Verführt von einem Scheich - Liebesromane aus 1001 Nacht - Susan Mallery - E-Book
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Verführt von einem Scheich - Liebesromane aus 1001 Nacht E-Book

Susan Mallery

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Beschreibung

WÜSTENFEUER IN SEINEM BLICK Was ist nur mit Laurel los? Erst tanzt sie auf der Party eng mit Scheich Rakin Whitcomb Abdellah, dann nimmt sie spontan seine Einladung nach Las Vegas an. Sonst ist sie doch immer so vernünftig! Und damit nicht genug: Als Rakin ihr einen Antrag macht, sagt sie Ja. Auch wenn sie weiß, dass der Scheich nur eine Vernunftehe plant - die Aussicht auf ein neues Leben ist zu verführerisch. An seiner Seite wird sie um die Welt jetten, ein orientalisches Märchen erleben. An Liebe denkt Lauren nicht. Bis sie in Rakins Augen das stumme Versprechen von 1001 süßen Sünde entdeckt … STÜRMISCH WIE DER WÜSTENWIND Das ist also die Frau, die er heiraten soll - und sie hat keine Ahnung davon! Prinz Kardal rettet Sabrina aus der Wüste, und auch wenn sie sich kratzbürstig und widerspenstig gibt: Das Temperament der Rothaarigen reizt ihn. Wie nur kann er sie zähmen? Und wie wird sie reagieren, wenn sie herausfindet, dass er der Scheich ist, dem sie versprochen ist? EIN TRAUMPRINZ FÜR KAREN Der reiche Prinz Ashraf braucht eine Frau zum Repräsentieren. Karen sucht einen Mann, der ihr ein Baby schenkt. Die Lösung: eine Vernunftehe. Dass Ashraf jedoch ihr Herz erobern will, ahnt Karen nicht ... SINNLICHE GLUT DER WÜSTE Die Schamesröte steigt Kira in die Wangen, wenn sie an die Nacht vor sechs Wochen denkt: Auf Anordnung des Scheichs sollte sie sich um dessen Gast Tarek Azzmar kümmern - und hat sich dem faszinierenden Mann mit den glutvollen Augen hemmungslos hingegeben! Nun hat der Scheich das nächste Anliegen. Er will, dass sie zwei Wochen lang als Tareks Assistentin arbeitet. Aber das ist unmöglich. Kira kann nicht Tag für Tag eng mit ihm zusammenarbeiten. Früher oder später wird er merken, was sie vor ihm, vor der Königsfamilie, vor der ganzen Welt verbirgt …

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Seitenzahl: 763

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Tessa Radley, Susan Mallery, Kristi Gold

Verführt von einem Scheich

Tessa Radley

Wüstenfeuer in seinem Blick

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: 040/60 09 09-361 Fax: 040/60 09 09-469 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Christel BorgesGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2012 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „One Dance With the Sheikh“ erschienen bei: Harlequin Books, Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1760 - 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Sabine Bauer

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format im 04/2013 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-95446-439-5

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY, STURM DER LIEBE

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1. KAPITEL

Wer war nur diese Frau?

Die langen rotbraunen Haare, die ihr weich über den Rücken fielen, schimmerten bei jeder ihrer Bewegungen in warmen rötlichen Tönen. Ein enges silbergraues Kleid betonte ihre Figur.

Rakin Whitcomb Abdellah betrat den großen weißen Pavillon, wo die zahlreichen Gäste gespannt bereits darauf warteten, dass sich Braut und Bräutigam das Jawort gaben.

Erstaunlicherweise hatte der verantwortungsvolle und vorsichtige Eli nur ein paar Wochen gebraucht, um sich rettungslos zu verlieben. Noch verblüffender war, dass er eine Kincaid heiratete, obwohl erst vor einem Monat die Schwester seiner Braut Kara mit ihm Schluss gemacht hatte.

Wieder blieb Rakins Blick an der Brautjungfer mit den schönen Haaren hängen, die gerade der Braut den Strauß roter Rosen abnahm.

Rakin überlegte. Das konnte nur Laurel Kincaid sein! Ebendie Frau, die seinem besten Freund Eli den Laufpass gegeben hatte. Und die, wenn Eli recht behielt, die Lösung seiner eigenen drängenden Probleme bedeutete.

Ein Junge von vier oder fünf Jahren ging mit dem Ringkissen nach vorn. Laurel wollte ihn an der Hand auf seinen Platz zwischen den beiden Blumenmädchen führen. Weil er sich aber dort offenbar nicht wohlfühlte, riss er sich von ihr los und drängte sich zum Amüsement der Gäste zwischen Braut und Bräutigam.

Laurel überblickte die Gästeschar. Ihre grünen Augen standen in reizvollem Kontrast zu den roten Rosen des Brautstraußes.

Faszinierendere Augen hatte Rakin nie gesehen. Überraschenderweise blickte sie ihn direkt an! Und plötzlich schien die Zeit stillzustehen. Das leise Gemurmel der Gäste, Karas Eheversprechen, das sie in diesem Moment abgab, der betörende Duft der Blüten des Südens … alles schien in weite Ferne gerückt.

Es gab nur noch sie!

Erst als sie wegschaute, ließ die Spannung wieder nach.

Zwar hatte Eli ihn darauf vorbereitet, dass seine Exverlobte eine Southern Beauty war, eine echte Schönheit der amerikanischen Südstaaten. Aber dennoch hatte er nicht damit gerechnet, dass er so heftig auf sie reagierte. Das war Begierde pur!

Aber natürlich kam eine romantische Verbindung nicht infrage. Sie war eine Kincaid aus Charleston, der früheren Metropole des Südens. Nicht einfach irgendeine junge Frau! Und der Vorschlag, den er ihr auf Elis Rat hin machen wollte, hatte nichts mit Vergnügen zu tun, sondern war rein geschäftlicher Natur.

Trotz der herrlich grünen Augen und den umwerfenden rötlich schimmernden Haaren – Laurel Kincaid war für ihn absolut tabu.

Er konnte es kaum erwarten, dem Brautpaar zu gratulieren, damit Eli ihn bei dieser Gelegenheit mit Laurel bekannt machen konnte.

Dann würde er entscheiden, ob sie in seine Pläne passte oder nicht.

Laurel atmete den schweren Duft von Jasmin und Gardenien ein, der den Beginn des Sommers in den Südstaaten verkündete.

Die Hochzeit ihrer Schwester Kara fand auf dem Familienanwesen der Kincaids statt. Das große alte Herrenhaus war top gepflegt und technisch auf dem neuesten Stand, ohne seinen Charme verloren zu haben. Und durch die überdachten Balkone wirkte die Fassade besonders eindrucksvoll.

Hier in diesem Haus war sie mit ihren Geschwistern aufgewachsen.

Aber im Augenblick interessierte sie weder das Haus noch die Trauung so sehr wie der geheimnisvolle Fremde. Da das hier fast ihre eigene Hochzeit gewordenwäre, kannte sie alle Gäste. Aber der dunkelhaarige gut aussehende Mann stand jedenfalls nicht auf der Liste, die sie und ihre Schwester zusammengestellt hatten.

Woher also kannte Kara ihn? Und warum hatte sie ihn nie erwähnt?

Wenn sie ihn weiter so anstarrte, würden es ihre Schwestern bemerken und sofort versuchen, sie mit ihm zu verkuppeln. Dabei interessierte sie sich doch gar nicht wirklich für ihn! Sie wollte doch nur wissen, wer er war.

Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Brautpaar. Eli nahm Karas Hände in seine; die gerade übergestreiften Trauringe glitzerten golden in der Nachmittagssonne.

Oh nein! Sie würde doch nicht etwa weinen müssen? Das passte nicht zu ihr!

Immer lächelte sie und schaffte es, die richtigen Dinge zur rechten Zeit zu sagen. Eine Hochzeit war ein erfreulicher Anlass und kein Grund für Tränen.

Und außerdem … was würden die Leute denken! Sie betrachtete die vielen gut gelaunten Gäste.

Auch wenn sie erleichtert und glücklich darüber war, dass Kara und Eli heirateten, wenn sie jetzt weinte, würden alle das Gegenteil glauben.

Sie blickte zu ihrer Mutter, deren Schönheit im ganzen Süden gerühmt wurde. Viele fanden, dass ihr in ihrer Jugend der Titel Miss South Carolina zugestanden hätte – wären solche Wettbewerbe nicht weit unter ihrem Niveau gewesen.

In für ihre Familie schwierigen Zeiten hatte sie Reginald Kincaid geheiratet. Bald war sie in Charleston als vollendete Gastgeberin bekannt geworden und hatte damit der erst kurz davor zu Geld gekommenen Familie der Kincaids entscheidend zu gesellschaftlicher Anerkennung verholfen.

Zu dieser Hochzeit hätte sie beinahe nicht kommen können. Weil man sie des Mordes an ihrem Mann verdächtigt hatte, war sie mehrere Monate in Untersuchungshaft gewesen. In dieser Zeit hatte Laurel befürchtet, ihre Mom würde tatsächlich verurteilt werden!

Aber schließlich war sie wieder auf freien Fuß gesetzt worden.

Jetzt lag der Tatverdacht auf dem düsteren Halbbruder, den Laurel und ihre Geschwister bei der Beerdigung ihres Vaters kennengelernt hatten. Nie würde sie diesen Tag vergessen, an dem das jahrzehntelange Doppelleben ihres Vaters ans Licht gekommen war.

Jack Sinclair, der Halbbruder, hatte sich neben seine Mutter Angela gesetzt – die Frau, die Reginald Kincaid ein Leben lang heimlich geliebt hatte. Angelas anderer Sohn saß auf ihrer anderen Seite. Die Sinclairs waren eingeladen worden, weil Elizabeth stets Wert darauf legte, das Richtige zu tun – selbst wenn es ihr unangenehm war.

