Verschwende deine Restjugend - Simone Niemann - E-Book
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Verschwende deine Restjugend E-Book

Simone Niemann

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Beschreibung

Leselifting für Ü-irgendwas-Hottis auf dem Weg zu sich selbst.  Simone ist eine Expertin für nervöses Balzverhalten geplagter Singles in der Midlife-Crisis. Beim Dating verliert sie ihr Herz blöderweise immer wieder an irgendwelche Vorstadtcasanovas: Nie ist das Passende dabei. Ständig wird sie von ihrem vermeintlichen Traumprinzen zurückgewiesen, oft mit dem Hinweis, dass Matratzen-Mambo zwar eine nette Sportart sei, aber er sich nun um wirklich wichtige Dinge kümmern müsse, um die Steuererklärung etwa – und um seine Ex-Piroschka, an die er noch so oft denken müsse.  Auf der Suche nach Mr. Right lässt Simone weniges unversucht und beleuchtet auch finstere Seiten: Toxische Männlichkeit, unvorteilhafte Stellungswechsel beim Sex, lebensnahe Ü irgendwas-Erotik, Bananenfalten am Po, Hitze in der Nacht, Datingplattformen und neumodische Beziehungsformen gehören dazu.  Irgendwann erwacht sie wie Dornröschen aus dem Winterschlaf und merkt, wie dämlich der Traum vom Märchenprinzen war und dass nun der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um aufzuräumen – im Bett und in den zerbombten Kammern ihres Herzens.  "Verschwende deine Restjugend" ist eine Fibel für Postjugendliche auf dem Weg zu sich selbst. Im Fokus steht nicht nur das komplizierte Liebesleben der Erwachsenen vom Vorspiel bis zur Zigarette danach, sondern auch die Frage, wie die Welle der zweiten Pubertät elegant geritten werden kann.  Die befreienden Botschaften lauten:  1. Älterwerden ist keine ansteckende Krankheit!  2. Nicht mehr 18 zu sein ist ein Segen! Wer hat schon Bock darauf, noch einmal so verpeilt wie ein Teenager mit alberner Föhnfrisur durch die Gegend zu stolpern?  3. Liebe dich selbst, dann ist egal, ob du den Rubikon schon überschritten hast!

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Seitenzahl: 265

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Impressum

© eBook: 2023 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2023 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Ariane Hug

Lektorat: Imke Rötger

Covergestaltung: ki 36 Editorial Design, Daniela Hofner

eBook-Herstellung: Pia Schwarzmann

ISBN 978-3-8338-9108-3

1. Auflage 2023

Bildnachweis

Fotos: Getty Images; Martin Rohrmann (Autorinnenfoto)

Syndication: www.seasons.agency

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Warum sollte ich noch einmal aktiv werden, obwohl ich bislang ganz gut allein durchs Leben gesurft war? Meine Antwort lautete:

»Darum! Weil ich mich mit Ende 40 noch jung fühle und es in zehn Jahren vielleicht zu spät ist! Weil ich irgendwann grau bin und mich dann keiner mehr haben will! Weil ich jetzt lebe und nicht morgen! Weil ich spüren will, dass ich eine Frau bin – am besten noch heute Nacht! Und überhaupt! Ich will meine Restjugend verschwenden – und zwar gleich und sofort. Basta!«

Ich meldete mich bei Tinder an und war dankbar, als ich den einzig Wahren in der Datinghölle fand. So geblendet, wie ich war, übersah ich, wer er war, und klammerte mich wie ein Äffchen in der Alterspubertät an ihn. Es folgte ein schlechter Film, in dem er die Hauptrolle spielte. Bis ich erkannte, dass ich die Regisseurin dieses miesen Streifens war, dauerte es eine Weile. Doch erfreulicherweise ist es nie zu spät, um sich selbst zu überraschen und dem Leben mit ein paar unverhofften Wendungen einen neuen Dreh zu geben. Mir half dabei die Einsicht, dass frau die Verantwortung fürs persönliche Glück nicht in die Hände fremder Männer geben sollte.

Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasserin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

»Das halbe Unglück der Menschheit besteht darin, dass der eine den anderen länger liebt als umgekehrt.«

Georges Sand

VORWORT

Ich habe Alter, na und?

Glaubst du, dass deine besten Jahre schon vorbei sind und es von nun an nur noch bergab geht? Dann lass dir Folgendes sagen: Glück passiert im Kopf – Alter aber auch. Und weil es so verdammt einfach ist, kannst du dich auch mit Nasolabialfalten im Gesicht bis zu deinem Lebensende jung fühlen: eine gute Nachricht, oder etwa nicht?

Es mag ja sein, dass Styler wie Karl Lagerfeld mit Aussprüchen wie »Ich habe kein Alter« früher die Nase vorn hatten, denn im letzten Jahrtausend gehörte es noch zum guten Ton, »ab einem gewissen Alter« mit Abwehrmanövern von der Frage abzulenken, wie viele Jahre man tatsächlich auf dem Buckel hatte. Aber keine Eier(-stöcke) in der Hose zu haben, ist heute keine Option mehr. Oder hast du als toughe Ü-irgendwas-Lady es etwa nötig, lange um den heißen Brei rumzureden und dein Geburtsdatum zu verheimlichen? Nicht über das eigene Alter zu reden ist so 90er – also total von vorgestern! Klar hast du es: Du hast Alter. Und das ist auch gut so!

