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In diesem Drama erzählt William Shakespeare die Geschichte eines tragischen Liebespaars inmitten der Wirren des trojanischen Krieges: Troilus, Prinz von Troja, verliebt sich in die junge Cressida. Sie erwidert seine Gefühle, doch ihre Beziehung steht unter keinem guten Stern. Schon seit Jahren herrscht Krieg zwischen den Trojanern und Griechen, und ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht. Als Teil eines Handels zwischen beiden Seiten wird Cressida gegen einen Gefangenen ausgetauscht und muss die Stadt verlassen. Kann es ein glückliches Wiedersehen mit Troilus geben oder ist ihre Liebe zum Scheitern verurteilt?-
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Seitenzahl: 136
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William Shakespeare
Übersezt von Wolf Heinrich Graf von Baudissin
Saga
Troilus und Cressida
Übersezt von Wolf Heinrich Graf von Baudissin
Titel der Originalausgabe: Troilus and Cressica
Originalsprache: dem Englischen
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1832, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726885996
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
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Die Szene ist in Troja und im griechischen Lager vor dieser Stadt
Die Szen ist Troja. Von den Inseln Gräcias
Sandten zornmütge Fürsten, heißen Bluts,
Zum Hafen von Athen die Ruderschiffe,
Beladen mit den Dienern und der Rüstung
Des grausen Krieges. Neunundsechzig sinds,
Gekrönte Fürsten, die von Attika
Gesegelt sind gen Phrygien; ihr Gelübde,
Troja zu schleifen, wo im Schirm der Mauern
Helena ruht – geraubt dem Menelaus –
Beim liebesselgen Paris: das die Ursach!
Sie ziehn nach Tenedos,
Und dort spein ihre kriegerische Fracht,
Die tief sie drückte, nun die Schiffe aus;
Vor Troja baut das unversehrte Heer
Feldlager auf. – Sechstorig Priams Stadt
– Dardania, Thymbria, Ilias, Chetas, Troas
Und Antenoridas –, mit mächtgen Krampen
Und wohlausfüllend schwer gewichtgen Riegeln,
Schließt Trojas Söhne ein. –
Erwartung nun, die muntern Geister schürend
Auf dieser Seit und jener, Troer, Griechen,
Setzt alles auf das Spiel; und hieher komm ich
Als Prologus im Harnisch; nicht vertrauend
Dem Werk des Dichters noch der Spieler Kunst,
Nur angetan, dem Kriegsgedichte ziemend,
Meld ich euch, edle Hörer, wie das Spiel,
Des Kampts Beginn und Erstlinge verschweigend,
Anfängt im Mittelpunkt, von dort enteilt
Und nur, wo sich die Szene bietet, weilt.
So haltet Lob und Tadel nicht zurück;
Bald gut, bald schlimm, es ist nur Kriegesglück.
Troja . Vor dem Palsat des Priamus
Troilus in Waffen und Pandarus treten auf.
TROILUS
Ruft meinen Knappen her, mich zu entwaffnen;
Was soll ich vor den Mauern Trojas fechten,
Dem hier im Innern tobt so wilder Kampf?
Wem von den Troern noch ein Herz gehört,
Der zieh ins Feld; ach, Troilus hat keins!
PANDARUS
Kommst du denn damit nie zurecht?
TROILUS
Der Griech ist stark und bei der Kraft gewandt,
Keck bei Gewandtheit und bei Keckheit tapfer;
Doch ich bin schwächer als des Weibes Tränen,
Zahmer als Schlaf, betörter als die Einfalt,
Zaghafter als die Jungfrau in der Nacht
Und ungewandt wie unbelehrte Kindheit.
PANDARUS
Nun, ich habe dirs genug gesagt; ich meinesteils werde mich nicht mehr drein mischen und mengen. Der, der aus dem Weizen einen Kuchen haben will, muß das Mahlen abwarten.
TROILUS
Hab ich nicht gewartet?
PANDARUS
Ja, auf das Mahlen; aber Ihr müßt das Beuteln abwarten.
TROILUS
Hab ich nicht gewartet?
PANDARUS
Ja, auf das Beuteln, aber Ihr müßt das Säuern abwarten.
TROILUS
Auch darauf hab ich gewartet.
