True Crime Neuseeland - Adrian Langenscheid - E-Book

True Crime Neuseeland E-Book

Adrian Langenscheid

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Beschreibung

« Wo Wale singen und Geysire sprudeln, lauert der Tod. Ein True-Crime-Meisterwerk von Langenscheid. » Dave Grunewald (Musiker / Influencer) True Crime-Erfolgsautor Adrian Langenscheid entfacht erneut mit seinen schockierenden Kurzgeschichten über wahre Verbrechen aus Neuseeland herzklopfendes Lesevergnügen. Es ist ein atemberaubendes, zutiefst erschütterndes Portrait menschlicher Abgründe, das gerade wegen seiner kühlen, sachlich-neutralen Schilderung gewaltige Emotionen weckt. Eiskalte Serienmörder, verhängnisvolle Familiendramen, tragische Entführungen, niederträchtige Folter und skrupelloser Missbrauch: zwölf schockierende True Crime-Kurzgeschichten zu wahren Kriminalfällen aus Neuseeland erwarten Sie. Gefesselt, fassungslos, verblüfft und zu Tränen gerührt werden Sie alles in Frage stellen, was Sie über die menschliche Natur zu wissen glauben. Das Leben schreibt entsetzliche Geschichten und dieses Buch fasst sie zusammen. Tauchen Sie ein in die schockierende Welt der wahren Kriminalfälle und der echten Verbrechen! «Erneut ist hier ein zutiefst spannendes Werk gelungen. Ganz unterschiedliche Fälle, die überraschen und einen schaudern, aber auch nachdenken lassen. Und wie immer: nah an den Menschen erzählt. » Yvonne Widler (Kurier / Podcast Dunkle Spuren) « Adrian Langenscheid zeigt: Verbrechen schläft nie, auch nicht hinter malerischen Kulissen.» Kristina Straßburger (Kriminologin) « Erschütternd, abgründig, beklemmend – Nervenkitzel garantiert. » Christine Brand (Bestsellerautorin)

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Adrian Langenscheid

TRUE

CRIME

NEUSEELAND

Wahre Verbrechen

Echte Kriminalfälle

Adrian Langenscheid

TRUE CRIME NEUSEELAND

Wahre VerbrechenEchte Kriminalfälle

Über dieses Buch:

Eiskalte Serienmörder, verhängnisvolle Familiendramen, tragische Entführungen, niederträchtige Folter und skrupelloser Missbrauch: elf schockierende True Crime-Kurzgeschichten zu wahren Kriminalfällen aus Neuseeland.

Gefesselt, fassungslos, verblüfft und zu Tränen gerührt werden Sie alles infrage stellen, was Sie über die menschliche Natur zu wissen glauben. Das Leben schreibt entsetzliche Geschichten und dieses Buch fasst sie zusammen. Tauchen Sie ein in die schockierende Welt der wahren Kriminalfälle und der echten Verbrechen!

Über die Autoren

Adrian Langenscheid ist Autor der erfolgreichen Buchserie True Crime International. Seine Bücher haben über die Grenzen Deutschlands hinaus Bestsellerstatus erlangt. Gemeinsam mit den Podcasts „Überdosis Crime“ und „Unsolved“ knüpft der True Crime-Experten mit dem 14. Band der Reihe an die beachtlichen Erfolge der Vorgänger an.

Impressum

Autoren: Adrian Langenscheid, Caja Berg, Alexander Apeitos, Sebastian Lemke, Melli Fesser, Benjamin Rickert, Saskia Rademacher, Chenoa Dittberner

ISBN: 978-3-98661-113-2 ebook

1.Auflage Januar 2024

© 2024 Stefan Waidelich, Zeisigweg 6, 72212 Altensteig

Coverbild: © Canva (canva.com)

Covergestaltung: Pixa Heros, Stuttgart

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Rechteinhabers und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Einige Dialoge und Äußerungen, der in diesem Buch auftretenden Personen sind nicht wortgetreu zitiert, sondern dem Sinn und Inhalt nach wiedergegeben.

» Die Geschichte ist nicht viel mehr als eine Aufzählung der Verbrechen, Narrheiten und Unglücksfälle der Menschheit. «

- Edward Gibbon (1737-1794) britischer Historiker -

Vorwort

Die letzten Jahre hielten viele Überraschungen für mich bereit. Ohne große Erwartungen und aus leidenschaftlichem Interesse habe ich unterschiedlichste Kriminalfälle aus vielen Ländern zusammengetragen und in Büchern veröffentlicht. Alle sind zu Bestsellern im True Crime-Genre geworden. Mit „True Crime Neuseeland“ halten Sie nun das 14. Buch der Serie in Ihren Händen.

