Vita Karoli Magni / Das Leben Karls des Großen - Einhard - E-Book

Vita Karoli Magni / Das Leben Karls des Großen E-Book

Einhard

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Beschreibung

 Einhards Biographie Karls des Großen ist eine der wichtigsten Quellen über diesen und seine Zeit: das späte 8. und das frühe 9. Jahrhundert, als das Reich der Karolinger gerade im Entstehen begriffen war. Der Gelehrte gehörte dem direkten Umfeld des Kaisers an, berichtet also aus erster Hand über dessen politische Aktivitäten und Kriege, Aussehen und Charakter sowie die Ereignisse im Leben des Herrschers. Dies macht das Werk zu einem zentralen Originaltext im Geschichtsstudium, und auch im Lateinunterricht ist es als Lektüretext beliebt. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden. 

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Seitenzahl: 156

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Einhard

Vita Karoli MagniDas Leben Karls des Großen

Lateinisch / Deutsch

Übersetzt von Evelyn Scherabon FirchowDurchgesehen und überarbeitet sowie mit einem Nachwort versehen von Stefan Zathammer

Reclam

RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 962290

1968, 2024 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2024

RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962290-3

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014454-1

www.reclam.de

Inhalt

Vita Karoli Magni · Das Leben Karls des Großen

Anhang

Zu dieser Ausgabe

Vorwort des Walahfrid

Widmungsverse des Gerwardus

Zeittafel

Stammbaum

Literaturhinweise

Nachwort

[5]Vita Karoli MagniDas Leben Karls des Großen

[7][Vorwort] Nachdem ich mich dazu entschlossen hatte, über das private und öffentliche Leben und vor allem auch über die Taten meines Herrn und Gönners, des vortrefflichen und hochberühmten Königs Karl, zu berichten, nahm ich mir vor, diese Schilderung so kurz als möglich zu halten, und gab mir dabei Mühe, nichts wegzulassen, was ich in Erfahrung bringen konnte, und auch nicht durch Weitschweifigkeit solche Leser abzuschrecken, die an allem Modernen etwas auszusetzen haben – wenn es überhaupt möglich ist, die mit einem neuen Werk zufriedenzustellen, die doch sogar die alten Meisterwerke der gelehrtesten und geistreichsten Autoren ablehnen. Zwar zweifle ich nicht, dass es noch mehr Gelehrte gibt, die die heutigen Verhältnisse nicht für so unbedeutend halten, dass sie glauben, alles Gegenwärtige verdiene Verachtung und müsse ohne jede Aufmerksamkeit schweigend übergangen werden, sondern vielmehr in ihrer Begeisterung für Vergangenes die berühmten Taten anderer irgendwie beschreiben wollen und hoffen, so auch zu verhindern, dass ihr Name wegen schriftstellerischer Untätigkeit von der Nachwelt vergessen wird, ich habe aber doch geglaubt, mich dadurch von meinem Werk nicht abhalten lassen zu dürfen, da ich sicher bin, dass außer mir niemand die Ereignisse genauer schildern kann, die sich sozusagen vor meinen eigenen Augen zugetragen haben und deren Wahrhaftigkeit ich bezeugen kann, und da ich nicht mit Sicherheit wissen konnte, ob es von einem anderen aufgezeichnet wird oder nicht. Und so hielt ich es für besser, dass diese Geschehnisse in [9]verschiedenen, wenn auch ähnlichen Darstellungen der Nachwelt überliefert werden, anstatt es zuzulassen, dass das ruhmvolle Leben und die unvergleichlichen und heute unnachahmbaren Taten dieses angesehensten Königs seiner Zeit im Dunkel der Vergangenheit verschwinden. Es gibt aber noch weitere triftige und, wie ich glaube, stichhaltige Gründe, und jeder einzelne davon hätte ausgereicht, mich zur Aufzeichnung dieser Schrift zu bewegen: Es sind dies vor allem die Erziehung, die mir König Karl während meiner Kindheit angedeihen ließ, und auch die lebenslange Freundschaft, die mich seit meiner Ankunft am Hof mit ihm und seinen Kindern verband. Daher bin ich ihm so sehr verpflichtet und er hat mich im Leben wie im Tod zu seinem Schuldner gemacht, dass man mich mit Recht als undankbar ansehen und bezeichnen könnte, wenn ich die großartigen Taten dieses Mannes, der sich um mich so sehr verdient gemacht hat, stillschweigend überginge und es zuließe, dass sein Leben keine schriftliche Würdigung oder gebührende Anerkennung erhielte, ganz so, als hätte es ihn nie gegeben! Mein armseliges und unbedeutendes Talent reicht freilich nicht aus, seinen Lebenslauf gebührend darzustellen, wäre dies ja sogar für die Redegewandtheit eines Tullius1 schwierig gewesen. Hier also ist das Buch, das die Lebensgeschichte eines wahrhaft großen Mannes enthält. Man wird sich über seine Taten wundern und wahrscheinlich auch darüber, dass ich barbarischer Franke so vermessen bin und glaube, geschmackvoll und elegant auf Lateinisch schreiben zu können – bin ich doch mit der Sprache der Römer nur wenig vertraut. Man wird ferner vielleicht über meine Unverschämtheit staunen, dass ich Ciceros Worte im ersten Buch der »Gespräche in Tusculum« [11]unterschätze, wo er über die lateinischen Schriftsteller sagt: »Es heißt Arbeitszeit verschwenden und die Literatur geschmacklos missbrauchen, wenn man seine Gedanken niederschreibt, ohne die Fähigkeit zu besitzen, sie zu ordnen und zu erklären oder die Leser durch einen angenehmen Stil zu erfreuen.«2 Dieser Ausspruch des berühmten Redners hätte mich unter Umständen vom Schreiben abhalten können, wenn ich nicht schon entschlossen gewesen wäre, lieber meine geringen schriftstellerischen Talente auf die Probe zu stellen und zu riskieren, dass mich die Welt deshalb verurteilt, als aus Angst um meinen eigenen Ruf die Erinnerung an einen so großen Mann erlöschen zu lassen.

