unfinished - Kathia Krüss - E-Book

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Kathia Krüss

4,7

Beschreibung

Katsu ist ein junger, leidenschaftlicher Bassist - aber auch genauso dickköpfig. Eine Eigenschaft, die ihm in keiner Band einen langen Aufenthalt gewährt. Als Ausgleich zu diesem frustrierenden Dauerzustand winken angenehme Stunden mit seinem neuen Freund Shiro, seines Zeichens ebenfalls Bassist. Doch mit seiner Dickköpfigkeit eckt er nicht nur bei seinen Kollegen an, sondern auch bei Shiro, was schließlich zum ungewollten Bruch ihrer Beziehung führt. Neben den eigenen Charakterschwächen und Liebeskummer sieht sich Katsu eines Tages aber mit einem noch viel größeren Drama konfrontiert...

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Danke an Attila für die Ermutigung und Unterstützung.

Danke an Maverick für die in mich investierte Kraft.

Und danke an cami. Für alles.

Inhaltsverzeichnis

01. Intro

02. FreaX

03. First longing

04. unexpected

05: doubts

06. Invitation

07. Without Sugar

08. not easy to handle

09. obstinate

10. blind bird in cage

11. Rainbow-Tree

12. The sound of bats

13. The Tattoo

14. I hate myself for loving you

15. Kiss Me Kiss Me Kiss Me!

16. Cold Coffee

17. deep psyche ~ Trauma

18. the letter

19. Stabs

20: The shredded wings of a butterfly

21. outer casing

22. Vanishing Vision

23. Never say can't!

24. Secret

25. maple leaf

26. levelled off

27. cherry blossoms

28. Grey

29. Rose of Pain ~ Caught in Despair

30. Meeting

31. Just like heaven

32. hunch

33. Thorax without a heart

34. Pictures of you

35. forgotten feelings

36. weak end

37. self-reflection

38. Changing lines

39. Listen to your heart

40. Outro

01. Intro

Die eigenwilligen aber opportunen Basstöne dröhnten durch den Raum, nutzten den Sound der Drums regelrecht als Spielwiese. Rhythmus- und Leadgitarre korrespondierten gekonnt miteinander und über all diesem ergoss sich ein Gesang, der zwar nicht immer jeden Ton perfekt traf, jedoch vor Leidenschaft nur so strotzte.

Katsu wippte schon die ganze Zeit unwillkürlich mit dem Fuß zum Takt der Musik, während sein wacher Blick die fünf jungen Männer auf der Bühne musterte. Neben ihm am Tisch saß eine junge Frau, bei der es sich um seine beste Freundin Aki handelte. Diese hatte, genau wie Katsu, vor sich ein Cocktailglas mit himmelblauem Inhalt stehen, welchen sie mit Hilfe eines Strohhalmes kontinuierlich verringerte.

Katsu hingegen kam kaum zum trinken, da er seine Aufmerksamkeit vollständig der unbekannten Band auf der Bühne verschrieben hatte. Somit war sein Glas auch noch halbvoll, als besagter Act schon mit der Zugabe begann.

„Die Jungs sind wirklich gut“, kommentierte Aki die heutige Show, während sie mit dem Strohhalm die Flüssigkeit in ihrem Glas umrührte.

Katsu hätte ihr sicherlich beigepflichtet, vergaß jedoch zu antworten. Er hörte inzwischen nicht mehr einer Band zu, die er „cool“ fand – er hörte einer Band zu, die ihn begeisterte! Besonders der Bass hatte es ihm angetan. Katsu spielte selbst Bass und es hatte ihn schon immer gestört, dass viele Bassisten einen verhältnismäßig angepassten Stil spielten, anstatt das volle Potential aus ihrem Instrument herauszuholen. Bei dieser Band war es anders: Hier hatte sich der Bass eine ganz eigene Position ergattern können, ohne aus dem Rahmen des Gesamtkonzeptes zu fallen oder die anderen Elemente zu behindern. Es war ein Stil, der ihn in seinen Bann zog und sein Musikerherz überzeugte.

Aber da war noch mehr, was sein Herz zu überzeugen schien, und das betraf nun nicht mehr ausschließlich die Akustik: Es war der Typ, der den Bass spielte. Ein schlanker Kerl mit fransigen, weißblondgeblichenen Haaren, die ihm bis knapp über die Schulter gingen. Seine Finger waren auffallend lang und Katsu schätzte ihn auf etwa sein Alter, irgendwas erste Hälfte Zwanzig.

Die Leute um ihn herum begannen zu klatschen, manche zu jubeln, und da begriff Katsu erst, dass das Konzert vorüber war. Etwas irritiert blickte er vor sich auf sein Glas: Es war noch zur Hälfte gefüllt. Er hatte das Trinken zum Schluss hin komplett vergessen. Und das hier war sein Lieblingscocktail!

Aki hingegen saß nur da und grinste. „Dir gefällt der Bassist, was?“ Als beste Freundin wusste man die Verhaltensweisen des Anderen ja schließlich zu deuten.

Katsu wand seinen noch immer leicht verdutzten Blick vom Glas hinüber zu Aki. „Klar! Hast ihn doch spielen gehört“, erwiderte er, ohne auf die Anspielung einzugehen.

Die junge Frau mit den vollen, roten Lippen schmunzelte wissend.

Zu viel mehr hätte sie eh keine Gelegenheit mehr gehabt, denn schon im nächsten Augenblick sprang Katsu plötzlich von seinem Stuhl auf und ging zielstrebig zum Seitenbereich der Bühne. Dort hatte er nämlich besagten Bassisten entdeckt, wie er gerade dabei war, seinen Bass im dafür vorgesehenen Koffer zu verstauen. Katsu sah dies als Chance, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, und ohne weiter darüber nachzudenken, sprach er ihn auch schon an. „Hey, ihr wart cool!“

Der Angesprochene, der vor seinem Koffer kniete und diesen gerade schloss, hob den Kopf und blinzelte durch ein paar verirrte Haarsträhnen hoch zu Katsu. „Danke.“

Ein Freund vieler Worte schien er wohl nicht gerade zu sein. Doch so schnell gab Katsu nicht auf. „Kann ich dich zu was einladen?“

Der Blonde stand auf. „Womit hab ich das denn verdient?“ Er wirkte etwas überrascht, aber nicht abgeneigt.

„Sieh es als Anerkennung für euren Auftritt an.“ Seine Augen waren erwartungsvoll auf sein Gegenüber gerichtet. Für gewöhnlich war Katsu nicht der Typ, der Wildfremden spontan Einen ausgab. Aber dieser Kerl reizte ihn und somit war er auch bereit, zu ungewöhnlichen Mitteln zu greifen, um ihm näher kommen zu können. Er spürte, wie sein Herzschlag langsam zunahm, als der fremde Bassist ihm noch immer keine eindeutige Antwort gab.

Dieser legte den Kopf ein wenig schief, ohne seinen Blick von Katsu abzuwenden. „Mit wem hab ich denn das Vergnügen, dass ich heute Abend nicht verdursten muss?“

„Ich bin Katsu“, stellte er sich verspätet vor.

„Shiro“, verriet der Blonde nun auch seinen Namen.

Doch noch bevor das Gespräch zwischen ihnen vertieft werden konnte, näherte sich aus dem Hintergrund eine weitere Person. Katsu erkannte in ihm den Drummer wieder. Ein ebenfalls sehr schlanker, fast hagerer Typ, der jedoch ein auffallend weibliches Aussehen an den Tag legte. Katsu erinnerte sich:

Als die Band auf die kleine Club-Bühne getreten war und jeder seine Position eingenommen hatte, hatte er ihn anfänglich für ein Mädchen gehalten.

Nun legte der Drummer eine Hand auf Shiros Schulter.

„Die Anderen wollen gleich noch ins 'Hot Shots', kommst du mit?“

Schlagartig breitete sich ein flaues Gefühl der Enttäuschung in Katsus Magengegend aus. Sollte ihm der Junge jetzt etwa direkt vor der Nase weggeschnappt werden?

Shiro wand sich zu seinem Kollegen um. „Beim nächsten Mal. Ich hab heute schon ein Date.“ Er zwinkerte.

Der Drummer grinste, tätschelte ihm kurz die Schulter und begab sich, ohne jeglichen Kommentar, wieder zurück zu den drei Anderen, um die restlichen Instrumente von der Bühne zu befördern.

Die Flauheit in Katsus Magen wechselte in Sekundenbruchteilen zu einem aufgeregten Kribbeln. Auch, wenn Shiro den Begriff 'Date' nur humorvoll gemeint haben sollte, zeigte es doch sein Interesse an ihm.

Keine zwei Minuten später saßen Katsu und Shiro zusammen mit Aki an der Bar. Nachdem auch Aki die Gelegenheit gegeben wurde, sich mit Shiro vertraut zu machen, kam man schnell auf das Thema Bands zu sprechen.

„Wie lange gibt's euch schon?“, wollte Katsu von Shiro wissen.

„Wir haben FreaX vor dreieinhalb Jahren gegründet.“ FreaX, das war der Name der Band, deren Auftritt Katsu noch bis vor wenigen Minuten beigewohnt hatte.

„Wow“, machte Katsu in einem Ton ehrlicher Anerkennung. „Komisch, ich hab von euch vorher noch nie was gehört.“

Shiro nahm sein Glas in Empfang, welches der Barkeeper vor ihm auf den Tresen abstellte. „Wie bist du dann auf unseren heutigen Gig aufmerksam geworden?“

„Aki hat von einem ihrer Kunden euren Flyer in die Hand gedrückt bekommen. Da dachten wir uns, wir schauen uns euch mal an“, erklärte Katsu.

