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Vampire mit Zähltick wie Graf Zahl? Wer oft flucht, wird zum Vampir? Und Vampire leben ewig und glitzern in der Sonne? Fragen über Fragen – hier ist DAS Buch mit seitenweise Antworten! Was hilft beispielsweise alles gegen die Blutsauger, wer wird zu einem Vampir, und was ist mit Knoblauch? Und warum man das Pfählen wirklich nur Profis überlassen sollte. Natürlich wird ein Blick auf das schicksalhafte Jahr 1731 geworfen, in dem Westeuropa zum ersten Mal historisch offiziell von Vampiren erfuhr. Denn damals hielten manche diese Kreaturen der Nacht (obwohl manche auch tagsüber aktiv sind) für real. Der Beginn einer unendlichen Faszination. Mal Kitsch, mal Monstrum. Mit viel Witz, historischen Beispielen und dem Blick auf den Mythos Blutsauger führt Bestsellerautor Markus Heitz durch die Geschichte und den Volksglauben, der so manche Überraschung in Sachen Vampirwissen auf Lager hat. Man weiß nie, wann man es braucht? Und nein: Sie glitzern nicht. Wirklich nicht. Bestsellerautor Markus Heitz präsentiert ein Buch für alle, die Vampire lieben und mehr über ihre (wahre) Geschichte wissen möchten.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 241
Veröffentlichungsjahr: 2025
Markus Heitz
Lach- und SachbuchFast Alles über Blutsauger
Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.
Vampire mit Zähltick wie Graf Zahl? Wer oft flucht, wird zum Vampir? Und Vampire leben ewig und glitzern in der Sonne?
Fragen über Fragen – hier ist DAS Buch mit seitenweise Antworten!
Was hilft beispielsweise alles gegen die Blutsauger, wer wird zu einem Vampir, und was ist mit Knoblauch? Und warum man das Pfählen wirklich nur Profis überlassen sollte.
Natürlich wird ein Blick auf das schicksalhafte Jahr 1731 geworfen, in dem Westeuropa zum ersten Mal historisch offiziell von Vampiren erfuhr. Denn damals hielten manche diese Kreaturen der Nacht (obwohl manche auch tagsüber aktiv sind) für real. Der Beginn einer unendlichen Faszination. Mal Kitsch, mal Monstrum.
Mit viel Witz, historischen Beispielen und dem Blick auf den Mythos Blutsauger führt Bestsellerautor Markus Heitz durch die Geschichte und den Volksglauben, der so manche Überraschung in Sachen Vampirwissen auf Lager hat. Man weiß nie, wann man es braucht?
Und nein: Sie glitzern nicht. Wirklich nicht.
Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de
Zitat
Vorbemerkung
Einführung
KAPITEL I
KAPITEL II
KAPITEL III
KAPITEL IV
KAPITEL V
Literaturverzeichnis
JACOB: »Hat jemand hier ein echtes Buch über Vampire gelesen, oder erinnern wir uns nur an das, was wir in den Filmen gesehen haben? Ich meine, ein echtes Buch?«
SEX MACHINE: »Du meinst, wie ein Time-Life-Buch?«
Alle lachen.
– Dialogszene aus dem Vampirfilm From Dusk Till Dawn
Vorhang auf für das Lach- und Sachbuch Vampire! Vampire!
Nun ja, zum Lachen ist das Buch vermutlich immer dann, wenn das, was der Volksglaube zu meinen Lieblingen sagt, besonders abstrus klingt.
Abstrus aus unserer heutigen Sicht.
Liest man die Stellen jedoch genauer, erinnert sich, aus welcher Zeit sie stammen, und versucht auch nur ein bisschen, sich in ebendiese Zeit hineinzuversetzen, wird einem das Lachen im Hals stecken bleiben.
Es geht in den Osten Europas.
Und in eine Welt ohne allgegenwärtiges Licht.
Keine Straßen- und keine Taschenlampen, die Wälder sind dichter und wilder und nachts wie eine Wand aus Schwärze; ein Marsch durch die Dunkelheit ist ein Marsch durch die Dunkelheit. Nirgends werfen die Millionen Glühbirnen einer großen Stadt ihren Schein in den Nachthimmel, um einem Wanderer den Weg zu weisen.
Einsamkeit bedeutet tatsächliches Nichtvorhandensein anderer Menschen im Umkreis von vielen, vielen Kilometern. Kein Telefon, kein Smartphone und auch sonst keine Möglichkeit, sich bemerkbar zu machen.
Die Menschen von damals glauben auf eine andere, intensivere Art an Gott. Zugleich besitzt das Böse in ihrer Wahrnehmung Macht und Einfluss auf das tägliche Leben.
Und es nimmt vielerlei Gestalt an.
Hexen, Werwölfe, Zauberer, Nachtschrecke und andere dämonische Kreaturen tummeln sich in ihrer Vorstellung um sie herum, und sie können mit christlichen Symbolen in Schach gehalten werden.
