Verträumt 3 - S.T. Kranz - E-Book

Verträumt 3 E-Book

S.T. Kranz

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Beschreibung

Der mittlerweile 22-jährige Luca Hart genießt mit seiner selbstbewussten Art sein Leben in vollen Zügen. Doch das ist nicht von Dauer, da sein Vater ihm ein Ultimatum stellt, damit er endlich auf den eigenen Beinen steht. In dieser misslichen Lage angekommen, versucht Luca einen Ausweg zu finden, der auf Ratschlägen von anderen basiert. Selbst in seinen wirren Träumen, die ihm eine Verbindung zur Kindheit aufbauen, wird er zunächst geblendet. Dabei lernt er nicht nur einen Schritt nach vorn zu gehen, sondern auch mehrere zurück...

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S.T. Kranz

Verträumt 3

Lucas Geschichte

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

1

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3

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5

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7

8

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Büchervorschau

Impressum neobooks

Prolog

Wer kennt es nicht, man erzählt einer Person etwas Vergangenes und dichtet unabsichtlich etwas hinzu. Dabei bemerkt man die kleine Unwahrheit, die sich gerade den Weg nach draußen gebahnt hat. Doch da es meistens wirklich nur Kleinigkeiten sind, belässt man es dabei.

Interessanter wird es allerdings für mich, wenn Personen nicht nur kleine Unwahrheiten aussprechen, sondern sich in einem Netz von Lügen verstricken. Und selbst wenn diese entlarvt werden können, bleiben viele oftmals ihren Erzählungen treu. Hier stellt sich mir die Frage, aus welchem Grund sie die Wahrheit nicht sehen?

Zu gern hätte ich mir dieses brisante Thema vorgenommen und in diesem Buch den neuen Protagonisten seine eigenen Lügen erzählen lassen. Doch irgendwie ließ sich das mit dem neuen Charakter nicht vereinbaren, weshalb ich mich bei ihm hauptsächlich auf Manipulation konzentrierte. Das heißt aber nicht, dass ich gänzlich auf meinen Grundgedanken verzichtet habe.

›Denn mit Lügen baut man sich seinen eigenen Schutz auf, der die schmerzhafte Wahrheit verbergen soll.‹

1

Verwöhnt

Noah sitzt nachdenklich im Büro seines Hauses, wobei sein Gesichtsausdruck dem einer zersprungenen Vase gleicht. All seine Bemühungen der vergangenen Woche haben keine Früchte getragen. Er sitzt da, wo er angefangen hat zu suchen.

Denn noch immer gibt es weit und breit keine Spur von seinem verschwundenen 4-jährigen Sohn Luca.

Traurig vor sich hin weinend, hält er sich die Augen zu, sekundenlang, bis ihm auf einmal ein summendes Lied in die Ohren weht, das leise vom Wind getragen wird.

Überrascht, weil ihm die Melodie sehr bekannt vorkommt, erhebt er sich von seinem Stuhl. Er läuft direkt zum Fenster, durch das vermutlich dieses summende Lied in sein Büro dringt. Neugierig schaut Noah in die Fenster des Hauses dicht nebenan, bis ihm wirklich auffällt, dass es das Lied ist, das er seinem Sohn immer vor dem Schlafengehen vorgesungen hat.

In völliger Aufregung und gehetzt von der Freude, die dieses Lied hervorruft, rennt er aus seinem Haus, um an die Haustür nebenan zu kommen. Getragen von den Sternen, die hoch im Himmel leuchten und der Stille, die diese Straße mit sich bringt.

Dort angekommen, bemerkt er, dass die Eingangstür bereits offen steht, woraufhin er einen Durchzug zu spüren bekommt, was ihm eine Gänsehaut verpasst. Mitdenkend zum Schutz, greift sich der Vater sofort einen Regenschirm aus dem Halter neben der Tür und läuft mit einem gewissen Respekt vor der Dunkelheit, in Richtung Treppen. Zitternd und doch mit einer gewissen Erleichterung im Blut, entdeckt Noah seinen erst kürzlich eingezogenen Nachbarn regungslos auf dem Boden liegend, den er nach ein paar Schritten der Furcht mit dem Regenschirm ertastet.

Ohne jegliches Mitgefühl beugt er sich über ihn und muss feststellen, dass er keinen Puls mehr hat. Daraufhin fällt ihm ein großer Stein auf, der dicht neben dem toten Nachbarn liegt, an dem dessen Blut daran noch zu erkennen ist.