Shiros Blick wurde leicht irritiert und er schwenkte ihn von Katsu zu Aki und wieder zurück. „Einem ihrer Kunden?“, wiederholte er. „Wo arbeitet sie denn?“

Katsu ahnte, in welche Richtung Shiros Gedanken gingen. Da Aki mit ihren hüftlangen, hellroten Haaren und ihrem natürlich-weiblichen Äußeren auf viele Männer sehr attraktiv wirkte, konnte man bei der Erwähnung eines Kunden schnell den Eindruck gewinnen, sie arbeite bei einem Begleitservice oder ähnlichem. „Uhm, nein, nicht das, was du jetzt vielleicht denkst!“, versuchte Katsu rasch das Ruder herumzureißen. „Sie ist selbstständig und hat eine kleine Schneiderei. Sie schneidert nach Aufträgen oder nimmt auch mal Änderungsarbeiten vor.“

„Och, was anderem wäre ich jetzt auch nicht abgeneigt gewesen“, grinste Shiro und nahm einen Schluck.

Katsu erwiderte das Grinsen etwas unbeholfen; die Zweideutigkeit seitens Shiro irritierte ihn ein wenig. Hatte er etwa ein Auge auf Aki geworfen?

„Und was machst du so? Spielst du auch in einer Band oder hilfst du bei Aki aus?“, riss Shiro seinen Gesprächspartner aus der Grübelei.

„Ich bin Bassist bei Alive“, antwortete Dieser, registrierte jedoch aus dem Augenwinkel, wie Aki bei der Erwähnung ihren Kopf abwandte. Er wusste warum.

Shiro schien für einen kurzen Moment zu überlegen. „Hm, noch nichts von gehört.“

„Wundert mich nicht“, entgegnete Katsu. „Wir hatten auch noch nicht viele Auftritte.“

„Habt ihr Demos?“

„Keine Offiziellen.“

„Warte mal“, meinte Shiro, rutschte von seinem Barhocker runter und verschwand im Backstagebereich.

Katsu und Aki sahen sich daraufhin gegenseitig fragend an, warteten aber geduldig, bis der Andere wiederkam.

Das tat Shiro auch schon nach kurzer Zeit, jedoch nicht allein: Als er die Bar wieder erreicht hatte, hielt er Katsu eine dünne CD-Hülle vor die Nase. „Leider noch ohne Cover; das ist noch in Arbeit.“

Katsu nahm die Hülle entgegen. Durch das durchsichtige Plastik erkannte er die darin platzierte CD, welche die Aufschrift 'FreaX – VAGABOND' trug.

„Ist unsere aktuelle Single“, gab Shiro als Erklärung ab.

Katsu und Aki beugten sich beide interessiert über die CD in Katsus Hand. „Cool, danke!“

Das Gespräch der Drei wurde noch eine gute Stunde lang fortgeführt, bis Shiro sich schließlich von ihnen verabschiedete.

Die beiden Freunde wünschten ihm einen schönen Abend und blieben noch eine Weile an der Bar sitzen. Bis Katsu plötzlich auffiel, dass er mit Shiro keine Nummern ausgetauscht hatte.

Hochkonzentriert – so schien es – stach Katsu die Nähnadel durch den Jeansstoff sowie dem Kunststoff der äußeren Reißverschlussränder, immer und immer wieder. Seine Augen starrten stur auf den kleinen Bereich, den es zu bearbeiten galt, während sein Atem ziemlich flach ging. Als akustische Begleitung schallte die, auf Repeat programmierte, Single durch den Raum, die er am Vortag von Shiro bekommen hatte. Es war eine sehr rockige Nummer, mit dynamischen Arrangements und cleveren Einsätzen, welche-.

„Verflucht!“

Frustriert pfefferte Katsu die Jeanshose mitsamt des, nur zur Hälfte, dafür schief, eingenähten Reißverschlusses von sich. Die leicht verbogene Nähnadel und ihr Faden folgten.

Ebenso frustriert ließ er sich anschließend mit dem Rücken auf sein Bett fallen. Näharbeiten waren einfach nichts für ihn! Ihm fehlte die Geduld für diese Fummelei. Musste sich Aki halt später wieder mit seiner Hose befassen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie ihm seine Kleidung reparierte.

Katsu schloss die Augen. Er lenkte seine Aufmerksamkeit weg vom Frust und hin zur Musik. Dieses Lied hatten sie gestern auch gespielt gehabt. Ihm hatte es schon auf dem Konzert gefallen. 'VAGABOND' war eine wirklich gute Wahl für eine Single, der Song war eingängig und doch eigen. Aber noch bevor er weiter über das Lied philosophieren konnte, riss ihn plötzlich das Klingeln des Telefons aus seinen Gedanken.

Katsu blinzelte zunächst nur mit einem Auge, bevor er sich murrend erhob und in den kleinen Wohnungsflur schlurfte, wo sich sein Telefon auf einer Kommode befand. Er hatte noch eines der alten Modelle, bei denen der Hörer mit einer Strippe am Apparat verbunden war. Katsus Hand griff nach eben diesem Hörer und hielt ihn sich ans Ohr.

„Ja, hallo?“

„Katsu, du bist raus.“

Trotz der knappen Worte erkannte er die Stimme und wusste sofort, mit wem er es zu tun hatte: Es war Akira, Bandleader von Alive. Der Gruppe, in der er Bass spielte. Oder gespielt hatte, Akiras Worten nach zu urteilen.

„Ich habe die Schnauze gestrichen voll. Gestern bist du schon wieder nicht zu den Proben erschienen und du gehst nie an dein Handy. Man weiß nie, wie man dich erreichen soll und du tauchst nur auf, wenn's dir gerade gefällt. So jemand Unzuverlässigen können wir nicht gebrauchen.“

Ohne die Reaktion seines Gesprächspartners abzuwarten, legte Akira schon wieder auf.

Katsu hielt sich den Hörer noch für einige Sekunden lang stumm ans Ohr, jedoch nicht, weil er darauf hoffte, Akiras Stimme erneut zu hören. Es war lediglich das erste Mal, dass er seinen Rausschmiss aus einer Band am Telefon erfuhr. Sonst hatte man ihm das immer persönlich mitgeteilt.

Aber so wirklich geschockt war Katsu von dieser Nachricht nicht, weshalb er den Hörer schließlich auch recht gelassen wieder zurück auf den Apparat legte. Und wenn er einmal ehrlich zu sich selbst war, hatte er es bei Alive auch auf einen Rauswurf angelegt. Er war nicht lange in der Band gewesen, nur ein paar Monate, aber er hatte sich dort irgendwie nie so richtig wohl gefühlt. Als hätte er den Anschluss nicht finden können.

Gemächlichen Schrittes kehrte Katsu zurück in sein Zimmer, wo der sich stets wiederholende 'VAGABOND' auf ihn wartete.

02. FreaX

Shigeki legte seine Drumsticks auf der Snare ab und blickte hinüber zu Shiro, der mit verschränkten Armen vor der Brust und mit dem Rücken zur Wand dastand. Er musterte den Freund. „Seit wann stehst du schon da?“

Mit einem Grinsen auf den Lippen löste sich Shiro aus seiner Haltung und schlenderte langsam auf die Kaffeemaschine am anderen Ende des Proberaums zu. „Lang genug“, antwortete er und griff nach der Kaffeedose. Obwohl er Shigeki schon so viele Jahre kannte, fand er es jedes Mal aufs Neue faszinierend, ihn bei seiner Obsession – dem Drummen - zu beobachten. Der feminine Bandleader wurde dabei mit seinem Instrument eins, die Sticks waren dann ein Teil seines Körpers und der zusammengetrommelte Sound seine Seele. Die bedingungslose Hingabe dieser Leidenschaft konnte im Extremfall zu absoluter körperlicher wie geistiger Erschöpfung führen und mit einem Zusammenbruch Shigekis enden, doch das passierte nur gelegentlich auf der Bühne und diente auch teilweise als Showeinlage. Im Proberaum kam das normalerweise nicht vor, außer Shigeki hatte einen schlechten Tag erwischt und benutzte sein Instrument zum Frustabbau.

„Mach mir bitte auch einen“, kam es aus der Richtung der Drums und bezog sich auf den Kaffee, der von Shiro gerade zubereitet wurde.

Dieser kam der Bitte kommentarlos nach.

Shigeki stand unterdessen von seinem Hocker auf und begab sich zum großen Tisch, der sich etwas abseits von den ganzen Instrumenten befand und auf dem sich aktuell diverse Unterlagen kreuz und quer stapelten. „Hast du mit dem Artwork für das Album-Cover schon begonnen?“, erkundigte er sich, während er gezielt nach einer bestimmten Notiz suchte.

„Nein. Ich hab dir doch gesagt, ich muss den Titel wissen um mich auf Motiv und Stil einstellen zu können.“ Shiro griff nach zwei Bechern, die auf der Ablage standen. „Was bringt es uns, wenn ich etwas zeichne, was am Ende gar nicht zum Titel passt?“

Nach kurzem, energischem Wühlen schien Shigeki gefunden zu haben wonach er suchte: Eine Liste mit diversen Titeln, die seiner Meinung nach für das bevorstehende Album ihrer Band in Frage kämen. „...es soll irgendwas mit Aussage und starkem Nachdruck sein“, nuschelte der Drummer, während er seine Liste studierte.