1. Das Geschlecht der Merowinger, aus dem die Franken ihre Könige zu wählen pflegten, herrschte – so ist man gemeinhin der Ansicht – bis zur Zeit König Childerichs, der auf Anordnung des römischen Papstes Stephan abgesetzt, geschoren und ins Kloster geschickt wurde.3 Mag es auch den Anschein haben, das Geschlecht habe erst mit ihm sein Ende gefunden, so hatte es doch schon lange seine Bedeutung eingebüßt und besaß nichts mehr außer den leeren Königstitel. Der tatsächliche Einfluss und die wirkliche Macht im Königreich lag gänzlich in den Händen der Hofmeister des Palastes, der sogenannten Hausmeier,4 die an der Spitze der Regierung standen. Dem König blieb nichts anderes übrig, als mit dem bloßen Titel zufrieden mit wallendem Kopfhaar und langem Bart auf dem Thron zu sitzen und den Herrscher zu spielen,5 Gesandte, die von überall her kamen, anzuhören und sie dann mit Antworten zu entlassen, die seine eigenen zu sein schienen, die man ihm aber in Wirklichkeit eingegeben oder sogar befohlen hatte. Außer dem leeren Königstitel und einem unsicheren [13]Lebensunterhalt, den ihm der Hausmeier nach eigenem Gutdünken gewährte, besaß der König nichts, was sein Eigentum gewesen wäre, außer ein Landgut, das aber nur ein geringes Einkommen brachte. Auf diesem Landgut hatte er sein Wohnhaus mit einer kleinen Anzahl von Bediensteten, die ihm die nötigsten Dienste leisteten. Wohin auch immer er sich zu begeben hatte, wurde er von einem Knecht nach Bauernart in einem Wagen gefahren, den ein Ochsengespann zog.6 So fuhr er zum Palast, so auch zu den öffentlichen Volksversammlungen, die zweimal im Jahr zum Wohl des Reichs abgehalten wurden, und so pflegte er wieder nach Hause zurückzukehren. Der Hausmeier aber besorgte die gesamte Verwaltung des Königreichs und alles andere, was an inneren und äußeren Regierungsgeschäften angeordnet und ausgeführt werden musste.