»Luca!«, brüllt Noah durch das fremde Haus und kann dabei sein Glück noch nicht fassen, während er rasend schnell die Treppen hinaufeilt und Luca ebenfalls schreien hört. Geleitet von der Stimme seines Sohnes und umhüllt von diesem finsteren Haus, öffnet er die zweite Zimmertür im ersten Stock, aus der Lucas sanfte Stimme zu hören ist. Bis der Anblick seines Jungen, ihn in ein Gefühlschaos bringt, das sich mit Liebe, Glück und Freude verbindet.

Traurig sitzt Luca mit verbundenen Augen in einer eigens für ihn errichteten Zelle und hält sich ängstlich an den Gitterstäben fest. Dabei ist er dem kalten Wind ausgeliefert, der durch das geöffnete Fenster hineinweht.

Mit einem Lächeln im Gesicht rennt Noah auf die Zelle zu und startet den Versuch, mit voller Kraft die Stäbe auseinander zu biegen. Überaus glücklich zählt Luca auf die Liebe und Stärke seines Vaters, der die Stäbe tatsächlich so verbiegt, dass diese aus der Halterung abbrechen.

Nach Sekunden der Rettung von Vater und Sohn, umschlingt Noah seinen Luca mit allen Gefühlen, die ein Vater nur so schenken kann. Mit Tränen versiegelt, nimmt Noah ihn hoch, damit er dieser bösartigen Gefangenschaft den Rücken zukehren kann.

Beide freudig wieder vereint, stolzieren sie die Haustreppen hinunter, um diese geschmacklose Hölle zu verlassen. Dabei kann Noah sich auf dem schnellen Weg nach Hause die Frage nicht verkneifen, ob der böse Mann ihm was angetan hat. Luca schüttelt den Kopf, während sein Vater ihn fürsorglich und erleichtert im Arm hält.

»Er meinte, den Stern bei sich aufbewahrt zu haben, aber er hat gelogen.«

Ins sichere Heim entflohen, fängt das Silvesterfeuerwerk an, welches in den Himmel über ihnen hochschießt.

…Doch diese Geschichte beginnt mit einem anderen Feuerwerk, einem Silvesterfeuerwerk 18 Jahre später.

Die Leuchtkraft und die unvergesslichen Farben sind hoch über den Dächern der Stadt zu sehen. Hoch hinaus, wo die Wolken weiterziehen, der Mond sein düsteres Dasein fristet und die Blumen der Vergangenheit längst erfroren sind.

Unzählige Raketen explodieren in der ersten Nacht des Jahres, um die bösen Geister und um die hinterlistigen Dämonen zu verjagen. Doch dieser Aberglaube ist für den mittlerweile 22-jährigen Luca im Moment nur reine Nebensache.

Gedankenlos und mit einem erhöhten Puls betritt er mit einer ebenso hitzigen Frau sein großzügiges Apartment im letzten Stock. Im Vorspiel ganz und gar verschlungen, treibt die Lust das junge Pärchen auf die naheliegende Couch. Umgeben vom Panorama der Stadt, das durch die bodentiefen Fenster zu überblicken ist, schaltet Luca mit dem Handy die Musikanlage an.

Alle Farben des Feuerwerks werfen Einblicke in dieses recht geräumige Wohngemach, während die Wendeltreppe ein Stockwerk höher zum Schlafzimmer führt.

Völlig entblößt und in das Vertrauen des anderen hingegeben, verlieren sich beide im Ambiente der Neujahrsnacht, wo sie mit dem letzten Knaller den Höhepunkt genießen.

›Er meinte, den Stern bei sich aufbewahrt zu haben, aber er hat gelogen.‹

»Mein Gott, Luca, wach auf. Dein Smartphone klingelt, wach auf und geh endlich ran.«

»Katrin, gehört die rauchige Stimme zu dir?«

»Luca, murmel nicht so einen Scheiß vor dich hin. Jetzt wach auf sonst gehe ich an das blöde Handy.«

Das Gehirn ist noch völlig benebelt vom Rausch und den Gefühlsexplosionen der letzten Nacht, doch der bekannte Klingelton erreicht nun auch Lucas Ohren.

»Mein Vater, so ein Mist, verdammter.«

Während sich Katrin noch einmal auf der Couch zur Seite legt, rüttelt sich Luca in seiner gewohnten Umgebung auf, um dem Klingeln ein Ende zu setzen. Er sortiert seine Gedanken und nimmt den Anruf auf dem Weg zur Terrassentür entgegen.