Okay – ich habe selbst eine Weile gebraucht, bis ich so weit war, mich freiwillig damit zu beschäftigen, dass auch meine Restjugend ein Ablaufdatum hat. Alt – das waren immer nur die anderen. Doch dann kamen Corona und mit der Pandemie auch meine Wechseljahre. Auf einmal konnte ich nicht länger leugnen, dass mein Leben als städtisches Single-Gewächs genauso endlich war wie das der anderen Ü45-Anemonen, die langsam ihre Köpfe hängen ließen.

In diesem Buch erzähle ich aber nicht nur vom Älterwerden und von den Tücken, die damit verbunden sind, sondern auch eine Geschichte über das Erwachsenwerden: meine eigene Coming-of-Age-Story für die Generation 45plus – eine Story über eine smarte Lady, die sich von Männern aus dem Internet veräppeln lässt, obwohl sie es besser wissen müsste.

In die Wechseljahre bin ich quasi über Nacht hineingestolpert. Ihnen voraus ging ein für mich quälender Prozess: Ich verliebte mich innerhalb von drei Jahren dreimal hintereinander in Männer, die mich nicht haben wollten. Im Laufe meines Lebens war ich immer wieder an diesen schmerzhaften Punkt gekommen: Irgendein dahergelaufener Himbeertoni, der mir besonders attraktiv erschien, wies mich zurück und gab mir das kränkende Gefühl, nicht liebenswert zu sein. Erst als ich lernte, diesen Kreislauf des Immergleichen genauer zu betrachten, erkannte ich, dass das seltsame Spiel um Liebe sehr viel mit mir zu tun hatte und wenig mit den Typen, an die ich mein Herz verlor.

Was will der Mann, das unbekannte Wesen? Diese Frage trieb mich jahrzehntelang um, und ich musste 51 Jahre alt werden, bis ich erkannte, dass die Antwort darauf mich nicht glücklicher machen würde – dass Glück vielmehr im Kopf beginnt und Selbstakzeptanz die wichtigste Voraussetzung dafür ist. Wie es dazu kam, erfahrt ihr im ersten Kapitel, in dem es um Frauen im Klimakterium geht, Männer in der Andropause, Datingbörsen, Sex und das allgemeine Unbehagen in der modernen Beziehungskultur. – Ja, auch Frauen über 50 kommen nicht an der Partnersuche im Internet vorbei, schon gar nicht in Pandemiezeiten.

Wir leben in einer seltsamen Welt, in der die Jugend verherrlicht, die Liebe romantisch verklärt und das Älterwerden zur Tabuzone erklärt wird. In München klagt ein 44-jähriger Mann gegen Diskriminierung, weil ihm der Besuch einer Technoparty wegen seines Alters verwehrt worden war. Im Sauerland kippt ein Landgericht eine neunmonatige Bewährungsstrafe gegen eine 79-jährige Frau: Die Seniorin hatte regelmäßig Nackttänze vor dem Pfarrhaus aufgeführt und einem Pfarrer mehr als 20 Jahre lang nachgestellt. Die Richter sprachen sie frei: Es läge ein krankhafter Fall von Liebeswahn vor und kein strafbares Stalking.

Menschen sind komische Wesen – und Alter schützt vor Torheit nicht. Zu dieser Erkenntnis gelangte ich auf Umwegen, und in diesem Buch stelle ich euch einige Beispiele aus meinem Freundinnenkreis vor – denn: Glücklicherweise bin ich nicht die Einzige, die Dummheiten macht. Zwar haben Erwachsene einst als Kinder gelernt, aufrecht zu gehen, aber sie vergessen zu oft, dass der aufrechte Gang auch eine schöne Metapher für ein gelungenes Leben ist. Mit der Würde des Menschen, die angeblich unantastbar ist, verhält es sich ähnlich: Das seltsame Liebesleben einiger Best Ager ist nicht immer so würdevoll, wie Jugendliche es womöglich von ihnen erwarten.

Es gibt aber Hoffnung, Ladys! Vor allem ist es nie zu spät, um es richtig zu vermasseln – und am Ende doch noch die Kurve zu kriegen. Wie ich lernte, nicht länger auf meinen vermeintlichen Traumprinzen zu warten, davon erzähle ich also. Thema sind auch Glaubenssätze als Ausdruck für die Grundkonflikte, die uns seit Kindertagen quälen.

