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Das Werk "Unter Buschniggern" ist ein Afrikaroman von Edgar Wallace. Richard Horatio Edgar Wallace (* 1. April 1875 in Greenwich, London; † 10. Februar 1932 in Hollywood, Kalifornien) war ein englischer Schriftsteller, Drehbuchautor, Regisseur, Journalist und Dramatiker. Wallace gehört zu den erfolgreichsten englischsprachigen Kriminalschriftstellern.
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Seitenzahl: 344
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Menschenkenner und Menschenfreund, Abenteurer und Praktiker, Selfmademan und Weltmann, Tatsachenmensch und Engländer – wenn man all diese Eigenschaften addiert und die Summe zieht, hat man Edgar Wallace vor sich, eine der interessantesten Persönlichkeiten des heutigen England. Als Mensch liebenswürdig und verständnisvoll, als Mann der Feder in seinen Detektivromanen fesselnd, in seinen afrikanischen Novellen lebendig und packend. Er ist augenblicklich der populärste und meistgelesene Schriftsteller Englands. Seine Biographie »Menschen« zeigt uns seinen schweren und mühevollen Aufstieg.
In der Nähe von Greenwich wird er als Findelkind entdeckt und im Alter von neun Tagen von einem Fischträger adoptiert, der in dürftigen Verhältnissen lebt. Als er heranwächst, macht der Charakter seiner Adoptivmutter großen Eindruck auf ihn. Er erzählt, daß sie die sanfteste Frau war, die jemals gelebt hat. »Schreiben konnte sie nicht, aber lesen. Meistens las sie laut die Mordgeschichten, die in den Sonntagsblättern standen. Dann sprachen wir über Verbrecher ...« Die Schule wird ihm zur Qual, und die Atmosphäre der anständigen Armen, in der er groß wird, macht ihn frühreif. Schon mit elf Jahren hat er einen Beruf: er verkauft Zeitungen in der City. Später hilft er in Buchdruckereien. Sehr bezeichnend für seinen unabhängigen Charakter ist es, daß er gegen seinen Arbeitgeber schon als zwölfjähriger Junge klagt, weil ihm unrechtmäßig Lohn abgezogen wird. Der Kleine tritt als sein eigener Anwalt vor dem Richter auf und gewinnt den Prozeß. Viel grübelt er über sich und seine Stellung zu den Menschen nach und lernt schon in früher Jugend zwei Dinge: »Niemals sich selber leid tun und niemals den Leuten bittere Wahrheiten sagen, wenn man nicht in der Lage ist, sie nieder zu schlagen.«
Das Haus seiner Eltern wird ihm zu eng. Als Koch und Kajütenjunge geht er auf ein Schiff, aber schon nach kurzer Zeit ist ihm dieses Leben verleidet, und er benutzt die erste Gelegenheit, nach Hause zurückzukehren. Aller Mittel bar, ist er gezwungen, sich seinen Lebensunterhalt zusammenzustehlen. So schlägt er sich mühsam wieder zu seinen Eltern durch. Dann wird er Milchjunge, aber anstatt die Milch auszutragen, liest er Schauergeschichten. Nach einem vergeblichen Versuch, im Maurerberuf unterzukommen, läßt er sich als Soldat anwerben. In seiner freien Zeit schreibt er Gedichte und Lieder, zunächst für sich.
Mit seiner Truppe kommt er nach Südafrika. Eine Dame wird auf seine Gedichte aufmerksam und führt ihn in die Gesellschaft ein ... Er macht mit Kipling und Mark Twain Bekanntschaft. Allmählich nimmt er zu den politischen Problemen und zu der Rassenfrage Stellung. Er schreibt für Zeitungen und ist ständig bedacht, seinen Stil zu bessern und zu vervollkommnen. Das Leben bringt ihn mit einflußreichen Schriftstellern und Politikern zusammen. Er nimmt seinen Abschied von der Truppe und wird Berichterstatter. In Kapstadt erscheint sein erstes Buch, »Die mißlungene Sendung«, ein Band Gedichte, die sich stark an Kipling anlehnen.
Inzwischen bricht der Burenkrieg aus, in dem er Berichterstatter großer englischer Zeitungen wird. Da er die strenge Zensur des Oberkommandierenden Kitchener durchbricht, kommt er in große Schwierigkeiten. Die nächsten Jahre bringen ihm einen Erfolg – er wird Chefredakteur des Johannisburger »Rand Daily Mail«, die heute eins der größten Blätter Südafrikas ist. Diese Periode in Johannisburg bezeichnet Wallace selbst als »die großartigste Zeit seines Lebens«. Er ist Schriftleiter eines vielversprechenden Blattes, hat ein Gehalt von zweitausend Pfund Sterling und kommt mit vielen bedeutenden Menschen zusammen. Dann erfaßt auch ihn die Spekulationspsychose, mühelos gewinnt er große Vermögen, verliert wieder alles, seine Stellung bricht zusammen, und er kehrt bettelarm nach London zurück. Northcliffe gibt ihm neue Anstellung.
In den großen Gerichtshöfen Londons bereichert er als Berichterstatter kriminalistischer Sensationsprozesse seine Menschenkenntnis. Als Journalist macht er große Reisen, kommt nach Kanada, nach Madrid, nach Marokko. Nicht befriedigt von seinem Beruf, gründet er, da kein Verleger seine Schriften herausgeben will, einen Selbstverlag, um seine Werke zu veröffentlichen. Er will sich »einen Ruf als Erzähler schaffen, und wenn er dabei Bankerott machen soll«. Und er macht Bankerott. Northcliffe hilft ihm wieder. Während des Weltkrieges ist er Militärberichterstatter für die »Birmingham Post«: Schließlich gelingt es ihm, sich als Berichterstatter durchzusetzen und als freier Mann seinen eigenen Plänen und Ideen zu leben.
Wallace ist ein Schriftsteller von außerordentlicher Fruchtbarkeit. Er schrieb hauptsächlich Detektivromane, aber seine afrikanischen Novellen besitzen größeren literarischen Wert. Er selbst schreibt über ihre Entstehung: »Als ich die Küste (die Westküste Afrikas) auf und ab fuhr, ehe ich das Kongogebiet betrat, sprach ich mit Beamten und erfuhr von ihnen die Sagen über die alten Kolonialbeamten: Von jenem Beamten, der in Grand Bassam drei Missetäter mit eigener Hand aufhängte, von sonderbaren und unheimlichen Palavern, die im Busch gehalten wurden; von Zauberdoktoren, Ju-jus und Fetischen; von Liberia und seinen englisch sprechenden Negern; von dem sonderbaren Sklavenvolk von Angola, das noch für eine Flasche Kunstrum gekauft und verkauft wird. In der Tat – ich heimste eine Unmenge von Wissen und Erfahrungen ein, die ich niemals aufbrauchen werde.«
Wallace hat mehrere Bände afrikanischer Novellen veröffentlicht. In diese Reihe gehört auch der vorliegende Band. Die packenden kleinen Geschichten sind dem Leben abgelauscht und ranken sich um bestimmte Typen. Sanders, Hamilton, Bones, Bosambo waren und sind lebende Menschen. Die afrikanischen Novellen zeichnen sich besonders durch einen eigenartig trockenen, aber köstlichen Humor aus und sind packend und spannend geschrieben. Wallace macht aus Taten keine Heldentaten, aus tapferen, pflichtbewußten Menschen keine Übermenschen. Jeder Überschwang liegt ihm fern. Knapp, fast sparsam geht er mit den Worten um, und deshalb sind sie gewichtig und gehaltvoll. Seine meisterhafte Erzählungskunst gibt ein unübertreffliches Bild des äquatorialen Westafrika; Der Leser hat neben der reizvollen Lektüre noch den Gewinn, ein Stück interessanter Kultur- und Kolonialgeschichte kennenzulernen.
