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Wenn sein eiskaltes Herz plötzlich wegen ihr in Flammen steht …
Der prickelnde Auftakt einer mitreißenden Mafia Romance-Dilogie im Kampf zwischen rivalisierenden Clans
Jade und Samira könnten nicht unterschiedlicher sein, trotzdem kann die beiden Frauen nichts trennen. Obwohl Jade die Tochter reicher Eltern ist, lässt sie sich Samira zuliebe auf ein verlockendes Jobangebot auf einem Kreuzfahrtschiff ein. Doch auf ihrer Reise durch den Pazifischen Ozean kommt alles anders als gedacht. Plötzlich finden sie sich mitten unter der Mafia-Elite wieder, aber anstatt gemeinsam zu fliehen, verschwindet Samira ohne ein Wort. Außer sich vor Sorge, setzt Jade alles daran ihre beste Freundin zu finden und landet auf der Insel der Verdammten: Limanossa. Dort lernt sie den geheimnisvollen Balian kennen. Obwohl sie weiß, dass sie sich lieber von ihm fernhalten sollte, scheint das verstoßene Mitglied des Mafia-Clans ihre einzige Rettung zu sein. Doch kann sie Balian wirklich vertrauen oder lockt er sie in die dunkle Welt des Verbrechens?
Erste Leser:innenstimmen
„Talina Leandro versteht es meisterhaft, Spannung und Romantik zu vereinen.“
„Besonders die Beziehung zwischen Jade und Balian hat mich tief berührt – sie beginnt als erzwungene Verbindung und entwickelt sich zu einer kraftvollen Liebesgeschichte.“
„Die Geschichte von Jade und Samira ist eine perfekte Mischung aus Abenteuer und Romantik.“
„Ein Abenteuer voller Leidenschaft und Intrigen!“
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Seitenzahl: 407
Jade und Samira könnten nicht unterschiedlicher sein, trotzdem kann die beiden Frauen nichts trennen. Obwohl Jade die Tochter reicher Eltern ist, lässt sie sich Samira zuliebe auf ein verlockendes Jobangebot auf einem Kreuzfahrtschiff ein. Doch auf ihrer Reise durch den Pazifischen Ozean kommt alles anders als gedacht. Plötzlich finden sie sich mitten unter der Mafia-Elite wieder, aber anstatt gemeinsam zu fliehen, verschwindet Samira ohne ein Wort. Außer sich vor Sorge, setzt Jade alles daran ihre beste Freundin zu finden und landet auf der Insel der Verdammten: Limanossa. Dort lernt sie den geheimnisvollen Balian kennen. Obwohl sie weiß, dass sie sich lieber von ihm fernhalten sollte, scheint das verstoßene Mitglied des Mafia-Clans ihre einzige Rettung zu sein. Doch kann sie Balian wirklich vertrauen oder lockt er sie in die dunkle Welt des Verbrechens?
Erstausgabe August 2024
Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten
E-Book-ISBN: 978-3-98637-531-7 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98998-080-8
Covergestaltung: Talina Leandro Unter Verwendung von Motiven von Adobe Firefly Lektorat: Daniela Höhne
E-Book-Version 08.10.2024, 11:37:08.
Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.
Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
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Für alle, denen der Dschungel nicht wild genug ist.
Diese Geschichte ist nichts für zart besaitete Leser*innen, die ein Buch zum Abschalten suchen. Sobald du das Boot des gefürchteten Darmawan-Syndikats und den Dschungel Javas betrittst, wird dir beim Lesen öfter der Atem stocken, als dir vielleicht lieb ist. Du wirst schonungslos mit Gewalt, expliziter Sprache und spicy Szenen mit BDSM-Einflüssen konfrontiert, wie es in diesem Genre nicht unüblich ist. Wenn das nicht dein Ding ist, dann tu dir selbst einen Gefallen, schlag das Buch zu und greife nach einem schnuckeligen Liebesroman.
Es werden folgende Themen behandelt:
Mord: Beschreibungen von Tötungen und Gewaltverbrechen können vorkommen.
Blut: Szenen mit Blutvergießen und blutigen Verletzungen sind Teil der Handlung.
Mafia: Die Handlung beinhaltet Elemente der organisierten Kriminalität und Mafiastrukturen.
Tod und Trauer: Der Verlust von geliebten Menschen durch Gewalt oder andere tragische Umstände kann eine tiefe emotionale Reaktion hervorrufen.
Krankheit: Es gibt Szenen, die von schwerer Krankheit gezeichnet sind und in einem Krankenhaus stattfinden. Hilflosigkeit und Trauer sind ebenfalls Begleiter dieser Szenen.
Gewalt: Darstellungen von physischer und emotionaler Gewalt können vorkommen.
Schwangerschaft: Die Handlung kann Themen rund um Schwangerschaft und damit verbundene Herausforderungen enthalten.
Sex: Explizite Szenen von intimen Beziehungen und sexuellen Handlungen sind Teil des Romans. Hierbei wird wirklich detailliert beschrieben.
BDSM: Ein Hauch von BDSM liegt auch in diesem Buch in der Luft, da Amir ein ziemlich dominanter Charakter ist – auch im Bett. Da Samira dies genießt, ist alles in Ordnung. In der Wirklichkeit sollten Rollen wie Dom und Sub immer geklärt sein, damit der Sex einvernehmlich ist. Darauf wurde meinerseits in diesem Buch sehr geachtet.
Derbe Sprache: Es wird eine sprachliche Ausdrucksweise verwendet, die als vulgär oder grob empfunden werden kann. Diese gehört zum Standardvokabular in der Mafia-Szene.
Fesseln: Es kommen Szenen vor, in denen Personen gefesselt werden oder Fesselspiele eine Rolle spielen.
Entführung: Die Handlung der Geschichte beinhaltet Situationen von Entführung oder erzwungener Gefangenschaft.
Bitte lies diesen Roman mit Vorsicht, insbesondere, wenn du empfindlich auf eines oder mehrere dieser Themen reagierst. Es ist wichtig, auf deine mentale und emotionale Gesundheit zu achten. Ich möchte nicht, dass du im Nachhinein von diesem Buch enttäuscht bist, nur weil du die Trigger ignoriert hast.
Mach dir bewusst, was beim Lesen auf dich zukommt. Diese Geschichte ist reine Fiktion. Alle Personen und Handlungen sind frei erfunden.
Meine Warnungen schrecken dich nicht ab, sondern machen dich neugierig? Dann gratuliere ich
Hier ist deine Bordkarte.
Deine Talina
Garden City Movement – Terracotta
Txtrica – Forever Bound
LONOWN – AVANGARD
Snow Banks – Sink or swim (Barnacle Boi Remix)
Tate McRae – Greedy
Melii – No Simple Chick
OneRepublic – Mirage
Dutch Melrose - Rush
DaniLeigh feat. Chris Brown – Easy
Isabel LaRosa – I’m Yours
Chris Grey, PLVTINUM & Dutch Melrose – Jennifer’s Body
Ya Levis – Nakati
Txtrica – Devil in a red Dress
Chris Brown – Angel Numbers / Ten Toes
Khalid – Eleven
H.E.R. – Come Through
DM219 – U N I
Metaform – Electric Eyes
Aryabeats – High
Solo – Future
Tory Lanez – In for it
The Weeknd – The Party & The After Party
Nur Dunkelheit und Kälte sind bei mir in dieser Einsamkeit. Ich weiß nicht, wie spät es ist. Das flaue Gefühl in meinem Magen macht mich wahnsinnig. Seit gestern Abend darf ich nichts essen oder trinken, und muss seit Stunden in dem Verlies ausharren, in das wir Kinder des Darmawan-Syndikats gesteckt werden, wenn wir Ungehorsam sind. Dabei wollte ich nur ein Bild malen. Mir war nicht bewusst, dass ich die Farben Pink und Lila nicht anrühren darf – nur, weil ich ein Junge bin. Warum lässt Vater zu, dass man mich so hart bestraft? Wenn ich irgendwann Kinder habe, werde ich nie zulassen, dass ihnen so etwas angetan wird. Ich wollte nur ein Bild für meine Mutter malen, um es auf das Grab zu legen. Der neue Ort, wo sie jetzt ist. Sie würde sich bestimmt darüber freuen.