Einer meiner Glaubenssätze lautete immer: »Sei wie das Veilchen im Moose, sittsam bescheiden und rein – und nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein.« Dieser doofe Poesiealbum-Spruch veranlasste mich als Jugendliche dazu, mich stets in die zweite Reihe zu stellen und kleinzumachen – in jeder Beziehung, auch beim Dating. Bei Männern erreichte ich so, was ich unterschwellig selbst heraufbeschwor: Sie sahen in mir nicht die sexy Diva, die ich so gern für sie sein wollte, sondern eine Frau, die man jederzeit aufs Abstellgleis stellen konnte. Und das taten sie dann auch … Ich wiederum bestätigte mir auf diese Weise ein ums andere Mal, dass ich es nicht wert war, geliebt zu werden, und dass das Alleinsein für mich die beste aller Lebensformen war. Ich sang lieber »Back to Black« mit Amy Winehouse, statt den Jungs zu zeigen, wo der Frosch die Locken hat. Bis ich mich eines Tages bewusst vor den Spiegel stellte und an meiner gebückten Haltung erkannte, dass ich mich so ähnlich verhielt wie meine Mutter: So, als müsse ich mich ständig für meine eigene Existenz entschuldigen.

In diesem Buch lernt ihr auch ein paar Geheimnisse über paarungswillige Menschen in den besten Jahren kennen. Es geht um vermeintlich »reifen Sex«, darum, was Erwachsene sich darunter vorstellen, und um Best Ager, die tief in ihrem Herzen immer noch Kinder sind – oder genauer: Pubertiere, die in die Jahre gekommen sind. Sie tun meist nur so, als seien sie schon volljährig. Und das ist bis zu einem gewissen Grad auch gesund, weil jede Flause im Kopf vitalisierend auf unseren Organismus wirkt. Gefährlich wird die Situation erst, wenn Männer und Frauen im besten Alter kein Gespür für ihre eigenen Nöte haben.

Auch ich habe die Signale, die mein Körper mir gab, lange überhört. Doch die Phase der postpubertären Ignoranz liegt nun hinter mir. Heute weiß ich, dass sich in der Mitte des Lebens, in der Zeit des Wechsels, entscheidet, ob man seine zweite Halbzeit relativ zufrieden genießen kann, ob man offen bleibt für Neues – oder ob man zunehmend vergreist und verbittert. Wir machen uns die Welt – diese Pippi-Langstrumpf-Maxime gilt zwar –, aber leider oft nicht so, wie sie uns gefällt. Herauszufinden, was unsere Seele zum Schwingen bringt, ist darum einer unserer ständigen Aufträge – und Selfcare kein esoterischer Humbug.

KAPITEL 1

AUF SINGLE-BELLS-PFADEN

Ein Mann aus dem Internet – und was ich damit zu tun habe

Single-Frauen leben im Paradies, jedenfalls sexuell gesehen! Ansonsten sind sie bemitleidenswerte Kreaturen. Das glauben jedenfalls viele Außenstehende, denen ich im Laufe der Zeit begegnet bin und die mir gegenüber nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg hielten. In den vergangenen Jahren gab es keinen 50. Geburtstag, kein Fest und keine Silberhochzeit, auf der ich im fortgeschrittenen Stadium des Alkoholrausches nicht von irgendeinem Verheirateten auf meinen Solostatus angesprochen wurde. In der Regel klang das so:

»Was, du lebst ganz allein? Das geht doch nicht!«

»Sag mal, hast du denn immer noch nicht den Richtigen gefunden?«

»Na ja, in der Großstadt kannst du ja auch jede Freiheit auskosten, was?«

»Jetzt tu mal nicht so! Du bist doch auch kein Kind von Traurigkeit und springst jede Nacht mit einem anderen ins Bett, nicht wahr? Hahaha!«

»Ach komm, wenn dich hier heute Abend keiner kennen würde und du hier anonym unterwegs wärst, würdest du doch auch mit mir abziehen, oder nicht?«

Von trutschig und alttantenhaft besorgt bis anzüglich und alte-weiße-männermäßig voll daneben waren alle Kalenderspruchweisheiten dabei. Und abgesehen davon, dass es keinen Spaß macht, sich ausgenudelte Allerweltsphrasen anzuhören, ist es auch total überflüssig, sich von buckligen Fremden, denen ich ja auch nicht in ihr Sexleben reinquatsche, sagen lassen zu müssen, dass es nicht okay ist, eine mittelalte Single-Frau ohne Anhang zu sein.

Zu noch späterer Stunde gelangten die Buckligen immer zu folgender Ansicht:

»Irgendwann bist du alt und hast keinen, der dich versorgt. Das ist schlimm. Ganz, ganz schlimm ist das!«

In nüchternem Zustand hätte mich so ein bräsiges Gerede in den Wahnsinn getrieben, aber zum Glück gibt es auf Festen immer hochprozentige Getränke in der Nähe – ein Angebot, das Ältere wie ich dankbar annehmen. Und so konnte ich übergriffige Bemerkungen mit genügend Gin im Polster leicht abfedern: »Ja, schlimm ist das, ganz, ganz schlimm! Schlimm ist auch, dass ein Mann über 60 mit Bluthochdruck und einem Bierbauch, wie du ihn hast, Torsten, sechs bis acht Jahre früher stirbt als seine Frau. Und deine Monika sitzt dann ganz allein da, ohne dich, Torsten! Schlimm ist das! Ganz, gannzzz schlimm ist das!«

Das wirklich Schlimme an meiner Situation ist aber nicht die Tatsache, dass ich eines Tages allein sterben werde – das müssen wir schließlich alle mal. Vielmehr geht es um die kurze Frist vor meinem großen Abgang, also um ein intensives Hier und Jetzt und eine möglichst gute Zeit auf Erden. Und die will ich mir nicht von dahergelaufenen Buckligen vermiesen lassen.

