesse daran hat, sich in die Zeiten seines Lebens zurückzuversetzen, die für ihn die freudevollsten gewesen sind. Die Erinnerung an vergangene Freuden erfüllt uns mit einer Art wonniger Wehmuth, gleich der, mit welcher wir abgeschiedener Freunde gedenken, und die Vorstellungen von beiden lassen unsrer Einbildungskraft keine Ruhe.

»Deshalb denke ich auch nie ohne Kummer an jene Tage (die allerglücklichsten meines Lebens), die wir unter der Aufsicht der Tante Western mit einander zubrachten. Ach, warum sind Fräulein Altklug und Fräulein Flatterhaft nicht mehr? Gewiß erinnerst Du Dich noch der Zeit, wo wir uns unter keinem andern Namen kannten. Wahrhaftig, Du gabst mir jenen Namen mit nur zu vollem Rechte. Ich habe seitdem erfahren, wie sehr ich ihn verdiente. Du, meine Sophie, übertrafst mich in allen Dingen und ich wünsche von Herzen, daß dies auch rücksichtlich Deines Lebensglücks der Fall sein möge. Ich werde nie des klugen und verständigen Rathes vergessen, den Du mir einst gabst, als ich mich beklagte, weil meine Hoffnung auf einen Ball vereitelt worden war, obgleich du damals kaum vierzehn Jahre alt sein mochtest. – O, meine Sophie, wie glücklich muß meine Lage gewesen sein, da ich die Vereitlung einer solchen Hoffnung für ein Unglück halten konnte, und da es in der That das größte war, das ich bis dahin erfahren hatte!«

»Und dennoch, liebe Henriette,« versetzte Sophie, »war es damals für Dich eine Sache von großer Wichtigkeit. Tröste Dich daher mit dem Gedanken, daß Dir das, was es auch immer sein möge, worüber Du jetzt zu klagen hast, vielleicht späterhin eben so unbedeutend und kleinlich erscheinen wird, als Dir jetzt ein Ball erscheinen würde.«

»Ach, Sophie!« entgegnete die andere Dame, »Du selbst wirst von meiner gegenwärtigen Lage anders denken: denn Dein gefühlvolles Herz müßte sich sehr geändert haben, wenn Dir mein Mißgeschick nicht manchen Seufzer, ja manche Thräne entlocken würde. Der Gedanke daran sollte mich fast abhalten, Dir das zu erzählen, was, wie ich überzeugt bin, Dich schmerzlich berühren wird.« Hier hielt Madame Fitzpatrick inne, bis sie auf Sophiens wiederholte Bitten folgendermaßen fortfuhr: –

»Obgleich Du vieles über meine Verheirathung gehört haben mußt, so will ich doch mit dem Anfange meiner unglücklichen Bekanntschaft mit meinem Gemahl beginnen. Diese entspann sich zu Bath, bald nachdem Du unsere Tante verlassen hattest und wieder zu Deinem Vater zurückgekehrt warst.

»Unter den lebenslustigen jungen Männern, welche sich in jener Saison zu Bath aufhielten, war auch ein Herr Fitzpatrick. Er war schön, ungezwungen in seinem Benehmen, ungemein artig und zeichnete sich hinsichtlich seiner Kleidung vor den meisten Andern vortheilhaft aus. Kurz, meine Theure, wenn das Unglück wollte, daß Du ihn jetzt sehen solltest, so könnte ich Dir ihn nicht besser schildern, als wenn ich sagte, daß er gerade das Gegentheil von dem war, was er ist; denn er ist so sehr verbauert, daß er in jeder Beziehung ein wilder Irländer geworden ist. Doch daß ich in meiner Erzählung fortfahre; seine damaligen Eigenschaften empfahlen ihn so sehr, daß er, obgleich sich die höhern Stände damals von der übrigen Gesellschaft abgesondert hielten und dieselbe von allen ihren Partien ausschlossen, sich dennoch bei ihnen Zutritt zu verschaffen wußte. Es war vielleicht nicht so leicht, ihn abzuweisen; denn es bedurfte bei ihm nur einer entfernt so aussehenden Einladung, oder auch gar keiner; und so wie er es, als ein schöner und artiger Mann, nicht sehr schwer fand, sich bei den Damen beliebt zu machen, so hüteten sich die Männer, ihn öffentlich zu beleidigen, weil er schon häufig seinen Degen gezogen hatte. Wäre das nicht der Fall gewesen, er würde glaube ich, bald von ihnen ausgestoßen worden sein; denn er hatte bestimmt keinen gerechten Anspruch auf eine Aufnahme unter den dortigen englischen Adel geltend zu machen; auch schien ihm derselbe nicht besonders geneigt zu sein. Alle schimpften hinter seinem Rücken auf ihn, was wohl aus Neid geschehen mochte; denn bei den Damen war er wohl gelitten und er ward von ihnen ganz besonders ausgezeichnet.