Der unerwartete Erfolg und die öffentliche Resonanz stimmen mich bis heute demütig. Auch weil ich im Rückblick auf meine ersten beiden Bücher einiges anders machen würde. Mir ist sehr bewusst, dass dieser Erfolg ohne Sie, liebe Leserinnen und liebe Leser, nicht möglich gewesen wäre. Deshalb widme ich Ihnen dieses Buch. Danke für Ihre Unterstützung, die ehrlichen Rezensionen und Rückmeldungen. Ich lese jede einzelne.

Herzlichst,

Ihr Adrian Langenscheid

» Nichts verrät so sehr einen beschränkten und kleinlichen Geist wie die Geldgier. «

Marcus Tullius Cicero(106 v. Chr. – 43 v. Chr.)römischer Politiker, Jurist, Schriftsteller und Philosoph.

Kapitel 1: Das „3-Millionen-Dollar-Baby“

„Wie schön kann das Leben eigentlich sein?“, fragt Donna sich in Gedanken, als sie die Straße entlangschlendert. Eine leichte Brise streicht durch das dunkle Haar der kleinen, zierlichen Frau. Warme Sonnenstrahlen liebkosen ihr Gesicht. Donna lässt den Blick kurz von ihren beiden Nichten, die einige Meter vor ihr laufen und vergnügt den Kinderwagen mit Baby Kahu vor sich herschieben, zu dem kleinen Familienhund schweifen. An der Leine tapst das Tier neben ihr her. Hin und wieder bleibt er stehen, um an einer Blume oder einem Gebüsch zu schnüffeln und seine Duftmarke zu hinterlassen. Donnas Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. Plötzlich hört sie das Motorgeräusch eines Autos, das sich ihr mit hoher Geschwindigkeit von hinten nähert. Der Wagen rauscht an ihnen vorbei, bevor es am Hain in der Nähe des Flusses zum Stehen kommt. „Rücksichtsloser Vollidiot“, murmelt sie. Sollte der Fahrer gleich noch da sein, dann will sie ihm ein paar Takte zu seiner rüpelhaften Fahrweise geigen. Doch bevor Donna sich weiter ärgern kann, schwingt die Fahrertür des Autos auf, und ein maskierter Mann steigt aus. Die Frau ist starr vor Schreck, als sie sieht, dass der Unbekannte eine Waffe in seiner Hand hält. Mit zielstrebigen Schritten und dem Gewehr im Anschlag, geht er auf ihre Nichten und Baby Kahu zu.

Edward Durie, von allen nur Eddie genannt, schließt sein Studium an der „Victoria Universität“ von Wellington im Jahre 1964 mit einem „Bachelor of Arts“ in Gesellschafts- und Sozialwissenschaften sowie mit einem „Bachelor of Law“ in Rechtswissenschaft ab. Im Anschluss schlägt der junge Mann eine Laufbahn als Jurist ein. 1974 der erste Höhepunkt seiner Karriere: Feierlich erfolgt die Ernennung des 34-Jährigen zum Richter. Eddie schafft es bis zum Obersten Richter am Landgericht, bis ihn 1998 ein Stellenangebot vom Obergericht erreicht, das er voller Vorfreude auf sein neues Aufgabengebiet annimmt.

Der erfolgreiche Jurist lernt während seiner Karrieresprünge die renommierte Anwältin Donna Hall kennen. Die beiden Advokaten verlieben sich ineinander, und kurze Zeit später heiratet das Paar. Donna und Eddie führen eine glückliche Ehe. Zur Krönung ihrer Liebe wünschen sie sich Nachwuchs, doch Donna hat Schwierigkeiten, schwanger zu werden. Umso größer ist die Freude, als sie 1997 endlich einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen hält. Das Hochgefühl ist allerdings nicht von Dauer. In der 30. Schwangerschaftswoche eröffnet ein Arzt der werdenden Mutter, dass ihr Kind an Spina bifida, auch „offener Rücken“ genannt, verstorben ist. Donna und Eddie fallen in ein tiefes Loch der Trauer. Die Familie der Anwältin ist über den Tod des ungeborenen Kindes so erschüttert, dass sie dem Ehepaar verspricht, dass das nächste Baby, welches in der Familie geboren wird, in die Obhut der verwaisten Eltern kommen soll.

