Traummann auf Bestellung - Christiane Bößel - E-Book
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Christiane Bößel

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Beschreibung

Verliebt in den wahr gewordenen Traummann – doch er verschwindet immer wieder …
Die humorvolle Romantasy für gemütlich-unterhaltsame Lesestunden

Als Traumwandlerin zaubert Adalize Collins die Wünsche und Fantasien von Frauen in die Wirklichkeit. Der Anblick von attraktiven Männern ist für sie daher so alltäglich wie der morgendliche Kaffee. Doch als Jaxon, der manifestierte Traummann einer Kundin, plötzlich vor ihrer Tür steht und Ada um Hilfe bittet, kann sie dem ungehobelten Charme und dem liebenswerten Lächeln des Dreamboys nur schwer widerstehen. Doch Jax hat ein kleines Problem: Er löst sich ständig in Luft auf. Um zusammen sein zu können, brauchen Ada und Jax dringend Unterstützung von jemandem, der sie ihnen verweigert … Schafft es ihre Liebe in die Realität?

Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits erschienenen Titels Dream Men Come True.

Erste Leser:innenstimmen
„Die Idee von Traumwandlerinnen hat mich sofort angesprochen und die Umsetzung meine Erwartungen übertroffen!“
„Unterhaltsame Fantasy trifft romantische Liebesgeschichte!“
„Humorvoll und locker geschrieben, sodass man nur so durch die Seiten fliegt.“
„Originell, spannend, witzig, gefühlvoll – sehr empfehlenswerte Romantasy!“

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Seitenzahl: 474

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Über dieses E-Book

Als Traumwandlerin zaubert Adalize Collins die Wünsche und Fantasien von Frauen in die Wirklichkeit. Der Anblick von attraktiven Männern ist für sie daher so alltäglich wie der morgendliche Kaffee. Doch als Jaxon, der manifestierte Traummann einer Kundin, plötzlich vor ihrer Tür steht und Ada um Hilfe bittet, kann sie dem ungehobelten Charme und dem liebenswerten Lächeln des Dreamboys nur schwer widerstehen. Doch Jax hat ein kleines Problem: Er löst sich ständig in Luft auf. Um zusammen sein zu können, brauchen Ada und Jax dringend Unterstützung von jemandem, der sie ihnen verweigert … Schafft es ihre Liebe in die Realität?

Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits erschienenen Titels Dream Men Come True.

Impressum

Überarbeitete Neuausgabe März 2024

Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98998-022-8 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98998-083-9

Copyright © 2020, dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2020 bei dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH erschienenen Titels Dream Men Come True (ISBN: 978-3-96817-349-8).

Covergestaltung: ArtC.ore-Design / Wildly & Slow Photography unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com: © imran shutterstock.com: © Angyee Patipat, © Andrew Rybalko Lektorat: Regina Meißner

E-Book-Version 25.06.2024, 14:24:26.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Traummann auf Bestellung

1

Adalize

Aus dem Off hört man eine Achtzigerjahre-Liebesschnulze. Oben ohne und in gestreiften Boxershorts liegt er auf einer karierten Picknickdecke im Gras. Um ihn herum schwirren bunte Schmetterlinge und naschen am Nektar der noch bunteren Blüten. Die Sonne scheint. Nur eine einzige wollige Wolke in Form eines Herzens durchbricht das perfekte Blau des Himmels.

Nichts Außergewöhnliches also. Unkreativ unspannend. Und schon gefühlt eine Million Mal mit nur minimalen Veränderungen gesehen. Gähn. Manchmal langweilt mich mein Beruf. Haben die Leute nicht mehr Fantasie?

Als die Frau die Szene betritt, richtet sich der Mann auf und breitet lächelnd die Arme aus. In ihrem weißen Sommerkleid, das in der leichten Brise mit ihrer hellen Wallemähne um sie herumweht, tänzelt sie auf ihn zu.

In Wirklichkeit ist sie nicht blond und langhaarig, sondern trägt ihre straßenköterbraunen Haare in einem knabenhaften Pixieschnitt. Ich notiere mir, sie zu erinnern, dass sie ihr Produkt vor unserem finalen Treffen über ihr wahres Aussehen informieren sollte, um Komplikationen zu vermeiden. Viele Männer sind nicht begeistert, wenn ihre Partnerin plötzlich ganz anders aussieht als gewohnt. Oder zumindest verständlicherweise verwirrt.

Außer einem silbernen, leise bimmelnden Knöchelkettchen ist sie barfuß. Mit einem Gurren schmiegt sie sich in seine Arme. Sofort fangen die beiden an, sich zu küssen. Seine Hände wandern ihren Rücken hinunter und bleiben auf ihren Hüften liegen. Seine Erektion ist in den Boxershorts deutlich zu erkennen. Selbst aus der Entfernung.

Jetzt wechselt die Musik, Geigen erklingen, werden lauter und setzen zum Finale an. Dazu Vogelgezwitscher.

Für heute habe ich genug gesehen. Leise erhebe ich mich hinter dem Busch, der mich verborgen hat und schleiche davon.

Anfangs kam ich mir oft wie ein Spanner vor. Aber es gehört nun mal zu meinem Job, verliebte Paare bei allen möglichen Dingen zu beobachten. Auch bei intimen. Die Szene eben wird vermutlich in Sex enden, wie die meisten Besuche bei meinen Kunden.

Nur einen Augenblick später bin ich wieder zuhause und lasse mich auf das Sofa fallen. Nach einem Besuchstermin brauche ich immer ein wenig Ruhe, um mich zu sammeln. Zwar ist die Prozedur an sich – mein Arbeitsweg quasi – für mich so einfach wie atmen, doch die vielen Gefühle, denen ich ständig ausgesetzt bin, sind dafür umso anstrengender. Nicht körperlich, vielmehr seelisch. Wird Zeit, dass ich mal wieder einen Auffrischungskurs zum Energieabschotten besuche. Das goldene Ei, das ich zum Schutz um mich herum aufbaue, schwächelt schon lange.

Mom hat mit den vielen Fremdenergien keine Probleme, meint, ich sei viel zu sensibel. Mag sein, aber jeder ist eben, wie er ist. Vielleicht wird es leichter, wenn ich älter bin.

Obwohl es bereits weit nach Mitternacht ist und ich beinahe im Stehen einschlafe, gehe ich nicht sofort ins Bett. Im Bad ziehe mich aus und drehe das Wasser in der Dusche auf. Ich warte, bis unser alter Boiler blubbernd zum Leben erwacht. Dann stelle ich mich unter den Strahl. Das heiße Wasser trommelt auf meinen Kopf und rinnt meinen Körper hinab. Mit geschlossenen Augen genieße ich die Dusche, die mich nicht nur vom Schmutz und Schweiß des Tages, sondern auch von den Energien und Gefühlen anderer Menschen reinigt.

2

Jaxon

Diesmal liege ich nackt in einem riesigen Bett. Wie ich hierhergekommen bin, weiß ich nicht. Wie immer. Plötzlich bin ich eben einfach irgendwo. Manchmal bin ich vollständig angezogen, manchmal – wie heute – nicht. Ich bin ohnehin lieber nackt. Die Anzüge, die ich in letzter Zeit öfters tragen musste, sind unbequem. Genauso wie die Jeans und die Lederjacke, aber wenigstens fühle ich mich darin einigermaßen wohl. Die graue Jogginghose vom letzten Mal war gut, bequem, keine eingequetschten Eier, kein Rubbeln auf der Haut.

Aber unabhängig davon, was ich trage, sie zieht mich innerhalb kurzer Zeit ohnehin aus. Oder sie verlangt von mir, dass ich für sie strippe. Ihre Stimmung dagegen ist nicht so berechenbar wie ihr Verhalten. Jedes Mal ist sie anders. Das nervt, aber wenigstens bleibt so unser Liebesleben spannend. Sex ist das, was wir am häufigsten tun. Ficken, poppen, rammeln, miteinander schlafen. Was davon es wird, entscheidet meistens sie. Und ich passe mich an. Mir ist es egal, wie ich sie bekomme. Unter mir oder über mir oder vor mir. Sie ist mir in allen Stellungen recht. Hauptsache, ich kann meinen Schwanz in ihre gierige Möse stecken. Sie mag es, wenn ich solche Sachen zu ihr sage. Dirty Talk nennt sie das. Ich brauche das nicht. Viel Reden ist nicht so meins. Erst recht nicht mit ihr.

Nur selten unternehmen wir auch mal etwas anderes. Gehen zum Tanzen oder zu einem Konzert. Gemeinsam im Urlaub waren wir auch schon, inklusive Sex am Strand unterm Sternenhimmel. So glücklich und zügellos habe ich sie selten erlebt.

Ständig sagt sie mir, wie sehr sie mich liebt. Ich antworte immer brav mit „Ich dich auch.“ Doch im Grunde ist sie mir schnurz. So gefühlsmäßig meine ich. Ich hänge nicht an ihr oder verzehre mich nach ihr. Ehrlich gesagt kann ich sie nicht einmal besonders gut leiden. Wenn sie nicht auftauchen würde, würde ich sie nicht vermissen. Aber ich mag den Sex mit ihr, tue grundsätzlich, was sie mir sagt, auch wenn ich keine Ahnung habe, wieso, befriedige sie und hole mir meine eigene Erleichterung. Ein Arrangement also, von dem beide Seiten profitieren.

