Von Brücke zu Brücke - Claudia Speer - E-Book

Von Brücke zu Brücke E-Book

Claudia Speer

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Beschreibung

Achtzehn Autorinnen und Autoren des Goldstadt-Autoren e. V. tragen anlässlich des 10-jährigen Vereinsbestehens am 1. März 2024 mit humorigen bis nachdenklichen, fantastischen bis lebensnahen Geschichten und Gedichten zu dieser Jubiläumsanthologie bei. Angesiedelt in den Rubriken Realität, Phantastik und Krimi haben sie als Handlungsorte zweiundzwanzig Pforzheimer Brücken.

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DAS BUCH

Achtzehn Autorinnen und Autoren des Goldstadt-Autoren e. V. tragen anlässlich des 10-jährigen Vereinsbestehens am 1. März 2024 mit humorigen bis nachdenklichen, fantastischen bis lebensnahen Geschichten und Gedichten zu dieser Jubiläumsanthologie bei. Angesiedelt in den Rubriken Realität, Phantastik und Krimi haben sie als Handlungsorte zweiundzwanzig Pforzheimer Brücken.

DER HERAUSGEBER

Der Goldstadt-Autoren e. V. wurde am 1. März 2014 gegründet, ist im Vereinsregister (Amtsgericht Mannheim) eingetragen und hat seinen Sitz in Pforzheim. Weitere Informationen finden Sie auf der Website www.goldstadt-autoren.de.

Unsere E-Mail-Adresse zur Kontaktaufnahme lautet: [email protected]

INHALT

GRUSSWORT

VORWORT

EINLEITUNG

Unser »Pforze«

WIE’S ISCH!

NORDSTADTBRÜCKE

ELFRIEDE WEBER

Erlebnisse an der Nordstadtbrücke

GERNIKA-BRÜCKE

DR. MAZEN ARAFEH

Brücken

KALLHARDTBRÜCKE

HANS-JOACHIM BISCHOF

Der Brückentänzer

WERDERBRÜCKE

TEODORA NIKOLIC

Neuanfang

AUERBRÜCKE

GOTTFRIED ZURBRÜGG

Die Auerbrücke zwischen Vergangenheit und Zukunft

FISCHERSTEG

DR. HEIKO ULLRICH

Pontifex maximus

STEUBENSTEG

DR. HEIKO ULLRICH

Quattro stagioni

EMILIENSTEG

PATRICK KALTWASSER

Emiliensteg | Goldsteine | Liebesschlossknacker

RÖMERSTEG

TEODORA NIKOLIC

Die Brücke der schönen Erinnerungen

GÄRTNERSTEG

NORBERT WEIMPER M. A.

Der Gärtnersteg – oder das ewige Leben

RATTACHSTEG

ROBERT GELLER

Die Brücke vom Rattach

WIE’S SEI KÖNNT!

HACHELBRÜCKE

CLAUDIA SPEER

Die rosafarbene Sicht der Dinge

ARKBRÜCKE

ANNA-LENA LUCKE

Das Monster der Arkbrücke

BOGENBRÜCKE

PROF. ERICH H. FRANKE

Böse Steine

KATZENSTEG

ALEXANDRA DIETZ

Oskar

STEINERNE BRÜCKE

NORBERT WEIMPER M. A.

Alte Brücke trifft neue KI

GOETHEBRÜCKE

ANGELA CUEVAS ALCAÑIZ

Die Geheimnisse des Rondells: Atax’ Suche

BRUCHRAINBRÜCKE

CARMILLA DEWINTER

Haltestelle: Bruchtalbrücke

WAAG-STEG

CARMILLA DEWINTER

Stahl oder Efeu

WIE’S NED SEI SOLLT!

