Troilus und Cressida - William Shakespeare - E-Book

Troilus und Cressida E-Book

William Shakespeare

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Beschreibung

Troilus und Cressida (frühneuenglisch The Historie of Troylus and Cresseida) ist ein Drama von William Shakespeare. Es handelt von der Liebe des Troilus, des Sohnes von König Priamos, zu Cressida, der Tochter des Priesters Kalchas. Das Stück spielt zur Zeit des trojanischen Krieges in Troja. Es wurde im Februar 1603 im Stationers' Register eingetragen und erschien 1609 erstmals als Quarto im Druck. Frühe Aufführungen sind nicht belegt. Die Geschichte aus Homers Ilias war Shakespeare in Form von Chaucers Versdichtung Troilus and Creseyde von 1385 bekannt. Zusammen mit Ende gut, alles gut und Maß für Maß wird es nach der Definition des Literaturwissenschaftler Frederick S. Boas zu den sogenannten "Problemstücken" gezählt.

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William Shakespeare

Troilus und Cressida

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Troilus und Cressida

Erster Aufzug

Zweiter Aufzug

Dritter Aufzug

Vierter Aufzug

Fünfter Aufzug

Impressum neobooks

Troilus und Cressida

Prologus

Die Szen' ist Troja. Von den Inseln Gräcias

Sandten zornmüt'ge Fürsten, heißen Bluts,

Zum Hafen von Athen die Ruderschiffe,

Beladen mit den Dienern und der Rüstung

Des grausen Krieges. Neunundsechzig Führer,

Prangend im Fürstenhut, sind abgesegelt

Von Attika gen Phrygia; ihr Gelübde,

Troja zu schleifen, wo im Schirm der Mauern

Frau Helena, geraubt dem Menelaus,

Beim üpp'gen Paris schläft: – das ist der Krieg.

Sie ziehn nach Tenedos,

Und dort entlasten die tiefkiel'gen Schiffe

Sich ihrer tapfern Fracht; auf Iliums Ebnen

Schart sich der frischen, noch vollzähl'gen Griechen

Feldlager: – Priamus' sechstor'ge Stadt

(Dardania, Thymbria, Ilias, Chetas, Troas

Und Antenoridas), mit mächt'gen Krampen

Und wohlausfüllend schwer gewicht'gen Riegeln,

Weckt Trojas Söhnen Kampflust. –

Erwartung nun, die muntern Geister schürend

Auf dieser Seit' und jener, Troer, Griechen,

Setzt alles auf das Spiel: und hieher komm' ich

Als Prologus, im Harnisch; nicht vertrauend

Dem Werk des Dichters, noch der Spieler Kunst,

Nur angetan, dem Kriegsgedichte ziemend,

Meld' ich euch, edle Hörer, wie das Spiel,

Des Kampfs Beginn und Erstlinge verschweigend,

Anfängt im Mittelpunkt; von dort enteilt,

Und nur, wo sich die Szene bietet, weilt.

So haltet Lob und Tadel nicht zurück;

Bald gut, bald schlimm, es ist nur Kriegesglück.

Erster Aufzug

Erste Szene

Troja.

Troilus und Pandarus treten auf.

TROILUS.

Ruft meinen Knappen her, mich zu entwaffnen;

Was soll ich vor den Mauern Trojas fechten,

Dem hier im Innern tobt so wilder Kampf?

Wem von den Troern noch ein Herz gehört,

Der zieh' ins Feld; ach, Troilus hat keins! –

PANDARUS.

Stets noch das alte Lied?

TROILUS.

Der Griech' ist stark, und bei der Kraft gewandt,

Keck bei Gewandtheit, und bei Keckheit tapfer:

Doch ich bin schwächer als des Weibes Tränen,

Zahmer als Schlaf, betörter als die Einfalt,

Zaghafter als die Jungfrau in der Nacht,

Und ungewandt, wie unbelehrte Kindheit.