Nun sitze ich hier. Allein. Und nach einhundert Schlägen durch unsere Erzieherin. Jeden davon musste ich laut mitzählen – mit acht kann ich das schon gut. Kraftlos schaue auf meine gefesselten Arme. Mein Körper ist schon so geschunden, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie ich in ein paar Jahren aussehen werde.
Die Frau, die uns Jungen vom Syndikat betreut, ist ein böser Mensch. Da die Mädchen von uns getrennt sind, frage ich mich, ob auch sie zu bösen Frauen werden. Oder sind sie alle einfach so böse? Die einzige Frau, die gut zu mir war, ist tot – meine Mutter.
Wasser gluckert laut in den Rohren und treibt mein Durstgefühl weiter an. Gelegentlich vernehme ich das Quieken der Ratten und würde mich am liebsten vor ihnen verstecken. Sie beißen und machen einen krank.
Die Kälte lässt mich zittern, denn ich kann nicht vom Stuhl aufstehen und mich warmlaufen. Meine Hände sind an die Armlehnen gefesselt und meine Fußgelenke an den Stuhlbeinen. Ich habe Angst und fühle mich allein.
„Hey! Pssst! Lacrima!“, ruft eine leise Stimme und kurz darauf sehe ich den schwachen Schein einer Taschenlampe. „Ich hab dir was zu essen mitgebracht.“
Erleichtert blicke ich auf. „Danke, aber ich habe keine Hand frei … Sind die anderen auch da?“
„Nein. Ich bin allein. Die anderen bewachen den Kellereingang.“
Auf unseren Geheimclub ist immer Verlass.
„Ich habe dir meinen Nachtisch aufgehoben. Schau mal.“
Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, als Balian ein Snickers aus der Hosentasche zieht und den Riegel aus der Verpackung schiebt.
„Mund auf.“
Sofort öffne ich die Lippen und rieche die herrlich duftende Schokolade. Mir schießen Tränen in die Augen, als ich hineinbeiße und den Riegel gierig verschlinge.
„Du musst noch etwas trinken. Hier. Schnell.“ Aus der anderen Hosentasche zieht er eine kleine Wasserflasche, öffnet den Deckel und gibt mir zu trinken.
Wohltuend rinnt das Wasser meinen Hals hinab und löscht das Brennen in meiner Kehle. „Danke. Du bist echt mein bester Freund, Balian.“
„Und du bist meiner.“ Lächelnd legt er die Hand auf meine Schulter. „Sie werden sicher bald kommen, um dich rauszulassen. Ich muss jetzt wieder los, bevor sie mich erwischen.“ Er nickt mir zu und ich sehe ihm nach, wie er durch das Gitter huscht. Lautlos umgreifen seine Finger die Eisenstangen und ziehen sie zu.
„Danke“, flüstere ich und sehe zu, wie er langsam in der Dunkelheit verschwindet.
Er lässt mich nie im Stich.
Wir werden für immer beste Freunde sein.
Indischer Ozean
Knarrendes Holz – unsanftes Schaukeln. Eine salzige Brise liegt in der Luft und der Wind peitscht mir unaufhörlich ins Gesicht. Die Sonne ist vor wenigen Minuten untergegangen – zeitgleich ist ein fieser Wetterumschwung gekommen. Der Fischerkahn klatscht immer wieder mit voller Wucht auf die stürmische See. Es ist düster. Das Firmament hat sich mit grummelnden Wolken zugezogen. Jeden Augenblick könnte es krachen. Möwen ziehen ihre Kreise am dunklen Himmel wie Geier, wenn sie Aas erspähen. Ein vortrefflicher Vergleich, denn ich fühle bereits den nahenden Tod. Wehrlos, mit auf dem Rücken gefesselten Händen, sitze ich in dem Kahn, habe die Beine angezogen und bin meinem Schicksal ausgeliefert. Einem Schicksal, das mich zu Unrecht ereilen wird. Schweiß rinnt mir über die Stirn, was weniger mit dem tropischen Klima, sondern viel mehr mit dem zu tun hat, was mich erwartet.
Meine Strafe.
Ich bin unschuldig. Doch davon möchte hier niemand etwas hören.
Amir sitzt mir gegenüber und sieht mich ausdruckslos an.
Ein Blitz zuckt hinter ihm über den schwarzen Himmel und wird schon wenige Sekunden später von krachendem Donner abgelöst.
Die beiden Männer, die hinter Amir den Kahn lenken, liegen im Schatten verborgen.
Neben Amir liegt ein kleiner grauer Koffer aus Hartplastik, doch diesem schenkt er keine Beachtung – er sieht nur mich an. Seine markanten und doch engelsgleichen Züge trügen heute ganz besonders. In den vielen Jahren, die wir uns kennen, war er nicht ansatzweise so grausam wie in den letzten zwei Wochen. Jemand hat die Darmawan beschissen und dann meinem alten Herrn und mir feige alles in die Schuhe geschoben, um die eigene Haut zu retten. Ich habe keine Ahnung, wer der Drahtzieher des Ganzen ist – wer uns loswerden will –, aber ich habe keine Gelder aus Waffendeals an Zarnu vorbeigeschmuggelt, verdammt! Und ich habe auch nicht versucht, es Amir anzuhängen! Die Indizien sprechen eindeutig gegen meinen Vater und mich. Über ihn wurde bereits gerichtet. Er wurde nicht einmal angehört. Und nun muss mein Vater sterben, elendig und langsam. Seine Strafe war nicht nur das Exil auf Limanossa, sondern die Injektion eines langsam wirkenden Giftes, das ihm binnen weniger Wochen einen qualvollen Tod bereiten wird. Es gibt kein bekanntes Gegengift, denn die Darmawan selbst haben diese grausame Waffe in ihren geheimen Laboren entwickelt. Dieses Gift, das nach und nach die Organe des Betroffenen befällt, ist nur eine von vielen Grausamkeiten, die dort erdacht werden. Hauptsächlich werden dort jedoch Drogen hergestellt, die die Mitglieder des Syndikats im großen Stil an den Mann bringen. Ich selbst habe schon einige Deals damit abgewickelt, es jedoch nie gewagt, diese Drogen selbst zu probieren. „Crystal Meth ist ein Scheiß dagegen“ – das habe ich aus den engeren Kreisen über dieses Zeug gehört. Neben Zarnu, unserem Anführer, existiert nur eine Handvoll Menschen, die um die genauen Standorte der Labore weiß. Das hat zur Folge, dass diese Gifte und Drogen von niemandem näher erforscht werden können, es allerdings schon zahlreiche Tote gibt.
Eine Welle schlägt hart gegen das Boot, sodass ich ziemlich nass werde. Doch das ist nicht unangenehm, obwohl die Wassertemperatur recht niedrig ist.
„König Triton ist heute wohl auch ein kleiner Miesepeter, was? Hey, jetzt mach ein anderes Gesicht. So eine tolle Bootstour erlebt man nicht alle Tage.“ Amir grinst abfällig und flüstert dem breiten Kerl neben sich etwas ins Ohr.