Tatsächlich leben wir Frauen – vor allem wir mittelalten – im 21. Jahrhundert im Paradies. Wir könn(t)en die Errungenschaften der Emanzipation, die die Suffragetten und Lila-Latzhosen-Trägerinnen für uns erkämpft haben, in vollen Zügen genießen – jedenfalls theoretisch betrachtet. Denn: Das Überangebot an abgelegten Männern ab Mitte 40 ist riesig! Und täglich werden es mehr!

Rein hypothetisch beleuchtet könnten alleinstehende Frauen wie ich einfach zugreifen und aus dem riesigen Reservoir an gebrauchten Vintage-Männern der Marke geschiedener Single oder (ewiger) Junggeselle schöpfen. Doch an diesem Punkt fangen die Schwierigkeiten an. Denn erstens ist Quantität nicht gleich Qualität. Und zweitens gibt es zwar genug Willige, aber die meisten haben eine Vergangenheit – und die ist problembehaftet beziehungsweise nicht abgeschlossen.

Ob jemand mit seinem Vorleben abgeschlossen hat oder nicht, wird meistens schon beim ersten Date klar, wobei folgende Formel als Faustregel gilt: Je länger die Vergangenheit eines Mannes zurückreicht, desto schwerer wiegt auch die Beziehungskiste, die er mit sich rumschleppt. Schaust du da rein, weil er die Klappe ungefragt öffnet, fühlt es sich meist so an, als würdest du unfreiwillig Draculas Schloss betreten, in dem lauter Spinnweben hängen.

»Nicht abgeschlossen« ist deshalb eine Wortkombination, auf die ich besonders allergisch reagiere. Ein nicht abgeschlossenes Studium ist okay. Aber eine nicht abgeschlossene Beziehungskiste kettet einen Mann, mag er auch noch so süß sein, an seine Ex und lässt ihn blind werden für die herrliche Zukunft, die er mit dir haben könnte – theoretisch betrachtet.

Vor allem frisch Getrennte hängen häufig wie Marionetten an unsichtbaren Fäden, die meist die Ex in der Hand hält. Schaust du näher hin, offenbart sich ein toxisches Beziehungsgeflecht, in dem du dich nicht verfangen solltest. Bevor die Klappe sich endgültig schließt und Dracula kommt, ist Flucht in so einem Fall die beste Entscheidung.

Für Single-Frauen wie mich gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, Männer meines Alters kennenzulernen. Ganz klassisch auf analogem Weg, was in Zeiten schneller Entscheidungen langwierig sein kann, selbst wenn gerade keine ansteckende Virusvariante unterwegs ist. Und auch schwierig, weil auf ausgeleierten Ü40-Partys eh nur Typen über 60 rumstehen, die aussehen wie über 70 und zu allem Überfluss Foxtrott tanzen wollen. Oder frau geht da gar nicht erst hin und sucht sich gleich einen Mann aus dem Internet. Ein »Mann aus dem Internet« ist wie der viel beschworene »Mann aus dem Meer« eine sagenumwobene, fast mythische Erscheinung und bietet reichlich Fläche für die schönsten Projektionen.

Tatsächlich einen passenden Kandidaten in den Untiefen des Netzes zu finden, ist aber leider so wahrscheinlich wie vier Wochen durchgängiger Sonnenschein auf einer schottischen Insel. Wenn eine Frau Mitte 30 flirten will, findet sie über eine Dating-App sicher viele Männer, die auf den ersten Blick wenigstens ihren optischen Ansprüchen genügen. Ab Mitte 40 verengt sich der Kreis von Tag zu Tag rasant. Auf einmal wird deutlich, warum Intelligenz und Warmherzigkeit im Alter eine größere Rolle spielen als gutes Aussehen und weshalb altersbedingte Kurzsichtigkeit auch ein großer Segen sein kann: Die meisten Ü50-Kandidaten sind nämlich alles andere als gut gealtert und wirken wie mehrfach benutzte Auslaufmodelle auf dem Grabbeltisch. Hilfe, was ist mit diesen Grandseigneurs passiert, dass die sich derart verwahrlost im Internet präsentieren? Wollen die ernsthaft eine Frau kennenlernen oder üben die heimlich für den Tag, an dem sie als Abschreckungswaffe den Dritten Weltkrieg verhindern werden?

Meine Freundin Else, mit der ich die Ü50-Auswahl in einem Radius von etwa 130 Kilometern eingehend abgecheckt habe, hat eine eindeutige Meinung dazu: »Ab einem bestimmten Alter ist jeder für sein Gesicht verantwortlich.« Junge Menschen können so viel zechen, wie sie wollen, und sehen am nächsten Tag trotzdem wie frisch geschlüpft aus – sogar mit Socken, Sandalen und Radlerhose. Die Sünden einer miserablen Lebensführung hingegen werden ab Mitte 30 bemerkbar. Wenn man dann nicht gegensteuert, sieht man mit 50 so aus wie eine Karteileiche bei Tinder.