»Meine Tante, obgleich selbst nicht von Adel, war dennoch, weil sie stets am Hofe gelebt hatte, in diesem Cirkel aufgenommen; denn auf welchem Wege man auch immer in denselben gelangt, ist man einmal darin, so ist es auch Verdienst genug, darin zu sein. Diese Beobachtung würdest Du, so jung Du auch warst, jedenfalls an der Tante haben machen müssen, denn ihr Benehmen gegen alle andere war entweder ungezwungen oder zurückhaltend, je nachdem sie dieses Verdienst in höherem oder geringerem Maße besaßen.

»Und diesem Verdienste, glaube ich, verdankte auch Fitzpatrick ihre Gunst, die ihm in so reichlichem Maße zu Theil wurde, daß er auch in ihren vertrautesten Cirkeln niemals fehlte. Er erwiederte diese Aufmerksamkeiten und sein Betragen gegen sie ward bald so auffallend, daß der Lästerclub anfing Notiz davon zu nehmen und die besser Gesinnten von einer Heirath zwischen ihnen sprachen. Ich für meinen Theil, ich gestehe es, setzte keinen Zweifel in seine ehrlichen Absichten, wie man das nennt, nämlich eine Dame mittelst Heirath um ihr Vermögen zu bringen. Meine Tante war, das sah ich ein, weder jung noch schön genug, um noch niedrigere Neigungen zu erwecken; aber für eine Ehe hatte sie Reize in Ueberfluß.

»In dieser Ansicht bestärkte mich um so mehr die außerordentliche Aufmerksamkeit, die er von dem ersten Augenblicke unsrer Bekanntschaft an mir bewies. Dies erklärte ich mir so, als wollte er mich dadurch mit seiner Heirath, gegen die er mich vielleicht aus Interesse eingenommen glaubte, wo möglich in etwas versöhnen; und ich weiß es nicht, aber ich glaube wenigstens, daß sein Benehmen auch einigermaßen diesen Erfolg hatte; denn da ich mit meinem eigenen Vermögen völlig zufrieden war und nichts weniger als von eigennützigen Absichten beherrscht wurde, so konnte ich gegen einen Mann nicht sehr eingenommen sein, dessen Betragen mir ungemein gefiel, und zwar um so mehr, als ich der einzige Gegenstand solcher Auszeichnung war; denn gegen viele Damen von Stande beobachtete er gleichzeitig auch nicht die geringste Rücksicht.