PANDARUS
Ja, aufs Säuern; aber nun kommt noch in dem Wort »hernach« das Kneten, das Formen des Kuchens, das Heizen des Ofens und das Backen; ja, Ihr müßt auch noch das Kaltwerden abwarten, oder Ihr lauft Gefahr, Euch die Lippen zu verbrennen.
TROILUS
Die Langmut selbst, wie sehr sie Göttin ist,
Weicht vor dem Dulden mehr als ich zurück.
Ich sitz an Priams Königstisch, und kommt
Die holde Cressida mir in den Sinn –
Verräter du! – sie »kommt?« Wann wär sie fort?
PANDARUS
Gewiß, sie war gestern abend reizender, als ich sie oder irgendein Mädchen je gesehn.
TROILUS
O laß dir noch erzählen: wie mein Herz,
Als sprengts ein Seufzer, mir zerbrechen wollte;
Daß mich mein Vater nicht erriet' noch Hektor,
Verbarg ich, wie die Sonn im Sturme leuchtet,
In eines Lächelns Falte diesen Seufzer;
Doch gleicht, in Schein der Lust verhüllt, Bedrängnis
Dem Scherz, der bald zum Gram wird durchs Verhängnis.
PANDARUS
Ja, wär ihr Haar nicht etwas dunkler als das der Helena – doch was tut das? –, so wäre gar kein Unterschied zwischen den beiden Frauen. Doch was mich betrifft, so ist sie meine Nichte, ich möchte sie nicht, wie man zu sagen pflegt, herausstreichen; aber ich wollte, es hätte sie jemand gestern reden hören wie ich. Ich will dem Verstand deiner Schwester Kassandra nicht zu nahe treten; aber –
TROILUS
O Pandarus! Ich sag dir, Pandarus –
Wenn ich dir sage, dort ertrank mein Hoffen,
Erwidre nicht, wie viele Klafter tief
Es untersank. Ich sag, ich bin verzückt
Aus Lieb in Cressida; du nennst sie schön,
Senkst in die offne Wunde meines Herzens
Den Blick, das Haar, die Wange, Gang und Stimme,
Handelst in deiner Red – o liebe Hand,
Mit der verglichen alles Weiß wie Tinte
Sich selbst das Urteil schreibt; ihr sanft Berühren
Macht rauh des Schwanes Flaum, die feinste Fühlung
Hart wie des Pflügers Faust – dies sagst du mir,
Und wahrhaft ganz, wenn ich dir schwör, ich liebe;
Doch mit dem Wort legst du in jede Wunde,
Mit der mich Liebe traf, statt Öls und Balsams
Den Dolch, der sie geschlagen.
PANDARUS
Ich sage nur, was wahr.
TROILUS
Nicht einmal so viel!
PANDARUS
Meiner Treu, ich mische mich nicht mehr hinein. Mag sie sein, wie sie ist! Ist sie schön, um so besser für sie; ist sie's nicht, so wird sie schon wissen, wie sie sich helfen kann.
TROILUS
Lieber Pandarus! Was ist, Pandarus?
PANDARUS
Müh und Not hatt ich von meinen Wegen; verkannt von ihr und verkannt von Euch; immer hin und her gelaufen und schlechten Dank für meine Mühe.
TROILUS
Was, bist du böse, Pandarus? Auf mich?
PANDARUS
Weil sie mit mir verwandt ist, darum ist sie nicht so schön als Helena; wäre sie nicht mit mir verwandt, da wäre sie freitags ebenso schön als Helena sonntags. Doch was kümmerts mich? Mir solls einerlei sein, und wenn sie schwarz wie eine Mohrin aussähe; es ist mir alles gleich.
TROILUS
Sage ich denn, sie sei nicht schön?
PANDARUS
Es kümmert mich nicht, ob Ihrs sagt oder nicht. Sie ist eine Törin, daß sie ihrem Vater nicht nachfolgt; sie muß zu den Griechen, und das werde ich ihr sagen, sobald ich sie sehe. Ich meinesteils will mich nicht mehr drein mischen noch mengen.
TROILUS
Pandarus –
PANDARUS
Ich nicht.