Ravi Ravendro.
Der Bezirksamtmann Sanders war in so leichten Etappen zu seiner Stellung in Zentral-Westafrika emporgeklommen, daß er sich nicht mehr gut vorstellen konnte, wann, eigentlich seine Bekanntschaft mit dem Hinterlande begonnen hatte. Das war lange vor dem Zeitpunkt gewesen, als die britische Regierung Sanders beauftragte, ein wachsames Auge auf ein etwa eine viertel Million starkes Kannibalenvolk zu haben, das noch zehn Jahre zuvor den Weißen ungefähr so angesehen hätte wie wir das Einhorn. Sanders war mit den Basutos, den Zulus, den Fingos, den M'Pondos, mit den Matabele, den Mashonas, den Barotse und mit den Hottentotten zusammengetroffen. Dann trieben ihn Neugier und wirkliches Interesse west- und nordwärts, wo er auf das Angolavolk stieß; später trieb es ihn zum Kongo, dann zu den Massais, und schließlich kam er auf dem Umwege über das Pygmäenvolk in seinen jetzigen Bezirk.
Zwischen allen diesen Stämmen gibt es feine Unterschiede, Unterschiede, die nur Leute vom Schlage Sanders' kennen. Natürlich ist damit nicht der Unterschied in der Farbe gemeint, obwohl die einen braun und andere gelb sind und einige sehr wenige pechschwarz.
Der Unterschied, der hier gemeint ist, liegt im Charakter. Nach Sanders' Überzeugung konnte man allen Eingeborenen – mit einigen wenigen bemerkenswerten Ausnahmen – bis zu demselben Punkte trauen, wie man Kindern traut. Die Zulus waren ganze Kerle, die Basutos ebenfalls, und dennoch waren sie kindergleich, in ihrem ernsten Vertrauen. Die. Schwarzen, die den Fes trugen, waren gerissen, jedoch zuverlässig. Aber die bräunlichen Schlingel von der Goldküste, die englisch sprachen, europäische Kleider trugen und einander mit »Herr« anredeten, waren Sanders ein Greuel.
Man hätte von Sanders sagen können, er sei ein Staatsmann. Das soll heißen, daß er keine übertriebene Vorstellung vom Werte eines Menschenlebens hatte.
Wenn er ein abgestorbenes Blatt am Baume der Zivilisation bemerkte, dann riß er es ab; oder wenn er ein Unkraut zwischen seinen »Blumen« wuchern sah, dann riß er es, aus, unbekümmert darum, daß auch das Unkraut ein Recht aufs Dasein hat.
Wenn ein Mann, gleichgültig ob Häuptling oder Sklave, durch sein schlechtes Beispiel den Frieden des Bezirks störte, dann kam Sanders über ihn. In jenen Tagen, die ihrer Wiedergeburt vorausgingen, nannten die Isisis Sanders den »kleinen Würgvogel«; und gewiß war Sanders zu jener Zeit schnell mit dem Aufhängen. Er regierte ein Volk dreihundert englische Meilen jenseit des Randes der Zivilisation. Zögern im Handeln, Aufschub von Bestrafung, jedes dieser beiden wäre irrtümlich für Schwäche gehalten worden von einem Volke, dem weder die Kraft, richtig zu urteilen, noch der Wille, zu verzeihen, noch irgendwelche Duldsamkeit innewohnte.
In dem Lande, das sich an den Grenzen von Togo entlangschlängelt, versteht das Volk unter Bestrafung Schmerzen und Tod, etwas anderes zählt bei ihm nicht.
Da wirkte einst ein naiver Bezirksamtmann, der vom Humanitätsdusel besessen war;, er ging nach Akasava – das ist der Name des Landes – und versuchte dort oben moralische Überredung.
Es handelte sich um einen Raubzug. Akasavaleute waren über den Fluß gewechselt und hatten den Ochoris Weiber und Ziegen gestohlen; ich glaube, ein Mann oder zwei waren auch getötet worden, doch das ist ohne Bedeutung. Aber die Ziegen und die Weiber waren am Leben und schrien laut nach Rache. Sie schrien so laut, daß es unten am Hauptsitz des Gouvernements gehört wurde, und Herr Hübschmann – das ist zwar nicht sein richtiger Name, aber er genügt – ging hinauf, um festzustellen, worüber man lärmte. Er fand das Ochorivolk sehr aufgebracht, aber noch mehr verängstigt.
»Wenn sie, uns unsere Ziegen zurückgeben«, meinte ihr Sprecher, »mögen sie die Weiber behalten, denn die Ziegen sind sehr wertvoll.«
Der Bezirksamtmann Hübschmann hatte also ein langes, ein sehr langes Palaver mit dem Akasavahäuptling und dessen Ratgebern, das Tage und Tage dauerte, und in dem schließlich moralische Überredung triumphierte, denn der Häuptling versprach, an einem bestimmten Tage und zu einer bestimmten Stunde, wenn der Mond in einem bestimmten Viertel stände und die Flut eine gewisse Höhe erreicht hätte, die Weiber sowohl wie die Ziegen zurückzugeben.
Überströmend von Bewunderung für sich selbst, kehrte. Herr Hübschmann zum Sitze des Gouverneurs zurück und schrieb einen langen Bericht über sein Genie, seine Verwaltungsfähigkeiten und seine Kenntnis, der; Eingeborenenpsyche, einen Bericht, der später in einem Blaubuch (Afrika 7943–96) veröffentlicht wurde.
Unmittelbar danach ging Herr Hübschmann auf Urlaub nach England, so daß er die Klagen und das Wehgeheul des Ochorivolkes nickt hörte, als es seine Weiber und seine Ziegen nicht zurückerhielt.
Sanders, der mit zehn Haussasoldaten und einem Malariaanfall um den Isisifluß herum zu tun hatte, erhielt die Heliographenbotschaft:
»Gehen Sie nach Akasava und erledigen Sie das verdammte Weiberpalaver.
Gouvernement.«
Sanders gürtete also seine Hüften, nahm fünfundzwanzig Gran Chinin, verließ sein schönes Stück Arbeit – er war hinter M'Beli, dem. Zauberdoktor, her, der seinen Freund vergiftet, hatte – und zog quer durch den Busch nach Akasava.
Im Laufe der Zeit kam er dort an und wurde vom Häuptling empfangen.
»Nun, wie steht's mit den Weibern?« fragte er diesen.