Shiro verdrehte die Augen. „Das kann alles sein. Wir können auch einfach nur ein fettes Ausrufezeichen auf das Cover pappen – hat auch Aussage.“

Shigekis Blick flog über die Reihen von notierten Titeln, von denen die meisten fett durchgestrichen waren. Bei Zweien blieb er jedoch hängen und die waren seinem Durchstreichwahn noch nicht zum Opfer gefallen. „'Xclamation' oder 'Xplosion'.“

Der Bassist hielt kurz inne und ein erneutes Grinsen wurde auf seiner Mundpartie sichtbar. „Dann kann ich ja tatsächlich bei meinem Ausrufezeichen bleiben...!“

Shigeki schwieg. Er verstand die Anspielung offenbar nicht. Sein Kopf ratterte und war gerade einzig und allein damit beschäftigt, den passenden Titel herauszukristallisieren.

„Oder wir nennen das Album 'Main Attraction'!“, ergänzte Shiro seinen Vorschlag, nicht ohne ironischen Unterton, während er sich mit den Händen auf der Küchenzeilenablage aufstützte und darauf wartete, dass die Kaffeemaschine mit ihrer Arbeit fertig wurde.

„...da ist kein X drin...“, kam die abwesend genuschelte Antwort des Anderen.

Shiro seufzte innerlich, sagte jedoch nichts. Shigeki schien gegen Humor und Ironie immun zu sein, wenn er über bandinterne Angelegenheiten grübelte.

Der Drummer mit den honigblonden, gecrimpten Haaren stand noch mehrere Minuten lang fast bewegungslos über seine Liste gebeugt, lediglich Daumen und Zeigefinger der linken Hand zwirbelten geistesabwesend die Spitze einer Haarsträhne. Um so verdutzter schaute er drein, als sich plötzlich ein blauer, bauchiger Kaffeebecher in sein Sichtfeld schob und ihm somit den Blick auf seine bis eben noch innig studierte Liste versperrte.

„Mach mal 'ne Pause“, schlug Shiro seinem langjährigen Freund vor und demonstrierte die Idee mit dem eigenen Becher, den er sich zum trinken des Kaffees an die Lippen führte.

Aber der gut gemeinte Ratschlag schien so ungehört zu bleiben, als hätte man gegen den Wind geflüstert. Shigeki griff zwar nach dem Kaffeebecher, jedoch mit einer mechanisch wirkenden Handbewegung, während sein Blick wieder auf die Liste geheftet war. Die gesamte Organisation rund um die Band ging bei ihm vor, auch vor das eigene Wohl. Er war ein hoffnungsloser Workaholic.

Kijo, Junichi und Harakiri befanden sich im gemütlichen Wohnbereich in Kijos Wohnung. Während Kijo, auf dem Fußboden, und Junichi, auf dem kleinen Sofa sitzend, ihre Gitarren spielten, wippte Harakiri mit dem Kopf zum Takt mit. Sie gingen den Song bereits zum vierten Mal durch und bei jedem Durchgang fiel ihnen noch etwas Neues ein, was man verändern oder gar hinzufügen könnte.

„Ich fand den Rhythmus vom letzten Durchgang passender“, meinte Harakiri, der es sich neben Kijo auf dem Fußboden gemütlich gemacht hatte. Trotz seines Postens als Sänger der Band beteiligte er sich auch gelegentlich an den Kompositionen.

Kijo brach ab, ordnete seine Finger auf dem Griffbrett neu an und wartete auf Junichi, bis auch dieser bereit für einen weiteren Durchgang war.

Junichi folgte und Harakiris wippender Kopf kam immer mehr in Fahrt, dass seine blonden Haare mit den roten und grünen Strähnen bald schon umherwirbelten.

„Das ist es, das ist super!“, rief der Sänger schließlich begeistert aus.

„Gut, dann haben wir uns ja eine kleine Stärkung verdient“, meinte Kijo und legte seine Fernandes MG-X beiseite, bevor er sich vom Boden erhob und in die angrenzende, kleine Küche verschwand.

Auch Junichi nahm sein Instrument aus der Hand und lehnte es neben sich an das Sofa. Er streckte seinen Oberkörper durch, um diesen vom Spiel zu lockern, bevor er Harakiri ansah. „Und wie liefen die letzten Wohnungsbesichtigungen?“

Der Angesprochene blinzelte zu ihm hoch und grinste zufrieden. „Sieht gut aus. Mit etwas Glück bekomm' ich die Eine. Der Vermieter will sich die Tage bei mir melden, stehen noch zwei andere Interessenten auf der Liste. Aber ich hab ein gutes Gefühl.“ Harakiri, der von seinen Freunden meist nur Kiri genannt wurde und seinen eigentlichen Namen 'Ishi' hasste, hatte schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken gespielt, bei seiner Familie auszuziehen. Nun wollte er das Vorhaben endlich in die Tat umsetzen. Denn seine akute Wohnsituation bedeutete, täglich mit seiner, als „verwirrt“ geltenden Mutter, die von seiner Tante gepflegt wurde, konfrontiert zu werden und sich ein Zimmer mit seinem achtjährigen Bruder zu teilen. Er mochte seinen kleinen Bruder, er mochte auch seine Mutter und er bewunderte seine Tante für ihren selbstlosen Einsatz, doch für sich selbst hatte er entschieden, zukünftig nicht mehr so leben zu wollen. Auch weil es sich zunehmend schwerer mit seinen Aktivitäten bei FreaX vereinbaren ließ.

„Dann sag uns rechtzeitig Bescheid, dass wir dir beim Umzug helfen können“, kam es plötzlich von Kijo, der nun wieder auf der Bildfläche erschien. In den Händen hielt er einen großen, flachen Teller, auf welchem grüne, lila- und orangefarbene Mochi gestapelt waren.1 Er hielt seinen Gästen den Teller hin und ließ sie zugreifen, bevor er sich als Letzter bediente und den Teller in ihre Mitte stellte. Kijo, welcher grundsätzlich behauptete, dies sei sein einziger und richtiger Name, liebte es, seine Gäste mit kulinarischen Köstlichkeiten zu verwöhnen.2 Es war keine Seltenheit, dass er Besuchern die unterschiedlichsten Speisen servierte und auch vor der Aufwendigkeit selbiger nicht zurückschreckte. Als er sich nun wieder auf dem Fußboden neben Kiri niederließ und seinen Mochi aß, stupste er den Sänger an. „Sag mal, wie wäre es, wenn du den Text zu dem Song schreibst?“

Kiri wand ihm verwundert das Gesicht zu.

Aber nicht nur Kiri wunderte sich über diesen Vorschlag, sondern auch Junichi. Denn obwohl Kiri der Sänger ihrer Band war, war es doch meist Shigeki, der die Songtexte verfasste. Und nicht nur die Texte, sondern auch einen großen Teil der Kompositionen. Zwar schrieben auch die übrigen Mitglieder immer mal wieder Songmaterial, doch wurden nur die wenigsten ihrer Ideen letztendlich auch von Shigeki angenommen.

Kiri zögerte. „Ich würde schon ganz gerne, aber...“

Kijo legte den Kopf schief. „Aber was?“

Kiri setzte neu an. „Der Song ist echt super, ich kann mir vorstellen, dass Shigeki bereit ist, ihn aufzunehmen. Aber wenn ich auch noch die Lyrics dazu schreibe, stammt ja noch weniger von ihm. Nachher ist das der ausschlaggebende Punkt, weswegen er das Lied ablehnt.“

„Einen Versuch wäre es wert.“ Kijo griff nach einem weiteren Mochi.

Junichi beobachtete die beiden aufmerksam, ohne sich einzumischen.

Wieder kurzes Zögern von Kiris Seite, bevor er schließlich doch noch mit dem Kopf nickte. „Okay, einverstanden.“

1 Mochi sind kleine, runde Kuchen aus Klebreis, die oftmals eine süße Füllung verschiedenen Geschmacks enthalten.

2 Kijo () ist das japanische Substantiv für Dämonin, Hexe, Teufelin oder auch Ungeheuer.

03. First longing

In unregelmäßigen Abständen war das Rattern der Nähmaschine zu hören, bevor eine längere Pause eintrat – bis das dominante, arbeitswütige Geräusch erneut erklang. An der Maschine saß Aki und fingerte abwechselnd am einzunähenden Reißverschluss, der Jeanshose sowie dem Handrad des Arbeitsgeräts herum. Ihre Hände wussten ganz genau was sie taten und ihre Augen verfolgten jede einzelne Bewegung wachsam.

Auf einem Sofa an der gegenüberliegenden Wand lag Katsu, die Füße über die Armlehne baumelnd. Einer davon wippte im Takt zu „Poison“ von Alice Cooper, dessen Klänge durch den Raum schallten. Seine Arme waren locker hinter dem Kopf verschränkt und die Augen geschlossen. Wäre das Fußwippen nicht gewesen, hätte man meinen können, er würde schlafen.

Über der ganzen Szenerie lag eine Atmosphäre der Besonnenheit, der Ausgeglichenheit und Sorglosigkeit, bis...-

„Ach scheiße...!“ Aki fluchte leise und rümpfte die Nase. Die Nadel war abgebrochen. Für wenige Augenblicke ließ sie von der Maschine ab, beugte sich hinunter zu einer Schublade und suchte in dieser gezielt nach dem Döschen mit den intakten Nähnadeln. Sie fand sie schnell, begab sich wieder auf Augenhöhe mit ihrem Arbeitsgerät und machte sich ans Auswechseln. „Hast dich eigentlich schon bei ihm gemeldet?“, fragte Aki irgendwann in den Raum, nachdem sie von Katsu schon eine ganze Weile lang nichts mehr gehört hatte, wand sich dafür jedoch nicht extra um sondern schraubte statt dessen die neue Nadel in die dafür vorgesehene Halterung.