In der Māori-Kultur ist der Whāngai-Brauch eine alte Tradition, bei der das Kind von jemand anderem als dessen leiblichen Eltern aufgezogen wird. In der Regel handelt es sich bei der Person um einen engen Verwandten. Diese Gepflogenheit geht auf den Halbgott Māui zurück. Nach dessen Geburt glaubte seine Mutter, dass ihr Junge tot sei und warf den vermeintlichen Leichnam ins Meer. Doch das Baby lebte und wurde von Meeresgeistern gefunden. Māuis göttlicher Vorfahre Ranig, der himmlische Vater, nahm sich des Säuglings an und behielt ihn bis zu seiner Jugend im Himmel. Er lehrte das Findelkind alles über dessen Abstammung und die Stammestraditionen, bevor er Māui zu Mutter und Vater zurückkehren ließ. Der Whāngai-Brauch ähnelt zwar einer Kindesübernahme, doch die Sprösslinge kennen ihre Erzeuger, und es gibt auch kein rechtliches Verfahren wie bei einer offiziellen Adoption.

Am 15. August 2001 ist es dann so weit. In der Stadt Lower Hutt kommt ein kleines Mädchen auf die Welt. Ihre Eltern sind Donnas Schwester Anaha Morehu und ihr Lebensgefährte Jarmie Piripi. Das Neugeborene wird den überglücklichen Zieheltern Donna und Eddie übergeben. Die Pflegeeltern benennen das kleine Mädchen nach Eddies Großmutter Kahurautete. Der Säugling bekommt den Spitznamen Kahu.

Im gleichen Jahr erscheint in einer Wochenzeitung eine Liste mit den prominentesten Bewohnern Neuseelands und ihrem geschätzten Vermögen. Auch Donna Hall taucht in der Aufzählung auf. Die Journalisten geben an, dass die erfolgreiche Anwältin rund 10 Millionen NZD (Neuseeländische Dollar, rund 5,6 Millionen Euro) auf dem Konto hat. Zusammen mit dem beträchtlichen Einkommen von Ehemann Eddie ist das Paar finanziell in der Lage, ihrer Ziehtochter ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen.

Am Samstag, dem 13. April 2002, gegen 11:20 Uhr, bricht Donna mit ihren beiden Nichten, Baby Kahu im Kinderwagen und dem Familienhund an der Leine zu einem Spaziergang am Hutt River auf. Die beiden Mädchen schieben den Säugling in dessen Kinderwagen; Donna geht mit dem Hund an der Leine einige Meter hinter ihnen. Als die Gruppe in die Straße einbiegt, die zum Fluss führt, werden sie von einem Mitsubishi Magna überholt. Der Mittelklassenwagen hält am Ende des Hains in unmittelbarer Nähe zu der Treppe, die Besucher zum Ufer des Hutt Rivers führt.

Während sich das Quintett der Stiege nähert, steigt ein Mann aus dem Auto. Eine Sturmhaube verdeckt sein Gesicht. In seinen behandschuhten Händen hält er ein halbautomatisches Gewehr mit abgesägtem Lauf. Mit großen Schritten eilt er auf die Kinder und Donna zu. Ohne zu zögern, richtet er das Schießeisen auf den Kopf eines der Mädchen. Donna, die hinter ihren Nichten und dem Kinderwagen ging, rennt mit dem Hund an der Leine los, um die Kinder vor dem Unbekannten zu beschützen. Doch der maskierte Mann wedelt mit seinem Gewehr und schreit die Anwältin an, sie solle zusehen, dass der Hund verschwinde. Aus Angst, den Angreifer noch mehr zu reizen, geht Donna einige Meter zurück und bindet den Vierbeiner an einen Baum fest, während der Täter die Waffe wieder auf die kleinen Mädchen richtet. Er brüllt sie an, dass sie von dem Kinderwagen zurücktreten sollen. Doch bevor Donna den Kindern zu Hilfe eilen kann, ergreift der unbekannte Mann Baby Kahu und rennt zurück zu seinem Wagen. Er legt den Säugling auf den Beifahrersitz, spurtet um das Auto, reißt die Fahrertür auf und schwingt sich hinter das Steuer. Das Gewehr klemmt er sich zwischen seine Beine, während er den Motor des Fahrzeuges startet und Richtung Osten davonrast. Verzweifelt versucht Donna, sich dem Auto samt Entführer und ihrer kleinen Ziehtochter in den Weg zu stellen; muss aber in letzter Sekunde von der Straße hechten, um nicht überfahren zu werden.

