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Da steht … sie! Überwältigt blickt Prinz Amir, Scheich von Zohayd, in die unglaublich dunklen Augen einer Frau. Lässt seinen Blick weiter gleiten über ihr Gesicht, erforscht alle zauberhaften Details … und spürt zum ersten Mal seit einer Ewigkeit tiefe Wärme in sich. Amir kann nicht anders, er muss die sinnliche Schönheit in sein Penthouse einladen und verführen. Eine Nacht, die nur ein Märchen bleiben wird, wie in den Erzählungen aus 1001 Nacht? Vielleicht, denn Amir muss schon bald heiraten - eine Braut, die Königin von Zohayd werden kann …
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Seitenzahl: 207
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© 2010 by Olivia Gates
Originaltitel: „To Tame A Sheikh“
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe: BACCARA
Band 1677 (17/2) 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Sabine Bauer
Fotos: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht als eBook in 08/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
ISBN: 978-3-86349-200-7
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Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
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Olivia Gates
Verführung wie in 1001 Nacht
1. KAPITEL
Johara Nazaryan war gekommen, um den Mann zu sehen, den sie als Einzigen je geliebt hatte – bevor er eine andere heiraten würde.
Ihr Herz pochte heftig. Sie war verwirrt; im einen Moment voller Vorfreude, im nächsten verließ sie wieder der Mut.
Sie betrachtete die zahlreichen luxuriös gekleideten Gäste der Party, die zu seinen Ehren stattfand. Aber von Amir Aal Shalaan selbst war keine Spur zu sehen.
Um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, trat sie vorsichtshalber einen Schritt zurück.
Solange er noch nicht hier war, blieb ihr Zeit, sich etwas zu beruhigen. Oder machte das Warten sie noch nervöser? Sie konnte es immer noch kaum fassen, dass sie sich entschlossen hatte, ihn nach zwölf Jahren wiederzusehen.
Dabei hatte sie die ganze Zeit über jede noch so unbedeutende Nachricht über ihn förmlich aufgesogen. Wann immer sie ihre Reisen in seine Nähe geführt hatten, hatte sie es sich nicht nehmen lassen, ihm sehnsüchtige Blicke zuzuwerfen.
Aber dieses Mal würde sie direkt auf ihn zugehen und ihn ansprechen. Lange nicht gesehen …
Amir. Der Prinz von Zohayd, des mächtigen Königreichs in der Wüste. Der jüngste der drei Söhne von König Atef Aal Shalaan und der verstorbenen Königin Salwa. Außerdem war Amir in den letzten sechs Jahren zu einem erfolgreichen und geschätzten Geschäftsmann in der Bau- und Transportbranche geworden.
Für Johara allerdings würde er immer der vierzehnjährige Jugendliche bleiben, der ihr vor zwanzig Jahren das Leben gerettet hatte.
Es war an ihrem ersten Tag in Zohayd passiert, damals war sie sechs Jahre alt gewesen. Ihr Vater, ein Mann mit armenischen und amerikanischen Vorfahren, war zum ersten Assistenten des Hofjuweliers, Nazeeh Salah, ernannt worden und sollte fortan mit seiner Familie im Palast leben.
„Onkel“ Nazeeh, der Mentor ihres Vaters, war übrigens auch derjenige gewesen, der ihren Namen vorgeschlagen hatte: Johara – das arabische Wort für Schmuckstück, Juwel.
Während des Gesprächs zwischen ihrem Vater und dem König war Johara unbemerkt auf den Balkon hinausgegangen und über die Balustrade geklettert – wo sie dann hilflos zwischen Himmel und Erde hing. Sie konnte sich gerade noch mit den Händen am Sims festhalten.
Als sie um Hilfe schrie, liefen sofort alle zusammen. Ihr Vater warf ihr eine Seilschlinge zu, in die sie ihre Hand stecken sollte. Johara versuchte es und wäre dabei fast abgerutscht. Da hörte sie von unten eine Stimme, die ihr dringend riet, es zu lassen.
Ängstlich blickte sie nach unten – und sah ihn.
Eigentlich schien er zu weit weg zu sein, als dass er Johara würde auffangen können. Doch während ihr die Eltern noch zuriefen, dass sie durchhalten sollte, begriff sie schlagartig, dass er sie sicher halten würde. Sie ließ den Sims los und fiel fast zehn Meter in die Tiefe.