»War mir dies schon angenehm, so war es eine gewisse Veränderung, die sich in seinem Betragen gegen mich bald wahrnehmen ließ, vielleicht noch mehr. Er nahm jetzt ein sanfteres und zärtlicheres Wesen an und schmachtete und seufzte unaufhörlich. Zu Zeiten, ob es affectirt oder natürlich war, will ich nicht entscheiden, überließ er sich zwar seiner gewohnten ausgelassenen Lustigkeit; allein dies war stets in öffentlicher Gesellschaft und anderen Damen gegenüber der Fall; denn selbst in einem Contretanze, in dem er nicht mein Tänzer war, ward er ernst und nahm den zärtlichsten Blick an, so wie er in meine Nähe kam. Kurz er zeichnete mich in jeder Hinsicht so auffallend aus, daß ich hätte blind sein müssen, um es nicht zu bemerken. Und, und, und –« »Und das freute Dich noch mehr, liebe Henriette,« rief Sophie: »Du brauchst Dich dessen nicht zu schämen,« setzte sie seufzend hinzu; »denn wahrhaftig es liegen unwiderstehliche Reize in der Zärtlichkeit, die leider zu viele Männer zu erheucheln fähig sind.« – »Wohl wahr,« versetzte ihre Cousine, »Männer, denen es in jeder andern Beziehung an gemeinem Menschenverstande fehlt, sind wahre Machiavels in der Kunst zu lieben. Ich wünschte, es wäre mir kein Beispiel bekannt. – – Genug, die Lästerzungen fingen nun an sich eben so eifrig über mich herzumachen, als zuvor über meine Tante; und einige gute Damen nahmen keinen Anstand zu behaupten, daß Herr Fitzpatrick einen Liebeshandel mit uns beiden unterhielte.

»Aber was zum Verwundern scheinen mag, ist, daß meine Tante niemals bemerkte, oder nicht im Geringsten zu argwöhnen schien, was aus unser beider Betragen, meiner Meinung nach, deutlich genug ersichtlich war. Man möchte wirklich glauben, daß die Liebe die Augen einer alten Frau mit Blindheit schlüge. Denn wahrlich, sie verschlingen mit solcher Begierde die ihnen dargebrachten Huldigungen, daß sie, gleich einem unersättlichen Schlemmer, keine Muße finden zu beobachten, was am nämlichen Tische unter den Uebrigen vorgeht. Dies habe ich nicht blos in meinem Falle beobachtet, und es bestätigte sich bei meiner Tante in solchem Umfange, daß, obgleich sie uns bei ihrer Rückkehr vom Brunnen oft beisammen fand, die geringste, Ungeduld über ihre Abwesenheit ausdrückende Redensart von ihm in der That allen Verdacht zerstreute. Eine List namentlich, deren er sich gegen sie bediente, gelang ihm ausnehmend. Er behandelte mich nämlich wie ein kleines Kind und nannte mich in ihrer Gegenwart nie anders als schönes Fräulein. Dies verletzte mich nun zwar ein wenig; allein ich durchschaute die Sache bald, vorzüglich da er mich in ihrer Abwesenheit, wie schon gesagt, ganz anders behandelte. Wenn mich nun aber auch ein Benehmen, dessen Zweck ich entdeckt hatte, nicht sehr beleidigte, so hatte ich dennoch schmerzlich darunter zu leiden; denn meine Tante nahm mich wirklich für das, wofür mich ihr Geliebter (denn dafür hielt sie ihn) scheinbar erklärte und behandelte mich in jeder Hinsicht ganz wie ein Kind. Fürwahr, ich wundere mich, daß sie nicht darauf gedrungen hat, mir wieder Gängelbänder anzulegen.

»Endlich hielt es mein Geliebter (denn das war er) für schicklich, mir in feierlichster Form ein Geheimniß zu offenbaren, das mir schon längst bekannt gewesen war. Er trug jetzt alle Liebe, die er meiner Tante vorgespiegelt hatte, auf mich über. Er beklagte sich in sehr rührenden Ausdrücken über ihr ermunterndes Entgegenkommen und rechnete sich die langweiligen Stunden, die er bei ihrer Unterhaltung zugebracht hatte, zum Verdienst an. – Was soll ich Dir nun sagen, meine theure Sophie? – Wohlan, ich will die Wahrheit gestehen. Mein Mann gefiel mir, und ich war erfreut über meine Eroberung. Mit meiner Tante zu rivalisiren ergötzte mich; mit so vielen andern Frauen zu rivalisiren bezauberte mich. Kurz, ich besorge, daß ich mich, gerade nach der ersten Erklärung nicht so benommen habe, als ich sollte. –

