Verbotene Überstunden mit dem Boss - Cathy Williams - E-Book

Verbotene Überstunden mit dem Boss E-Book

Cathy Williams

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Beschreibung

Wie kann ein Mann nur so arrogant und zugleich dermaßen verführerisch wirken? Kate versteht es nicht. Aber als ihr italienischer Boss Alessandro Preda sie auf eine Geschäftsreise nach Toronto mitnimmt, ahnt sie, dass er mehr will …

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Seitenzahl: 173

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IMPRESSUM

Verbotene Überstunden mit dem Boss erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2015 by Cathy Williams Originaltitel: „At Her Boss’s Pleasure“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA, Band 408 Übersetzung: Bettina Röhricht

Umschlagsmotive: Kwangmoo / Depositphotos, AndreYanush / DPMARKET

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2022

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751514866

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Ein Freitag im Sommermonat Juli, abends um halb sieben. Und wo bin ich? dachte Kate. Natürlich im Büro!

Wieder einmal hielt sie als Letzte die Stellung, saß vor ihrem PC und betrachtete Gewinn- und Verlustangaben. Eigentlich hatte das Zeit bis Montagmorgen, aber …

Seufzend richtete Kate sich auf und dehnte ihre verspannten Schultern. Sie war siebenundzwanzig Jahre alt und sollte an einem Freitagabend eigentlich woanders sein als im Büro – auch wenn es ein ziemlich schönes Büro in einem schicken Gebäude der prestigeträchtigen Londoner Innenstadt war.

Eigentlich sollte sie sich amüsieren, mit Freunden im Hyde Park Wein trinken und den langen, heißen Sommer genießen, im Garten grillen oder einfach mit jemandem Musik hören und darüber sprechen, wie ihr Tag gewesen war.

Doch die Freunde, die Kate seit ihrem Umzug nach London vor vier Jahren gefunden hatte, konnte sie an einer Hand abzählen. Seit eineinhalb Jahren war sie nun Bilanzbuchhalterin bei AP Logistics, und seitdem sah die Sache noch düsterer aus. Sie gehörte einfach nicht zu diesen fröhlichen, lebhaften jungen Frauen, die mühelos Freunde fanden. Normalerweise dachte Kate nicht viel darüber nach, aber heute war Freitag, draußen ging der heiße Sommertag in einen lauen Abend über, und der gesamte Rest der Welt genoss das wunderschöne Wetter …

Kate ließ den Blick zur Tür ihres Büros schweifen. Der Anblick der unbesetzten Schreibtische schien sie spöttisch auf ihre Unzulänglichkeit hinzuweisen. Schnell zählte sie in Gedanken all die schönen Dinge auf, die es in ihrem Leben gab: eine tolle Stelle bei einem der renommiertesten Unternehmen des Landes, ein eigenes Büro – in ihrem Alter eine beachtliche Leistung –, ein eigenes kleines Apartment in einer annehmbaren Gegend im Westen Londons. Wie viele Frauen in ihrem Alter besaßen schon eine eigene Wohnung – in London? Natürlich musste sie noch den Kredit abbezahlen, aber immerhin … Sie war wirklich erfolgreich.

Womöglich hatte sie es nicht geschafft, ihrer Vergangenheit völlig zu entfliehen. Doch Kate hatte auch nicht das Gefühl, dass ihr Leben von ihrer Vergangenheit beherrscht wurde. Andererseits saß sie an diesem sommerlichen Freitagabend alleine bei der Arbeit. Was sagte das aus?

Kate beschloss, noch eine halbe Stunde zu bleiben und dann in ihr einsames Apartment zu fahren. Sie vertiefte sich so sehr in die Zahlen, dass sie das „Pling“ des Aufzugs und die sich nähernden Schritte kaum wahrnahm.

Konzentriert schaute Kate auf ihren Bildschirm, sodass sie den großen dunklen Mann erst bemerkte, als er sie ansprach. Vor lauter Schreck zuckte sie zusammen, und für ein paar Augenblicke war ihr sonst so souveränes Auftreten wie weggeblasen.

Alessandro Preda hatte jedes Mal diese Wirkung auf sie. Irgendetwas hatte dieser Mann an sich! Und das hatte nichts damit zu tun, dass er der Besitzer des Unternehmens war – zu dem noch unzählige weitere Firmen gehörten. Er war einfach … beeindruckend. Äußerst beeindruckend.

