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Ulaila (Martina Hügli) ist Forscherin der Wirklichkeit und Gärtnerin des Lebens. Ihre Lyrik entspringt der Ehrfurcht vor der mystischen Tiefe des Seins. Sie ergründet das Unendliche, das sich im Herzen des Alltäglichen offenbart. Die Gedichte wurzeln in der Bewunderung des körperlichen Seins und dessen Einheit mit dem Kosmos. Und in der unbeschreiblichen Zärtlichkeit, die alles durchdringt und sich zurückholt, was verwundet wurde und verloren gegangen ist.
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Seitenzahl: 30
ulaila
überraschende wendung
© 2023 . Ulaila
Illustration: Regina Hügli
Umschlag: Jorinde Boon
Lektorat: Veronika Sellier
ISBN
Paperback
978-3-347-78468-0
Hardcover
978-3-347-78469-7
Großschrift
978-3-347-78471-0
E-Book
978-3-347-78470-3
Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:
tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.
überraschende wendung
ulaila
„poetry is a shining spearfor the poorest warrior“
ferlinghetti
I
frühling
den ganzen tag lang bin ich
auf der suche nach
dir, honigschlaf.
o erde, zieh mich
in dein feuchtes dunkel.
nimm jeden satz,
den ich schreibe,
und steck deine
decke um ihn fest.
ich schaffe keine
obrigkeit, wenn ich
die wörter tippe.
ich gebe dir zu essen.
meine morsche welt
summt das lied zwischen
den sich ergebenden
buchstaben, elementen.
das ist für den verstand
nicht von interesse.
die verstände wollen
heulende sirenen hören.
aber wenn die stille
dann zurückkehrt, wenn die organe wieder
in den himmel schmelzen
und frohlocken in dem
polyphonen tanz,
wenn das blut sich mit
dem herzschlag der erde
durch den leib bewegt,
dann sind sie weg,
die verstände. tragödie
kompostiere ich
alleine. und jetzt
bin ich dein baby,
goldener schlaf, in aller
ewigkeit gewiegt.
bewege mich
in der symphonie
des traums,
der sich erschafft.
jetzt liebe ich sie
allesamt, alle verstände.
ich werde mich nicht rächen
für ihre absenz.
ich ertrinke sehr sanft
im blütenmeer des frühlings.
innen
unmöglich,
mich zu erinnern,
wer ich denke zu sein,
wenn ich lausche, wie
die bienen summen
und die katze schnurrt.
die erde tut sich
auf und isst mich,
die hände und
dann meinen mund.
das gehirn wird grün,
wald von innen.
licht von einer
ungekannten sonne
scheint durch das blätterdach,
und in den rudernden
ärmchen des embryos
erscheinen die adern.
dein blut durchpulst mich.
verschwinden
stück rinde mit flechten –
schau mich an, sagst du,
bis ich verschwinde.
du verbleichst,
zerbröckelst, doch
du bist noch immer da.
was erst aussah wie
ein drache, ist
jetzt eine platte,
verdorrte eidechse.
füsschen zur seite,
schwanz abgebrochen.
ich fühle dein bitten, aber
wer weiss: wie zeigt
ein krümelndes stück
rinde ihr verlangen?
vielleicht, wie du
druck gibst zwischen
meinen augen, die
auseinander gleiten zu den
schläfen? oder
wie du mit
deinem samtigen brodeln
das herz anstösst,
bis es sich drehen lässt?
wie du meinen schoss lockst,
bis wasser quillt?
der kompost befeuchtet.
fühlst du es?
jetzt wird er warm,
und endlich beginnt
das verrotten. so
bin ich schneller weg
als jedes ding.
jetzt brauchst du
nicht mehr auf
mich zu warten.
wir kreisen
im selben herzen.
niemand
ich bleibe heute zuhause.
mein pullover ist übersät
mit kletten und katzenhaaren.
ich trage keinen bh,
aber das sieht keiner.
niemand braucht zu wissen,
wie glücklich meine brüste sind,
wie frei. ich brauche
kein workout,
um straff zu bleiben,
wenn ich liebe mache mit
dem wetter und dem land.
wer könnte denn noch da sein
für den regen, für
die würmer und den löwenzahn,
wenn alle damit beschäftigt wären,
eine person zu sein?
geliebte erde, vermenge mich
mit deinen atomen und
bring meine teilchen
heim zu dir.
der bussard fliegt.
mäuse in hülle und fülle.
hund
in der schule habe ich
gelernt, dass man
sich zu jeder sache
eine eigene meinung
bilden soll, und auch
die quellen prüfen.
mit einer schweren
kette von argumenten
um den hals
gehe ich mit
meinem hund spazieren.
der nacken wund
und gebückt von
den scharfen
kanten der zeichen.