Vertraue Dir selbst! - Ralph Waldo Emerson - E-Book

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Ralph Waldo Emerson

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Beschreibung

Ralph Waldo Emerson zeigt in »Vertraue Dir selbst!« die zentrale Voraussetzung für den Weg zum persönlichen Glück: Genau in sich hineinzuhören, die eigenen Überzeugungen zu erspüren und nichts anderes als diese nach außen zu kommunizieren. Dazu gehört, all die falschen Ratgeber zu ignorieren, die zum Gegenteil raten. »Mich kümmert, was ich zu tun habe, nicht, was die Leute denken«. Dieser Satz bestimmt nach Emerson den Unterschied zwischen Größe und Gemeinheit.

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Seitenzahl: 47

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Vertraue Dir selbst!

TitelseiteImpressum

Ralph Waldo Emerson

Vertraue Dir selbst!

»Ne te quaesiveris extra!«

Ich las jüngst einige Verse von der Hand eines berühmten Malers; dieselben waren ungewöhnlich und nichts an ihnen war konventionell. In solchen Zeilen vernimmt die Seele stets eine mächtige Mahnung, der Inhalt mag sein, welcher er will. Das Gefühl, das sie einflößen, ist wertvoller als die tiefsten Gedanken, die sie enthalten könnten. An den eigenen Gedanken zu glauben, – zu glauben, dass, was für uns im Innersten unserer Seele wahr ist, wahr sein muss für alle Welt, – das ist Genius. Sprich deine geheimste Überzeugung aus, und sie wird bald die allgemeine sein. Denn das Geheimste wird seiner Zeit das Offenbarste und unsere ersten Gedanken sind es, die uns in den Posaunen des Jüngsten Gerichts entgegentönen. Jedem klingt die Stimme des Geistes vertraut, und das höchste Verdienst, das wir Plato, Moses und Milton zuschreiben, ist, dass sie Bücher und Traditionen hintansetzten und aussprachen, nicht was die Leute, sondern was sie selbst dachten. Der Mensch sollte sich mehr bemühen, den Lichtstrahl, der aus seinem eigenen Innern durch seine Seele flammt, zu entdecken und zu beachten, als allen Sternenglanz am Firmament der Sänger und Weisen. Und doch lässt er gewöhnlich seinen eigenen Gedanken unbeachtet – weil es der seine ist. In jedem Werk des Genies finden wir unsere eigenen Gedanken wiedergespiegelt, sie kommen mit einer fremden Majestät bekleidet zu uns zurück. Die größten Werke der Kunst geben uns keine ergreifendere Lehre als die, an unserem spontanen Eindruck mit fröhlicher Unbeugsamkeit festzuhalten, und gerade dann am meisten, wenn das ganze Stimmengezeter für die Gegenseite ertönt. Sonst wird morgen ein Fremder mit meisterhaftem Verständnis gerade das aussprechen, was wir die ganze Zeit über gedacht und gefühlt haben, und wir sehen uns mit Beschämung gezwungen, unsere Meinung von einem anderen zu entlehnen.

In der Entwicklung jedes Menschen kommt der Augenblick, in dem er erkennt, dass Neid, Unwissenheit, Nachahmung Selbstmord ist; dass er sich selbst schlecht und recht als seinen Anteil am Leben hinnehmen muss, dass, obgleich das weite Weltall des Guten voll ist, kein Körnchen Nahrung ihm zukommen kann, außer durch seine eigene Mühe auf dem Ackerfeld, das gerade ihm zum Bebauen gegeben ward. Die Kraft, die in ihm ruht, ist neu in der Natur, und nur er weiß, was er leisten kann, und auch er nicht eher, als bis er es versucht hat. Nicht umsonst macht ein Gesicht, ein Charakter, ein Ereignis mächtigen Eindruck auf ihn und andere nicht. Diese Empfänglichkeit des Gedächtnisses beruht in einer prästabilierten Harmonie. Das Auge ward dort angebracht, wohin ein bestimmter Strahl fallen sollte, um eben diesen Strahl aufzunehmen. Wir sprechen uns immer nur halb aus und schämen uns der göttlichen Idee, die jeder von uns darstellt. Wir könnten uns ruhig auf sie verlassen, sie ist schon gut und führt zu glücklichen Zielen, wenn wir sie nur getreulich mitteilen wollten; aber durch Feiglinge will Gott seine Werke nicht offenbar machen. Der Mensch fühlt sich gehoben und fröhlich, wenn er sein Herz in ein Werk getan und sein Bestes gegeben hat; aber was er anders gesagt und getan, gewährt ihm keinen Frieden. Es ist eine Befreiung, die nicht befreit. Im Versuche selbst lässt sein Genius ihn im Stich, die Muse weicht von ihm, kein Einfall, keine Hoffnung kommt ihm zu Hilfe.

Vertraue dir selbst! Jedes Herz vibriert mit dieser eisernen Saite. Nimm den Platz hin, den die göttliche Vorsehung für dich ausgesucht hat, die Gesellschaft deiner Zeitgenossen, die Kette der Ereignisse. Große Männer haben immer so getan und sich wie Kinder dem Genius ihrer Zeit überlassen, hierdurch verratend, dass das, was ein so unsägliches Vertrauen verdiente, in ihren eigenen Herzen thronte, durch ihre Hände schuf, ihr ganzes Sein beherrschte. Und wir sind nun Männer und müssen uns im höchsten Sinne demselben transzendentalen Schicksal überlassen, nicht wie Unmündige und Invaliden im warmen Ofenwinkel, nicht wie Feiglinge, die vor Revolutionen flüchten, sondern als Führer, Wohltäter und Erlöser, die dem allmächtigen Triebe gehorchen und durch Chaos und Dunkel vorwärtsschreiten.

Welch zierliche Erläuterungen zu diesem Text gibt uns die Natur im Angesichte und Betragen der Kinder und selbst der Tiere! Ihr Geist ist noch nicht rebellisch und in sich zerrissen; sie kennen das Misstrauen gegen das Gefühl nicht, das uns lähmt, weil unsere Rechenkunst die Kräfte und Hindernisse, die sich unseren Zwecken entgegenstellen, abgemessen hat. Ihr Geist ist noch ein Ganzes, ihr Auge unbezwungen, und wenn wir ihnen ins Antlitz schauen, werden wir verlegen. Das Kind passt sich niemandem an, alle fügen sich in seine Art, sodass ein Baby gewöhnlich vier oder fünf aus den Erwachsenen macht, die mit ihm schwätzen und spielen. So hat Gott Kindheit, Jugend und Mannheit, jede mit ihrem eigenen Reize ausgestattet, und beneidenswert und anmutig gemacht, sodass ihre Ansprüche nicht zurückgewiesen werden können, wenn sie sich auf sich selbst stützen. Glaubt nur nicht, dass der Junge machtlos ist, weil er mit unsereinem nicht reden kann. Hört nur, im nächsten Zimmer ist seine Stimme klar und sicher genug. Mit seinen Altersgenossen weiß er offenbar zu reden. Schüchtern oder keck wird er uns Erwachsene dort höchst überflüssig machen.