„Sir … Mr Preda, was kann ich für Sie tun?“ Kate sprang auf und strich sich mit einer Hand den grauen Rock und mit der anderen den strengen Haarknoten glatt.

Alessandro Preda, der lässig am Türrahmen gelehnt hatte, schlenderte in ihr Büro – den einzigen Raum auf diesem Stockwerk, in dem noch Licht brannte. „Erst mal können Sie sich wieder setzen, Kate. Sollte ich irgendwann königlichen Status erwerben, dürfen Sie gerne jedes Mal aufspringen, sobald ich den Raum betrete. Bis dahin ist es aber wirklich nicht notwendig.“

Kate rang sich ein höfliches Lächeln ab und nahm wieder Platz. Alessandro Preda war definitiv ein attraktiver Mann – schlank, muskulös, sonnengebräunt und einfach umwerfend sexy –, aber sie persönlich fand ihn kein bisschen anziehend. Viel zu viele Leute erstarrten vor Ehrfurcht angesichts seines Talents und seines Erfolgs, viel zu viele Frauen verwandelten sich in seiner Gegenwart zu hilflosen kleinen Mädchen, die ununterbrochen kicherten. Alessandro Preda war überheblicher, als ihm guttat. Er war attraktiv, erfolgreich und unwiderstehlich – und das wusste er auch.

Als seine Angestellte blieb Kate jedoch nichts übrig, als zu lächeln und zu hoffen, dass er nicht sehen würde, was sich hinter ihrem Lächeln verbarg.

„Sie brauchen mich auch nicht immer mit ‚Sir‘ anzureden. Habe ich Ihnen das nicht schon mal gesagt?“ Mit seinen dunklen Augen betrachtete er ihr blasses Gesicht, auf dem er noch kein einziges wirkliches Lächeln gesehen hatte, seit sie für sein Unternehmen arbeitete.

„Doch, haben Sie, ähm … Mr …“

„Ich heiße Alessandro. Das hier ist ein Familienunternehmen, und ich gestalte den Umgang mit meinen Mitarbeitern gern locker.“ Als er sich auf ihrer Tischkante niederließ, lehnte Kate sich automatisch ein wenig zurück.

Familienunternehmen? Von wegen, dachte Kate. Es sei denn, seine Familie umfasste mehrere Tausend Mitglieder, die auf der ganzen Welt lebten. „Was kann ich für Sie tun, Alessandro?“

„Ich wollte Cape einige Dokumente bringen. Wo steckt er denn? Und warum halten Sie hier ganz allein die Stellung?“

„Es ist schon nach halb sieben, … ähm, Alessandro. Die anderen sind alle schon vor einer Weile gegangen“, erwiderte Kate stockend.

Er sah auf die Uhr und sagte stirnrunzelnd: „Stimmt. Allerdings hätte ich erwartet, dass zumindest einige meiner sehr großzügig entlohnten Mitarbeiter noch hier sein würden.“ Mit zusammengekniffenen Augen sah er sie an. „Und was tun Sie noch hier?“

„Ich hatte vor, noch ein paar Finanzberichte durchzugehen. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um produktiv zu arbeiten – wenn alle anderen schon Feierabend machen …“

Abwägend sah Alessandro sie an. Was hatte es nur mit dieser Frau auf sich? In den letzten Monaten hatte er mehrfach mit ihr zu tun gehabt und sie als fleißig und gewissenhaft erlebt. George Cape hatte sich für ihre Beförderung eingesetzt. An ihrer schnellen Auffassungsgabe war wirklich nichts zu bemängeln: Kate hatte ein Talent dafür, bei Problemen fast sofort die Ursache aufzuspüren, was im sehr komplexen Finanzbereich nicht gerade leicht war. Ja, sie war wirklich äußerst professionell, doch irgendetwas fehlte.

Ihre grünen Augen wirkten sehr wachsam, der sinnliche Mund war stets zusammengepresst, die Frisur streng und ordentlich. Nachdenklich betrachtete Alessandro die weiße, bis zum Hals zugeknöpfte Bluse mit den langen Ärmeln, mit der Kate ihren Körper geradezu versteckt hielt. Niemand hätte bei Kates Anblick vermutet, dass die Temperaturen draußen hochsommerlich waren. Er hätte wetten können, dass sie eine Strumpfhose trug.