Fieberhaft überlege ich, wie ich mich aus dieser misslichen Lage befreien könnte, doch es ist aussichtslos. Harter Strick schneidet bei jeder Bewegung tiefer in meine Handgelenke, die Amir zuvor hinter meinem Rücken zusammengenommen hat. Ich könnte ihn jetzt anbetteln, er solle mich verschonen, doch ich will kein Wort mehr mit diesem Bastard sprechen. Das, was er meinem Vater auf Zarnus Befehl hin angetan hat, ist unverzeihlich. Schließlich hat mein alter Herr sich sein Leben lang um Amir gekümmert – im Gegensatz zu seinen eigenen Eltern. Mir ist immer noch schleierhaft, wie mein Vater in so eine Misere geraten konnte. Er hat nie mit mir darüber gesprochen. Unzählige Male habe ich mich gefragt, ob er Feinde hatte. Hat er sich ohne mein Wissen in Sachen eingemischt, aus denen er sich hätte raushalten sollen und so den Unmut des Drahtziehers auf sich gelenkt? Er müsste es doch besser wissen. Schließlich ist er schon länger als ich Teil des Darmawan-Syndikats und sogar ich weiß es. Bei uns gibt es eine Regel: Brichst du den Kodex, renn um dein Leben. Dieser Kodex ist einer der ersten Dinge, die Neulinge eingebläut bekommen. Amir und ich konnten ihn bereits im Alter von dreizehn Jahren runterbeten:
1. Ehre unseren Anführer Zarnu.
2. Respektiere jeden, der über dir steht.
3. Das Blut jedes Mitglieds des Darmawan-Syndikats ist dein Leben wert.
4. Loyalität, Ehrlichkeit und Schuldbegleichung sind nicht verhandelbar.
5. Die Frau eines Darmawan darf von niemand anderem berührt oder mit lüsternen Gedanken angesehen werden.
6. Berichte über jede Außerplanmäßigkeit werden unverzüglich Zarnus Beratern mitgeteilt.
7. Das Darmawan-Syndikat ist deine einzige Familie.
8. Verrat kostet ein Leben.
„Wir wären dann soweit.“ Amir unterbricht meinen inneren Monolog. Er erhebt sich, streicht die Hose seines schwarzen Anzugs glatt, die vom Sitzen Falten geschlagen hat, und greift nach dem Koffer. Seine tätowierte Hand hält den Griff fest umschlossen. „Rate mal, welche nette Überraschung ich dir mitgebracht habe, mein Freund.“
„Du wagst es wirklich, dieses Wort noch in den Mund zu nehmen? Freund?“ Abfällig spucke ich ihm vor die Füße und werfe ihm einen vernichtenden Blick zu. Unsere Freundschaft ist einen Dreck wert, seit er meinen Vater zum Tode verurteilt hat. „Du bist so ein verdammter Wichser! Du hast keine Eier, nach der Wahrheit zu suchen! Du weißt genau, dass weder mein Vater, noch ich das Syndikat betrogen haben! Jemand hat uns das alles in die Schuhe geschoben!“ Ich hole tief Luft, denn die Bilder, die mich vor meinem inneren Auge ereilen, sind brutaler, als ich es ertragen kann. „Weil du lieber die Augen verschließt, muss mein Vater auf bestialische Weise sterben. Weil du ein mieser Verräter unserer Freundschaft und ein neidischer Feigling bist!“
„Pah! Neidisch. Worauf?“
„Darauf, dass ich mit meinem Vater immer noch Familie habe und du nicht. Dass du wirklich glaubst, dass er oder ich Zarnu so hintergehen könnten … ist unfassbar! Das habe ich nie getan und würde ich nie tun! Warum glaubst du mir nicht, verdammt?! Du kennst mich doch!“
Amir, der seit Kindertagen mein bester Freund war, zögert, bevor er wieder spricht. „Du kennst die Regeln“, antwortet er emotionslos und ignoriert meinen letzten Kommentar.
„Mir sind die Regeln mehr als bekannt. Dir auch, oder? Du solltest nicht richten, ohne die Wahrheit zu kennen!“ Es ist die blanke Machtlosigkeit, die wie Gift meinen Lippen entweicht.
Unbeeindruckt nickt Amir einem der Männer zu, die sich mit uns im Kahn befinden. Einer von ihnen klettert zu mir herüber. Der Fettsack sorgt für ein noch heftigeres Schaukeln. Er hakt sich bei mir ein und reißt mich hoch. Ich bin kein Schwächling und durch das viele Krafttraining weiß Gott nicht schlecht gebaut, doch mit auf dem Rücken gefesselten Händen habe ich schlechte Karten.
Amir nickt ihm zu.
Der Kerl verpasst mir eine Kopfnuss.
Kurz sehe ich verschwommen und nehme den stechenden Schmerz erst einen Wimpernschlag später richtig wahr.
Mein ehemals bester Freund lächelt zufrieden.
Ich schüttele den Kopf, um wieder klar denken zu können. Durch zwei Strähnen meiner Haare, die mir bis zum Nacken reichen, fixiere ich den Mann, der sich von meinem engsten Vertrauten zu meinem größten Feind gewandelt hat.
Etwas Warmes, Nasses rinnt mir vom Haaransatz und schließlich an meiner linken Schläfe hinab. Kurz ereilt mich heftiger Schwindel, sodass ich wegknicke, mich aber schnell wieder fange und aufrichte. Auf den Holzboden des schwankenden Bootes tropft zu meinen Füßen frisches Blut.
Amir lacht dunkel und ich frage mich, wie ein Mensch sich zu solch einem skrupellosen Monster entwickeln kann.
„Irgendwann wird Zarnu alles erfahren. Die Wahrheit kommt immer raus. Früher oder später. Dann wirst du an meiner Stelle stehen, weil du mir verwehrt hast, die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen! Und glaube mir, auf diesen Tag freue ich mich.“
„So? Tust du das?“ Amir schmunzelt und reibt sich den gestutzten Bart. „Ich denke, dazu wird es nicht kommen.“
„Wird es, Amir. Zarnu bekommt alles raus. Glaubst du, er wird nicht nachforschen, wenn die Betrügereien weitergehen? Weder ich noch mein Vater haben mit der Sache zu tun! Und erst recht nicht, um es dann dir in die Schuhe zu schieben! Denk doch mal nach, verdammt!“ Ich versuche, stark zu bleiben, doch der nahende Tod ist mir gewiss und lässt mich hart schlucken.
„Halts Maul! Ich will nichts mehr aus deinem verlogenen Mund hören!“
„Und das war’s jetzt?“
„Glaubst du, ich will dich umbringen?“ Amir kneift seine Augen zusammen, sodass sie dank seiner ausgeprägten Schlupflider fast verschwinden. Dann lacht er plötzlich auf. Verhöhnt er mich?! „Du glaubst wirklich, dass ich es dir so einfach machen werde?“ Er lacht dem Gorilla neben mir zu. „Hast du das gehört, Rico?“
Der Gorilla und die schattenhaften Gestalten, die hinter ihm den Kahn durch die Wellen lenken, lachen aufgesetzt mit.
Amir öffnet den Koffer und nimmt eine Manschette heraus. „Das ist eine Fußfessel der besonderen Art. Für meinen besonderen Freund.“ Mit dem Finger fährt er über die dunkle Manschette. „Aus Stahl gefertigt, mit einem Bewegungssensor und GPS. Damit ich immer weiß, wo mein Verräter-Freund gerade ist. Doch das Beste kommt noch.“ Er grinst höhnisch und ich kann den Teufel in seinen Augen sehen. „Das besondere Feature ist der eingebaute Sprengsatz.“ Er sieht zu einer nahegelegenen Insel hinüber. Die Insel der Verbannung. „Limanossa ist jetzt dein neues Zuhause, Balian. Da kannst du deinem alten Herrn beim Sterben zusehen – vorausgesetzt, du schaffst es bis an Land. Und wenn du vorhast, diese Insel zu verlassen, kannst du das gern tun … Aber die Explosion wird gigantisch. – Glaub mir.“ Mit der freien Hand, die er vor sich haltend erst zur Faust ballt und dann schlagartig die Finger spreizt, untermauert er seine Aussage. „Zehn Kilometer Radius von Anwesen Lishia lasse ich dir. Aber keinen Meter mehr.“ Amir lächelt finster. „Sieh es mir nach, dass ich dich dort nicht besuchen werde. Es gibt gewisse Differenzen, wie du weißt. Aber ich werde ganz bestimmt jeden Tag an dich denken.“ Sein höhnischer Blick provoziert mich bis aufs Blut. „Ob es sehr unansehnlich wird, wenn deinem Daddy bald nach und nach die Organe platzen? Das wird bestimmt eine fiese Sauerei. Du musst mir unbedingt davon berichten.“
Das reicht! „Du elender Bastard!“ Ich reiße mich vom Gorilla los und stürme auf diesen Wichser zu. Doch plötzlich werde ich zurückgerissen.