Umgehend wird die Polizei über die Entführung des acht Monate alten Mädchens informiert. Donna versucht, den Unbekannten zu beschreiben, der Baby Kahu gewaltsam an sich genommen hat. Der Mann sei etwa 1,80 Meter groß und von schlanker Statur. Aufgrund seiner Augenpartie schätze sie das Alter auf Ende 30 bis Anfang 40 Jahre. Der sichtbare Haaransatz des Gesuchten lässt die Anwältin vermuten, dass er graue, kurzgeschnittene Haare hat.

Sofort lassen die Beamten Straßensperren errichten. Die Polizisten kontrollieren alle Autos, in denen sich ein Mann und ein Kind befinden. Stunde um Stunde vergeht, bis die Nacht hereinbricht. Von Baby Kahu fehlt weiterhin jede Spur.

Am folgenden Tag führen Ermittler über 50 Hausdurchsuchungen bei Männern durch, auf welche die Täterbeschreibung von Donna passt. Doch ihre Bemühungen bleiben ohne Erfolg. Es gibt keine Spuren, die sie verfolgen können, und auch die erhoffte Kontaktaufnahme durch den Entführer hat bis jetzt nicht stattgefunden. Und so bleibt dem Kriminalinspektor Stuart Wildon nichts anderes übrig, als den neugierigen Pressevertretern gegenüber zu gestehen, dass ihre Nachforschungen zum aktuellen Zeitpunkt keine Hinweise auf den Verbleib des kleinen Mädchens gebracht hatten: „Wir arbeiten mit der Familie zusammen, um ein mögliches Motiv des Täters zu finden. Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir allerdings noch keine weiteren Informationen.“

Donna und Eddie wenden sich mit einem Statement an die Öffentlichkeit. Mit seinen herzbewegenden Worten richtet sich das Ehepaar auch an den Täter: „Baby Kahu ist ein unschuldiges kleines Mädchen, das weder sprechen, noch krabbeln oder gar gehen kann. Sie braucht regelmäßig Nahrung und muss warm gehalten werden. Bitte wickeln sie Kahu in kuschlige Decken ein und bringen Sie unser Mädchen an einen Ort, wo es schnell von anderen Menschen gefunden werden kann.“ Doch der Sonntag vergeht, ohne dass es ein Lebenszeichen des vermissten Kindes gibt.

Am nächsten Tag gibt die verzweifelte Ziehmutter erneut eine Pressekonferenz. Mit tränenerstickter Stimme sagt sie in die Fernsehkameras: „Guten Morgen, Neuseeland. Ich bin Donna Hall, die Mutter von Baby Kahu. Ich habe der erneuten Presseveranstaltung zugestimmt, weil Kahu für ihren Vater und mich sehr wichtig ist. Sie ist heute, am 15. April 2002, acht Monate alt geworden. Sie kann noch nicht sprechen, sie kann noch nicht laufen und sie krabbelt noch nicht. Aber ich denke, dass sie in dieser Woche anfangen könnte, zu robben. Sie hat zwei sehr scharfe untere und ein oberes Zähnchen. Ihre Zähne sind über ihre motorischen Fähigkeiten hinausgewachsen. Wenn Sie Kahu einen Keks geben, dann beißt sie sich wahrscheinlich in die Finger. […] Zu ihrer Geburt hat ihr Ziehvater für sein kleines Mädchen einen Rosengarten gepflanzt. Kahu wurde hier in Lower Hutt in unserem Haus geboren. […] Das einzige Zuhause, das sie kennt. Sie ist ein starkes Kind. Sie hat die schönen Augen ihrer leiblichen Mutter. Sie ist intelligent, aber sie ist jetzt bestimmt sehr verängstigt – so, wie ich es auch bin.“ Dann richtet Donna Hall ihre Worte direkt an den Entführer: „Sie haben meiner Nichte ein Gewehr an den Kopf gehalten und mir gesagt, dass Sie sie erschießen würden, wenn wir nicht tun, was Sie wollen. […] Sie könnten das Problem für uns alle lösen, indem Sie Kahu an einen sicheren Ort zu freundlichen Menschen bringen, die sie uns wiedergeben. So können Sie das Unrecht, das Sie ihr, meinem Mann und mir angetan haben, wiedergutmachen. […] Ich möchte nochmal betonen, dass Kahurautete nicht sprechen kann. Das heißt, dass sie Sie nicht identifizieren kann. Sie brauchen keine Angst zu haben. Im Gegenzug für ihre Entlassung können Sie Ihre Menschlichkeit zurückgewinnen.“ Mit diesen Worten beendet Donna die Ansprache an den Entführer ihrer kleinen Ziehtochter.