Normalerweise umgab sich Alessandro mit Frauen, die ihre Reize nur allzu gerne zur Schau stellten. Ms Kate Watsons strenge Aufmachung stand dazu in einem krassen Gegensatz. Und genau das reizte seine Neugier.

Als Alessandro das letzte Mal mit ihr zusammengearbeitet hatte – an einer komplizierten Steuersache, mit der sie sich offenbar besser auskannte als ihr in letzter Zeit etwas abwesend wirkender Vorgesetzter George Cape –, hatte er versucht, etwas mehr über sie herauszufinden und ihr ein paar Fragen gestellt, nach ihren Hobbys und Interessen. Sie hatten sich Essen bestellt und höflich geplaudert.

Die meisten Frauen erzählten Alessandro alles über sich, sobald er auch nur einen Funken von Interesse zeigte. Sie blühten dann geradezu auf. Bei Kate Watson keine Spur davon. Sie hatte ihn mit ihren grünen Augen kühl angesehen und die Unterhaltung immer wieder geschickt auf neutrale Themen gelenkt, ohne auch nur das Geringste über sich preiszugeben.

„Sind Sie immer so spät noch hier?“

Alessandro saß nach wie vor auf ihrem Tisch und war ihr somit viel zu nahe. Er nahm einen gläsernen Briefbeschwerer in Form eines Goldfischs in die Hand und drehte ihn zwischen den Fingern herum.

„Nein, natürlich nicht“, versicherte Kate. Aber viel zu oft.

„Nein? Nur heute? Obwohl heute der heißeste Tag des Jahres ist?“

„Ich mag heißes Wetter nicht besonders.“ Sie senkte den Blick und ärgerte sich plötzlich über die leise Kritik, die in seiner amüsierten Stimme mitschwang. „Es macht mich immer so müde.“

„Kein Wunder, wenn man langärmelige Blusen und gestärkte Röcke trägt“, stellte Alessandro fest und legte den Briefbeschwerer wieder hin.

„Sie können mir gerne die Dokumente dalassen, ich werde sie George geben, wenn er in zwei Wochen aus dem Urlaub wiederkommt.“

„Inzwei Wochen! Ich fürchte, die Sache hat leider nicht Zeit, bis Cape uns wieder mit seiner Anwesenheit beehrt.“ Alessandro stand auf, klatschte einen Stapel Papiere auf ihren Tisch, stützte sich auf und neigte sich zu ihr.

„Ich habe Watson Russell gefragt, ob er etwas über die Unregelmäßigkeiten in der Zuliefererkette unserer Freizeitzentren weiß, die an der Küste entstehen. Er sagte, das sei von Anfang an Capes Projekt gewesen. Stimmt das?“

„Ja, ich glaube schon“, antwortete Kate ausweichend.

„Sie glauben das?“, hakte Alessandro nach.

Sie atmete tief ein und versuchte vergeblich, sich nicht von ihm beeindrucken zu lassen. Doch der große muskulöse Mann mit dem tiefschwarzen Haar, der sich so nahe zu ihr beugte, ließ ihr Herz heftig schlagen. Ihr Mund fühlte sich plötzlich ganz trocken an, und ihre Handflächen wurden feucht.

„Er ist für das Projekt zuständig – und zwar allein. Was genau möchten Sie denn herausfinden?“

Alessandro richtete sich auf und begann, durchs Büro zu gehen, in dem es kaum eine persönliche Note gab: keine niedlichen gerahmten Fotos, keine Pflanzen oder originellen Stiftehalter – noch nicht einmal einen Tischkalender mit schönen Meereslandschaften, Kunstwerken, süßen Hündchen oder leicht bekleideten Feuerwehrmännern.

Er schwieg eine Weile, dann schob er sich die Hände in die Taschen und drehte sich zu Kate um. „Durch einen Zufall sind einige Akten bei mir gelandet – vermutlich, weil sie den Stempel ‚streng vertraulich‘ trugen und der Bote dachte, sie seien für die Chefetage gedacht. Ich habe sie überflogen und … hm … gewisse Diskrepanzen entdeckt, die überprüft werden müssen.“

Er konnte natürlich nicht jedes Detail seines riesigen Imperiums selbst im Blick haben und bezahlte seine Angestellten sehr großzügig dafür, dass diese das taten. Bisher hatte Alessandro darauf vertraut, dass sie nicht versuchten, ihn zu hintergehen.