»Wir wollen ein Palaver halten«, antwortete der Häuptling. »Ich werde meine Ältesten und Räte zusammenrufen lassen.«
»Nichts rufen lassen!« schnitt Sanders ab. »Schick' die Weiber und Ziegen zurück, die du den Ochoris gestohlen hast!«
»Herr«, sagte der Häuptling, »bei Vollmond; wie es unsere Sitte, ist, wenn die Flut diesen und diesen Stand hat und alle Zeichen der Götter und Dämonen günstig sind, werde ich tun, wie du befiehlst.«
»Häuptling!« – Sanders tippte mit dem dünnen Ende seines Spazierstockes auf die Ebenholzbrust des anderen – »Mond und Flut, Götter oder Teufel, diese Weiber und Ziegen gehen bei Sonnenuntergang zu den Ochoris zurück, oder ich laß dich an einen Baum binden und dir Hiebe geben, bis du blutest.«
»Massa, die Weiber werden zurückgehen.«
»Und die Ziegen?«
»Was die Ziegen anbelangt«, meinte der Häuptling heiter, »die sind tot, die wurden für ein Fest geschlachtet.«
»Dann wirst du sie wieder lebendig machen!«
»Herr, glaubst du, daß ich ein Zauberer bin?«
»Ich glaube, daß du ein Lügner bist«, meinte Sanders offen, und damit endete das Palaver.
In dieser Nacht gingen Ziegen und Weiber zu den Ochoris zurück, und Sanders machte sich fertig zum Abmarsch.
Er nahm den Häuptling beiseite, da er ihn nicht demütigen oder seine Autorität schwächen wollte: »Häuptling, es ist eine lange Reise nach Akasava, und meiner warten viele Aufgaben. Ich wünsche, daß du mir nicht Grund gibst, noch einmal hierherzukommen.«
»Herr«, sagte der Häuptling der Wahrheit gemäß, »ich wünsche dich nie wiederzusehen.« und ging zum Isisi zurück, um M'Beli aufzustöbern.
Das war aus vielen Gründen keine hübsche Streife, und es lag nahe, anzunehmen, daß der Häuptling von Isisi selber der Beschützer des Mörders sei. Eine Bestätigung dieser Ansicht kam eines Morgens, als Sanders am Fluß lagerte, und sein Frühstück in Gestalt von Dosenmilch und Toast zu sich nahm. Sato Koto, der Bruder des Häuptlings, kam in trauriger Gemütsverfassung angelaufen, weil er des Häuptlings Zorn zu fürchten hatte. Er stammelte vielerlei Neuigkeiten, an denen Sanders kein Interesse hatte. Aber was er von dem Zauberdoktor sagte, der »im Schatten des Häuptlings lebe«, war in der Tat von Interesse, und Sanders sandte sofort einen Boten, zum Gouvernement. Das Gouvernement schickte im Laufe der Zeit den inzwischen vom Urlaub zurückgekehrten Mister Hübschmann ab, um den Häuptling von Isisi »moralisch« zu überreden.
Nach den Beweisen, die man auftreiben konnte, ist es augenscheinlich, daß der Häuptling sich nicht in weicher Gemütsverfassung befand, denn es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß Mister Hübschmanns armer Kopf, auf einer Stange vor des Häuptlings Hütte aufgesteckt, dessen hochgehende Gemütswogen verkündete.
Seiner Majestät Schiff »St. George«, S. M. S. »Drossel«, S. M. S, »Nachtigall«, S. M. S. »Phöbe« kamen von Simonstown, und S. M. S. »Zwerg« nahte in fliegender Fahrt von Sierra Leone, und in weniger als einem Monat, nachdem der Häuptling seinen Gast ermordet hatte, wünschte er, er hätte es nicht getan.
Das Hauptquartier sandte Sanders hinauf, um die politische Seite dieses Schlamassels in Ordnung zu bringen.
Der Flaggenleutnant von »St. George« führte Sanders in den Trümmern herum, die von des Häuptlings Ortschaft übriggeblieben waren.
»Ich fürchte«, sagte dieser Herr entschuldigend, »ich furchte, Sie werden einen neuen König auszugraben haben, den alten haben wir nämlich um die Ecke gebracht.«
Sanders nickte: »Ich werde deshalb nicht trauern.«
Kandidaten für den freien Posten waren nicht schwierig zu finden. Sato Koto, des toten Königs Bruder, drückte seine Bereitwilligkeit, die Sorgen des Amtes zu übernehmen, mit empfehlenswerter Schnelligkeit aus.
»Was sagen Sie dazu?« fragte der Admiral, der die Expedition befehligte.
»Ich sage nein«, antwortete Sanders ohne Zögern. »Der Häuptling hat einen Sohn, einen neunjährigen Jungen; die Häuptlingsschaft muß ihm gehören. Was Sato Koto anbetrifft, der mag meinetwegen Regent sein.«
Und so geschah es; Sato Koto gab mürrisch seine Zustimmung.
Man fand den neuen Häuptling im Busch verborgen bei den Weibern; er versuchte auszureißen, aber Sanders fing ihn und führte ihn an den Ohren nach der Ortschaft zurück.
»Mein Junge«, sagte er freundlich. »Wie heißt du?«
»Peter, Massa, nach der Manier der Weißen«, wimmerte der sich windende Bursche.
»Gut«, meinte Sanders. »Du sollst Häuptling sein, Peter, und sollst dein Land weise und gerecht regieren nach Gesetz und Sitte. Und du sollst keinem wehe tun, über keinen Schande bringen, noch sollst du morden oder rauben, noch irgendeines von jenen Dingen tun, die das Leben lebenswert machen, und wenn du nicht willst, dann gnade dir Gott.«
So wurde Häuptling Peter eingesetzt als Herrscher über das Isisivolk, und Sanders marschierte zum Gouvernement zurück mit seiner kleinen Armee Blaujacken und Haussasoldaten.
Die Geschichte von der Einnahme der Isisiortschaft und von der Krönung des jungen »Königs« wurde in den Londoner Zeitungen gebracht und verlor nichts an Romantik durch das Erzählen. Sie wurde so von den Berichterstattern, die die Expedition begleiteten, ausgeschlachtet, daß viele alte Damen von Bayswater weinten und viele junge Damen von Mayfair sagten: »Wie süß!« Und das Endresultat der vielen Gemütsbewegungen, die diese Beschreibung entfesselte, war, daß man Fräulein Clinton Calbraith aus England herübersandte, die Künstlerin und unverantwortlich hübsch war.
Sie kam herüber, um den verwaisten Häuptling zu »bemuttern«, und um dessen Führer und Freund zu sein. Sie bezahlte ihre Überfahrt selbst, aber die Bücher, die sie mit herüberbrachte, und die Unterrichtsgegenstände, die zwei große Frachtkisten füllten, waren von den zarten Leserinnen des »Winzigen Schelmes«, einer Zeitschrift für kleine Kinder, gestiftet.
Sanders empfing sie an dem kleinen Landungssteg, neugierig, wie eine weiße Frau wohl aussah.
Er stellte ihr ein Eingeborenenhaus zur Verfügung und schickte das Weib seines schwarzen Strandwächters zu ihrer Bedienung.
»Und was gedenken Sie nun mit Peter anzufangen, Miß Calbraith?« fragte er beim Abendessen.
Nachdenklich schob sie ihr hübsches Kinn vor.
»Wir werden mit den allereinfachsten Lektionen beginnen – dem richtigen Kindergarten – und nach und nach weitergehen. Ich werde ihm rhythmische Gymnastik beibringen, ein wenig Botanik – Sie lachen, Mr. Sanders?«
»Nein, ich lachte nicht«, versicherte er. »Ich mache immer so ein Gesicht – um, die Abendzeit. Aber sagen Sie mir – sprechen Sie die Eingeborenensprache ... Suaheli, Bomongo, Fingi?«
»Das wird schwierig sein«, sagte sie nachdenklich.