„Nicht so eilig!“ Der Gorilla hat mich wieder fest im Griff.
Eine Hand greift nach meinem Fußgelenk und legt mir die Fessel an.
Es klickt.
Mein Schicksal ist besiegelt.
Amir schnalzt tadelnd mit der Zunge. „Na, na, na. Kein Grund, die Beherrschung zu verlieren, Balian.“ Er nickt dem Affen hinter mir zu, der mich an den Rand des Bootes drängt.
„Eines will ich noch von dir wissen, Amir.“
Er strafft die Schultern, legt den Kopf schief und durchbohrt mich fast mit seinem raubtierhaften Blick. „Ich bin ganz Ohr.“
„Erst mein Vater, jetzt ich … Sag mir: Warum hast du solche Angst vor der Wahrheit? Du weißt, wer es in Wirklichkeit war, habe ich recht?“
Amirs linke Braue zuckt. Das tut sie immer, wenn er nervös wird. Ich kenne ihn lange genug, um das zu deuten. „Warum gibst du es nicht einfach zu?“
Er lässt die Finger knacken und packt mich am Kragen. Dabei blitzt Wut aus seinen Augen. „Weil du ein verdammter Egoist bist, der den Hals nicht voll genug bekommt! So warst du schon immer! Hast du eine Ahnung, was du damit angerichtet hast, den Verdacht auf mich zu lenken?! Eine Woche hat man mich weggesperrt! Ins Detail brauche ich wohl nicht zu gehen.“
„Das habe ich nicht!“
„Natürlich nicht.“ Amir lacht ungläubig auf. „Hast dich immer für den Besseren von uns gehalten! Prinz Charming.“ In seinem Gesicht braut sich ein Gewitter zusammen. „Der mit dem besonderen Charisma, der mit dem meisten Geld, der mit den härtesten Muskeln und der mit den schöneren Frauen. Ein verdammt genialer Ganove und trotzdem Schwiegermamas Liebling. Du bist so verlogen! Und du willst über Jahre wie ein Bruder für mich gewesen sein? Du bist ein Verräter!“ Der abfällige Ton, mit dem er diese Worte spricht, untermauert seine blinde Wut auf mich. Hat er mich wirklich immer so gesehen? Nein. Garantiert nicht.
„Wir hatten es beide nie leicht“, verteidige ich mich und vergesse für einen Moment meinen Zorn. „In meinen Augen habe ich uns immer als gleichwertig angesehen.“ Das Bild meines Vaters schleicht sich in mein Bewusstsein und schon ist meine Wut auf Amir wieder da. Abschätzig sehe ich an ihm herab. „Bis jetzt.“
„Nun ist es genug, mein Freund! Auf Nimmerwiedersehen. Wenn du es lebend bis zur Insel schaffst, hast du dir wenigstens noch meinen Respekt verdient.“ Amirs grausames Lachen ist das Letzte, das ich wahrnehme, bevor ich ins Wasser gestoßen werde und die Dunkelheit mich einhüllt.
Portland, USA
Vier Monate später …
Die Sonne steht in leuchtendem Orange längst tief am Himmel, als ich – wieder einmal viel zu spät dran – durch Portlands Straßen hetze. Aber schneller war es mir nicht möglich, mich von meinem mäßig gut bezahlten Job als Babysitter loszureißen. Lauren wollte um Punkt acht Uhr zu Hause sein. Jetzt ist es zwanzig vor zehn und Jade wartet bereits seit einigen Minuten auf mich. Ich hatte nicht einmal Zeit, um mich ein bisschen schick zu machen – schließlich wollen wir heute Abend feiern. Gründe genug haben wir ja: Jade hat ihr Jurastudium erfolgreich absolviert und ich meines in Kunst. Nur was ich damit anfange, weiß ich noch nicht. Ich bin Mitte zwanzig und habe keine Ahnung, wie mein Leben weitergehen soll. Im Gegensatz zu Jade, deren Eltern ihr schon vor Wochen eine Anstellung in einer Kanzlei verschafft haben, stehe ich immer noch mit leeren Händen da – dabei habe ich mir das Studium hart erarbeitet.
Das Black Leopard in Old Chinatown gerät endlich in mein Sichtfeld – die angesagte Bar mit dem goldenen Raubtier auf dem schwarzen Eingangsschild, die wir heute mal ausprobieren wollten.
An der letzten roten Fußgängerampel, die mich von der Bar trennt, trete ich ungeduldig mit den Füßen auf der Stelle, als würde sie so schneller auf Grün umschlagen.
Etwas platscht mir auf den Kopf.
Erschrocken sehe ich zum Himmel auf. Herrgott, das war hoffentlich kein Vogel! Hastig taste ich meinen Kopf ab und schaue auf meine Finger. Mein Atem geht schnell. Ein Zwischenfall mit Vogelkot würde mir den Abend ruinieren. Erleichtert stelle ich fest, dass es bloß Wasser und keine stinkende, weiße Masse ist. Glück gehabt. Auf dem Steinboden mehren sich Regentropfen. Bitte nicht jetzt auf den letzten Metern. Ich möchte gern trocken ankommen.
Die Ampel schlägt um und ich flitze los. In Ballerinas zu der Boyfriendjeans und einer bunten Strickjacke über dem weißen Top werde ich wohl heute nicht glänzen. Tolles Partyoutfit, Samira …
Erleichtert darüber, die Bar erreicht zu haben und dem zunehmenden Regen entgangen zu sein, ziehe ich die quietschende Tür auf und erfasse noch kurz den Leoparden über mir. Zeitgleich mit dem Läuten eines Türglöckchens trete ich ein.
Musik und der Geruch von Nebelmaschinen und Whiskey dringen mir entgegen. Sofort hebt sich meine Laune. Die schwarze Fußmatte zu meinen Füßen weist ebenfalls einen goldenen Leoparden auf. Schick. Hinter mir gleitet die Tür rüde ins Schloss, als ich nach Jade Ausschau halte. Es ist wie eine der Szenen, die im Film immer in Zeitlupe dargestellt werden. In der alle Augen auf der Hauptperson liegen, die sich umsieht, mit einer Hand durch das wallende Haar fährt, um sich dann elegant und in aller Ruhe zu ihrem Ziel durch den Raum zu bewegen. Ein Auftritt wie dieser wäre mir eher unangenehm. Ich suhle mich nicht gern in Aufmerksamkeit, obwohl ich ein sehr geselliger Mensch bin.
Die Einrichtung der Bar ist in dunklen, satten Farben gehalten – tiefschwarzes Holz, Lederpolster und goldene Akzente, die im gedämpften Licht schimmern. An den Wänden hängen Bilder, die Leoparden in Anzügen und menschlicher Haltung zeigen. Die Musik dringt durch die Räume, während Schatten in den Ecken tanzen. Die Augen gewöhnen sich langsam an das schummrige Lichtspiel, das die Umgebung in eine geheimnisvolle Aura taucht.