In genau diese Welt bewegen wir uns hinein, wenn wir die zahlreichen historischen Quellen zum Vampirismus erkunden.
»Der Vampirglaube, so fremd und fern er uns Menschen von heute auch vorkommen mag, er war ein Kind seiner Zeit und wurde ernst genommen bei reich und arm. […] Die Menschen handelten keineswegs leichtfertig oder gar aus Sadismus heraus, sondern aus einer tieferen, inneren Not gegenüber einer geheimnisvollen Macht. Es wäre falsch, über sie zu lächeln oder sie gar als ›dumm‹ zu bezeichnen. Wir können nur stilles Erbarmen für sie hegen und von Herzen dankbar sein, dass die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung, insbesondere der Medizin, uns heute vor solchen Angstzuständen bewahren«, schreibt Leo Gerschke im Westpreußen-Jahrbuch von 1962 am Ende seiner Betrachtung über den Vampirglauben im alten Westpreußen im Laufe der Jahrhunderte.1
Recht hat er!
Verwirrt, weil es um Vampire geht und das Ganze wissenschaftlich klingt?
Überrascht, weil es in der Tat etwas Wissenschaftliches darüber gibt?
Gut so!
Auch Blutsauger möchten ernst genommen werden. Schließlich gibt es sie schon lange genug als Phänomen, das bis heute erstens nicht verschwunden ist und zweitens seine Anziehungskraft nicht verloren hat. Mit Blick auf die Literatur in Richtung Romance und Romantasy erst recht nicht.
Und schon sind wir mitten in der Materie: Woher kommen Vampire?
Was vermögen sie?
Warum faszinieren sie uns Menschen nach wie vor?
Und vor allem: Warum waren in den Dreißigerjahren des 18. Jahrhunderts – als Händels Musik Erfolge feierte, Voltaire seinen Brutus schrieb, der Sextant erfunden wurde und hier und da Kriege stattfanden – zahlreiche Menschen in Europa überzeugt, dass es Vampire tatsächlich gibt?
Und wie zur Hölle (die wird später übrigens auch eine Rolle spielen) kommt man darauf, ein solches Thema ernsthaft anzupacken?
Zum einen: Wenn man im Horror-Bereich unterwegs ist und solche Geschichten mag, kommt man mit Vampiren zwangsläufig in Kontakt. Zum anderen: Ich bin gelernter Historiker und war Journalist. Nachforschungen und Wühlen in historischen Aufzeichnungen, Quellen und Verweisen machen mir wirklich Spaß!
Am Anfang stand mein Interesse, herauszufinden, woher der europäische Aberglaube kommt, auf den sich die vielen Bücher und Filme beziehen und der durch seine morbide Faszination Menschen in seinen Bann zieht.
Als Nebeneffekt der Recherche habe ich vor einigen Jahren den Vampirthriller Kinder des Judas geschrieben. Diese sehr besondere Sorte Vampir, die ein wenig ins Klischee des Filmvampirs fällt und zugleich gänzlich anders ist, taucht hier auch noch auf. Zu dem, was über die Kinder des Judas bekannt ist, habe ich im Roman meine eigenen Ideen gemixt.
Literarisch haben sich außer mir viele Autoren mit dem Blutsauger beschäftigt, von Johann Wolfgang Goethe, Heinrich Heine, Sheridan Le Fanu und Edgar Allan Poe über Guy de Maupassant, Alexej K. Tolstoi, Nikolai Gogol, Bram Stoker bis hin zu Anne Rice und Stephen King sowie buchweise andere geschätzte Kolleginnen und Kollegen der Gegenwartsliteratur. Ihre Klassiker und modernen Bestseller haben die Schreckgestalt Vampir als Mittelpunkt.
Demnach, so meine legitime Vermutung, musste sich in der Vergangenheit mindestens eine »unerhörte Begebenheit« ereignet haben, die den heute bekannten Blutsauger in irgendeiner Weise bekannt machte.
Wer konnte ahnen, dass es letztlich so viele Begebenheiten waren und die Hochphase im 18. Jahrhundert liegt?
Meine Nachforschungen begannen – und überraschten mich mit ihren spannenden Ergebnissen.
Das Problem, das sich mir bei der Recherche stellte, war nicht die Sekundärliteratur des 20. Jahrhunderts, die sich erstaunlicherweise als sehr umfangreich erwies. Viel schwieriger war es, an Zeitungsartikel, Dissertationen und Aufsätze aus dem 18. Jahrhundert zu gelangen, die offensichtlich kaum in deutschen Bibliotheken vorhanden sind.
Lagen sie theoretisch doch vor, wurde mir des Öfteren mitgeteilt, dass die Werke zum Schutz des Materials nicht ausgeliehen oder kopiert werden dürften. Es geht doch nichts über die mittlerweile fortgeschrittene Digitalisierung, auf die man aus der Ferne zugreifen kann.
Manchmal waren die Schriften auch schlicht geklaut – und schon könnte man denken: Aha. Eine Verschwörung der Vampire!