»Wollen Sie meinen Rat annehmen?«
»Aber natürlich!«
»Nun, lernen Sie die Sprache!«
Sie nickte.
»Gehen Sie nach Hause und lernen Sie sie!«
Sie runzelte die Stirn.
»Es wird Sie ungefähr fünfundzwanzig Jahre in Anspruch nehmen.«
»Mr. Sanders«, sagte sie nicht ohne Würde. »Sie uzen ... Sie treiben Scherz mit mir.«
»Der Himmel verhüte, daß ich etwas so Gottloses tue«, sagte Sanders fromm.
Das Ende der Geschichte war, soweit sie Miß Clinton Calbraith betraf, daß diese nach Isisi ging sich dort drei Tage aufhielt und völlig, aufgelöst zurückkam.
»Er ist kein Kind!« rief sie heftig. »Er ist ein kleiner Satan.«
»Das gebe ich zu«, meinte Sanders mit philosophischer Ruhe.
»Ein König! Schändlich! Er lebt in einer Lehmhütte und trägt keine Kleider! Wenn ich das gewußt hätte!«
»Ein Naturkind«, sagte Sanders sanft. »Sie haben doch nicht etwa eine Art Ludwig den Fünfzehnten erwartet, oder doch?«
»Ich weiß nicht, was ich erwartete«, sagte sie verzweifelt. »Aber es war unmöglich zu bleiben – ganz unmöglich!«
»Augenscheinlich«, murmelte Sanders.
»Natürlich wußte ich, daß er schwarz sein würde«, fuhr sie fort. »Und ich wußte, daß ... Oh, es war zu gräßlich!«
»Tatsache ist also, mein liebes junges Fräulein, Peter war nicht so malerisch, wie Sie sieh ihn vorgestellt hatten; er war nicht das sanfte Kind mit flehenden Augen; und er lebt schmutzig – stimmt's?«
Das war nicht der einzige Versuch, Peter zu erziehen. Monate später, als Fräulein Calbraith nach Haus gezogen und eifrig dabei war, ihr berühmtes Buch: »Allein in Afrika, von einer englischen Dame«, zu schreiben, hörte Sanders von einem anderen erzieherischen Überfall. Zwei Mitglieder der äthiopischen Mission kamen nach Isisi durch die Hintertür. Die äthiopische Mission besteht aus Schwarzen, die, wie sich's gehört, ihren Glauben auf die Heilige Schrift stützend, das Evangelium der Gleichheit predigen. Ein schwarzer Mann ist so gut wie ein weißer an irgendeinem Wochentage und unendlich besser am Sonntag, wenn er ein Glied der reformierten äthiopischen Kirche ist.
Sie kamen nach Isisi und erlangten augenblicklich Volkstümlichkeit, denn die Art Geschwätz war sehr nach dem Geschmack Sato Kotos und dem von des Häuptlings Ratgebern.
Sanders sandte nach den Führern. Der ersten Aufforderung, zu kommen, weigerten sie sich zu gehorchen. Aber sie kamen auf die zweite, denn die Botschaft, die Sanders ihnen schickte, war kurz und bestimmt und unheildrohend zugleich.
Sie kamen zum Gouvernement, zwei zivilisierte amerikanische Neger von gutem Benehmen und gewählter Sprache. Sie sprachen ein tadelloses Englisch und waren in jedem Sinne vollkommene Gentlemen.
»Wir verstehen den Tenor Ihres Befehls nicht«, sagte der eine. »Er riecht stark nach Beschneidung der persönlichen Freiheit.«
»Sie werden mich besser verstehen«, meinte Sanders, der seine Pappenheimer kannte, »wenn ich Ihnen sage, daß ich Ihnen nicht erlauben kann, in meinem Bezirk Aufruhr zu predigen.«
»Aufruhr, Mr. Sanders?« antwortete der Neger in verletztem Tone. »Das ist eine schwere Anklage!«
Sanders nahm ein Papier aus dem Fache seines Pultes; das Gespräch fand in seinem Amtszimmer statt: »An diesem Tage sagten Sie folgendes und dieses und jenes.«
Mit andern Worten, er beschuldigte sie, ihr Glaubensbekenntnis von der Gleichheit überschritten und sich einen Einfall in das Grenzland politischer Wühlerei angemaßt zu haben.
»Lügen«, sagte der ältere der beiden ohne Zögern.
»Wahrheit oder Lüge, Sie gehen nicht mehr nach Isisi!«
»Wollen Sie, daß die Heiden in der Finsternis bleiben?« fragte der Mann vorwurfsvoll. »Ist das Licht, das wir verbreiten, zu hell, Herr?«
»Nein, aber eine Kleinigkeit zu warm.«
So beging Sanders den schändlichen Übergriff, die Äthiopier von dem Schauplatz ihrer ernsten Arbeit zu entfernen, weshalb Fragen im Parlament gestellt wurden.
Dann nahm sich der Häuptling der Akasava – ein alter Freund – der Erziehung des Häuptlings Peter an. Akasava grenzte an Peters Land, und der Häuptling kam, um Winke in kriegerischen Angelegenheiten zu geben.
Er kam mit Trommellärm, mit Geschenken an Fischen, Bananen und Salz.
»Du bist ein großer König!« sagte er zu dem schlafmützig aussehenden Jungen, der auf einem Prunkstuhl saß und ihn offenen Mundes betrachtete. »Wenn du gehst, dann zittert die Welt unter deinem Schritt. Der mächtige Strom, der hinunter zu dem Großen Wasser läuft, teilt sich auf dein Wort, die Bäume des Waldes zittern, und die wilden Tiere schleichen sich in ihre Höhlen, wenn deine Hoheit auf Reisen geht.«
»Oh, ko, ko!« kicherte der junge Häuptling, angenehm gekitzelt.
»Die Weißen fürchten dich«, fuhr der Häuptling der Akasavas fort. »Sie zittern und verbergen sich bei deinem Schlachtruf.«
Sato Koto, der an der Häuptlings Seite stand, war ein praktischer Mann.
»Was suchst du, Häuptling?« fragte er, indem er die Schmeicheleien abschnitt.
Da erzählte ihm der Häuptling von einem Lande, das, mit Feiglingen bevölkert, reich war an Schätzen der Erde, an Ziegen und Weibern.
»Warum holst du dir sie nicht selbst?« fragte der Regent.
»Weil ich ein Sklave bin«, entgegnete der Häuptling. »Der Sklave dieses Sanders, der mich prügeln würde. Aber du, Herr, du gehörst zu den Großen! Da du des Königs Minister bist, würde Sandi es, nicht wagen, dich zu schlagen, um deiner Größe willen.«
Darauf folgte ein Palaver, das zwei Tage dauerte.