Am Mittwoch, dem 17. April 2002, zwei Tage nach der Pressekonferenz, findet das Ehepaar des vermissten Kindes ein Schreiben im Briefkasten. Ohne den Umschlag anzufassen, um mögliche Fingerabdrücke nicht zu verwischen, alarmieren sie die Polizei. Donna und Eddie glauben, dass es sich bei dem Brief um eine Lösegeldforderung handeln könnte. Und sie sollten Recht behalten.

Mit Handschuhen öffnet ein Kriminalinspektor den Umschlag und zieht ein Polaroid-Foto heraus. Darauf ist die vermisste Kahu zu sehen. Der Säugling liegt auf einer Couch; an der Wand dahinter hatte der Täter einen Zeitungsartikel über die Entführung seines Opfers gepinnt. Erleichtert stellen Donna und Eddie fest, dass ihr Kind auf dem Foto den Eindruck erweckt, bei bester Gesundheit zu sein.

Auf einem Blatt Papier hat der Entführer seine Forderungen niedergeschrieben. Er will von den Juristen 2 Millionen NZD (rund 1,1 Millionen Euro). Zudem fordert der Täter Goldmünzen im Wert von einer weiteren Million NZD (rund 549.000 Euro). Sobald das Lösegeld bereitstünde, sollen die Eltern in der Zeitung „The New Zealand Herald“ in der Rubrik „Verschiedenes“ eine Anzeige aufgeben. Den Text gibt der Entführer ebenfalls vor. Damit Donna und Eddie sicher sein können, dass sich der Täter auf die Annonce meldet, wird er sich mit „Codename Myrte, hier ist Tomme“ bei ihnen melden. Der anonyme Absender macht in seinem Brief klar, dass, sollte die Polizei eingeschaltet oder das Lösegeld nicht vollständig bezahlt werden, die Eltern das kleine Mädchen nicht wiedersehen würden. Einen einzigen Versuch hätte das Ehepaar.

Am kommenden Tag erscheint in der Zeitung die Anzeige mit dem vom Täter gewünschten Text: „Tomme, die Hasen sind bereit zu laufen. Ruf mich an“, gefolgt von einer Telefonnummer. Es ist gegen 16:00 Uhr, als das Telefon im Haus der Duries klingelt. Mit zittriger Hand greift Donna zum Telefonhörer und nimmt das Gespräch an. Am anderen Ende der Leitung meldet sich „Tomme“ mit dem vereinbarten Codewort. Er erkundigt sich bei der Juristin, ob sie das Geld besorgt habe. Donna bejaht die Frage des Kriminellen. In drohendem Tonfall wiederholt der Unbekannte seine Bedingungen: Sollte er merken, dass die Polizei involviert ist, platzt der Deal. Bevor der Mann auflegt, lässt er Donna wissen, dass er sich in einigen Tagen erneut bei der Familie melden will.

Das Telefonat dauert weniger als eine Minute, dennoch gelingt es den Beamten, den Anruf zurückzuverfolgen. Der Verdächtige hatte sich aus einer öffentlichen Telefonzelle in der Stadt Te Awamutu, rund 480 Kilometer von Lower Hutt, bei den Duries gemeldet. Der Telekommunikationsriese, der die Telefonzellen im Land betreibt, erklärt im Nachhinein, dass die Rückverfolgung für die Ermittler möglich war, weil die 5.400 Münztelefone eindeutige Signale senden würden.

Nachdem die Beamten den Standort der Telefonzelle identifiziert haben, stellen sie weitere Recherchen an. So finden sie heraus, dass nach dem Lösegeldanruf bei den Duries zwei weitere Telefonate von dem Münztelefon aus geführt wurden. Die Kriminalisten vermuten, dass auch diese der Entführer tätigte. Die Gesetzeshüter prüfen, auf wen die Anschlüsse der gewählten Rufnummern zugelassen sind. Ihre Recherchen führen sie zu zwei Männern, die eine Gemeinsamkeit haben: beide sind an jenem Tag von ihrem polizeibekannten Kumpel Terence Traynor angerufen worden.