»Jetzt sprach man laut, ich möchte fast sagen, man schrie über mich. Mehrere junge Damen gaben sich den Schein, mich nicht zu kennen, weniger vielleicht aus einem reellen Argwohn, als um mich aus einer Gesellschaft zu verbannen, in der ich ihren Liebling zu sehr an mich zog. Und hier kann ich nicht umhin, dankbar des Wohlwollens zu gedenken, das mir Herr Nash bewies, indem er mich eines Tages bei Seite nahm und mir einen Rath ertheilte, der, wenn ich ihn befolgt hätte, mir vieles Unglück erspart haben würde. Kind, sagte er, es thut mir leid zu sehen, daß ein so vertrautes Verhältniß zwischen Ihnen und einem Menschen stattfindet, der Ihrer durchaus unwürdig ist und, ich fürchte, Sie in's Verderben stürzen wird. Was Ihre alte häßliche Tante betrifft, so würde ich, wäre es nicht eine Ungerechtigkeit gegen Sie und meine liebliche Sophie Western (ich versichere Dich, daß ich seine Worte wiederhole) mich herzlich darüber freuen, daß sich der Mensch in Besitz aller ihrer Habseligkeiten setzte. Alten Frauenzimmern rathe ich nie: denn haben sie sich einmal in den Kopf gesetzt, zum Teufel zu gehen, so ist es eben so wenig mehr möglich, als der Mühe werth, sie davon abzuhalten. Unschuld und Jugend und Schönheit sind eines bessern Schicksals werth, und ich möchte sie gern vor seinen Klauen bewahren. Lassen Sie sich, liebes Kind, von mir rathen und dulden Sie es nie, daß dieser Mensch sich wieder Vertraulichkeiten gegen Sie erlaubt. – Er sagte mir noch vieles andere, was ich wieder vergessen habe, weil ich damals wirklich sehr wenig darauf achtete; denn meine Neigung widersprach allem, was er sagte; und überdies konnte ich mich nicht überreden, daß sich Frauen von Stande gegen einen Mann, wie er ihn mir schilderte, bis zu Vertraulichkeiten herablassen würden.

»Aber ich fürchte, meine Liebe, Dich durch eine ausführliche Beschreibung so vieler unbedeutender Umstände zu ermüden. Um daher kurz zu sein, stelle Dir mich verheirathet vor, stelle Dir mich und meinen Gemahl meiner Tante zu Füßen liegend vor, und dann stelle Dir vor das verrückteste Weib in Bedlam in einem Wuthanfalle, und Deine Einbildungskraft wird Dir nicht mehr vorhalten, als was sich wirklich ereignete.

»Gleich den darauf folgenden Tag verließ meine Tante den Ort, theils um ein Zusammentreffen mit Fitzpatrick oder mir, theils auch wohl mit jedem andern zu vermeiden; denn, obgleich ich gehört habe, daß sie seitdem Alles standhaft geleugnet hat, so glaube ich doch, daß sie damals über ihre Täuschung ein wenig beschämt war. Nach dieser Zeit habe ich viele Briefe an sie geschrieben, aber nie eine Antwort erhalten können, was, ich muß es gestehen, um so kränkender ist, als sie es doch gerade war, die, wenn auch absichtslos, den Grund zu allen meinen Leiden legte: denn wäre es Fitzpatrick nicht unter dem Scheine, ihr den Hof zu machen, möglich geworden, er würde nie hinreichende Gelegenheit gefunden haben, mein Herz zu gewinnen, das, wie ich mir noch jetzt schmeichle, unter andern Verhältnissen für einen solchen Mann keine so leichte Eroberung gewesen sein würde. Ueberhaupt glaube ich, ich würde mich nicht so gröblich in meiner Wahl geirrt haben, wenn ich mich auf mein eigenes Urtheil verlassen hätte; aber ich vertraute in allen Stücken der Meinung Anderer und hielt das Verdienst eines Mannes thörichter Weise für ausgemacht, weil ich ihn bei den Frauen so allgemein wohl aufgenommen sah. Worin liegt der Grund, liebe Sophie, daß wir, die wir in Hinsicht auf Verstand den Klügsten und Erfahrensten des andern Geschlechts nicht nachstehen, in der Wahl unserer Gesellschafter und Günstlinge so oft auf die albernsten Männer fallen? Es erregt meinen Unwillen im höchsten Grade, wenn ich an die Menge vernünftiger Frauen denke, die durch Narren unglücklich geworden sind.« Hier hielt sie einen Augenblick inne; aber da Sophie keine Antwort gab, so fuhr sie fort wie das nächste Kapitel berichtet.