Jade steht an einem Tisch unweit der Bar, hat das mittellange blonde Haar streng zurückgekämmt und trägt ein silberglitzerndes Top über einer schwarzen High-Waist-Jeans. Auf ihren Pumps ist sie beinahe genauso groß wie ich mit meinen abgelaufenen Ballerinas. Wobei das noch das beste Paar von allen ist. Jade und ich müssen unbedingt mal wieder shoppen, wenn ich ein wenig Geld zusammengespart habe. Meine Freundin nimmt mich in Augenschein und lächelt mir zu. Ich beneide sie um ihre Schminkkunst, denn ihre hellblauen Iriden werden von einem atemberaubenden Cat-Eye-Make-up betont. Warum kann ich mich nicht so toll aufhübschen? Wenn ich einen Eyeliner-Strich ziehe, sehe ich aus wie Cleopatra auf Speed.
Schnell eile ich zu ihr an den Tisch, bevor mich in meinem Normalo-Outfit hier noch jemand genauer mustert, und begrüße meine beste Freundin seit Sandkastenzeiten mit einer innigen Umarmung. „Tut mir sooo leid. Lauren hat mal wieder getrödelt und ich –“
„Du konntest die Kleinen ja schlecht sich selbst überlassen“, beendet Jade den Satz mit einem Lächeln. „Ist doch kein Problem. Ich bin auch gerade erst gekommen“, sagt sie, damit ich mich besser fühle, aber ich weiß genau, dass sie flunkert. Jade ist die Pünktlichkeit in Person. Sie ist immer ein paar Minuten zu früh, aber niemals zu spät.
„Ich hasse diesen Job“, stöhne ich schmollend, presse entschuldigend die Lippen aufeinander und greife nach der Getränkekarte.
„Du brauchst das Geld – ich weiß. Mein Angebot steht übrigens noch, meine Liebe. Du brauchst nur etwas zu sagen.“ Ihr Augenzwinkern entlockt mir ein tiefes Brummen. „Hab dich nicht so. Es ist nur Geld – keine Niere.“
Sofort werfe ich ihr einen düsteren Blick zu. „Jade, darüber haben wir schon gesprochen.“
„Was ist an einem zinslosen Darlehen so schlimm? Ich habe das Geld, es tut mir nicht weh, wenn ich es dir gebe … und du gibst es mir einfach irgendwann zurück.“ Das Wort irgendwann betont sie etwas zu sehr. Ich kenne Jade lange genug, um zu wissen, dass sie es gar nicht erst zurückhaben möchte und auch, wie vermögend ihre Familie ist. Jades Vater betreibt ein riesiges Bauunternehmen, in das sie nach dem Jahr in der Kanzlei, in dem sie nun Berufserfahrung sammeln will, als hauseigene Juristin einsteigen wird.
„Hast du eigentlich schon eine Antwort von der Galeristin? Wie hieß sie noch gleich? May…lie?“
„Mayla.“ Seufzend schüttele ich den Kopf. „Leider noch nicht.“ Dabei ist mir klar, dass Mayla Smith mich nicht bei sich anstellen wird. In einer Galerie zu arbeiten, mit Künstlern zu korrespondieren und Vernissagen zu organisieren, wäre mein absoluter Traum.
„Das wird schon. Ansonsten könnte ich -“
Schnell lege ich meinen Zeigefinger auf ihren Mund. „Schluss mit dem Bemuttern. Wir feiern jetzt“, entgegne ich ihr mit dem gleichen optimistischen Lächeln, das meine Mom in schwierigen Situationen immer auf den Lippen trägt. Und davon hatten wir in der Vergangenheit leider so einige. Als alleinerziehende Mutter hatte sie es nie leicht mit mir. Trotzdem hat sie es mich nie spüren lassen. Aber je älter ich wurde, desto mehr fiel mir auf, wie kaputt sie jedes Mal von ihrer Arbeit als Krankenschwester nach Hause kam. Sie hat jede Schicht angenommen, die ihr zugeteilt wurde. Hat nie nach einer festen Schicht gefragt, weil sie dankbar war, diesen Job zu haben, der uns beiden ein Dach über dem Kopf und einen vollen Magen beschert hat. Noch lieber wäre mir allerdings Zeit mit ihr gewesen, denn meist habe ich sie tagsüber – wenn überhaupt – nur kurz zu Gesicht bekommen. Doch ich war nie sauer deswegen, weil ich wusste, dass sie das für uns tat. Daher kam ich auch nicht erst auf die Idee, für mein Studium bei ihr nach Geld zu fragen. Das habe ich mir durch einen Job als Babysitter bei einer reichen Familie, die Jade mir vermittelt hat und der gelegentlichen Tanzerei in einer russischen Bar selbst finanziert. Ich war schon immer zu stolz, um fremde Hilfe anzunehmen. Da komme ich ganz nach meiner Mom. Ich bin ihr in vielem so ähnlich. Ihre langen dunklen Haare und die bernsteinfarbenen Augen habe ich ebenfalls von ihr.
Jade bestellt eine Flasche Sekt und keine zehn Minuten später erheben wir die Gläser.
„Auf uns und eine schillernde Zukunft“, toastet Jade mir zu. Aus ihrem Mund klingt es beinahe auch für mich realistisch.
„Auf uns und ein Leben voller Liebe und wildem Sex“, füge ich breit grinsend hinzu, weil wir beide schon viel zu lange Singles sind.
Jade schmunzelt und eine zarte Röte legt sich verräterisch auf ihre Wangen. „Jaja. Darauf auch“, sagt sie und lässt ihr Glas gegen meines klirren.
Ich nippe an dem prickelnden Getränk, das in Jades Gegenwart immer besser schmeckt.
Zwei Männer mit imposanter Gestalt gesellen sich an den Tisch neben uns. Ihrem Aussehen nach zu urteilen, sind sie Anfang dreißig, besitzen vermutlich asiatische Wurzeln und haben einen unnachahmlichen Charme, der sich perfekt in die düstere Szenerie einfügt. Kaum eine Minute später wird auch ihnen eine Flasche edler Prickelbrause in einem Sektkühler gebracht.
„Also, was machen wir in den nächsten sechs Wochen, bis der Ernst des Lebens losgeht?“, frage ich Jade und lehne mich verschwörerisch mit den Ellbogen auf der Tischplatte vor.
„Ich bin für Urlaub“, schlägt sie grinsend vor und kassiert von mir ein stummes Kopfschütteln.
„Falsche Antwort. Ich muss die Zeit auf jeden Fall nutzen, um noch ein paar Kröten auf die Seite zu legen. Außerdem ziehen die Goldwines bald weg. Bis dahin brauche ich den Job und am besten den Platz in der Galerie.“
„Das klappt schon“, versucht meine beste Freundin mich zu motivieren und hebt erneut das Glas. „Mayla wäre dumm, wenn sie eine Frau mit deinem Talent übersieht. Du lebst die Kunst. Wer wäre besser geeignet als du?“
Über Jades Schulter hinweg sehe ich, dass einer der beiden Männer sein Glas in unsere Richtung hebt, ein subtiler Gruß inmitten der undurchdringlichen Atmosphäre. Sein Blick ist intensiv, fast raubtierhaft, und doch strahlt er eine einnehmende Aura aus.
Mein Herz klopft wild in meiner Brust, als er sich erhebt und langsam auf uns zukommt. Seine dunklen Augen erfassen mich, während ich mich in dem lebhaften Bild des Hintergrunds verliere. Ich spüre eine Mischung aus Nervosität und einer seltsamen Faszination, die mich in ihren Bann zieht.
Die düstere Atmosphäre der Bar scheint sich plötzlich um uns herum zu verdichten, während die Spannung zwischen uns greifbar wird. Ein Hauch von Abenteuer und Geheimnis liegt in der Luft, und ich kann nicht anders, als mich von dieser unerklärlichen Anziehung mitreißen zu lassen.