Terence Ward Traynor kommt im Jahr 1948 in einem kleinen Vorort von Lower Hutt zur Welt. Über Kindheit und Jugend ist nicht viel bekannt. Fest steht nur, dass Traynor 1970 heiratet und das Ehepaar einen Sohn bekommt. Die Ehe des Paares hält nur wenige Jahre. Der Vater entfremdet sich von seiner Familie. Bald wandert er nach Australien aus. Seine Ex-Frau sagt später in einem Zeitungsinterview, dass Terence trotz allem ein toller Vater mit einem guten Herz gewesen sei.

Während Terence Traynor sich sein neues Leben auf dem fremden Kontinent aufbaut, kommt sein 5-jähriger Sohn Nicholas bei einem tragischen Unfall ums Leben. Der Vater kann den Tod seines kleinen Jungen nicht überwinden. In der Folge rutscht Traynor in die Kriminalität ab. In den 80-er Jahren muss er sich mehrfach vor Gericht, hauptsächlich wegen Delikten mit einer Schusswaffe, verantworten. Ob es zu Verurteilungen kam und welche Strafen der Mann erhielt, ist nicht bekannt. Im Jahre 1987 verurteilt ihn ein Richter wegen eines bewaffneten Raubüberfalles zu einer Gefängnisstrafe von acht Jahren.

Sobald der Verurteilte seine Strafe abgesessen hat, beschließt er, Australien den Rücken zu kehren. Es zieht ihn zurück nach Neuseeland. Auf der kleinen Insel Waiheke versucht Traynor, Fuß zu fassen. Schnell freundet er sich mit den Inselbewohnern an. Und auch zu seinem Vermieter Norm Burnand, der seinen Mieter als hilfsbereit und angenehm beschreibt, pflegt Traynor ein freundschaftliches Verhältnis.

Roy Skinner sagt über seinen Kumpel Terence: „Ich habe in ihm immer nur einen großartigen Freund gesehen. Er war von Beruf Schaltschrankbauer und kam immer vorbei, um mir beim Schrauben an meinen Autos zu helfen.“

Die meisten Waiheker kommen mit dem neuen Gemeindemitglied gut aus. Nur mit Alton Shinnick gerät Traynor 1996 aneinander. In der Nachbarschaft lebt eine Mutter mit ihren Kindern und drei Hunden. Die Tiere, welche den ganzen Tag gebellt haben sollen, gehen Traynor auf die Nerven. Er beschwert sich bei der Gemeinde über die Lärmbelästigung und zieht damit den Ärger von Alton Shinnick auf sich, der mit der alleinerziehenden Frau befreundet ist.

Ein hitziges Streitgespräch entbrennt zwischen den Männern. Traynor, erst kürzlich an der Hüfte operiert und sich an Krücken fortbewegend, fürchtet, dass der aufgeregte Shinnick handgreiflich werden könnte. Um ihm zuvorzukommen, schwingt er eine seiner Gehhilfen in der Luft und lässt sie auf den Kopf seines Gegenübers niedersausen. Die alarmierte Polizei versucht, den Streit zwischen den beiden zu schlichten. Traynor gibt an, dass er in Notwehr gehandelt habe. Die Strafverfolgungsbehörde sieht das allerdings anders. Sie klagen den 48-Jährigen wegen Körperverletzung an. Ob es zu einer Verurteilung kam, ist nicht bekannt.

Nachbarn berichten, dass Traynor in der Zeit nach dem Vorfall nur selten gearbeitet habe. Darauf angesprochen, wie er seinen Lebensunterhalt bestreite, antwortet er, dass er durch die Scheidungsvereinbarung mit seiner Ex-Frau genug Geld habe, um seine laufenden Kosten zu decken.

Terence Traynor ist ein begeisterter Segler. Schon lange träumt er davon, ein Boot sein Eigen zu nennen. Um sich den Traum erfüllen zu können, beschließt der Mann, seine wenigen Ersparnisse an der Börse zu investieren. Doch sein Plan geht nicht auf. Nach dem weltweiten Börsencrash im Zuge der Terroranschläge vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten verliert Traynor einen Großteil seiner Investitionen. Der Mann ist verzweifelt, ist doch damit nicht nur sein bisschen Vermögen, sondern auch seine Altersvorsorge futsch.