Während ich auf sie warte und dabei mit meinem Schwanz spiele, schaue ich mich um, wo ich diesmal gelandet bin. Ein Schlafzimmer. Draußen scheint die Sonne, einzelne Strahlen fallen durch das Fenster und malen glitzernde Streifen auf den Holzfußboden. Außer einem Nachtkästchen, auf dem eine Flasche und zwei Gläser stehen, ist der Raum leer. Champagner schmeckt mir nicht, Bier ist mir lieber, aber wenn sie es will, muss ich dieses blubbernde Gesöff trinken. Sie schüttet es wie Wasser in sich hinein. Einen Schrank oder Kleidung kann ich nicht entdecken. Offenbar bleiben wir heute hier. Na gut. Soll mir recht sein. Wobei es auch schon passiert ist, dass ich von einem Moment auf den anderen etwas anhatte. Einfach so. Ohne den Zwischenschritt des Anziehens.

Gleich wird sie hereinschneien. Das weiß ich, weil ihr Erscheinen immer mit Musik angekündigt wird. Meistens spiegelt diese auch ihre Stimmung wider. Heute ist die Melodie leise. Und furchtbar schnulzig. Kerzen tauchen auf dem Fensterbrett auf und die Sonne geht auf einmal unter und überflutet das Zimmer mit orangem Licht. Es riecht nach Blumen. Rosen vielleicht. Keine Ahnung. Bin ja kein Gärtner. Ist auch egal. Ich brauche das ganze Gedöns nicht. Aber weil sie es glücklich und willig macht, protestiere ich nicht. Ich bin schließlich kein Unmensch.

Von einer Sekunde auf die andere räkelt sie sich vor mir auf dem Bett. Ebenfalls nackt. Ihre Nippel recken sich mir entgegen. Lecker sieht sie aus, wie sie da so liegt und mich lasziv angrinst. Ich will in sie. Also beuge ich mich vor und küsse sie. Meine Zunge klopft an ihre Lippen und sie gewährt mir Einlass. Eine Weile küssen wir uns, während mein Penis aufrecht und ungeduldig darauf wartet, endlich loslegen zu dürfen.

„Nimm mich. Jetzt!“, haucht sie zwischen den Küssen.

Das lasse ich mir nicht zweimal sagen, drücke sie rückwärts auf die Matratze und versenke mich in ihr, stoße in sie, bis sie am ganzen Körper zitternd den Höhepunkt erreicht. Beim Kommen schreit sie meinen Namen, wimmert und bettelt, ich solle bitte bitte nicht aufhören. Ich pumpe und stoße, gebe ihr, was sie verlangt und braucht. Sie klammert sich mit Beinen und Armen an mich, biegt sich mir entgegen und kommt kreischend ein weiteres Mal. Ihre Vagina zieht sich um mich zusammen, massiert meinen ohnehin schon schmerzhaft harten Schwanz. Noch einmal erschaudert sie, presst den Kopf ins Kissen, vergräbt ihre Nägel in meine Schultern. Als ich merke, wie sie erschöpft erschlafft – das Zeichen, dass sie genug hat –, konzentriere ich mich auf mich und befriedige mich an ihr, bis ich meinen Saft in sie spritze.

Befriedigt rolle ich mich von ihr herunter. Sie schmiegt sich seufzend an mich und schließt die Augen. Nach ein paar Minuten atmet sie ruhig und gleichmäßig. Sie schläft. Ich nicht. Ich habe noch nie geschlafen. Stattdessen halte ich sie in meinen Armen und warte, was weiter passieren wird.

Mir ist langweilig. So lange schläft sie sonst nie. Normalerweise nickt sie nur kurz ein oder ruht sich aus, bevor wir eine zweite oder dritte oder vierte Runde einlegen. Sie ist es, die die Regeneration braucht. Ich nicht. Ich kann immer. Sie hat mir mal erzählt, dass das nicht bei allen Männern so ist. Was jucken mich andere Männer?

Mir ist so langweilig.

Kurzentschlossen stecke ich meinen Kopf unter die Decke und robbe nach unten, lecke über ihre, von meinem Saft noch feuchte Muschi, und versuche, sie auf diese Weise aufzuwecken. Was funktioniert, denn nach nur wenigen Zungenschlägen windet sie sich stöhnend und drückt meinen Kopf fester zwischen ihre Beine. Es dauert eine Weile, bis sie kommt. Das ist meistens so, wenn sie geschlafen hat. Noch bevor ihr Orgasmus ganz verklungen ist, richte ich mich wieder auf, drehe sie auf den Bauch und besteige sie von hinten.

„Wir müssen reden“, sagt sie, als wir danach schwer atmend nebeneinanderliegen. Sie rappelt sich auf und stützt sich auf ihren Ellbogen.

Mich zu konzentrieren fällt mir schwer, weil mich ihre Nippel anstarren. „Reden?“, stoße ich hervor und lecke mir die Lippen. Aber weil sie die Augen verdreht, reiße ich mich zusammen und erwidere ihren Blick.

Sie beugt sich über mich und kreist mit dem Zeigefinger um meine Brustwarze. „Wie würdest du es finden, wenn wir für immer zusammen sein könnten?“

Ich verstehe nicht, was sie meint. „Sind wir doch.“

Sie öffnet den Mund, holt Luft, schließt ihn wieder. Seufzt.

„Na ja, eigentlich …“ Sie stoppt und knabbert an ihrem Daumennagel. „Vergiss es. Küss mich lieber.“

Keine Ahnung, was mit ihr los ist. Aber ich denke nicht weiter darüber nach und drücke meinen Mund auf ihren.

3

Adalize

Mein Wecker reißt mich nur gefühlte fünf Minuten später, nachdem ich mich hingelegt habe, aus einem tiefen Schlaf. Müde reibe ich mir die Augen und versuche mich zu erinnern, warum ich so früh aufstehen soll. Ach ja, der Frühstückstermin. Die Frau von heute Nacht, eine nette, aber ungeduldige Person, die nur schwer davon zu überzeugen war, dass ich nicht allein durch ein Fingerschnippen ihre Wünsche und damit meinen Auftrag erfüllen kann. Ein wenig Vorlauf brauche ich durchaus. Und dazu gehören nun mal die nächtlichen Besuche.

Ich bin keine große Frühstückerin, ein Kaffee und eine Stunde schweigen und die Wand anstarren reichen mir. Doch weil Miss Endevor ohnehin nicht lockergelassen hätte, habe ich zugestimmt, sie noch vor ihrem Arbeitsbeginn als Staatsanwältin zu treffen.

Wir haben uns in einem kleinen Café unweit des Gerichtsgebäudes verabredet. Als ich den Gastraum betrete, sitzt meine Kundin bereits an einem Tisch am Fenster und telefoniert. Mit ihrer perfekt manikürten Hand winkt sie mich zu sich. Es ist immer wieder seltsam, die unterschiedlichen Versionen meiner Kundinnen zu erleben – die im Traum und die in der Realität. Miss Endevor ist eine der Frauen, die im Traum das genaue Gegenteil ihres wachen Ichs darstellen. Hier ist sie die disziplinierte, knallharte Juristin, die ohne mit der Wimper zu zucken auf Todesstrafe plädieren würde. Dort ist sie sorglos, fröhlich, ein Hippie-Girlie, das auf Sommerblumenwiesen herumtollt. Heute trägt sie ein Twinset aus Bleistiftrock und Seidenbluse, die raspelkurzen Haare glatt an den Kopf gegelt, die Lippen im gleichen Rot bemalt wie ihre Fingernägel. Ganz anders als das ungeschminkte, natürlich strahlende Mädchen von heute Nacht.

Was ihren Traummann angeht, hat sie bis jetzt nur die Wahrheit gesagt. Ihre Beschreibung passt in jedem Detail zu dem Kerl, den ich gestern beobachtet habe. Etwas anderes hätte mich bei einer Staatsanwältin auch gewundert. Unser aktuelles Treffen ist angesetzt, um noch mehr über ihn zu erfahren und einen weiteren Besuchstermin zu vereinbaren. Danach kann ich abschätzen, ob weitere Vorabbesuche nötig sind oder der Auftrag zeitnah abgeschlossen werden kann.

Mit einem kurzen „Wir sehen uns heute Nachmittag“ beendet sie ihr Telefonat und steckt ihr Smartphone zurück in ihre Designer-Handtasche. Mom besitzt die gleiche, deswegen weiß ich, wie teuer die war.

„Miss Collins, schön, dass Sie es geschafft haben. Setzen Sie sich. Was darf ich Ihnen bestellen?“, begrüßt sie mich herzlich.