Glücklicherweise gibt es moderne Sammlungen, durch die man an die historischen Quellen gelangen kann. Wobei mich manchmal der Eindruck beschlich, dass einige Autoren und Autorinnen schlicht voneinander abgeschrieben haben.
Ein weiteres Problem betrifft die unterschiedlichen Schreibweisen von Städten und Ortschaften, nicht nur in den überlieferten Texten, sondern auch in der Sekundärliteratur, die eine Einordnung der Vampirfälle zusätzlich erschwerten.
Englische Schreibweisen wichen von französischen ab, deutsche Schreibweisen variierten untereinander, in einem Buch wurde ein Fluss kurzerhand zu einer Stadt umbestimmt. Personen hießen unvermittelt anders, obwohl es sich um dieselben Orte, Zeiträume und Begebenheiten handelte.
Ja, ich weiß. Könnte auch zur Verschwörung der Vampire gehören …
Tatsache ist, dass nur wenige Menschen über den Hintergrund der Vampire – den tief verwurzelten Glauben, der die Menschen vor allem auf dem Balkan beherrschte – Bescheid wissen. Oder von dem »typisch deutschen« Vampirtypus, dem Nachzehrer, gehört haben.
So gehe ich davon aus, dass auch die Leserinnen und Leser von dem, was sie auf den folgenden Seiten zu lesen bekommen, größtenteils überrascht sein werden.
Ach ja, »Dracula« kommt nur kurz vor.
… oh, und ganz, ganz wichtig: Vampire glitzern nicht, wenn die Sonne auf sie scheint!!1!11!
Jedenfalls nicht im Volksglauben. Ich habe zu meiner großen Erleichterung keine Quelle dazu gefunden. Hell, yeah!
Hinweise:
Es kommt mehrfach der Begriff Roma im Lach- und Sachbuch vor.
Das ist die gängigste europäische, zusammenfassende Bezeichnung für die ethnischen Minderheiten rund um die Sinti und Roma.
Wer sich wundert, dass ich in den Zeitformen hin und her springe: Das liegt an den gefundenen Stellen in der Sekundärliteratur. Mitunter sind sie in der Gegenwartsform geschrieben, und da ich mich darauf beziehe, übernehme ich es so.
Auch nicht vergessen werden darf dabei, dass es mitunter ältere Werke sind. Mag sein, dass das Beschriebene für einen Autor seiner Zeit noch galt.
SETH: »Ja, ich weiß, was los ist. Wir haben ein Bündel von Scheißvampiren da draußen, die versuchen hereinzukommen und unser Scheißblut aussaugen wollen. So ist das, schlicht und einfach.
Und ich will nicht so eine Scheiße hören wie ›Ich glaube nicht an Vampire‹, weil ich verdammt noch mal auch nicht an Vampire glaube.
Aber ich glaube meinen eigenen Scheißaugen, und mit meinen beiden Augen sah ich beschissene Vampire!
Also, stimmen wir darin überein, dass wir es mit Vampiren zu tun haben?«
Alle nicken.
– Szene aus dem Vampirfilm From Dusk Till Dawn
Trotz des fiktionalen Einstiegs der strikte Hinweis: Es wird in diesem Lach- und Sachbuch nur nebenbei um die erfundenen Exemplare der Gattung Vampire gehen. Erfunden im Sinne von »ausgedacht von Belletristikautoren und -autorinnen sowie Filmleuten«. Die herrlich deftigen Zitate aus dem Film From Dusk Till Dawn sollen lediglich zeigen, dass ein bisschen Grundwissen noch niemandem geschadet hat. Seth und Jacob wären über die folgenden Infos glücklich gewesen.
Der Schwerpunkt liegt definitiv auf denjenigen Kreaturen, welche im Volksglauben vor allem in der Vergangenheit gefürchtet wurden. Und trotz des immensen Umfangs und Abwechslungsreichtums der Realvampire kann dies hier nur eine Einführung sein, in der ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebe. Dafür gibt es zu viel Material.
Der kurze Ausflug zu den Glanzlichtern in der Historie des Vampirismus wird zeigen, wie es zu unserem heutigen Vampirbild gekommen ist; nicht zu vergessen die Kräfte und Fertigkeiten der Vampire.
Natürlich ist bei manchem von mir zitierten Autor Vorsicht angeraten, und ich rege dazu an, bei Interesse weitergehende Nachforschungen anzustellen. Zum Beispiel darüber, wie man darauf kommt, in Westpreußen nach Vampiren zu suchen, wo doch die Langzähne normalerweise im tiefen Osten beheimatet sind.
Sollte man zumindest glauben.
Um es vorwegzunehmen: Nicht nur Westpreußen hatte in der Vergangenheit bestimmte Vorstellungen von den gefährlichen wiederkehrenden Toten. Bei näherer Betrachtung wird schnell deutlich, dass es sich bei Vampirismus oder vampirismusähnlichen Begebenheiten vielmehr um ein weltumspannendes, kulturenumfassendes Phänomen handelt, das in den unterschiedlichsten Zeiten und Ländern unabhängig voneinander auftrat.