„Es tauchen einige kleine Firmen auf, deren Namen mir nicht bekannt vorkommen“, sagte er. „Ich habe zwar ziemlich viele Firmen, aber in der Regel weiß ich doch, wie sie heißen.“

Kate wurde blass, als ihr die Tragweite seiner Worte bewusst wurde.

„Sie begreifen schnell“, stellte Alessandro anerkennend fest. „Eigentlich wollte ich Cape mit den Akten konfrontieren, aber da er nun nicht da ist, könnten Sie sich diese vielleicht ansehen und die Beweise zusammentragen, die notwendig sind.“

„Notwendig wofür?“ Als ihr Chef erstaunt die Augenbrauen hob, fügte sie errötend hinzu: „George Cape steht kurz vor dem Ruhestand, er hat eine Frau, Kinder und Enkelkinder …“

„Es mag vielleicht verrückt klingen“, sagte Alessandro so gelassen und ironisch, dass sie am liebsten den gläsernen Goldfisch nach ihm geworfen hätte, „aber wenn einer meiner gut bezahlten Angestellten beschließt, meine Großzügigkeit auszunutzen, dann betrübt mich das doch etwas. Natürlich kann ich auch danebenliegen, und es gibt eine ganz einfache Erklärung …“

„Aber falls nicht?“ Gegen ihren Willen beobachtete Kate geradezu fasziniert, wie elegant sich ihr Chef durch ihr kleines Büro bewegte.

„Die Mühlen der Justiz müssen ja auch etwas zu tun haben …“ Er zuckte die Schultern. „Ich übergebe Ihnen jetzt offiziell die Unterlagen, und dann werden Sie sich minutiös hindurcharbeiten. Wie lautet Capes PC-Passwort?“

„Das weiß ich leider nicht.“

„Dann soll sich bitte eins unserer Computer-Genies darum kümmern. Und Sie gehen jedes einzelne der Dokumente durch und melden sich dann außerhalb der regulären Arbeitszeit bei mir“, ordnete Alessandro an. „Ich vermute, dass Cape Geld unterschlägt. Nicht zuletzt, weil er allein für das Projekt zuständig ist.“

Als er vor ihrem Tisch stehenblieb, sah sie widerstrebend zu ihm auf und blickte ihm in das dunkle, markante Gesicht.

„Soweit ich sehen kann, geht es dabei nicht um große Beträge, vielleicht ist das Ganze deshalb bisher nicht aufgefallen. Aber im Laufe der Zeit könnte sich das zu einer stattlichen Geldsumme anhäufen, und wenn Scheinunternehmen im Spiel sind …“

„Es behagt mir gar nicht, dass ich Georges Arbeit überprüfen soll“, gab Kate ehrlich zu. „Ich finde ihn sehr nett, und er war immer so freundlich zu mir. Ohne ihn wäre ich bestimmt nicht so schnell befördert worden …“

„Wenn Sie sich weiter so für ihn ins Zeug legen, glaube ich am Ende noch, dass Sie Bescheid wussten“, warnte Alessandro sie.

„Nein“, entgegnete sie kühl und sah ihm in die Augen, ohne zu blinzeln. „Ich würde niemals jemanden um etwas betrügen. So bin ich nicht.“

Alessandro wurde hellhörig. Eigentlich hatte er nur mit George Cape reden und dann das Büro verlassen wollen. Er hatte keine Verabredung und bedauerte das auch nicht. Seine letzte Affäre mit einer blonden Sexbombe hatte den üblichen Abschluss gefunden, und er hatte nichts dagegen, sich eine kleine Auszeit vom schönen Geschlecht zu nehmen. Ms Kate Watson verkörperte all das, worum er bei Frauen einen großen Bogen machte: Sie war kühl, distanziert und kratzbürstig – und sie lächelte nie. Außerdem machte sie ununterbrochen deutlich, dass sie nur hier war, um ihre Arbeit sehr gut zu machen. Aber dieser eine Satz: „So bin ich nicht.“ hatte ihn zum Nachdenken gebracht. Wie war sie denn eigentlich?

Alessandro beschloss, später noch einmal auf Kates ungewöhnliche Bemerkung zurückzukommen. An diesem Freitagabend hatte er jedenfalls nichts vor, was sehr selten vorkam. Er zog einen Stuhl an ihren Schreibtisch und setzte sich, die langen Beine mit gekreuzten Knöcheln ausgestreckt.