Dazu muss ich sagen, dass weder ich noch sie überzogene Ansprüche haben. Männer, die so glatt aussehen wie von der Kuh geleckt, sind mir suspekt. Ich stehe auf windschiefe Nasen. Ein Bauchansatz oder eine Glatze schrecken mich nicht ab. Aber seit ich mich im Internet nach einem Mann umgesehen habe, weiß ich, dass »gepflegt« keine leere Worthülse der Kosmetikindustrie ist, sondern eine erstrebenswerte Eigenschaft, die einen dezenten Hinweis darauf gibt, ob sich jemand gut um sich selbst kümmern kann und auch ohne Frau lebensfähig ist. Die optische Präsentation älterer Männer in Datingbörsen lässt in diesem Punkt zu wünschen übrig, und ich hoffe, dass der Querschnitt, der da zu finden ist, keine Rückschlüsse auf die Realität zulässt.

»Vielleicht mangelt es diesen Kerlen nur an Werbekraft«, habe ich zu Else gesagt. »Sie haben einfach nicht gelernt, mit Schmollmund vor dem Badezimmerspiegel zu stehen und sexy Selfies von sich zu machen.«

Else meint, dass das Quatsch sei, denn Probleme wie sichtbare Mundfäulnis seien hausgemacht und eindeutig Zeichen für mangelnde Hygiene. Und selbst wenn die Bäuche einiger Kandidaten noch als süße Corona-Plauzen durchgingen, hätten andere in den letzten 20 Jahren »zu stark und unvorteilhaft angekörpert«.

Wie frau es auch dreht und wendet, schöntrinken können wir uns diese Kerle nicht. Und dass Matze, 53, 1,72 Meter groß, Nichtraucher und Autofahrer, damit wirbt, dass er »keinen Haarausfall« hat, macht die Sache auch nicht besser. Um nicht depressiv zu werden, habe ich mich bei Tinder abgemeldet. Und nach kurzer Zeit wieder angemeldet, weil die Feldforschung im echten Leben auch nichts brachte.

»Schau beim Stalken der Profile lieber auf die inneren Werte und das, worauf es wirklich im Leben ankommt«, empfahl mir Else, die zu diesem Zeitpunkt gerade glücklich in ihren Lutz verliebt war und es nicht nötig hatte, selbst nach einem Mann im Internet zu suchen.

Doch was schlüssig klang, entpuppte sich lediglich als nächste Stufe der Desillusionierung. Denn dass die Optik kein entscheidendes Kriterium der Partnerwahl ist, sollten ältere Ladys wissen. Andernfalls ist ihnen eh nicht mehr zu helfen. Die eigentliche Schwierigkeit besteht nicht darin, einen Mann zu finden, der toll aussieht, sondern einen, der in ganzheitlicher Weise attraktiv ist – und zwar nachhaltig und dauerhaft. Beim Chatten und im Nahkontakt mit einigen Tinder-Dates habe ich in den vergangenen Jahren festgestellt, dass es so einen Mann aus dem Internet nicht gibt. Aber immerhin konnte ich einige Exemplare, die sich dort herumtreiben, eingehend studieren, was ja auch nicht ohne Wert für die Lebenserfahrung ist.

So habe ich gelernt, bei Kandidaten, die eine Redewendung wie »den Moment lebend« verwenden, sofort nach links zu wischen, weil sie definitiv »nichts Längerfristiges« suchen und ausschließlich an Sex interessiert sind. Dazu zählen ältere Männer, die in ihrem Profil schreiben, dass sie Bücher von Charles Bukowski lieben, außerdem alle sogenannten »Genussmenschen« und generell DILFs. Ein DILF – ein Daddy I’d like to follow – ist ein mittelalter und überaus charmanter Familienvater, der am Wochenende von Wolfsburg nach Frankfurt zu seiner Familie fährt und sich in der fremden Stadt, in der er arbeitet, also in diesem Fall in Wolfsburg, eine Geliebte wie einen schnittigen Zweitwagen zulegt.

Die Suche in einer Datingbörse gestaltet sich zeitweise so zähflüssig wie die Erforschung eines vollen Sirupbechers mit der Taschenlampe. Und die Chance, im Internet einen passenden Mann zu finden, ist so groß wie die, ein saftiges Stück Steak auf einem Oldschool-Grill zu ergattern: Das meiste Fleisch ist längst verkohlt.