„Hmm...? Bei wem?“, brummte Katsu abwesend, ohne mehr als seine Lippen zu bewegen.

„Blondie“, half Aki ihm auf die Sprünge, während sie mit zusammengekniffenen Augen den Faden neu einfädelte.

„Hab seine Nummer nicht“, antwortete er knapp.

„Als ob das ein Hindernis sei“, entgegnete die Freundin. „Frag doch mal Akira, ob der jemanden kennt, der mit FreaX im Kontakt steht. Er kennt doch tausend Leute.“ Der Faden war eingefädelt und so ratterte die Maschine fleißig weiter.

Katsu blinzelte. Sein Fuß hörte auf zu wippen. „Ich glaube nicht, dass Akira nochmal mit mir reden will.“

Knack.

Die Nadel war den Zähnen des Reißverschlusses zu nahe gekommen und brach erneut.

Im Zeitlupentempo hob Aki ihren Kopf und richtete ihren Blick auf Katsu. „Sag nicht, du bist schon wieder geflogen“, kam es von ihr in einem monotonen Ton.

Katsu sah sie mit einer Mischung aus Verlegenheit und Trotz an. „Na und? Alive war eh nicht die richtige Band für mich!“

Die junge Schneiderin schenkte wieder ihrem Arbeitsgerät die nötige Aufmerksamkeit und machte sich erneut ans Nadelauswechseln. „Man, Katsu... Wie oft willst du das noch machen...?“

„Was?“ Das Unverständnis in dem Jungen wuchs.

„Das ist jetzt schon die dritte Band infolge, die dich rausgeschmissen hat. Wenn du so weiter machst, wird dir dein Ruf irgendwann voraus sein und keiner wird dich mehr nehmen wollen.“ Aki musste feststellen, dass ihr die Nähnadeln langsam auszugehen drohten. Sollte der aktuelle Verschleiß anhalten, müsste sie sich rasch Neue besorgen.

„Als ob ich mich selbst rauskatapultieren würde.“ Katsu setzte sich auf und verhakte seine Beine in einer schneidersitzähnlichen Position. Er hasste dieses Thema. Aki wusste, dass er es hasste. Er fühlte sich jedes Mal auf ein Neues ungerecht behandelt, wenn sie darüber sprachen.

„Gewissermaßen tust du das auch“, entgegnete sie, legte die zweite kaputte Nadel auf den Tisch neben die erste.

„Stimmt doch gar nicht!“ Katsu wurde lauter als beabsichtigt. „Ich hab Akira doch nicht darum gebeten, mich zu feuern!“ Wieso bekam immer er die Schuld, wenn es mit seinen Bandprojekten wieder mal nicht so lief wie geplant? Wieso wurde immer er zum Sündenbock gemacht? Seine Augen hafteten trotzig auf den Hinterkopf der Freundin.

„Was soll man mit 'nem Bassisten anfangen, der nie erscheint? Der diverse Proben ins Wasser fallen lässt und zu Auftritten zu spät kommt – wenn er denn mal kommt? Mit so jemanden kann man einfach nicht zusammen arbeiten. Das könnte ich auch nicht.“

Die Worte der Rothaarigen ließen Katsus Trotz immer weiter in die Höhe schnellen. Er hasste es, wenn sie so mit ihm sprach. Als sei er der Verbrecher, der hingerichtet werden sollte. „Sag mal, habt ihr euch irgendwie abgesprochen? Bist du jetzt auf Akiras Seite? Wollt ihr mich beide fertig machen?“ Seine Stimme erhielt einen hysterischen Anstrich.

Aki setzte zu einer Antwort an, doch Katsu lies sie gar nicht mehr zu Wort kommen.

„Du redest von Sachen, von denen du keine Ahnung hast! Du spielst noch nicht mal in einer Band! Du arbeitest alleine und ohne irgendwelche Kollegen oder einem Team! Was weißt du denn schon von meinen Angelegenheiten?! Du hast keine Ahnung! Null!!“ Der aufbrausende Junge hatte sich vom Sofa erhoben und griff nach seiner Jacke, die auf dem Boden lag. Mit großen Schritten stapfte er an Aki vorbei. „Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß.“

Das war das Letzte, was die Schneiderin vom Anderen vernahm, bevor dieser die kleine Nähwerkstatt durch die Eingangstür verließ. Selbige laut hinter sich zuschlagend. Dass es seine Hose war, an der die Freundin die ganze Zeit herum genäht hatte, schien er vergessen zu haben.

Aki blieb allein zurück. Mit zwei kaputten Nähnadeln und Alice Cooper.

Es war jedes Mal das Selbe, es war jedes gottverdammte Mal das Selbe! Es schien ihn niemand verstehen zu wollen, immer gaben sie ihm alle nur Schuld. Schuld dafür, dass es mit dieser und jener Band nicht funktionierte, dass die bandinterne Stimmung nicht harmonierte, dass Auftritte nicht wie geplant zu absolvieren waren, dass niemand ihre Demos hören wollte. Ständig bekam er diese Vorwürfe an den Kopf geworfen, von seinen jeweiligen Kollegen – und von Aki. Und aus unerklärlichen Gründen gab es auch in jeder Band, in der er bisher gespielt hatte, mindestens ein Mitglied, das ihn nicht mochte. Bei Alive war es einer der Gitarristen gewesen. Und zum Schluss auch ihr Leader, Akira. Davon war er überzeugt. - Herrgott, es konnte doch nicht so schwer sein eine Band zu finden, mit der sich vernünftig spielen ließ! In der es keine gegenseitigen Anfeindungen gab und mit denen er auch gerne umging und die Live-Auftritte nicht nur bewältigte, um einen mickrigen Lohn einzuheimsen. Musik war so etwas Fantastisches; es musste doch möglich sein, dies artgerecht ausleben zu können! Warum geriet er nur immer an die falschen Leute?

In Frust und Selbstmitleid vertieft, bog er unachtsam um die nächste Ecke und stieß daraufhin frontal mit einem anderen Passanten zusammen. „Fuck off! Kannst du nicht auf-?!“ Doch noch bevor er den Satz zu Ende gesprochen hatte, brach er selbigen ab. Er schaute sein Gegenüber an und sofort fielen ihm die langen, blonden Haare auf. „Shiro!“

Der Angesprochene nahm seine Wayfarer-Sonnenbrille ab und blickte in ein Gesicht, das sich binnen Sekundenbruchteilen von Ablehnung und Aggression zu Überraschung und Freude gewandelt hatte. „Hey...! Rennst du jeden so stürmisch über den Haufen?“ Ein heiteres Lächeln begleitete die Frage.

„Uhm...eigentlich nicht...“ Und Katsu suchte in Windeseile eine Möglichkeit, seine aufkeimende Scham zu ersticken. „Was machst du hier?“

„Unseren nächsten Gig organisieren.“ Shiro setzte die Brille mit den dicken Rändern und den getönten Gläsern wieder auf und machte eine nickende Kopfbewegung. „Es müssen noch ein paar Dinge geklärt werden.“

Katsu blickte ihn verwundert an. „Macht so etwas nicht euer Leader?“

Shiro grinste. „Arbeitsteilung.“

Katsu liebte dieses Grinsen.

„Wenn du magst, kannst du ja mitkommen. Ist gleich da drüben, im 'Black Cat'.“

Irgendetwas in Katsu machte gerade einen Freudensprung; er wusste nur noch nicht so genau, was es war. Aber er nahm das Angebot natürlich an. Und so schritten sie gemeinsam den Gehweg entlang, fast in die selbe Richtung, aus welcher der aufbrausende Junge zuvor erst gekommen war.

„Und wie läuft's mit deiner Band?“, erkundigte sich Shiro.

Katsus eben noch fröhliches Gesicht wechselte abermals abrupt seine Emotionen und präsentierte nun ein ziemlich gequält aussehendes Lächeln. „Gar nicht“, antwortete er nur knapp.

„Ach, pausiert ihr?“

Katsu faszinierte es, wie unschuldig Shiros Vermutung war. Aber woher sollte Dieser auch wissen, was sich bei ihm in den vergangenen vierundzwanzig Stunden abgespielt hatte? „Ich spiele nicht mehr bei Alive.“

Shiro hob eine Augenbraue, was hinter den hohen Rändern der Sonnenbrille jedoch nur ansatzweise zu erkennen war.

„Bist du abgehauen?“ Verwunderung schwang in seiner Stimme mit.

Katsu zögerte. „Abgehauen“...das klang irgendwie besser als „gefeuert worden zu sein“. Es klang selbstbewusster, nicht so...passiv. Er nickte. „Ja.“

Shiro nahm das zur Kenntnis. „Und schon was Neues gefunden?“

„Ne...“ Der selbsternannte Ausreißer verschränkte die Arme hinter dem Kopf und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, blinzelte nur noch durch die Wimpern hindurch.