PANDARUS. Nun, ich habe dir's genug gesagt; ich, meines Teils, werde mich nicht mehr drein mischen und mengen. Der, der aus dem Weizen einen Kuchen haben will, muß das Mahlen abwarten. –

TROILUS. Hab' ich nicht gewartet?

PANDARUS. Ja, auf das Mahlen; aber Ihr müßt das Beuteln abwarten.

TROILUS. Hab' ich nicht gewartet?

PANDARUS. Ja, auf das Beuteln; aber Ihr müßt das Säuern abwarten.

TROILUS. Auch darauf hab' ich gewartet.

PANDARUS. Ja, aufs Säuern; aber nun kommt noch in dem Wort hernach das Kneten, das Formen des Kuchens, das Heizen des Ofens und das Backen; ja, Ihr müßt auch noch das Kaltwerden abwarten, oder Ihr lauft Gefahr, Euch die Lippen zu verbrennen.

TROILUS.

Die Langmut selbst, wie sehr sie Göttin ist,

Weicht vor dem Dulden mehr als ich zurück.

Ich sitz' an Priams Königstisch; und kommt

Die holde Cressida mir in den Sinn,

Verräter du! – Sie kommt? Wann wär' sie fort?

PANDARUS. Gewiß, sie war gestern abend reizender, als ich sie oder irgendein Mädchen je gesehn.

TROILUS.

Oh, laß dir noch erzählen: Wie mein Herz,

Als sprengt's ein Seufzer, mir zerbrechen wollte, –

Daß mich mein Vater nicht erriet, noch Hektor,

Verbarg ich, wie die Sonn' im Sturme leuchtet,

In eines Lächelns Falte diesen Seufzer:

Doch gleicht, in Schein der Lust verhüllt, Bedrängnis

Dem Scherz, der bald zum Gram wird durchs Verhängnis.

PANDARUS. Ja, wär' ihr Haar nicht etwas dunkler als das der Helena, – doch, was tut das? – so wäre gar kein Unterschied zwischen den beiden Frauen. Doch was mich betrifft, so ist sie meine Nichte; ich möchte sie nicht, wie man zu sagen pflegt, herausstreichen; aber ich wollte, es hätte sie jemand gestern reden hören wie ich. Ich will dem Verstand deiner Schwester Kassandra nicht zu nahe treten; aber ...

TROILUS.

O Pandarus! Ich sag' dir, Pandarus, –

Wenn ich dir sage, dort ertrank mein Hoffen,

Erwidre nicht, wie viele Klafter tief

Es untersank. Ich sag', ich bin verzückt

Aus Lieb' in Cressida; du nennst sie schön,

Senkst in die offne Wunde meines Herzens

Den Blick, das Haar, die Wange, Gang und Stimme;

Handelst in deiner Red', .... o liebe Hand,

Mit der verglichen alles Weiß wie Tinte

Sich selbst das Urteil schreibt; ihr sanft Berühren

Macht rauh des Schwanes Flaum, die feinste Fühlung

Hart wie des Pflügers Faust; – dies sagst du mir,

Und wahrhaft ganz, wenn ich dir schwör', ich liebe:

Doch mit dem Wort legst du in jede Wunde,

Mit der mich Liebe traf, statt Öls und Balsams

Den Dolch, der sie geschlagen.

PANDARUS. Ich sage nur, was wahr.

TROILUS. Nicht einmal so viel! –

PANDARUS. Meiner Treu', ich mische mich nicht mehr hinein. Mag sie sein, wie sie ist! Ist sie schön, um so besser für sie; ist sie's nicht, so wird sie schon wissen, wie sie sich helfen kann.

TROILUS. Lieber Pandarus! – Was ist, Pandarus? –

PANDARUS. Müh' und Not hatt' ich von meinen Wegen; verkannt von ihr und verkannt von Euch; immer hin und her gelaufen, und schlechten Dank für meine Mühe.