Und tatsächlich: Mit der Schnelligkeit, Kraft und Präzision des Falken, nach dem er benannt war, hatte er sie aufgefangen. Sie war wohlbehalten in seinen Armen gelandet.
Noch heute dachte sie ab und zu an diesen Moment höchster Gefahr. Johara wusste, dass sie es nicht geschafft hätte, das Seil über ihre Hand zu streifen. Blitzschnell hatte sie sich dafür entschieden, sich dem wundervollen Jungen anzuvertrauen, dessen feurige braune Augen so viel Sicherheit ausstrahlten.
Von da an hatte sie gewusst, dass sie immer ihm gehören würde.
Nicht nur, weil er ihr das Leben gerettet hatte. Er war in jeder Hinsicht ein außergewöhnlicher Mensch, der ihr unendlich viel bedeutete.
Auch zwischen ihrem älteren Bruder Aram und ihm hatte sich eine enge Freundschaft entwickelt.
Aber als Johara älter geworden war, hatte sie einsehen müssen, dass ihr Traum von einem gemeinsamen Leben niemals in Erfüllung gehen würde.
Amir war ein Prinz – und sie nur die Tochter eines Bediensteten. Auch dass ihr Vater inzwischen das hohe Amt des Juweliers des Königs übernommen hatte, änderte daran nichts. In dieser Funktion entwarf er zum einen die Schmuckstücke für die königliche Familie, zum anderen war er für den umfangreichen wertvollen Kronschatz verantwortlich. Er wurde „Pride of Zohayd“ genannt und war Zohayds ganzer Stolz.
Dennoch blieb ihr Vater ein Mann aus einfachen Verhältnissen, aus dem Ausland, der es nur mit Fleiß und Begabung so weit nach oben geschafft hatte. Eine adelige Abstammung ersetzte das nicht …
Und selbst wenn Johara zu einer der vornehmsten Familien Zohayds gehört hätte, hätte Amir sie wohl kaum in Betracht gezogen. Sicher, er war immer sehr nett zu ihr gewesen. Aber seit seinem siebzehnten Lebensjahr wurde er von attraktiven Frauen regelrecht umschwärmt.
Sich selbst hatte Johara damals längst nicht als Schönheit empfunden, und sie war auch nicht besonders weltgewandt …
Doch inzwischen fand sie ihre äußere Erscheinung ansprechend genug, um seine Nähe zu suchen und ihn zu lieben.
Acht wunderbare Jahre lang hatte er ihr seine Freundschaft geschenkt. Als Johara zwölf war, hatten sich ihre Eltern getrennt. Um weiterhin in Amirs Nähe zu sein, war sie bei ihrem Vater geblieben. Ihre Mutter, eine Französin, war in ihre Heimat zurückgekehrt, wo sie ihre Karriere als Modedesignerin fortsetzte.
Dann plötzlich war alles vorüber. Amir hatte sich von Johara und ihrem Bruder zurückgezogen. Aram hatte erklärt, dass er sich als Prinz nicht länger mit Bediensteten abgeben wollte.
Johara wunderte sich, denn eine solche Einstellung passte ihrer Meinung nach nicht recht zu Amir. Sie vermutete, dass es für die Bitterkeit ihres Bruders andere Gründe gab. Dennoch fühlte sie sich, als sei sie aus einem Traum erwacht.
Denn auf die Erfüllung ihrer Liebe durfte sie kaum hoffen. Eines Tages würde Amir standesgemäß heiraten, wie es seine Bestimmung war.
Vielleicht hatte er ja ihre Gefühle geahnt und hatte sich von ihr abgewandt, um sie nicht zu verletzen? Jedenfalls hatte sein Verhalten maßgeblich zu ihrer Entscheidung beigetragen, Zohayd zu verlassen.
Kurz nach ihrem vierzehnten Geburtstag war sie nach Frankreich zu ihrer Mutter gereist – und nie wieder zurückgekommen.
Seit diesem Tag empfand Johara Nachrichten über Amir als tröstlich. Aufrichtig freute sie sich über seine Erfolge und darüber, dass es ihm gut ging. Mit der Zeit hatte sie sich daran gewöhnt, dass diese heimliche, einseitige Liebe offenbar ihr Schicksal war …
Aber jetzt, kurz vor dem einschneidenden Ereignis, erschien es Johara, als ob sie nicht länger das Recht hätte, ihren Empfindungen nachzuhängen – auch wenn niemand etwas davon ahnte.
