Unsere Hunde - Brigitte Anna Lina Wacker - E-Book

Unsere Hunde E-Book

Brigitte Anna Lina Wacker

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Beschreibung

Kita, Paula, Cassy, drei Hunde, drei Schicksale. Gemeinsame Erlebnisse mit unseren Lieblingen, ihr für uns Menschen viel zu kurzes Leben und die Bewältigung des Abschiednehmens.

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Inhaltsverzeichnis

KITA

Der Abschied

Der große Schmerz

Die Entscheidung

Erziehung unmöglich?

Schlimme Zeiten

Veränderungen

Eine neue Heimat

Die letzte Fahrt

Epilog

PAULA

Neue Pläne

Die ersten Begegnungen

27. Oktober / Paula zieht ein

Die ersten Tage mit Paula

Der 30. Oktober.

November

Vier Wochen Paula

Weihnachten mit Paula

Nachwort

CASSY

Von Anfang an

Die ersten Tage

Begegnungen

Katzen

Der Abschied naht

KITA

Der Abschied

Ich sitze auf der Ladefläche unseres alten Autos. Tränen strömen über meine Wangen und mein Herz ist schwer. Unser langjähriger Tierarzt fasst in die Flanken meiner treuen Hündin Kita. Fassungslos schüttelt er den Kopf.

„Sie hat ja überhaupt keine Muskeln mehr! Die rechte Seite des Hinterlaufs ist bereits total eingefallen. Kein Vergleich mehr mit dem Hund, den ich vor drei Tagen untersucht habe. Da kann ich wirklich nichts mehr machen.“ Er sieht mich fragend an. Ich vermag meiner Hündin nicht in die Augen zu schauen, doch ich muss es tun. Hilflos flehend blickt sie von einer Person zur anderen. Auch mein Mann steht mit feuchten Augen vor mir, immer wieder den Hund streichelnd. Es zerreißt mir fast das Herz, als ich den Tierarzt bitten muss, meiner Kita die erlösenden Spritzen zu geben. Ich sehe, dass es ihm unglaublich schwer fällt, meiner Bitte nachzukommen. Aber es muss sein, denn sie leidet unter ihren Schmerzen. Am Tag zuvor habe ich meinem Wunsch Ausdruck verliehen, meiner „Kleinen“ einen würdigen Tod zu ermöglichen. Doch was ist „würdig“?

Sicherlich nicht ein Sterben unter körperlichen Qualen und eine Leidensverlängerung. Das hat Kita nicht verdient!

Die erste Spritze wird injiziert. Kita liegt mit dem Kopf neben meinen Knien und kämpft trotz ihrer Schmerzen. Ist die Entscheidung richtig? Will sie überhaupt sterben oder lieber bei mir bleiben? Ich möchte in ihre Augen sehen, stehe auf und knie mich vor die Ladefläche. Doch Kita gibt mir zu verstehen, dass sie mich an der Seite haben und sich an mich kuscheln möchte.

Ich habe sie oft „meine kleine Nase“ genannt, denn ich habe vor über dreißig Jahren meinen Geruchssinn verloren. Vorsichtig schiebe ich meine rechte Hand unter ihren Kopf, lege die Finger ganz dicht an ihre zarte kleine Schnauze und beginne, diese vorsichtig und beruhigend zu streicheln. Ich war die Einzige, die ihr diese Zärtlichkeit in all den Jahren geben durfte.

Tränen rinnen unaufhörlich aus meinen Augen. Ich merke, dass meine Hündin immer ruhiger wird. Mit letzter Kraft singe ich leise ein mir altvertrautes Lied: „La-Le-Lu, nur der Mann im Mond….“

Die Stimme will brechen, aber ich singe tapfer weiter. Dieter hat ebenfalls Tränen in den Augen. Liebevoll streichelt er über das weiche Fell. Der Schmerz ist für uns kaum zu ertragen. Mit den Nasenlöchern ganz dicht an meinen Fingern schläft Kita endlich ein.

Der Tierarzt geht in seine Praxisräume, um mit der zweiten Spritze zu uns zurückzukommen. Ich spüre, dass er zögert. Fragend und prüfend schaut er mich erneut an. Ich bin zu keiner Regung fähig. Noch einmal lässt er forschend die Hand über die Flanken der schlafenden Hündin fahren. Ich spüre seine Traurigkeit. Viele Jahre hat er unsere Kita behandelt. Sehe ich Tränen in seinen Augen? Ganz leicht nicke ich mit dem Kopf. Ich bin so weit, kann sie gehen lassen. Ein Ruck durchfährt ihn. Zögernd kommt er mit der entscheidenden Spritze näher und setzt an. Es gibt kein zurück mehr. Der Schmerz in mir wird übermächtig. Ich möchte laut schreien.

Meine Hündin liegt warm und weich in meinem Arm. Nie wieder werden ihre wunderschönen braunen Augen mich anschauen. Nie wieder wird sie am Abend zum Gute-Nacht-Sagen zu mir kommen. Nie wieder wird sie erwartungsvoll auf meine Hand und die Hosentasche schauen, um ein Leckerli abzustauben.