»Ich werde mit Peter etwas tun müssen«, schrieb Sanders verzweifelt an den Gouverneur. »Der kleine Lümmel ist auf dem Kriegspfade gegen die unglücklichen Ochoris begriffen. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir hundert Soldaten schickten, ein Schnellfeuergeschütz und ein Bündel Rohrstöcke. Ich fürchte, ich muß Peters Erziehung selber in die Hand nehmen.«
*
»Herr, sprach ich nicht die Wahrheit?« sagte der Akasavahäuptling triumphierend. »Sandi hat nichts unternommen! Siehe, wir haben die Hauptstadt der Ochoris verwüstet und ihre Schätze geraubt, und der Weiße ist verstummt vor deiner Größe. Laß uns warten, bis der Mond wieder scheint, und ich will dir eine andere große Stadt zeigen.«
»Du bist ein großer Mann«, blökte der junge Häuptling, »und eines Tages sollst du dein Haus in den Schatten meines Königshauses bauen.«
»An diesem Tage«, antwortete der Akasavahäuptling mit rührender Ergebung, »werde ich vor Freude sterben.«
Als der Mond zugenommen und abgenommen hätte und wiedergekommen war wie ein gezeichneter silberner Lichtreif am östlichen Himmel, hatten sich die Isisikrieger versammelt, bewehrt mit Speer und breitklingigem Schwert, mit Ingolafarbe die Leiber bemalt, und mit Lehm im Haar.
Sie tanzten ihren großen Tanz beim Schein eines riesigen Feuers: alle Weiber standen um sie herum und klatschten im Rhythmus mit den Händen.
Mitten dabei waren sie, als ein Bote in seinem Kanu ankam, sich vor dem jungen Häuptling auf die Erde warf und sagte:
»Herr, Sandi ist einen Tagemarsch von hier. Er hat fünfzig Soldaten mit sich und das Messinggewehr, das spricht: Ha, ha, ha, ha, ha!«
Schweigen regierte im höfischen Kreise, das von der Stimme des Akasavahäuptlings unterbrochen wurde.
»Ich denke, ich mache, daß ich nach Hause komme. Ich habe so'n Gefühl von Krankheit; außerdem ist's auch die Zeit, wo meine Ziegen werfen.«
»Hab' doch keine Angst«, sagte Sato Koto brutal. »Des Königs Schatten ist über dir, und er ist so mächtig, daß die Erde bei seinem Schritt zittert und die Wasser des Großen Stromes sich teilen, wenn sie seinen Tritt hören, und der Weiße fürchtet ihn auch.«
»Trotzdem«, sagte der Akasavahäuptling etwas aufgeregt. »Ich muß gehen, denn mein jüngster Sohn ist fieberkrank und ruft die ganze Zeit nach mir.«
»Hiergeblieben!« Der Ton des Regenten erlaubte kein Mißverstehen. Sanders kam weder am nächsten Tage noch am übernächsten. Er bewegte sich langsam, da er eine Gegend durchquerte, wo es viele Mißverständnisse aufzuklären gab. Bei seiner Ankunft sandte er einen Boten voraus, der sein Eintreffen ankündigte; er fand den Ort in friedlicher Geschäftigkeit, die Weiber beim Kornmahlen, die Männer rauchend, während kleine Kinder auf der Straße spielten und sich herumwälzten.
Sanders machte an der äußeren Umfriedung der Stadt auf einem kleinen Hügel halt, von dem aus man die Hauptstraße übersah, und schickte nach dem Regenten.
»Warum muß ich nach dir schicken?« fragte er. »Warum bleibt der Häuptling in der Stadt, wenn ich komme? Das ist eine Schande!« »Herr«, meinte Sato Koto, »es gehört sich nicht, daß ein so großer König sich so demütigt.«
Sanders war es weder zum Lachen, noch war er ärgerlich. Er hatte es mit einem aufsässigen Volke zu tun, und sein eigenes feines Empfinden war belanglos, wo der Frieden des Landes in Frage kam.
»Mir scheint, der Häuptling hat schlechte Ratgeber gehabt«, sagte er laut vor sich hin, und Sato Koto wand sich vor Verlegenheit.
»Geh jetzt zum Häuptling und sage ihm, er solle kommen – denn ich sei sein Freund.«
Der Regent ging, kam aber ohne den Häuptling wieder.
»Herr, er will nicht kommen«, sagte er finster.
»Dann werde ich zu ihm gehen.«
»Wozu?« fragte Sato Koto.
»Das wirst du sehen.«
König Peter saß vor seiner Hütte und grüßte den Bezirksamtmann mit niedergeschlagenen Augen.
Sanders' Soldaten schlössen einen Halbkreis um die Hütte und hielten das Volk zurück.
»Häuptling«, sagte Sanders – er trug in seiner Hand einen Rohrstock von bekanntem Aussehen, und als er sprach, fuchtelte er damit in der Luft herum, daß es einen summenden Laut gab –, »steh auf!«
Der Häuptling erhob sich widerwillig. Sanders packte ihn beim Kragen.
Sssst!
Der Rohrstock biß ihn höchst unwünschenswert, und er sprang mit einem gellenden Schrei in die Höhe.
Sssst, Sssst, Sssst!
Heulend und tanzend, wild seihe Hände bald hier, bald dahin ausstreckend, um die Hiebe abzuwehren, stammelte König Peter um Erbarmen.
»Herr!« Sato Koto, das Gesicht entstellt vor Wut, langte nach seinem Speer.
»Erschießt den Kerl, wenn er sieh dreinmischt!« rief Sanders, ohne den Häuptling loszulassen.
Der Regent sah die schußfertigen Büchsen und trat hastig zurück.
»Nun«, sagte Sanders, indem er den Stock fortwarf, »wollen wir ein kleines Stück aufführen.«
»Wau, wau, oh-ko!« stotterte Seine Majestät weinerlich.
»Ich gehe zum Busch zurück«, sagte Sanders, »Nach einer kleinen Weile wird ein Bote zu dir kommen und dir sagen, daß der Bezirksamtmann auf dem Wege zu dir ist. Hast du verstanden?«
»Yi-hi«, stotterte der Häuptling.
»Dann wirst du mit deinen Ratgebern und Ältesten vor die Stadt gehen und meine Ankunft erwarten, wie das Sitte ist. Ist dir das klar?«
»Ja-aa, Herr!« wimmerte der Junge.
»Gut!« Sanders zog seine Leute zurück.
Nach einer halben Stunde kam ein feierlich aussehender Bote zum Häuptling, und der ganze Hofstaat ging zu dem kleinen Hügel, um den Weißen zu bewillkommnen.
Diese war der Anfang von König Peters Erziehung, denn so wurde ihm Gehorsam beigebracht.
Sanders schlug sein Lager in der Isisistadt auf und hielt Gericht.
»Sato Koto«, sagte er am zweiten Tage zu diesem, »kennst du das Dorf Ikan?«
»Ja, Herr, es liegt zwei Tagereisen entfernt im Busch.«
Sanders nickte. »Du wirst deine Weiber, deine Kinder, deine Diener und deine Habseligkeiten nach Ikan bringen und dort bleiben, bis ich dir Erlaubnis gebe, hierher zurückzukehren. Das Palaver ist aus.«
Am nächsten Tage kam der Akasavahäuptling an, sehr beunruhigt.