Sie musste ihn sehen, und zwar nicht nur aus der Ferne. Ein letztes Mal, bevor er eine andere zur Frau nahm.
Darum war sie zu der Abschiedsparty gekommen. Aidan McCormick, einer seiner Geschäftsfreunde, richtete sie für Amir in New York City aus.
Über ihre Anwesenheit würde sich niemand wundern. Als erfolgreiche Mode- und Schmuckdesignerin, die auch außerhalb Frankreichs Furore machte, gehörte sie schließlich zum internationalen Jetset.
Aber der weitaus schwierigere Teil des Abends stand ihr noch bevor: Sie musste sich ein Herz fassen und Amir ansprechen.
Dabei, hoffte sie, würde ihr klar werden, wie übertrieben ihre Gefühle für ihn gewesen waren …
Plötzlich überzog eine Gänsehaut ihren ganzen Körper.
Amir war da!
Es dauerte eine Weile, bis sie ihn sah. Seine Persönlichkeit überstrahlte förmlich den ganzen überfüllten Raum.
Sie hatte ihn nicht kommen sehen, obwohl Johara den offiziellen Eingang in den letzten zwei Stunden nicht aus den Augen gelassen hatte. Er war von der anderen Seite gekommen. Dort musste McCormick einen privaten Aufzug haben.
Mit seiner Ausstrahlung zog Amir sie völlig in seinen Bann.
Sie hatte nur noch Augen für ihn. Sie war verwirrt. Und sie bewunderte ihn grenzenlos.
Obwohl sie mit vierzehn schon einen Meter siebzig groß gewesen war, hatte er sie schon damals deutlich überragt. An diesem Abend trug sie halbhohe Absätze, mit denen sie über einen Meter achtzig maß – trotzdem war Amir mindestens fünfzehn Zentimeter größer.
Wieso war ihr nicht schon früher aufgefallen, wie eindrucksvoll seine Erscheinung war?
Als sie ihn das letzte Mal aus der Nähe betrachtet hatte, war er nicht einmal zweiundzwanzig gewesen. Aus der Distanz hatte sie ihn seitdem fünf oder sechs Mal gesehen, zuletzt vor einem Jahr auf einem Ball in Cannes.
Doch bei diesen heimlichen Gelegenheiten hatte sie nie mehr als einen Eindruck von Vitalität und männlicher Kraft gewonnen. Und Fotos und Filmaufnahmen, die sie von ihm gesehen hatten, wurden, wie Johara fand, seiner Persönlichkeit und äußeren Erscheinung sowieso nur annähernd gerecht.
Natürlich hatte sie ihn schon früher regelrecht angebetet, doch in diesem Moment kam er ihr noch attraktiver vor.
Er erschien ihr wie eine gottgleiche Erscheinung der Wüste, geheimnisvoll und mächtig, kaum zu begreifen, herrlich und selbstherrlich zugleich.
Deutlich verrieten sein Anzug aus schwarzer Seide und das eng anliegende T-Shirt, dass Schultern und Brust breiter und muskulöser geworden waren. Im Gegensatz dazu wirkten die Hüften schlank wie ehedem.
Wenn er früher geschmeidig wie ein junger Falke gewesen war, besaß er nun etwas von der Majestät und Würde des erwachsenen Raubvogels …
Auch sein Gesicht hatte sich verändert. Eine gefällige Erscheinung war er schon immer gewesen, mit seiner dichten dunklen Haarmähne, den feurigen braunen Augen und dem dunklen Teint.
Nun, da das Weiche und Jugendliche aus seinen Zügen verschwunden war, schien er reifer und männlicher zu sein.
Und doch war es vor allem sein Gesichtsausdruck, der Johara den Atem anhalten ließ: Amir war nicht glücklich!
Er wirkte nicht nur nicht zufrieden. Nein, er machte den Eindruck eines Mannes, dem man die innere Ruhe geraubt hatte. Möglich, dass dies anderen Leuten verborgen blieb, aber Johara spürte es so deutlich wie ihre eigenen widerstreitenden Gefühle.
Damit schwand all ihre Hoffnung, einen Schlusspunkt zu setzen.