Beispiele gefällig?
Fangen wir mit der Untoten-Rundreise an.
Auf den vor der Küste Nordaustraliens liegenden Inseln kennen die Bewohner die sogenannten Forsos, zurückkehrende Tote, die ihre lebenden Verwandten heimsuchen und deren Vorhaben behindern. Eigenheiten, welche auch die gemeinen europäischen Vampire besitzen. Was genau einen Vampir ausmacht, dazu später mehr; der Versuch einer Definition folgt noch.
Die arabischen Länder wissen um Ghule, Leichen fressende Nachtwesen mit spitzen Reißzähnen, die auf Begräbnisstätten lauern. Begräbnisstätten, Friedhöfe – auch hier ist die Verwandtschaft zum Vampir nicht zu leugnen.
Die Japaner nennen ihren mit dem Ghul verwandten bösen Geist Kasha, die chinesischen lebenden Toten heißen Kuei. Zum Kuei werden solche Menschen, die in ihrem irdischen Leben nicht genügend Verdienste erworben haben. Leistungsdruck mit besonderem Ansporn, könnte man sagen.
Ein Hindu, der durch Gewalteinwirkung starb oder dessen Leiche ohne Zeremoniell begraben wurde, kehrt als Preta zurück, der willkürlich gegen alle lebenden Wesen vorgeht, die ihm begegnen. Hass auf die Lebenden – wieder etwas, was ihn mit den meisten Vampiren verbindet. Vampire sind nicht eben bekannt dafür, dass sie Reichtümer verschenken und gute Gaben verteilen.
Auf Haiti sind die Revenants gefürchtet, Seelen, die in die toten Körper zurückkehren, weil sie spüren, dass sie von den Lebenden vergessen werden.
Die indischen, mehr geisterhaften Vampirverwandten sind Vetala (Geister) oder Rákshasa (Dämonen), auch sie legen sich unter anderem in der Nähe von Grabstätten auf die Lauer und warten auf Opfer.2
Im Ashantiland (auf dem Gebiet des heutigen Ghana) heißen die Vampire Asanbosam, in Guinea Owenga, die Madagassen nennen die Blutsauger Ramanga. Der Vampir »Azeman« treibt dagegen nur in bestimmten Gegenden des nordöstlichen Südamerikas, im früheren Surinam oder Holländisch Guyana, sein Unwesen.3 Die Mexikaner haben Furcht vor einem Vampir namens Civateteo, Brasilien verfügt sogar über zwei Spezies, die Jaracaca und die Lobishomen;4 ein ganz gefährliches Gebiet ist Malaysia, wo mehr als sechs verschiedene vampirische Geister leben.5
Die internationale Vielfalt ist beeindruckend: Anthony Masters zählt in seinem Buch rund vierzig Sorten Vampire in mehr als dreißig Ländern auf.
Und auch ihre Erscheinungsformen sind vielfältig: Die eben erwähnten Vampirrassen, -verwandten oder vergleichbaren Wiedergängerphänomene haben ein unterschiedliches Äußeres, sie treten als geisterhafte Wesen auf, leben in verwesenden Körpern oder verändern ihr Aussehen, wenn sie zu einem der gefürchteten Wesen geworden sind.
Doch bleiben wir zunächst in unserer direkten Nachbarschaft.
Im westlichen Europa am Anfang des 18. Jahrhunderts war von Vampiren kaum etwas zu hören oder zu sehen. In den Köpfen der Menschen waren zu dieser Zeit eher Erinnerungen an Hexenverfolgungen und -prozesse präsent, die im 17. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreicht hatten.
1725 wurde im Umland Wiens eine »entsetzliche Begebenheit«, sprich ein Vampirbefall, aus einem Dorf namens Kisolova bekannt und durch Flugblätter verbreitet. Ansonsten blieben diese Nachrichten aber weitgehend unbemerkt.
Sieben Jahre später ereignete sich dann etwas, das in einer regelrechten Vampirhysterie gipfeln sollte, von der ganz Westeuropa ergriffen wurde. Ausgelöst wurde sie 1732 durch die nun international verbreitete Nachricht über den Vorfall in Medvegia, bei dem etwa ein Dutzend Vampire ein Dorf terrorisierten, Menschen quälten und töteten.
Richtig: ein Dutzend!
Die unglaublichen Ungeheuerlichkeiten über lebende Tote, die nachts Menschen nachstellten, um ihnen das Blut auszusaugen, nahmen von nun an zu und wurden immer häufiger öffentlich verbreitet. Man kramte in Archiven, erinnerte sich plötzlich an Vampirbegebenheiten aus früheren Jahren, die damals wohl untersucht oder zur Kenntnis genommen worden waren, allerdings nicht die Beachtung gefunden hatten, die sie im Nachhinein erfahren sollten.