Was tut eine ältere Lady, wenn sie die Wahl zwischen Pest, Cholera und Corona hat? Was macht sie, wenn sich ein Graben auftut zwischen ihr und männlichen Best Agern, die zwar noch »im Saft stehen«, aber für ihre Zwecke ausschließlich hotte Ü30-Ladys suchen? Was ist andererseits mit Typen, denen nicht nur das Testosteron ausgeht, sondern auch das Feuer, wie Uschi Obermaier es sagen würde? Was mit solchen, die so durchgeknallt sind, dass jede Rettung zu spät kommt? Oder mit solchen, die sich für intellektuell halten, weil sie Dan Brown gelesen haben? Und mit solchen, die keinen gesteigerten Reiz darin sehen, sich mit einer durchschnittlich attraktiven Frau gleichen Alters einzulassen? Was soll frau mit Männern anfangen, die mit 51 Jahren immer noch nicht küssen können und Star-Wars-Figuren in ihrer »Bude« horten? Oder mit solchen, die an vorzeitiger Arterienverkalkung zu leiden scheinen und sich wie ein Waldschrat benehmen? Und mit solchen, die zwar super aussehen und heftig flirten, aber plötzlich Penisbilder schicken? Was ist mit Typen ohne Personality oder mit denen, die sich hinter einer dicken Charaktermaske verstecken?

Das Problem ist, dass frau irgendwann nicht mehr nach einem Mann aus dem Internet sucht, sondern nach dem Haken daran. Zeitweilig scheint es so, als seien bei Tinder nur Beziehungsgestörte. Wer mit 50 noch Single ist, muss doch eine Bindungsschwäche haben, oder nicht? Diese Frage habe ich mir gestellt und bin vor einigen Jahren, als ich mich zum ersten Mal in diesem Portal angemeldet habe, leider nicht darauf gekommen, dass sie auch etwas mit mir zu tun haben könnte. Stattdessen schob ich Torschlusspanik und fragte mich, warum ich mir diese Onlinedating-Folter trotz des miserablen Angebots freiwillig antat. Warum sollte ich noch einmal aktiv werden, obwohl ich bislang ganz gut allein durchs Leben gesurft war?

Meine Antwort lautete: »Darum! Weil ich mich mit Ende 40 noch jung fühle und es in zehn Jahren vielleicht zu spät ist! Weil ich irgendwann bucklig bin und mich dann keiner mehr haben will! Weil ich jetzt lebe und nicht morgen! Weil ich spüren will, dass ich eine Frau bin – am besten noch heute Nacht! Und überhaupt! Ich will meine Restjugend verschwenden – und zwar gleich und sofort. Basta!«

All das und noch vieles mehr dachte ich und meldete mich unter dem Motto »Probieren geht über studieren« wieder bei Tinder an. Dass es keine gute Idee ist, sich in einem eher desolaten und bedürftigen Zustand in einer abgewrackten Datingbörse einzuloggen, kam mir nicht in den Sinn. Stattdessen verdaddelte ich meine knapp bemessene Zeit damit, Bilder von fremden Männern auf dem Display nach links oder rechts zu wischen. Und im Anschluss an diese kurze Phase verliebte ich mich bis über beide Ohren in den erstbesten Kandidaten, der mir bei der Suche unterkam, und setzte sofort meine rosarote Brille für ihn auf.

Ich war so dankbar, dass ich ihn gefunden hatte! Also klammerte ich mich wie ein Äffchen an ihn – und schaute nicht so genau hin, wer er überhaupt war. So ist das nun mal, wenn frau sich mitten in der Alterspubertät befindet.

Warum weibliche Ü50-Singles so oft die Arschkarte ziehen, wenn sie online flirten

Bridget Jones und Carrie Bradshaw haben uns beispielhaft gezeigt, dass das Leben paarungswilliger weiblicher Singles mit immer mehr Jahren auf dem Buckel nicht unbedingt einfacher wird. In »Schokolade zum Frühstück« beschreibt die britische Autorin Helen Fielding das ziemlich männerlose Leben der Ü30-Lady Bridget, die mit ihren besten Freunden zentrale Fragen des Daseins löst – von der Bindungsunfähigkeit der Kerle bis zur Interpretation von Schwangerschaftstests.

In der Serie »Sex And The City«, die auf den Texten der amerikanischen Schriftstellerin Candace Bushnell basiert, geht es um die New Yorker Kolumnistin Carrie, die etwas älter ist als Bridget, aber mit ihren drei Freundinnen über ähnliche Dinge spricht. Auf einer Insel namens Manhattan dreht sich für die vier »Mädels« (fast) alles um die Suche nach Mr. Right. Zusammen mit Samantha, Charlotte und Miranda verhandelt Carrie offenherzig über Blowjobs, Trennungen und Hochzeitsfieber. Und in ihren Glossen erörtert sie, ob ein Vibrator nicht besser ist als ein fester Partner, und zieht poetisch anmutende Schlüsse: »In einer Stadt der zahllosen Möglichkeiten gibt es manchmal nichts Schöneres, als zu wissen, dass man nur eine hat.«

Für Bridget und Carrie war es schon schwer, einen geeigneten Typen an Land zu ziehen. Sie waren lange auf der Suche und landeten beide bei Männern, in die sie sich hoffnungslos verliebten, obwohl weder Mr. Big noch Daniel Cleaver wirklich zu haben waren. Dennoch hatten es Bridget und Carrie in einem zentralen Punkt einfacher als ältere Singles gegenwärtig: Ihr Leben spielte sich noch analog ab – frei von blöder Onlinedating-Juckelei, WhatsApp und Co. Außerdem hatten sie als Thirtysomethings andere Ansprüche an eine Partnerschaft als Frauen Mitte 40 oder 50.