„Erst mal sehen, was sich so ergibt. Irgendeine Band sucht immer 'nen Bassisten. Ich werde schon was finden.“

Es dauerte nicht lange, bis sie das 'Black Cat' erreicht hatten und betraten den Laden durch einen Seiteneingang. Es war noch mitten am Tag und der Club öffnete erst am frühen Abend, doch Shiro hatte vor seinem Aufbruch den Hinweis mit dem Seiteneingang erhalten. Mit Katsu im Schlepptau schritt er nun durch einen dürftig beleuchteten, schmalen Gang, stand bald jedoch schon mitten in dem Raum, in dem ab einer bestimmten Uhrzeit die Bässe dröhnten und sich das Publikum drängte. Jetzt war es noch ganz ruhig.

Anfänglich suchend blickte Shiro sich nach dem Personal um und entdeckte schließlich aus der gegenüberliegenden Ecke einen dicken, freundlich grinsenden Glatzkopf auf sie beide zukommen. Der Geschäftsführer.

Während Shiro mit eben Diesem die noch zu klärenden Dinge besprach, erwischte Katsu sich dabei, wie er den Blonden immer wieder heimlich musterte. Wie auch schon am vorgestrigen Abend glitten seine Augen über den Körper des Jungen, der nun neben ihm stand, und sein Gehirn bemühte sich, sich jedes noch so winzige Detail einzuprägen. Die Bewegungen seiner Hände und Finger, wenn er mit ihnen gestikulierte, der Fall seiner langen Haare bei jeder Kopfbewegung die er machte, der veränderte Faltenwurf seines T-Shirts bei jeder Bewegung seines Körpers... Er konnte nicht leugnen, dass ihn dieser Kerl reizte. Jedoch war es ein Reiz der besonderen Art. Viele Menschen waren für Katsu nur aus sexueller Sicht interessant. Sie machten ihn heiß, aber das war oft auch schon alles. Bei Shiro spielte noch etwas Anderes eine Rolle. Dieser Mensch strahlte irgendetwas aus, was Katsu einfach faszinierte, was ihn sprichwörtlich in den Bann zog. Irgendetwas war da, eine unsichtbare Macht, ein undefinierbares Bild seiner Gefühle – was auch immer es war, aber es fesselte seine Aufmerksamkeit an diesen Menschen.

Als das Gespräch zwischen dem Bassisten und dem Geschäftsführer beendet war, schreckte Katsu plötzlich aus seiner heimlichen und stummen Schwärmerei auf. Was würde nun als nächstes passieren? Wohin würde Shiro gehen? Was würde er machen? Die Angst, ihn so schnell wieder aus den Augen zu verlieren, wuchs rasend schnell in ihm und auf dem Weg zurück auf die Straße durchkramte er seinen Kopf nach allen möglichen Mitteln, Shiro am verschwinden zu hindern. Als sie schließlich wieder vor dem 'Black Cat' standen, fragte Katsu ziemlich hilflos, und mehr um überhaupt etwas zu sagen: „Und was machst du jetzt noch so?“

Shiro, der seine Jacke im Club ausgezogen hatte, schlüpfte nun wieder in Selbige; war der März doch noch ziemlich frisch. „Nachher hab ich noch 'ne Bandbesprechung. Bis dahin bin ich freigestellt.“

„Wollen wir in ein Café? Zwei Ecken weiter ist Eines.“ Katsu stellte diese Frage, ohne darüber nachgedacht zu haben.

Das fiel ihm selbst erst im Nachhinein auf. Seit wann bevorzugte er Cafés? Kneipen, Schnellrestaurants, Imbissstuben – das war sein Terrain, dort hielt er sich oftmals auf. Aber ein Café? Doch in seiner geistigen Hektik war er gedanklich einfach nur jede Lokalität im näheren Umkreis abgegangen und besagtes Café lag schlichtweg mit am dichtesten.

Zu seinem Glück schien Shiro dieses Angebot jedoch gar nicht so abwegig zu finden wie der Fragesteller selbst, denn er willigte lächelnd ein.

So gingen sie die Straße entlang und nahmen keine zehn Minuten später an einem Tisch im Café platz. Während sie auf ihre Bestellung warteten, fielen Katsu Shiros Blicke auf, die eindeutig verrieten, dass er sich das erste Mal in diesem Laden aufhielt. Und plötzlich schoss ihm die Erkenntnis durch den Kopf, dass er überhaupt nicht wusste, wo Shiro überhaupt wohnte. „Kommst du eigentlich von hier?“

Shiro richtete seinen aufmerksamen Blick auf sein Gegenüber. „Ne, ich wohne in Yokohama. Wir sind jetzt nur wegen den Gigs öfters hier in Yokosuka.“

Katsu hob unwillkürlich eine Augenbraue. Yokohama war nicht schlecht, eine klasse Stadt. Hundert Mal besser als seine Heimatstadt Yokosuka. Die hasste er inzwischen nur noch. Er wollte schon lange von hier weg. Nur geschafft hatte er es bisher noch nicht. Meistens scheiterte es am Geld.

Da Katsu auf seine Antwort hin nichts erwiderte, stellte Shiro nun eine Frage: „Und Aki? Wohnt die auch hier?“

Noch bevor Katsu, aus seinen Gedanken gerissen, darauf antworten konnte, kam auch schon die Bedienung und servierte ihnen beiden den Kaffee, den sie bei ihrer Ankunft bestellt hatten. „Ja, tut sie“, entgegnete er, während er nach dem Zuckerschälchen griff und zwei gehäufte Löffel Zucker in seine Tasse schaufelte. Dann führte er sich die Tasse zu den Lippen, nahm einen Schluck – und verbrühte sich den Mund. Mit leicht vor Schmerz verzerrtem Gesicht stellte er das Geschirr wieder ab.

Shiros erster Kontakt mit der heißen Flüssigkeit verlief offenbar weniger schmerzhaft. Vielleicht lag es daran, dass er vorher gepustet hatte. „Schneidert Aki eigentlich auch Bühnenoutfits?“

Katsu grinste. „Wenn deine Band neue Klamotten braucht, kannst sie gerne fragen. Aber rechne mit etwas längerer Wartezeit; sie arbeitet immerhin vollkommen allein.“ Er pustete seinen Kaffee nun etwas an und nahm dann einen erneuten Schluck. Und verbrühte sich abermals. War sein Kaffee heißer als der von Shiro? „Sag mal, wann hast du eigentlich angefangen Bass zu spielen?“, lenkte Katsu das Thema um. Wenn er schon die Gelegenheit hatte, sich mit diesem Kerl gemütlich auf einen Kaffee zu treffen, wollte er auch mehr über ihn in Erfahrung bringen.

„Mit acht“, antwortete Shiro, ohne lange überlegen zu müssen.

„Wolltest du oder musstest du?“ Katsu hatte schon von einigen Kollegen gehört, die im Kindesalter von den Eltern dazu genötigt worden waren, gegen ihren Willen irgendein Musikinstrument zu erlernen. Wobei Bassgitarre für solche Zwangslehrstunden für gewöhnlich nicht oft dabei war.

Ein Schmunzeln der Erinnerung spielte um Shiros Lippen und sein Blick driftete für einige Sekunden zurück in die Vergangenheit. „Ich wollte.“ Kurze Pause. „Kennst du Simon Gallup von The Cure?“ Seine noch immer leicht verträumten Augen hefteten sich nun an Katsu.

„Klar!“

„Ich wollte damals als kleiner Knirps ein zweiter Gallup sein“, gab er seine Kindheitsträume preis. „Ich war so vernarrt in den Typen und sein Spiel, dass ich meine Eltern ständig damit genervt habe, mir einen Bass zu kaufen. Den hab ich damals zwar nicht bekommen, aber zu Unterricht haben sie sich breit schlagen lassen. Den hatte ich dann zwei Mal die Woche. Das waren immer meine zwei Lieblingstage.“

Katsu lauschte den Schwärmereien des Anderen gespannt. Seine Gesichtszüge sahen dabei noch weicher aus, dass er sie am liebsten berührt hätte. Er spürte die Sehnsucht in sich wachsen, dieses Gesicht einmal zu streicheln. „Und spielst du immer Ibanez, so wie bei eurem Gig vor zwei Tagen?“

Shiro nickte. „Und was spielst du?“, erkundigte er sich prompt im Gegenzug.

„Killer“, verriet Katsu seine Bassmarke.

Shiros Augen wurden groß. „Ehrlich? Kann ich mir den mal angucken?“

Der Killer-Besitzer war am überlegen, ob er sich das nur einbildete oder ob tatsächlich ein Hauch von Ehrfurcht in Shiros Stimme mitschwang. „Uhm, klar, kein Ding! Jetzt gleich?“

Shiro zog sein Handy aus der Brusttasche seiner Jacke und warf einen Blick auf das Display. „Ne, das wird zu knapp...“

Katsu fiel es wieder ein. „Ach ja, deine Besprechung.“ Bei der Erinnerung an den bevorstehenden Termin seines vermeintlich neuen Kumpels spürte er ein kleines, seltsames Gefühl im Herzen. Es war kein Stich, aber ein leichter Druck der Betrübnis. Er wollte sich nicht so früh schon wieder von ihm verabschieden müssen. Sie waren doch noch gar nicht lange zusammen gewesen.