TROILUS. Was, bist du böse, Pandarus? Auf mich? –

PANDARUS. Weil sie mit mir verwandt ist, darum ist sie nicht so schön als Helena; wäre sie nicht mit mir verwandt, da wäre sie Freitags eben so schön als Helena Sonntags. Doch was kümmert's mich? Mir soll's einerlei sein, und wenn sie schwarz wie eine Mohrin aussähe; es ist mir alles gleich.

TROILUS. Sage ich denn, sie sei nicht schön? –

PANDARUS. Es kümmert mich nicht, ob Ihr's sagt, oder nicht. Sie ist eine Törin, daß sie ihrem Vater nicht nachfolgt; sie muß zu den Griechen, und das werde ich ihr sagen, sobald ich sie sehe. Ich, meines Teils, will mich nicht mehr drein mischen noch mengen. –

TROILUS. Pandarus –

PANDARUS. Ich nicht.

TROILUS. Bester Pandarus –

PANDARUS. Bitt' Euch, laßt mich in Frieden. Ich lasse alles, wie ich's gefunden, und damit gut. Pandarus ab.

Es wird zum Kampf geblasen.

TROILUS.

Still, rauhe Töne! Still, unholder Klang! –

Narr'n beiderseits! Schön sein muß Helena,

Wenn ihr sie täglich schminkt mit eurem Blut.

Der Anlaß kann mich nicht zum Kampf begeistern,

Zu dürftig für mein Schwert ist dieser Preis! –

Und Pandarus, – wie quält ihr mich, ihr Götter!

Zugänglich nur wird Cressida durch ihn;

Den Kind'schen werb' ich nie zum Werben an,

Und sie bleibt spröd' verschlossen jeder Bitte.

Sag mir, Apoll,' um deiner Daphne Liebe,

Was Cressida, was Pandar ist, was ich?

Ihr Bett ist Indien! Dort als Perle ruht sie;

Was zwischen ihrem Thron und unserm Ilium,

Nenn' ich empörtes, flutbewegtes Meer,

Mich selbst den Kaufherrn, und den Schiffer Pandar

Mein Boot, mein Schiffgeleit: mein zweifelnd Hoffen.

Trompeten. Äneas tritt auf.

ÄNEAS.

Wie nun, Prinz Troilus? Weshalb nicht im Feld?

TROILUS.

Weil ich nicht dort. Die Weiberantwort paßt,

Denn weibisch ist es, draußen nicht zu sein. –

Was gibt's, Äneas, Neues heut im Feld?

ÄNEAS.

Daß Paris heimgekommen und verwundet.

TROILUS.

Durch wen, Äneas?

ÄNEAS.

Menelaus tat's.

TROILUS.

Zum Lachen! Nahm ihn jener so aufs Korn?

Paris geschrammt von Menelaus' Horn?

ÄNEAS.

Horch! Lust'ge Jagd dort außen, hell und scharf!

TROILUS.

Weit schöner hier, wenn »dürft' ich« hieß: »ich darf«

Doch hin zur Jagd des Felds! Willst du hinunter?

ÄNEAS.

In aller Eil'.

TROILUS.

So gehn wir rasch und munter!

Sie gehn ab.

Zweite Szene

Ebendaselbst.

Es treten auf Cressida und Alexander, ihr Diener.

CRESSIDA.

Wer ging vorbei?

ALEXANDER.

Die Königin Hekuba

Und Helena.

CRESSIDA.

Wohin?

ALEXANDER.

Zum Turm nach Osten,

Des Höh' die ganze Gegend überschaut,

Die Schlacht zu sehen. Hektor, des Geduld

Sonst unerschütterlich, ward heut bewegt:

Er schalt Andromache und schlug den Wappner;

Und gleich, als gölt' im Kriege gute Wirtschaft,

War er in Waffen vor dem Morgenlicht

Und zog ins Feld hinaus, wo jede Blume

Wie ein Prophet beweint, was sie voraussieht

In Hektors Zorn.