»Herr, wenn irgendeiner sagt, ich hätte dir Unrecht getan, dann lügt er.«
»Dann bin ich ein Lügner!« entgegnete Sanders. »Denn ich sage, daß du ein Bösewicht bist, der voll von Schlechtigkeiten steckt.«
»Wenn es so sein sollte«, sagte der Häuptling, »daß du mir befiehlst, nach meinem Dorfe zurückzugehen, wie du das Sato Koto befohlen hast, dann werde ich gehen, da der, der mein Vater ist, nicht zufrieden mit mir ist.«
»Das befehle ich«, entgegnete Sanders. »Außerdem zwanzig Hiebe für das Wohl deiner Seele. Überdies denke daran, daß unten am großen Fluß, bei Tembeli ein Ort ist, wo die Menschen in Ketten arbeiten, weil sie dem Gouvernement untreu waren und Greuel begingen.«
So ging der Häuptling von Akasava seiner Strafe entgegen.
Da waren noch andere Angelegenheiten, dir richtiggestellt werden mußten, aber diese hatten nur nebensächliche Bedeutung, und als alle diese zur Zufriedenheit Sanders', wenn auch durchaus nicht zur Zufriedenheit seiner Untertanen geregelt waren, wandte der Bezirksamtmann seine Aufmerksamkeit von neuem der Erziehung des Häuptlings zu.
»Peter«, sagte er, »morgen bei Sonnenaufgang werde ich nach meinem Ort zurückmarschieren und dich ohne Ratgeber lassen.«
»Herr, wie kann ich ohne Ratgeber«« auskommen, da ich doch nur ein Junge bin«, fragte der Häuptling niedergeschlagen und reuig.
»Indem du zu dir selber sagst, wenn ein Mann nach Gerechtigkeit schreit: ›Wenn ich dieser Mann wäre, wie würde ich wünschen, daß des Königs Gerechtigkeit aussieht?‹«
Der Junge sah unglücklich aus.
»Ich bin sehr jung«, wiederholte er, »und heute kommen von den umliegenden Dörfern viele, die Hilfe gegen ihre Widersacher suchen.«
»Nun gut«, sagte Sanders, »heute will ich zur Rechten des Häuptlings sitzen und von seiner Weisheit lernen.«
Der Junge stand vor Verlegenheit auf einem Bein und sah seitwärts nach Sanders hin.
Da ist ein kleiner Hügel hinter der Stadt. Ein ausgetretener Fußweg führt zu ihm hinauf, und oben befindet sich eine mit Strohdach gedeckte Hütte ohne Seitenwände. Von diesem Hügel sieht man den breiten Fluß mit seinen Sandbänken, wo die Krokodile mit offenem Rachen schlafen; man sieht, wie sich das Land nach Akasava zu erhebt, wie die Hügel einer über den anderen klettern, bedeckt mit einer, Wirrnis von grellem Grün. In diesem Hause hält der Häuptling Gericht und fordert die Streitenden auf, vorzutreten. Sato Koto war gewöhnt, neben dem Häuptling zu stehen und mit dem Recht Schacher zu treiben.
Heute machte sich Sato Koto reisefertig, und Sanders saß an des Häuptlings Seite.
Da waren in der Tat viele Streitende.
Da war ein Mann, der ein Weib gekauft hatte; der hatte nicht weniger als tausend Messingstangen und zwei Säcke Salz für sie gegeben. Er hatte gerade zwei Monate mit ihr gelebt, als sie sein Haus verließ.
»Weil sie einen Schatz hatte«, sagte der Mann mit philosophischer Ruhe. »Daher, mächtige Sonne der Weisheit, muß ich meine Messingstangen und mein Salz wiederhaben.«
»Was meinst du?« fragte Sanders.
Der Häuptling kicherte verlegen.
»Was sagt der Vater?« fragte er darauf zögernd, wozu Sanders nickte.
»Das ist eine weise Frage«, sagte er zustimmend und rief den Vater, einen geschwätzigen, hitzigen alten Mann.
»Nun, König«, sagte dieser eifrig, »ich verkaufte dieses Weib, das meine Tochter ist. Wie soll ich ihre Absicht kennen? Sicher erfüllte ich meinen Vertrag, wenn das Weib zu dem Manne geht. Wie soll der Vater beaufsichtigen, wo der eigne Mann versagt?«
Sanders sah den Häuptling an, und der Junge holte tief Atem.
»Es ist doch so«, begann er, »M'bleni, das Weib, deine Tochter, hat viele Jahre in deiner Hütte gelebt; und wenn du ihr Wesen nicht kennst, dann bist du entweder ein großer Narr, oder sie ist ein ränkevolles Geschöpf. Deshalb urteile ich, daß du dieses Weib verkauft hast, obwohl du ihre Fehler kanntest. Aber auch der Ehemann muß etwas auf sich nehmen. Du nimmst deine Tochter zurück und gibst fünfhundert Messingstangen und einen Sack Salz zurück, und sollte deine Tochter wieder heiraten, dann mußt du die Hälfte ihrer Mitgift an diesen Mann bezahlen.«
Sehr, sehr langsam nur gab er sein Urteil ab, zögernd, ängstlich; und ab und zu flog sein Blick fragend zu dem Weißen hinüber, ob dieser sein Urteil billigte.
»Das war gut«, sagte Sanders und rief einen anderen Kläger auf.
»Herr und König«, begann der neue Kläger, »ein Mann hat mich und meine Familie unter seinen bösen Zauber gestellt, so daß sie alle kränkeln.«
Hier war eine Nuß zu knacken für den kleinen Häuptling, und da Sanders ihm nicht beisprang, entwirrte er den Knoten schweigend für sich.
»Auf welche Weise hat er dich verflucht?« fragte der Häuptling schließlich.
»Mit dem Bann des« Todes«, sagte der Kläger mit gedämpfter Stimme.
»Dann sollst du, ihn ebenso verfluchen«, antwortete der König, »und es wird darauf ankommen, wessen Bann der stärkere ist.«
Sanders verbarg ein Grinsen hinter seiner Hand, und der Häuptling, der es bemerkte, lächelte ebenfalls. –
Von hier an machte Peter schnelle Fortschritte, und von Zeit zu Zeit drangen Geschichten zum Gouvernement von einem jungen Häuptling, der ein Salomon im Urteilen war.
So weise war er – wer wüßte das Rezept, das er in allen Fällen anwandte? –, so wohltätig, so friedfertig, daß der Häuptling der Akasavas, der in Zeitabständen Tribut zu zahlen hatte, dieses milde Regiment mißbrauchte und weder Mais noch Fisch noch Korn sandte.
Er tat das nach einer Reise nach dem fernen Ikan, wo er mit des Häuptlings Onkel, Sato Koto, zusammentraf und mit diesem gemeinsames Handeln verabredete.
Da die Ernte gut war, ging Häuptling Peter über diese erste Unterlassung hinweg. Aber der zweite Tribut war fällig, und weder Akasava noch Ikan sandte welchen, und die Isisileute, ärgerlich über diese Unverschämtheit, murrten, und der kleine Häuptling saß in der Einsamkeit seiner Hütte, um über ein Vorgehen nachzudenken, das gerecht und wirksam war.