Verwundert sehe ich den Fremden an, der mir sein Glas entgegenhält, als wolle er ebenfalls mit mir anstoßen. Ich kann nicht genau erraten, woher er wohl stammen mag. Seine mandelförmigen Augen und sein gebräunter Teint verleihen ihm eine gewisse Eleganz. Im Vergleich zu den Männern, die ich bisher kennengelernt habe, ist dieser ziemlich groß und von stattlichem Körperbau.
„Entschuldigung, Mister, kennen wir uns?“, frage ich höflich, aber skeptisch.
Der Mann mit den scharfkantigen Gesichtszügen und den dunklen Augen mustert mich amüsiert, bevor er spricht. „Noch nicht, aber da du einen Job suchst, wie ich – zugegeben unfreiwillig – mitangehört habe, dachte ich mir, ich schalte mich kurz dazu.“ Der Fremde, der in seinem teuer anmutenden dunklen Anzug ziemlich wichtig wirkt, sieht mich wartend an.
Verdutzt hebe ich eine Braue und sehe zu Jade, die mit den Schultern zuckt.
„Oder habe ich das falsch verstanden?“, fragt er und schwenkt das Glas in seiner Hand, als sei es Wein. Seine Haare sind schwarz wie die Nacht und sein Blick stechend wie auch interessiert. Er fasziniert und verunsichert mich gleichermaßen.
„Doch, doch, das ist schon richtig, aber …“, stammele ich überrumpelt und sehe an ihm vorbei zu seiner Begleitung. Dieser Mann trägt ebenfalls einen feinen Anzug, doch sein Haar ist hellbraun mit gefärbten Spitzen.
„Ich bin übrigens Amir“, entgegnet der Mann vor mir in einem beinahe akzentfreien Englisch und reicht erst mir und dann Jade die Hand. Der perfekt getrimmte Bart, der elegant seine Mundpartie umspielt ist nur ein Teil seines makellosen Gesichts. Die schlanke Nase wirkt wie in Stein gemeißelt und die dunklen Brauen über seinen Augen mit dem einnehmenden Blick tun ihr Übriges für einen einschüchternden Gesamteindruck. „Das ist mein Geschäftspartner Cahyono.“
„Amir, das klingt arabisch“, stelle ich mit einem Lächeln fest und nicke seinem Partner freundlich zu, bevor ich mich wieder Amir zuwende.
„Das ist richtig. Ich habe arabisch-asiatische Wurzeln“, antwortet dieser und nimmt mich so intensiv in Augenschein, dass sich ein aufgeregtes Kribbeln in mir ausbreitet.
„Interessant. Ähm … ach so … Ich habe noch ein paar Fragen. Möchtet ihr euch nicht zu uns stellen?“, schlage ich vor, da ich nicht unhöflich sein möchte und muss mir eingestehen, dass ich den Kerl irgendwie faszinierend finde. Normalerweise fallen eher harte Biker in mein Beuteschema. Außerdem könnten mein und Amirs Dresscode nicht unterschiedlicher sein.
Auf Jades Lippen liegt ein eindeutiges „Nein“, doch aus mir unerfindlichen Gründen ignoriere ich es. Vielleicht ist es eine kleine Racheaktion, weil sie mich ständig bemuttern will, aber möglicherweise auch die reine Neugierde, das Geheimnis zu lösen, das in Amirs dunklen Augen verborgen liegt. Seine Präsenz ist so fesselnd, dass es mir schwerfällt, den Blick von ihm abzuwenden.
„Gern, wenn es euch nichts ausmacht.“ Er scheint sich das Einverständnis von Jade einholen zu wollen, als er das Gesicht in ihre Richtung dreht. Jade jedoch hält inne und sucht meinen Blick. Als ich nicht reagiere, lächelt sie verhalten.
Die beiden Männer gesellen sich zu uns an den Tisch, was Jade ziemlich skeptisch beäugt. Sie traut den beiden nicht. Das kann ich an ihren Augen ablesen und daran, wie sie mit den Fingernägeln den Untersetzer ihres Glases malträtiert. Ich mache eine Abwarten-Geste mit der Hand, woraufhin sie unter einem Augenrollen nachgiebig schnauft.
„Also, wenn du“, Amir lässt seinen Blick von mir zu Jade wandern, „beziehungsweise ihr beide kurzfristig lukrative und abwechslungsreiche Arbeit sucht, hätte ich eventuell etwas für euch. Vorausgesetzt, ihr seid spontan, zuverlässig und könnt gut mit Menschen umgehen. Die Anforderungen sind nicht sehr hoch. Dass ihr fließend Englisch sprecht, kommt euch zugute – uns sind nämlich zwei Mitarbeiter wegen Krankheit abgesprungen, für die wir dringend Ersatz suchen“, beginnt er mit einem wohlwollenden Lächeln zu erzählen, während er uns von seinem Champagner einschenkt.
„Eigentlich sind wir nicht auf Jobsuche, sondern bei der Urlaubsplanung“, entgegnet Jade, in deren Unterton klares Misstrauen liegt. Die Kälte, die sie ausstrahlt, lässt selbst mich auf einmal frösteln. Sie lehnt sich zu mir herüber und legt die Lippen an mein Ohr. „Süße, nimm einfach mein Geld und lass es gut sein. Die Typen sind mir nicht geheuer. Ein seriöses Unternehmen führt doch ein vernünftiges Personalgespräch.“
„Nein, Jade“, knurre ich leise und trete ihr sanft auf den Fuß. „Jetzt lass uns sein Angebot erst einmal anhören.“
„Urlaubsplanung?“ Amir tauscht stumme Blicke mit seinem Partner aus, der mir ziemlich introvertiert erscheint. Dann wendet er sich wieder mir zu. „Vielleicht kann man beides miteinander verbinden. Wir möchten euch natürlich keine Umstände machen“, erwähnt Amir, der offenbar unsere kleine Unstimmigkeit aufgeschnappt hat. Natürlich hat er das. Jade legt die Ausstrahlung von drei Litern Fluorwasserstoffsäure an den Tag.
„Nein, nein“, werfe ich mit erhobener Hand ein und lächele besänftigend. „Erzähl uns bitte genauer, worum es geht.“ Aus dem Augenwinkel heraus erfasse ich Jades Augenrollen, doch entscheide mich dafür, nicht darauf zu reagieren.
„Nun, meine Geschäftsfreunde und ich machen eine Schiffsüberfahrt nach Jakarta. Ein Firmenevent zum Networking mit möglichen neuen Geschäftspartnern aus der Automobilbranche. Mit Zwischenstopp auf den Inseln natürlich. Auf dem Schiff werden viele helfende Hände gebraucht. Darunter auch zwei Stellen als Animateure, um die Gäste während der langen Überfahrt ein wenig zu unterhalten.“
„Wir sollen Partyclown spielen, Kinder schminken und Poolnoodle-Gymnastik mit Rentnern machen?“, wirft Jade ein und verzieht entgeistert das Gesicht, was ich nicht weiter beachte.
„Nun, Kinder werden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht an Bord sein. Und ihr werdet natürlich anständig entlohnt.“
„Ja, ist klar …“ Meine Freundin schüttelt den Kopf. „Samira, lass dich nicht ver –“
„In welcher Höhe?“, schieße ich dazwischen und nehme absichtlich keine Notiz von Jades Murren. Kann sie sich nicht einmal für ein paar Minuten zusammennehmen?!
Amir lehnt sich ein wenig vor. Dabei dringt mir sein fesselnder Geruch nach Zedernholz und Moschus in die Nase. „Die Fahrt dauert vier Wochen, das solltet ihr einplanen. Dafür gibt es zehn Riesen für jede von euch. Eigentlich wäre es erheblich weniger, doch aufgrund der Dringlichkeit ist mein Vorgesetzter sehr wohlwollend.“
Mit offen stehendem Mund starre ich Amir an und muss schlucken, während ich das Gehörte gedanklich wiederhole. Zehn Riesen?! Damit wären all meine Sorgen erst einmal Geschichte.