Angela Sinclairs Söhne waren Halbbrüder und sehr verschieden. Jack hatte etwas Düsteres, Unberechenbares an sich, der blonde Alan hingegen wirkte offen und freundlich.

Laurel entschied, dass jetzt die Fantasie mit ihr durchging, und konzentrierte sich wieder auf die Trauung.

„Sie dürfen die Braut jetzt küssen“, verkündete der Heiratsbeamte.

Eli beugte sich zu Kara, die fast einen Kopf kleiner war als er.

Laurel sah diskret zur Seite – und direkt in ein Paar lebhafte dunkle Augen.

Die früheren Kinderzimmer von Laurel, Kara und Lily im ersten Stock des Herrenhauses dienten während der Hochzeit als Garderobe der Braut. Laurel stand in der Tür zu Karas Zimmer und betrachtete die verstreut herumliegenden Accessoires.

Aus offenen Schuhkartons auf dem Boden quoll feines Seidenpapier. Ein kleines Blumensträußchen war offenbar von den Blumenmädchen auf dem Bett vergessen worden. Der zarte Spitzenschleier, den Kara während der Trauung getragen hatte, lag bereits wieder ordentlich über einem Stuhl.

Auf der Kommode standen eine Flasche in einem Eiskühler und vier Gläser. Der richtige Zeitpunkt für eine Champagnerpause, entschied Laurel. Und gut für die Nerven …

Kara stand vor dem Drehspiegel und beäugte ängstlich ihr Kleid von hinten. „Ich habe mir doch kein Loch hineingerissen, Laurel? Ich glaube, ich bin mit dem Absatz darin hängen geblieben.“

Laurel trat näher und untersuchte den fein genähten Saum. „Nein, alles in Ordnung. Kein Grund zur Sorge.“

„Gott sei Dank.“ Erleichtert atmete Kara auf.

Laurel betrachtete das Gesicht ihrer Schwester: Die Haut schien vor Glück zu glühen, auch ohne Rouge. Dezent aufgetragener Lidschatten betonte die grünen Augen, die ihren eigenen so sehr glichen. Nur die Lippen wirkten etwas farblos.

„Du bist eine wunderschöne Braut, Mrs Houghton, auch wenn dir der Bräutigam den Gloss von den Lippen geküsst hat“, sagte sie lächelnd und schlang vorsichtig, damit dem Kleid nichts passierte, die Arme um Kara.

Aber Kara teilte ihre Vorsicht nicht und drückte sie fest an sich. „Ich bin dir ja so dankbar, dass du deine Verlobung mit Eli gelöst hast.“

Laurel sah in die grünen Augen, die sie von ihrer Mom geerbt hatten. „Wir wären nicht glücklich miteinander geworden.“ Die Verlobung hatte sich wie von selbst ergeben, aber schon bald hatte sie gemerkt, dass etwas sehr Wichtiges fehlte.

Statt sich auf die Hochzeit zu freuen, hatte sie immer mehr bedauert, wie vorhersehbar und langweilig ihr Leben geworden war. Auch die Hochzeitsvorbereitungen hatten ihr keinen Spaß gemacht.

Irgendwie passte das alles nicht zu ihr. Sobald sie das erkannt hatte, hatte sie eine Liste erstellt. Mit der Überschrift Mein eigenes Leben.

Punkt eins: Mit Eli Schluss machen.

Das hatte so hart und grausam geklungen, dass sie daran gezweifelt hatte, ob sie das jemals fertigbekommen würde. Was sollte aus seinen Gefühlen werden, aus den Hoffnungen seiner Familie?

Doch zugleich hatten diese wenigen Worte zu einer Klarheit geführt, die ihr lange gefehlt hatte. Eli und sie waren eben nicht füreinander bestimmt.

Aus Rücksicht auf ihn hatte sie den Tod ihres Vaters, die Entdeckung seines Doppellebens und den Schrecken über die Inhaftierung ihrer Mutter als Gründe genannt, warum sie nicht heiraten wollte.

Die Erleichterung in seinen Augen hatte sie in ihrer Entscheidung bestätigt …

Das alles lag nur einen Monat zurück. Und jetzt hatte ihr Exverlobter sein Glück gefunden und heiratete ihre Schwester. Er jedenfalls hatte sein eigenes Leben.

Punkt zwei: Roten Lippenstift benutzen.

Das hatte sie an diesem Morgen in Angriff genommen, und weiter war sie mit der Liste bisher noch nicht. Es erwies sich als gar nicht so einfach, eingefahrene Gewohnheiten zu verändern. Auch wenn sie den Willen dazu nach wie vor hatte.

Sie musste beherzter zu Werk gehen, um wirklich wieder etwas zu fühlen – so wie vorhin, als sie in die Augen des Fremden geblickt und längst nicht mehr gekannte Energie ihren Körper erfasst hatte. Das war Leben!

Sie löste sich aus Karas Umarmung und goss zwei Gläser Champagner ein. Dann stieß sie mit ihr an. „Auf dich. Du sollst glücklich werden.“

„Das bin ich!“, bestätigte Kara und strahlte wie eine Märchenprinzessin. „Ich glaube, heute ist der glücklichste Tag meines Lebens.“

Ein bisschen neidisch war Laurel schon. Sie nahm einen großen Schluck Champagner, bevor sie das Glas wieder wegstellte. „Eli und ich waren immer schon gute Freunde, das weißt du ja“, erklärte sie. „Irgendwie haben wir wohl gehofft, das würde reichen. Aber so war es nicht. Das Besondere, das euch verbindet, hat uns gefehlt.“ Und in körperlicher Hinsicht … Der Fremde, den sie an diesem Tag zum ersten Mal gesehen hatte, hatte deutlich mehr Bauchkribbeln in ihr ausgelöst als Eli in all den Jahren ihrer Freundschaft.

„Es ist Liebe“, sprudelte Kara heraus. „Wahre Liebe. Eli ist der Mann meines Lebens. Ich bin ja so unendlich froh … Auch wenn die ganze Kindheit und Jugend über hauptsächlich ihr beide zusammen wart.“

„Weil wir im selben Alter sind. Ist ja klar.“

„Aber seinen Freund kennst du noch nicht, oder?“

„Wen? Rakin Abdellah?“ Von ihm hatte sie schon viel gehört. Er war der Enkel eines Prinzen aus dem Emirat Katar. Eli und er hatten sich während der Studienzeit in Harvard angefreundet. „Schade, dass er nicht kommen konnte.“

„Aber er ist doch hier!“, widersprach Kara. Sie stellte ebenfalls ihr Glas ab, nahm einen Kamm aus der Kommode und setzte sich auf einen Stuhl. „Er hat uns schon gratuliert. Dabei hat Eli ihn mir vorgestellt.“

Zögernd nahm Laurel den Kamm. „Hab ich gar nicht mitbekommen …“

„Ich glaube, du hast gerade Flynn davon abgehalten, einem Blumenmädchen das Ringkissen auf den Kopf zu hauen“, sagte Kara lächelnd.

Laurel warf den Kamm in die Luft und fing ihn wieder auf. „Das ist wieder mal typisch. Anscheinend kriege ich den Mann nie zu Gesicht. Immer wenn Rakin geschäftlich hier war und Eli sich mit ihm getroffen hat, hatte ich was anderes vor.“ Der atemberaubend gut aussehende Fremde, konnte das Elis Freund sein?

„Was hatte er an?“, fragte sie drängend ihre Schwester.

„Keine Ahnung!“, antwortete Kara und lachte. „Ich habe heute nur Augen für einen.“

Laurel kämmte vorsichtig das Haar ihrer Schwester, wo es vom Brautschleier zerdrückt worden war. „Da wir gerade von Eli reden – du musst neuen Lipgloss auftragen.“

„Wozu? Der wäre ja doch nicht lange drauf …“ Sie sah Laurel im Spiegel an. „He, du trägst ja roten Lippenstift!“

Sie sah ihre Schwester nachsichtig an. „Wenn dir das jetzt erst auffällt, kann es keine so große Sache sein.“

„Ha, ich weiß! Weil du dir vorgenommen hast, nicht länger nur auf Nummer sicher zu gehen.“ Kara schwieg einen Moment. „Du hast mir ja erzählt, dass du etwas … ungehemmter leben willst, und ich habe dich gebeten, nicht zu übertreiben, aber seitdem war nicht mehr die Rede davon.“

Laurel lachte. „Kannst du dir wirklich vorstellen, dass ich übertreibe? Ich – Miss Pflichtgefühl?“

Auch Kara lachte. „Nein, nicht wirklich. Außerdem – schließlich sollst auch du deinen Spaß haben. Wie wäre es, wenn Eli dir Rakin vorstellt?“

„Vergiss es!“ Um ihre Schwester abzulenken, wechselte sie das Thema. „Hast du gesehen, wie fürsorglich sich Cutter um Mom kümmert?“

„Ja, er weicht ihr nicht von der Seite.“

„Ich glaube, er liebt sie sehr.“ Laurel trat einen Schritt zurück, um Karas Frisur mit etwas Haarspray zu fixieren. „Er hat einen Skandal riskiert, als er der Polizei gesagt hat, dass Mom in der Mordnacht bei ihm war. Damit hat er sie gerettet.“

„Ich habe ihr eine kleine und feine Hochzeit mit ihm vorgeschlagen. Aber sie findet, sie kann so kurz nach Dads Tod noch nicht heiraten. Das Trauerjahr ist noch nicht um.“

Da war sie wieder – die verhasste Rücksichtnahme auf Konventionen. „Ach was“, widersprach Laurel brüsk. „Ich finde, Mom hat ein Recht, das zu tun, was sie will.“

„Ja, finde ich auch“, stimmte Kara zu. „Vor allem nach der Geschichte mit Dads Doppelleben. Und wenn Cutter sie glücklich macht, bin ich sein größter Fan.“ Sie drehte sich auf dem Stuhl um und schaute Laurel prüfend an. „Deinen Lippenstift habe ich nur nicht bemerkt, weil ich so aufgeregt bin. Aber jetzt fällt er mir schon auf. Ich bin neugierig. Was hast du als Nächstes vor?“

Das wusste sie ja selbst noch nicht. Und Laurel spürte, wie sie rot wurde.