CRESSIDA.

Was reizte seine Wut?

ALEXANDER.

So wird erzählt: im Heer der Griechen kämpfte

Ein Fürst aus Troerblut, des Hektors Neffe,

Ajax mit Namen.

CRESSIDA.

Wohl; was sagt man weiter?

ALEXANDER.

Er ist, so heißt's, ein ganz besondrer Mann

Und steht allein.

CRESSIDA. Das tun alle Männer, wenn sie nicht betrunken oder krank sind oder keine Beine haben.

ALEXANDER. Dieser Mann, mein Fräulein, hat sich die Eigentümlichkeit von allerlei Tieren zugeeignet: er ist so kühn wie der Löwe, so täppisch wie der Bär, so langsam wie der Elefant: ein Mann, in dem die Natur so viele Launen gehäuft hat, daß seine Tüchtigkeit in Torheit untergeht, seine Torheit durch Verständigkeit gewürzt ist. Niemand besitzt eine Tugend, von der er nicht einen Anflug bekommen hätte, noch irgend jemand eine Unart, von der ihm nicht etwas anklebte; er ist melancholisch ohne Ursach' und lustig wider den Strich; er hat die Gelenkigkeit zu jedem Dinge, aber jedes Ding ist an ihm so ungelenk, daß er wie ein gichtischer Briareus hundert Hände und keine zum Gebrauch hat, oder wie ein stockblinder Argus lauter Augen und keine Sehkraft.

CRESSIDA. Wie kann aber dieser Mann, dermich lächeln macht, den Hektor in Zorn bringen?

ALEXANDER. Man erzählt, er sei gestern mit Hektor in der Schlacht handgemein geworden und habe ihn niedergeschlagen, und der Verdruß darüber und die Schmach habe den Hektor seitdem nicht essen noch schlafen lassen.

Pandarus kommt.

CRESSIDA. Wer kommt? –

ALEXANDER. Fräulein, Euer Oheim Pandarus.

CRESSIDA. Hektor ist ein tapfrer Degen.

ALEXANDER. Wie nur irgend einer in der Welt, Fräulein!

PANDARUS. Was sagt Ihr? Was sagt Ihr? –

CRESSIDA. Guten Morgen, Oheim Pandarus!

PANDARUS. Guten Morgen, Muhme Cressida! Wovon sprecht Ihr? Guten Morgen, Alexander! – Wie geht's dir, Nichte? Wann warst du in Ilium?

CRESSIDA. Heute morgen, Oheim.

PANDARUS. Wovon spracht Ihr, als ich kam? War Hektor schon gewaffnet und ins Feld gezogen, als du nach Ilium kamst? Helena war wohl noch nicht aufgestanden, nicht wahr? –

CRESSIDA. Hektor war schon fort, aber Helena noch nicht aufgestanden.

PANDARUS. Ja, ja, Hektor war recht früh auf den Beinen.

CRESSIDA. Davon sprachen wir eben; und daß er aufgebracht sei.

PANDARUS. War er aufgebracht?

CRESSIDA. Das sagt mir dieser da.

PANDARUS. Freilich war er aufgebracht; ich weiß auch, warum; heut wird er's ihnen beibringen, das kann ich ihnen sagen, und Troilus wird ihm so ziemlich gleichkommen; sie mögen sich nur vor Troilus in acht nehmen: das mögen sie mir glauben!

CRESSIDA. Wie! Ist der auch aufgebracht? –

PANDARUS. Was, Troilus? Troilus ist der Beßre von beiden.

CRESSIDA. O Jupiter! Da ist gar kein Vergleich!

PANDARUS. Wie, nicht zwischen Troilus und Hektor? Erkennst du nicht einen Mann, wenn du ihn siehst?

CRESSIDA. Nun ja, wenn ich ihn sonst schon sah und kannte.