ERBPRINZENBRÜCKE

MANUELA KUSTERER

Nächtlicher Zwischenfall

ROSSBRÜCKE

FRED KELLER

Sub Rosa

ALTSTÄDTER BRÜCKE

USCHI GASSLER

Morgenstund’ hat Mord im Schlund

WER’S GSCHRIEBE HAT

DIE AUTORINNEN UND AUTOREN

DER 1. VORSTAND

JETZT ISCHES GSCHAFFT!

NACHWORT

DIE 1. VEREINSANTHOLOGIE

GRUSSWORT

Liebe Leserinnen und Leser,

Enz, Nagold und Würm haben die Geschichte Pforzheims über die Jahrhunderte geprägt. Schon die »alten Römer« wussten die Lage am Zusammenfluss dieser drei Flüsse an der Pforte zum Nordschwarzwald zu schätzen.

Wo einst eine Furt den Übergang von West nach Ost ermöglichte, wuchs im Laufe der Zeit eine Stadt heran und mit ihr der Wunsch, »trockenen Fußes« das andere Ufer erreichen zu können. Also folgten auch bald Brücken. Deren Zahl sich über die Jahre stetig vermehrte und die längst nicht nur Flüsse überbrücken.

Auch in Pforzheim verbinden Brücken seit jeher nicht nur Orte, sondern vor allem aber Menschen. Wer sich durch Pforzheim bewegt, der überquert sie fast zwangsläufig, gewinnt Eindrücke, hat dabei Begegnungen, Erlebnisse und sogar Eingebungen.

Kein Wunder also, dass auch die »Goldstadt-Autoren« von Pforzheims Brücken inspiriert wurden und aus Anlass ihres 10-jährigen Vereinsjubiläums diese Anthologie vorgelegt haben.

Zu diesem Werk sowie zur ersten Dekade des Bestehens gratuliere ich allen Mitgliedern des Vereins Goldstadt-Autoren e. V. von Herzen und wünsche Ihnen, verehrte Leserinnen und Leser, viel Freude bei der Lektüre.

Ihr

Peter Boch

Oberbürgermeister

VORWORT

Zehn Jahre sind seit unserer Vereinsgründung am 1. März 2014 vergangen. Zehn ereignisreiche Jahre, in denen wir viele Veranstaltungen gestemmt haben und sich unser Verein sukzessive vergrößert hat.

Wir bieten schreibfreudigen Menschen eine Plattform zum Treffen mit Gleichgesinnten. Der Austausch von Erfahrungswerten und die Weiterentwicklung im schriftstellerischen Bereich stehen dabei im Vordergrund.

Aber auch gemeinschaftliche Aktivitäten und Projekte werden regelmäßig durchgeführt, zu denen diese Jubiläumsanthologie zählt.

18 Autorinnen und Autoren unseres Vereins suchten sich 22 Pforzheimer Brücken und Stege aus und widmeten ihnen brandneue Geschichten und Gedichte. Deren Reihenfolge richtet sich nach dem Verlauf der Flüsse von West nach Ost bzw. Süd nach Ost. Die Beiträge über die im Stadtzentrum befindlichen Straßenbrücken leiten die jeweiligen Genreblöcke ein.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen dieses Buches.

Paul Gassler

1. Vorstand

EINLEITUNG

Unser »Pforze«

Pforzheim, mit besonderem Flair –

dies rührt bestimmt vom Goldstaub her.

Goldschmuck, Goldschmied, Juwelier

stand früher fast an jeder Tür!

Uhren und Schmuck, weltweit bekannt,

wanderten von Land zu Land,

bis zu jenem Februartag,

als »Pforze« in Schutt und Asche lag.

Doch aus der Starre – mit der Zeit –

waren die »Pforzemer« bereit,

mutig und mit Selbstvertrauen

ihr »Pforze« wieder aufzubauen.

Durch zahlreich sagenhafte Brücken

glückt auch das Zusammenrücken.

Die Eine – »Überquerung« einst genannt –

ist heute als Nordstadtbrücke bekannt.