Hätte sie Amir heiter und ausgeglichen vorgefunden – vielleicht hätte sie sich von ihm lösen können. Aber so …
Und doch … Für eines war sie dankbar: Er hatte sie nicht gesehen. Und das würde er auch nicht – sie musste nur ihren Plan ändern …
Ja, das war das einzig Richtige!
Wenn sie Amir jetzt ansprach, würde das alles nur noch verschlimmern. Wenn er sie so sehr durcheinanderbrachte, während er noch zehn Meter entfernt war und Johara nicht einmal bemerkt hatte – was würde dann erst passieren, wenn sie einander von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden?
In ihrer naiven Liebe zu ihm hatte sie ihr Problem nur verstärkt. Mehr denn je wurde sie sich ihrer unerfüllten Sehnsucht bewusst. Jetzt half nur noch eins: den Schaden begrenzen.
Während sie sich selbst dafür schalt, dass sie überhaupt hergekommen war, ging sie zum Ausgang. Doch plötzlich fühlte sie sich wie von einem geheimen Kraftfeld angezogen …
Amir sah sie an – und schlagartig geriet ihr mühsam bewahrtes Gleichgewicht aus den Fugen.
Schon immer hatten seine Augen glühenden Kohlen geglichen, selbst wenn er Johara sanft und freundlich angeschaut hatte. In diesem Augenblick aber fühlte sie sich von seinem Blick regelrecht durchbohrt.
Darin lag ein aufleuchtendes Erkennen, eine ungeheuere Intensität – ohne einen Anflug von höflicher Zurückhaltung.
Johara blieb fast das Herz stehen.
Es war ein Fehler gewesen, hierherzukommen, ein viel größerer, als sie es sich bisher eingestanden hatte. Zweifellos würde sie es bis ans Ende ihrer Tage bereuen …
Wie angewurzelt blieb sie stehen, als er auf sie zukam. Es war, als stünde sie unter seinem Bann: Sie konnte sich nicht von der Stelle rühren.
Sie fühlte sich wie ein Mensch, der sein Schicksal vor sich sieht und ihm nicht entrinnen kann …
Kaum hatte Amir Aidans großzügiges Penthouse betreten, als er es auch schon bereute. Mit jedem Schritt, mit dem er der Party mit ihrer aufgesetzt fröhlichen Stimmung näher kam, wuchs sein Unbehagen.
Er hätte gar nicht erst zulassen sollen, dass Aidan diese Abschiedsfeier für ihn ausrichtete – denn Amir war fast wie bei einer Beerdigung zumute …
In diesem Moment kam sein Freund und Geschäftspartner mit einem fröhlichen Lächeln auf ihn zu.
„Hallo, Am!“ Er versuchte, die laute Technomusik zu übertönen. „Ich hatte schon Angst, du würdest nicht kommen.“
Unwillkürlich zuckte Amir zusammen. Dennoch versuchte er, ebenfalls zu lächeln. In Wirklichkeit mochte er es nicht, wenn man ihn Am nannte.
Aber er ließ es sich gefallen. Davon abgesehen – was bedeutete schon ein ungeliebter Spitzname im Vergleich zu dem, was er von nun an erdulden sollte?
Amir betrachtete das heitere Gesicht seines Freundes, der kleiner war als er selbst, und sagte: „Aidan, wenn ich geahnt hätte, was für eine Party das hier ist, wäre ich wahrscheinlich tatsächlich nicht gekommen.“
„Du kennst doch das Sprichwort: Arbeit allein macht nicht glücklich“, sagte Aidan und legte ihm freundschaftlich den Arm auf die Schulter.
Beinahe wäre Amir zurückgewichen. Zwar mochte er Aidan und kam aus einem Kulturkreis, in dem körperliche Gesten als Gunstbezeugungen zwischen Männern an der Tagesordnung waren. Trotzdem schätzte er es nicht besonders, berührt zu werden. Im engsten Familienkreis störte es ihn noch am wenigsten.
Aber wenn er mit Frauen zusammen war, stellte er stets von vorneherein klar, dass allzu große Nähe nicht infrage kam.
Dabei konnte er sich an seine letzte Affäre sowieso kaum noch erinnern. Solche oberflächlichen Abenteuer hatten für ihn längst ihren Reiz verloren. Und die Frauen, die er mochte und respektierte, begehrte er nicht.