TROILUS
Bester Pandarus –
PANDARUS
Bitt Euch, laßt mich in Frieden! Ich lasse alles, wie ichs gefunden, und damit gut!
Pandarus ab. Es wird zum Kampf geblasen.
TROILUS
Still, rauhe Töne, still, unholder Klang!
Narrn, beiderseits! Schön sein muß Helena,
Wenn ihr sie täglich schminkt mit eurem Blut.
Der Anlaß kann mich nicht zum Kampf begeistern,
Zu dürftig für mein Schwert ist dieser Preis! –
Und Pandarus – Wie quält ihr mich, ihr Götter!
Zugänglich nur wird Cressida durch ihn;
Den Querkopf werb ich nie zum Werben an,
Und sie bleibt spröd verschlossen jeder Bitte.
Sag mir, Apoll, um deiner Daphne Liebe,
Was Cressida, was Pandar ist, was ich?
Ihr Bett ist Indien! Dort als Perle ruht sie;
Was zwischen ihrem Thron und unserm Ilium,
Nenn ich empörtes, flutbewegtes Meer,
Mich selbst den Kaufherrn, und den Schiffer Pandar
Mein Boot, mein Schiffgeleit, mein zweifelnd Hoffen.
Trompelen. Äneas tritt auf.
ÄNEAS
Wie denn, Prinz Troilus? Weshalb nicht im Feld?
TROILUS
Weil ich nicht dort. Die Weiberantwort paßt,
Denn weibisch ist es, draußen nicht zu sein.
Was gibts, Äneas, Neues heut im Feld?
ÄNEAS
Daß Paris heimgekommen und verwundet.
TROILUS
Durch wen, Äneas?
ÄNEAS
Menelaus tats.
TROILUS
Zum Lachen! Nahm ihn jener so aufs Korn?
Paris geschrammt von Menelaus' Horn?
Trompetensignal.
ÄNEAS
Horch, lustge Jagd dort draußen, hell und scharf!
TROILUS
Weit schöner hier, wenn »dürft ich« hieß: »ich darf«.
Doch hin zur Jagd ins Feld! Willst du hinunter?
ÄNEAS
In aller Eil!
TROILUS
So gehn wir rasch und munter.
Sie gehn ab.
Daselbst . Eine Straße
Es treten auf Cressida und Alexander, ihr Diener.
CRESSIDA
Wer ging vorbei?
ALEXANDER
Die Königin Hekuba
Und Helena.
CRESSIDA
Wohin?
ALEXANDER
Zum Turm nach Osten,
Des Höh die ganze Gegend überschaut,
Die Schlacht zu sehen. Hektor, des Geduld
Sonst unerschütterlich, war heut bewegt;
Er schalt Andromache und schlug den Wappner,
Und gleich, als gölt im Kriege gute Wirtschaft,
War er in Waffen vor dem Morgenlicht
Und zog ins Feld hinaus, wo jede Blume
Wie ein Prophet beweint, was sie voraussieht
In Hektors Zorn.
CRESSIDA
Was reizte seine Wut?
ALEXANDER
So wird erzählt: Im Heer der Griechen kämpfte
Ein Fürst aus Troerblut, des Hektors Vetter,
Ajax mit Namen.
CRESSIDA
Wohl; was sagt man weiter?
ALEXANDER
Er ist, so heißts, ein ganz besondrer Mann
Und steht allein.
CRESSIDA
Das tun alle Männer, wenn sie nicbt betrunken oder krank sind oder keine Beine haben.
ALEXANDER
Dieser Mann, mein Fräulein, hat sich die Eigentümlichkeit von allerlei Tieren zugeeignet: Er ist so kühn wie der Löwe, so täppisch wie der Bär, so langsam wie der Elefant; ein Mann, in dem die Natur so viel Launen gehäuft hat, daß seine Tüchtigkeit in Torheit untergeht, seine Torheit durch Verständigkeit gewürzt ist. Niemand besitzt eine Tugend, von der er nicht einen Anflug bekommen hätte, noch irgend jemand eine Unart, von der ihm nicht etwas anklebte; er ist melancholisch ohne Ursach und lustig wider den Strich; er hat die Gelenkigkeit zu jedem Dinge, aber jedes Ding ist an ihm so ungelenk, daß er wie ein gichtischer Briareus hundert Hände und keine zum Gebrauch hat, oder wie ein stockblinder Argus lauter Augen und keine Sehkraft.