Kate wirkte fast entsetzt. „Ich wollte gerade gehen“, sagte sie hastig. „Können wir vielleicht Montagmorgen weiterreden? Ich bin meistens schon um halb acht da.“

„Sehr lobenswert. Wirklich herzerwärmend, dass zumindest eine Person in der Finanzabteilung nicht ständig auf den Feierabend lauert.“

„Sie haben doch bestimmt noch etwas vor, Sir … Alessandro. Ich werde die Unterlagen mit nach Hause nehmen, sie mir am Wochenende ansehen und Ihnen dann am Montag berichten, was ich herausgefunden habe“, schlug sie vor.

„Ich habe vorgeschlagen, dass wir die Sache außerhalb der normalen Arbeitszeit besprechen, damit wir erst mal keine Aufmerksamkeit erregen. Selbstverständlich würde ich Sie für die Überstunden gut bezahlen.“

„Darum geht es nicht“, erwiderte Kate ein wenig steif. Sie hielt den Blick fest auf sein Gesicht gerichtet, nahm jedoch seine lässige Pose, die langen Beine und die Muskeln unter seinem weißen Hemd ebenso deutlich wahr wie seinen sonnengebräunten Hals und seine muskulösen Unterarme. Alessandro machte sie auf eine Art und Weise nervös, wie sie es bei anderen Männern nie erlebt hatte. Er strahlte etwas sehr Ursprüngliches, Aggressives aus, das sie schon seit ihrem ersten Arbeitstag durcheinanderbrachte.

Es gefiel ihr gar nicht, wie heftig ihr Körper auf Alessandro reagierte, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Bereits als Kind hatte Kate gelernt, wie wichtig Selbstbeherrschung war: Man musste seine Gefühle, seine Finanzen, sein ganzes Leben unter Kontrolle haben. Ihre Mutter hatte keinerlei Beherrschung besessen: Mit achtzehn hatte Shirley Watson sich den frivolen Namen Lilac gegeben und das dazu passende Leben geführt: als Pole-Dancer, Kellnerin in einer Cocktailbar und Pin-up für Herrenmagazine. Die zierliche bildhübsche Blondine hatte die Geschenke aktiv eingesetzt, die Mutter Natur ihr gemacht hatte.

Kate wusste nur wenig über die Vergangenheit ihrer Mutter: dass sie in einer Pflegefamilie aufgewachsen war und nie Beständigkeit und Geborgenheit gekannt hatte. Lilac hatte immer darauf gehofft, dass die Männer, mit denen sie schlief, sie wirklich liebten.

Kates Vater war kurz nach ihrer Geburt verschwunden und hatte der erst einundzwanzigjährigen Lilac das Herz gebrochen. Später hatte sie zweimal geheiratet, sich aber bald wieder scheiden lassen. Und immer hatte sie versucht, die große Liebe zu finden, doch die meisten Männer begehrten nur ihren Körper. Lilac war intelligent, doch sie verbarg ihre Intelligenz. Denn, wie sie Kate einmal anvertraut hatte: Männer wollten keine kluge Frau.

Kate liebte ihre Mutter sehr, doch ihre Schwächen waren ihr schmerzlich bewusst. Schon als kleines Mädchen hatte sie beschlossen, nicht dieselben Fehler zu machen. Dabei kam ihr zugute, dass sie groß und dunkelhaarig war und nicht den offensichtlichen Sex-Appeal ihrer Mutter besaß. Ihre körperlichen Reize verbarg sie bestmöglich. Und was Männer betraf …

Ein Mann, der sie wegen ihres Körpers wollte, kam nicht in Frage. Auf keinen Fall würde sie in dieselbe Falle tappen wie ihre Mutter! Kate setzte auf ihre Intelligenz, und das war schwer genug. Während ihrer Schulzeit war sie ständig umgezogen und hatte nie gewusst, was sie erwartete, wenn sie nach Hause kam. Zum Glück hatte ihre Mutter nach der Scheidung von ihrem zweiten Ehemann genug Geld bekommen, um sich ein kleines Haus in Cornwall kaufen zu können. Doch Kate wollte sich nicht darauf verlassen, dass auch sie so ein Glück haben würde. Stattdessen würde sie ganz und gar auf eigenen Beinen stehen und für sich selbst sorgen. Und sollte sie sich jemals verlieben, dann in einen Mann, der ihre Intelligenz zu schätzen wusste und keine Angst hatte, sich zu binden – jemand, der sich nicht nur wegen Äußerlichkeiten mit einer Frau einließ.