Fünftes Kapitel. In welchem Madame Fitzpatrick ihre Erzählung fortsetzt.

»Wir hielten uns nach unsrer Verheirathung nicht länger als vierzehn Tage in Bath auf: denn zu einer Versöhnung mit meiner Tante war keine Aussicht vorhanden, und von meinem Vermögen konnte, da ich meine Volljährigkeit nicht erlangt hatte, an welcher über zwei Jahre fehlten, noch nichts erhoben werden. Mein Gemahl hatte daher beschlossen, nach Irland zu gehen, wogegen ich sehr ernstlich protestirte, indem ich mich auf ein Versprechen verließ, das er mir vor unserer Verheirathung gethan hatte und das darin bestand, mich nie gegen meinen Willen zu dieser Reise veranlassen zu wollen; und in der That war es meine Absicht, nie darein zu willigen, und niemand, glaube ich, wird mich darum verdenken; aber davon erwähnte ich gleichwohl nichts gegen meinen Gatten, sondern bat blos um einen Monat Aufschub; allein er hatte den Tag festgesetzt, und er beharrte an diesem Tage unbeugsam bei seinem Vorsatze.

»Den Abend vor unserer Abreise, als wir uns mit großer Heftigkeit über diesen Punkt stritten, stand er mit einemmale von seinem Stuhle auf und verließ mich eben so plötzlich, indem er sagte, er ginge in die Gesellschaftszimmer. Er war kaum hinaus, als ich am Fußboden ein Papier liegen sah, das er wahrscheinlich mit dem Taschentuche unversehens aus der Tasche gezogen hatte. Ich hob es auf, und da es ein Brief war, so nahm ich keinen Anstand, ihn zu öffnen und zu lesen; und ich habe ihn wirklich so oft gelesen, daß ich Dir ihn fast Wort für Wort wiederholen kann. Der Brief war folgender:

An Herrn Brian Fitzpatrick.

»Mein Herr!

»Zum Empfange Ihres Geehrten mich bekennend, bin ich erstaunt, daß Sie so an mir handeln, da ich noch nie Geld von Ihnen gesehen habe, außer für einen einzigen Rock von Halbtuch, und Ihre Rechnung beläuft sich nun auf mehr als 150 Pf. St. Bedenken Sie, wie oft Sie mich mit der Vertröstung hingehalten haben, Sie würden sich in Kurzem mit der oder jener Dame verheirathen; aber ich kann weder von Hoffnungen noch von Versprechungen leben, und den Tuchhändler kann ich davon auch nicht bezahlen. Jetzt sagen Sie mir, eine, die Tante oder die Nichte, wäre Ihnen gewiß, und die Tante, deren Witthum unermeßlich wäre, hätten Sie schon heirathen können, aber jetzt zögen Sie die Nichte vor, wegen ihres baaren Geldes. Ich bitte Sie, folgen Sie einmal dem Rathe eines Narren und heirathen Sie die erste, die Sie bekommen können. Sie werden mir verzeihen, daß ich Ihnen einen Rath gebe, aber Sie wissen, wie aufrichtig ich Ihr Bestes wünsche. Ich werde per nächste Post auf Sie ziehen, Ordre Herrn John Drugget und Comp., zahlbar vierzehn Tage dato, was Sie ohne Zweifel honoriren werden, und somit bin ich