»Frohes neues Jahr, lieber Papa … Ich weiß, du hast es bereits gesagt und ich werde mich bemühen. Meine Zeichnungen sind einzigartig, ich bringe die noch an den Mann und dann werde ich…«

Gestoppt von der Stimme Noahs, blickt Luca zum Außengeländer, dass seine Dachterrasse umgibt und vor dem freien Fall beschützt. So wie sein Vater Noah ihm wohl stets den Schutz gewährleistet hat, den Luca immer verlangt hat.

»Ja, Papa, ich weiß, was ich mache. Gib mir noch ein bisschen Zeit.«

Schnaufend wird das Telefonat beendet, woraufhin sich Luca mit gehemmter Mine neben Katrin auf die Couch gesellt.

Neugierig blinzelt sie aus der Decke.

»Was wollte dein Alter denn? Frohes Neues wünschen, so früh am Morgen?«

»Schön wäre es, Katrin.«

»Na komm du Hengst, was könnte den gut aussehenden Luca Hart wohl schlimmes widerfahren?«

»Wenn man den Hengst so schert, dass nur noch die verletzliche Haut zum Vorschein kommt.«

Bemitleidend kann sie dem trüben Gesicht keinen Glauben schenken und zieht ihn lächelnd zu sich in ihre euphorisierte Ebene.

»Sei keine Trantüte und küss mich.«

Grinsend vergisst Luca zugleich die Worte seines Vaters, so wie er es wohl immer macht. Links ins Ohr hinein, rechts wieder heraus und wenn zwischendrin noch eine gut aussehende, emanzipierte Frau sich verweilt, dann einfach ihr das gute Gehör schenken.

Und so wie das Jahr begonnen hat, so scheint es für Katrin und Luca weiterhin zu verlaufen.

Glücklich, zufrieden und ganz ohne Sorgen. So verbringen die Turteltauben den ersten Tag des Jahres, bis gegen Abend die Vorbereitungen der Neujahrsparty im Apartment von Luca stattfinden. Mit dem dekorieren und dem Kaltstellen der alkoholischen Getränke, rollt ein gewaltiger Sturm auf die Stadt zu.

Frisch gemacht und in neuer Kleidung, öffnet Luca mehr als nur einmal die Tür für seine Gäste, denn er ist wohl mit gut der Hälfte der Stadt befreundet. Sein Zuhause, das eine Atmosphäre entfacht, die zum Tanzen auffordert, füllt sich außerdem zusätzlich mit den unterschiedlichsten Emotionen, die bestärkt werden, vom guten alten Zauber des Alkohols.

»Draußen tobt ein Wind«, erläutert ein Gast, der nach dem Rauchen die Dachterrasse wieder verlassen hat, um sich lachend der lauten Musik hinzugeben.

»Eine tolle Neujahrsparty, wirklich hervorragend.«

Beglückt fläzt sich der Gastgeber auf seine heimische Couch und belächelt dabei seine gelungene Party erfolgreich.

»Hast du jemals daran gezweifelt, deine Party würde ein Desaster werden?«, fragt eine junge Dame angeheitert und schüttet sich aus Versehen ihr Getränk über die Hand.

»Ich zweifel nie an meinen Partys, vielmehr an etwas anderem.«

»Luca, was hast du denn? Das Gespräch heute Morgen mit deinem Vater? Was will der Alte denn?«

Luft holend schaut er Katrin an, die sich an seine Schulter lehnt.

»Macht der Stress?«, will ein gut durchtrainierter Kerl auf dem Stuhl gegenüber wissen.

»Der will, dass ich endlich für meine Kosten selbst aufkomme«, antwortet Luca ehrlich, während er an seinem alkoholischen Getränk nippt.

»Er zahlt mir eben das Apartment, mein Auto, mein Essen. Eigentlich alles.«

»Und du?«, will Katrin neugierig wissen.

»Ich male und zeichne und versuche mit meinen Künsten Geld zu verdienen.«

Lachend spuckt der maskuline Typ, der den Namen Moritz trägt, sein Getränk in die Gegend.

»Sorry, Luca, bester Freund. Sorry.«

»Er findet, ich bin zu verwöhnt. Verwöhnt mein Leben selbst zu verantworten. Ich solle mein Leben in die Hand nehmen und endlich mit beiden Beinen auf dem Boden stehen.«

»Vielleicht hat er recht?«, fordert Moritz seinen Kumpel auf, um daraufhin die Blase des Gesprächs zu verlassen, damit er sich im Getümmel das Glas füllen kann.