„Nichts Weltbewegendes“, wiegelte sie ab und dachte dabei an den Punkt, Eiscreme im Bett zu essen. Aber da war noch mehr …

Punkt fünf: Die ganze Nacht lang im Casino spielen.

Punkt sechs: In ferne Länder reisen.

Das war schon nicht mehr ganz so unbedeutend …

„Du hast immer gesagt, roter Lippenstift ist zu auffällig. Also, das finde ich schon eine deutliche Veränderung“, meinte Kara anerkennend.

Das Rot biss sich mit ihren Haaren. Das war kitschig und damit verboten. Laurel vermied den Blick ihrer Schwester, indem sie in den Spiegel sah. Verschmiert war der Lippenstift nicht. Kein Wunder, sie küsste ja niemand …

Und das brachte sie zu Punkt drei der Liste Mein eigenes Leben.

Er lautete: Mit einem Fremden flirten.

Im Gegensatz zu den meisten Südstaatenfrauen beherrschte sie die Kunst des Flirtens nicht. Seit ihrer Teenagerzeit zog sie Männer geradezu magisch an. Manchmal hasste sie geradezu ihre Schönheit, durch die ihr so viel Aufmerksamkeit zuteilwurde. Daher hatte sie sich beizeiten einen höflichen und unverbindlichen Umgangston angewöhnt, der ihr außerdem bei ihrer Arbeit als Werbeleiterin der Kincaid Group sehr zupassekam.

Sie wusste selbst nicht, warum sie diesen Punkt auf die Liste gesetzt hatte. Vielleicht hätte sie lieber schreiben sollen: Einen Fremden küssen. Der Gedanke verwirrte sie. Sie spürte, wie ihr heiß wurde.

„Du bekommst ja richtig Farbe im Gesicht! Es ist doch nicht etwa ein Mann im Spiel?“

„Nein, kein Mann. Der Lippenstift ist nur für mich allein.“ Noch einmal spielte sie mit dem Gedanken, sich ihrer Schwester anzuvertrauen, dann ließ sie es. An diesem Tag ging es schließlich um Kara, nicht um sie.

Sie trank ihr Glas aus und betrachtete im Spiegel ihre Lippen. Wie es sich wohl anfühlen würde, den schönen Fremden zu küssen? Eine prickelnde Vorstellung …

Doch sofort riss sie sich zusammen. Was, wenn er tatsächlich Elis Freund war? Wie kitschig wäre das denn! Sie als die große Schwester war immer Vorbild für die jüngeren Geschwister gewesen und hatte stets getan, was man von ihr erwartet hatte. Sie hatte viel gelernt, um gute Noten zu bekommen. War abends immer rechtzeitig nach Hause gekommen. Hatte keine Miniröcke getragen, keine Ohrstecker und keine zerrissenen Jeans. War irgendwelchen Beziehungen zu Jungen aus dem Weg gegangen. Und hatte sich nie auffallend geschminkt …

Sie riss sich von ihrem Spiegelbild los und drehte sich um, um festzustellen, dass Kara sie noch immer nachdenklich betrachtete.

„Weißt du, was ich finde?“, fragte sie. „Auch wenn du so gern Beige trägst … Der rote Lippenstift steht dir. Damit siehst du wie ein Filmstar aus. Glamourös und sexy. Vergiss, dass ich gesagt habe, du sollst es nicht übertreiben. Brich ruhig öfter mal aus.“

Während sie zur Tür gingen, fühlte sich Laurel mit einem Mal seltsam unbeschwert.

„Am besten fängst du auf der Stelle damit an. Das Heute zählt!“ Damit rauschte Kara zurück zu den Gästen.

Und Laurel blieb ratlos zurück. Die Dinge etwas weniger eng zu sehen war eine Sache. Dieser veränderten Sicht auch Taten folgen zu lassen eine andere. Vor ihr lag absolutes Neuland.

Sollte sie den ersten Schritt ins Unbekannte, ins Abenteuer wagen? Oder lieber in ihrer sicheren Welt bleiben, ohne darin jemals zufrieden zu sein?

Die Antwort war so eindeutig, dass es sie selbst überraschte. Sie war das Gefühl leid, ständig etwas zu verpassen. Sie wollte mehr von der Energie von vorhin spüren.

Dieser Anflug von Rebellion, der ihr ganz neu war, hatte den Reiz des Verbotenen. Plötzlich lag ihr Weg klar vor ihr. Kara hatte recht: Das Heute zählte. Und heute würde sie mit einem Fremden flirten.

Sie ging zurück zur Hochzeitsgesellschaft.

2. KAPITEL

Im eleganten Salon spielte eine Band Jazz und Blues. Es war ein rauchiger, distinguierter Sound, genau richtig für eine Hochzeitsfeier, die zu den bedeutendsten gesellschaftlichen Ereignissen des Jahres zählte.

Summend tanzte Laurel mit Kara und stieß dabei fast mit Alan Sinclair zusammen, der plötzlich mit zwei vollen Sektgläsern vor ihnen auftauchte. Wie durch ein Wunder gelang es ihm, nichts von der perlenden Flüssigkeit zu verschütten.

Laurel entschuldigte sich lebhaft.

„Größere Katastrophe verhindert“, scherzte er.

Alle drei lachten.

„Der Sekt ist sowieso für euch, schöne Ladys.“ Mit seinen braunen Augen sah er sie gut gelaunt an, während er jeder von ihnen ein Glas gab. „Ich konnte dir nicht eher gratulieren und hole das hiermit nach“, sagte er zu Kara. „Eli ist ein Glückspilz.“

„Danke, Alan.“ Kara strahlte. „Ich hoffe, du findest auch bald die Frau deiner Träume. Vielleicht sogar schon heute Abend.“

Alan lachte. „Eine schöne Hoffnung. Aber ich finde, du solltest erst mal deinen Honeymoon genießen, bevor du die nächste Hochzeit ausrichtest.“

„Da freue ich mich jetzt schon drauf. Nicht weil es mein Job ist. Ich bin nur so glücklich, dass ich alle Welt verheiraten möchte.“

„Ein netter und aufmerksamer Mann“, stellte Laurel fest, als Alan sie wieder allein gelassen hatte.

„Ja“, bestätigte Kara. „Er wird mal eine Frau sehr glücklich machen.“

Sie hatten den mit rosafarbenen und roten Blütenblättern dekorierten Tisch des Brautpaares erreicht, wo Eli stand und auf seine Frau wartete. Hingebungsvoll sah er sie an, während er ihr half, Platz zu nehmen.

Laurel fühlte sich ein wenig wie das fünfte Rad am Wagen und setzte sich neben ihre Mutter. „Wo ist denn Cutter?“, fragte sie, denn sie saß auf seinem Stuhl.

Seltsam, in letzter Zeit schien die ganze Welt aus Paaren zu bestehen … Sie verdrängte das drohende Gefühl der Einsamkeit. Ein Grund mehr, getreu ihrer Liste vorzugehen und mit einem Fremden zu flirten. Und wo ginge das leichter als auf einer Hochzeit?

„Drüben bei Harold Parsons und Mr Larrimore.“

Richtig, dort an der Bar unterhielten sich der weißhaarige Anwalt und der Chef von Larrimore Industries.

Seit Kurzem existierten Geschäftsbeziehungen zwischen Larrimore und der Kincaid Group. Dadurch wurden zumindest teilweise die Verluste ausgeglichen, die durch den Wechsel vieler Kunden zu Carolina Shipping entstanden waren.

Matthew, Laurels Bruder und Leiter der Abteilung New Business der Kincaid Group, waren in dieser Woche Gerüchte zu Ohren gekommen, wonach Jack Sinclair durch die Hintertür versuchte, einen wichtigen Transportvertrag zu torpedieren.

Wenn man vom Teufel sprach …

Jack Sinclair hatte einen Stuhl vom Tisch weggezogen und sich damit genau an die Ecke der Tanzfläche gesetzt. Wie arrogant und unsympathisch dieser Mann doch wirkte! Weil er fünfundvierzig Prozent der Kincaid Group geerbt hatte, führte er sich auf, als gehörte das Haus ihm.

Laurel konnte sich einfach nicht an ihn gewöhnen. Mit seiner düsteren und grüblerischen Art hatte er der Firma in den letzten Monaten so viel Probleme bereitet, dass es für ein ganzes Leben reichte …

Gerade sagte seine Mutter etwas zu ihm. Er runzelte so finster die Stirn, dass Laurel vom bloßen Anblick eine Gänsehaut bekam.

Warum war er, der älteste Sohn ihres Vaters, überhaupt zu dieser Hochzeit gekommen? Wenn er doch nur vor sich hin starrte? War er hier, um der Presse vorzumachen, dass er ein akzeptiertes Mitglied der Kincaid-Familie war? Oder, wie ihre Geschwister annahmen, um den Verdacht nicht erst recht auf sich zu lenken?

Daran mochte Laurel nicht einmal denken. Sie schauderte bei der Verstellung, dass ihr Vater von ihm, dem eigenen Sohn, erschossen worden war. Wie grauenvoll!