»Ihr ergebener Diener,Sam. Cosgrave.«

»So lautete der Brief Wort für Wort. Denke Dir nun, Theure, denke Dir, welchen Eindruck dies auf mich machen mußte! »Jetzt zögen Sie die Nichte vor, wegen ihres baaren Geldes!« Wäre jedes dieser Worte ein Dolch gewesen, ich hätte sie ihm mit wahrem Vergnügen in das Herz bohren können; aber ich will nichts davon erzählen, wie unsinnig ich mich damals geberdete. Meine Thränen waren noch vor seiner Wiederkehr so ziemlich erschöpft, doch waren noch hinreichende Spuren derselben in meinen rothgeweinten Augen sichtbar. Er warf sich ungestüm in einen Stuhl, und eine lange Zeit schwiegen wir beide still. Endlich sagte er in einem hochfahrenden Tone, ich hoffe, Madame, daß Ihre Leute alle Ihre Sachen eingepackt haben; denn der Wagen wird früh um sechs Uhr da sein. Meine Geduld war durch diese Herausforderung gänzlich überwältigt und ich antwortete: Nein, dieser Brief da ist noch uneingepackt, wobei ich denselben auf den Tisch warf und in die bittersten Vorwürfe, die ich nur ersinnen konnte, ausbrach.

»Ob Schuld, ob Schaam oder Klugheit ihn in Schranken hielten, kann ich nicht sagen; aber trotzdem, daß er der leidenschaftlichste Mensch ist, wußte er doch seine Wuth damals zu zügeln. Er gab sich im Gegentheil Mühe, mich durch die gewinnendsten Mittel zu beruhigen. Er schwur, der Ausdruck in dem Briefe, worauf ich vorzüglich hindeutete, wäre nicht der seinige, auch hätte er niemals so etwas geschrieben. Er gestand allerdings ein, seiner Heirath und des mir gegebenen Vorzugs erwähnt zu haben, leugnete aber unter vielen Schwüren, einen solchen Grund dafür angegeben zu haben. Und er entschuldigte seine Erwähnung eines solchen Gegenstandes überhaupt damit, daß er in Geldverlegenheit gewesen wäre, als deren Grund er die durch seine zu lange Abwesenheit herbeigeführte Vernachlässigung seines Landgutes in Irland anführte. Dies mir zu entdecken, sagte er, hätte er nicht über sich gewinnen können, und darum allein habe er so fest auf unsrer Reise bestanden. Er wählte nun die zärtlichsten Ausdrücke und überhäufte mich endlich mit Liebkosungen und den wärmsten Versicherungen seiner Liebe.

»Ein Umstand war bei der Sache, der, obgleich er sich nicht darauf berief, bei mir sehr zu seinen Gunsten sprach, und das war das Wort Witthum in des Schneiders Briefe. Meine Tante ist aber doch nie verheirathet gewesen, und Herrn Fitzpatrick war das nicht unbekannt. Da ich mir also dachte, der Mann müsse das aus seinem eigenen Kopfe oder vom Hörensagen hinzugesetzt haben, so überredete ich mich, er könne es wohl ebenfalls mit jener verhaßten Zeile auf dieselbe Autorität hin versucht haben. Was für Schlüsse waren das nicht, liebe Sophie? war ich nicht eher ein Vertheidiger als ein Richter? Aber warum erwähne ich auch nur eines solchen Umstandes oder berufe mich auf ihn zur Rechtfertigung meiner Verzeihung? Denn hätte er auch zehnmal so viel Schuld auf sich gehabt und mir nur halb so viel Zärtlichkeit bewiesen, ich würde ihm doch verziehen haben. Ich machte nun keine Einwendungen weiter gegen unsere Reise, die wir am nächsten Morgen antraten und in wenig mehr als einer Woche beendet hatten, wo wir auf Fitzpatricks Landsitze eintrafen.

»Deine Neugierde wird mich entschuldigen, wenn ich Einiges, das sich auf unsrer Reise zutrug, aus meiner Erzählung ausschließe: denn es würde mir wirklich sehr lästig werden, Dir die ganze Reisebeschreibung zu geben, und Du würdest Dich eben so wenig daran ergötzen.