Das Besondere an dem Vorfall in Medvegia ist, dass der Vampirglaube und die damit verbundenen Ereignisse nicht als abergläubisches Phänomen einer ungebildeten Landbevölkerung abgetan wurden, sondern dass die Obrigkeit des Kaiserreichs Österreich-Ungarn gleich zwei (!) Untersuchungskommissionen, bestehend aus hochrangigen Offizieren und Ärzten, in das Gebiet entsandte, um die Begebenheit zu erforschen.
Nebenbei bemerkt: Es wäre sehr interessant zu erfahren, ob die UN bei ihrem bosnisch-kroatisch-serbischen Friedenseinsatz in den 1990ern oder vielleicht heute noch bei Schutzmissionen in den verschiedensten Gebieten ähnliche Beschwerden oder Hinweise von der Bevölkerung bekommen hat. Es wäre ein weiterer Beleg dafür, wie gegenwärtig und selbstverständlich der Glaube an die Schreckensgestalt ist.
Doch zurück in die Vergangenheit des 18. Jahrhunderts.
Genau diese Berichte aus dem Jahr 1732, welche die Existenz der Blutsauger nicht anzweifelten, sondern vielmehr den Volksglauben bestätigten, weckten die Neugier im westlichen Europa und brachten eine Lawine ins Rollen.
Kein Scherz!
In der Folge beschäftigten sich hoch dotierte Expertenkommissionen von angesehenen internationalen Universitäten genauso fieberhaft mit den Vorfällen wie Laien, Geistliche und Schriftsteller. Es erschienen Unmengen von Büchern, Artikeln und Stellungnahmen, welche die Vampire mithilfe unterschiedlichster Theorien erklären wollten. Oder das Phänomen schlicht als Lüge und Trugbild abtaten.
Wer sich die Originale der Berichte anschauen möchte und die Reise nicht scheut: Das Wiener Hofarchiv verwahrt die Originalakten, Schriftwechsel und Anordnungen des Kriegsrates zu den Vampirfällen bis zum heutigen Tag.
Aber eines nach dem anderen.
Die Frage, die man sich unwillkürlich stellt: Gibt es den Vampir überhaupt als einen charakteristischen Typus?
Dass es der Vampir selbst mystisch liebt, merkt man spätestens dann, wenn es um seine Ursprünge geht. Bis heute streitet sich die Forschung, worauf der Glaube an den Blutsauger fußt. Nicht viel besser wird es übrigens bei der Etymologie des Wortes Vampir. Hier treten etliche Schwierigkeiten auf.
Absicht oder Zufall?
Da ist sie wieder, die Verschwörungserzählung … Hatten die Vampire ihre Finger im Spiel, um sich nebulös zu machen? Wie sonst könnte man die vielen verschiedenen Erklärungsversuche von Kirche, Wissenschaft und Schriftstellerei deuten?
Der plötzlich in Mode gekommene Blutsauger wurde mal als Hirngespinst verdammt, und dann wurden wieder die seltsamsten Beweisführungen erbracht, um seine Existenz wissenschaftlich zu beteuern und zu belegen.
In der existierenden Sekundärliteratur wimmelt es von völlig widersprüchlichen Meinungen zu Hintergrund, Regionen und Vorhandensein des Vampirglaubens.
Noch ein geschicktes Manöver der Vampire? Denn wenn viele Informationen gestreut werden, wissen eventuelle Gegner alles und nichts.
Und dann gibt es außerdem die »echten« Vampire in der näheren Gegenwart …
Begeben wir uns also auf die Spurensuche und versuchen wir, etwas Licht in die Gruft zu bringen und die Geheimnisse der Vampire aufzudecken.
Noch eine kleine Warnung: Menschen mit leichtem Hang zum Verfolgungswahn werden danach überall Vampire sehen. Pflöcke schnitzen, Messer wetzen und Benzin für ein lustiges Feuerchen suchen – es könnte gefährlich werden.
»Und es begab sich zu einer Zeit …«
Der berühmteste aller Vampirfälle in Medvegia aus dem Jahr 1731/32 ist kein plötzlich auftretendes Phänomen, wie es vorher noch nie in Erscheinung getreten wäre. Aber im Gegensatz zu den anderen ist es durch die offizielle Untersuchung der Obrigkeit am weitesten über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden. Das Ausmaß der dort auftretenden »Vampirepidemie« sprengte jeden Bericht; vorher hatte es sich meistens um Einzelerscheinungen gehandelt.
Nichtsdestoweniger hat es Hinweise auf Vampire und sich sehr ähnlich verhaltende Wiedergänger bereits in den Jahrhunderten zuvor gegeben. Die Furcht vor lebenden Toten, die es auf das Blut und das Leben der Menschen und Tiere abgesehen hatten, und vor anderen blutsaugenden Wesen herrschte bereits in der Antike.
Die Griechen und Römer ängstigten sich vor den Lamien, gespenstischen Frauen, die durch allerlei Zauberkunst Kinder – vorzugsweise schöne Jungen – anlockten, ihnen das Blut aussaugten und das Fleisch genossen.6 Verwandte von ihnen sind unter anderem die Lemuren, Empusen und auch die Striges;7 Mormo, Larua und Gilo gehören ebenso dazu.8
Wie sehen diese Schreckgestalten nun aus?