Mit einer geschmeidigen Bewegung entzog er sich wie zufällig der Umarmung des Freundes. „Ich bin mir nicht sicher, ob mir Arbeit nicht lieber wäre als diese verrückte Party.“
Verdutzt sah Aidan ihn an. Auch nach sechs Jahren geschäftlicher Zusammenarbeit gab Amir ihm immer noch Rätsel auf. Vielleicht weil er niemanden wirklich an sich heranließ …
Aber Aidan hatte diese Party mit den besten Absichten ausgerichtet, und es wäre unfair gewesen, ihn zu enttäuschen.
Deshalb fügte Amir höflich hinzu: „Trotzdem. Schließlich sage ich nicht jeden Tag meiner Freiheit Lebewohl. So gesehen ist der Trubel durchaus … berechtigt.“
Erleichtert atmete Aidan auf und lächelte wieder. Amir zuliebe sagte er: „Du verlierst ja nicht wirklich deine Freiheit. Soweit ich gehört habe, lassen arrangierte Ehen in Königshäusern viel Raum für alle möglichen … Vereinbarungen.“ Dabei blinzelte er dem Freund zu und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
Für diese Bemerkung hätte Amir ihm am liebsten den Kopf abgerissen. Zum Glück wandte sich Aidan in diesem Moment mit einem erfreuten Ausruf ein paar Leuten zu, die sich zu ihnen gesellt hatten, um Amir zu begrüßen.
Mit einem leisen Seufzen ergab sich Amir in sein Schicksal und verhielt sich so, wie Aidan es von ihm erwartete. Im Moment hätte es sowieso keinen Sinn gehabt, ernsthaft mit ihm zu sprechen. Offensichtlich hatte er schon einiges getrunken und war entsprechend guter Laune.
Amir fand, es reichte, wenn er selbst der harten Realität ins Auge sehen musste …
Seine Welt stürzte in sich zusammen.
In geschäftlicher Hinsicht konnte er sich nicht beklagen. Im Gegenteil, ein Erfolg folgte auf den nächsten. Aber privat stimmte schon lange nichts mehr. Und er wusste genau, an welchem Punkt sich alles geändert hatte: Seit dem Streit mit Aram war es immer weiter bergab gegangen.
Bis dahin hatte Amir unbeschwert gelebt und einer glänzenden Zukunft entgegengesehen.
Schon damals hatte er im Grunde gewusst, dass von ihm als Prinzen eines Tages eine standesgemäße Heirat erwartet wurde. Aber er hatte den Gedanken immer verdrängt. Schließlich hatte er noch zwei ältere Brüder, die in der Thronfolge vor ihm standen. Wenn einer von ihnen oder beide eine politisch motivierte Ehe eingingen …
Und tatsächlich hatte Amjad, der Kronprinz, eine solche Ehe aus Staatskalkül geschlossen – die in einem Desaster geendet hatte.
Die Braut war bereits schwanger zur Hochzeit gekommen. Sie hatte geplant, Amjad zu töten und das Kind als seines auszugeben. So hätte sie den Rang einer Prinzessin behalten und wäre zudem Mutter des neuen Thronerben gewesen.
Als sich Amjad von ihr hatte scheiden lassen, hatte es einen Skandal gegeben, über den immer noch geredet wurde.
Danach war Amjad um die Welt gereist, um internationale Kontakte zu knüpfen. Er war als einflussreicher Mann zurückgekehrt, der mehr Macht in seiner Person vereinigte als das gesamte übrige Zohayd.
Niemand würde es wagen, von ihm eine weitere Heirat aus Vernunftgründen zu verlangen. Wenn er den Thron bestieg, würde er seinen Bruder Hassan – und nach ihm Amir – als Nachfolger bestimmen. Das hatte er öffentlich erklärt.
Was Hassan betraf, so würde es seine Position nur schwächen, wenn er sich mit einem der Wüstenstämme durch Heirat verbinden würde.
Er war der beste Innenminister geworden, den Zohayd je gehabt hatte. Besonders auf dem Gebiet der Staatssicherheit hatte er sich einen Namen gemacht. Daher war Neutralität für ihn wichtig.
Mit seinen sechsunddreißig Jahren hatte Hassan viele Beziehungen zu Frauen gehabt, ohne sich ernsthaft zu verlieben. Wenn er dennoch je heiraten wollte, stand es ihm frei, allein nach seinem Herzen zu entscheiden.