2. Als Childerich abgesetzt wurde, bekleidete Pippin, der Vater König Karls, das schon fast erblich gewordene Amt des Hausmeiers. Pippins Vater Karl hatte es selbst von seinem Vater Pippin übernommen und vortrefflich ausgeübt.7 Es war dies jener Karl, der die Aufständischen, die im ganzen Frankenreich die Macht an sich rissen, niederwarf und der auch die Sarazenen, die Gallien erobern wollten, in zwei großen Schlachten – die eine in Aquitanien in der Nähe der Stadt Poitiers, die andere am Fluss Berre nicht weit von Narbonne8 – schlug und zwang, nach Spanien zurückzukehren. Das Volk übertrug die Würde des Hausmeiers üblicherweise nur solchen Männern, die sich durch hohe Geburt und großen Reichtum auszeichneten.

Pippin, der Vater König Karls, und sein Bruder Karlmann hatten die vom Vater und Großvater ererbte Würde einige Jahre lang einträchtig geteilt – und zwar während formal [15]Childerich König war. Doch entsagte Karlmann schließlich aus unbekannten Gründen, vielleicht von der Sehnsucht nach einem beschaulichen Leben gepackt, der schweren Last der Staatenlenkung und zog sich nach Rom zurück. Hier legte er sein weltliches Gewand ab, wurde Mönch und erbaute am Berg Oreste in der Nähe der Kirche zum Heiligen Silvester ein Kloster9 und genoss einige Jahre lang gemeinsam mit den Brüdern, die mit ihm gekommen waren, die ersehnte Abgeschiedenheit. Da aber aus dem Frankenreich viele Edle in Erfüllung von Gelübden – so wie es Brauch war – nach Rom wallfahrten und es nicht versäumen wollten, dem ehemaligen Gebieter ihre Aufwartung zu machen, störten sie das ruhige und abgeschiedene Leben, nach dem dieser sich so sehr sehnte, und er sah sich deshalb genötigt, den Wohnsitz zu wechseln. Als er sah, dass dieser zahlreiche Besuch seinem Vorsatz, ein Leben in Kontemplation zu führen, hinderlich war, verließ er den Berg und begab sich in die Provinz Samnium in das Kloster des Heiligen Benedikt am Monte Cassino. Dort verbrachte er den Rest seines Erdendaseins bei frommen Übungen.10

3. Pippin aber wurde auf Geheiß des römischen Papstes vom Hausmeier zum König erhoben und regierte als alleiniger Herrscher mehr als fünfzehn Jahre über die Franken.11 Nach dem Ende des Krieges, den er neun Jahre lang gegen Waifar, den Herzog von Aquitanien, geführt hatte, starb er in Paris an der Wassersucht.12 Er hinterließ zwei Söhne, Karl und Karlmann, auf die nach dem Willen der göttlichen Vorsehung die Nachfolge überging. Bei einer allgemeinen, feierlich einberufenen Volksversammlung setzten die Franken die beiden zu ihren Königen ein, und zwar unter der Bedingung, dass sie das Königreich gleichmäßig unter [17]sich aufteilten.13 Karl sollte die Hälfte bekommen, die ihrem Vater Pippin gehört hatte; Karlmann dagegen den Teil, den ihr Onkel Karlmann regiert hatte. Die Bedingungen wurden auf beiden Seiten angenommen, und jeder übernahm den Teil des Reichs, der ihm durch diesen Beschluss zugefallen war. Die Eintracht zwischen den beiden konnte aufrechterhalten werden, allerdings nur unter größter Schwierigkeit, da viele von den Männern Karlmanns versuchten, das Einvernehmen zwischen den Brüdern zu stören. Ja, es gab sogar gewisse, die darauf sannen, zwischen den beiden Königen einen Krieg zu entfachen. Dass es sich dabei aber mehr um eine scheinbare als um eine wirkliche Kriegsgefahr gehandelt hatte, zeigte sich später. Nach Karlmanns Tod flüchtete seine Witwe mit ihren Söhnen und bedeutendsten Anhängern nach Italien und stellte sich mit ihren Kindern, ohne dass es einen Grund dazu gegeben hätte, unter den Schutz des Langobardenkönigs Desiderius, wodurch sie ihren Schwager überging.