Jade lacht neben mir ungläubig auf und rollt mit den Augen.
„Du verarschst uns doch, oder?“
„Sehe ich etwa so aus?“ Amir wirkt beinahe beleidigt, während seine Begleitung heiter schmunzelt. „Ich würde es als faires Angebot bezeichnen.“
Mein Blick gleitet von oben wie ein Scanner über ihn. Erst jetzt fallen mir die dicke goldene Uhr an seinem Handgelenk und die teuren Schuhe auf. Nein, dieser Mann macht keine Scherze. Meine Augen wandern wieder hinauf und bleiben an seinem kantigen Gesicht mit dem gepflegten Dreitagebart und den dunklen, mandelförmigen Augen hängen.
Die zum Greifen nahen Möglichkeiten, die sich mir auftun, lassen mich nicht mehr los. Zehntausend Dollar! Damit könnte ich einige Monate überbrücken und sogar meiner Mutter etwas unter die Arme greifen. Gegen alle Vernunft und ohne mich mit Jade zu besprechen, straffe ich die Schultern und werfe Amir einen entschlossenen Blick zu. „Also ich wäre nicht abgeneigt. Bis wann müssen wir uns entscheiden?“
„Samira!“, höre ich Jade und wage es nicht, zu ihr zu sehen.
Das ist meine Chance. Es geht um eine Menge Geld, die ich aus eigener Kraft verdienen kann, ohne jemandem etwas schuldig zu sein und die mir eine gewisse Freiheit und Erleichterung verschafft.
„Können wir nicht erst einmal zusammen darüber sprechen? Unter vier Augen?!“ Wieder ist es meine beste Freundin, die protestierend ihre Einwände offenlegt.
„Deine Freundin hat recht. Überlegt es euch. Schlaft eine Nacht drüber und meldet euch bis morgen Abend.“ Amir zieht eine Visitenkarte aus der Innentasche seines Jacketts. „Wir legen Montag ab. Ihr habt also noch bis morgen um achtzehn Uhr Zeit, zu- oder abzusagen.“ Er sieht zu Jade, die ihn kritisch mustert.
Amir leert sein Glas. „Ich wünsche den Ladys noch einen angenehmen Abend.“ Er nickt dem anderen Mann zu, um den Aufbruch anzukündigen. „Hat mich gefreut, eure Bekanntschaft zu machen. Ich hoffe inständig, dass wir uns wiedersehen.“ Er reicht erst mir und dann Jade die Hand, die sie nur widerwillig schüttelt und den Blick sofort wieder von den beiden Männern abwendet. Ich sehe genau, wie es in ihr brodelt.
Schweigend sehen wir den beiden Männern nach, wie sie den Kellner mit einem dicken Schein bezahlen – er bedankt sich mit hochrotem Kopf – und dann die Bar verlassen. Wahrscheinlich haben sie ihm ein ordentliches Trinkgeld gegeben. Wie in Trance sieht der Kellner ihnen nach, bevor er seine Arbeit wieder aufnimmt.
„Samira, sag mal, bist du von allen guten Geistern verlassen?“
Sofort hebe ich die Hand. „Jade, bitte. Du weißt genau, dass ich das Geld wirklich dringend brauche.“
„Aber das kannst du auch von mir bekommen.“
„Ich weiß“, entgegne ich und blicke ihr sanftmütig entgegen. „Aber ich will es mir selbst verdienen. Und du wolltest Urlaub. Warum also nicht beides miteinander verbinden?“
Jade seufzt und gibt ein nachgiebiges Brummen von sich. „Ach, Süße …“
„Das werte ich jetzt mal als Zustimmung.“
„Nein, das war keine -“
„Doch. War es“, stelle ich tonangebend fest und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich werde diesen Job wahrscheinlich annehmen und ich würde mich freuen, wenn du mich begleitest.“
„Du bist total leichtsinnig! Du kennst diese Leute doch überhaupt nicht.“
„Ich kenne auch Mayla von der Galerie nicht wirklich. Zwar weiß ich um ihre Position, aber über sie persönlich ist mir gar nichts bekannt. Vielleicht ist das eine durchgeknallte Psychopathin. Wer weiß das schon? Trotzdem wollte ich den Job. Und du kennst mit Sicherheit auch nicht jeden aus der Kanzlei.“
Jade kneift verdutzt die Brauen zusammen.
„Weißt du, ob dieser Carlos, der bei euch die Post sortiert, nicht ein durchgeknallter Creep ist, der auf eBay getragene Schlüpfer ergattert, um sie zu sammeln?“
Jades Mundwinkel zucken. Sie muss lachen, doch sie will nicht. „Das kannst du doch gar nicht vergleichen“, entgegnet Jade, als sie sich scheinbar wieder gefangen hat.
„Ich habe seine Karte und werde mich morgen früh über das Unternehmen, für das Amir arbeitet, genau informieren, okay? Der Name der steht ja hier.“ Entschlossen blicke ich meine Freundin an.
Jade stößt laut Luft aus. „Also schön. Informiere dich erst mal. Dann reden wir weiter.“
„Du bist die Beste!“, platzt es euphorisch aus mir heraus.
„Nicht so voreilig. Wahrscheinlich wirst du sowieso feststellen, dass dieses Unternehmen, was auch immer es ist, nicht seriös ist.“
„Das werden wir ja sehen.“ Ich schenke uns Sekt nach und erhebe erneut mein Glas. „Auf den wahrscheinlich besten Trip unseres Lebens.“
„Abwarten“, murmelt Jade nachgiebig lächelnd und stößt ihr Glas an meines.
Die Morgensonne kitzelt mein Gesicht, als ich langsam die Augen öffne. Mein Zimmer ist in ein warmes, sanftes Licht getaucht, das durch das halb geöffnete Fenster hereinsickert. Die frische Brise streicht durch den Raum und bringt den Duft von frisch gemähtem Gras mit sich.
Jakarta – das Erste, woran ich denke, als ich mir verschlafen die Augen reibe. War es nur ein Traum, oder hat sich mir gestern wirklich die Chance meines Lebens geboten? Ich richte mich auf und lasse meine Füße über den abgenutzten Teppich gleiten – bleibe jedoch sitzen, weil ich mich noch nicht ganz aufraffen kann. Gähnend strecke ich die Arme in die Luft, während mein Gehirn langsam hochfährt und die Eindrücke des gestrigen Abends sortiert.
Die Bilder mit meinen Zeichnungen an der Zimmerwand werden knisternd vom Wind hochgeweht. Ich habe die halbe Wand damit tapeziert, denn ich zeichne wahnsinnig gern. Meist sind es Dinge, von denen ich träume. Auch wenn vieles davon keinen Sinn hat, ergibt es am Ende ein schönes Bild – im wahrsten Sinne des Wortes. Eines davon habe ich mir sogar auf die Haut tätowiert. Ich nenne es Sola Cristellima.
Mein Blick fällt auf das Holzbrett an der Wand, an dem Fotos von meiner Mutter und Freunden hängen. Die meisten sind von Jade und mir. Ich lächle bei dem Anblick meiner Mom, die trotz ihres harten Alltags breit lächelt, als wüsste sie, dass das Leben besser wird. Ein weiteres Bild zeigt Jade und mich vor unserem kleinen Mietshaus. Es ist schon ziemlich in die Jahre gekommen und liegt am Stadtrand von Portland, einer Gegend, die nicht viel besitzt, aber die Menschen sind voller Stärke und Willen. So wie meine Mom.
Als ich die Decke zur Seite schiebe, erinnere ich mich erneut an den gestrigen Abend. Das Jobangebot. Mein Herz pocht bei dem Gedanken an die Chance, die sich mir bietet.