Unsere Brückengeschichten laden ein:

Tauchen Sie tief beim Lesen hinein!

Zeitnah und sehr aktuell

wächst Pforzheim nun auch kulturell.

Elfriede Weber

WIE’S ISCH!

NORDSTADTBRÜCKE

Als Verlängerung der Christophallee und wichtige Verbindung der Nord- zur Innenstadt fungiert diese Straßenbrücke östlich vom Hauptbahnhof. Mit 190 m Länge und 18,50 m Breite ist sie die größte Brücke Pforzheims und überspannt die komplette Bahngleisanlage. 1913 wurde die damals so genannte Nordstadt-Überführung als eine beachtenswerte Stahlkonstruktion erbaut, doch leider 1945 zerstört. 1951 konnte die neu errichtete Brücke dem Verkehr übergeben werden; 2021/2022 erfolgte eine Sanierung.

ELFRIEDE WEBER

Erlebnisse an der Nordstadtbrücke

Ich erinnere mich noch genau an die Bahnfahrt von der Schwäbischen Alb nach Pforzheim. Es war Anfang 1960. Voller Erwartung stieg ich nach der Ankunft am Hauptbahnhof Pforzheim die steile Treppe hinauf, die von den Gleisen in die Halle führte. Links vom Bahnhof ragte ein rötlicher Kirchturm hinter einer Brücke empor.

Jemand klopfte mir auf die Schulter. Mein Verlobter drehte mich in seine Richtung. Nach einer innigen Begrüßung bat ich ihn: »Bitte zeige mir die Stadt.«

Auf dem Weg ins Zentrum überquerten wir die Straße in Richtung Schloßberg. Ich wollte wissen, wohin die Brücke neben der beeindruckenden Kirche führte.

»Das ist die Nordstadtbrücke, 1913 als Stahlkonstruktion erbaut. Damals war sie die einzige Verbindung von der Pforzheimer Nordstadt zur Innenstadt. Im Februar 1945 wurde diese Überquerung zerstört. Das neue Ersatzbauwerk konnte 1951 dem Verkehr übergeben werden. Daneben steht die Sankt-Franziskus-Kirche, ebenfalls zerstört und wieder aufgebaut«, erklärte mir mein Liebster und küsste mich.

Auf dem Weg ins Stadtzentrum erblickte ich zwischen renovierten Häusern Bombenlöcher und Bauschutt. Ich war entsetzt über diese immer noch vorhandenen Kriegspuren.

Mein Begleiter meinte: »Es wird für den Wiederaufbau noch viel Zeit vergehen.«

Dann fuhren wir in seinem VW-Käfer nach Ottenhausen.

»Mein Schatz, ich bin gespannt, ob dir unsere kleine Wohnung gefällt.«

Ich küsste ihn und sagte: »Wenn dort genügend Platz für meine Bücher ist, ja!«

Bereits kurze Zeit später fand unsere Hochzeit statt.

Danach durchblätterte ich die Tageszeitung nach Stellenangeboten und wurde fündig: Namhafte, kleinere Uhrenfabrik in der Nordstadt sucht Sekretärin mit guten Stenografie-Kenntnissen.

»Klingt nach Familienbetrieb, da bewerbe ich mich.«

So fuhr ich gleich am nächsten Tag mit dem Bus bis zum Pforzheimer Hauptbahnhof.

Linksseitig führte mein Weg über die Nordstadtbrücke. Unter mir, auf dem Schienennetz, war wenig Zugverkehr. Ich musste einen Augenblick innehalten, den Ausblick genießen. Meine Kindheit fiel mir ein. Wenn damals eine Dampflok unter unserer Eisenbahnbrücke fuhr, rannte ich, um vom schneeweißen Dampf eingehüllt zu werden.