Nie wieder – nie wieder. Diese Worte drängen sich unbarmherzig in mein Bewusstsein, drehen sich wie in einem Hamsterrad. Ich bleibe auf der Ladefläche sitzen. Der Tierarzt fühlt nach dem Puls und sieht mich traurig an.

„Sie ist hinübergegangen“.

Mehr Worte kommen nicht über seine Lippen.

Voller Zweifel schaue ich zu ihm empor.

„Aber…“, stocke ich. „Sie fühlt sich noch ganz lebendig an. Sie lebt noch. Sie ist noch hier bei mir.“ Er tastet erneut, schaut erst mich und dann die Hündin an, geht zurück in seine Praxis und kommt mit einer weiteren Spritze. Kita ist warm, ihr Fell so weich wie immer. Gerade bei den Ohren ist es samtweich und zart. Ich streichele sie weiter, unaufhörlich. Nein!!! Sie kann nicht einfach gegangen sein! Ich habe doch nichts bemerkt!

„Bitte, geben Sie ihr noch eine halbe Dosis“, flehe ich. Der Arzt kommt meiner Bitte nach und geht dann fort, um das Stethoskop zu holen. Wieder vergeht Zeit.

„Sie ist jetzt wirklich tot“.

Die Stimme dröhnt in meinen Ohren. Ich will nicht aufstehen und nach Hause fahren. Dann folgen Worte, die ich einfach nicht verstehe.

Der Doktor wendet sich mir zu und meint: “Bleiben Sie ruhig noch eine Weile sitzen, damit sie Sie noch spüren kann.“

Tausend Fragen durchströmen mich. Ich denke daran, dass Kita doch nun gestorben ist. Wie kann sie mich da spüren? Wo ist meine geliebte Hündin jetzt? Wo ist ihre Seele? Kann sie mich noch sehen? Ist sie schon für immer fort? Gibt es einen Himmel für Hunde?

Stumm bleiben wir noch einige Minuten zusammen. Dann erhebe ich mich, bedanke mich dafür, dass wir mitten in der Nacht kommen durften und für die liebevolle Behandlung in den letzten Jahren.

Wir steigen in unseren Pkw und fahren zurück nach Hause. Trotz des unglaublichen Schmerzes und der vielen Tränen sitze ich am Lenkrad. Mein Verstand und meine Seele wollen nicht begreifen, was in den letzten beiden Tagen geschehen ist. Daheim angekommen legen wir behutsam den warmen Tierkörper in das vertraute Hundekörbchen. Kita sieht aus, als würde sie sanft und friedlich schlafen. Wir zünden im Treppenhaus eine Kerze an und gehen traurig in unsere Wohnung.

Mein Mann nimmt mich wortlos in die Arme. Wir müssen unseren Schmerz irgendwie ertragen. Es gibt kein Entrinnen. In diesem Moment gibt es nur noch Trauer und Verzweiflung.

Der große Schmerz

Trauer ist ein tiefes Loch und nichts vermag dieses Loch zu füllen. Kein Wort, kein Trost, kein lieber Gedanke, kein Engel. Selbst Gott ist in diesem Moment zu klein.

Das Loch ist so groß und schwarz, dass es alles verschluckt. Arbeit und Denken werden unmöglich.

Positive Gefühle ertrinken in Trauer.

Schmerzblasen steigen auf aus der Körpermitte, berühren das Herz, das mühsam den Lebenssaft schwerfällig und dröhnend durch seine Bahnen pumpt.

„Schrei doch!“, tönt es in meinem Kopf.

Wo könnte ich schreien? Er muss raus, dieser innere Schrei. Doch man könnte ihn überall hören. Der Versuch, unter Decken und Tüchern zu schreien, scheitert. Er ist zu laut, unbändig, gewaltig. In mir jedoch scheint er alles zu zerreißen. Explosionsartig schießen Tränen aus den Augen. Worte und Gedanken verschaffen sich Raum. Sinnloses Gestammel, kurioses Durcheinander, alles fällt in dieses tiefe Loch. Kampf ist zwecklos.

Ich gleite hinein in die schwarze, alles verschlingende Tiefe und ergebe mich. Für einen Moment lässt der Schmerz mich los. Aufatmen – lächeln – vorwärts schauen! Dann kommt die nächste Schmerzblase, reißt mich fort und wieder falle ich.

Ein Blick in den Garten, wo auch die Erinnerung lebt. Schmerz schüttelt und rüttelt mich. Nie wieder – nie wieder. Das Loch wird größer und tiefer. Die Begegnung mit dem Tod ist unausweichlich. Wie oft schon begegnete er mir? Er begleitet mich Tag für Tag. Und obwohl ich ihn schon so oft miterlebte, bei Mutter, Vater, Großeltern, Freundinnen und Schulkameraden, bei meiner ersten großen Liebe wie auch bei meinem geliebten Robert, selbst bei dem kleinen Boxer Balu, dem treuen „Kumpel“ meines Mannes. Ich stumpfe nicht ab. Im Gegenteil, der Tod wird immer unbarmherziger, selbst in seiner Barmherzigkeit. Er reißt Löcher in mein Leben und dieses Mal ist es ein ganz besonders tiefes.