Also blieb nur Amir, der mit einer passenden Heirat den Zusammenhalt der verschiedenen Gruppen sichern sollte. Denn er war der letzte Sohn des Königs und einer wahren Königin von Zohayd mit edler Herkunft.
Seine beiden Halbbrüder hatten Sondoss zur Mutter, die jetzige Gemahlin des Königs, die aus Azmaharia stammte. Daher wurden Haidar und Jalal für weniger würdig erachtet, die Linie des Königshauses fortzuführen und die Stämme zu einen.
Seit Jahren wusste Amir, dass er seinem Schicksal nicht entgehen würde. Aber statt sich an die Vorstellung zu gewöhnen, litt er immer mehr darunter.
Über ihm schien ein Damoklesschwert zu hängen …
Vor Kurzem, genauer gesagt am Tag nach seinem vierunddreißigsten Geburtstag, hatte er beschlossen, dem unerträglichen Schwebezustand ein Ende zu setzen.
Sofort hatte er mit seinem Vater gesprochen, damit eine Auswahl der Heiratskandidatinnen getroffen werden konnte, die infrage kamen. Bereits am folgenden Tag hatten die Medien darüber berichtet. Wenn einer der begehrtesten adligen Junggesellen eine Braut suchte, bedeutete das eine regelrechte Sensation.
Und hier stand Amir nun und ließ diese Abschiedsparty über sich ergehen.
Er sah auf die Uhr und stutzte. War er tatsächlich erst wenige Minuten hier? Dabei erschien es ihm, als hätte er hundert Menschen die Hand geschüttelt.
Genug. Er würde sich verabschieden und diesen Albtraum von Party verlassen. Aidan war so gut gelaunt, dass es ihm vermutlich nicht einmal viel ausmachen würde.
Gerade als Amir den Entschluss gefasst hatte und sich nach seinem Freund umwandte, stockte ihm der Atem. Da stand … sie!
Im Moment dieses plötzlichen Erkennens schien die Welt stillzustehen. Überwältigt sah er in ein Paar unglaublich dunkler Augen, als gäbe es die vielen Menschen in dem vollen Raum schlichtweg nicht.
Amir wusste nicht, wie lange er so dastand. Ihm erschien es wie ein Stück Unendlichkeit. Mit allen Sinnen empfand er Nähe zu einem anderen Menschen – trotz der Entfernung, die sie noch trennte. Zum ersten Mal seit zwölf Jahren spürte er in sich Wärme und … Leben!
Wie unter Zwang folgte er seiner inneren Stimme und ging auf sie zu.
Die Menge teilte sich, als hätte Amirs Sehnsucht sich ihren Weg gebahnt. Plötzlich verstummte die Musik, und die Stille unterstrich die Bedeutung dieses Augenblicks.
Kurz vor ihr blieb er stehen und betrachtete sie von Kopf bis Fuß.
Er sog ihren Anblick ein, wie um sie nie mehr zu vergessen.
Gold- und bronzefarbene Locken fielen über ihre Schultern und brachten ihre helle Haut bezaubernd zur Geltung. Das Kleid aus schimmerndem Taft passte herrlich zu ihren dunklen Augen. Während das enge Oberteil die vollen Brüste und die fast unglaublich schlanke Taille betonte, fiel der feine Stoff des Rockteils in mehreren Lagen nach unten.
Hingerissen betrachtete Amir das edle Gesicht mit den hohen Wangenknochen. Eine einzigartige Frau! Die Augen verrieten ebenso Intelligenz wie Empfindsamkeit. Ein sinnlicher Mund mit vollen Lippen …
Was er sah, erschien Amir wie ein Wunder. Um alle zauberhaften Einzelheiten dieses ersten Eindrucks zu ergründen, hätte eine Stunde, ja ein Tag nicht genügt.
„Guten Abend“, sagte Amir schließlich. „Wollen wir uns noch lange anschweigen?“ Dabei entging ihm nicht der raue Klang seiner Stimme – und ebenso wenig, wie sie davon erbebte.
Aus ihren leidenschaftlichen Augen sprach Verwirrung. „Ich …, wir …“, begann sie.