Dennoch konnte Jacks Anwesenheit der feierlichen Stimmung nichts anhaben. Nach all den schwierigen und freudlosen Wochen bedeutete diese Hochzeit das erste erfreuliche Familienereignis, das alle genießen sollten. Vor allem ihre Mutter.

Sie drückte ihr die Hand. „Ich bin so froh, dass du hier bist. Und dass die lächerliche Anklage gegen dich endlich fallen gelassen wurde. Für Kara und Eli ist dies das schönste Hochzeitsgeschenk überhaupt.“

„Leicht ist der heutige Tag nicht für mich“, gestand Elizabeth. „All das Gerede. Bestimmt sind unter den Gästen ein paar, die mich für schuldig halten. Und außerdem sind alle so neugierig auf Cutter. Das ist auch für ihn eine schwierige Situation.“

Laurel betrachtete ihre Mutter, die sich – typisch für eine wahre Südstaatenlady – unter keinen Umständen etwas anmerken ließ. Sie sah heiter-gelassen aus, die kurz geschnittenen rotbraunen Haare mit den eleganten silbernen Strähnen saßen makellos. Außer einem schmerzvollen Ausdruck in den grünen Augen deutete nichts auf die Belastungen der letzten vier Monate hin.

„Auf eine glückliche Zukunft“, sagte Laurel, und sie tranken einander zu.

„Ich wäre sehr froh, wenn die Polizei den Täter bald findet“, erklärte Elizabeth. „Es ist schrecklich, nicht zu wissen, wer es war …“

RJ und Matt, Laurels Brüder, hatten einen Verdacht, von dem sie überzeugt waren …

„Morgen rufe ich Inspektor McDonough an und frage, ob es etwas Neues gibt“, versprach Laurel mit einem Seitenblick auf Jack Sinclair. Vielleicht lagen schon genug Beweise gegen ihn vor.

Wenn sie ihren Brüdern glauben durfte, hatte er sich bereits in Widersprüche verstrickt. Zwar hatte er für die Tatzeit ein Alibi, das auch von einigen seiner Angestellten bestätigt wurde – angeblich hatte er bis spät abends gearbeitet –, aber Jack Sinclair war ein schwerreicher Mann. Und zwar auch schon ohne die geerbten fünfundvierzig Prozent an der Kincaid Group.

Auch wenn sie es nicht recht glauben wollte, RJ war der Meinung, das Alibi könnte gekauft sein.

Sie beschloss, Kontakt mit Nikki Thomas aufzunehmen, der Privatdetektivin, die herausfinden sollte, ob und wie Jack Sinclair der Kincaid-Gruppe schaden wollte. Vielleicht konnte sie etwas zur rascheren Aufklärung des Verbrechens beitragen – auch wenn Nikki manchmal etwas zu sehr Anteil am Leben des Mannes, den sie beobachtete, zu nehmen schien …

Laurel wurde aus ihren Gedanken gerissen, als jemand sie am Arm berührte.

Grinsend stand Eli da. „Ich möchte dir jemanden vorstellen.“

Und neben ihm … das war der attraktive Fremde!

„Laurel, das ist Rakin Whitcomb Abdellah. Rakin, das ist Laurel Kincaid, ab sofort meine Schwägerin.“

Oh nein! Das konnte nur Kara eingefädelt haben.

Gleich würde sie rot werden, soviel stand fest. Sie schluckte.

„Ich habe schon viel von dir gehört“, sagte Rakin und hielt ihr die Hand hin.

„Komisch, das wollte ich auch gerade sagen.“ Sie nahm seine Hand und senkte verlegen die Lider – so viel Kraft lag in seinen Fingern. „Schon seltsam, dass wir uns nie begegnet sind.“

„Kismet. Was soll man sonst dazu sagen?“

„Glaubst du ans Schicksal?“, fragte sie fasziniert.

„Aber natürlich. Alles passiert aus einem ganz bestimmten Grund. Und heute ist es so weit, dass wir uns begegnen sollen.“

Bezaubert von seinem Charme lächelte sie. So wie es aussah, war Elis Freund ein sehr angenehmer Flirtpartner. „Meinst du?“

„Ja.“ Seine Augen schienen sie zu streicheln wie schwarzer Samt. Aber gleichzeitig ließ der Blick auch eindrucksvolle Willensstärke erkennen.

Um seinem Zauber nicht völlig zu erliegen, wandte Laurel ihre Aufmerksamkeit Eli zu. „Wenn wir beide uns unterhalten, könnte einiges über dich ans Licht kommen“, scherzte sie. „Denn ich glaube, niemand weiß mehr von dir als wir.“

„Da habe ich aber Angst“, erwiderte Eli ebenfalls scherzend.

„So wirkst du gar nicht!“, sagte Laurel mit einem Blick zu Rakin, dessen Augen vor Vergnügen funkelten.

Die Band spielte ein neues Stück.

„Jetzt habe ich aber wirklich Angst“, meinte Eli. „Ich darf keinen Fehler machen. Das ist nämlich der Brautwalzer.“

Lachend sah Laurel ihm nach.

Allein mit Rakin fühlte sie sich doch etwas befangen. Sie schwieg und sah dem Brautpaar beim Tanzen zu, ohne wirklich bei der Sache zu sein.

Im Licht eines Scheinwerfers bewegten sich Eli und Kara in vollendeter Harmonie zur Musik. Karas weißes Kleid füllte den Lichtkreis beinahe vollständig aus. Als nächste Paare erschienen Laurels Schwester Lily mit ihrem Mann Daniel und RJ mit Brooke auf der Tanzfläche.

Alan setzte sich lächelnd zu seiner Mutter; von Jack Sinclair war nichts mehr zu sehen. Laurel wünschte, er würde wenigstens die Höflichkeit zeigen, die ihm – auf Elizabeths ausdrücklichen Wunsch hin – seitens der Kincaid-Familie entgegengebracht wurde.

„Möchtest du auch tanzen?“, fragte Rakin mit rauer Stimme.

Noch immer schweigend, reichte sie ihm die Hand. Wieder spürte sie, wie viel Kraft in seinen Händen lag. Ihr fiel ein, wie sie vorhin im Spiegel ihre Lippen betrachtet und sich dabei vorgestellt hatte, von dem schönen Fremden geküsst zu werden.

Um sich und ihre geheimsten Sehnsüchte nicht zu verraten, schlug sie die Augen nieder. „Aber ja, gern.“

Als er auf dem Parkett den Arm um sie legte, empfand sie die Berührung fast als Schock. Welche Versuchungen sich aus dieser Situation ergaben!

Um die Nähe aushalten zu können, fragte sie, während sie sich zur Musik bewegten: „Du kennst Eli seit Harvard, oder?“

„Ja. Wir hatten einige Kurse gemeinsam, und wir sind oft miteinander wandern gegangen. Wir sind beide sehr gern draußen.“

„Von Eli weiß ich, dass ihr auch in der Rudermannschaft wart.“

Lächelnd nickte er. „Ungewöhnlicher Sport für einen Wüstensohn, oder?“

„Ja, allerdings“, bestätigte Laurel ebenfalls lächelnd. Dann sah sie ihn prüfend an. „Erzähl mir von Diyafa, deiner Heimat. Bisher kenne ich nur den Namen. Von Eli. Diyafa“, wiederholte sie und ließ sich dabei den Klang auf der Zunge zergehen. „Hört sich an wie eine ganz andere Welt.“

„Ist es auch“, bestätigte er. „Die Nächte sind warm und trocken, und einen klareren Sternenhimmel als über der Wüste habe ich nie gesehen.“ Er sprach leise, aber voller Begeisterung.

„Wie schön! Am liebsten würde ich es nicht zugeben, aber ich bin nie aus den Vereinigten Staaten herausgekommen.“

„Nie?“

„Nie. Dabei war es immer mein Traum zu reisen.“

Das war ja Punkt sechs auf ihrer Liste. In ferne Länder reisen. Sie stellte sich vor, wie sie auf dem Markusplatz in Venedig stand oder in Ägypten vor der Sphinx. Hauptsache weit weg von Charleston.

„Ich habe mir vorgenommen, den Traum wahr werden zu lassen. Einen Reisepass habe ich mir schon besorgt.“ Sie trug ihn bei sich, in ihrer Handtasche, zusammen mit der Liste – und dem Brief ihres Vaters, den sie am Tag der Testamentsöffnung bekommen hatte.

„Da bietet sich ja meine Heimat als Reiseziel förmlich an“, sagte Rakin.

Er glaubte jetzt doch hoffentlich nicht, dass sie es auf eine Einladung anlegte? „Ich kann unsere frische Bekanntschaft doch nicht gleich so ausnutzen“, wehrte sie ab.

„Warum denn nicht?“

Sie senkte die Lider. „Wir kennen uns ja kaum.“

„So etwas lässt sich ändern“, entgegnete er amüsiert.

Sie sah ihn. Jetzt flirtete sie tatsächlich mit ihm! Punkt drei ihrer Liste!

Auch wenn er Elis bester Freund war – sie würde ihn so schnell nicht wiedersehen. Schließlich waren sie sich auch bisher nicht begegnet. Er war ein viel beschäftigter Mann … Waren das nicht ideale Voraussetzungen?

Sollte sie etwa kneifen? Nein! Jetzt war die Zeit zum Handeln gekommen. „Wer weiß … eines Tages vielleicht“, sagte sie mit einem Lächeln, von dem sie inständig hoffte, dass es auf ihn geheimnisvoll wirkte.

In seine Augen trat ein seltsamer Ausdruck.

„Wenn es so weit ist, dann lass es mich wissen“, bat er mit rauchiger Stimme.

Er flirtete ebenfalls!

Und er beherrschte diese Kunst, da gab es keinen Zweifel. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich versucht, völlig entspannt ganz Frau zu sein. Sich einfach treiben zu lassen. Dieser Mann hier verstand es, mit Frauen respektvoll und einfühlsam umzugehen. „Ehrlich gesagt, ist mir mehr nach Las Vegas zumute …“, gestand sie. „Ich habe noch nie gespielt. Jedenfalls nicht in einem Casino.“

Ihre Mom war dagegen. Ein Onkel mit etwas zweifelhaftem Ruf, das schwarze Schaf der Familie Winthrop, hatte beim Pokern ein Vermögen verloren. Damit hatte er maßgeblich zur Notlage der Familie beigetragen, damals, bevor Elizabeth in die Kincaid-Familie eingeheiratet hatte.

Spielen war also verpönt, darum hatte sie es auf ihre Liste gesetzt.

„Wenn es so ist, sollten wir das unbedingt ändern“, schlug er vor.

Ja, er flirtete! Sein Tonfall verriet es, und noch mehr das Funkeln seiner Augen.

Sie bemühte sich, sich ihre Aufregung über diese Entdeckung nicht anmerken zu lassen. „Ich will nicht abhängig werden.“

„Das kann nur passieren, wenn man mehr einsetzt, als man hat.“

„Ich werde dran denken.“ Sie sah ihn unter gesenkten Lidern an. „Wenn ich jemals in Las Vegas sein sollte.“

Das Musikstück war zu Ende. Obwohl sie sich erhitzt und durstig fühlte, wollte sie die Unterhaltung mit Rakin nicht beenden. Dazu machte das Gespräch mit ihm einfach zu viel Spaß. Auch wenn es gefährlich war. Seine angenehm warme Hand auf ihrem Rücken, seine kraftvollen Finger, der Körperkontakt mit ihm beim Tanzen – das alles trug nicht gerade dazu bei, dass sie einen kühlen Kopf bewahrte. Ganz im Gegenteil …

„Warm ist es hier“, stellte sie fest, ließ seine Hand los und fächelte sich Luft zu. „Ich muss etwas trinken.“

„Draußen ist es angenehmer“, erwiderte er ritterlich und geleitete sie am Ellbogen von der Tanzfläche. Auf dem Weg zu den offen stehenden Türen ließ er sich von einem Kellner zwei Gläser Sekt geben.

Laurel zögerte. So wie es aussah, würden sie auf der Terrasse allein sein.

„Komm“, sagte er. „Es ist ruhig und kühl.“ Sie zuckte zusammen, als er die empfindliche Stelle unterhalb ihres Ellbogens berührte.

Sie fragte sich, ob sie sich womöglich auf etwas einließ, womit sie später nicht klarkam.

Trotzdem ging sie mit ihm hinaus in die Nacht.

Es wehte ein leichter Wind, der den süßen Duft von Magnolien und Jasmin zu ihnen herübertrug.

Rakin führte Laurel an das Ende der Terrasse, das im Dunkeln lag. Von hier aus war die Musik kaum zu hören.

Im schwachen Schein einer Wandlampe gab er ihr eins der langstieligen Gläser. Dann lehnte er sich an das Geländer und sah sie über den Glasrand hinweg an.

Ein ungewöhnliches Gefühl – war es Lust? – breitete sich in ihm aus.

Laurel Kincaid war wirklich eine außergewöhnlich attraktive Frau. Ihre Figur kam in dem eng anliegenden Kleid aus silbergrauer Seide wunderbar zur Geltung. Ihre zarte helle Haut bildete einen reizvollen Kontrast zu den rotbraunen Haaren. Aber am meisten sprachen ihn ihre ausdrucksvollen grünen Augen an.

Welcher Mann würde ihre ungeteilte Aufmerksamkeit nicht erregend finden? Er jedenfalls, das stellte er beinahe ärgerlich fest, konnte sich Laurels Zauber nicht entziehen.

Dabei ging es ihm um viel mehr. Ohne sie aus den Augen zu lassen, trank er einen Schluck Sekt.

Obwohl er das Vermögen der Al-Abdellahs um etliche Millionen vergrößert hatte, wollte ihn sein Großvater aus dem Familiengeschäft ausschließen, falls er nicht endlich bald heiratete.

Nur leider gehörte Liebe nicht zu Rakins Lebensplan. Und bisher hatte er sich auch erfolgreich widersetzt. Aber inzwischen hatte sich die Konkurrenzsituation mit Prinz Ahmeer Al-Abdellah zu einem offenen Konflikt entwickelt. Da erschien Heiraten noch als das kleinere Übel. Jedenfalls war es Elis ursprünglich scherzhaft gemeinter Vorschlag durchaus wert, ernsthaft überdacht zu werden … Kam Laurel vielleicht tatsächlich als Braut infrage?

Um Liebe ging es bei dieser Frage nicht.

Ein Blick auf Laurel würde genügen, und sein schlauer Großvater wäre voll und ganz zufrieden. Sie war eine außergewöhnliche Schönheit. Und sie gehörte zu den Kincaids aus Charleston, was die ganze Sache noch mehr versüßte.

Doch eins nach dem anderen: Erst einmal musste er Laurel überzeugen. Das durfte nicht ganz einfach werden. Denn aus welchem Grund sollte sie ihm helfen?

Es sei denn aus geschäftlichen Erwägungen …

„Wenn ich dich recht verstanden habe, würdest du gern mal in Las Vegas spielen?“, fragte er.

„Ja, schon möglich.“

Er bemerkte das Lächeln in ihrer Stimme. Machte sie sich über ihn lustig? „Und du warst noch nie dort?“

„Ein Mal, aber da war ich noch so klein, dass ich mich nicht mehr erinnere.“

„Du solltest unbedingt hinfahren oder – fliegen. Aber nicht allein.“

„Weißt du, ich habe den Wunsch erst vor Kurzem überhaupt entdeckt. Noch vor ein paar Monaten hätten mich Lily und Kara begleiten können. Aber jetzt ist es zu spät – sie sind beide verheiratet. Lily und Daniel haben sich vor ein paar Tagen das Jawort gegeben. Es war nur eine kleine Feier. Sie wollten nicht mit Karas Hochzeit heute konkurrieren. Im Oktober, wenn das Baby da ist, soll es ein großes Familienfest geben.“

Sie sprach in beiläufigem Ton, aber Rakin glaubte, einen Anflug von Einsamkeit in ihrer Stimme zu hören. Auch für ihn war dieses Gefühl nichts Neues. Da er als Einzelkind aufgewachsen war, beneidete er Laurel um ihre Brüder und Schwestern. Dem herzlichen Umgang miteinander war leicht zu entnehmen, wie nah sich die Familienmitglieder standen.

Damit ließ sich, was ihn selbst betraf, nur die Freundschaft mit Eli vergleichen. Aber über Familie oder Gefühle redeten sie nicht. Meist unterhielten sie sich über Sport, Geld und Geschäfte. „Auch wenn sie verheiratet sind, sie bleiben trotzdem deine Schwestern.“

Laurel trat an die Brüstung und sah in die Nacht hinaus. „Das stimmt natürlich“, bestätigte sie nach einer Weile. „Aber die Schwerpunkte haben sich geändert. Sie haben jetzt Ehemänner, und Lily erwartet ein Kind.“ Traurig fügte sie hinzu: „Zwischen uns wird es nie wieder so werden, wie es war.“ Doch dann gab sie sich einen Ruck. „Schluss damit. Ich habe genug Bekannte, mit denen ich nach Las Vegas fahren kann.“

Kein Wunder. Sie war temperamentvoll und sah atemberaubend gut aus.

„Erzähl mir von deiner Freundschaft mit Eli“, forderte er sie auf.

Über dieses Thema hatte er oft nachgedacht. Da er in einer traditionsbewussten Welt aufgewachsen war und reine Jungenschulen besucht hatte, hatte er so etwas nicht für möglich gehalten. Aber Eli hatte ihm geduldig erklärt, wie nahe sie einander standen – nicht als Paar, sondern eben als Freunde.

Später dann die Verlobung hatte ihn nicht überrascht. In seinen Augen musste es früher oder später zwischen Mann und Frau zwangsläufig zu körperlicher Anziehung kommen.

Als dann Laurel mit Eli Schluss gemacht hatte, hatte dieser es erstaunlich leichtgenommen und den halb scherzhaften Vorschlag gemacht, dessentwegen er jetzt hergekommen war.

„Wir sind im selben Alter und zusammen aufgewachsen. Klar, dass wir alles gemeinsam gemacht haben. Auch als Erwachsene wurden wir meist noch zu zweit zu Partys eingeladen. Ich glaube, für unsere Freunde waren wir schon längst ein Paar, lange bevor wir selbst auf diese Idee gekommen sind.“

„Als Nächstes wäre die Hochzeit gekommen. Aber wir waren eben Freunde und kein Liebespaar. Der Funke hat gefehlt.“

Deshalb Elis gelassene Reaktion! Rakin stellte sein Glas ab und machte einen Schritt auf Laurel zu. „Der Funke?“

„Ja! Sehnt sich danach nicht jede Frau?“

Plötzlich lag ein fast hörbares Knistern zwischen ihnen in der Luft.

Und ehe ihm bewusst wurde, was er tat, strich er ihr eine Strähne ihres rotbraunen Haares aus dem Gesicht. Dabei berührte er ihre Wange, die ihm unendlich zart erschien. Abrupt ließ er die Hand wieder sinken – ansonsten hätte er womöglich dem völlig verrückten Impuls nachgegeben, weiter ihre samtweiche Haut zu streicheln. „Alle suchen sie die Flamme, aber die Wenigsten finden sie.“

„Du meinst Liebe?“, fragte sie.

„An die Liebe glaube ich nicht. Ich rede von dem, was du Funke genannt hast. Eine mächtige Kraft, die zwei Menschen in Harmonie verbindet. So etwas passiert nicht oft im Leben.“

Sie trank ihr Sektglas aus. Ihre helle Haut schimmerte zauberhaft im matten Licht der Lampe. Wie elegant und feminin die Linie ihres Halses aussah! „Interessante Sichtweise. Ich habe immer gedacht, dass ich mir Liebe mehr wünsche als alles andere auf der Welt.“

„Und jetzt denkst du nicht mehr so?“

„Richtig!“ Sie kicherte. „Jetzt nicht mehr.“

Rakin fühlte sich erleichtert. Zum Glück war sie nicht auf der Suche nach romantischer Liebe. Geschäftliche Gründe und dieser … Funke würden ausreichen, sie von seinem Plan zu überzeugen.

„Entschuldige bitte das Kichern. In der letzten Zeit hatte ich nicht viel zu lachen. Es hat mir gut getan.“

„Liegt bestimmt an der Freude über die Hochzeit.“

Sie hob ihr leeres Glas. „Ich glaube, mit dem Sekt hat es auch etwas zu tun.“

Dieses ehrliche Eingeständnis verblüffte ihn. Hatte er es hier etwa mit einer Frau zu tun, die zwischen Realität und Romantik zu unterscheiden wusste? Ja … das konnte sein. Schließlich war sie eine Kincaid. Und mit Leib und Seele eine Geschäftsfrau. Plötzlich betrachtete er sie wie einen kostbaren Edelstein. „Möchtest du noch ein Glas?“

„Im Moment nicht. Sonst werde ich noch ganz beschwipst.“ Wieder lachte sie. „Das passiert mir zum ersten Mal.“

Er nahm ihr das Glas ab und stellte es zu seinem auf die Brüstung. „Soll das heißen, du hattest noch nie einen Schwips?“

„Genau das. Meine Mom würde sich für mich schämen.“

„Tut mir übrigens leid für euch alle, dass sie in Haft war. War bestimmt eine schwere Zeit.“

Sie nickte. „Allerdings.“ Der Lichtschein der Lampe fiel jetzt auf ihr Gesicht, und er sah, dass die gute Laune daraus verschwunden war – was ihn traurig stimmte.

„Die Polizei ist noch nicht weiter mit ihren Ermittlungen“, fuhr sie fort. „Aber wenigstens ist Mom von dem grässlichen Verdacht befreit.“

Sie zitterte, und das nicht vor Kälte. „Ich habe mir den Tag wieder und wieder durch den Kopf gehen lassen. Ich war bis zum späten Nachmittag im Büro. Bevor ich gegangen bin, habe ich Dad noch eine Tasse Kaffee gemacht. Stark und heiß, habe ich gesagt, wie du es gern hast. Ich weiß noch, dass er gelacht hat, was selten vorkam. Dann hat er sich wieder in seine Papiere vertieft. So sehe ich ihn noch immer vor mir …“

Sie kämpfte mit den Tränen.

„Ich zerbreche mir immer wieder den Kopf darüber, ob mir irgendetwas hätte auffallen müssen, aber alles war ganz normal. Einige Angestellte waren noch da; Brooke, damals noch RJs Sekretärin, ging als Letzte. Mich ärgert es, dass ich rein gar nichts Ungewöhnliches bemerkt habe.“

„Du konntest ja nicht im Voraus wissen, was passieren würde.“

Sie schlang die Arme um sich und trat wieder an das Geländer. Lange schwieg sie. Als sie ihm den Kopf zuwandte, schimmerte ihre Haut im Mondlicht wie Seide.

Schließlich sprach sie weiter. „Von uns allen macht sich Brooke die größten Vorwürfe. Auf ihre Aussage hin, dass Mom Dad Abendessen gebracht hat, war meine Mutter verhaftet worden. Und bis vor Kurzem hatte sie ja kein Alibi. Dabei hat Brooke vergessen, der Polizei gegenüber eine ungewöhnliche Beobachtung zu erwähnen: Am frühen Nachmittag hatte es stark geregnet, und sie beeilte sich, mit einem Stapel wichtiger Kopien möglichst trocken ins Bürogebäude zu kommen. Ein Unbekannter im Regenmantel hielt ihr die Tür auf. Und der Sicherheitsdienst machte keine Aufzeichnungen, weil es so aussah, als gehörte der Mann zu Brooke. Inspektor McDonough hält es für möglich, dass er sich bis zum Abend im Gebäude versteckt gehalten hat.“

„Und es gibt keine Hinweise, wer der Mann gewesen sein könnte?“

Sie schüttelte den Kopf. Die rotbraunen Haare schienen dabei die Schultern zu streicheln. „Auf dem Videoband einer Tiefgarage in der Nähe ist ab dem Nachmittag bis zur Tatzeit Jack Sinclairs alter Aston Martin zu sehen. Aber Jack schwört, dass er die ganze Zeit in seinem Büro war. Andererseits war der Wagen nicht als gestohlen gemeldet.“

„Glaubst du wirklich, dass Jack Sinclair der Täter ist?“

„Ich hoffe nicht. So wie es aussieht, hat Dad Angela geliebt. Er wollte sie damals heiraten, aber seine Eltern waren dagegen. Darüber ist Jack sehr verbittert. Er ist zwar der älteste Sohn, aber eben kein legitimer Kincaid. Dad hat versucht, ihm und Angela gegenüber alles wiedergutzumachen. Aber obwohl er so viel Geld und Macht geerbt hat, kann Jack den alten Groll nicht begraben. Das macht es natürlich schwierig, ihn sympathisch zu finden.“

„Du versuchst wohl, in allen Menschen das Gute zu sehen?“

„Ja“, bestätigte sie und sah ihm dabei mit einer Ehrlichkeit ins Gesicht, die er unter den Menschen schon lange nicht mehr suchte. „Auch wenn es mir nicht immer gelingt. Aber reden wir von etwas anderem. Jack Sinclair soll uns nicht die Feier verderben.“

„Reden wir von dir.“ Nicht ohne Befriedigung bemerkte er, wie sie stutzte. „Eli sagt, von allen Menschen, die er kennt, hast du das freundlichste Herz.“

Sollte er sie vielleicht freiheraus darum bitten, ihm aus der Sache mit seinem Großvater herauszuhelfen? Und sich damit ihrem Wohlwollen ausliefern? Nein, sein Stolz ließ es nicht zu, jemanden um einen Gefallen zu bitten. All seine Entscheidungen beruhten auf gegenseitigem Vorteil – und knallhart auf Gewinn.

Sie zog die Nase kraus. „Klingt, als wäre ich sehr langweilig.“

„Freundlichkeit ist nicht langweilig.“

„Aber auch nicht aufregend.“

Er sah sie fragend an. „Willst du aufregend sein?“

„Ich will ein eigenes Leben“, platzte sie heraus und erschrak sogleich darüber. „Oje, wie sich das anhört! So dramatisch war es gar nicht gemeint.“

Rakin überlegte. Offenbar war sie es nicht gewohnt, über ihre eigenen Wünsche zu sprechen. Er ging auf sie zu und fragte vorsichtig: „Und wie willst du es dir aufbauen – dein eigenes Leben?“

Sie sah hinaus in die Nacht. „Ich will Dinge tun, die ich noch nie gemacht habe. Die man von Laurel Kincaid, der Werbeleiterin der Kincaid Group, nicht erwarten würde. Die nichts mit Büchern, Kunst und Wohltätigkeit zu tun haben.“

Rakin lächelte. „Zum Beispiel in Las Vegas spielen?“

„Genau.“ Trotzig reckte sie das Kinn. „Klingt vielleicht unbedeutend, aber für mich ist es der Schritt zu mehr Freiheit.“

Wie kam es, dass er sich in Gegenwart dieser Frau so unbeschwert und gut gelaunt fühlte? Als würde die Last von Jahren einfach so von ihm abfallen! Langsam begriff er: Nach außen hin gab sich Laurel Kincaid als vollendete Lady, aber in Wahrheit war sie eine unabhängige Persönlichkeit, ja, fast schon eine Rebellin.

Eine sehr elegante Rebellin eben …

Er hegte keine Zweifel, dass sie es schaffen würde, die bisherigen Einschränkungen abzustreifen. Das Schicksal würde ihnen helfen. „Du möchtest Abenteuer erleben?“, fragte er.

„Oh ja, nichts lieber als das.“ Ihre Augen funkelten vor Begeisterung.

In dem Moment entschied er: Diese ungewöhnliche Frau wollte er kennenlernen. So gut wie nur irgend möglich.

Er begehrte sie. Und mehr als das. Er mochte sie. Ihr gegenüber würde es ihm nicht schwerfallen, seine Situation darzustellen. Sie würde zuhören, das wusste er. Mit leicht zur Seite geneigtem Kopf würde sie alles darüber erfahren wollen, wie sein Großvater ihn aus dem Geschäft werfen wollte, für das er so hart gearbeitet hatte.

Sie würde ihn verstehen. Wenn sie sich sogar um Verständnis für Jack Sinclair bemühte, der die Kincaid Group zerstören wollte!

Über einen Heiratsantrag würde sie zumindest ernsthaft nachdenken. Ja, Laurel war die ideale Frau für ihn. Aber er brauchte Zeit, um sie zu überreden. Noch ehe er den Gedanken zu Ende gedacht hatte, hörte er sich plötzlich sagen: „Dann komm doch mit mir nach Las Vegas.“

3. KAPITEL

„Ich soll mit dir nach Las Vegas kommen? Ist das dein Ernst?“

Vor Erstaunen blieb Laurel der Mund offen stehen. Rakins Vorschlag warf sie fast um. So weit war es also mit ihrer unerschütterlichen Ruhe her! Und zu allem Überfluss hatte er es auch noch bemerkt, denn er zwinkerte …

„Mein voller Ernst“, bestätigte er und kam so nahe, dass er sie fast berührte. „Dann kannst du an den Slotmachines spielen.“

„Es geht mir nicht in erster Linie um die Automaten. Ich will die ganze Nacht lang spielen, und zwar im Casino.“

„Du bist ja wirklich eine Rebellin.“ Er lachte. „Ich glaube, ich unterstütze deinen Plan.“

„Machst du dich über mich lustig?“, fragte sie.