*
»Ich bedaure wirklich, Ihnen ungelegen zu kommen«, schrieb Sanders an den Gouverneur, »aber ich werde mir Ihre Haussasoldaten ausbitten müssen für einen Zug nach Isisi. Da ist eine Tributstreitigkeit gewesen, und Peter ist nach Ikan gezogen und hat seinen Onkel aufgehoben. Seine müßige Zeit hat er damit ausgefüllt, den Akasavaleuten die schlimmsten Prügel zu versetzen, die sie jemals erhalten hatten. Ich billige durchaus alles, was Peter getan hat, weil ich fühle, daß er nur vom strengsten Gerechtigkeitssinn angetrieben wird und dem Bestreben, das Richtige zu richtiger Zeit zu tun – und es war Zeit, daß Sato Koto erledigt wurde. Dennoch werde ich Peter einen Verweis erteilen müssen, schon um des Scheines willen. Der Akasavahäuptling verbirgt sich im Busch.«
Peter kam nach seinem kurzen, aber tapferen Feldzug in seine Hauptstadt zurück. Er ließ zwei Gebiete hinter sich, denen sein Besuch sehr gut bekommen war, wenn sie sich auch etwas wund fühlten.
Der junge Häuptling versammelte seine Ältesten, seine Zauberdoktoren und andere Größen.
»Bei allen Gesetzen der Weißen«, sagte er, »ich habe Sanders gegenüber unrecht gehandelt, denn er hat mir befohlen, ich darf nicht Krieg führen, und siehe, ich habe meinen Onkel vernichtet, der ein Hund war; und ich habe die Akasavas in den Busch gejagt. Aber Sandi sagte mir auch, daß ich tun solle, was recht ist, und das habe ich getan nach meinem Dafürhalten; denn ich habe einen Mann vernichtet, der Schande über meinen Stamm gebracht hat. Nun scheint es mir, daß es nur ein Ding zu tun gibt, das ist: Zu Sandi zu gehen, ihm die Wahrheit zu sagen und um sein Urteil zu bitten.«
»Herr und König«, bemerkte sein ältester Ratgeber, »was dann, wenn Sandi dich in Ketten wirft?«
»Das – steht in der Zukunft«, gab der Häuptling zurück und erteilte den Befehl zur Reisevorbereitung.
Auf halbem Wege zum Gouvernement trafen sich die beiden. Häuptling Peter, der zur Küste, und Sanders, der hinauf, zu ihm zog.
Und hier trug sich das große Ereignis zu.
Kein Wort wurde vor Sonnenuntergang über Peters begangenen Fehler gesprochen; aber als der blaue Rauch emporstieg von den Lagerfeuern der Haussasoldaten und Krieger und das kleine Lager in der Lichtung alles ein Leben war, nahm Sanders den Häuptling am Arm und führte ihn längs des Pfades, der in den Busch führte.
Peter erzählte seine Geschichte, und Sanders hörte zu.
»Und was wurde aus dem Akasavahäuptling?«
»Herr, er floh in den Busch und schickte mir seine Flüche nach, und mit ihm zog mancher Bösewicht.«
Wieder nickte Sanders ernst.
Sie sprachen über viele Dinge, bis die Sonne lange Schatten warf; und dann gingen sie auf ihren Spuren zurück.
Sie waren etwa noch eine halbe englische Meile vom Lager, und das entfernte Geräusch lachender Menschen und der schwache Geruch brennender Feuer drang schon zu ihnen, als der Akasavähäuptling hinter einem Baume hervortrat und gerade vor ihnen mitten auf dem schmalen Pfade stand. In seiner Begleitung waren etwa acht schwer, bewaffnete Männer.
»Herr und König«, sagte der Akasavahäuptling zu Peter, »ich habe auf dich gewartet.«
Der Häuptling machte weder eine Bewegung, noch gab er eine Antwort; aber Sanders langte nach seinem Revolver.
Seine Hand umspannte den Kolben, als ihn etwas traf und er hinfiel wie ein Klotz.
»Nun wollen wir den Isisihäuptling abtun und den Weißen auch«, sagte der Akasavahäuptling; aber Sanders nahm kein besonderes Interesse mehr an der Unterhaltung, denn da war ein Haufe wilder Bienen in seinem Schädel und ein wirrer Schmerz; er fühlte sich zum Tode elend.
»Ob ihr mich totmacht, ist gleichgültig«, sagte Häuptling Peters Stimme, »denn da sind viele Männer, die mich ersetzen können; aber wenn ihr Sandi mordet, dann mordet ihr den Vater des Volkes, und keiner kann ihn ersetzen.«
»Er hat dich gepeitscht, kleiner König«, spottete der Akasavahäuptling.
»Ich würde ihn in den Fluß werfen«, sagte eine fremde Stimme nach langer Pause. »Auf diese Weise wird keine Spur von ihm gefunden werden, und niemand wird uns seinen Tod zur Last legen.«
»Und was mit dem König?« sagte ein anderer.
Dann horte man ein Brechen von Zweigen und die Stimmen von Leuten.
»Sie suchen«, flüsterte jemand. »König, wenn du sprichst, bring' ich dich jetzt um.«
»Stoß zu!« antwortete des jungen Häuptlings ruhige Stimme. Dann schrie er: »He, M'sabo, Beteli! Sandi ist hier!«
Das war alles, was Sandi hörte.
*
Zwei Tage später saß Sandi aufrecht im Bett und verlangte Aufklärung. Als er erwachte, war ein junger Doktor bei ihm, der, wie von der Vorsehung geschickt, vom Gouvernement heraufgekommen war.
»Der Häuptling ...?« er zögerte.
»Der Häuptling ist erledigt, aber er rettete Ihr Leben. Ich denke, Sie wissen das?«
»Ja«, sagte Sanders hart.
»Schneidiger kleiner Bengel«, meinte der Doktor.
»Wahrlich!« bestätigte Sanders. Dann: »Haben sie den Akasavahäuptling erwischt?«
»Ja; er war so scharf darauf, Sie zu erledigen, daß er sogar sein Auskneifen verzögerte. Der kleine Häuptling warf sich über Sie und deckte Sie mit seinem Leibe.«
»Genug!«
Sanders' Stimme war an sich barsch und sein Wesen brüsk in seinen besten Augenblicken, aber jetzt war seine Rauheit geradezu brutal.
»Machen Sie, daß Sie aus der Hütte kommen, Doktor! Ich will schlafen.«
Er hörte den Doktor gehen, hörte den Holzriegel an der Tür der Hütte niederfallen, dann wandte er sein Gesicht zur Wand und weinte.
Bei Ochori im großen afrikanischen Urwald am Ikelifluß lebt ein Volk, das in der Eingeborenensprache »Die Hüter des Steines« genannt wird.
Eine Sage ist dort im Umlauf, daß es Calacala – das heißt vor langer Zeit – einen sonderbaren Stein gegeben hätte, der »mit den Zeichen des Satans« beschrieben sei, wie sich der würdige eingeborene Geschichtenerzähler ausdrückt. Der Stein wurde weit und breit verehrt, teils wegen seiner Zauberkräfte, teils wegen der beiden Geister, die ihn bewachten.
Es war ein Fetisch von ganz besonderem Werte für das gutherzige Volk, das in dem großen Walde lebte. Aber die Akasavaleute, die weder gemütlich noch ehrfurchtsvoll waren und die überdies gerade einen solchen Fetisch gebrauchen konnten, überfielen die Ochoris an einem glühend heißen Morgen und nahmen diesen Wunderstein neben anderen beweglichen Gegenständen mit sich.
Vermutlich gingen auch die »Messinggespenster« mit.