Shiro, der auf Katsus Gesicht ablesen konnte, dass diesem sein Termin im Moment ebenso unliebsam im Weg lag wie ihm selbst, versuchte die Situation noch zu retten. „Aber kann ich vielleicht morgen bei dir vorbei kommen? Morgen hab ich den ganzen Tag frei.“

Und schon wich die Betrübnis der Vorfreude. „Klar, gerne! Warte mal kurz...“ Ohne auf eine Reaktion Shiros zu warten war Katsu von seinem Stuhl aufgesprungen, lief zum Tresen und bat die Bedienung um einen Stift. Mit diesem kam er zurück zu Shiro, welchem er sogleich ungefragt den Ärmel seines rechten Arms hochschob und damit begann, ihm seine Nummer auf die blasse Haut zu schreiben. Natürlich hätte er ihn Diese auch einfach ins Handy eintippen lassen können, aber hiermit hatte er die Chance, Shiro körperlich ein wenig näher zu kommen. Es hatte etwas von Oldschool-Romanze.

FreaX' Bassist war von dieser Aktion anfangs überrascht, ließ ihn jedoch gewähren. Als Katsu den Stift wieder zurück brachte, betrachtete sich Shiro sein 'Pseudo-Tattoo'. Die Handschrift des Anderen spiegelte seinen vermeintlichen Charakter bestens wieder: stürmisch und chaotisch. Ein kleines, heimliches Lächeln flog über Shiros Lippen. Er mochte den Typen.

Nachdem Katsu sich ihm kurz darauf wieder gegenüber gesetzt hatte, tranken beide noch ihren Kaffee aus, dann bezahlten sie und verließen den Laden. Die Zeit drängte, Shiros Termin rückte näher und so begleitete Katsu ihn bis zur Kurihama-Station, wo sie auf den Zug warteten, der den Besucher zurück nach Yokohama bringen sollte. Zu Katsus Bedauern mussten sie jedoch nicht lange warten; der Zug fuhr bereits wenige Minuten nach ihrer Ankunft in den Bahnhof ein.

„Dann bis morgen“, verabschiedete sich Shiro von ihm und es klang so, als kannten sie sich schon ewig.

„Ja, bis morgen...“ Katsu war für einen kurzen Moment versucht, ihn zu umarmen, ließ es dann aber doch sein. Sie kannten sich ja kaum. Und dennoch fühlte er sich mit ihm so seltsam vertraut und zu ihm hingezogen. Er sah ihm nach wie er in den Zug einstieg, sah, wie sich die Türen schlossen und wie der Zug abfuhr. Wieder war da dieser seltsame Druck in seinem Herzen.

Katsu machte auf dem Bahnsteig kehrt, noch ehe der Zug außer Sichtweite war, und verließ den Bahnhof. Seine Hände steckten tief in den Hosentaschen, sein Blick war auf den Boden gerichtet. Er vermisste ihn, obwohl sie bis eben gerade noch zusammen gewesen waren. Er vermisste jemanden, den er erst seit zwei Tagen kannte. Und doch hatte er das Gefühl, mit dem Zug sei soeben ein Teil seiner Selbst davongefahren.

04. unexpected

Seine Augen blickten von der gegenüberliegenden Wand hinüber zur Digitalanzeige des Weckers, in den dunklen Flur hinein (wo das Telefon stand) und wieder zurück zur Wand.

Seit Stunden.

Schon den halben Vormittag war Katsu mit nichts anderem beschäftigt gewesen, als seinen Blick in dieser Dreieckskonstellation wandern zu lassen. Dabei lag er auf seinem Bett, den Kopf ans Fußende platziert und das erste Album der L.A. Guns in Dauerschleife hörend. Seit er heute morgen aufgewacht war, hatte er nur einen Gedanken im Kopf gehabt. Und jener Gedanke galt Aki. Er sollte sich bei seiner Freundin entschuldigen. Gestern konnte er die Gedanken daran noch gut verdrängen, war da ja auch noch die unerwartete Begegnung mit Shiro gewesen, die seine Gedanken- und Gefühlswelt ebenfalls in Aufruhr versetzt hatte. Aber dann war die Nacht gekommen und irgendwann brach ein neuer Tag an – und der gestrige Streit war wieder in seinem Kopf präsent.

Die leuchtenden Zahlen des Weckers zeigten 11:01 Uhr an.

Eigentlich kam es selten vor, dass er sich mit Aki wirklich fetzte; meistens handelte es sich nur um Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen, die in den seltensten Fällen einen höheren Lärmpegel erreichten. Aber in letzter Zeit hatte sich was geändert...hatten sich ihre Auseinandersetzungen geändert. Es ging inzwischen eigentlich nur noch um ein Thema: Er und die Band. Die Band, in der er zum jeweiligen Zeitpunkt involviert war. Oder eben auch nicht war.

11:02 Uhr.

Er hatte sie nicht anschreien wollen, als er gestern Hals über Kopf aus der Werkstatt geflüchtet war. Er hatte sie nicht kränken wollen, doch fühlte er sich zu dem Zeitpunkt selbst gekränkt. Er hatte einfach nicht darüber reden wollen, aber Aki schien das nicht mehr zu interessieren. Sie wurde jedes Mal energischer, hatte er das Gefühl. Sie meinte es nur gut, das wusste er. Sie war seine Freundin und Freunde meinen es immer nur gut. Aber es gab Dinge, mit denen wollte er einfach alleine sein und zu denen wollte er keine Ratschläge hören. Auch nicht von ihr.

11:04 Uhr.

Katsu drehte leise stöhnend den Kopf zur Wand neben sich und starrte das eintönige Weiß an.

Shiro wollte heute vorbei kommen. Wann, das hatte er nicht gesagt. Ob er vorher nochmal anrufen würde? Oder ob er plötzlich vor seiner Haustür stünde? Er konnte es nicht einschätzen. Aber vielleicht wäre es wirklich besser, sich vorher bei Aki zu entschuldigen, bevor ihn sein Besuch nur wieder ablenkte und er darüber den Tag vergaß. Trotz dieser Erkenntnis zögerte er. Katsu drehte sich wieder um, sah sein Handy auf dem Fußboden liegen, machte jedoch keinerlei Anstalten danach zu greifen. Ließ seine Blicke weiter über den Boden Richtung Flur wandern, in die Ecke, in der sein Telefon stand. Starrte eine ganze Weile regungslos in die schummrigen Lichtverhältnisse des angrenzenden Nebenraums und wünschte sich, das verdammte Telefon würde klingeln und Aki wäre am anderen Ende der Leitung. Aber diesen Gefallen taten sie ihm beide nicht. Weder das Telefon, noch Aki.

Ein weiterer Blick auf die Uhr.

11:11 Uhr.

Gottverdammt, es half alles nichts! Katsu stieß sich von seinem Bett ab und tappste in den Flur, griff etwas unsanft nach dem Telefon und setzte sich damit im Schneidersitz auf den Boden seines Zimmers. Er wählte Akis Nummer. Er kannte sie auswendig. Er presste sich die Muschel ans Ohr und lauschte. Und es dauerte auch gar nicht lange, bis jemand am anderen Ende abnahm.

„Ja?“, erklang die Stimme des Mädchens leicht verfremdet.

„Hey...ich bin's...“, begann Katsu das Gespräch, mit der Vorsicht eines geprügelten Hundes.

„Ich weiß“, kam es nur zurück. Sie schien über seinen Anruf nicht überrascht zu sein. Zu oft hatten sie diese Szenerie schon durchgespielt.

Katsu seufzte leise. „Hör zu, Aki...ich weiß, es war dumm von mir, was ich dir gestern an den Kopf geworfen habe...“ Er kratzte sich am Eigenen, ein Zeichen seiner Verlegenheit. Zu seiner Enttäuschung kam von Aki daraufhin jedoch nichts, keine Reaktion, kein Wort. Das machte es nur noch schwerer. „Ich wollte dich nicht beleidigen, es ging gar nicht gegen dich“, versuchte er zu erklären, „ich wollte nur einfach nicht darüber reden.“

„Das willst du nie. Aber damit machst du es dir auch nicht leichter.“ Ihre Stimme war noch immer emotionslos, distanziert.

Für mehrere Momente sagte keiner von beiden ein Wort. Lediglich die L.A. Guns drangen im Hintergrund leise zu Aki durch.

Katsu überlegte was er erwidern könnte, ohne dass seine geplante Entschuldigung in einen neuen Streit ausartete. Doch noch bevor ihm etwas Gescheites einfiel, hatte Aki schon das Wort ergriffen:

„Ich gehöre sicherlich mit zu den letzten Personen, die dir sagen werden „Such dir endlich einen vernünftigen Job!“ Aber wenn du das mit deinen Bands nicht auf die Reihe kriegst, solltest du vielleicht wirklich mal überlegen, dich umzuorientieren. Ich kann dir nämlich auch nicht jede letzte Woche im Monat Geld für Essen auslegen. Ich lebe selbst nicht auf der Sonnenseite des Lebens.“

Katsu schluckte. So deutlich hielt Aki ihm seine Fehler selten vor Augen. Und insgeheim wusste er ja auch, dass sie Recht hatte. Was er jedoch nicht wusste war, wie er die Probleme mit „seinen Bands“ in Zukunft besser bewältigen sollte. Denn sie tauchten immer wieder auf, wie ein Bumerang, der nicht abzuschütteln war.

Und Aki sprach weiter: „Ich hab dich wirklich sehr gern, Katsu, das weißt du. Und ich werde dir bei allem helfen, soweit ich nur kann. Aber erwarte nicht von mir, dass ich mein Leben aufgebe, weil du dein eigenes nicht auf die Reihe bekommst.“

Dass Akis Ton inzwischen etwas sanftere Züge gewonnen hatte, beruhigte Katsu im Moment überhaupt nicht, denn die soeben vernommenen Worte erschraken ihn. „Das würde ich nie von dir verlangen!“ Panik in seiner Stimme, in seinem Gesicht. Wie war sie nur auf solch eine Idee gekommen? War er inzwischen tatsächlich schon so weit abgedriftet, dass sein Verhalten diesen Eindruck erweckte? „Ich verspreche dir, es wird alles anders! Ich krieg' mein Leben in den Griff!“, versicherte er hastig.