„Nur einen Kaffee, danke.“

Ich erwidere ihr Lächeln. Erfolgreiche und immer top gestylte Frauen wie sie sind zwar zuweilen anstrengend und erinnern mich an mein ganz und gar nicht perfektes Leben, trotzdem mag ich sie. Bewundere insgeheim ihre zielstrebige Art und ihren Mut, den Schritt zu wagen, wegen dem wir uns gerade treffen. Ein Schritt, der ihr Leben ungleich mehr beeinflussen wird als ein gewonnener Gerichtsfall. Sie wedelt mit der Hand, woraufhin eine Bedienung erscheint und mir eine Speisekarte auf einem Klemmbrett reicht. Ungesehen gebe ich sie ihr zurück und wiederhole, dass ich nur einen Kaffee möchte. Ohne Milch, dafür mit viel Zucker. Nach langen Nächten wie der gestrigen brauche ich besonders viel davon. Nicht, weil meine Live-Recherche so lange gedauert hätte. Miss Endevor geht schlichtweg so spät ins Bett, dass ein früherer Traumbesuch nicht möglich war. Ich muss für das nächste Mal unbedingt auf einen Termin vor zwei Uhr morgens bestehen. Nur mühsam kann ich ein Gähnen unterdrücken. Sie dagegen sieht frisch und ausgeruht aus. Wie macht sie das nur? Gute Gene? Eigener Make-up-Artist? Vielleicht hat sie durch ihren Beruf auch einfach Kontakte zum Drogenmilieu. Wäre es sehr aufdringlich, sie zu fragen, welche Aufputschmittel sie nimmt?

Schweigend warten wir, bis die Bedienung meinen Kaffee bringt und ich daran nippe. Miss Endevor hat ihre Ellbogen auf der Tischplatte abgestützt, ihr Kinn ruht in ihren Händen.

„Ist er nicht wunderbar?“, schwärmt sie.

Nickend bestätige ich, schlucke meinen Kaffee hinunter und bekräftige: „Ja, ist er.“

Es steht mir nicht zu, Urteile über die Partner der Kundinnen zu fällen. Mir müssen sie nicht gefallen, sondern ihnen. Und schließlich entstammen die Männer auch nicht meiner Fantasie. Ohnehin ist das Exemplar der Kundin eher Durchschnitt als herausragend. Zugegeben gehobener Durchschnitt, aber doch Mainstream. Auch wenn sich die Vorlieben bezüglich Aussehen und Charakter alle paar Jahre ein wenig verändern, zeichnet sich doch immer mehr der Trend zu „echten Kerlen“ ab.

„Wann machen wir weiter? Ich kann es kaum erwarten, ihn endlich in meine Arme zu schließen.“ Sie trommelt mit den Fingern auf dem Tisch.

Diese Ungeduld ist typisch. Die meisten Frauen warten schließlich jahrelang darauf, dass ihr Traum endlich wahr wird.

„Ich würde Sie bitten, vor unserem nächsten Termin unser ganztägiges Seminar Richtiges Träumen zu besuchen. Das ist wichtig, damit Sie beim finalen Manifestieren das erforderliche geschützte Setting erschaffen. Es würde auch ohne funktionieren, aber so machen Sie Ihrem Partner den Übergang leichter.“

Sie sieht mich ernst an und nickt. „Wie bei einer Geburt, meinen Sie? Raus kommen sie alle, aber eine natürliche Geburt in schöner Umgebung ist angenehmer als eine Sturzgeburt oder mit Saugglocke in einem sterilen Kreißsaal mit Neonröhren.“

Die Frau ist schlau. „So ist es“, bestätige ich lächelnd. „Schöner Vergleich.“ Mit einem stolzen Gesichtsausdruck lehnt sie sich zurück.

„Ist Ihr Partner denn besonders sensibel oder sollte ich auf etwas Spezielles achten?“

Auch Miss Endevors Mann entspricht dem gängigen Mainstream-Klischee. Groß und breitschultrig, mit ungekämmten Haaren, Dreitagebart und tiefsinnigen Augen. Ob man mit ihm auch so tiefsinnige Gespräche führen kann, konnte ich bei meinem ersten Besuch noch nicht herausfinden. Geredet hat er auf jeden Fall nicht viel. Gar nichts, genauer gesagt. Offenbar will Miss Endevor in ihren Träumen keine langen Plädoyers halten und lieber schnell zur Sache kommen. Verständlich eigentlich.

Der Erstkontakt mit den Produkten dient lediglich dazu, einen Eindruck über Situation, Paarkonstellation und Charakter zu gewinnen. Meine Intuition und Erfahrung sprechen zu lassen, mich in den Auftrag einzufühlen.

Mit den Fingern am Kinn überlegt sie. „Nein, er ist intelligent, aber besonders sensibel ist er nicht. Er hat eher … andere Talente.“

Verstehe.

„Dann sollte es kein Problem sein, ihn sicher und ohne große Anpassungsschwierigkeiten zu überführen. Der nächste Termin ist dafür gedacht, mich bei ihm vorzustellen und ihn in das Procedere einzuweisen. Ihre Aufgabe ist es zwischenzeitlich, ihm die Rahmenbedingungen zu erklären.“

Sie seufzt. „Und wie bringt man jemandem schonend bei, dass er bis jetzt nur im Traum existiert hat und daraus quasi herausgezaubert und in eine echte Person verwandelt werden soll?“

Tatsächlich ist das das Schwierigste. Aber die Erfahrung zeigt, dass es für die Männer leichter zu verstehen und zu verkraften ist, wenn es ihnen eine liebende Person nahebringt.

„Auch das ist Teil des Seminars. Machen Sie sich keine Sorgen. Sie sind Staatsanwältin. Sie können sicher gut argumentieren.“ Damit will ich sie ermutigen, doch sie schaut nur noch besorgter.

„Dabei geht es aber nie um die Liebe meines Lebens.“

Beinahe tut sie mir leid. Aber da muss sie durch. Wie alle Kundinnen.

„Sie werden das schaffen. Alles wird gut. Das Seminar findet in drei Tagen statt. Können Sie das terminlich einrichten?“ Sie zieht einen in Leder gebundenen Filofax aus ihrer Designer-Handtasche, blättert darin herum und nickt.

„Bis dahin machen Sie weiter wie bisher. Genießen Sie die letzten Tage in der jetzigen Konstellation und freuen Sie sich auf das Kommende.“

4

Jaxon

Wie immer warte ich auf Mia. Heute befinde ich mich in einem leeren Raum ohne Fenster. Nicht einmal einen Stuhl gibt es, sodass ich planlos herumstehen muss. Selbst die Wände sind kahl und als Lichtquelle dient eine funzelige Glühbirne ohne Lampenschirm. Nur ein dicker Teppich bedeckt den Boden. Seltsam, sonst ist ihr eine schöne Umgebung so wichtig. Dass keine Musik spielt, ist mir nur recht. Das Gedudel, für das sie sich die meiste Zeit entscheidet, nervt. Bekleidet bin ich mit schwarzen, enganliegenden Shorts.

Das Stehen wird langsam unbequem und ich überlege schon, ob ich mich auf den Teppich legen soll. Plötzlich kniet sie vor mir und fummelt an meiner Unterhose herum, zieht sie hastig nach unten bis zu den Knöcheln und packt mit festem Griff meinen Schwanz, der bereits zuverlässig hart und zuckend auf sie wartet. Ein paar Mal pumpt sie, bevor sie ihn in den Mund nimmt und mir einen bläst. Ich liebe es, wenn sie sich auf diese Weise um mich kümmert. Leider macht sie das nicht so oft. Ihr eigenes Vergnügen ist ihr wichtiger. Auf einmal lässt sie von mir ab und drückt mich zu Boden. Sie lüpft ihren Rock – keine Unterwäsche – und besteigt mich, reitet mich wild und ungezügelt, stöhnt mit zurückgelegtem Kopf. Mit beiden Händen knete ich ihre Brüste, die im Rhythmus ihrer heftigen Bewegungen schaukeln.

Was ist heute mit ihr los? So ist sie doch sonst nie. In der Regel bevorzugt sie zwar leidenschaftlichen, aber weniger emotionslosen Sex. Heute benimmt sie sich, als sei ich ein Spielzeug.

Sie verfällt in einen Orgasmus. Ihr Schaudern spüre ich bis in meine Eingeweide. Noch immer zitternd beugt sie sich nach vorn, reibt sich wie besessen an mir und kommt hechelnd ein zweites Mal. Dann erhebt sie sich, kauert sich vor mich und präsentiert mir ihr Hinterteil und ihre tropfende Möse.

„Fick mich. Schnell. Hart. Fest“, keucht sie.

Mein Schwanz ist schmerzhaft hart und sehnt sich nach Erlösung. Deswegen zögere ich nicht lange, gehe ebenfalls auf die Knie und dringe kommentarlos in sie ein. Versenke mich bis zum Anschlag in ihr und ficke sie, wie sie es von mir verlangt. Kralle mich in ihre Hüften und stoße, dass ihr Kopf wackelt. Sie schreit und windet sich, erreicht ihren dritten Orgasmus und bricht dann nach Luft schnappend zusammen. „Du darfst jetzt auch kommen“, krächzt sie und wieder befolge ich ihre Anweisungen, konzentriere mich auf meinen Schwanz in ihr und brülle meinen Höhepunkt heraus.