Die Empusen nutzen einen Trick, den auch Vampire beherrschen: Sie verändern ihre Gestalt, um ihren Opfern nahe zu kommen. Sie erscheinen als Ochse, Maultier, schöne Frau oder Hund. Ohne diese Veränderung leuchtet das Gesicht feuerrot, ein Bein ist aus Erz, das andere aus Eselsmist. (Ich habe keine Ahnung, wie das aussehen soll.) Sie töten in erster Linie Kinder, um deren Blut zu trinken.9
Die Striges wiederum sind dämonische Nachtvögel oder räuberische Menschen in Vogelgestalt, ausgestattet mit dickem Kopf, starren Augen, einem Krummschnabel, grauem Gefieder und langen Krallen. Sie fliegen nachts umher, rauben Kinder aus der Wiege, zerfleischen sie und saugen ihr Blut aus.10
Und noch weiter geht es zurück in der Geschichte. Assyrer, Chaldäer und Babylonier kannten blutsaugende Monster – laut Inschriften – ebenso11 wie die indigenen Kulturen Süd- und Nordamerikas12.
Machen wir einen großen zeitlichen Sprung nach vorne in die Zeit, in der sich exaktere Aufzeichnungen finden lassen. Jetzt geht es um Vorfälle.
Erste vage Belege stammen aus dem Mittelalter, oftmals mit Hinweisen auf Hexen, den »Wehrwolf« oder »Thierverwandlungen« verknüpft.13 Chronisten berichten außerdem von blutsaugenden und todbringenden Verstorbenen, die sich durch Heimsuchung der Lebenden, Zerstörung von Hab und Gut und den Tod von Vieh und Mensch hervortaten. Man musste sie entweder pfählen, enthaupten oder verbrennen, um sie endgültig an ihren Taten zu hindern.14 Später wurden diese drei Arten der Unschädlichmachung meistens kombiniert, üblich war auch das Verbrennen oder Durchstechen des Herzens, wie noch gezeigt werden wird.
Ach ja, wenn hier von Pfählen gesprochen wird, ist zumeist das Durchbohren des Herzens oder Bauches mit einem Pflock oder einer langen Stange gemeint. Eigentlich müsste man es »pflöcken« nennen, was aber reichlich albern klingt; deswegen benutze ich das Wort pfählen.
Zurück zu den frühen Aufzeichnungen über Vampire.
Es existiert ein Erlass Karls des Großen, der alle mit dem Tode bestraft, die Männer und Frauen unter der Beschuldigung verbrannten, sie seien »striga vel masca« – zu Deutsch: Striges und Hexen.
Burchard von Worms berichtet vom heidnischen Brauch, die Leichen früh verstorbener Kinder und schwangerer Frauen zu durchstechen.
Um 1337 tauchen in Deutschland wiederkehrende Tote auf, so zum Beispiel der Hirte Myßlata aus dem böhmischen Dorf Blow bei Cadan. Der Mann wurde zwar zunächst gepfählt, riss sich aber den »eichenen Pfahl« aus dem Leib und verspottete die Dorfbewohner. Erst nach seiner Verbrennung hörten die vampirischen Umtriebe des Hirten auf, die Leiche soll in den Flammen wie ein Ochse gebrüllt haben.15
Die Chronik von Sebastian Mölers aus dem Jahre 1343 offenbart, dass im Verlauf einer verheerenden Pestepidemie die Zahl der Vampirfälle in Tirol sehr hoch gewesen sei. Die Benediktinerabtei in Marienberg war davon schwer betroffen, und einer der letzten Mönche, Dom Steino von Netten, wurde sogar von einem Vampir getötet.16
Ich gebe zu, dass Tirol geografisch ein wenig aus der Reihe tanzt. Immer diese Bergvölker!
Warum nun hat man sich nicht nur auf das Pfählen verlassen?
Weil es nicht immer funktionierte!
Die Unwirksamkeit zeigte sich auch bei der Frau des Töpfers Dúchaz 1345 in Levin, die im Leben eine Zauberin gewesen sein soll, nach ihrem Tode aber in Tiergestalt umherging und für das Ableben anderer Menschen sorgte. Man hat sie ausgegraben, auf den Scheiterhaufen geschafft und dort gepfählt. Besser gesagt: Man hat es versucht. Nachdem sie sich den Pflock aus dem Körper gerissen hatte, gelang ihr die Flucht vom vorbereiteten Scheiterhaufen in Form eines Wirbelwindes.17
Die Obrigkeit reagierte auf die Vorkommnisse.
Der serbische Herrscher Stephan Dusan beispielsweise verhängte 1357 per Gesetz Strafen gegen das abergläubische Ausgraben und Verbrennen von Toten durch Bauern.18
Die Verschwörungsfreunde unter den Lesenden könnten an dieser Stelle wieder die Frage aufwerfen: War es als Schutz vor dem Aberglauben gedacht, oder gehörte der Herrscher gar zu den Vampiren und hat sie zu schützen versucht?