»Luca, ich kann dir, wenn du willst, eine Stelle im Krankenhaus besorgen. Ich bin dort nun lange genug tätig, da wird sich bestimmt etwas Passendes für dich finden.«

»Im Stadtkrankenhaus. Entschuldige. Nicht so mein Ding, Katrin.«

»Aber lieber deinem Vater auf der Tasche liegen? Wann bist du denn überhaupt mit dem Abitur fertig?«

Doch bevor er ihr eine Antwort geben kann, macht sich nach dem Öffnen der Dachterrassentür ein tobender Wind lautstark im Apartment breit.

»Macht die Tür wieder zu, der Wind verwüstet noch meine ganze Einrichtung.«

»Wieder zu, nichts passiert«, antwortet ein fremder Gast, während andere Raucher noch dieser kraftvollen Natur ausgesetzt sind.

»Wo hast du Katrin eigentlich kennengelernt, wenn ich, guter Freund, fragen darf?«, taucht Moritz nach dem Vorfall des Windes vor Luca und Katrin mit einem vollen Glas wieder auf.

»Bei einem Speed-Dating«, antwortet die junge Frau an Lucas Seite selbstbewusst und schmiegt sich dabei wieder frech grinsend an ihn.

»Und dort hat er mir das Blaue vom Himmel gelogen. Ich muss zugeben, er hat sich richtig gut verkauft.«

»So kennen und so lieben wir ihn, nicht wahr?«, beteuert Moritz seinen besten Kumpel, um daraufhin sein Glas zu heben, damit er lautstark den Gastgeber mit völliger Hingabe ehren kann.

»Ein Hoch auf Luca! Und jeder, der nicht weiß, wer Luca ist, der weiß, wo die Tür ist!«

»Jawohl, auf Luca!«

Während sich alle brüllend bei ihm bedanken, hinterfragt Luca plötzlich sein Partyleben, da er dieses Leben nicht sich, sondern einzig und allein seinem Vater zu verdanken hat.

Doch um diesem Toast Ehre zu erweisen, ist nicht nur Luca bereit seine Ängste zuzuschütten, auch Katrin weiß, wie man Liebe versenkt.

Nämlich dort, wo Schiffe erst geborgen werden müssen und wo der tiefste Krater im Ozean seine Geheimnisse verbirgt.

2

 Verändert

»Hallo dir Langschläfer, willst dir nicht endlich mitfeiern?«, ertönt es ein paar Stunden später in Lucas Ohren, der dieser fremden Stimme kein Gesicht zuordnen kann.

»Dich da, dich da, dich verpasst noch die ganze Stimmung. Dich bist richtig erwachsen geworden, schön dir wieder zu sehen«, spricht ein kleiner aufgesteppter Zwerg und tippt dabei in die Wangen von Luca.

»Hallo Luca, ich bin es, Tips. Dich alter Freund, erkennst mich wieder?«, begrüßt Tips, der kleine Zwerg, wohl seinen alten Freund, der allerdings keinen Ton herausbekommt und auf eine Holzdecke schaut.

»Na ist ja auch ohne Sinn, los steh auf. Zwergenfamilie wollen du sehen.«

Verwirrt und überaus schockiert von diesem rustikalen kleinen Zimmer bewegt sich Luca wie versteinert und achtet darauf, nicht mit dem Kopf an die niedrige Decke anzudocken.

»Los, alla hopp! Wir freuen uns schon die ganze Zeit«, hetzt der kleine Zwerg zuckersüß, mit seinen kleinen dicken Fingern und zieht dabei an Lucas Hose.

»Schön, dass du meinen Namen kennst, obwohl ich ihn dir nicht verraten habe«, lässt Luca verlauten, während er es geschafft hat, aus diesem kleinen Zimmer herauszustolzieren, um dann in ein größeres zu gelangen.

»Wie schön, dich zu sehen. Sei herzlich willkommen Luca«, begrüßt die Zwergenoma den Nachkömmling überaus liebenswert. Im Zimmer befinden sich noch weitere Zwerge, die an einem Tisch ein lustiges Brettspiel spielen. Erfreut winkt die zehnköpfige Zwergenfamilie Luca zu, der nervös keinen Ton aus seiner Lunge herausbekommt.

»Der arme Kerl ist ganz verwirrt, ganz weit weg von seiner Realität. So ist das, hier nimm das, das wird deine Gedanken ein wenig sortieren können«, spricht die Zwergenoma, die eine besonders auffällige Brosche an ihrer Kleidung trägt. Zufriedenstellend überreicht sie dem Träumendem etwas Trinkbares.