Aber die Freundin war nicht blauäugig. „Du musst mir nichts versprechen; es ist dein Leben.“ Das war das Letzte was sie sagte, bevor sie auflegte.

In der Leitung war nur noch ein monotoner Ton zu hören.

Katsu presste den Hörer noch einige Momente lang gegen sein Ohr, wollte nicht glauben, dass er diesen Ton hörte, wollte nicht glauben, dass Aki aufgelegt hatte. Aber so war es. Schließlich legte auch er auf. Das Telefon stand schweigend vor ihm auf dem Boden. Die noch immer laufende Musik im Zimmer vernahm er schon gar nicht mehr. Irgendwie hatte er sich das Gespräch anders vorgestellt gehabt. Seine Beine lösten sich aus dem Schneidersitz, er streckte sie aus, winkelte eines wieder an. Eine Hand fuhr durch sein knallrotes, zottiges, langes Haar. Kurz darauf wurde die Stirn von eben dieser Hand gestützt sowie der Ellenbogen vom angewinkelten Knie. Sein Blick driftete ins Nichts.

Er fühlte sich verlassen.

Einsam.

Unverstanden.

Als spräche er eine andere Sprache als alle Anderen. Er wollte doch auch nur sein Leben leben, er wollte doch auch nur glücklich sein. Warum schien ihm das verwehrt zu bleiben? Manchmal hatte er das Gefühl, alle um ihn herum seien taub. Als würden sie seine Worte nicht hören. Als befände sich eine undurchdringbare Schutzwand zwischen ihm und seinen Freunden. Sie konnten sich sehen, sie wussten, was jeder andere tat, aber er konnte seine Entscheidungen, seine Erklärungen niemandem verständlich machen. Dabei empfand er seine Entscheidungen stets als gerechtfertigt und selbstverständlich; er konnte nicht begreifen, warum das außer ihm scheinbar niemand so sah. Was war daran verkehrt, eine Band zu verlassen, mit der man nicht arbeiten konnte? Was machte es für einen Sinn mit Leuten, von denen man das Gefühl hatte, sie würden einen auf den Mond wünschen, etwas gemeinsam erreichen zu wollen? Wenn man ständig das Gefühl hatte, man sei in Wirklichkeit unerwünscht? Müll, Abschaum, Dreck? - Erwartete man das wirklich von ihm? Dass er sich herum treten ließ wie ein Straßenköter, nur um nicht arbeitslos zu sein?

Katsu merkte nicht, dass er eine gute halbe Stunde lang so dasaß, bis ihn das Klingeln des Telefons wieder zurück in die Gegenwart rief. Sein Blick wanderte zum Apparat vor sich. Es klingelte zwei Mal, drei Mal. Aber irgendwas stimmte hier nicht. Sein Telefon klang doch sonst ganz anders... Bis er den Ton des geduldigen Klingelns endlich erkannte: Es war sein so selten benutztes Handy. Dieses lag nur wenige Schritte von ihm entfernt auf dem Fußboden und er krabbelte hinüber, griff danach.

Eine fremde Nummer war auf dem Display zu erkennen. Katsu überlegte gar nicht erst, sondern nahm ab. „Ja?“

„Hey, hier ist Shiro!“

Katsus Herz machte einen Sprung.

„Ich steh hier gerade an der Kurihama-Station. Holst du mich ab?“

Selten hatte der Bassist den Weg zum Bahnhof in so kurzer Zeit zurück gelegt wie heute. Jedoch hatte er es bisher auch selten so eilig gehabt wie heute. Gleich nach Shiros Anruf hatte Katsu die Wohnung so überstürzt verlassen, dass er ganz vergessen hatte, sich eine Jacke überzuziehen. Aber was kümmerte ihn die kühle Frühlingsluft in Anbetracht der Tatsache, dass er bald schon wieder vor der Person stehen würde, die seit Neuestem für sein gelegentliches Herzklopfen verantwortlich war?

Katsu hastete den Gehweg entlang, achtete nicht wirklich auf den Verkehr und schenkte generell allem um sich herum wenig Aufmerksamkeit. Und als er endlich um die letzte Ecke bog, sah er Shiro schon von Weitem vor dem Bahnhofseingang stehen. Das wasserstoffblonde Haar leuchtete ihm regelrecht entgegen. In seinem Bauch breitete sich ein angenehmes Kribbeln aus, während seine Füße nochmals einen Zahn zulegten. Und als Shiro nun den Kopf noch ein Stück in seine Richtung bewegte, konnte Katsu in seinem Gesicht ein Grinsen erkennen.

Der Streit mit Aki war schon längst vergessen. Die zahlreichen Probleme mit irgendwelchen Bands waren im Moment nicht existent. Katsus Augen waren auf den Jungen vor sich gerichtet und sein Kopf blendete vorübergehend alles aus, was nicht mit diesem Bild in Verbindung stand. Shiro sah genauso aus wie gestern, als sie sich auf dem Gleis getrennt hatten: Das selbe blaue T-Shirt, die selbe lässige Jeansjacke, die selbe große Sonnenbrille, ja selbst sein Haar schien heute genau so zu fallen wie gestern. Und dieses kecke Grinsen...

Diesmal ließ Katsu es sich nicht nehmen, ihn zur Begrüßung in die Arme zu schließen. Er dachte über diese Geste nicht mehr nach, er ergab sich einfach seinem Drang. Und zu seiner Überraschung erwiderte Shiro die Umarmung sogar ohne jede Scheu. Er spürte, wie die Arme des Anderen sich um ihn legten und wie angenehm, ja fast liebevoll, es sich anfühlte. Ohne jegliche Absprache schien eine geheime Vertrautheit zwischen ihnen beiden zu herrschen, trotz der kurzen Zeit, in der sie sich erst kannten.

Als sie die Umarmung wieder auflösten, sah Katsu ihm ins Gesicht, erkannte durch die dunklen Brillengläser ansatzweise die Augen, die dahinter verborgen lagen. „Hey, cool, dass du gekommen bist!“

„Klar, war doch so abgemacht.“ Shiro grinste noch ein bisschen mehr und nickte ihm knapp zu.

Gemeinsam begaben sie sich anschließend zu Katsus Behausung. Kaum dort angekommen, dirigierte der Rothaarige seinen Gast in den Wohn- und Schlafbereich. Katsu selbst verschwand kurz in einem kleineren Nebenzimmer, in welchem er, abgesehen von seinem Bass und seinem Verstärker, diversen anderen Kram aufbewahrte, den er nirgendwo anders unterzubringen wusste. Seine „Rumpelkammer“, wie Aki sie immer nannte. Es dauerte nicht lange bis er zu Shiro zurück kam, der sich inzwischen auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch niedergelassen hatte.

Und als Shiro ihn erblickte, oder vielmehr den Bass in Katsus rechter Hand, wurden seine Augen so groß wie die eines Kindes, das die größte Eistüte seines Lebens vor sich hatte. „Oh mein Gott, du hast ja wirklich...“ Weiter kam er gar nicht, denn die Faszination für das Instrument raubte ihm sprichwörtlich den Atem.

„Natürlich hab ich! Dachtest du, ich erzähl dir Märchen?“ Und prompt hielt Katsu ihm den Bass anbietend vor die Nase.

Shiro blinzelte kurz zu ihm hoch. „Ich hab schon ganz andere Methoden erlebt, jemanden abzuschleppen.“ Dann richtete sich sein Blick aber auch schon wieder auf den Bass und seine Hände nahmen ihn fast ein bisschen ehrfürchtig entgegen. Staunend sah er ihn sich nun vom Nahen an, sanft strichen seine Finger über den lilanen Korpus und die vier Saiten. Shiro nickte anerkennend. „Klasse Teil. Ich hätte mir damals auch fast so Einen gekauft, bin dann aber doch irgendwie bei Ibanez gelandet“, erzählte er und schenkte dem Bass nochmals einen liebevollen Blick, bevor er ihn Katsu wieder zurück gab. „Vielleicht wird mein Nächster ja auch ein Killer.“

Katsu nahm seinen elektrischen Liebling wieder an sich. „Sag mir Bescheid, wenn's soweit ist“, forderte er ihn grinsend auf, bevor er den Bass zurück in die Rumpelkammer brachte. Auf dem Weg dorthin machte sich plötzlich ein altbekanntes Gefühl in seiner Magengegend bemerkbar: Er hatte heute noch nichts gegessen. „Hast du eigentlich Hunger?“, fragte er daher aus dem anderen Zimmer heraus.

„Was hast du denn im Angebot?“, lautete Shiros Gegenfrage.

Es dauerte einen Moment bis Katsu die Küche erreicht und seinen Kühlschrank inspiziert hatte, als er schließlich im Gefrierfach fündig wurde. „Pizza?“, erklang es nun aus diesem Raum.