Als eingefleischte Expertin fürs Solofach weiß ich aus Erfahrung: Paarungswillige Ü-irgendwas-Single-Ladys müssen erst mal eine Hürde wie Parship, Tinder und Co. nehmen, wenn sie reale Männer kennenlernen möchten. Wenn Paare Sex haben wollen, können sie sich zusammenraufen und sei es nur für den guten Zweck. Sie können jederzeit miteinander schlafen, selbst wenn sie sonst zerstritten durchs Leben laufen und seit Jahren kein Wort mehr am Küchentisch miteinander gewechselt haben. Meist ist der Geschlechtsverkehr sogar besser, wenn beide ein bisschen aggressiv aufgeladen und »kinky« unterwegs sind.

Singles haben diese Möglichkeit nicht. Laut einer Bitkom-Studie aus dem Jahr 2019 hat bereits jeder dritte Deutsche die Liebe im Internet gesucht – auch in der Gruppe der 30- bis 49-Jährigen und 50- bis 64-Jährigen. Corona hat den Trend noch verschärft. Die Zahl der Single-Haushalte ist in den vergangenen Jahren trotz eines gewissen Schwunds durch Corona hoch geblieben. Rund 16,6 Millionen Menschen lebten in Deutschland im Jahr 2021 allein, hat das Statistische Bundesamt errechnet. Der Anteil der Single-Haushalte lag damit bei 40 Prozent, wobei vor allem junge Männer und ältere Frauen sich für diese Variante entschieden haben.

Die Wahrscheinlichkeit, sich als ledige und mittelalte Lady in einem Datingportal zu verirren, ist also groß. Die Chance, auf diese Weise tatsächlich einen festen Partner zu finden, ist gefühlt jedoch noch geringer als die, einen entspannten Lebensabend auf Capri zu verbringen, wenn der Drogenboss Pablo Escobar dir auf den Fersen ist. Warum viele von uns trotzdem in den sauren Apfel beißen, zeigt folgender Ablauf (von analog bis digital) beispielhaft.

PS: Leider keine Übertreibung.

Phase Nr. 1: Du möchtest gern einen älteren Mann kennenlernen. Am liebsten einen ganz normalen. Aber, hey, normal, was heißt das schon? Geht es vielleicht ein bisschen konkreter? Okay. Einen mit Beruf. Intelligent, ehrlich, humorvoll, gut aussehend, wobei das ja relativ ist – für sein Alter gut aussehend. So einen möchtest du. Kann doch nicht so schwer sein!

Phase Nr. 2: Im Laufe der Zeit merkst du: So einen Mann gibt es nicht, jedenfalls nicht im echten Leben. Du hast danach gesucht: tagsüber im Supermarkt, nachts auf der Piste, im Urlaub auf Korsika, auf Kaffeefahrten und in deiner Handtasche. No way – keine Chance. Du kapitulierst und versuchst es mal im Netz. Kann ja nicht schaden, denkst du.

Phase Nr. 3: Du willst im Internet nach deinem Traummann suchen, aber in welchem Datingportal lungert der rum? Kostenpflichtige Börsen sind teuer, und du kannst sie nicht jederzeit kündigen für den Fall, dass dir dein Herzbube morgen früh beim Überqueren der Straße doch noch zufällig vor die Füße stolpern sollte. Dating mit Niveau ist eine ganz schön knifflige Angelegenheit, fast schon höhere Mathematik, stellst du fest. Bevor es ans Flirten geht, musst du erst mal einen umfangreichen Fragenkatalog beantworten. Puh, viel zu anstrengend! Du kapitulierst und entscheidest dich für die Variante »billig und schnell«, also für Tinder und Co. Du ahnst ja nicht, welche Konsequenzen das haben wird.

Phase Nr. 4: Du hast dich bei einer kostenlosen Datingplattform angemeldet und sondierst das Angebot. Die Schwemme der Ü50-Männer ist zwar immens, aber infrage kommen maximal zwei von 1000 Kandidaten. Dich beschleicht das unbehagliche Gefühl, dass viele der Kerle mit den Aussagen über sich schummeln und du bei einigen locker 20 Jahre auf das angegebene Alter draufpacken musst.

Phase Nr. 5: Du chattest mit Hans-Werner. Der ist wahrscheinlich schon Anfang 60, aber seine Nase ist sausexy, und er ist der deutschen Sprache einigermaßen mächtig. Als du ihm schreibst, dass du nicht 39, sondern schon 47 bist und eigentlich was Festes und keine Affäre suchst, löst er das Match auf, ohne zu erklären, warum.