CRESSIDA
Wie kann aber dieser Mann, der mich lächeln macht, den Hektor in Zorn bringen?
ALEXANDER
Man erzählt, er sei gestern mit Hektor in der Schlacht handgemein geworden und habe ihn niedergeschlagen, und der Verdruß darüber und die Schmach habe den Hektor seitdem nicht essen noch schlafen lassen.
Pandarus kommt.
CRESSIDA
Wer kommt?
ALEXANDER
Fräulein, Euer Oheim Pandarus.
CRESSIDA
Hektor ist ein tapfrer Degen.
ALEXANDER
Wie nur irgendeiner in der Welt, Fräulein!
PANDARUS
Was sagt ihr? Was sagt ihr?
CRESSIDA
Guten Morgen, Oheim Pandarus!
PANDARUS
Guten Morgen, Muhme Cressida! Wovon sprecht ihr? Guten Morgen, Alexander! Wie gehts dir, Nichte? Wann warst du in Ilium?
CRESSIDA
Heute morgen, Oheim.
PANDARUS
Wovon spracht ihr, als ich kam? War Hektor schon gewaffnet und ins Feld gezogen, als du nach Ilium kamst? Helena war wohl noch nicht aufgestanden, nicht wahr?
CRESSIDA
Hektor war schon fort, aber Helena noch nicht aufgestanden.
PANDARUS
Ja, ja, Hektor war recht früh auf den Beinen.
CRESSIDA
Davon sprachen wir eben; und daß er aufgebracht sei.
PANDARUS
War er aufgebracht?
CRESSIDA
Das sagt mir dieser da.
PANDARUS
Freilich war er aufgebracht; ich weiß auch, warum; heut wird ers ihnen beibringen, das kann ich ihnen sagen, und Troilus wird ihm so ziemlich gleichkommen; sie mögen sich nur vor Troilus in acht nehmen; das mogen sie mir glauben!
CRESSIDA
Wie! Ist der auch aufgebracht?
PANDARUS
Was, Troilus? Troilus ist der Beßre von beiden!
CRESSIDA
O Jupiter! Da ist gar kein Vergleich!
PANDARUS
Wie, nicht zwischen Troilus und Hektor? Erkennst du nicht einen Mann, wenn du ihn siehst?
CRESSIDA
Nun ja, wenn ich ihn sonst schon sah und kannte.
PANDARUS
Ganz recht; ich spreche, Troilus ist Troilus.
CRESSIDA
Da sprecht Ihr wie ich, denn ich weiß gewiß, er ist nicht Hektor.
PANDARUS
Nein, und Hektor ist auch nicht Troilus in gewissem Betracht.
CRESSIDA
So tun wir keinem Unrecht; er ist er selbst.
PANDARUS
Er selbst? Ach, du armer Troilus! Ich wollte, wäre –
CRESSIDA
Er ist es ja.
PANDARUS
Mit dem Beding ginge ich barfuß nach Indien!
CRESSIDA
Hektor ist er nicht!
PANDARUS
Er selbst? Nein, er ist nicht er selbst – ja, ich wollte, er wäre er selbst. Nun, die Götter leben noch; die Zeit schaffts ihm oder entraffts ihm; ja, Troilus, ich wollte, sie hatte mein Herz im Leibe! Nein, Hektor ist kein beßrer Mann als Troilus.
CRESSIDA
Verzeiht!
PANDARUS
Er ist älter.
CRESSIDA
Ich bitte um Entschuldigung!
PANDARUS
Der andre ist noch nicht so alt; ihr sollt ganz anders sprechen, wenn der andre erst so alt sein wird. Hektor kann lange warten, ehe er seinen Verstand bekommt!
CRESSIDA
Den braucht er auch nicht, wenn er seinen eignen hat.
PANDARUS
Noch seine Eigenschaften.
CRESSIDA
Tut nichts!
PANDARUS
Noch seine Schönheit!
CRESSIDA
Sie würde ihn nicht kleiden, seine eigne ist besser.