Obwohl – ich trauere „nur“ um einen Hund, um meine Hündin Kita, meine treue Begleiterin. Über dreizehn Jahre lang war sie meine Lebensgefährtin, meine beste Freundin und überwand mit mir viele schwierige Situationen.

Sie liebte mich auch ungestylt und ungewaschen, schwitzend, unfrisiert, wütend oder emotionsgeladen. Sie vertraute mir und meiner Liebe. Wir waren ein tolles Gespann. Voller Dankbarkeit und Liebe schaue ich jetzt zurück.

Die Entscheidung

Mein Sohn war flügge geworden und verließ nach seinem Wehrersatzdienst in einer Klinik unser Haus in Hessen, um in Hannover sein Medizinstudium zu beginnen. Es war ein großes Glück, dass er in der von ihm gewünschten Stadt seinen Studienplatz bekam. Das Haus war von nun an still und leer, denn mein damaliger Ehemann Werner arbeitete als Handwerker meistens außerhalb und war oft tagelang unterwegs. Selbstverständlich hatte ich viel und genug Arbeit mit Haus und großem Garten, meiner Tätigkeit als freischaffende Künstlerin und zusätzlicher Seminararbeit an diversen Volkshochschulen. Die Tage waren ausgefüllt. Und doch, wenn die Kinder plötzlich aus dem Haus sind, machen sich Einsamkeit und eine seltsame Leere breit.

Stunden und Tage zogen eintönig dahin. Alles erschien irgendwie sinnlos. Aufmerksam studierte ich morgens nach dem Frühstück die Tageszeitung. Mein Blick blieb an einer kleinen unscheinbaren Anzeige hängen: „5 Wochen alte Schäferhund-Husky-Welpen dringend abzugeben“.

Ohne zu zögern ging ich zum Telefon und wählte die angegebene Nummer.

„Schmidt!“

Eine angenehme Stimme tönte mir entgegen. Ich nannte meinen Namen und fragte nach den Welpen. „Wir haben zwei Rüden und fünf kleine Mädchen“, klang es in meinen Ohren. „Sie sind am Heiligen Abend geboren. Ein Rüde ist bereits verkauft. Sie müssen sich also beeilen, wenn Sie den anderen haben möchten.“

Wir verabredeten uns für den späten Abend und ich überraschte Werner mit meinem Vorhaben, als er müde, aber gut gelaunt, von der Arbeit kam.

Er lachte: „Das ist eine gute Idee, meine Liebe. Dann bist du nicht mehr so alleine und ich kann beruhigt zur Arbeit fahren. Komm, wir fahren sofort los.“

Der Weg führte über einsame Landstraßen in ein verschlafenes Bergdörfchen. Endlich fanden wir die vorgegebene Adresse. Die Tür des Fachwerkhäuschens öffnete sich und wir wurden von einem älteren Herrn freundlich begrüßt. Neben ihm lief eine große braune Schäferhündin, die mir sofort ihre Pfoten auf die Schultern legte, um mich abzuschlecken. Ich wähnte diese Begrüßung bereits als gutes Omen.

Über eine schmale Holztreppe führte der Weg in eine winzige Wohnung mit ebenso winziger Küche.

Der Raum war dermaßen klein, dass lediglich ein Küchenschrank, Spüle, Herd und Kühlschrank darin Platz fanden. In der Mitte des Zimmers stand ein großer Pappkarton, der mit Decken und Zeitungspapier ausstaffiert als Hundehort diente. Überall auf dem Fußboden krabbelte und fiepte es.

Der Mann hob ein dickes schwarzes Fellknäuel hoch und legte dieses in meinen Arm. Es war ein hübsches Tier mit braunen Augen und glänzendem Fell. Das also war der kleine Rüde! Enttäuscht bemerkte ich, dass er überhaupt keine Notiz von mir nahm. Im Gegenteil, er zappelte und forderte mich ungestüm auf, ihn abzusetzen.

Mein Blick fiel auf einen winzigen Welpen, der seinen Kopf auf ein weißes Plüschtier gebettet hatte und selig schlief. Er hatte goldbraune Ohren und ein weißes Hinterpfötchen. Er war unter den Heizkörper am Fenster der Küche gerutscht und kaum zu erkennen in diesem dunklen Winkel. Welch ein schönes Bild!

Da der Rüde teilnahmslos durch das Zimmer wackelte, war ich mir plötzlich nicht mehr sicher, ob ich ihn überhaupt noch kaufen wollte. Ich bat um Bedenkzeit. Mein Vater hatte mich gelehrt, über wichtige Entscheidungen erst einmal eine Nacht zu schlafen. Wir vereinbarten einen Telefontermin für den nächsten Vormittag und ich bat, den Rüden bis dahin für mich zu reservieren. Der Hundebesitzer war sehr enttäuscht und vermochte dieses auch nicht zu verbergen.

„Was geschieht denn mit den anderen Welpen?“, fragte Werner.

„Die müssen jetzt weg“, meinte der Mann entschlossen. „Wir inserieren bereits seit Wochen