Schwenken wir auf der Landkarte mehr nach Westen und schreiten chronologisch fort.
Enge Verwandtschaft der Vampire besteht zu den »Nachzehrern«, eine preußisch-norddeutsche Art der variantenreichen Untoten, auf die später noch näher eingegangen wird.
Das älteste Zeugnis hierzu stammt von 1517 und berichtet vom großen Sterben zu Groß Mochbar während einer Pestepidemie.
Auch in Hessen und Schmalkalden trieben die »Nachzehrer« ihr Unwesen.19 Ihr Schmatzen aus den Gräbern, die Eigenschaft, von der sich ihr Name ableitet, hörte man außerdem zu Pestzeiten 1552 im sächsischen Freiberg, 1553 in Schlesien, 1562 zu Sangershausen und 1584 zu Jüterbogk.20
Bereits 1605 erzählt die Frankensteiner Chronik von einem Ungetüm in Neustadt, das die Bewohner heimsuchte und sogar tötete; gegen die »plagenden Toten« fanden 1612 in Jauer und 1614 in Giersdorf Prozesse statt.21
Moment mal: Prozesse gegen Tote?
Die Vorstellung von Gerechtigkeit und der Wirkung von Richtersprüchen in der Frühen Neuzeit übersteigt unsere heutige. Es ging darum, geschehenes Unrecht gutzumachen und Gerechtigkeit für die Betroffenen herzustellen. Grob zusammengefasst bedeutete dies, dass der Täter für seine begangenen Taten leiden musste, die Seele durch die körperliche Pein gestraft wurde. Dabei spielte es keine Rolle, ob der Delinquent ein lebender Mensch oder ein zurückgekehrter Toter war. Die Seele würde die zugefügten Verstümmelungen schon spüren.
Die verbrecherischen Untoten wurden vom Gericht behandelt wie Lebende, und mit dem Richterspruch und der abschließenden Verurteilung hoffte man auf das Ende des umtriebigen Untoten, der seine gerechte Strafe erhalten hatte – spätestens dann, wenn er auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden war.
Die ersten eindeutigen Fälle von Vampirismus wurden 1591 aus Schlesien und 1617/18 aus Eibenschütz (oder Egwanschiftz) in Mähren gemeldet, für 1624 existieren einige Berichte über upierzyca – weibliche Vampire – aus Krakau, Polen,22 und 1672 kommt es zu einem Vorfall in Kring im österreichischen Kronland Krain. Der Mercure galant berichtete in den Jahren 1693 und 1694 von weiteren »Vampyren« in Russland und Polen.23
Selbst die Männer Gottes wussten nicht immer, was man gegen den Aberglauben der Bevölkerung tun könne.
In seiner Not fragte ein polnischer Geistlicher am 9. Januar 1693 bei der Universität Sorbonne in Paris nach, wie sich ein Beichtvater gegenüber der Sache verhalten solle, woraufhin die Doktoren Fromageau, de Precelles und Durieraz ein radikales Verdammungsurteil über die üblichen Schutzmaßnahmen, wie Pfählen, Köpfen und Verbrennen, verhängten.24
Oha, hergehorcht, Verschwörungsfreunde: Standen die Doktoren auf der Gehaltsliste der Vampire und haben den laschen Versuch unternommen, die Geldgeber auf diese Weise zu schützen?
Im schlesischen Freudenthal »vexierten [plagten] die Gespenster des Nachts die Leute abscheulich«, deshalb wurde 1698 ein verdächtiger Körper aus dem Grab gehoben und geköpft, frisches Blut soll herausgequollen sein. »Die Leute wurden hierdurch noch furchtsamer, und zogen ethliche davon anders wohin[.]«25
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war das Interesse an Vampiren in einem kleinen Kreis gestiegen.
1701 erzählt Karl Ferdinand von Schertz in seiner Magia posthuma, dem ersten Buch über Vampire, von Ausgrabungen verdächtiger Leichen in Mähren.
Samuel Friedrich Lauterbach berichtet von Leichenausgrabungen 1710 im polnischen Fraustadt. Im selben Jahr köpfte man im preußischen Harsen während einer Pestepidemie nachträglich aus den Gräbern gehobene Verstorbene.26
Da man am Verhalten der Bevölkerung nicht mehr vorbeikam und es anscheinend nicht bei Einzeltaten blieb, berieten Geistliche im Jahr 1707 mit Sorge auf der lutheranischen Synode von Rózsahegy (Ružomberok) über den um sich greifenden Brauch, Leichen zu exhumieren, zu köpfen und anschließend zu verbrennen.