Amir spürte, wie glücklich ihn dieser Moment machte. „Ja genau, wir beide. Wir sollten uns unbedingt unterhalten. Erst dann glaube ich, dass dies kein Traum ist.“
„Ich bin …, ich will nicht …“ Da ihr wieder kein vollständiger Satz gelang, zog sie leicht die Brauen zusammen – was sie in seinen Augen nur noch schöner machte.
Obwohl sie nur diese wenigen Worte sprach, fiel Amir der volle und warme Klang ihrer Stimme auf, der vollendet zu dieser außergewöhnlichen Frau passte.
„Worüber wollen wir also sprechen?“, fragte er. „Wenn erst der Anfang gemacht ist …“
„Amir, ich …“
Wieder sprach sie nicht weiter – und Amir setzte schier der Herzschlag aus. Wie wunderschön es sich anhörte, wenn sie seinen Namen flüsterte!
Er berührte ihr Kinn und sah ihr in die seelenvollen dunklen Augen. Dann fragte er leise: „Kennen wir uns?“
2. KAPITEL
Plötzlich begriff Johara: Er erkannte sie nicht!
Wie auch?
Vielleicht hatte er schon lange nicht mehr an sie gedacht. Und selbst wenn – sie sah inzwischen völlig anders aus als mit vierzehn.
Das lag zum einen daran, dass sie zu den Frauen gehörte, die ihre volle Schönheit relativ spät entfalten, zum anderen am Einfluss ihrer Mutter.
Damals in Zohayd hatte Jacqueline Nazaryan großen Wert auf ein dezentes Erscheinungsbild ihrer Tochter gelegt. Später hatte sie ihr den Grund dafür anvertraut: Johara hatte von ihr die hohe schlanke Gestalt und den hellen, fast strahlenden Teint geerbt – und vom Vater die vitale Erscheinung mit den dunklen Augen. Jacqueline wusste daher von vornherein, dass ihre Tochter einmal eine außergewöhnliche Schönheit werden würde: groß und schlank, mit guter Figur, blonden Haaren und intensiver Ausstrahlung.
In Zohayd mit seinen dunkelhaarigen Menschen hätte man sie als Juwel gepriesen. Und das hätte mit ziemlicher Sicherheit zu Schwierigkeiten geführt. Viele, auch verbotene Wünsche hätten sich auf sie gerichtet, wenn sie ihre Attraktivität noch betont hätte.
Jacqueline, die nach Frankreich zurückgekehrt war, hatte Johara und ihrem Vater solche Probleme erspart – indem die Tochter weiterhin unauffällig aussah und gar nicht den Wunsch verspürte, ihre Schönheit voll zur Geltung zu bringen.
Später war Johara ebenfalls nach Frankreich gezogen. Dort hatten Jacqueline und ein paar ihrer Freundinnen, die wie sie in der Welt des Modedesigns zu Hause waren, Johara bei der Entwicklung ihres Typs geholfen.
Mit ihrer Hilfe hatte Johara gelernt, ihre Vorzüge zu betonen.
Als sie selbst erfolgreiche Modedesignerin und Geschäftsfrau geworden war, begriff sie, wie recht ihre Mutter gehabt hatte. Denn für viele Männer zählte nur das Äußere … Reichen und mächtigen Verehrern war es nur darum gegangen, sie ihrer Sammlung einzuverleiben. Aber Johara hatte sich ihnen mit Erfolg entzogen, ohne Ausnahme und ohne Folgen. In Zohayd wäre das nicht so einfach gewesen …
Kein Wunder also, dass Amir sie nicht erkannte. Aus dem Entchen war ein stolzer Schwan geworden.
Amir … Endlich stand er vor ihr – und betrachtete sie, ohne zu wissen, wer sie war. Das Leuchten in seinen Augen, die Freude, die sich darin ausdrückte, musste einen anderen Grund haben …
Warum spielte ein Lächeln um seine Lippen? Weshalb neigte er ihr so freundlich den Kopf zu? Und wieso schien von seiner Hand an ihrem Kinn eine solche Hitze auszugehen? War es möglich, dass er …?
„Natürlich wissen Sie, wer ich bin“, unterbrach Amir die Gedanken, die durch ihren Kopf jagten. Seine dunkle Mähne schimmerte mahagonifarben im Licht der Spiegelkugeln und Discoscheinwerfer. Mit seinen unergründlichen Augen sah er sie an. „Schließlich sind Sie hier auf meiner Abschiedsparty.“