Karlmann war nach zweijähriger gemeinsamer Regierung einer Krankheit erlegen,14 und Karl wurde nach dem Tod seines Bruders einstimmig zum König aller Franken gewählt.

4. Da über Karls Geburt, seine Kindheit und auch über seine Jugend weder irgendein schriftlicher Bericht existiert noch sich jemand findet, der noch am Leben wäre und Auskunft geben könnte, habe ich in der Meinung, es sei sinnlos, darüber zu schreiben, beschlossen, was unbekannt ist, wegzulassen und sofort dazu überzugehen, seine Taten, seinen Charakter und andere Begebenheiten seines Lebens darzulegen und zu schildern. Zuerst möchte ich über seine Taten innerhalb und außerhalb des Reichs berichten, dann über sein Benehmen und seine Vorlieben und schließlich [19]über seinen Regierungsstil und seinen Tod, wobei ich nichts, das zu wissen wert oder nötig ist, auslassen werde.

5. Von allen Kriegen, die Karl führte, unternahm er zuerst den von seinem Vater begonnenen, aber nicht vollendeten aquitanischen Krieg,15 denn es schien, dass dieser rasch zum Abschluss gebracht werden könne, auch dank der Hilfe des Bruders, um die er diesen noch bei Lebzeiten gebeten hatte. Und obgleich der Bruder den versprochenen Beistand schließlich doch versagte, führte er den begonnenen Feldzug mit größter Tatkraft aus; er ließ von der einmal in Angriff genommenen und freiwillig übernommenen Aufgabe nicht eher ab und wollte nicht nachgeben, bevor er nicht durch Ausdauer und Standhaftigkeit das, was er sich vorgenommen hatte, vollumfänglich erreicht hatte. Er zwang Hunold, der nach Waifars Tod versuchte, Aquitanien in Besitz zu nehmen und den schon beinahe beendeten Krieg wieder aufzunehmen, das Land zu verlassen und ins Baskenland zu flüchten.16 Er ließ es aber auch nicht zu, dass sich Hunold dort aufhalte, sondern überquerte die Garonne17 und schickte Gesandte zum Baskenherzog Lupus,18 die diesen zur Herausgabe des Flüchtlings aufforderten. Wenn das nicht sofort geschehe, werde er sich ihn mit Waffengewalt holen. Daraufhin wählte Lupus den klügeren Ausweg und lieferte nicht nur Hunold aus, sondern unterwarf auch sich selbst samt seiner ganzen Provinz dem König.

6. Nachdem dieser Krieg zu einem Ende geführt und die Angelegenheiten in Aquitanien geordnet waren – sein Genosse in der Königsherrschaft war aber bereits gestorben –, ließ sich Karl durch die Bitten und das Flehen von Hadrian, dem Bischof der Stadt Rom, dazu bewegen, den [21]Langobarden den Krieg zu erklären.19 Diesen Krieg hatte schon früher einmal Karls Vater Pippin auf Ersuchen des Papstes Stephan hin begonnen,20 jedoch mit großen Schwierigkeiten, denn gewisse unter den Großen der Franken, mit denen er Rat zu halten pflegte, hatten sich seinem Vorhaben so entschieden widersetzt, dass sie öffentlich erklärten, sie würden den König verlassen und nach Hause zurückkehren. Trotzdem wurde damals der Feldzug gegen König Aistulf begonnen und sehr schnell abgeschlossen. Obwohl Karl einen ähnlichen oder sogar denselben Grund zum Krieg zu haben schien wie sein Vater, war der jetzige Feldzug mit ganz anderen Schwierigkeiten verbunden und nahm auch einen anderen Ausgang. Denn nach kurzer Belagerung der Stadt Pavia zwang Pippin den König, Geiseln zu stellen, die den Römern entrissenen Städte und Burgen zurückzustellen und einen Eid zu schwören, dass er sie nicht wieder zurückfordern würde. Karl dagegen ließ nach seiner Kriegserklärung nicht eher ab, bis er den König Desiderius, durch eine lange Belagerung erschöpft, gezwungen hatte, sich bedingungslos zu unterwerfen,21 dessen Sohn Adalgis, auf den alle ihre ganze Hoffnung gesetzt hatten, nicht nur aus seinem Königreich,22 sondern auch aus Italien, vertrieben, den Römern alles, was ihnen entrissen worden war, zurückgegeben, den Aufstandsversuch des Herzogs Hruodgaud von Friaul unterdrückt23 und ganz Italien seiner Herrschaft unterworfen und seinen Sohn Pippin zum König über das besiegte Land eingesetzt hatte. Ich sollte an dieser Stelle eigentlich beschreiben, wie schwierig für Karl bei seinem Zug nach Italien der Übergang über die Alpen war und welche Strapazen die Franken auszustehen hatten, als sie die unwegsamen Bergrücken, die hochragenden Felsen [23]und zerklüfteten Gipfel überschritten, doch beabsichtige ich nicht, hier den Verlauf der einzelnen Kriege aufzuzeichnen, sondern vielmehr Karls Lebensweise zu schildern. Der Krieg gegen die Langobarden endete also mit der Unterwerfung Italiens, der lebenslänglichen Verbannung des Königs Desiderius, der Vertreibung seines Sohnes Adalgis aus Italien und der Rückgabe der von den langobardischen Königen geraubten Güter an Hadrian, den Lenker der römischen Kirche.

7. Danach wurde der Krieg gegen die Sachsen wieder aufgenommen, den Karl in der Zwischenzeit nur unterbrochen hatte.24 Kein anderer Krieg ist von den Franken mit ähnlicher Ausdauer, Erbitterung und Mühe geführt worden wie dieser. Denn die Sachsen waren – wie fast alle germanischen Stämme – ein wildes Volk, das Götzen anbetete und unserer Religion feindlich gesinnt war; auch hielten sie es nicht für unehrenhaft, alle göttlichen und menschlichen Gesetze schändlich zu verletzen und zu übertreten. Dazu kamen noch weitere Umstände, die dazu geeignet waren, jeden Tag den Frieden zu stören. Abgesehen von einigen Stellen, wo große Wälder oder dazwischenliegende Bergrücken eine deutliche Grenzlinie bilden, verliefen die Grenzen zwischen unserem und ihrem Gebiet fast ausschließlich durch flaches Land. Mord, Raub und Brandstiftungen nahmen daher auf beiden Seiten kein Ende. Dadurch wurden die Franken derart verbittert, dass sie es für richtig hielten, nicht mehr länger Gleiches mit Gleichem zu vergelten, sondern gegen die Sachsen einen offenen Krieg anzufangen. Der Krieg begann also und wurde ununterbrochen dreiunddreißig Jahre lang mit großer Erbitterung auf beiden Seiten geführt, wobei die Sachsen aber viel größere [25]Verluste als die Franken erlitten. Er hätte zweifellos früher beendet werden können, wenn dies die Treulosigkeit der Sachsen zugelassen hätte. Es lässt sich kaum beschreiben, wie oft sie besiegt wurden und sich flehentlich dem König unterwarfen, wie oft sie versprachen, den Befehlen zu gehorchen, sofort die geforderten Geiseln stellten und vom König abgesandte Boten willig aufnahmen. Einige Male waren sie schon so unterwürfig und schwach gemacht worden, dass sie gelobten, sie wollten den Götzendienst aufgeben und das Christentum annehmen. Obwohl sie mehrmals bereit gewesen waren, all dem nachzukommen, hatten sie es meist auch ebenso eilig, das Versprochene nicht zu halten. Ja, es ist schwer zu sagen, welche von beiden Handlungen ihnen leichter fiel, denn von Beginn des Krieges an verging kaum ein Jahr, in dem bei ihnen nicht ein solcher Wechsel stattfand. In seinem hohen Sinn und in seiner im Glück ebenso wie im Unglück bleibenden Standhaftigkeit aber ließ sich der König durch ihren ständigen Wankelmut weder besiegen noch von dem, was er sich vorgenommen hatte, abbringen. Im Gegenteil, wenn sie auf diese Weise etwas erreicht hatten, gestattete er niemals, dass sie ungestraft blieben, sondern zog entweder persönlich gegen sie ins Feld oder schickte seine Grafen mit einer Armee, um Rache für ihr treuloses Verhalten zu nehmen und gerechte Sühne zu fordern.25 Schließlich führte er, nachdem er alle, die ihm Widerstand geleistet hatten, besiegt und unterjocht hatte, zehntausend Sachsen, die an beiden Ufern der Elbe gewohnt hatten, samt Frauen und Kindern aus ihrer Heimat fort und siedelte sie in viele Gruppen aufgeteilt verstreut in ganz Gallien und Germanien an. Der Krieg, der sich über so viele Jahre hingezogen hatte, fand erst dann [27]einen endgültigen Abschluss, als die Sachsen die Bedingungen des Königs annahmen: Sie hatten ihren religiösen Bräuchen und dem Götzendienst abzuschwören, mussten die christliche Religion und die heiligen Sakramente annehmen und sich mit den Franken zu einem Volksverband vereinigen.

8. Obwohl sich dieser Krieg über einen langen Zeitraum hinzog, kämpfte Karl selbst lediglich zweimal mit dem Feind in offener Feldschlacht, und zwar innerhalb eines Monats binnen weniger Tage – das erste Mal am Berg Osning bei dem Ort, der Detmold genannt wird, das zweite Mal am Ufer des Flusses Hase.26 Die Feinde erlitten in diesen beiden Schlachten eine derartige Niederlage, dass sie es danach nie wieder wagten, den König herauszufordern oder seinem Angriff zu widerstehen, wenn ihnen nicht die Örtlichkeit Schutz bot. In diesem Krieg fielen zahlreiche fränkische und sächsische Adelige, darunter die höchsten Würdenträger. Nach dreiunddreißig Jahren ging er schließlich zu Ende, nachdem inzwischen so viele und so große Kriege in verschiedenen Teilen des Reichs gegen die Franken erklärt und unter der geschickten Leitung des Königs zum Abschluss gebracht worden waren, dass man in Anbetracht dessen sich zu Recht fragen mag, ob die Ausdauer oder das große Kriegsglück des Königs bewundernswerter ist. Denn der Krieg gegen die Sachsen brach zwei Jahre vor dem italienischen Krieg aus;27 und obwohl er ohne Unterbrechung fortdauerte,28 wurde doch nichts von den anderswo drängenden Geschäften vernachlässigt, noch wurden andere, ebenso aufreibende Kriege unterlassen. Der König nämlich, der alle Herrscher seiner Zeit an Weisheit und Seelengröße überragte, ließ sich durch keine [29]Schwierigkeiten oder Gefahren von etwas, das in Angriff zu nehmen oder zu Ende zu führen war, abhalten, sondern er hatte sich daran gewöhnt, alles, wie es kam, zu ertragen und zu bestehen, im Unglück nicht nachzugeben und sich im Glück nicht auf das trügerische Schicksal zu verlassen.

9.