PANDARUS
Du hast kein Urteil, Nichte! Helena selbst beteuerte neulich, daß Troilus, wenn von brauner Farbe die Rede sei – denn braun ist er allerdings – und doch nicht so recht eigentlich braun –
CRESSIDA
Nein, sondern braun.
PANDARUS
Die Wahrheit zu sagen, braun und nicht braun.
CRESSIDA
Die Wahrheit zu sagen, wahr und nicht wahr.
PANDARUS
Sie stellte seinen Teint über den des Paris.
CRESSIDA
Nun, Paris hat Farbe genug.
PANDARUS
Das hat er auch.
CRESSIDA
So hatte Troilus denn zu viel Farbe; wenn sie seinen Teint über den des andern stellt, ist er höher an Farbe; wenn nun Paris rot genug ist und Troilus hochrot, so ist das ein zu teuriges Lob für einen guten Teint. Ebensogern hätte Helenas goldne Zunge den Troilus wegen einer Kupfernase rühmen können.
PANDARUS
Ich schwöre dir, ich glaube, Helena liebt ihn mehr als den Paris.
CRESSIDA
Dann ist sie wirklich eine leichtsinnige Griechin.
PANDARUS
Nein, ganz gewiß, das tut sie. Neulich stellte sie sich zu ihm in das Bogenfenster, und du weißt, er hat nur drei oder vier Haare am Kinn –
CRESSIDA
O gewiß, eines Bierzapfers Rechenkunst würde hinreichen, diese Einheiten in eine Summe zu ziehn.
PANDARUS
Nun, er ist noch sehr jung, und doch sind seine Nerven so stählern, daß er dir bis auf zwei, drei Pfund ebensoviel aufheben wird als sein Bruder Hektor.
CRESSIDA
Was! Ein so junger Mann und schon solche Stehlergaben?
PANDARUS
Um dir zu beweisen, daß Helena in ihn verliebt ist – denke nur, sie kam und legte dir ihre weiße Hand an sein gespaltnes Kinn –
CRESSIDA
Juno sei uns gnädig! Wer hats ihm gespalten?
PANDARUS
Erinnerst du dich denn nicht seines Grübchens? Mir scheint, sein Lächeln steht ihm besser als irgend jemand in ganz Phrygien.
CRESSIDA
O ja, er lächelt recht brav.
PANDARUS
Nicht wahr?
CRESSIDA
Freilich, wie eine Regenwolke im Herbst.
PANDARUS
O still doch! Ich wollte dir ja beweisen, daß Helena in Troilus verliebt sei!
CRESSIDA
Troilus wird Euch diesen Beweis nicht verweisen, wenn Ihr ihn führen könnt.
PANDARUS
Troilus? Nun, der fragt nicht mehr nach ihr, als ich nach einem hohlen Ei frage.
CRESSIDA
Wenn Ihr die hohlen Eier so gern habt als die hohlen Köpfe, seid Ihr wohl schal genug, die Schalen ohne Eier zu essen.
PANDARUS
Wahrhaftig, ich muß noch immer lachen, wenn ich dran denke, wie sie ihm am Kinn kitzelte. Das ist doch gewiß, sie hat eine wundervoll weiße Hand; das muß man bekennen.
CRESSIDA
Ohne Folter.
PANDARUS
Und da fällt es ihr ein, ein weißes Haar auf seinem Kinn zu entdecken.
CRESSIDA
Das arme Kinn! Ist doch manche Warze reicher!
PANDARUS
Aber das gab ein Gelächter! Königin Hekuba lachte, daß ihr die Augen übergingen –
CRESSIDA
Von Mühlsteinen.
PANDARUS
Und Kassandra lachte!
CRESSIDA
Aber es war unter dem Topf ihrer Augen wohl ein mäßigeres Feuer: liefen ihre Augen auch über?
PANDARUS
Und Hektor lachte!
CRESSIDA
Und wem galt all dies Lachen?
PANDARUS
Ei, dem weißen Haar, das Helena an Troilus' Kinn erspäht.
CRESSIDA
War es ein grünes gewesen, so hätt ich auch gelacht.
PANDARUS
Sie lachten nicht so sehr über das Haar, als über seine hübsche Antwort.
CRESSIDA
Wie war seine Antwort?
PANDARUS