Was war denn das? Von mir aus kann sie sich gern öfters so seltsam benehmen.

Als ich wieder klar sehen kann und mir die verschwitzten Haare aus dem Gesicht streiche, sitzt Mia mit übergeschlagenen Beinen auf einem Hocker und betrachtet mich. Wo kommt der auf einmal her? Vorher war er eindeutig noch nicht da. Sie wirkt befriedigt und zufrieden, ihre Wangen sind immer noch gerötet. Ansonsten merkt man ihr den wilden Sex von eben nicht an. Sie sieht eher aus, als komme sie gerade aus diesem Schönheitssalon, von dem sie immer erzählt. Augen und Lippen sind perfekt geschminkt, die Frisur sitzt tadellos, Rock und Bluse sind faltenfrei. Ihre Finger mit den rosa lackierten Nägeln ruhen auf dem oberen Knie.

„Ich wollte dich nur ein letztes Mal testen.“

Testen? Ob ich sie befriedigen kann? Das habe ich doch schon oft bewiesen. Bei jedem verdammten Treffen. Und warum ein letztes Mal? Will sie mich verlassen? Ich kenne nur ein Leben mit ihr. Was sollte ich ohne sie machen? Auch wenn ich sie nicht liebe, weiß ich trotzdem nicht, wie es wäre, allein zu sein. Besonders scharf darauf, es zu erfahren, bin ich auch nicht. Ich bin verwirrt und öffne meinen Mund, um sie zu fragen. Aber sie stoppt mich mit einer Handbewegung. Wie ich das hasse, wenn sie mir das Sprechen verbietet.

„Schau nicht so verschreckt, Kleiner. Ich schieß dich nicht ab. Es war mir nur wichtig, das noch einmal hier drin zu tun.“

Hier noch einmal? Wir sind hier zum ersten Mal. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, schon einmal in diesem Raum gewesen zu sein. „Du hast den Test mit Bravour bestanden. Wie erwartet. Dann können wir ja loslegen.“

Aha, und mit was?

Es klopft. War die Tür schon die ganze Zeit da? Mia wedelt in meine Richtung.

„Machst du mal auf, bitte?“

Immer noch weiß ich nicht, was heute los ist, befolge aber lieber, was sie von mir verlangt. Beim Aufstehen ziehe ich meine Shorts nach oben. Zur Tür sind es nur drei Schritte. Zögerlich öffne ich sie.

Davor wartet eine Frau, um einiges älter als Mia, schätze ich, denn ihre langen Haare sind mit grauen Strähnen durchzogen. Seriös sieht sie aus und nicht so, als würde sie spontan zu einem Dreier erscheinen.

„Na endlich“, wird sie von Mia empfangen. Sie klingt genervt und ungeduldig. Warum ist sie zu der Fremden so unfreundlich?

Die Frau streckt mir ihre Hand hin. Doch bevor sie etwas sagen kann, wird sie von Mia unterbrochen. „Keine unnötigen Vorreden, nehmen Sie ihn einfach mit. Ich will die Sache endlich abschließen. Ich warte schon lange genug. Ich mache das hier nicht zum Spaß.“

Ich schon. Ich grinse.

Die Frau zieht ihre Hand zurück, lächelt mich freundlich an und wendet sich dann Mia zu. „Sie wissen, dass es für die Produkte nicht förderlich ist, sie ohne Vorbereitungen und Erklärungen aus ihrer gewohnten Umgebung zu reißen?“

„Jaja, das haben Sie ja mehrmals betont. Ebenso wie ich betont habe, dass mir das ziemlich egal ist, ob irgendetwas förderlich ist oder nicht. Ich will ihn jetzt haben. Ohne weitere Verzögerungen. Er wird es schon aushalten.“

Hä?

Die Frau zieht aus ihrer Handtasche ein Blatt Papier hervor, entfaltet es und reicht es Mia. „In diesem Fall unterschreiben Sie bitte dieses Formular, dass ich Sie über die Risiken aufgeklärt habe und die folgende Manifestation auf eigene Verantwortung Ihrerseits durchgeführt wird.“ Sie hustet. Schwankt, als sei ihr schwindlig. „Entschuldigen Sie, ich glaube, ich brüte irgendetwas aus.“

„Pech für Sie“, zischt Mia und schnappt sich das Papier. „Beug dich mal vor, ich brauche eine Schreibunterlage“, weist sie mich an. Bin ich ein verdammter Tisch? Soll sie doch den Hocker nehmen. Bevor ich protestieren kann, hat sie mich schon nach vorn gestoßen, sodass ich das Gleichgewicht verliere und auf den Knien lande. „Ich liebe es, wenn du vor mir kniest“, ätzt sie, legt das Formular auf mir ab und unterschreibt. Ich spüre das Kratzen des Stifts auf meiner nackten Haut. „Hier haben Sie Ihr blödes Formular.“

Hilfesuchend blicke ich zu der Frau, weil ich es aus unerfindlichen Gründen nicht selbst schaffe, mich zu wehren, geschweige denn aufzustehen. Bin wie festgeklebt auf diesem fucking Teppich. Doch sie hilft mir nicht, verzieht nur ein wenig den Mund.

Den Zettel nimmt sie mit ausdruckslosem Gesicht entgegen. Mia schnippt mit dem Finger und endlich reagiert mein Körper wieder und ich rapple mich auf und reibe meine schmerzenden Knie.

„Darf er noch etwas anziehen?“, fragt die Frau und mustert mich von oben bis unten.

„Wozu denn?“ Mia hat die Arme vor ihrem Busen verschränkt und tippt mit einem Bein auf den Boden. „Er wird schon nicht frieren.“ Seit wann ist sie so ungeduldig?

„Wie Sie wünschen“, antwortet die Frau und setzt ein gekünsteltes Lächeln auf. Falls Mia gemerkt hat, dass es erzwungen war, reagiert sie zumindest nicht darauf. Aber vermutlich hat sie es entweder nicht mitbekommen oder es kümmert sie schlichtweg nicht.

Wieder wendet sich die Frau mir zu, nimmt mich am Handgelenk und murmelt leise: „Entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten. Ich heiße übrigens Linda.“

5

Jaxon

„Wir sind da. Willkommen in Ihrem Leben in Olympia“, sagt die fremde Frau und lächelt mich wieder an. Diesmal echt und freundlich. „Ich wünschte, Sie wären besser vorbereitet gewesen. Es ist nicht gut, wenn die Produkte nicht wissen, was auf sie zukommt. Und vor allem warum. Es kann unangenehme Nebenwirkungen verursachen, so ganz ohne Einführung.“

Keine Ahnung, von was die redet.

Sie schnauft tief. „Hat Ihnen Miss Chang irgendetwas erzählt oder erklärt? Wissen Sie, wo Sie sind?“

„Nö. Wo soll ich denn sein?“

„Auf was habe ich mich da eingelassen? Ich hätte nie zustimmen dürfen“, murmelt sie. „Jetzt muss ich dem armen Jungen alles erklären.“ Wieder holt sie tief Luft und nimmt meine Hand. Drückt sie, als wolle sie mich trösten. Dabei bin ich gar nicht traurig. Nur verwirrt. „Kommt Ihnen das hier nicht alles anders als sonst vor?“

Ich sehe mich um, weil ich nicht weiß, was sie meint. Doch, stimmt. Nichts Bekanntes. Aber das ist nichts Ungewöhnliches. Ich befinde mich oft plötzlich in unerwarteten Situationen oder an unbekannten Orten.

„Miss Chang hat Ihnen gar nichts gesagt?“ Sie schaut ungläubig. Und ein wenig sauer. „Na gut. Dann werde ich Sie einweisen. Keine Sorge. Alles wird gut. Sie brauchen keine Angst haben.“ Hatte ich bis eben nicht. Erst, seit sie so komische Sachen redet. Sie schluckt, lässt meine Finger los und knetet ihre Hände. „Haben Sie sich nie gefragt, warum Sie immer an verschiedenen Orten sind? Warum plötzlich Dinge auftauchen oder wieder verschwinden? Was zwischen den Treffen passiert?“

Ich zucke die Schultern. „Nö. Warum sollte ich? Ich nehme an, Mia ist arbeiten.“

„Und Sie? Was machen Sie?“

Ich überlege. Tatsächlich erinnere ich mich nicht. Das sage ich ihr auch. „Keine Ahnung. Wo bin ich denn?“

„Sie …“ Sie schließt die Augen und greift wieder meine Hände. Kann sie sich mal entscheiden, ob sie Händchenhalten oder reden will? „O Mann, ist das schwierig“, sagt sie zu sich selbst. Was denn, verdammt? „Sie wissen nicht, wo Sie zwischen den Treffen sind, weil Sie dann nicht existierten. Also, ganz genau gesagt, existierten Sie bisher überhaupt nicht. Schon irgendwie. Aber nicht in echt. Verstehen Sie?“

Nein, ich verstehe gar nichts.