»Dieses Landhaus also ist ein altes Gebäude, das ich Dir, hätte ich noch jene alte Laune, in der Du mich so oft gesehen hast, lächerlich genug schildern könnte. Es sah aus als wäre es einstmals von einem Herrn bewohnt gewesen. Raum umfaßte es genug, um desto mehr, als es an Möbeln mangelte. Ein altes Weib, wohl eben so alt, wie das Haus, empfing uns vor der Thür und hieß mit einem, kaum einer menschlichen Stimme ähnlichen und mir unverständlichen Geheul ihren Herrn willkommen. Mit einem Worte, die ganze Scene war so düster und traurig, daß mir aller Muth sank; und anstatt ihn wieder zu erheben, vermehrte mein Gemahl vielmehr meine Niedergeschlagenheit durch einige boshafte Bemerkungen. Es giebt, sagte er, wie Du siehst, außerhalb England auch noch gute Häuser; aber vielleicht wärst Du lieber in einer schmuzigen Wohnung zu Bath gewesen.

»Glücklich, liebe Sophie, ist das Weib, das in allen Verhältnissen des Lebens einen guten Gatten zur Seite hat; doch warum denke ich an glückliche Umstände, die mir mein Elend nur noch drückender machen? Mein Gatte, weit entfernt, diese düstere Einsamkeit aufzuheitern, überzeugte mich bald, daß ich an jedem Orte und unter allen Umständen, unglücklich mit ihm gewesen sein müßte. Er war ein grämlicher Mensch, ein Charakter, wie er Dir vielleicht noch nie vorgekommen ist; denn Frauen bekommen ihn wirklich nur an Vätern, Brüdern oder Gatten zu sehen; und Dein Vater hat diesen Charakter nicht. Der Murrkopf war mir früherhin gerade als das Gegentheil von dem erschienen, was er jetzt war, und so auch allen andern. Guter Gott! wie ist es einem Manne nur möglich, mit seinem Betragen auswärts und in Gesellschaft beständig zu lügen und sich damit zu begnügen nur zu Hause in seiner unangenehmen Wahrheit zu erscheinen? Hier, scheint es, suchen sie sich für den lästigen Zwang zu entschädigen, den sie in Gesellschaft ihren Launen anlegen; denn ich habe die Bemerkung gemacht, daß mein Gemahl, je heiterer und fröhlicher gestimmt er jedes Mal in Gesellschaft gewesen, desto unfreundlicher und mürrischer zu mir zurückkehrte. Wie soll ich seine Grausamkeit schildern? Gegen meine Zärtlichkeit war er kalt und unempfindlich. Meine scherzhaften Einfälle, die Du, meine Sophie, und Andere so angenehm nanntet, wies er mit Verachtung zurück. War ich ernst gestimmt, so sang und pfiff er; und wenn ich niedergeschlagen und trostlos war, so ward er ärgerlich und schmähete mich; denn obgleich ihm meine gute Laune nie recht war und er sie nicht meiner Zufriedenheit mit ihm zuschrieb, so beleidigte ihn gleichwohl stets meine trübe Stimmung, und er sah darin das Gefühl der Reue, einen Irländer (wie er sich ausdrückte) geheirathet zu haben.

»Du wirst leicht begreifen, meine liebe Altklug (verzeihe mir, ich vergaß mich wirklich), daß, wenn ein Frauenzimmer im Sinne der Welt eine unkluge Heirath schließt, das heißt, wenn sie nicht so erbärmlich ist, sich von pecuniären Interessen bestechen zu lassen, dieselbe nothwendig eine herzliche Zuneigung für ihren Mann haben müsse. Eben so leicht wirst Du glauben, daß diese Zuneigung unter Umständen vermindert werden könne; ja, ich sage Dir, Verachtung wird sie gänzlich ausrotten. Und Verachtung war es, was mich jetzt gegen meinen Gatten erfüllte, indem ich zu der Ueberzeugung gelangte, daß er – ich muß den Ausdruck brauchen – ein Erzdummkopf ist. Vielleicht wirst Dich wundern, daß ich diese Entdeckung so spät erst machte; aber Frauen suchen und finden tausend Entschuldigungen für die Geistarmuth derjenigen, die sie lieben: überdies, erlaube mir, dies zu bemerken, gehört ein geübter Scharfblick dazu, einen Thoren hinter der Maske geselligen Anstriches und guter Erziehung herauszufinden.