Fortan kreisen seine Gedanken darum, wie er seine Finanzen wieder aufstocken kann. Als er eines Tages durch ein Wochenblatt schmökert, entdeckt er eine Aufzählung der reichsten Bewohner Neuseelands. Da kommt ihm die Idee: Er könnte eine wohlhabende Person entführen und Lösegeld von der Familie erpressen. Seine Wahl fällt auf die renommierte Anwältin Donna Hall. Mit Hilfe des Wählerverzeichnisses gelingt es ihm, an die Adresse der Frau zu kommen.

Zu Beginn des Jahres 2002 kauft Traynor mit seinem letzten Geld ein Haus in der Stadt Taumarunui. 45.000 NZD (rund 25.000 Euro) investiert er dafür. Woher er das Geld hat, ist nicht bekannt. Nachdem der Mann die Besitzurkunde in den Händen hält, verliert er keine Zeit und beginnt mit seinen Umbaumaßnahmen. Einen Raum in dem Gebäude baut er so um, dass er als eine Art Zelle dient, in der er sein Opfer gefangen halten kann. Er sorgt dafür, dass von dem Zimmer aus ein Zugang zur Toilette, nicht aber zum Rest des Hauses möglich ist. Sobald er alle Fenster in dem kleinen Gefängnis mit Vorhängeschlössern gesichert hat, verbarrikadiert er diese zusätzlich mit Holzbrettern.

Als Traynor die Bauarbeiten beendet hat, verbringt er die darauffolgenden Wochen damit, regelmäßig in seinem Mazda nach Lower Hutt zu fahren, um Donna Hall und ihre Familie auszuspionieren. Während der Zeit in der rund 650 Kilometer von seinem eigentlichen Wohnort entfernten Stadt mietet er sich unter falschem Namen in einer der Unterkünfte eines nahe gelegenen Ferienparks ein.

Anfang März 2002 ändert Terence Traynor dann seinen ursprünglichen Plan. Er stellt fest, dass die Familie einen Säugling hat, und denkt sich, dass es einfacher sei, ein Baby, statt einer erwachsenen Frau zu entführen. Der 54-Jährige beschließt, den Säugling zu verschleppen, während seine Mutter mit ihm spazieren geht. Ausgiebig hatte er den Tagesablauf der Familie studiert und weiß genau, wann und wo er Donna Hall samt Tochter antreffen kann. Nun galt es, die letzten Vorbereitungen für seine Tat zu treffen.

Ende März mietet Traynor einen Lagerraum in einem Vorort von Lower Hutt. Während der Ostertage reist der Mann in die rund 630 Kilometer von Lower Hutt entfernte Stadt Auckland. Dort kauft er sich einen Mitsubishi Magna und parkt das Fahrzeug in dem angemieteten Depot.

Einige Tage später betritt der 54-Jährige den Parkplatz eines Supermarktes. Er späht über das riesige Areal, bis er findet, was er sucht. Zielstrebig geht er auf einen Mitsubishi Magna zu, der seinem neu gekauften Auto sehr ähnlich ist. Unbemerkt montiert er in wenigen Sekunden geschickt eines der Nummernschilder des Wagens ab. Nachdem er, beinahe wie im Vorbeigehen, noch ein weiteres Kennzeichen eines anderen Autos abmontiert hat, macht Traynor sich auf den Weg zu seinem Lagerraum. Dort angekommen, tauscht er die Nummernschilder seines Mitsubishi Magna gegen die gestohlenen aus.

Am Morgen des 13. Aprils 2002 wacht Traynor in seiner Unterkunft im Ferienpark auf. Heute ist der große Tag. In der Küchennische erhitzt er etwas Milch und füllt sie in ein zuvor gekauftes Fläschchen. Mit dem warmen Getränk, Sturmhaube, Handschuhen und seinem geladenen, halbautomatischen Gewehr mit abgesägtem Lauf macht er sich auf den Weg.

Zunächst lenkt er seinen Mazda zum Lagerraum. Mit seinem Mitsubishi Magna, samt gestohlenen Kennzeichen, fährt der 54-Jährige dann zum Haus von Donna Hall und ihrer Familie. Unauffällig parkt er in der Nähe und legt sich auf die Lauer. Gegen 11:20 Uhr bricht die Anwältin mit ihren beiden Nichten, Baby Kahu im Buggy und dem Familienhund zum samstäglichen Spaziergang auf. Traynor gibt dem Quintett einen kleinen Vorsprung, ehe er den Motor des Wagens startet und heimlich die Verfolgung aufnimmt.