Bisher war dieser Musterknabe zwar noch nicht aufgetaucht, doch deswegen würde Kate sich noch lange nicht von einem Mann ablenken lassen, der genau dem Typ entsprach, den sie verachtete. Aber warum verspürte sie dann immer so ein Brennen im ganzen Körper, wenn sich Alessandro Preda in ihrer Nähe aufhielt? Und jetzt redete er auch noch davon, dass sie sich außerhalb der Arbeitszeit treffen sollten.

„Wenn es nicht um die Bezahlung geht, worum dann?“, fragte er sie jetzt. „Haben Sie so ein ausgefülltes Privatleben, dass Sie die Zeit nicht erübrigen können?“ Er ließ den Blick umhergleiten und betrachtete dann wieder ihr blasses Gesicht.

Kate senkte den Blick und zwang sich, ruhig zu bleiben.

„Sie wollten ja gerade aufbrechen …“ Lässig schlenderte Alessandro zur Tür, lehnte sich gegen den Rahmen und blickte Kate an. „Ich werde Sie nach unten begleiten. Oder besser: Ich fahre Sie nach Hause.“

Nervös stand sie auf, rang sich ein Lächeln ab und räumte ihren ohnehin schon sehr ordentlichen Schreibtisch auf.

„Wie lange sind Sie schon hier?“

Verwirrt sah Kate ihren Chef an. „Wo? In Ihrem Unternehmen? In London?“

„In diesem Büro.“

Kate blickte sich in dem gepflegten Raum um – dem sichtbaren Beweis dafür, wie weit sie schon gekommen war. Sie war sehr froh über ihr Einkommen, das sie weiter auf ihrem Weg in Richtung finanzieller Sicherheit brachte. Ihre Mutter hatte gefragt, ob sie sich bei ihrem nächsten Besuch in London ihren Arbeitsplatz ansehen könne. Kate hatte dieses Vorhaben taktvoll und ein wenig beschämt im Keim erstickt.

Lilac Watson, die noch keine fünfzig war, stellte mittlerweile ihre körperlichen Reize weniger offensiv zur Schau. Doch in dieses exklusive Umfeld passte sie einfach nicht. Das hier war Kates Welt, die sie sich hart erkämpft hatte. Ihre Mutter hatte ein eigenes Leben in Cornwall, weit weg und losgelöst von ihrem.

Sie schob ihren Laptop in eine Ledertasche und griff nach der grauen Jacke, die über der Stuhllehne hing.

Graue Jacke, grauer, wadenlanger Rock, flache Pumps und eindeutig Strumpfhosen, keine Strümpfe. Es war unmöglich zu erkennen, was für eine Figur sich unter diesem sittsamen Outfit verbarg. Und warum sah Alessandro sie überhaupt so genau an? Er wusste es nicht. „Also. Wie lange sind Sie schon in diesem Büro?“

Kate runzelte die Stirn. „Etwas über ein halbes Jahr. Zunächst, weil ich noch spät Arbeit für sehr große Kunden erledigt habe und George meinte, eine ruhige Umgebung sei besser dafür. Und dann wurde es mir bei meiner Beförderung dauerhaft angeboten.“ Sie nahm die Laptoptasche, hängte sich eine weitere Tasche um und strich sich den Rock glatt. „Danke für das Angebot, mich nach Hause zu bringen, aber ich fahre lieber mit der U-Bahn, weil ich unterwegs noch einige Dinge besorgen muss.“

„Was denn für Dinge?“

„Ich … etwas zu essen“, antwortete sie ruhig, aber er merkte, dass sie leicht gereizt war.

Das war Alessandro nicht gewohnt, und er war über seine Reaktion ebenso erstaunt wie über seine Neugier in Bezug auf das, was sich unter ihrer Kleidung verbarg.

„Kein Problem“, wischte er ihren Einwand beiseite. „Ich habe Jackson, meinen Chauffeur, schon nach Hause geschickt und werde meinen eigenen Wagen nehmen. Dann können Sie Ihre Einkäufe einfach in den Kofferraum packen, anstatt sie zu Fuß nach Hause zu tragen.“

Erstaunt stellte er fest, dass sie ihn fast erschrocken ansah. Warum lehnte sie seinen Vorschlag ab, sie nach Hause zu fahren?

„Wir sollten gemeinsam entscheiden, wie wir mit der etwas heiklen Angelegenheit um George Cape umgehen werden.“