Es war eine schwere Aufgabe, sich des Steines zu bemächtigen, denn er war in einen großen grauen Felsen eingelassen, und manche Speerspitze wurde abgebrochen, ehe es gelang, den Stein von seinem Platze loszubrechen.
Aber am Ende gelang es, und mehrere Jahre lang brüsteten sich die Akasavaleute, daß ihnen viele Wohltaten aus diesem heiligen Besitz zuflössen.
Da verschwand der Stein plötzlich und mit ihm alles Glück seiner bisherigen Besitzer, denn das Verschwinden des Steines fiel zeitlich zusammen mit der Einsetzung der britischen Herrschaft, und das war eine sehr schlimme Sache für die Akasavaleute.
In diesen längst vergangenen Tagen – so um 1895 herum – kam ein lächerlicher Mensch, ganz in Weiß gekleidet, mit einem Gefolge von sechs Soldaten an. Er überbrachte eine Botschaft von Frieden und guter Kameradschaft und schwatzte von einem neuen König und einem neuen Gesetz. Die Akasavaleute horchten zuerst in betroffener Verwunderung zu. Aber als sie sich von ihrem Erstaunen ein wenig erholt hatten, schnitten sie ihm und seinem Gefolge die Köpfe ab. Das schien ihnen das einzig richtige unter diesen Umständen.
Dann wachten die Akasavaleute eines Morgens auf und sahen ihre Stadt voll von fremdartigen weißen Leuten, die schnell auf ihren Dampfern den Fluß heraufgekommen waren. Es waren ihrer zu viele, um Streit mit ihnen anzufangen, und das Volk saß ruhig, ein wenig erschrocken und sehr neugierig da, während zwei schwarze Soldaten Hände und Füße des Akasavahäuptlings fesselten, ehe sie ihn am Halse aufhängten, bis er tot war.
Aber damit endete das Unglück der Akasavaleute noch nicht. Die Maniok war schlecht geraten und sehr giftig (von Blausäure); eine große Sterbe ging durch ihre Ziegenherde, und die Ernte wurde durch plötzliche Tornadounwetter verdorben.
Der Schwarze hat immer ein Mittel gegen solche Schicksalsschläge: Wenn du das Ding nicht hast, was du brauchst, geh und hol's dir!
Deshalb folgten die Akasavaleute unzähligen früheren Beispielen, überfielen die Ochoris, nahmen ihnen viel Mais weg und hinterließen viele Erschlagene und solche, die um Erlösung durch den Tod stöhnten.
Im Laufe der Zeit kamen die Weißen mit ihren Dampfern, mit den kleinen Schnellfeuergeschützen und dem bekannten Block und Flaschenzug, den sie an irgendeinem Baume befestigten und in der unvermeidlichen Weise benutzten.
»Es scheint«, meinte der neue Häuptling – derselbe, der später wegen Ermordung des Isisihäuptlings gehängt wurde –, »es scheint, daß das Gesetz der Weißen dazu gemacht ist, um Schwächliche auf Kosten der Starken triumphieren zu lassen. Das scheint närrisch, aber mit den Wölfen muß man heulen.«
Seine erste Regierungshandlung war, den Baum, der als Galgen benutzt worden war, fällen zu lassen, denn er lenkte die Aufmerksamkeit zu sehr auf sich.
Dann grübelte, der Häuptling über die Ursache alles Unglückes nach, das über die Akasavas hereingebrochen war. Die Ursache war leicht zu finden. Der große Wunderstein war gestohlen, wie er wohl wußte, und das fehlende Heilmittel löste die Frage nach dem Dieb aus. Die verruchten Ochoris standen in Verdacht.
»Wenn wir sie überfallen«, sagte der Akasavahäuptling nachdenklich, »und sie weniger erschlagen als mit Feuer foltern, bis sie uns verraten, wo sie den Götterstein verborgen halten, verzeihen uns die Großen Geister vielleicht.«
»Als ich jung war«, fiel ein betagter Ratgeber ein, »pflegten wir glühende Kohle in die Hände der Diebe zu legen und die Hände dann zuzubinden, bis sie gestanden.«
»Feines Mittel!« nickte ein anderer Alter beifällig. »Auch wenn man jemand auf die Bahn der Wanderameise festbindet, ist schon mancher zum Reden gebracht.«
»Dennoch halte ich's nicht für ratsam, gegen die Ochoris vorzugehen«, meinte der Häuptling, »und zwar aus vielen Gründen. Der Hauptgrund ist der: Wenn die Ochoris wirklich den Stein besitzen, werden wir auch nicht mit ihnen fertig wegen der beiden Messinggeister – obwohl ich mich nicht entsinnen kann, daß diese Geister sehr mächtig waren, als wir den Stein besaßen«, fügte er nicht ohne Hoffnung hinzu.
Der kleine Beutezug, der darauf folgte, und die Suche nach dem Stein sind kurz in amtlichen Berichten niedergelegt. Die Suche war erfolglos, und die Akasava mußten sich mit geringeren Beutestücken begnügen, die sie gerade erwischen konnten.
Wie Herr Hübschmann endete und Sanders heraufkam, habe ich bereits erzählt. Das war Calacala lange her, wie der Eingeborene sagt, und viele Dinge ereigneten sich in der Folge, die den Stein vollkommen aus der Erinnerung des Volkes strichen. Der Akasavahäuptling starb für verschiedene Missetaten den Henkerstod, und Frieden kam über das Land, das Togo umsäumt.
*
Zweimal in seinem Leben war Sanders überrascht. Einmal bei Ikeli, den die Eingeborenen den »Kleinen Fluß« nennen; aber es ist kein kleiner Fluß, im Gegenteil, ein breiter, starker, heimtückischer Strom, mit Wirbeln und Schnellen und schäumendem Gefälle, wo er in Windungen seewärts strebt.
Sanders saß auf einem Deckstuhl unter dem Sonnensegel eines winzigen Dampfers und beobachtete den vorbeirauschenden Strom in zufriedener Gemütsstimmung, denn das Land war ruhig, die Ernte gut, und es war keinerlei Verbrechen vorgekommen, von dem er wußte.
In Bofabi herrschte die Schlafkrankheit, Beriberi in Akasava, und im Isisilande hatte jemand einen neuen Gott entdeckt, den man Tag und Nacht anbetete. Sanders kümmerte sich nicht um neue Götter, denn Götter irgendwelcher Art waren eine wohltätige Zugabe.
Milini, der neue Häuptling von Isisi, hatte ihm Botschaft gesandt: »Herr«, sagte sein Wortführer, der Bote, »dieser neue Gott lebt in einem Kasten, der auf den Schultern der Fetischpriester getragen wird. Der Kasten ist soooo lang und soooo breit, und da sind vier Löcher, in die die Stangen passen, und der Gott da drinnen ist ein starker Gott und sehr stolz.«
»Ko, ko«, sagte Sanders mit höflichem Interesse. »Sage deinem Herrn und König, solange dieser Gott dem Gesetz gehorcht, kann er im Isisiland sein und braucht keine Hüttensteuer zu zahlen. Aber wenn er den jungen Männern sagt, daß sie Krieg führen sollen, dann werde ich mit einem stärkeren Gott, der euren Gott auffrißt, zu euch kommen. Das Palaver ist aus.«
Sanders hatte die Füße auf die Reling gelegt und dachte müßig an den neuen Gott.