Nachdem der Entführer mit Baby Kahu auf dem Beifahrersitz vom Tatort geflohen war, fährt er zu seinem Lagerraum nach Seaview. Dort angekommen, tauscht er die Autos. Der Säugling schläft tief und fest, während Traynor mit ihm zum Ferienpark fährt. Dreieinhalb Stunden verbringt er mit dem Kind in der Unterkunft, um den ersten Suchmaßnahmen der Polizei zu entgehen. In dieser Zeit wacht das kleine Mädchen weinend aus dem Mittagsschlaf auf. Doch Kahu beruhigt sich schnell, als sie mit der zuvor zubereiteten Milch gefüttert wird.

Gegen 15:30 Uhr entscheidet der Entführer, dass nun der Zeitpunkt gekommen ist, die Ferienunterkunft zu verlassen. Auf seinem Weg zu seinem Haus mit der selbst gebauten Gefängniszelle im 350 Kilometer entfernten Taumarunui, hält er nur einmal an, um Brennholz und Windeln zu kaufen. Tatsächlich gelingt es Traynor erfolgreich, die Straßensperren der Polizisten zu umgehen.

Die kommenden Tage verbringt der Täter mit Kahu in dem präparierten Gebäude. Manche Quellen geben an, dass der Mann Tagebuch darüber geführt haben soll, wann er das kleine Mädchen fütterte, wickelte und wie lange sie schlief.

Aufmerksam blickt Traynor auf die flimmernde Mattscheibe, während Donna Hall verzweifelt über ihr vermisstes Kind spricht. Die Gefühlsduselei interessiert den 54-Jährigen nicht; interessant hingegen findet er, als die Mutter berichtet, wie Kahu beruhigt werden kann. Am nächsten Tag lässt der Entführer das acht Monate alte Kind allein und macht sich auf den Weg nach Hamilton, um einige Dinge zu besorgen. Darunter einen Schnuller und Babybrei. Während seines Besuches in der Stadt wirft er auch die zuvor verfasste Lösegeldforderung, adressiert an Donna Halls Adresse in Lower Hutt, in den Briefkasten.

Wiederum zwei Tage später schlägt Traynor neugierig die Tagesausgabe des „The New Zealand Herald“ auf. Zügig blättert er durch die Zeitung, bis er zur Rubrik „Verschiedenes“ kommt. Und da erblickt der Mann, worauf er gewartet hat: „Tomme, die Hasen sind bereit zu laufen.“ An jenem Nachmittag lässt der Entführer Baby Kahu abermals allein und fährt in die Stadt Te Awamutu. Bei der nächstbesten Telefonzelle, die er am Straßenrand sieht, hält er an. Er zückt seine Telefonkarte und wählt die Nummer, die er in der Annonce gelesen hat. Nachdem er mit Donna Hall gesprochen hat, beschließt er, das restliche Guthaben seiner Telefonkarte aufzubrauchen. Der Mann wähnt sich in Sicherheit; glaubt er doch, dass die Polizei den Anruf nicht zurückverfolgen kann. Immerhin hat er penibel darauf geachtet, der Anwältin alle wichtigen Informationen in weniger als einer Minute regelrecht entgegenzuschleudern.

Der 54-Jährige ruft zwei seiner Kumpels an und plaudert eine Weile mit den Männern, bevor ihm die Anzeige signalisiert, dass sich das Guthaben dem Ende neigt. Bevor Traynor sich auf den Weg zurück zu seiner Geisel macht, trifft er sich noch mit einigen alten Bekannten.

Als es den Ermittlern gelungen war, Terence Tayor als Hauptverdächtigen zu identifizieren, durchleuchten sie ihn. So finden sie heraus, dass der Mann ein Grundstück in der Hikumutu Road in Taumarunui besitzt. Die Kriminalisten machen sich auf den Weg und observieren unauffällig das Haus des 54-Jährigen. Doch zunächst bleibt alles ruhig.

Erst am Sonntag, dem 21. April 2002, gegen 16:00 Uhr, beobachten die diensthabenden Polizisten, wie der Verdächtige das Gebäude verlässt, in sein Fahrzeug steigt und davonfährt. Sobald das Auto aus ihrem Blickfeld verschwunden ist, steigen sie aus und nähern sich mit der Hand an der Waffe dem Unterschlupf von Traynor. Sie müssen auf der Hut sein, denn sie wissen nicht, ob der Mann Komplizen hat. Sie blicken durch die Fenster in das Innere des Hauses. Es scheint, als wäre niemand daheim. Auch von Baby Kahu ist keine Spur zu sehen.

---ENDE DER LESEPROBE---