„Klingt gut!“

„Vegetarisch oder Hühnchen?“

„Hühnchen!“

Kaum zwanzig Minuten später saßen die beiden Jungs mit Pizza und Bier auf Katsus Bett und ließen es sich gut gehen. Nachdem sie aufgegessen hatten, spülten sie sich die Kehlen mit den Resten des Bieres durch. Mit den Rücken an die Wand gelehnt saßen sie nebeneinander und genossen das befriedigende Gefühl eines gefüllten Magens. Dabei ließ Shiro seine Blicke durch Katsus Zimmer schweifen und blieb irgendwann an einem Filmplakat hängen, das an der gegenüberliegenden Wand hing und von einem vollgestellten Regal halb verdeckt wurde. Was er von dem Motiv noch erkennen konnte waren ein ausgestreckter Arm und ein ausgestrecktes Bein einer, scheinbar in die Luft springenden, schwarzen Person mit Dreadlocks. Zwischen den gespreizten Beinen prangte in roten Lettern der Filmtitel. Und obwohl nur besagte Hälfte des Plakats zu sehen war, ahnte Shiro, um welchen Film es sich hierbei handelte. „Jumpin' Jack Flash?“, fragte er und deutete mit seiner fast leeren Flasche zum Plakat.

Katsus Augen folgten dieser Geste und er lächelte. „Ja...ich mag Whoopi Goldberg. Die Frau ist echt klasse!“

„Und Jumpin' ist dein Lieblingsfilm?“

Der Rothaarige nickte. „Der Film ist geil. Aber in 'Eddie' war sie auch super! Oder 'Sister Act' – beide Teile.“ Katsu überlegte kurz. „Die 'Beverly Hills Cop'-Reihe mag ich auch.“

Shiro blinzelte. „Hat sie da auch mitgespielt?“

„Nein, aber Eddie Murphy hat einen echt heißen Knackarsch.“

FreaX' Bassist grinste. „Kleiner Sexist...“

„Was'n? Hast du noch nie gesehen, was für enge Jeans er da trägt? Da kann man doch gar nicht anders als ihm auf den Arsch zu glotzen. Oder auf den Schwanz...“

Shiro schüttelte grinsend den Kopf und nahm den letzten Schluck, während er sich innerlich über Katsus kindliche Direktheit amüsierte.

Katsu selbst ahnte nichts von den Gedanken, die er bei seinem Gast hervorrief. Statt dessen wendete er nun das Blatt der Fragerunde und blickte den Anderen interessiert an. „Und was magst du für Filme?“

Shiros Blick war für einen kurzen Moment abwesend, als müsse er selbst erst mal überlegen. „Ich mag die Filme mit Leslie Cheung und Jackie Chan gerne“, antwortete er dann schließlich und stellte seine leere Bierflasche vor dem Bett ab.

Katsus Hirn suchte nach verwertbaren Informationen zum erstgenannten Namen. „Leslie Cheung... Der aus 'He's a woman, she's a man'?“

„Genau!“ Shiro hätte nicht leugnen können, dass er überrascht darüber war, dass Katsu diesen Film zu kennen schien, nachdem er US-Action-Komödien als seine Lieblingsfilme genannt hatte.

Katsus Finger spielten mit dem Kronkorken, während er nachzudenken schien. „Ich glaube, außer 'He's a woman' kenne ich gar keinen Film mit Cheung...“

„Ich kann dir ja mal Welche zeigen. Hab zu Hause Mehrere mit ihm“, lautete Shiros Vorschlag, während er Katsus spielende Finger beobachtete.

Der Rotschopf nickte sofort willig und seine Augen leuchteten. „Klar, gerne!“ Das war ja schon eine indirekte Einladung zu einem Gegenbesuch. Besser konnte es kaum noch laufen.

„Er hat auch öfters in solchen Filmen mitgespielt wie diesem...“, merkte Shiro noch an und ein sensibles Ohr vermochte die geheime Faszination heraus zu hören, welche in dieser Aussage verborgen lag.

Inzwischen war auch Katsu bei seinem finalen Schluck angelangt und seine Lippen schenkten der Flaschenöffnung eine letzte Berührung, bevor er das geleerte Behältnis ebenfalls auf dem Boden abstellte. „Ah! Ich hab letztens auch 'nen Film gesehen – den hat mir Aki gezeigt – der war auch cool! Und strange! So 'ne Kombination aus Horror und Mystery von den Pang Brothers, wo-!“ Doch weiter kam er mit seiner Erzählung gar nicht. Denn kaum hatte er sich, nach dem Abstellen der Flasche, wieder zurück gelehnt, spürte er völlig unerwartet ein weiches Lippenpaar auf seinen eigenen und keine Sekunde später eine fremde Zunge in seiner Mundhöhle. Katsu seufzte leise und überrascht auf, leistete jedoch keine Gegenwehr sondern erwiderte nach der ersten Irritation den Kuss wohlwollend. Es war ein dominantes, bestimmendes und doch liebevolles Zungenspiel, welches er in Empfängnis nahm und innerlich war er verblüfft darüber, wie gut sich ein Kuss doch anfühlen konnte.

05: doubts

„Und plötzlich hat er mich geküsst! Einfach so! Aber richtig – nicht nur auf die Wange oder Lippen! - Oh Gott, und wie er geküsst hat...!“ Katsu beschrieb das Ereignis vom Vortag nun schon zum dritten Mal in Folge, doch seine Stimme klang noch immer so aufgeregt wie beim ersten Durchgang.

„Dein Cappuccino wird kalt“, kommentierte Aki die Erzählungen des Freundes nüchtern.

Rasch griffen Katsus Hände nach dem Becher, der tatsächlich nur noch eine lauwarme Temperatur vorwies, und führte ihn sich an die Lippen. Normalerweise war er immer der Erste, der seinen Cappuccino, den er bei so ziemlich jedem Besuch bei Aki zu Hause serviert bekam, ausgetrunken hatte. Doch im Moment setzte die Normalität bei ihm aus. Da er in der Nacht kaum ein Auge zugetan und auch der darauf folgende Morgen seinem hormongesteuerten Hirn keine wirkliche Entspannung gebracht hatte, hatte er es nicht länger ausgehalten und Aki um ein Treffen gebeten. Den dummen Streit zwischen ihnen ignorierend. Zu seiner Erleichterung hatte Aki dem Treffen ohne zu zögern zugestimmt und somit befand er sich nun an diesem Vormittag in ihrem Wohnzimmer auf dem Sofa - und konnte keine Minute lang still sitzen.

Aki hatte Katsu die ganze Zeit über beobachtet und konnte ihr zunehmendes Schmunzeln inzwischen nicht mehr verbergen. „Du benimmst dich, als seist du noch nie zuvor geküsst worden“, bemerkte sie.

Katsu sah sie mit wachen Augen an. „So bin ich auch noch nie geküsst worden!“, verteidigte er sich und nahm eifrig ein paar weitere große Schlucke des koffeinhaltigen Getränks. „Ehrlich, ich hätte nie geglaubt, dass sich küssen so gut anfühlen kann...“ Sein Blick drifteten in Abwesenheit ab. „Und er schmeckte so gut...“

„Nach Bier“, vollendete Aki den Satz.

„Ach quatsch, ich meine seinen eigenen Geschmack!“

„Den hast du noch wahrgenommen, kurz nachdem ihr euch mit Pizza und Bier vollgefuttert habt?“ Sie mochte es, ihn ein wenig zu triezen.

Katsu jedoch fühlte sich inzwischen nicht mehr ernst genommen und schenkte ihr einen genervten Blick. „Du kannst ihn ja mal küssen, dann weißt du wovon ich rede.“

Das patente Mädchen ging auf den Vorschlag ein. „Damit er anschließend mehr Gefallen an mir findet als an dir?“

„AKI!“ Katsu hasste es, nicht für voll genommen zu werden.

Aki beendete die kleinen Sticheleien mit einem Grinsen und griff nach etwas, was neben dem Sofa auf dem Boden platziert lag. „Ich hab hier übrigens deine Jeans. Reißverschluss ist eingenäht und passt“, wechselte sie das Thema, während sie ihm die Hose aushändigte.

Schlagartig wurde Katsu wieder leise und beinahe verirrte sich ein blasser Rotschimmer auf seinem Gesicht. Denn die Hose erinnerte ihn wieder an den Streit, den ihm Aki aber scheinbar auch schon wieder verziehen hatte, denn sie lenkte das Gespräch nicht auf das Thema. „Danke“, nuschelte er dennoch etwas zurückhaltend und nahm die Hose entgegen, betrachtete sich kurz die bearbeitete Region. Man sah kaum, dass der Reißverschluss nachträglich eingesetzt worden war. Einwandfreie Arbeit. Wie er es von Aki gewohnt war.

„Ich habe gehört, in der Nähe von Mikey's hat ein neuer Gitarrenladen aufgemacht“, drang Akis Stimme plötzlich durch die eingetretene Stille.

Mikey's war eine Imbissbude, die Katsu gelegentlich aufsuchte. Und Katsu liebte es, Gitarrengeschäfte zu durchstöbern. Denn wo Gitarren waren, waren auch Bässe. Und auch wenn er sich, abgesehen von ein paar neuen Saiten für seinen Killer, nie etwas in solchen Läden leisten konnte, liebte er die Atmosphäre und die Gelegenheit, verschiedenste Modelle auszuprobieren und unter die Lupe zu nehmen. „Dann lass uns da hin!“ Hastig trank er seinen Becher aus.

„Jetzt gleich?“

„Na klar, wann denn sonst?!“ Und im nächsten Augenblick sprang Katsu auch schon vom Sofa auf und steuerte die Wohnungstür an.

Als Shigeki diesmal an Shiro vorbei ging, blieb er stehen und neigte den Kopf ein Stück zur Seite, musterte den Freund ausgiebig. „Alles okay bei dir?“