»Das wird deinen Kopf auffrischen, mein Junge.« Angeekelt vom Jahrzehnte alten Kelch überwindet Luca seine Abneigung und trinkt wenigstens einen kleinen Schluck daraus.

»Komm du, wir gehen erstmals raus. Ziemlich eng für dir, frische Luft schnippen«, schlägt Tips vor, während die Zwergenfamilie über das Brettspiel streitet, da wohl jemand geschummelt haben muss.

»Sag, mein Enkelkind. Willst du nicht lieber hier, hier bei mir bleiben, liebster Tips?«, fragt die Zwergenoma.

Doch anstatt auf ihre fürsorgliche Frage zu antworten, sorgt Tips lieber dafür, dass auch Luca aus diesem zu klein geratenem Zuhause entfliehen kann.

»Ich wusste ja nicht, dass dir so verwirrt bist, Luca. Aber draußen ist viel größer als drinnen, weswegen wir lieber die Bäume von nahem betrachten sollten.«

Beim Hinausgehen bemerkt Luca das urige Zwergendorf, dass ihn in dieser verzauberten Nacht mit klarem Sternenhimmel umgibt. Zu erwähnen sind auch die kleinen Nachbarhäuschen, die sich in den unterschiedlichsten Farben abzeichnen.

»Da war es mir eindeutig zu eng. Viel, viel zu eng, da hast du Recht gehabt.«

Draußen angekommen, blickt Tips mit einem lebensfrohen Lächeln versehen nach oben in Lucas Augen und schenkt seinem Hosenbein eine Umarmung.

»Bin ich in Zwergenhausen?«

»Ja, dich hier in Zwergenhausen, hier bei mir«, spricht er begeistert und fügt hinzu, während plötzlich ein schwaches Erdbeben zu spüren ist.

»Kommst dich wieder? Versprich dir es mir? Wirst mehr auf mich hören, als auf jemand anderes?«

»Tips?«, fragt sich Luca zitternd am ganzen Körper und zugleich schockiert von der Veränderung des Himmels, der plötzlich näher kommt. Die Wolken zerplatzen und Luca blickt völlig verwirrt in seine Realität.

›… aber er hat gelogen.‹

»Luca, heute schlafe ich wieder Zuhause. Erst gestern weckte uns dein blödes Smartphone und heute klingelt jemand Sturm an deiner Tür.«

»Was?«, hinterfragt Luca verschlafen.

»Jeden Tag das Gleiche. Ich bin im Bad.«

»Ist recht, ist gut«, antwortet er und sieht der halbnackten Katrin zu, wie sie verkatert in das Badezimmer marschiert, bis er vom Klingeln an der Wohnungstür unterbrochen wird.

»Ich komme, ich komme ja.«

Übermannt von seinen Sinnen streift sich der junge Mann durch seine gepflegten Haare, erblickt dabei das Desaster in seinem Apartment, das seine Neujahrsparty hinterlassen hat.

»Ich bin total, ich bin Hundemüde«, versucht Luca kratzend aus seinen Stimmbändern hervorzuheben, bevor er nach dem Öffnen der Wohnungstür seine Oma zu Gesicht bekommt.

»Oma Hilde?«

»Zweifelst du an meinem Aussehen?«

Verwirrt stellt er sich die Frage, was denn seine Oma am zweiten Tag des Jahres vor seiner Haustür zu suchen hat, zusätzlich mit einem Koffer, den Hilde offenkundig bei sich trägt.

»Ich sehe es als Unverschämtheit an, wenn du mich noch eine Sekunde länger in diesem unbeheizten Hausflur stehen lässt.«

»Oh Gott, komm rein, Oma. Was auch immer du willst, komm rein.«

»Schön, dass man die Enkelkinder nicht immer zu etwas zwingen muss.«

Lächelnd zieht sie ihren Koffer hinter sich her, bis sie mit erhobenem Kinn mitten im Wohnraum stehenbleibt und sich die Überreste der Party betrachtet.

»Während ich in der letzten Nacht wegen des schweren Sturms in Angst schweißgebadet war, scheinst du dich amüsiert zu haben. Das freut mich, Luca.«

»Wie geht es dir, Oma, nach alledem?«

Grinsend versucht Hilde eine passende Antwort zu ihrem Gefühlsleben zu finden, doch nichts scheint ihrer Seele ebenbürtig zu sein.

Tief Luft holend versucht Hilde ihre Ängste zu begraben, bis Katrin plötzlich mit einer goldenen Paillettenjacke versehen aus dem Badezimmer stolziert.

»Schwester Katrin.«

»Frau Fitsch.«