„Hä?“, ist deswegen das Einzige, das ich schaffe zu sagen.

„Sie sind ein Traummann.“

Ja, schon klar. Mia hat mir ja oft genug gesagt, wie toll ich bin. Baggert die mich etwa gerade an?

„Ich habe schon eine Frau.“ Linda ist heiß, aber viel zu alt. Noch älter als Mia.

„Ich weiß“, sagt sie leise. „Sie sind Miss Changs Traummann. Aber das Entscheidende ist, dass Sie bis vor kurzem wirklich nur ein Traummann waren. Im ganz wörtlichen Sinne. Ein Mann in einem Traum. In Miss Changs persönlichem Traum. Sie existierten nur, weil sie Sie erfunden hat und immer nur dann, wenn sie geschlafen und geträumt hat. Außerhalb von Miss Changs Träumen gab es Sie schlichtweg nicht. Sie hatten keinen freien Willen, nur in einem ganz begrenzten Rahmen, den sie Ihnen in ihren Träumen einräumte.“

Soll ich jetzt etwas sagen? Weil ich nicht weiß, was, schweige ich und starre sie nur ungläubig an.

„Sie sind der Mann, den Miss Chang schon lange liebt. Aber eben leider nur im Traum. Ohne reales Leben. Ohne normales Leben.“ Immer noch bleibe ich stumm. Die Worte verstehe ich natürlich, aber den Inhalt nicht. Ich fühle mich komisch. Als würde ein LKW auf mir parken. Mein Kopf ist mit Watte ausgestopft. Und mein Herz wummert. Rast wie nach einem Orgasmus. Aber das hier ist nicht gut. Was und wie es ist, kann ich noch nicht sagen. Ich weiß nur, dass ich lieber woanders wäre. Von mir aus auch bei Mia. „Verstehen Sie?“

Ich nicke. Schüttle den Kopf. Zucke die Schultern.

„Aha.“ Mehr ist leider nicht drin. Mehr schafft mein Gehirn gerade nicht. Was faselt die Alte da?

„Miss Chang wünscht sich, Sie an ihrer Seite zu haben. Für immer. Für alle sichtbar. Im echten Leben. Meine Aufgabe als Traumwandlerin war es, Sie aus den Träumen in die Realität zu holen, Sie zu manifestieren, wie es im Fachjargon heißt. Eigentlich werden die Männer von ihren Liebsten darauf vorbereitet, aber Miss Chang war … nennen wir es … ein wenig ungeduldig.“ Sie verzieht das Gesicht. „Deswegen sind Sie jetzt hier.“

Bin ich im falschen Film gelandet? Oder träume jetzt ich? Nein, ich schlafe ja nicht einmal.

Eine Weile redet sie auf mich ein, erzählt etwas von ihrer Firma, von Träumen und dass sie in die hineinspazieren kann. Von Frauen, die sich Männer nach ihren Vorstellungen zusammenfantasieren und sie steuern. Dass die Träumerinnen die jeweiligen Settings und was darin passiert aussuchen. Und sie berichtet von irgendwelchen Paaren aus Produkt und Meisterin, die sie schon zusammengeführt hat. So wie mich und Mia. Mich hat keiner gefragt, ob ich das will. Ich war ganz zufrieden, wie es war. Nicht einmal die Hälfte von dem allen kapiere ich auch nur annähernd.

Auf einmal habe ich das dringende Bedürfnis, meine Augen zu schließen und ich muss gähnen. Wie Mia nach zu viel Sex.

„Sie sind müde, das ist ganz normal, da Sie jetzt einen realen Körper besitzen. Sie haben nun die gleichen Bedürfnisse wie ein Mensch. Weil Sie nun selbst einer sind“, höre ich wie durch Nebel. „Schlafen Sie und ruhen Sie sich aus. Sie werden nach und nach alles verstehen.“

Sie führt mich in einen Nebenraum, in dem ein Bett steht und setzt mich darauf. Ich lasse mich auf den Rücken fallen, schaffe es aber nicht, meine Beine anzuheben, um sie auch auf die Matratze zu kriegen. Also packt Linda meine Knöchel und hilft mir. Dann deckt sie mich zu, streichelt mir über den Kopf und entfernt sich leise.

Warum zittere ich? Meine Haut sieht rau und pickelig aus und meine Nippel sind hart. Außerdem grummelt mein Bauch. Alles ist so schwer. Mein Körper, mein Kopf, meine Augenlider. Wenn sich die Realität so scheiße anfühlt, wäre ich lieber in meinem Zuhause geblieben. Im Traum.

„Wie geht es Ihnen?“

Ein kleiner Mann in weißem Kittel steht neben mir. Erst jetzt erinnere ich mich, wo ich bin. In einem Bett. Unter einer hellblauen Decke, die bis zur Brust um mich herumgestopft ist. Ich will antworten, aber meine Zunge ist trocken und klebt an meinem Gaumen.

„Ich bin Doktor Lewis und passe während des Übergangs auf Sie auf.“

Welcher Übergang? Wovon redet er? Und warum fühle ich mich so mies? Er streckt mir seine Hand entgegen. Was will er von mir? Verlegen kratze ich mich am Hals. Weil er seine Hand immer noch vor mich hält, lege ich vorsichtig meine hinein. Er schüttelt sie. Ist das ein Begrüßungsritual? Ich wünschte, Mia hätte mich besser auf all das hier vorbereitet. Ich wünschte, wir hätten nicht immer nur gefickt. Dann säße ich jetzt nicht wie ein Idiot hier in diesem fremden Zimmer, völlig ahnungslos von ihrer Welt und den Konventionen dort.

„Ich sehe Gänsehaut auf Ihren Armen. Ist Ihnen kalt?“

„Keine Ahnung“, krächze ich.

„Das ist ganz normal, dass Sie sich unwohl fühlen. Der Übergang fällt den meisten schwer. Momentan ist Winter und es ist wahrscheinlich kälter als in Ihren Ursprungsträumen. Hier im Norden der USA ist nicht gerade das angenehmste Klima, wenn man Wärme gewohnt ist. Frauen frieren leicht, deswegen träumen sie meistens Settings in mindestens Zimmertemperatur. Gern auch ewigen Sommer.“ Er grinst. Nur wegen dieser Linda friere ich. Weil sie mich rausgeholt hat. Verdammt. Das ist hart. Und krass kompliziert. „Sie werden sich an die neuen Körpergefühle schnell gewöhnen. Sie kennen eben nur das, was Ihnen Ihre Träumerin bisher in den Träumen gezeigt hat. Unangenehmes wie Frieren oder auf die Toilette gehen gehören in der Regel nicht dazu. Also nicht vergessen, dass Sie ab sofort auch eine Verdauung wie unsereins haben.“ Verdauung? Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und zucke die Schultern. „Toilette. Sie werden Wasser lassen müssen und Ihren Darm entleeren.“ Er schmunzelt. „Der Penis wurde auch für anderes erfunden.“ Er lächelt und tätschelt meine Schulter. „So jung wie Sie sind, werden Sie alles schnell lernen. Keine Sorge. Ich erkläre Ihnen nach und nach alles.“

Aha. Klingt anstrengend und nach viel Arbeit. Mit der Zunge fahre ich über meine Lippen. Sie sind trocken und rissig.

„Haben Sie Durst?“

Im Traum hatte ich das nie. Deswegen weiß ich auch diesmal keine Antwort. Ganz schön heftig, diese ganzen neuen Dinge, die mein Körper mit mir macht.

„Trockener Mund?“ Ich nicke. Er auch. „Das ist Durst. Hier, das wird helfen.“ Er hält mir ein Glas Wasser hin. In einem Zug stürze ich es hinunter. Hilft tatsächlich. Faszinierend. Natürlich habe ich mit Mia schon oft etwas getrunken, aber nicht, weil mein Körper es verlangt hätte. Sondern weil Mia es wollte. Ich hasse sie.

„Was ist mit meinem Bauch?“

„Beschreiben Sie“, bittet er mich. „Möglichst genau.“

Ich horche in mich hinein. „Grummeln. Irgendwie leer. Zwicken.“

Wieder nickt der kleine Doktor. „Vermutlich Hunger. Sie essen jetzt nicht mehr, weil es im Traum so vorgesehen war, sondern weil ihr Körper danach verlangt. Genaueres erkläre ich Ihnen später. Leider werden Sie sich diesbezüglich ein wenig gedulden müssen. Hier in der Anpassungsstation haben wir leider nichts und bestellen für unsere Produkte bei Bedarf etwas.“ Er verzieht den Mund, was wohl sein Bedauern ausdrücken soll.

Mit einem schrecklichen Quietschen zieht er einen Stuhl ans Bett. Alles ist auf einmal viel intensiver. Lauter, heller, schwerer. Mein Herz wummert. Die vielen heftigen Sinneseindrücke überwältigen mich. Mist. Schon jetzt fühle ich mich heillos überfordert. Das ist alles so erdrückend hier. Doktor Lewis setzt sich, schlägt seine Beine übereinander und wickelt eine Manschette um meinen Oberarm. Erschrocken zucke ich zurück.

„Keine Angst, ich will nur Ihren Blutdruck messen.“ Meinen was? Er pumpt einen kleinen Ball und das Ding presst sich um meinen Arm. Tut weh. Ich brumme, um ihm zu zeigen, dass mir das nicht gefällt. Im Reden bin ich nicht so gut. Haben Mia und ich nicht so oft getan. „Es wird alles gut, Jaxon“, wiederholt er den Satz von Linda. „Sie werden sehen, Sie kommen schnell in die menschliche Kommunikation hinein. Viele Kundinnen erträumen sich heutzutage eher wortkarge Männer. In den Siebzigern war das ganz anders. Da war Reden eine ganz große Sache. Diskutieren und über Gefühle sprechen und so.“

Kann er nicht aufhören zu plappern? Wo ist meine Frau überhaupt? Die, die mir alles eingebrockt hat? Und wo ist diese Linda-Tussi?

Eine Wahl hatte ich nicht. Mia hat bestimmt, ohne mich zu fragen, ob ich das hier überhaupt alles will. Und jetzt habe ich den Salat. Bin real. Was auch immer das bedeutet.

Scheiße. Mit den Handflächen rubble ich mir über das Gesicht.

„Es wird Ihnen bald besser gehen“, versichert mir der Doktor erneut.

Wenn er das sagt …

6

Adalize

Eigentlich mag ich meinen Job. Eigentlich. Momentan fühle ich mich eher gestresst als freudig erwartend. Ich kann es nicht ausstehen, wenn ich nicht weiß, mit wem ich es zu tun habe. Erst vor wenigen Minuten habe ich meine eigene Kundin mit ihrem Produkt verabschiedet und hatte noch keine Pause. Menschen können so anstrengend sein.

Das ist auch der Grund, warum ich quasi kein Privatleben besitze. Ich bin schlichtweg die meiste Zeit mit unseren Aufträgen beschäftigt. Oder mit dem Erholen davon. Andere Menschen haben Hobbys, machen Sport, feiern, gehen shoppen. Wenn andere schlafen, kümmere ich mich um unsere Kunden. Das Los der Nachtschichtler. Wenn ich nur das wäre, hätte ich wenigstens einen Rhythmus. Aber in meinem Job ist das unmöglich. Mal nachts, mal tagsüber, mal beides. Das zermürbt. Mich zumindest. Mom steckt das wie die Fremdenergien mühelos weg, obwohl sie älter ist.

Dass ich keinerlei Freunde oder Freundinnen habe, mit denen ich meine wenige Freizeit verbringen könnte, kommt erschwerend hinzu. Aber das ist eine andere Geschichte. Immer nur allein rumzuhängen ist nicht berauschend. Dann doch lieber arbeiten.

Mom hat mich spontan gebeten, ihrer Kundin ihr Produkt zu übergeben, das momentan im Kommunikationsraum sitzt und auf seine Abholung wartet. Die letzten Tage hat er unter der Überwachung von Charlie Lewis, unserem Betriebsarzt, verbracht. Nach der Ankunft brauchen die Produkte einige Zeit, bis sie sich an die Bedingungen außerhalb anpassen. Es kann sein, dass sie dann ein wenig verwirrt sind. Manche werden aggressiv, schlagen um sich, zertrümmern irgendwelche Dinge. Andere kauern verängstigt in der Ecke, mit aufgerissenen Augen, wie ein Rehkitz im Scheinwerferlicht. Vor allem das neue Körpergefühl belastet die meisten. An die Schwerkraft muss man sich eben erst gewöhnen. Da ist es nötig, dass jemand ein Auge darauf hat und bei Bedarf eingreift.

In meinem Firmenensemble aus kurzem blauem Rock und beiger Bluse bin ich auf dem Weg zum Kommunikationsraum, um Miss Chang ihr fertiges Produkt zu präsentieren. Normalerweise bleiben wir bei unseren Kundinnen und deren Manifestationen vom ersten Kontakt bis zur finalen Übergabe. Doch Mom ist durch eine Grippe ans Bett gefesselt. Deshalb muss ich sie heute vertreten.

Den Mann, der mich drinnen erwartet, kenne ich nicht. Zurzeit haben wir so viele Aufträge, dass Mom und ich kaum noch Zeit für einen Austausch finden. Ich vermisse unsere wöchentlichen Team-Meetings, in denen wir die jeweils andere über unsere aktuellen Aufträge auf dem Laufenden halten. Zum Beispiel für so Fälle wie heute, um nicht völlig unvorbereitet zu sein, wenn wir uns gegenseitig vertreten. Aber da muss ich jetzt durch.

Miss Chang selbst wird erst in einer Viertelstunde erscheinen. Bis dahin will ich die Zeit nutzen, um mich mit dem Mann ein wenig vertraut zu machen.

Vor der Tür atme ich tief durch und schließe die Augen, um mich zu sammeln. Weder Kundin noch Produkt sollen merken, wenn wir gestresst sind. Sie alle haben unsere volle Aufmerksamkeit verdient. Das Gleiche würde ich erwarten, wenn ich selbst unsere Dienstleistung in Anspruch nähme.

Als ich die Tür öffne, empfängt mich ein Geruch nach Mann der Sorte „harter Kerl“. Wild, erdig, teures, nicht aufdringliches Aftershave. Seltsamerweise ist er gar nicht rasiert, sodass ich mich unwillkürlich frage, warum er überhaupt Aftershave benutzt. Oder warum er nach Tagen ohne seine Schöpferin immer noch danach riecht. Offenbar hat sie ihm diesen Duft als körpereigenen angewünscht. Aber nach so vielen verschiedenen Traummännern wundert mich eigentlich gar nichts mehr. Außerdem steht es mir nicht zu, Urteile zu fällen. Meine Aufgabe ist allein das sichere Überführen und die anschließende Übergabe.

Mom nennt die manifestierten Traummänner liebevoll „die Neugeborenen“, „Produkte“ findet sie zu technisch. An jedem Einzelnen hängt sie wie an einem eigenen Baby. Der Vergleich ist nicht ganz abwegig, weil die Männer wie Babys vieles lernen müssen. Und je nachdem wie abwechslungsreich die Träume der einzelnen Frauen sind, sind die Ressourcen und Fähigkeiten der Männer spärlich oder vielfältig. Ein paar wenige unterscheiden sich sogar kaum von uns.

Genau genommen jedoch sind sie keine Neugeborenen. Sie sind einfach da. Zu irgendeinem undefinierbaren Zeitpunkt im Unterbewusstsein einer Kundin aufgetaucht, nach und nach verfeinert bis zur vermeintlichen Perfektion und von Mom oder mir ins echte Leben materialisiert.

Breitbeinig, die Ellbogen auf den Knien abgestützt, sitzt dieses Exemplar im Sessel und blickt mir entgegen. Er wirkt nicht besonders freundlich, eher genervt. Fast schlecht gelaunt. Vielleicht Anpassungsprobleme. Oder irgendetwas stört ihn. Ist ihm kalt? Hat er Durst? Vielleicht ist er aber auch einfach ein Idiot. Wäre nicht das erste Mal. Ich muss ihn ja nicht mitnehmen, also kann es mir egal sein, warum er so mies drauf ist. Obwohl ich zugeben muss, dass der Typ vor mir trotz seines grimmigen Gesichtsausdrucks attraktiv ist. Verdammt attraktiv sogar. So gutaussehend, dass mein Mund trocken, andere Körperregionen dagegen feucht werden. Das passiert mir nie bei Kundenmännern. Seine Augen sind ebenso dunkel wie seine Aura, seine Wimpern so lang wie angeklebt. Die Haare dagegen sind blond und in einer Art zerzaust, als wäre er gerade aufgestanden. Der Out-of-Bed-Look ist zurzeit wirklich beliebt bei unseren Kundinnen. Er ist erstaunlich jung. Schätzungsweise maximal Mitte zwanzig. Wie alt wohl die dazugehörige Träumerin ist? In letzter Zeit erträumen sich immer mehr reife Frauen junge Produkte. Manche nennen sie liebevoll Toy Boys.

Obwohl draußen Winter ist, trägt er lediglich eine weite graue Jogginghose und ein weißes Ripp-Unterhemd. Wir raten den Frauen immer, Wäsche bereitzulegen, damit ihr Mann sich nach der Manifestation umziehen kann. In der Regel besteht die Kleidung aus Jeans und Hemd. Im Morgenmantel kann man sie ja schlecht mitnehmen. Miss Chang ist die Kleidung offenbar nicht so wichtig. Oder sie steht auf Grunge. Sein rechter Arm ist komplett mit verschiedenen Motiven tätowiert. Was genau, kann ich nicht erkennen. Der linke Arm ist quasi jungfräulich. Eine Wolke von Testosteron umwabert ihn. Ich muss schlucken. Was für ein heißer Kerl. Zum ersten Mal wünsche ich mir, ich hätte einen stinknormalen Job und vor mir würde ein x-beliebiger Typ sitzen, den ich einfach mit nach Hause und in mein Bett nehmen könnte. Aber der hier ist reserviert. Produkte von Kundinnen sind absolut tabu. Ich weiß nicht einmal, wie er heißt. Mist! Hätte Mom mich nicht vorwarnen können? Oder ist das ein geheimer Test, den sie mir stellt? Wie so eine Art Initiationsritus? Widerstehe diesem Prachtexemplar und du bist endgültig festes Mitglied dieser Firma oder so?

„Hunger“, knurrt er und reißt mich aus meinem Anschmachten. Seine tiefe Stimme durchdringt meinen ganzen Körper und lässt Stellen vibrieren, die ich besser aus dem Geschäftlichen herauslassen sollte. Weil ich nicht sofort reagiere, wird sein Gesichtsausdruck noch unfreundlicher. „Hast du keine Beine, oder was? Oder verstehst du meine Sprache nicht, Schnecke? Hol mir was zu essen. Ich hab doch gesagt, ich hab Hunger. Seit Stunden lasst ihr mich hier rumsitzen und warten. Ein Bier und was zu essen sind da wohl nicht zu viel verlangt! Der Doc hatte ja nur scheiß Wasser und lauwarme Brühe.“

Wie redet der denn mit mir? Okay, vielleicht doch keine Anpassungsstörung, sondern einfach nur ein Arsch. Außerhalb meines Jobs würde ich ihm ungeniert ins Gesicht sagen, dass er sich nicht so aufführen soll, dass es Worte wie „Bitte“ gibt und dass man im Leben mit Freundlichkeit mehr erreicht. Aber weil das hier ein Auftrag ist, setze ich mein bestes professionelles Lächeln auf und trete einen Schritt näher.

„Willkommen in der Realität. Haben Sie Ihre Manifestation und die Überführung ins Hier gut überstanden?“

Als Antwort grunzt er nur und wiederholt: „Hunger!“

Ja, schon verstanden. Du hast Hunger. Deswegen musst du dich nicht wie ein Höhlenmensch benehmen. Vielleicht kann er nicht anders, weil auch sein Verstand die Steinzeit nicht übertrifft? Viele Frauen stehen schließlich auf … sagen wir mal „rustikale“ Typen. Gute Gespräche sind nicht allen wichtig. Manchen reicht ein Knackarsch und ein ebenso knackiger Restkörper zum Glücklichsein. Und beides hat er ohne Frage. Okay, da er immer noch sitzt, habe ich seinen Hintern noch nicht meinem Qualitätsurteil unterziehen können, aber erfahrungsgemäß gehört zu einem solchen Körper auch ein entsprechender Po. Soll ich ihn bitten, aufzustehen und mir seine Rückseite zu präsentieren? Ich könnte es als notwendige Untersuchung tarnen.

„Ich werde Ihnen gerne etwas bringen lassen“, sage ich stattdessen höflich. Bei diesem Exemplar kommt selbst meine Selbstbeherrschung an ihre Grenzen. „Was möchten Sie denn gerne?“

„Wie immer eben“, bellt er beinahe.

Offenbar ist ihm nicht bewusst, dass ich ihn nicht kenne und deswegen auch keine Ahnung von seinen Vorlieben habe.

„Entschuldigung, Sir. Sicher haben Sie nicht mehr daran gedacht, dass Sie nicht mit mir Ihren Traum verlassen haben, sondern dass Sie bis jetzt – abgesehen von Ihrer Träumerin natürlich – ausschließlich mit einer anderen Traumwandlerin zu tun hatten. Ich vertrete Misses Collins, weswegen wir beide uns heute zum ersten Mal begegnen. Wären Sie bitte so freundlich und würden mich über Ihre Wünsche in Kenntnis setzen? Dann kann ich mich schnellstmöglich darum kümmern.“ Wieder lächle ich und verflechte meine Finger.

„Was seid ihr denn für ein Saftladen, wenn die eine Hand nicht weiß, was die andere macht?“, schnauzt er.

„Sie haben natürlich recht, dass wir zu jeder Zeit über die Vorgänge in unserer Firma informiert sein sollten. Leider ist meine Kollegin erkrankt und wir konnten uns nicht mehr austauschen, weil ich bis gerade eben selbst in einem Meeting war.“

„Meinst du diese Grauhaarige? Für ihr Alter war die echt scharf. Hat mich rausgeholt. Wusste gar nichts davon. Konnte nichts machen. Die Träumerin ist ja der Chef. Wär lieber drin geblieben. Wer weiß, ob die überhaupt so aussieht, wie sie sich in ihren Träumen zeigt? Wenn sie’s ist, dann aber hallo. Sie steht voll auf mich, will mich immer und überall. Echt geil. Ich muss sie immer Miss Chang nennen. Nichts Vorname oder so. Mir doch egal. Hauptsache der Sex ist geil. Und das ist er.“ Er kratzt sich am Hoden und lacht anzüglich. „Beweglich ist die, ich sag’s dir. Sagt immer, sie liebt mich.“

Er lächelt in sich hinein. Ob er sie wohl auch liebt? Wenn sie ihn sich so geschaffen hat, sollte er es tun. Ich gehe mal davon aus. Die meisten träumen sich einen Partner, der sie aufrichtig liebt. Vereinzelt allerdings gibt es Frauen, die im Traum in die gleiche Falle tappen wie im echten Leben und sich Männer fantasieren, die ihnen Liebe nur vorgaukeln.

Dann verdüstert sich seine Miene wieder. „Aber was mach ich, wenn sie nicht die ist? Am Ende muss ich mich mit so einer alten, hässlichen, fetten Schnalle rumschlagen.“ Vielleicht steckt hinter diesem Idioten ja doch ein wenig Mensch. Aber auch nur mit einem ganz kleinen, kaum sichtbaren Vielleicht. „Dich würd ich sofort nehmen. Du bist heiß!“, fügt er hinzu und grinst mich mit süffisantem Gesichtsausdruck an. Ich verdrehe die Augen. Schluss mit professioneller Zurückhaltung. Obwohl ich ihn bis vor ein paar Minuten auch nicht von der Bettkante gestoßen hätte, geht er mir gehörig auf den nicht vorhandenen Sack. Er sollte lieber nicht reden, wenn er nur aus schönem Körper besteht, ist er wesentlich sympathischer. Hoffentlich kommt die Kundin bald und ich bin ihn los.

„Was darf ich Ihnen denn nun zum Essen bringen? Ein Sandwich mit Käse und Salami? Leider haben wir nicht die Möglichkeit, zu kochen und ein Lieferservice würde zu lange dauern. Ihre Träumerin wird in Kürze eintreffen, um Sie abzuholen.“

„Von mir aus. Aber flott, wenn ich bitten darf.“

Ich verzichte darauf, ihn darauf hinzuweisen, dass Bitten anders geht, und hole ihm sein Sandwich.

In wenigen Bissen hat er es verschlungen. Muss der nicht kauen? Zum länger Wundern habe ich keine Zeit, denn Sandrine, unsere Empfangsmanagerin, tritt nach einmaligem Anklopfen ins Zimmer.

„Miss Chang ist hier, um ihr Produkt abzuholen. Kann ich sie schon hereinschicken?“

Ich nicke, woraufhin Sandrine verschwindet und nur wenige Augenblicke später mit einer asiatischen Schönheit wiederauftaucht. Eindeutig ist sie älter als ihr Traummann, mindestens Ende dreißig, aber immer noch jugendlich und faltenfrei. Warum hat eine Frau wie sie es nötig, sich einen Mann zu kaufen? Letztendlich macht unsere Firma nämlich nichts anderes. Wir verkaufen Männer. Zwar nicht aus Katalogen, aber doch auf Bestellung.

Strahlend kommt sie auf mich zu und reicht mir die Hand.

„Mia Chang. Mit wem habe ich das Vergnügen?“ Ihre Stimme ist glockenhell und erinnert an Sommerblumen und Meer.

„Ich bin Adalize Collins. Meiner Mutter gehört die Firma. Ich bin eine Traumwandlerin wie sie. Leider ist sie kurzfristig erkrankt und hat mich gebeten, Ihnen Ihr Produkt zu übergeben. Sie lässt Sie jedoch herzlich grüßen.“

„Oje“ Ob sie das ehrlich besorgt oder ironisch meint, kann ich nicht beurteilen. „Richten Sie ihr meine aufrichtigen Genesungswünsche aus. Gut, dass sie wenigstens Ersatz geschickt hat.“ Immer noch hält sie meine Hand zwischen ihren. „Doch jetzt spannen Sie mich nicht länger auf die Folter. Wo ist er?“

Endlich lässt sie mich los und sieht sich im Raum um. Als sie ihren Traummann entdeckt, strahlt sie breit und eilt mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu.

„Endlich bist du da, Liebster. Ich habe so lange auf dich gewartet.“

Auch er scheint mit seiner Träumerin zufrieden zu sein, denn grinsend steht er auf und lässt sich von ihr umarmen.

„Du schaust ja wirklich so aus wie in den Träumen. Gott sei Dank. Ich hatte schon Angst, du bist in Wirklichkeit hässlich wie die Nacht“, sagt er, während er ihren Po knetet.