PANDARUS. Ganz recht; ich spreche, Troilus ist Troilus.

CRESSIDA. Da sprecht Ihr wie ich, denn ich weiß gewiß, er ist nicht Hektor.

PANDARUS. Nein, und Hektor ist auch nicht Troilus in gewissem Betracht.

CRESSIDA. So tun wir keinem Unrecht: er ist er selbst.

PANDARUS. Er selbst? Ach, du armer Troilus! Ich wollte, er wäre –

CRESSIDA. Er ist es ja.

PANDARUS. Mit dem Beding ginge ich barfuß nach Indien!

CRESSIDA. Hektor ist er nicht!

PANDARUS. Er selbst? Nein, er ist nicht er selbst; – ja, ich wollte, er wäre er selbst. Nun, die Götter leben noch; die Zeit schafft's ihm oder entrafft's ihm; ja, Troilus, ich wollte, sie hätte mein Herz im Leibe! Nein, Hektor ist kein beßrer Mann als Troilus.

CRESSIDA. Verzeiht! –

PANDARUS. Er ist älter. –

CRESSIDA. Ich bitte um Entschuldigung!

PANDARUS. Der andre ist noch nicht so alt; Ihr sollt ganz anders sprechen, wenn der andre erst so alt sein wird. Hektor kann lange warten, ehe er seinen Verstand bekommt!

CRESSIDA. Den braucht er auch nicht, wenn er seinen eignen hat.

PANDARUS. Noch seine Eigenschaften –

CRESSIDA. Tut nichts!

PANDARUS. Noch seine Schönheit!

CRESSIDA. Sie würde ihn nicht kleiden, seine eigne ist besser.

PANDARUS. Du hast kein Urteil, Nichte! Helena selbst beteuerte neulich, daß Troilus, wenn von brauner Farbe die Rede sei – denn braun ist er allerdings – und doch nicht so recht eigentlich braun –

CRESSIDA. Nein; sondern braun.

PANDARUS. Die Wahrheit zu sagen, braun und nicht braun.

CRESSIDA. Die Wahrheit zu sagen, wahr und nicht wahr.

PANDARUS. Sie stellte sein Kolorit über das des Paris.

CRESSIDA. Nun, Paris hat Farbe genug.

PANDARUS. Das hat er auch.

CRESSIDA. So hätte Troilus denn zu viel Farbe; wenn sie sein Kolorit über das des andern stellt, ist er höher an Farbe; wenn nun Paris rot genug ist und Troilus hochrot, so ist das ein zu feuriges Lob für ein gutes Kolorit. Eben so gern hätte Helenas goldne Zunge den Troilus wegen einer Kupfernase rühmen können.

PANDARUS. Ich schwöre dir, ich glaube, Helena liebt ihn mehr als den Paris.

CRESSIDA. Dann ist sie eine sehr verliebte Griechin.

PANDARUS. Nein, ganz gewiß, das tut sie. Neulich stellte sie sich zu ihm in das Bogenfenster, und du weißt, er hat nur drei oder vier Haare am Kinn –

CRESSIDA. O gewiß, eines Bierzapfers Rechenkunst würde hinreichen, diese Einheiten in eine Summe zu ziehn.

PANDARUS. Nun, er ist noch sehr jung, und doch sind seine Nerven so stählern, daß er dir bis auf zwei, drei Pfund eben so viel aufheben wird als sein Bruder Hektor.

CRESSIDA. Was! Ein so junger Mann, und schon solche Stehlergaben? –

PANDARUS. Um dir zu beweisen, daß Helena in ihn verliebt ist – denke nur, sie kam und legte dir ihre weiße Hand an sein gespaltnes Kinn –

CRESSIDA. Juno sei uns gnädig! Wer hat's ihm gespalten?

PANDARUS. Erinnerst du dich denn nicht seines Grübchens? Mir scheint, sein Lächeln steht ihm besser als irgend jemand in ganz Phrygien.