Der ungarische Arzt Samuel Köleséri, der den Verlauf der Pest in Transsylvanien schilderte, berichtete 1709 voller Entsetzen und Abscheu über die Anzahl der ausgegrabenen Leichen, die mit einem Pfahl durchbohrt oder enthauptet wurden, weil die Bevölkerung sie für die Pest verantwortlich gemacht hatte.27
Für 1721 existieren Aufzeichnungen aus Russland, Polen und dem Großherzogtum Litauen über »tote Körper«, die nachts in die Häuser der Leute einbrechen, über die Einwohner herfallen und versuchen, jene auszusaugen.
Im Zeitraum von 1725 bis 1732 häuften sich die Berichte über die Vampire für bestimmte Distrikte in Serbien und dem Banat von Temesvár.28
Und unter diesen ersten Vorkommnissen gab es schon kleine Berühmtheiten.
Da war im Jahr 1591 der aus seinem Grab zurückgekehrte Schuhmacher aus Breslau. Er sorgte für Aufsehen, weil er die Stadt vom 22. September 1591 bis zum 18. April 1592 terrorisierte. An seinen Opfern fanden sich Würgemale und Flecken.
Die besorgten Einwohner gruben den Leichnam aus, der einen völlig unverwesten Eindruck machte, und verscharrten ihn auf ungeweihter Erde.
Doch die Aktivitäten des »Geists«, wie die Bezeichnung lautete, verstärkten sich, bis ihm der Henker am 7. Mai auf Geheiß des Stadtrates den Kopf abschlug, Hände und Füße entfernte sowie das Herz herausschnitt und alle Einzelteile auf sieben Klafter Holz, heute etwa einundzwanzig Raummeter, verbrannt worden waren; die Asche wurde am nächsten Morgen in den Fluss gestreut.29
Und Vampire sind ansteckend!
Das zeigte das böhmische Dörfchen Eibenschütz.
1617 suchte ein Vampir lange Zeit die Menschen dort heim, brachte seine Opfer um. Und wer durch die Hand eines Blutsaugers starb, musste ebenfalls zu einem werden. Schließlich wurden sowohl der Vampir als auch seine toten Opfer auf jeweils getrennten Holzstapeln an einem von der Ortschaft weit entfernten Ort verbrannt.30
Damit wähnten sich die Menschen sicher.
1672 erschien der tote Georg – oder auch Giure, Grando – in seinem bereits oben erwähnten Ort Kring wieder.
Einige Leserinnen und Leser mögen die Vorstellung, nachts von einem Vampir oder einer Vampirin in romantisch-erotischer Weise beglückt zu werden, reizvoll finden. Ich sage nur Romantasy und Romance. Es scheint aber alles andere als sexy gewesen zu sein, wenn der originale Blutsauger (nicht der ausgedachte) sich Zutritt verschaffte.
Hier der Originalwortlaut aus dem Bericht:
»Hernach ist dieser Begrabene offt ihrer vielen erschienen bey nächtlicher Weile, da er auf der Gassen hin, und wieder hergegangen, und bald hie, bald da an die Hauß-Thüre geschlagen, und seynd unterschiedliche Leute darüber gestorben, zumahl aus solchen Häusern, da er hat angeklopffet. Denn vor welchem Hausse er angeschlagen, daraus ist bald darauf einer mit dem Todte abgangen. Er hat auch bey seiner hinterlassenen Wittwen sich eingefunden, und dieselbe würcklich beschlaffen, welche aber, weil sie einen Abscheu vor ihm getragen, endlich zu den Supan (oder Marckt-Schultzen) Miho Radetich hingeloffen, und bey ihm verblieben, und gebeten, er wollte ihr doch wieder ihren verstorbenen Mann Hülfe verschaffen.«31
Wie ging eine solche »Hülfe«, also die Vampirjagd, vonstatten?
Exemplarisch hierzu das Vorgehen in Kring: Der Supan organisierte ein paar Helfer und den Dorfgeistlichen, die sich zusammen mit ihm auf den Friedhof begaben, bewaffnet mit »zweyern Wind-Lichtern, und einem Crucifix«, um das Grab zu öffnen. Angesichts des lebendig aussehenden Toten wandten sich die Helfer zunächst voller Furcht ab und wollten flüchten, aber der Supan rief sie zur Ordnung.
Das Vorhaben, ihm »einen geschärfften Pfahl von Hagedorn durch den Bauch zuschlagen«, scheiterte jedoch. Ein beherzter Helfer schlug dem Toten schließlich mit einer Hacke beim zweiten Versuch den Kopf ab, »Worauf der Todte ein Geschrey gethan, und sich gewunden, nicht anderst, als ob er lebendig wäre, auch das Grab vollgeblutet«.32
Danach soll wieder Ruhe in der Umgebung und im Dorf geherrscht haben.
Alle Leserinnen und Leser mit einem Faible für Griechenland mögen an dieser Stelle gewarnt sein. Nur weil dort die Sonne oft scheint und es warm ist, bedeutet das keinen Schutz vor Vampiren!
1701 kam es zur einer Massenhysterie auf Mykonos, die der französische Botaniker Pitton de Tournefort während einer Reise auf der Insel selbst miterlebte und aufzeichnete.33