Missbilligend verzieht sie die Lippen und schiebt ihn von sich. „Warum sollte ich vorgeben, jemand anders zu sein? Bin ich nicht schön genug, wie ich bin? Stört es dich, dass ich zwanzig Jahre älter bin?“

Ha, wusste ich doch, dass sie viel älter ist als er. Oder er viel jünger als gedacht.

Ein besorgter Ausdruck erscheint auf ihrem makellosen Gesicht. Wenn er ihr jetzt nicht versichert, dass sie perfekt ist, schlage ich ihm höchstpersönlich in sein eigenes perfektes Gesicht.

„Doch. Alles gut“, bestätigt er. Seine Hand wandert zwischen ihre Beine. „Kann’s kaum erwarten, dich in echt zu ficken.“

Sie wird rot und kichert. „Nicht so laut, Jaxon.“ Zumindest weiß ich jetzt, wie er heißt. Mit leiser Stimme fügt sie hinzu: „Ich kann es auch kaum erwarten, dich zu spüren. Wir können gerne das vom letzten Mal genauso wiederholen.“ Sie zwinkert, er strahlt und nickt heftig. Sie küssen sich leidenschaftlich. Aus Anstand wende ich mich ein wenig ab und lege die nötigen Papiere zur Übergabe bereit.

Solche Gespräche höre ich nicht zum ersten Mal. Jaxon stöhnt. Ein klein bisschen Zurückhaltung wäre schon angebracht. Die paar Minuten bis zuhause werden die beiden noch aushalten müssen.

Hand in Hand schlendern sie zu mir.

Miss Chang wendet sich mir zu. „Vielen Dank. Wir gehen dann. Oder brauchen Sie uns noch?“

Ich verneine und sie gibt ihrem Mann ein Zeichen, sich ebenfalls bei mir zu bedanken. Als er nicht reagiert, schubst sie ihn ein Stück in meine Richtung, doch weil sie so viel kleiner ist als er, bewegt er sich keinen Millimeter. „Sag auch Danke“, zischt sie ihm zu.

„Wieso? Ist doch ihr verdammter Job“, beschwert er sich. „Ich will lieber dich befummeln.“ Seine Stimme klingt quengelig.

„Ist schon in Ordnung“, beeile ich mich zu sagen. „Jaxon hat recht. Es war mir eine Freude, Ihnen bei Ihrem Lebensglück behilflich zu sein.“ Ich lächle freundlich und deute auf die Formulare neben uns. „Wenn Sie nur kurz noch die Überlassungspapiere unterschreiben würden, dann dürfen Sie ihn endlich mit nach Hause nehmen und Ihr Zusammensein genießen.“ Miss Chang nickt, zieht ihren Füller aus der Innentasche ihres Kostüms und unterschreibt.

„Wird aber auch Zeit“, brummt Jaxon, der Idiot. Zwar leise, aber doch so laut, dass es unüberhörbar in meine Richtung gemünzt war. Lange kann ich mich nicht mehr zusammenreißen, denn wenn ich diesen unhöflichen Typen noch weiter aushalten muss, flippe ich aus. Danke, Mom. Insgeheim male ich mir bereits aus, wie ich es ihr heimzahle.

Nachdem Miss Chang alle Unterlagen in zackiger Handschrift unterzeichnet hat, winkt sie Jaxon zu sich, der schmollend mit vor der Brust verschränkten Armen am Fensterbrett lehnt.

„Gehen wir nach Hause, Liebster.“

Gemeinsam verlassen sie den Raum, Miss Changs Finger besitzergreifend um sein Handgelenk gekrallt, seine Hand auf ihrem Hintern. Schon wieder. Als bestünde die wunderschöne Frau neben ihm nur aus einem einzigen Körperteil. Doch da sie sich nicht beschwert und sichtlich glücklich mit ihrer Ausbeute ist, ermahne ich mich, dass mich ihre Beziehung nichts angeht, stecke die Unterlagen in einen Umschlag und lösche das Licht.

7

Jaxon

Mia zieht mich hinter sich her zum Auto, als wäre ich ihr Hund. Draußen ist es schweinekalt und feucht. Weißes Zeug fällt vom Himmel. Ist das Schnee? Mia hat mal davon erzählt.

„In echt gefällst du mir fast noch besser.“ Sie grinst, grapscht mir in den Schritt und drückt mich an die Beifahrerseite ihres Cabrios. „Und das da drin auch“, fügt sie hinzu und quetscht meine Eier so, dass es beinahe schmerzt. Meint sie den Inhalt meiner Hodensäcke oder meiner Hose? Ihre Formulierung war diesbezüglich nicht ganz eindeutig. Aber auf solche sprachlichen Details habe ich momentan keine Lust. Sondern auf etwas ganz anderes.

Als Antwort knete ich ihre Brüste. Wenn sie mich schon gezwungen hat, ein echter Mensch zu sein, soll sie sich gefälligst auch dafür revanchieren. Leise stöhnend reibt sie sich an mir. Mit einem Blick über die Schulter vergewissert sie sich, ob uns jemand zusieht. Wenn, dann wäre es mir auch egal. Soll das Mädchen von vorhin ruhig mitbekommen, was sie verpasst.

„Nicht hier.“ Mit den Händen auf meiner Brust schiebt sie mich von sich. He – sie hat doch angefangen. Ich schnaube frustriert. „Irgendwann werden wir’s im Auto tun, Schätzchen, das verspreche ich. Aber jetzt nehme ich dich erst einmal mit nach Hause nach Seattle. Wir fahren eine Weile. Hoffentlich wird dir nicht schlecht beim Autofahren.“ Keine Ahnung. Sie hat mich doch erschaffen. Sie öffnet die Tür und schubst mich auf den Sitz. „Anschnallen. Weißt du, wie man das macht? Ich will ja nicht, dass dir gleich auf der ersten Autofahrt etwas passiert.“ Was soll denn passieren? Sie tut ja gerade so, als sei das Leben hier unglaublich gefährlich. Und ja, ich weiß, wie man sich anschnallt. Bin ja nicht blöd. „Anschnallen“, wiederholt sie schärfer und deutet auf den Gurt.

Das fängt ja gut an. Auf ihr ständiges Herumkommandieren habe ich keine Lust. Das hat mir schon im Traum gereicht.

Statt endlich den Gurt zu schließen, verschränke ich die Arme vor meiner Brust und schaue sie herausfordernd an. „Nö.“

Sie kneift die Augen zusammen und funkelt mich an. Soll wohl bedrohlich wirken. Was will sie denn machen? Mich zwingen? Oder hierlassen?

„Wie du willst, Freundchen“, presst sie hervor. Sie ist sauer. Eindeutig. Macht Spaß, sie zu ärgern. So ein eigener Wille ist gar nicht so schlecht. Für den Augenblick habe ich gewonnen. Selbstgefällig grinse ich und fläze mich breitbeinig in den Sitz. Vor sich hinmurmelnd stöckelt sie um das Auto herum und setzt sich hinter das Lenkrad.

Ein paar Minuten fahren wir schweigend. Fasziniert blicke ich aus dem Fenster und lasse die Umgebung auf mich wirken. So viele Häuser und Leute und Tiere und Bäume und Straßen und Schilder. So viel Himmel. Von allem so unglaublich viel. Wie soll ich mich hier jemals zurechtfinden?

„Du wirst Autofahren lernen müssen“, durchbricht Mia die Stille. Ich fand es eigentlich ganz schön, dass sie mal eine Weile nichts gesagt hat. „Ich habe keine Zeit und schon gar keine Lust, dich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag rumzukutschieren.“ Statt zu antworten, nicke ich nur, sehe sie aber nicht an, sondern starre weiter aus dem Fenster. Ich will nichts von draußen verpassen. Ist schließlich mein neues Leben.

Das ist also mein neues Zuhause. Der Doktor hat mir erklärt, wo wir uns befinden. USA, Bundesstaat Washington. Die zwei Traumwandlerinnen wohnen in Olympia. Dort habe ich auch die letzten Tage verbracht. Mia hat eine Wohnung in Seattle. Keine Ahnung, was ich mit diesen Informationen anfangen soll. Keine dieser Städte kenne ich. Ich wusste ja nicht einmal, dass es Länder gibt. Es gefällt mir hier. Besser als in den Träumen mit den doofen Blumen und Wiesen und dem ganzen Gedöns. Die Landschaft hier ist irgendwie ehrlicher. Nicht nur, weil sie nicht ausgedacht ist. Wie ich es anders ausdrücken soll, fällt mir nicht ein. Hoffentlich wird mein Wortschatz mit der Zeit größer. „Ich habe mir für deine Eingewöhnung eine Woche Urlaub genommen. Es gibt eine Menge zu erledigen. Du brauchst Kleidung. Und langfristig auch einen Job. Wir müssen herausfinden, was du kannst und dann werde ich dir einen suchen. Schau mal ins Handschuhfach, ich habe dir Papiere besorgt.“ Als sie meinen suchenden Blick bemerkt, zeigt sie auf eine Klappe vor mir. „Hier drin.“