Phase Nr. 6: Du bist bedient. Unglaublich, was sich so ein alter Pimmelkopf wie Hans-Werner rausnimmt! Viel hat sich im Datingsektor nicht geändert, seit du zum ersten Mal mit Mitte 30 – damals noch heimlich mit Sonnenbrille in einem zerlumpten Internetcafé am Stadtrand – nach Männern gesucht hast. Vorläufiges Fazit: Rund 15 Jahre später ist es mit der digitalen Partnersuche nicht einfacher geworden. Die Typen sind nur älter geworden. Und hässlicher.

Phase Nr. 7: Du bist tapfer am Ball geblieben und um einige Erkenntnisse reicher: Die Loser, die dir früher schon bei friendscout24 begegnet sind, triffst du nun in diesem Portal wieder. Das Wort Resterampe kommt dir in den Sinn. Du streichst es aber schnell aus deinem Kopf, weil es positive Ausnahmen gibt – dich zum Beispiel!

Phase Nr. 8: Match- und Chatmöglichkeiten gibt es wie Sand am Meer, ein echter Proband zum Treffen ist dir aber leider noch nicht untergekommen. Die Sache gerät meistens bei der ersten Hürde – beim Onlineflirten – ins Stocken. Entweder die Kerle gehen direkt in die Vollen und belästigen dich ungefragt mit ihren sexuellen Fantasien. Oder sie wollen Nacktfotos sehen. Oder sie stellen Fragen, die du dir selbst noch nie gestellt hast beziehungsweise nicht beantworten kannst, weil du sie nicht verstehst: »Bist du sexpositiv und sapiosexuell?«, will Waldemar wissen. Sexpositiv? Meint er Aids, oder was? Dein letzter Test war negativ. Trotzdem googelst du vorsichtshalber nach dem Wort – und auch nach dem anderen: Sapiosexuell bezeichnet die »erotische Hingezogenheit zum Intellekt einer anderen Person«. Waldemar will also dein Gehirn ficken. Das ist dir eindeutig zu pervers! Die Sache mit Waldemar wird zu kompliziert. Du kündigst das Match ohne eine weitere Erklärung.

Phase Nr. 9: Ein anderer will wissen, ob du grün wählst und welche Praktiken du bevorzugst. Kerle, die beim Sex eine politisch korrekte Haltung einfordern, sind dir entschieden zu anstrengend! Du schreibst ihm, dass du bi-ba-butzemannsexuell bist und nach der Devise lebst: Hauptsache, es macht Spaß. Als er daraufhin nicht mehr antwortet, löst du das Match auf. Humorloser Wicht! Langsam fragst du dich, ob in dir ein alter weißer Mann schläft, weil dir das Gerede über deine sexuelle Orientierung langsam auf den Senkel geht. Alle sollen – bitte schön – sein, wie sie wollen und können, aber du machst da nicht mehr mit. Das ständige Kreisen um das Thema Geschlecht, sei es nun aus sexistischer oder politisch korrekter Perspektive – hat was Manisch-Pubertäres an sich, findest du. Und Demokratie im Bett gibt es nun mal nicht. Basta!

Phase Nr. 10: Gegen Vorwärtsgewandtheit hast du nichts auszusetzen. Du tinderst mit einem attraktiven Mann, der nicht nur sein Sternzeichen, sondern auch seinen Aszendenten kennt. Wow! Manchmal trägt er Nagellack und Kleider, ist aber definitiv nicht schwul. Einfach mega! Du schockverliebst dich in diesen Charmeur. Das einzige Problem: Du bist nicht die Einzige! Auch andere Ladys stehen auf ihn. Und er macht keinen Hehl daraus, dass er sich mit vielen Frauen trifft. Er nennt es Polyamorie – du nennst es problematisch. In dir ist definitiv ein alter weißer Mann erwacht, der rumpoltert und sein Recht einfordert. Nur welches Recht – und worauf?

Phase Nr. 11: Alkohol hilft. Das wusste schon Bridget Jones.

Phase Nr. 12: Aber wie viel Alkoholeinheiten waren noch mal drin, ohne am nächsten Morgen an Migräne zu sterben?

Phase Nr. 13: Du beendest deine »blaue Periode« und wirfst das Leergut in den Altglascontainer. Resilient, wie du nun mal von Natur aus bist, setzt du vorerst einen Haken hinter das leidige Thema Onlinedating und denkst abgeklärt über die Sache nach: Sieh es positiv! Du bist offenkundig nicht zu alt für die Partnersuche im Netz. Die meisten Typen, die was von dir wollen, haben mindestens 20 Jahre mehr als du auf dem Buckel und sind balztechnisch immer noch aktiv. Ergo: Fürs Flirten im Netz kannst du gar nicht alt genug sein – das macht Hoffnung! Und außerdem: Dass die Generation Gold ähnlich konfus und orientierungslos in Sachen Liebe unterwegs ist wie die halb erwachsenen Söhne und Töchter deiner Freundinnen, ist ebenfalls ein Aspekt, der darauf hindeutet, wie jung im Geiste Best Ager heutzutage sind. Im Grunde genommen laufen sie immer noch wie der frisch geschlüpfte Calimero mit einer Eierschale auf dem Kopf herum – und das mit Mitte 50. Das ist doch irgendwie süß!

Phase Nr. 14: