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Charles H. Spurgeon kam mit 16 zum Glauben und wurde wenige Jahre später Gemeindepastor einer Londoner Gemeinde. Er predigte beeindruckend und mit Vollmacht. Seine Predigten übten einen großen Einfluss auf das geistliche Leben Londons aus und zogen Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten an. Wöchentlich wurden sie in großen Auflagen über die ganze Welt verbreitet. Abendmahlspredigten sind eine besondere Gattung von Predigten. Zu diesen Anlässen versuchen Prediger als Botschafter Gottes, das Heiligste vom Heiligen wiederzugeben, um dann im Allerheiligsten dem Herrn zu begegnen. C. H. Spurgeon wählte zum Abendmahl sehr oft Texte aus dem Hohelied Salomos. Das mag manchem überraschend erscheinen. Aber von den über 3500 veröffentlichten Predigten gehören sie zu den tiefgründigsten Andachten, die der „Fürst unter den Predigern“ gehalten hat. Sie sind das Kostbarste von all dem kostbaren, weil sie Christen direkt in die herrliche Gegenwart des ewigen Gottes und seines Sohnes Jesus Christus bringen.
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Seitenzahl: 387
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Vom Geheimnis der schönsten Liebe
Predigten über das Hohelied Salomos
Charles H. Spurgeon
© 1. Auflage 2021 ceBooks.de im Folgen Verlag, Langerwehe
Autor: Charles H. Spurgeon
Cover: Caspar Kaufmann
ISBN: 978-3-95893-282-1
Verlags-Seite und Shop: www.ceBooks.de
Kontakt: [email protected]
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Impressum
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Autor
Besser als Wein
Freude und Erinnerung
Die Gedächtnisfeier der Liebe Christi
Ein Bündlein Myrrhen
Die Rose und die Lilie
Die Lilie unter den Dornen
Die zarten Trauben
Ein Gesang unter den Lilien.
Der Liebe Wachsamkeit belohnt
Wie sieht der Herr seine Gemeinde?
Gnade zur Gemeinschaft
„Mein Garten“ ‒ „sein Garten“
Schlafend und doch wachend
Näher und teurer
Christi Vollkommenheit und Vorrang
Ganz lieblich
Die Wagen Ammi-Nadibs
Innere Konflikte
Auf unseren Geliebten gelehnt
Komm, mein Geliebter!
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Charles Haddon Spurgeon wurde 1834 in Essex (England) geboren.
1850 kommt er zum Glauben und arbeitet bereits 1851 als Gemeindepastor in Waterbeach. 1854 bekommt er den Ruf in eine Londoner Gemeinde, wo er bis zu seinem Tod 1892 predigt. Er predigt gewaltig und mit Vollmacht. Seine Predigten üben einen großen Einfluss auf das geistliche Leben Londons aus und ziehen Leute aus allen gesellschaftlichen Schichten an. Seit 1855 werden sie wöchentlich in großen Auflagen über die ganze Welt verbreitet.
Abendmahlspredigten haben einen besonderen Glanz. Zu solchen Weihestunden versuchen die Boten Gottes, das Heiligste vom Heiligen wiederzugeben, um dann im Allerheiligsten dem Herrn zu begegnen.
C. H. Spurgeon wählte zum Abendmahl sehr oft Texte aus dem Hohelied Salomos. Das mag manchem unbegreiflich erscheinen.
Von den über 3500 veröffentlichten Predigten sind sie die tiefgründigsten Andachten, die der Fürst unter den Predigern gehalten hat. Sie sind das Kostbarste von all dem kostbaren, weil sie den verlangenden Christen direkt in die herrliche Gegenwart des ewigen Gottes und seines Sohnes Jesus Christus bringen.
„Deine Liebe ist besser als Wein.“ Hohelied Salomos l, 2
„Deine Liebe ist besser als Wein.“ In Erwägung dieser Worte, wie der inspirierte Schreiber sie hier gibt, will ich zunächst versuchen, euch zu zeigen, dass Christi Liebe besser ist als Wein in dem, was man darunter nicht verstehen sollte; zweitens, dass sie besser ist als Wein in dem, was sie ist. Außerdem wollen wir die mannigfaltigen Kundgebungen der Liebe Christi ins Auge fassen und schließlich die Liebe Christi wieder als ein zusammengehöriges Ganzes betrachten; denn obwohl es viele Formen derselben gibt, ist es doch immer eine und dieselbe Liebe.
I.
Ich möchte euch beweisen, dass Christi Liebe besser ist als Wein in dem, was man nicht darunter verstehen sollte.
Christi Liebe kann ohne Bedenken genossen werden. Es werden hinsichtlich des Weingenusses stets Fragen in der Welt aufgeworfen werden. Einige werden vielleicht wohlweislich sagen: „Lass die Hand davon“, während andere ausrufen: „Trinke reichlich davon“, und noch eine dritte Klasse sagt: „Gebrauche ihn mäßig.“ Aber hinsichtlich des vollen Genusses der Liebe Christi werden unter den wahren Christen keine Fragen auftauchen. Niemand unter ihnen wird sagen: „Halte dich fern davon“, und niemand von ihnen wird sagen: „Genieße sie mäßig“, sondern alle wahren Christen werden die Worte des himmlischen Bräutigams wiedergeben: „Trinkt, meine Lieben, trinkt reichlich.“ Die Weisheit, die Liebe Christi gern in uns aufzunehmen, wird nicht einmal von den reinen Geistern im Himmel angezweifelt werden; dies ist der Wein, den sie selbst aus ewigen Schalen zur Rechten Gottes reichlich trinken, und der Herr der Herrlichkeit fordert sie selber auf, reichlich davon zu trinken. Dies ist die höchste Wonne aller, welche Christus kennen und durch die neuschaffende Kraft des Heiligen Geistes neue Menschen geworden sind; dies ist die größte Freude hier auf Erden, und wir können nie zu viel davon haben. Viele glückliche Dinge, viele irdische Freuden, viele Vergnügungen dieser Welt sind sehr zweifelhafte Genüsse, und Christen tun wohl daran, sich fernzuhalten von allem, worin ihr Gewissen nicht vollkommen klar ist; aber im Blick auf den Herrn Jesus und die Liebe unserer Herzen zu ihm ist unser Gewissen rein, so dass in dieser Hinsicht seine Liebe besser ist als Wein.
Christi Liebe ist auch besser als Wein, weil sie ohne Geld zu haben ist. So mancher Mensch hat durch seine Liebe zu weltlichen Vergnügungen und besonders durch seinen Hang zum Wein sein Vermögen verschwendet und sich an den Rand des Ruins gebracht; nur die Liebe Christi ist ohne Geld zu haben. Was lesen wir in der Schrift? „Kommt und kauft beides, Wein und Milch, ohne Geld und umsonst.“ Die Liebe Christi ist nicht zu kaufen. Die Liebe Jesu kommt umsonst zu seinem Volk, nicht weil sie sie verdienen oder jemals verdienen werden, nicht weil sie sie durch ihre Verdienste oder Gebete gesichert haben; es ist freiwillige Liebe, die gleich einem Strom aus einer immer sprudelnden Quelle aus dem Herzen Christi fließt, weil sie kommen muss. Wenn ihr fragt, warum Jesus sein Volk liebe, können wir keinen anderen Grund angeben als diesen: „Also ist es wohlgefällig vor dir.“ Christi Liebe ist so weit wie der Sonnenstrahl, herrlich wie der Bergstrom, umfassend wie die Luft, die uns empfängt. Sie wird dem Kind Gottes ohne Kauf und ohne Verdienst zuteil, schon in dieser Hinsicht ist sie besser als Wein.
Darüber hinaus ist Christi Liebe besser als Wein, weil sie ohne Übersättigung zu genießen ist. Auch die süßesten Stoffe, die eine Zeitlang dem Geschmack angenehm sind, werden früher oder später widerlich. Wenn du Honig findest, magst du soviel davon essen, dass du die Süßigkeit nicht mehr ausstehen kannst; aber die Liebe Jesu ist einer neugeborenen Seele noch nie widerlich geworden. Wer am meisten von Christi Liebe hat, schreit: „Ich will mehr, mehr, mehr!“
Wir wünschen uns, in die Liebe Christi eingetaucht, in den Ozean der Liebe unseres Heilands eingesenkt zu werden. Kein Vertrauter des Herrn Jesus hat jemals gesagt, dass er von Christi Liebe genug habe. Armer Alkoholiker, wohl magst du des Teufels Kelch von dir werfen, weil du von dem tödlichen Trank übersättigt bist; wer aber von dem Wein der Liebe Christi trinkt, wird nie übersättigt oder auch nur befriedigt; er wünscht immer mehr und noch mehr davon.
Ferner ist Christi Liebe besser als Wein, weil sie ohne widerlichen Bodensatz ist. Jeder Wein hat etwas an sich, das ihn unvollkommen macht; da ist etwas, das sich setzen und abklären muss. So ist es mit allen Erden-freuden; es ist gewiss etwas in ihnen, das ihre Vollkommenheit stört. Die Menschen haben viele Künste bei ihren Freuden und Vergnügungen und Wonnen angewandt; aber sie haben immer irgendwo einen Haken oder Fleck gefunden.
Die Liebe Christi ist auch besser als Wein, weil sie nie sauer wird, was doch bei dem Wein der Fall sein kann. In gewissen Stadien der Entwicklung und unter gewissen Einflüssen bildet sich Essig anstatt Wein. Aber bei Christus sind solche Einflüsse wirkungslos. O, wie oft haben wir Ihn betrübt! Wir sind kalt und frostig gegen Ihn gewesen, wo wir wie im Feuer entzündete Kohlen hätten glühen sollen. Wir haben die Dinge dieser Welt geliebt, wir sind unserem Vielgeliebten untreu gewesen und unsere Herzen sind umhergeirrt; aber er ist nie sauer uns gegenüber geworden und wird es nie werden. Viele Wasser können seine Liebe nicht auslöschen und viele Ströme sie nicht ersäufen. Er ist jetzt noch derselbe liebende Heiland, der er gewesen ist und allezeit sein wird, und er wird uns zu der Ruhe bringen, die dem Volk Gottes noch vorhanden ist. Wahrlich, in allen diesen Beziehungen ist seine Liebe besser als Wein, weil keine dieser Unvollkommenheiten daran klebt.
Noch eins, Christi Liebe ist besser als Wein, weil sie keine schlechten Wirkungen erzeugt. Viele gewaltige Menschen sind vom Wein ruiniert worden. Salomo sagt: „Wo ist Weh? Wo ist Leid? Wo ist Zank? Wo ist Klagen? Wo sind Wunden ohne Ursache? Wo sind trübe Augen? Wo man beim Wein liegt und kommt auszusaufen, was eingeschenkt ist.“ Aber wer ist jemals von Christi Liebe ruiniert worden? Wer ist jemals durch diese Liebe elend gemacht worden? Wir sind nie berauscht davon gewesen, denn die Liebe Christi bewirkt oft eine so heilige Entzückung, dass man nicht sagen kann, ob man in oder außer dem Leibe gewesen ist, doch böse Wirkungen hat es nie gegeben. Wer da will, kann aus diesem goldenen Kelch trinken, und er mag trinken, soviel er will, denn je mehr er trinkt, desto stärker und besser wird er werden. Möchte Gott es uns gewähren, zu erkennen die Liebe Christi, die die Erkenntnis übertrifft.
II.
Aber Christi Liebe ist besser als Wein in dem, was sie ist. Lasst mich euch an den Nutzen des Weins im Morgenland erinnern. Oft wurde er als Medizin angewandt, denn er hat gewisse heilende Eigenschaften. Als der barmherzige Samariter den niedergeschlagenen Menschen fand, goss er „Öl und Wein“ in seine Wunden. Aber die Liebe Christi ist besser als Wein; sie mag nicht Wunden des Fleisches heilen, aber sie heilt die Wunden des Geistes. Denkst du noch daran, wie dein armes Herz durch das Wort des Moses durchstochen wurde, wie du die Wunden fühltest, die dir durch das Gesetz geschlagen wurden, die tödlichen Verletzungen, die durch menschliche Geschicklichkeit nicht geheilt werden konnten? Wie angenehm war da der Wein der Liebe Christi, der sich in deine klaffenden Wunden ergoss? Es waren heilende Tropfen wie diese: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“; oder: „Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde“; oder: „Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben“; oder: „Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet.“ Vielleicht kann ich das Wort nicht zitieren, das wie Öl und Wein in deine Wunden floss; aber du erinnerst dich sehr wohl des Textes, der in dein Herz kam: „Wendet euch zu mir, aller Welt Enden, so werdet ihr selig.“ Wein, von Menschen gemacht, kann einem gebrochenen Herzen keine Medizin sein, schon gar nicht einen verwundeten Geist heilen; aber die Liebe Christi kann es, und sie tut es vollkommen.
Wein wurde von Menschen oft gebraucht, um den Schwachen Kräftigung zu bringen. Ob nun der Wein wirklich stärkt oder nicht, gewiss ist, dass die Liebe Jesu Kraft gibt, denn wenn die Liebe Jesu Christi in eines Menschen Herz ausgegossen wird, kann er schwere Lasten und Trübsale tragen. Die Liebe Christi hilft einem Menschen, die Kämpfe des Lebens zu bestehen; sie macht das Leben trotz aller Leiden und Trübsale zu einem glücklichen Leben; sie setzt einen Menschen in den Stand, große Taten zu tun; sie macht ihn stark zum Dulden, stark zum Selbstopfer und stark zum Dienst.
Wein wurde auch oft als das Symbol der Freude angewandt, und gewiss, in dieser Hinsicht ist Christi Liebe besser als Wein. Was für Freuden es auch in der Welt geben mag ‒ und es wäre töricht zu leugnen, dass es eine gewisse Art der Freude gibt, die auch die schlechtesten Menschen kennen ‒, so ist die Liebe Christi ihr doch weit überlegen. Menschliche Freude, aus irdischer Quelle geschöpft, ist ein trüber, schmutziger Pfuhl, davon Menschen nicht trinken würden, wenn sie wüssten, dass es einen kühleren, weit erfrischenderen Strom gibt. Die Liebe Jesu bringt eine Freude, die die Erde dem Himmel gleich macht. Sie ist deshalb viel besser als Wein.
Sie ist besser als Wein wegen der heiligen Heiterkeit, die sie schafft. Die Liebe Christi befähigt den ohnmächtigen Menschen, sich von seiner Schwäche zu erholen, so dass er sogar das Lager der Trübsal und Schwer-mut verlassen kann, und sie gibt dem Müden wieder neue Kraft. Bist du müde, Bruder, und fühlst du dich matt? Du hättest nur nötig, dass Christi Liebe in dein Herz ausgegossen würde. Ich bete zu Gott, dass wir alle da-von voll werden wie jene Gläubigen am Pfingsttage, von denen die Spötter sagten, dass sie voll süßen Weines wären. Mit Recht sagte Petrus, dass sie nicht trunken waren, wie die Menschen annahmen, sondern dass der Geist Gottes und die Liebe Christi sie mit ungewöhnlicher Kraft und ungewöhnlicher Energie erfüllten, und dass darum die Leute nicht wussten, was es war. Gott gewähre auch uns diese große Kraft, und Christus soll die ungeteilte Ehre dafür haben!
III.
Denkt an die Liebe, die er zu uns hatte, ehe die Welt war. Christus ist den Seelen seines Volkes nicht neu in der Liebe, denn er liebte sie, ehe der Morgenstern seinen Platz kannte oder die Planeten die mächtigen Umdrehungen begannen. Jede Seele, die Jesus jetzt liebt, die hat er je und je geliebt. Welch eine wunderbare, unendliche, unbegrenzte, ewige Liebe war das, die ihn einen Bund mit Gott dahin eingehen ließ, dass er unsere Sünden tragen, unsere Strafen erleiden wollte, dass er uns erlösen wollte, auf dass wir nicht in die Hölle müssten! Manche Menschen fürchten sich, diese Wahrheit zu glauben; ich möchte sie überreden, in der Schrift zu forschen, bis sie sie finden! Denn von allen Lehren der Heiligen Schrift kenne ich keine, die, wenn wir sie richtig erkennen, dem Herzen tröstlicher wäre als die großen Grundwahrheiten der göttlichen Vorherbestimmung und der persönlichen Erwählung. Wenn wir sehen, dass wir von Ewigkeit her in Christus erwählt, von Ewigkeit her von dem Vater dem Sohn gegeben und angenehm gemacht sind in dem Geliebten und von Ewigkeit her von Christus geliebt sind, dann werden wir in heiliger Dankbarkeit sagen: „Solche Liebe ist wirklich besser als Wein, weil keine Hefe darin ist.“
Denkt sodann an Christi langmütige, nachsichtige Liebe, an die Liebe, die auf uns blickte, da wir geboren waren, die uns voller Sünde sah und uns dennoch liebte; an die Liebe, die uns sah, da wir von Mutterleibe an irre gingen; an die Liebe, die uns gottlos reden hörte und uns halsstarrig ungehorsam sah und uns dennoch liebte!
Aber wie köstlich war es uns, als wir Christi persönliche Liebe verwirk-licht sahen, als wir endlich zu den Füßen des Kreuzes lagen und demütig unsere Sünden bekannten. Wer von euch kann zu dem glücklichen Augenblick zurückgehen? Du lagst zerbrochen zu seinen Füßen und dachtest, es gäbe für dich keine Hoffnung; aber du blicktest auf zu dem gekreuzigten Christus, und aus seinen Wunden ergoss sich das köstliche Blut über dich, und du sahst, dass er um deiner Missetat willen verwundet und um deiner Sünde willen zerschlagen ward, dass deine Strafe auf ihm lag und du durch seine Wunden geheilt wurdest. In dem Augenblick waren alle deine Sünden weggenommen; du blicktest im Glauben auf zu dem blutenden Heiland, und jeder Fleck deiner Sünde verschwand und deine Schuld war auf immer vergeben.
Ich will dich nicht beleidigen mit der Frage, ob, als du zuerst Christi vergebende Liebe fühltest, diese Liebe nicht besser war als Wein. O, die unaussprechliche Freude, die unbeschreibliche Seligkeit, die du fühltest, als Jesus zu dir sagte: „Ich habe deine Sünden an meinem Leibe auf das Holz getragen; ich habe die schwere Last deiner Übertretungen getragen und habe sie getilgt wie eine Wolke, sie sind nun auf ewig weg!“ Das war eine Liebe, die unbegreiflich köstlich war; bei der Erinnerung daran hüpft unser Herz in uns und unsere Seele erhebt den Herrn.
Seit dieser glücklichen Stunde sind wir zum Gegenstand der wohlwollenden Liebe Christi gemacht, denn wir sind „angenehm gemacht in dem Geliebten“. Wir haben auch Christi leitende Liebe und fürsorgende Liebe und unterweisende Liebe erfahren. Seine Liebe ist uns in allerlei Weise geworden und hat uns wohlgetan und bereichert. Wir haben heiligende Liebe gehabt; uns ist geholfen worden, diese und jene Sünde zu bekämpfen und sie durch das Blut des Lammes zu überwinden.
Der Herr hat uns auch eine tragende Liebe unter sehr scharfen Trübsalen geschenkt. Manche unter uns könnten von dieser aufrechterhaltenden Liebe in Armut, in leiblichen Schmerzen, in tiefer Depression des Geistes oder unter grausamer Verleumdung und Schmähung von vielen Erlebnissen erzählen. Seine Linke lag unter unserem Haupt, während seine Rechte uns herzte. Wir haben die Leiden wegen der reichen Tröstungen fast willkommen heißen können.
Er ist uns ein so teurer und köstlicher Christus gewesen, dass wir nicht wissen, wie wir lobend genug von seinem lieben Namen reden können. Dann lasst uns mit beschämten Herzen der ausdauernden Liebe Christi zu uns gedenken. Selbst seitdem wir bekehrt sind, haben wir ihn unzählige Male betrübt. Wir sind ihm oft untreu gewesen, wir haben ihn nicht geliebt mit der Liebe, die er wohl von uns beanspruchen konnte; doch Christus hat uns nicht verworfen, sondern lächelt uns, seine Brüder, die er mit Blut erkauft hat, liebevoll an und sagt zu jedem unter uns: „In meine Hände habe ich dich gezeichnet. Ich will dich nicht verlassen noch versäumen.“ Er gebraucht uns gegenüber die zärtlichsten Ausdrücke, um uns zu zeigen, dass seine Liebe nie aufhören wird. Ehre sei dafür seinem heiligen Namen! Ist diese Liebe nicht besser als Wein?
Eins darf ich nicht unterlassen euch zu sagen, und das ist Christi züchtigende Liebe. Ich weiß, dass eurer viele, die ihm angehören, oft unter seiner züchtigenden Hand geseufzt haben; aber Christus hat euch nie im Zorn geschlagen. Wenn er je das Kreuz auf eure Schultern gelegt hat, so ist es geschehen, weil er euch so sehr liebte, dass er es nicht zurückhalten konnte. Er nahm euch nie eine Freude, ohne die Absicht zu haben, eure Freude dadurch zu vermehren. Vielleicht können wir jetzt noch nicht sagen, dass die züchtigende Liebe des Herrn uns segensreich gewesen ist, aber wir werden es eines Tages erkennen und ihm danken. Ich preise meinen Herrn für alles, das er mir getan, und ich kann nicht sagen, was ich alles dem Amboss, dem Hammer, dem Feuer und der Feile zu verdanken habe. „Ehe ich gezüchtigt ward, irrte ich, aber nun halte ich dein Wort.“ Darum wollen wir Christi züchtigende Liebe auch zu den übrigen Liebeserweisungen zählen und davon sagen: „Diese Liebe ist besser als Wein.“ Wir möchten doch lieber die Züchtigungen Gottes als die Vergnügungen der Welt haben. Wir ziehen es vor, Gottes linke Hand anstatt die rechte Hand der Welt zu ergreifen, und möchten lieber mit Gott im Dunkeln als mit der Welt im Licht wandeln. Wird nicht jeder wirkliche Christ das sagen?
Dann gedenkt der Liebe am Tage unserer Auferstehung, denn Christus liebt unsere Leiber wie unsere Seelen, und diese jetzt sterblichen Leiber werden in Herrlichkeit aus dem Grab auferstehen. O, welche Seligkeit, unserem Herrn gleich zu sein und bei ihm sein zu können, wenn er im Glanz seiner Wiederkunft erscheint und wir als die Beisitzer mit ihm die Welt und die Engel richten werden! Und dann an seinem Triumphzug teilzunehmen, wo er dem Vater das Reich überantworten wird und die vermittelnde Gnade ein Ende haben und Gott alles in allem sein wird! Und dann auf immer bei dem Herrn zu sein, ohne Furcht, dass die Seele sterben werde. Mit einem Leben, das gleich ist dem Leben Gottes, und einer uns von Gott verliehenen Unsterblichkeit werden wir die Sonne überleben, und wenn der Mond erbleicht und diese alte Erde und alles, was darinnen ist, verbrannt wird, werden wir noch immer bei ihm sein. Wahrlich, seine Liebe ist besser als Wein; sie ist das Wesen des Himmels; sie ist besser als irgendetwas, das wir uns erdenken können. Gott gewähre uns den Vorgeschmack von der Liebe des Himmels in der gegenwärtigen Verwirklichung der Liebe Jesu, welche ganz dieselbe Liebe ist und durch welche der Himmel selbst zu uns kommt.
IV.
Nun will ich noch ein wenig auf den letzten Punkt zu sprechen kommen, und das ist Christi Liebe als ein zusammengehöriges Ganzes ‒ ein Thema, das wenigstens zu einem halben Dutzend Predigten den Stoff liefern könnte. Seht euch den Text an, wie er dasteht: „Deine Liebe ist besser als Wein.“
Blickt auf die Liebe Christi im Korb, denn die Beeren müssen, ehe der Wein bereitet werden kann, im Korb gesammelt werden. Ich sehe, wie Jesus Christus hier auf Erden unter den Menschenkindern lebte, wie Er die Beeren, die alle von dem heiligen Weinstock in einen Korb gesammelt werden, vereinigt. O, die Liebe Jesu Christi in der Krippe zu Bethlehem, die Liebe Jesu in der Werkstatt zu Nazareth, die Liebe Jesu in seiner heiligen Wirksamkeit, die Liebe Jesu in der Versuchung in der Wüste, die Liebe Jesu in seinen Wundern, die Liebe Jesu in seiner Gemeinschaft mit seinen Jüngern, die Liebe Jesu in den Stunden seiner Schmach um unsertwillen, die Liebe Jesu in seiner Armut, die Liebe Jesu im Ertragen des Widersprechens von den Sündern! Ich kann auf diesen großen Gegenstand nicht näher eingehen, sondern ihn nur andeuten.
Aber wenn eure Herzen sensibel ihm gegenüber sind, dann denkt an die Liebe Christi in der Weinkelter. Seht ihn dort, wo die Beeren im Korb an-fangen, erdrückt zu werden! Welch ein Zertreten der Beeren, als Christi Schweiß wie große Blutstropfen wurde! Und wie schrecklich zerdrückte ihn die wuchtige Presse wieder und wieder, als er seinen Rücken darbot denen, die ihn schlugen, und seine Wangen denen, die ihn rauften, und als er sein Angesicht nicht verbarg vor Schmach und Speichel! Aber wie floss der rote Wein von der Presse, als Jesus ans Kreuz genagelt an seinem Leibe litt, in seinem Geist bedrückt und von seinem Gott verlassen wurde! „Eli, Eli, lama, sabachthani?“ das sind die Töne, die aus der Weinpresse kommen; und wie schrecklich und doch wie lieblich sind sie! Offenbare ihm deine Liebe und glaube, dass er alle deine Sünden getragen, dass er erduldet hat, was du hättest leiden müssen, und dass er als dein Stellvertreter für dich erdrückt worden ist. Ja, Christi Liebe in der Weinpresse ist besser als Wein.
Und dann, Geliebte, denkt nicht nur, sondern genießt die Liebe Christi im Kelch, darunter ich seine Liebe zu euch verstehe. Wenn ich an dieses Thema komme, ist es mir stets so, als ob ich mich setzen und euch bitten sollte, darüber nachzudenken, anstatt darüber zu sprechen. Seine Liebe zu mir! Liebes Kind Gottes, denke folgendermaßen darüber: Er liebt mich! Er, ein König, liebt mich! Ein König? Der König aller Könige, er liebt mich! Wahrer Gott vom wahren Gott, er liebt mich! Seltsame Vereinigung zwischen dem Unendlichen und einem Wurm! Wenn ein Engel eine Ameise lieb hätte, so wäre der Unterschied nicht so groß wie die Tatsache, dass Jahwe-Jesus uns liebt. Doch wenn wir sein gläubiges Volk sind, dann gibt es keine Tatsache unter dem Himmel oder in dem Himmel, die so unbestreitbar ist als die Tatsache, dass er uns liebt. Dafür haben wir die Erklärung der Inspiration, ja, wir haben mehr: wir haben als Beweis dafür seinen Tod am Kreuz. Seht, welch eine Liebe ist dort am Kreuz zu sehen! Welche wunderbare Liebe zeigt sich da! Lasst uns denn Christi Liebe im Becher haben, damit wir täglich davon trinken, damit wir jetzt persönlich in unsere Seelen trinken, die Liebe, die ganz uns gehört, als ob niemand anders in der Welt wäre, und die doch eine Liebe ist, an welcher Tausende und Abertausende mit uns gleichen Anteil haben.
Gott segne euch, liebe Freunde, und gebe es euch, von diesem Wein zu trinken! Und wenn jemand diese Andacht liest, der die Liebe Jesu Christi nicht kennt, so flehe zum Herrn, dass er dich zu dieser Erkenntnis führe. Möchte er dein Herz erneuern und dir Glauben an ihn schenken, denn wer da glaubt, dass Jesus der Christus ist, der ist von Gott geboren. „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet.“ Sein großes Evangeliumswort ist: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden.“ Möchte der Herr durch seinen Geist dieses Wort segnen um unseres Herrn Jesu Christi willen!
Knie jetzt betend nieder, und bekenne dem König aller Könige deine Liebe zu ihm!
„Wir wollen frohlocken und uns freuen an dir; wir wollen deiner Liebe mehr als des Weines gedenken.“ Hohelied Salomos 1,4
Mir gefällt die Form des Ausdrucks, die hier in unserem Text gewählt ist, und ich freue mich sehr, mit Menschen zusammenzutreffen, die in einen so entzückenden Zustand der Gemeinschaft mit Christus gebracht sind, dass sie in dieser vertraulichen Weise zu ihm sagen: „Wir wollen frohlocken und uns freuen an dir; wir wollen deiner Liebe mehr als des Weines gedenken.“
I.
Wir wollen beachten, dass wir hier einen doppelten Entschluss haben: „Wir wollen frohlocken und uns freuen an dir; wir wollen deiner Liebe mehr als des Weines gedenken.“
Von diesem Entschluss möchte ich zunächst sagen, dass es ein notwendiger Entschluss ist, denn die menschliche Natur ist nicht so angelegt, dass sie sich in Christus freut, es ist nicht die Neigung unseres gefallenen Zustandes seiner Liebe zu gedenken. Hinsichtlich dieses Entschlusses ist ein Willensakt erforderlich; so lasst uns jetzt diesen Willen aufbringen: „Wir wollen uns freuen an dir; wir wollen deiner Liebe mehr als des Weines gedenken.“ Es gibt so viele Dinge, die zwischen unserer Seele und unseren Heiland zu kommen versuchen, soviel Kümmernisse, die uns daran hindern möchten, uns an ihm zu freuen, dass wir entschlossen sein müssen, uns zu freuen, welcher Art auch unsere Trauer sein mag. Hinweg mit euch, ihr Trauergeister, nieder mit euch! Wir haben zum Herrn gesagt, dass wir frohlocken und uns an ihm freuen wollen, und wir wollen unsere Worte zur Wahrheit werden lassen. Es gibt so viele unruhige Gedanken, die unsere volle Gemeinschaft mit unserem Herrn stören wollen. Wie dicht wir auch unsere Fenster und Türen schließen mögen, diese Gedanken finden doch Eingang, und wir werden an das kranke Kind daheim oder an den Kummer erinnert, der uns während der Woche bedrückte. Aber, Herr, wir wollen dieser Dinge jetzt nicht gedenken.
Wir sagen von Herzen zu dir: „Wir wollen deiner Liebe gedenken.“ Hinweg mit dir, Sorge und Kummer und Gram, hinweg mit dir! Heiliger Geist, komm zu mir und hilf mir, eine glückliche Stunde zu haben, dass ich frohlocken und meines Herrn mich freuen kann, dass ich eine heilige Stunde habe, um seiner Liebe gedenken! Ihr müsst es ernstlich wollen, liebe Freunde, sonst geschieht es nicht. Es genügt nicht, nur zur Stätte der Anbetung zu gehen und eine fromme Haltung anzunehmen und uns dann einzubilden, dass wir mit Jesus Gemeinschaft haben werden. Nein, o nein! Wir müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten und nicht in der Einbildung, nicht mechanisch anbeten, als ob wir ohne Ernst und inbrünstiges Verlangen wahre Gemeinschaft mit ihm haben könnten.
Wirklich, liebe Freunde, dieser wichtige Entschluss ist notwendig. Sollten wir nicht frohlocken und uns an Christus freuen? Warum sollen die Hochzeitsleute fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Soll die Braut sich nicht eines solchen Bräutigams freuen, wie sie ihn in Christo hat? Ich weiß, ihr habt viele Dinge, an denen ihr euch nicht freuen könnt. Aber ihr könnt euch an ihm freuen, an seiner Person, seinem Werk, seinen Ämtern, seiner Kraft, seiner Herrlichkeit, seinem ersten Kommen, seiner Wiederkunft. Gewiss, dies sind nicht Dinge, daran man ohne glückliche Empfindungen denken kann; es ist segensreich, dass wir frohlocken und uns an unserem Herrn freuen. Wir sollten unsere Freude verdoppeln und sie wiederholen; wir sollten frohlocken und uns an ihm freuen.
Es ist segensreich, dass wir uns freuen in dem Herrn, und was kann segensreicher sein, als dass wir seiner gedenken? Welche Torheit, dass wir je seiner vergessen konnten! Sein Name sollte so tief in unsere Herzen eingegraben sein, dass wir ihn nicht vergessen können. Lasst uns seiner Liebe gedenken, denn gewiss, wenn es etwas gibt, dessen wir uns stets erinnern sollten, so ist es die unsterbliche Liebe, die unser köstlichstes Gut auf Erden ist und die der Hauptbestandteil unserer höchsten Seligkeit im Himmel sein wird. So lasst uns denn mit Hilfe des Heiligen Geistes jetzt diesen Entschluss fassen. Meint ihr nicht auch, dass dieser Entschluss, wenn wir ihn ausführen, für uns selbst sehr segensreich sein wird? Welche Hilfe ist es für einen Christen, freudig in dem Herrn sein zu können! Ich weiß, was es heißt, niedergeschlagen zu sein. Zu solcher Zeit fühle ich, dass es keine Hilfe für mich gibt und keine Hoffnung für mein Leben und Wirken, es sei denn, dass ich aus diesem betrübten Zustand herauskomme und freudig in dem Herrn werde und zu mir sage: „Mein Herz, was ist denn mit dir? Warum bist du so unruhig in mir? Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken, der die Hilfe meines Angesichts und mein Gott ist.“
Es gibt keinen so vortrefflichen Weg, aus dem Sumpf der Verzagtheit herauszukommen, als die Freude am Herrn. Wenn ihr versucht, euch in euch zu freuen, werdet ihr einen dürftigen Grund zur Freude haben; aber wenn ihr frohlockt und euch am Herrn freut, habt ihr die wirkliche, bleibende, unveränderliche Quelle der Freude, denn wer sich an Christus freut, freut sich an dem, der gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit ist. Kommt denn zu eurem eigenen Besten, nehmt die Posaunen und die Zither zur Hand, und vergesst euren Kummer und alles, was euch in dieser ermüdenden Welt bedrückt. Was mich betrifft, so muss ich und will ich frohlocken und an meinem Herrn mich freuen, und ich hoffe, dass sich viele von euch mit mir zu dieser glücklichen Beschäftigung, die für euch so segensreich ist, verbinden werden.
Gewiss, es wird auch für andere zum Besten sein. Ich glaube, dass Gläubige viel Schaden anrichten, wenn sie sich in ihrem Missbehagen einfach gehen lassen. Wenn du aus deinem Kummer herauskommen und dich wirklich an deinem Herrn erfreuen kannst, wirst du viele zu den schönen Wegen Christi hinlocken, von denen sonst nicht gut gesprochen werden kann, wenn du deine Tage mit Trauern verbringst. Kommt, ihr Schwachen, kommt und nährt euch an dem Brot, das euch stark machen kann. Kommt ihr, deren Augen rot vom Weinen sind, nehmt ein Taschentuch, das eure Tränen trocknet und eure Augen strahlen macht. Gedenkt an den Herrn Jesus Christus, und freut euch an ihm.
Dies ist es also, was ich euch mit Nachdruck empfehle, dass ihr diesen doppelten Entschluss fasst und alle in Wahrheit zu unserem Herrn sagt: „Wir wollen frohlocken und uns freuen an dir; wir wollen deiner Liebe mehr als des Weines gedenken.“ Aber, teure Freunde, wir können diesen Entschluss nicht ohne die Hilfe des Heiligen Geistes ausführen. Dann lasst uns ihn dem Herrn im Gebet bringen, und indem wir ihm sagen, was wir zu tun beabsichtigen, lasst uns alle hinzufügen: „Ziehe mich dir nach, so laufen wir. Hilf uns, zu dir zu kommen; offenbare dich mir, und dann will ich frohlocken und mich freuen an dir.“
II.
Nun möchte ich einen Schritt weitergehen und sagen, dass der Entschluss des Textes ein dieser Veranlassung angemessener Entschluss ist: „Wir wollen frohlocken und uns freuen an dir, wir wollen deiner Liebe mehr als des Weines gedenken.“
Lasst uns demnächst bedenken, dass wir, wenn wir zum Abendmahlstisch kommen, auch die Auswirkungen dieses Todes Christi feiern. Ein Erfolg des Todes unseres Herrn ist, dass er seinem Volk Nahrung gibt; sein gebrochener Leib ist Brot für unsere Seelen geworden; ja, er ist rechte Speise. Sein Blut, das für viele vergossen ist zur Vergebung der Sünden, ist wirklicher Trank geworden. Durch seinen Tod hat Christus uns Leben gegeben und durch die Vollständigkeit seines Erlösungswerkes und durch seine beständige Fürbitte hat er uns Brot und Wein gegeben, wodurch dieses Leben genährt werden kann. Er hat alles vollbracht, und er ist in die Herrlichkeit eingegangen, um die Erfüllung seines vollendeten Werkes zu sichern. Indem wir um seinen Tisch sitzen, werden wir an die vollbrachte Erlösung erinnert; das Brot ist bereit, der Kelch gefüllt. Wir haben mit der Zubereitung des Festes nichts zu tun; alles, was wir zu tun haben, ist zu kommen, teilzunehmen und uns an der himmlischen Nahrung zu weiden. Wenn wir also, liebe Freunde, in rechtem Geist zu diesem Tisch kommen, müssen wir uns unseres Herrn freuen und seiner Liebe gedenken.
Ich denke auch, dass hier ein weiterer Grund ist, aus welchem wir uns unseres Herrn freuen und seiner Liebe gedenken sollten, weil nämlich unser Herr die Feier an diesem Tisch zu einem Fest gemacht hat. Wer da meint, dass das Knien um einen Altar der Inhalt des Abendmahls ist, hat den Sinn des Abendmahls nicht erkannt. Was hier beabsichtigt ist, das ist Gemeinschaft; wir kommen hierher, um Gemeinschaft mit ihm zu haben, der mit seinen Jüngern zu Tisch saß und sie bei diesem letzten Mahl zu seinen Leidensgefährten machte. Bei einem königlichen Fest ist Freude geboten. Wie, wollt ihr mit traurigen Gesichtern zu des Königs Tisch kommen? Wollt ihr kommen, um betrübt zu sehen, was er euch gebracht hat? Wenn er Brot und Wein als ein Fest für eure Seelen bereitet hat, wollt ihr kommen und eure Köpfe hängen lassen? Nein, macht dies zu eurem Entschluss: „Wir wollen frohlocken und uns an dir freuen; wir wollen deiner Liebe mehr als des Weines gedenken.“
Wenn Könige Feste veranstalten, dann erklingen die Gläser, und es gibt ein freudiges Jauchzen; und soll der armselige Weinstock dieser Welt, dessen Saft für den Menschen Gift gleich dem Wein von Gomorra ist, größere Freude bieten, als wir sie haben, die wir trinken von dem Wein, der von Gottes Weinstock kommt und dessen Trauben Christus in der Presse zerdrückt hat? Nein, unsere Freude an diesem Fest ist herrlicher, tiefer, wirklicher und wahrer als irgendetwas, das Wein oder Wohlstand jemals gewähren kann. „Wir wollen frohlocken und an dir uns freuen; wir wollen deiner Liebe mehr gedenken als des Weines.“ O Gott, hilf uns, diesen Entschluss auszuführen!
Lasst uns auch bedenken, dass wir, wenn wir zum Tisch des Herrn kommen, eine sehr glückliche Vereinigung feiern. Unser Text spricht in der Mehrzahl: „Wir wollen frohlocken und uns an dir freuen; wir wollen deiner Liebe mehr als des Weines gedenken.“ Ich weiß nicht, wie ihr empfindet, Brüder und Schwestern, aber ich möchte nicht gern allein zum Himmel wandern. Obgleich ich die Gemeinschaft meines Herrn haben würde, wenn ich sein einzig Geliebter wäre, so vermehrt es doch meine Freude wesentlich, wenn ich eure Angesichter sehen darf, die ich seit einer Reihe von Jahren kenne und mit denen ich lange Zeit in inniger Verbindung gestanden habe. Viele unter euch, die einst „voll bitterer Galle waren und verknüpft mit Ungerechtigkeit“, sind durch die Predigt des Evangeliums gleich brennenden Holzstücken aus dem Feuer gerissen worden, und es ist so herrlich, dass wir hier miteinander um den Tisch des Herrn versammelt sein dürfen.
Es gehört sich nicht, mit einem bedrückten Herzen zum Abendmahl zu kommen, wenn wir bedenken, dass es nicht nur eine Gedächtnisfeier, sondern ein Vorausgenuss ist. Wir tun dies, „bis dass er kommt“. Habe ich nicht heute früh versucht, die Posaune seiner Wiederkunft zu blasen? Es würde mich nicht in Erstaunen gesetzt haben, wenn er gekommen wäre, während wir versammelt waren und ich von der herrlichen Erscheinung des großen Gottes und unseres Heilandes Jesu Christi redete. Es sollte auch niemand unter euch in Erstaunen setzen, wenn ihr mitten in der nächsten Nacht den Ruf hörtet: „Siehe, der Bräutigam kommt!“, denn er kann jeden Augenblick kommen, und er wird kommen „zu einer Stunde, da ihr es nicht meint“. Lasst uns bei dem Gedanken an diese freudige Hoffnung vor Freuden hüpfen und das Fest in lebendiger Hoffnung feiern; und während ihr zum Tisch kommt, lasst eure Herzen sich am Herrn freuen, an dessen Liebe ihr euch bei diesem heiligen Fest besonders erinnert.
III.
„Wir wollen deiner Liebe gedenken.“ Lieber Heiland, das, woran wir zu denken haben, ist deine Liebe, deine Liebe von Ewigkeit her, deine voraussehende Liebe, die uns durch den Fall zugrunde gerichtet sah und uns trotzdem liebte. Wir gedenken deiner Liebe, da du dich deinem Volk vertrautest und dich entschlossest, dein Los mit deinen Erwählten zu teilen. Der Herr Jesus entschloss sich, mit seiner Gemeinde eins zu werden; zu diesem Zweck verließ er seinen Vater, damit er mit seiner Braut eins werden könne. Ich komme zu großen Tiefen, wenn ich fortfahre, über Christi Liebe zu sprechen.
„Wir wollen deiner Liebe gedenken“, der Liebe, die, nachdem sie einmal angefangen hat, nie wankend geworden ist, sich nie verringert und nie aufgehört hat.
Wir gedenken der Liebe, die Jesus in seinem Herzen hinauftrug in die Herrlichkeit zur Rechten des Vaters, der Liebe, die noch ebenso groß ist, als sie war, als er auf Golgatha hing, um uns zu erlösen. Das Wunderbare an dem allen ist mir, dass es die Liebe einer Person ist, wie Christus es ist. Dass eine so göttliche Person uns seine Liebe zuwenden konnte, ist unausdenklich wunderbar. Ich kann meiner Mutter Liebe verstehen, ich kann meines Kindes Liebe verstehen, ich kann die Liebe meiner Frau verstehen; aber Christi Liebe kann ich nicht verstehen. Brüder, wir sind alle abtrünnige Versager; doch dieser herrliche „Alles“, dieser „Alles in Allem“ hat uns tatsächlich seine Liebe zugewandt! Nehmt an, dass alle heiligen Engel uns geliebt hätten und dass alle Erlösten Gottes uns geliebt hätten; dies alles zusammengenommen würden nur soviel Stäublein sein, die die Waagschale nicht erschweren, aber Christi Liebe ist ein Berg, nein, sie ist mehr als alle Berge im Universum. Ich weiß nichts, womit ich sie vergleichen könnte.
Auf diese Art können wir zunächst diesen doppelten Entschluss ausführen; wir gedenken der Liebe Christi und freuen uns an ihr.
Demnächst möge jeder einzelne unter uns zu Christus sagen: „Ich will deiner Liebe zu mir gedenken.“ Brüder und Schwestern, ich kann glauben, dass Christus euch liebt; aber es gibt Zeiten, da es mir als ein großes Geheimnis erscheint, dass er jemals mich geliebt haben könne. Ich kann in Wahrheit sagen, dass ich oft gefühlt habe, dass ich es als himmlisch ansehen würde, zu den Füßen der Ärmsten, Geringsten der Knechte Gottes sitzen und ihnen dienen zu können, wenn ich nur der Liebe Christi zu meiner eigenen Seele gewiss wäre.
Ich sehe in meinen Brüdern und Schwestern so viele Schönheiten, dass ich die Gnade Gottes in ihnen bewundern kann; aber oft sehe und fühle ich so viele Unvollkommenheiten in mir, dass ich mich nur darüber wundern kann, dass Christus mich je geliebt haben soll. Ich nehme an, dass jeder unter euch ebenso empfindet; ich bin gewiss, dass ihr es tut, wenn euer Herzenszustand der rechte ist, denn um die Wahrheit zu sagen, gibt es keine Schönheit in jemand unter uns, die er wünschen könnte, und in keinem ist eine derartige Vortrefflichkeit, dass er es der Mühe wert halten sollte, für uns zu sterben. „Gott preist seine Liebe gegen uns, dass Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren.“ „Da wir noch schwach waren nach der Zeit, ist Christus für uns Gottlose gestorben.“ Kommt denn, wollt ihr nicht frohlocken und euch darüber freuen, dass Christus euch geliebt hat? Wollt ihr euch nicht darüber wundern, dass es ihm jemals möglich gewesen ist, euch „mit Banden der Liebe“ zu ziehen und euch in eine lebendige, liebevolle, ewige Verbindung mit sich zu bringen?
Doch selbst dies ist nicht alles. Der Text spricht nicht nur von Christi Liebe und Christi Liebe zu mir, sondern er spricht von Christus selbst. Wir frohlocken und freuen uns an dir, nicht nur an deiner Liebe, sondern an dir selbst. Versucht es, teure Freunde, eure Gedanken auf Christus zu lenken, auf seine zusammengesetzte Person als Gott und Mensch und auf alle die Wunder, die in dem Immanuel, Gott mit uns, eingehüllt sind. Dein Werk, Herr, ist schön; aber die Hand, die das Werk gewirkt hat, ist noch schöner. Alle deine Liebesabsichten sind glanzvoll; aber was sollen wir sagen von dem Geist, der solche Absichten hegte? Der Herr Jesus ist besser als alles, das von ihm kommt; seine Gaben sind unendlich köstlich, was aber muss er dann selber sein? Kommt denn, lasst uns frohlocken und uns an ihm freuen, und lasst uns seiner Liebe mehr gedenken als des Weines.
Der Text sagt: „Wir wollen gedenken“, aber einige unter euch können nicht gedenken, weil ihr nichts wisst. Ein Mensch kann nicht an etwas denken, wovon er nie gehört, wovon er nichts weiß.
Aber, Brüder und Schwestern, lasst uns dessen gedenken; was wir von Christi Liebe wissen. Ich gedenke des ersten Tages, da ich mir seiner Liebe zu mir bewusst wurde. Aber ich blicke zurück und gedenke der Fluten der Liebe, die auf mich herabströmten, als ich selbst nicht wusste, dass ich sie empfing, und ich gedenke der vielen Tage, die vergangen sind, seitdem ich in Erwiderung seiner Liebe den ersten Liebesblick zurückgeben konnte; aber was ist seine Liebe seitdem zu mir gewesen! Seine Liebe in meiner Krankheit, in meinem Schmerz, in meiner Arbeit, in meinem Abweichen, in meinem Gebet, in meinen Tränen, in meinem Unglauben, in meinem Glauben, in allerlei Veränderungen, die so zahlreich waren wie die Wechsel des Mondes! Doch seine Liebe ist stets dieselbe gewesen.
Schließlich möchte ich sagen, dass die Kinder Gottes, während sie sich um den Abendmahlstisch sammeln, versuchen sollten, zu frohlocken und sich an ihrem Herrn und keinem anderen zu freuen, seiner und keines anderen zu gedenken. Denkt nur an ihn. Setzt das Fernrohr an euer Auge und schließt die ganze übrige Landschaft aus und lasset das Glas nichts in sich aufnehmen als einzig das Angesicht des Vielgeliebten, den wir bald ohne eine dazwischenkommende Wolke zu sehen hoffen.
Gott segne euch, liebe Freunde! Ich wünschte, dass ihr alle diese Wahrheit verstündet, von der ich geredet habe. Einige unter euch verstehen sie nicht; möchte der Herr euch so führen, dass ihr es könnt; denn es gibt kein Leben, das dem gleicht, das zu Jesu Füßen gelebt wird, und es gibt keine Freude, die der Freude gleicht, die von unserem lieben Herrn kommt. Ich wünsche, dass ihr sie kennenlernt. Glaubt an ihn, und ihr werdet sie kennenlernen.
„Wir wollen deiner Liebe mehr gedenken als des Weines; die Aufrichtigen lieben dich.“ Hohelied Salomos 1,4
Ich denke, dass ich über dieses Thema reden könnte, selbst wenn ich im Sterben läge, und wenn wir wieder auferstehen, wie werden wir wieder und immer wieder von Christi Liebe reden! Dies wird durch alle Ewigkeiten unser endloses Thema sein: Seine große Liebe, mit der er uns geliebt hat, da wir tot waren in den Sünden.
I.
Wenn der Heilige Geist mir hilft, möchte ich euch zunächst an die Vorbereitungen zu diesem heiligen Gedächtnismahl erinnern.
Das erste Wort ist: „Ziehe mich.“ Herr, ich möchte gern zu dir kommen, aber gleich Mephiboscheth bin ich an beiden Füßen lahm. Ich möchte gern zu dir hinfliegen; aber wenn ich überhaupt je Flügel gehabt habe, so sind sie zerbrochen. Ich kann nicht zu dir kommen. Ich liege schwerfällig und tot und kraftlos da, so ist denn die erste Vorbereitung: „Ziehe mich.“ Es ist eine milde, huldvolle, kräftige Erweisung der göttlichen Kraft, die ich nötig habe und erflehe. Ich sage nicht „Treibe mich“, sondern: „Herr, ziehe mich.“ Ich sage nicht: „Wirf mich hierhin, und zwinge mich dorthin“, sondern: „Herr, ziehe mich. Während du mich ziehst, bleibt mir die Freiheit zu laufen; ziehe mich, wir werden dir nachlaufen.“
Was wir nötig haben, das ist der sanfte Einfluss des Heiligen Geistes, uns näher zu Christus hinzuziehen, und darum rufe ein jeder den Herrn an: „Ziehe mich.“ Wir sind nicht tot; wir sind auferweckt und lebendig gemacht worden; selbst unser Weh und unser Schmerz darüber, dass wir nicht zu Christus kommen können, wie wir möchten, beweist, dass wir lebendig sind. Ich empfehle euch dieses Gebet: „Herr, ziehe mich; ziehe mich.“ Es ist Christi Werk, zu ziehen: „Wenn ich erhöht werde von der Erde, will ich sie alle zu mir ziehen.“ Es ist das Werk des Vaters. „Es kann niemand zu mir kommen“ sagte Christus, „es sei denn, dass ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat.“ Es ist das Werk des Heiligen Geistes, eine Seele zu Christus zu ziehen. Ich erflehe dies für mich selbst, und ich hoffe, dass ihr mit mir betet: „Komm, Gott, unser Vater und ziehe uns näher zu Christus; belebe unsere Hoffnungen; mache unsere Herzen geneigt; erwecke unsere Wünsche, und dann hilf uns, unser ganzes Wesen deinen gnadenvollen Einflüssen zu übergeben.“
Beachtet den Vers: „Ziehe mich, wir wollen dir nachlaufen.“ Mir gefällt die Veränderung in den Fürwörtern, als ob ich beten sollte: Herr, ziehe mich; ich bin unter deinen Kindern in dieser Versammlung der schwerfälligste, aber ziehe mich; wir wollen dir nachlaufen. Alle meine Brüder und Schwestern werden sogleich laufen, wenn du mich ziehst. Fühlst du nicht, mein lieber Bruder und meine Schwester, dass du diese Äußerung gebrauchen könntest? Herr, wenn du mich ziehen willst, werden alle meine Mit-geschwister mit mir laufen. Ziehe mich deshalb, mein gnadenreicher Herr!
Wenn wir völlig darauf vorbereitet sein möchten, Christi zu gedenken, müssen wir zu diesem Laufschritt kommen. In himmlischen Dingen sei schnell, meine Seele. Wenn du kriechen willst, so krieche hinsichtlich deiner weltlichen Beschäftigung, aber deinem Herrn musst du nachlaufen. Dass wir es alle zum Laufschritt bringen möchten und dass wir dem Herrn entgegeneilen möchten mit dem starken, stürmischen Wunsch, der uns nicht ruhen lässt, bis wir ihm nahe sind: „Ziehe mich, wir wollen dir nachlaufen.“
Wenn ihr den Vers durchlest, werdet ihr als weitere Vorbereitung finden, dass dem direkten Gebet eine Antwort folgt: „Der König hat mich in seine Gemächer geführt.“ Was ich erbat, das habe ich sogleich bekommen, und ich habe mehr erhalten als ich erbeten. Ich betete: „Ziehe mich!“ und er hat mich leibhaftig getragen. „Der König hat mich in seine Gemächer geführt.“ Ich bat nur darum, meinem Herrn ein wenig näher zu kommen; aber er hat mich in sein Hinterzimmer geführt. Er hat mich dahin geführt, wohin er seine Braut bringt. Er hat mich hingeführt wo er seine treusten Mitarbeiter empfängt. Der König hat mich in seine Gemächer geführt, und nun sehe ich, wie wahrhaft königlich er ist. Der König hat es getan. Der König, nicht ein König, sondern der König, der ein König ist aller Könige, „der Fürst der Könige auf Erden“, nämlich mein Herr Jesus hat mich in seine Gemächer geführt.