„Warum sollte ich?“

Weil er sie für zu brav und farblos hielt?

Sie betrachtete ihn, wie er vor ihr stand. Sein weißes Hemd unter der Anzugjacke bildete einen klaren Kontrast zu seinem gebräunten Gesicht mit den klassischen Zügen. Plötzlich verspürte sie den heftigen Wunsch, ihn zu überraschen. Warum sollte sie sein Angebot nicht annehmen?

Sie atmete tief durch und erklärte: „Meine Mutter ist eine geborene Winthrop.“ Dann schwieg sie erwartungsvoll.

Als Rakin keine Reaktion zeigte, fuhr sie fort: „Sorry, das sagt dir vermutlich nichts. Aber hier im South Carolina weiß jeder, dass man mit der Macht der Winthrops immer rechnen muss. Sie sind eben eine alteingesessene Familie.“ Sie lächelte. „Ich weiß, das klingt überheblich. Aber es hat auch harte Zeiten gegeben. Ein paar falsche Entscheidungen wurden getroffen. Und mein Großonkel hat viel Geld verloren – durch Immobiliengeschäfte und beim Poker.“

„Tut mir leid, das zu hören.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Es kam noch schlimmer. In den Siebzigern war das Familienvermögen fast völlig aufgebraucht, aber die Winthrops wollten ihren gewohnten Lebensstil nicht aufgeben. Das notwendige Geld, um die gesellschaftliche Stellung zu wahren, kam von den Kincaids, die es mit Transporten und – ausgerechnet – mit Immobiliengeschäften verdient hatten.“ Wieder lächelte sie. „Irgendwie scheinen die Kincaids mehr davon zu verstehen. Oder sie sind gerissener. Jedenfalls, gerade als es mit den Winthrops abwärtsging, wollte mein Großvater von der Seite der Kincaids die letzten großen geschäftlichen Bastionen hier im Süden einnehmen. Aber trotz seines vielen Geldes hatte sich das für ihn als Neureichen bisher als unmöglich erwiesen. Was lag also näher, als dass er meinen Vater unter Druck gesetzt hat, meine Mutter zu heiraten?“

„Jetzt bist du ironisch.“

„Ironie gehört nicht zu meinen Wesenszügen, ob du es glaubst oder nicht.“ Sie trat zurück, bis sie die Kühle der Brüstung durch den feinen Stoff ihres Kleides spürte. „Ich finde es kein sehr löbliches Verhalten der Kincaids und Winthrops, dass sie die Heirat meiner Eltern wie ein Geschäft betrieben haben.“

„So ist das manchmal in einflussreichen Familien. Aber was haben deine Eltern dazu gesagt?“

„Mom hat sich in Reginald Kincaid verliebt“, sagte sie traurig. „Kein Wunder. Er war gut aussehend und hatte Humor. Welche Frau sollte da widerstehen? Außerdem hatte er alle Möglichkeiten, das Familienvermögen zu retten. Er musste ihr wie ein Ritter in strahlender Rüstung erschienen sein.“ Sie seufzte. „Aber warum erzähle ich dir das? Wir sind hier, um uns mit Kara und Eli zu freuen. Lassen wir doch die alten Zeiten.“

„Ja, du hast recht. Die Entscheidungen deiner Eltern dürfen keinen Einfluss auf deine Zukunft haben“, sagte er sanft. „Komm mit nach Vegas. Um zu spielen, wenn du willst. Oder einfach nur so für ein Wochenende.“

Zwei oder drei Tage, nur so zum Spaß … Was konnte das schon schaden?

Und wie über die Maßen reizvoll die Vorstellung war, etwas zu tun, was in ihrer Familie so sehr verpönt war!

„Verlockend finde ich das schon …“

„Aber?“

„Ich weiß nicht …“

„Jetzt bekommst du kalte Füße.“

Das stimmte. Daran änderte auch die laue Nacht nichts.

Sie atmete die nach Jasmin duftende Luft tief ein. Der vertraute Geruch ließ ihr diese Unterhaltung mit Rakin noch ungewöhnlicher erscheinen. „Über eine so verrückte Einladung sollte ich gar nicht ernsthaft nachdenken.“

„Doch. Es ist das, was du willst.“

Auch das stimmte.

Es war ja fast so, als könnte er ihre Gedanken lesen!

Schnell ließ sie vor ihrem geistigen Auge Revue passieren, was sie hier festhielt. Die Fürsorge für ihre Mom und die Schwestern? Ihre Mutter hatte jetzt Cutter, und ihre Schwestern waren verheiratet. Wie befreiend doch eine kurze Auszeit wäre! Einfach nur Spaß haben und alle Verpflichtungen hinter sich lassen …

Ein eigenes Leben.

War es dazu nicht schon zu spät? Kannte sie ihre Wünsche und Bedürfnisse denn überhaupt noch? Sie sah zu dem Mann auf, der ihr soeben das verlockendste Angebot ihres Lebens gemacht hatte. Er lächelte, und die Unterlippe wirkte voll und sinnlich. Einen Fremden küssen. Dazu gehörte noch mehr Mut als zum Flirten. Aber die Vorstellung war so reizvoll …!

Eilige Schritte näherten sich. Es war Susannah, Matts Verlobte. „Laurel, schnell, du musst kommen! Kara wirft ihren Brautstrauß.“

Erleichtert ließ Laurel die Schultern sinken. So war ihr die Entscheidung zunächst einmal abgenommen. „Ich muss gehen. Die Pflicht ruft.“ Sie lächelte.

„Ich warte auf dich.“

„Ich nehme dich beim Wort.“

Allmählich gewöhnte sie sich ans Flirten.

Auf der Tanzfläche standen Frauen jeden Alters dicht gedrängt. Anscheinend wollte jede Unverheiratete in Charleston heute Abend Karas Strauß auffangen …

Mutlos betrachtete Laurel die Menge. „Es sind schon zu viele künftige Bräute hier; da braucht ihr mich wirklich nicht.“

„Kara hat ausdrücklich gesagt, dass sie dich dabeihaben will“, flüsterte Susannah und schob sie weiter.

Am Rande der Tanzfläche trafen sie auf Elizabeth. „Laurel, beeil dich. Kara wartet auf dich.“

Laurel sah von Susannah zu ihrer Mutter, und ihr kleiner Schwips verschwand. „Ist das hier eine Verschwörung oder was?“

„Nein, nein“, versicherten die beiden unisono, aber unüberhörbar nicht wahrheitsgemäß.

Zögernd ließ sich Laurel von ihrer Mutter in die Mitte der Tanzfläche führen.

Aus dem Augenwinkel nahm sie neben ihrem Bruder Matt einen hochgewachsenen dunkelhaarigen Mann wahr. Rakin. Außerdem sah sie auch RJ und Daniel, Lilys Mann. Gerade trat Alan Sinclair zu ihnen. Alle grinsten. Aber es war Rakins intensiver Blick, der ihr Schmetterlinge im Bauch verursachte.

„Laurel!“

Schuldbewusst wandte sie den Kopf nach ihrer Mutter.

„Jetzt komm doch ein bisschen weiter nach vorn.“

Sie zögerte – im Unterschied zu all den anderen. Während Eli Kara auf die Bühne half, wurde Laurel von den anderen mitgerissen, die nach vorn drängten.

Kara blickte über die Menge hinweg, sah Laurel … und drehte sich um.

Oh nein!

Als Kara den Strauß über den Kopf hinweg nach hinten warf, duckte sich Laurel blitzschnell. Dann richtete sie sich wieder auf und sah sich neugierig um.

Verwirrt stand Elizabeth mit dem an die Brust gedrückten Strauß da.

„Herzlichen Glückwunsch, Mom. Sieht ganz so aus, als wärst du die nächste Braut.“ Dann tat sie ihr in ihrer Beschämung leid und führte sie von der Tanzfläche.

„Laurel, was sollen denn die Leute denken? Dein Vater ist erst seit vier Monaten tot. Und ich habe den Brautstrauß aufgefangen! Es ist eine Katastrophe.“

Mom braucht unbedingt auch eine Liste wie ich, dachte Laurel. „Mom, jetzt mach dir doch darüber keine Gedanken. Es ist dein Leben. Leb es! Kara soll deine Hochzeit organisieren, dann lade deine wirklichen Freunde ein und heirate Cutter. Werde glücklich!“

„Glücklich?“, fragte Elizabeth, und ihre Augen strahlten. „Ja, das ist es! Du hast ja so recht, Darling. Vielen Dank.“

Laurel schluckte. War es wirklich so einfach?

In diesem Augenblick trat Lily zu ihnen. „Gut gefangen, Mom.“

„Ach was.“ Elizabeths Wangen waren gerötet. Sie wirkte lebhaft wie schon seit Jahren nicht mehr.

Als Kara zu ihnen trat, entschuldigte sich Elizabeth bei ihr. „Es war ein Versehen. Ich weiß, du wolltest, dass Laurel ihn fängt.“

Zum Glück hatte sie sich diesem Komplott erfolgreich widersetzt! Sie lächelte.

„Laurel braucht erst mal einen Bräutigam. So gesehen, wäre der Strauß ohnehin zu früh gekommen“, schaltete sich Lily ein und fing sofort an, unter den Männern am Rande der Tanzfläche Ausschau zu halten.

Laurels Lächeln erstarb.