CRESSIDA. O ja, er lächelt recht brav.

PANDARUS. Nicht wahr?

CRESSIDA. Freilich, wie eine Regenwolke im Herbst.

PANDARUS. O still doch! Ich wollte dir ja beweisen, daß Helena in Troilus verliebt sei!

CRESSIDA. Troilus wird Euch diesen Beweis nicht verweisen. Wenn Ihr ihn führen könnt.

PANDARUS. Troilus? Nun, der fragt nicht mehr nach ihr, als ich nach einem hohlen Ei frage.

CRESSIDA. Wenn Ihr die hohlen Eier so gern habt als die hohlen Köpfe, seid Ihr wohl schal genug, die Schalen ohne Eier zu essen.

PANDARUS. Wahrhaftig, ich muß noch immer lachen, wenn ich dran denke, wie sie ihm am Kinn kitzelte. Das ist doch gewiß, sie hat eine wundervoll weiße Hand; das muß man bekennen.

CRESSIDA. Ohne Folter.

PANDARUS. Und da fällt es ihr ein, ein weißes Haar auf seinem Kinn zu entdecken.

CRESSIDA. Das arme Kinn! Ist doch manche Warze reicher!

PANDARUS. Aber das gab ein Gelächter! Königin Hekuba lachte, daß ihr die Augen übergingen –

CRESSIDA. Von Mühlsteinen.

PANDARUS. Und Kassandra lachte! –

CRZSSIDA. Aber es war unter dem Topf ihrer Augen wohl ein mäßigeres Feuer: liefen ihre Augen auch über?

PANDARUS. Und Hektor lachte! –

CRESSIDA. Und wem galt all dies Lachen?

PANDARUS. Ei, dem weißen Haar, das Helena an Troilus' Kinn erspäht.

CRESSIDA. Wär' es ein grünes gewesen, so hätt' ich auch gelacht.

PANDARUS. Sie lachten nicht so sehr über das Haar, als über seine hübsche Antwort.

CRESSIDA. Wie war seine Antwort?

PANDARUS. Sie hatte gesagt: »Hier sind nur einundfunfzig Haare an Euerm Kinn, und eins davon ist weiß.«

CRESSIDA. Das war ihre Frage?

PANDARUS. Jawohl, das bedarf keiner Frage. »Einundfunfzig Haare«, sagte er, »und ein weißes: das weiße Haar ist mein Vater, und die übrigen sind seine Söhne.« »O Jupiter«, sagte sie, »welches von diesen Haaren ist Paris, mein Gemahl?« »Das gespaltene«, sagte er: »reißt es aus und gebt's ihm!« Und nun entstand solch ein Gelächter, und Helena ward so rot, und Paris so böse, und die übrigen lachten so sehr, daß es ins Weite ging.

CRESSIDA. Da mag es auch bleiben, denn es ist nicht weit her.

PANDARUS. Nun, Nichte, ich sagte dir gestern etwas: das nimm dir zu Herzen.

CRESSIDA. Das tu' ich auch.

PANDARUS. Ich schwöre dir, es ist wahr, er weint dir, wie einer, der im April geboren ist.

Man hört zum Rückzug blasen.

CRESSIDA. Und ich will in diesen Tränen so lustig aufwachsen, wie eine Nessel im Mai.

PANDARUS. Horch! Sie kommen aus dem Felde zu Haus; sollen wir hier hinauftreten und sie nach Ilium ziehn sehn? Tu' es, liebste Nichte; tu' es, liebste Nichte Cressida!

CRESSIDA. Wie es Euch gefällt.

PANDARUS. Hier, hier ist ein allerliebster Platz, hier können wir's recht schmuck mit ansehn. Ich will sie dir alle bei Namen nennen, wie sie vorbeiziehn; merke nur vor allen auf Troilus.

Äneas geht über die Bühne.