Ich stehe auf und gähne, während ich mich in Richtung meines Laptops bewege. Ich setze mich auf den alten Stuhl, der bei jedem Knarren die Geschichten vergangener Jahre zu erzählen scheint. Ich habe ihn zu meiner Einschulung zusammen mit dem Schreibtisch bekommen, von dem ich mich wahrscheinlich niemals trennen kann. Der Bildschirm erwacht zum Leben, als ich die Tastatur sanft berühre.
In meiner Tasche wühle ich nach der Visitenkarte, die Amir mir gegeben hat. „Wollen wir doch mal schauen.“ Meine Finger ertasten das Kärtchen mit dem dicken Papier und dem Firmennamen, der sich in einer Prägung in glänzendem Schwarz abhebt. „Zaizo Motors“, lese ich den Namen laut von der Karte vor und gebe ihn in die Suchmaschine ein.
Hoffentlich finde ich positive Informationen über die Firma von Amir, dem Mann, der mir die Tür zu einer neuen Welt öffnen könnte.
Meine Finger fliegen über die Tastatur, während ich mich durch Artikel und Bewertungen arbeite. Schließlich lande ich auf der Website von Zaizo Motors. „Ihr Partner für Premium Power und Performance … Wir arbeiten global und sind bereit, Ihr Auto überallhin auf der Welt zu liefern. Versandarten: LKW-Lieferung, Luftfracht und Lieferung auf See“, lese ich vor und versinke weiter in den Zeilen. „Was verkaufen die denn so?“ Neugierig scrolle ich die Seite hinab und stoppe. „Bentley, Ferrari, Lamborghini, Land Rover, Maybach, Mercedes Benz, Porsche, Rolls-Royce …“ Mir steht der Mund offen. „Das sind Luxusschlitten vom Feinsten.“
Ich lese weiter. Über die Missionen des Unternehmens, über die Menschen, die dort arbeiten, über die Möglichkeiten, die sich bieten. Ein Gefühl von Aufregung und Nervenkitzel durchströmt mich bei jedem positiven Kommentar, den ich finde.
„Alles in allem, liebe Jade“, murmele ich, „ist an Zaizo Motors nichts Schlechtes zu finden. Ich bin gespannt, was du meiner Recherche entgegenbringst.“
Mein Herz klopft aufgeregt in meiner Brust, als ich nach meinem Handy greife und Amirs Nummer wähle. Gebannt halte ich es an mein Ohr und lausche den quälenden Freizeichen. Geistesabwesend greife ich nach einem Stift und drehe ihn zwischen zwei Fingern hin und her.
„Hallo?“
Aufgeregt räuspere ich mich und umfasse den armen Stift so fest, dass er fast zerbricht. „Hallo, Amir, hier ist Samira. Wir haben uns in der Bar kennengelernt.“
„Freut mich, von dir zu hören“, entgegnet er freundlich, sodass ich die Faust um den Stift wieder lockere. „Habt ihr schon eine Entscheidung getroffen oder hast du noch Rückfragen?“
„Ich würde gerne zusagen.“ Meine Stimme zittert leicht, so aufgeregt bin ich bei der Aussicht, dass die zehn Riesen nun zum Greifen nah sind.
„Prima, dann schicke ich dir den Arbeitsvertrag in zweifacher Ausführung mit. Nicht wundern – ich habe beide schon unterzeichnet. Bringt sie ausgedruckt vor der Abfahrt mit, dann maile ich sie vom Schiff aus ins Büro. Ist ja nur noch reine Formsache.“
„Okay.“
„Schreibst du mir eine kurze Mail? Meine Adresse steht auf der Visitenkarte. Dann kann ich darauf antworten.“ Der Klang seiner Stimme und das enorme Selbstbewusstsein, das darin mitschwingt sorgen bei mir für Gänsehaut.
„Mache ich. Danke. Dann bis Montag“, antworte ich mit einem breiten Grinsen, das Amir zum Glück nicht sehen kann.
„Bis Montag, Samira.“
„Bis Montag.“ Als ich auflege, entlade ich meine Anspannung in einem Jubelschrei.
Zehntausend Dollar.
In vier Wochen!
Unglaublich.
Grinsend stelle ich mir die sprachlose Miene meiner Freundin vor und spüre die aufkommende Sehnsucht, die mich antreibt, die Welt außerhalb der Grenzen meiner kleinen Ecke von Portland zu erkunden und meinen finanziellen Sorgen Lebewohl zu sagen. Ich werde Jade gleich meine Rechercheergebnisse schicken. Jakarta – wir kommen!
Der Signalton meines E-Mail-Postfachs erklingt und ein Brief mit Amirs Namen erscheint. Der ist aber schnell.
Aufgeregt öffne ich die E-Mail und drucke den blanko Arbeitsvertrag viermal aus. Für Jade und für mich, sowie zwei Exemplare für Amir.
Meine Hand zittert beim Ausfüllen, doch ich schaffe es gerade noch, einigermaßen lesbar zu schreiben. Knapp über dem Unterschriftenfeld stoppe ich. „Der Arbeitnehmer versichert, alle Informationen (Vertrag und Zusatzblatt) sorgfältig gelesen zu haben. Mit der Vertragsunterschrift versichert er, für die Stelle geeignet zu sein und verzichtet auf jegliche Rechtsmaßnahmen gegenüber dem Arbeitsgeber“, lese ich vor und blicke erschrocken auf. Was für ein Zusatzblatt?
Im Anhang finde ich schließlich besagtes Dokument und öffne es.
„Mitarbeitererklärung“, murmele ich laut lesend und überfliege die Zeilen. Diese lesen sich wie eine Art Regelwerk. Von Benimmregeln über Verhaltensweisen bei einem Schiffsnotfall ist alles dabei. Soweit, so gut. Doch eine Zeile bringt mich ins Schwitzen. „Schwangere, chronisch Kranke und Allergiker sind von der Teilnahme ausgeschlossen.“
Sofort lasse ich den Stift fallen. „Scheiße, verdammte!“ Wütend gleitet mein Blick zu meiner Handtasche, in der ich immer meinen EpiPen mit mir herumtrage. Meine Allergie gegen Meeresfrüchte zu verschweigen, ist die einzige Lösung, um die zehntausend Dollar nicht zu verlieren.
Ich ignoriere das Beiblatt und kritzele meine Unterschrift auf die beiden Verträge.
Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend sitze ich am Sonntagabend mit meinen Eltern am Tisch beim Essen. Klassische Musik spielt über eine Anlage im Hintergrund und Kerzen flackern in den Ständern auf der reichlich gedeckten Tafel. George, unser Angestellter oder auch Diener, wie ihn meine Mutter nennt, steht mit einem piekfeinen Smoking am Ende des Raumes und wartet auf seinen Einsatz. Zu unserem Personal zählen einige Angestellte: zwei Zimmermädchen, eine Reinigungskraft, ein Koch, mehrere Küchenhelfer, ein Hausmeister und George, der sich um all unsere Anliegen kümmert.
Die Ente auf meinem Teller duftet vorzüglich, doch ich bin so aufgeregt, dass ich keinen Bissen herunterbekomme.
„Was ist los, Jade?“ Vater hebt skeptisch eine seiner buschigen Brauen in die Stirn. Für seine fast sechzig Jahre hat er sich gut gehalten. Und er liest mich immer noch wie ein offenes Buch.
Nervös rutsche ich auf meinem Stuhl herum. Den Versuch, mir eine schöner klingende Lüge als: „Sam und ich fahren morgen mit ein paar unbekannten Männern in den Urlaub Schrägstrich wir jobben“, zurechtzulegen, starte ich erst gar nicht. Aber vielleicht kann ich es so erzählen, dass er gewisse Dinge gar nicht erst hinterfragt.