Lily war nicht mehr zu bremsen. „Wer käme denn da infrage? Es muss doch jemanden geben, den wir Laurel vorstellen können. Einen von RJs Freunden? Oder vielleicht kennt Daniel jemand Passenden?“

Wieder einmal bestimmte ihre Familie über ihr Leben. „He …“

Kara ließ sie nicht ausreden. „Eli hat ihr schon Rakin vorgestellt.“

Laurel trat unruhig von einem Bein auf das andere, als Elizabeth und Lily sie überrascht ansahen. „Rakin?“

„Er steht da drüben. Bei RJ und Matt“, erklärte Kara.

„Nicht mit dem Finger zeigen“, sagte Laurel erschrocken. Und fast bittend fügte sie hinzu: „Und starrt auch nicht alle in die Richtung.“

„Warum nicht?“, fragte Lily. „Interessierst du dich für ihn?“

Laurel spürte, wie sie rot wurde. „Nicht direkt. Aber ich will nicht, dass ihr den armen Kerl in Verlegenheit bringt. Dazu ist er zu nett.“

„Nett? Er ist umwerfend!“, stellte Kara fest.

„Hey, das ist doch der Mann, mit dem du auf der Terrasse geturtelt hast!“, meinte plötzlich Susannah.

„Oh, du warst mit ihm auf der Terrasse?“, fragte Brooke. „Davon hast du uns gar nichts erzählt.“

„Ich habe ihn doch gerade eben erst kennengelernt.“

„Aber dafür seid ihr euch schon ganz schön nahegekommen“, fand Lily.

Laurel gab auf. Widerstand war zwecklos. „Also gut: Er hat mich nach Las Vegas eingeladen.“

„Nach Las Vegas?“, echoten alle im Chor.

„Pst! Nicht so laut!“

„Und? Du fährst doch mit, oder?“, wollte Kara wissen.

„Ich weiß nicht …“

„Aber das musst du!“

„Oder hast du zu viel zu tun?“, hakte Lily nach.

„Die Arbeit als Ausrede fällt flach“, erklärte Kara. „Laurels Honeymoon war für die zwei Wochen nach ihrer Hochzeit gebucht. Und ich weiß, dass sie sich die Zeit freigehalten hat, auch als alles abgeblasen war. In der Hinsicht steht nichts im Wege.“

„Das waren anstrengende Monate. Ich brauche mal eine Pause“, sagte Laurel. Um Klarheit zu gewinnen, was sie vom Leben erwartete. So wie es jetzt aussah, würde sie einen Teil dieser Zeit mit Rakin verbringen. Ein Gefühl angenehmer Erwartung durchströmte sie. Aber was wurde aus ihrer Mutter? „Ich wollte doch Inspektor McDonough anrufen und …“

„Das kann ich doch selbst machen, Darling“, erwiderte ihre Mutter schnell. „Lass dich davon nicht aufhalten.“

„Ich kann es auch machen“, bot Brooke sich an.

Laurel sah den bittenden Ausdruck in den Augen ihrer künftigen Schwägerin, die sich offenbar gern zugehörig fühlen wollte. „Gute Idee, Brooke. Und ruf bitte auch Nikki Thomas an.“

Susannah legte Laurel die Hand auf den Arm. „Ich weiß, dass du viel mehr unter Stress gestanden hast, als wir anderen es wahrgenommen haben. Du warst es ja, die Matt bei Elizabeths Inhaftierung angerufen hat.“

„Für uns alle war der Druck sehr hoch“, antwortete Laurel so leise, dass ihre Mutter es nicht hörte. „Ich habe schon mitbekommen, dass Matt sich große Sorgen gemacht und die Abteilung New Business geschaffen hat, um wieder auszugleichen, was wir durch Jack Sinclair verloren haben.“

Susannah zuckte mit den Schultern. „Gerüchten zufolge gibt es anscheinend weitere Treuebrüche. Aber im Moment könntest du sowieso nichts tun. Du und RJ, ihr habt schon genug geleistet. Wie du selbst sagst: Du brauchst mal eine Pause.“

„Und ich kann mich nur anschließen. Nimm dir frei. Es ist dein Leben. Leb es!“ Elizabeth lächelte Laurel liebevoll zu. „Gönn dir ein bisschen Vergnügen.“

„Ach, Mom.“ Laurel war dankbar über so viel Verständnis und umarmte spontan ihre Mutter. Diese Worte aus dem Mund der stets korrekten Elizabeth bedeuteten ihr viel! „Danke!“

Mehr oder weniger unbewusst war sie die ganze Zeit davon ausgegangen, dass ihre Mutter sie brauchte, um das Trauma der Inhaftierung zu überwinden. Vor allem jetzt, da die beiden Schwestern verheiratet waren. Aber nun hatten sie ihr – zusammen mit Susannah und Brooke – die Last der Verantwortung abgenommen. Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Nichts sprach mehr dagegen, Rakins Einladung anzunehmen!

„Jetzt hast du keine Ausrede mehr“, stellte Kara zufrieden fest.

Laurel machte nicht einmal den Versuch, das Lachen der anderen einzudämmen. Als sie sich beruhigt hatten, sagte sie: „Eigentlich sollte ich dir böse sein, aber wie könnte ich das? Es ist deine Hochzeit, und da möchtest du eben so viele deiner Gäste verkuppeln wie möglich.“

Kara sah sie erstaunt an. „Wie meinst du das?“

„Na, du hast doch Eli überredet, mir Rakin vorzustellen.“

„Nein, ehrlich, damit habe ich nichts zu tun.“

Laurels Verblüffung war groß.

Rakin sah Laurel auf sich zukommen. Sie wirkte heiter und beschwingt, strahlte vor Glück. Das machte sie noch unwiderstehlicher. Rakin spürte, wie sein Herz einen Takt aussetzte.

„Bitte entschuldigt mich.“ Ohne der Gruppe von Männern noch Aufmerksamkeit zu schenken, ging er Laurel entgegen. „Möchtest du tanzen?“

Sie nickte.

Da spürte er eine Hand auf der Schulter. Es war Matt. „Rakin, wir müssen unbedingt weiterreden. Ich wüsste zu gerne, wer im Emirat so alles auf den Markt drängt.“

Aber ausnahmsweise waren es nicht Geld und Geschäfte, die Rakin interessierten. Er vertröstete Matt und ließ Laurel keine Sekunde aus den Augen.

Ja, er wandelte auf einem schmalen Grat zwischen Vergnügen und Business. Jetzt hieß es aufpassen. Dann kam er sofort wieder zur Vernunft. Er war Rakin Whitcomb Abdellah. Er leitete ein Unternehmen. Sein Großvater regierte das Emirat. Außerdem hatte er stets mit dem Verstand entschieden und nie mit dem Herzen.

Und Laurel Kincaid fiel in den Bereich Geschäft. Das durfte er nie vergessen.

„Tanzen wir“, forderte er sie etwas schroff auf und zog die schönste Frau in die Arme, die ihm je begegnet war.

Laurel wurde gegen ihn gedrückt, und unwillkürlich umfasste er sie fester. Sie fühlte sich so gut an! Fest, weich und unglaublich feminin. Bei einer Frau wie ihr konnte ein Mann leicht die Beherrschung verlieren.

Geschäft, ermahnte er sich und führte sie wieder lockerer.

„Was macht denn Flynn hier?“ Laurel blieb stehen.

Der kleine Junge, der das Ringkissen getragen hatte, bahnte sich entschlossen einen Weg durch die Tanzenden.

Rakin atmete auf. Also war Laurel nicht wegen seines zu festen Griffes stehen geblieben, sondern wegen des Jungen. Der Kleine trug einen hellblauen Schlafanzug und hatte die Haare ordentlich glatt gekämmt.

„Hey!“ Laurel streckte den Arm nach ihm aus.

Bei ihrem Anblick leuchtete das Gesicht des Kleinen auf. „Tante Laurel, du hast ja den Strauß nicht gefangen!“

„Das hast du gesehen?“

„Wann schneidet Tante Kara den Kuchen an? Sie hat gesagt, ich kriege welchen.“

„Dieser reizende Kleine ist mein Neffe Flynn, der Sohn von Matt“, erklärte Laurel. Und zu dem Jungen sagte sie: „Das mit dem Kuchen dauert sicher noch. Solltest du nicht längst im Bett sein?“

Flynn nickte und sah sie mit seinen blauen Augen unschuldig an. „Pamela hat mir eine Gutenachtgeschichte erzählt.“

„Moms Hauswirtschafterin. Im Ernst, du musst schlafen.“

„Dazu bin ich zu aufgeregt. Außerdem will ich Kuchen.“

„Und darum bist du weggelaufen.“ Laurel lächelte ihm verschwörerisch zu. „Ich sage dir was: Du kannst einen Tanz mit uns haben, dann gehst du ins Bett. Und morgen bekommst du ein Riesenstück Kuchen, das verspreche ich dir. Abgemacht?“

Flynn schaute sie unschlüssig an.

„Nimm an“, riet ihm Rakin. „Ein besseres Angebot bekommst du nicht.“

Er streckte ihm die Handfläche auf einer Höhe entgegen, die der Kleine erreichen konnte. „Top“, riefen beide wie aus einem Munde und schlugen ein.

Amüsiert sah Rakin zu, wie Flynn unbekümmert mit ihnen mittanzte. Aber als die Melodie verklungen war, sah er erschöpft aus.

Eine kleine Frau mit grauen Haaren kam und holte ihn. „Er ist mir doch glatt entwischt“, sagte sie lachend und sah Rakin neugierig an.

„Das war Pamela, stimmt’s?“

Laurel nickte. „Sorry, ich hätte euch vorstellen müssen, aber ich wollte, dass Flynn möglichst schnell ins Bett kommt.“