In der Zähringer Allee angekommen, begrüßte mich in einem kleinen Uhrenbetrieb ein älterer, freundlicher Chef. Während ich ihm gegenübersaß, vertiefte er sich in meine Zeugnisse. Zufrieden nickend, kam er mit Papier und Bleistift auf mich zu und diktierte mir einen kurzen Text. Ich stenografierte und las ihn fließend vor. Kurz darauf war ich eingestellt.

Besondere Büroräume gab es nicht. Außer im Chefzimmer bestanden alle Zwischenwände aus Glas, wobei ich den Bürobereich mit der Tochter des Chefs teilte. Sie war für die Kunden und die Rücksendung der Uhrenreparaturen verantwortlich. Durch den Glasverschlag hatten wir Blickkontakt zu den anderen Mitarbeitern. Es waren nur Männer, die mit Lupen tiefgebeugt über ihrem Brett arbeiteten. Die fertigen Uhren lagen auf einem Holzbrett mit Rand, auf der Anrichte vor unserem Büro.

In den Pausen saß ich mit den Kollegen zusammen.

Der Jüngste von ihnen war, wie ich, frisch verheiratet. Er fragte mich: »Wie läuft bei dir zuhause so der Alltag ab? Ich bin noch völlig unerfahren und suche nach geeignetem Lesestoff.«

Ich musste grinsen. »Da kann ich dir eine passende Lektüre mitbringen.«

Ich suchte in meinem Bücherregal und lieh ihm das Buch mit dem Titel Mach mich glücklich aus. Dies führte zwischen meinem Mann und mir zum ersten heftigen Ehekrach. Trotzdem setzte ich mich durch und ließ mich von meinem Mann nicht bevormunden.

Eines Tages warnten mich die Kollegen vor der Tochter des Hauses. »Diese Person hat deine Vorgängerinnen alle hinausgeekelt.«

Obwohl wir anfangs friedlich nebeneinander arbeiteten, bemerkte ich bald, dass die angehende Juniorchefin eifersüchtig reagierte, wenn ich zu lange bei ihrem Vater im Chefzimmer saß. Eines Tages führte sie mich mit einem süßsäuerlichen Lächeln in den Packraum, um ihr beim Verpacken der zahlreichen reparierten Uhren zu helfen. In jedes Etui gehörte der dazu passende Lieferschein. Gewissenhaft schaute ich ihr zu und bewunderte ihre Fingerfertigkeit, mit der sie die Uhren gekonnt in schützendes Papier einschlug. Diese Tätigkeit war für mich eine willkommene Abwechslung.

Doch nach einigen Tagen schrie sie mich an: »So geht es aber nicht, Sie haben einen Lieferschein verwechselt und eine falsche Retoure versandt! Dies mögen unsere Kunden gar nicht!«

Ich wehrte mich: »Ganz sicher habe ich das nicht getan, denn die Lieferscheine lagen doch bei den jeweiligen Uhren!«

Da ich bereits gewarnt war, endete mein Zorn mit einem kurzen Auftritt beim Chef.

»Dass ich morgen nicht wieder kommen werde, haben Sie Ihrer Tochter zu verdanken.«

Ich schlug die Tür so heftig zu, dass der Gips bröckelte.

Nach nicht einmal drei Monaten musste ich mich nun nach einem neuen Arbeitsplatz umschauen. Niedergeschlagen, jedoch voller Zorn, führte mich mein Weg wiederum über die Nordstadtbrücke, schnurstracks in die Dillsteiner Straße, direkt zur IHK. Mit den Worten: »Die Firma ist uns bereits bekannt«, schickte der Angestellte mich nach Hause.

Zusammen mit meinen Papieren, einem guten Zeugnis und ein paar netten Zeilen vom Chef, der sich für das Verhalten seiner Tochter entschuldigte, erhielt ich mein Gehalt noch für einen vollen Monat.

Ich meldete mich erneut auf ein Inserat und landete wieder in der Nordstadt, auf einem Speditionsplatz direkt am Brückenende.

Dort begrüßte mich ein dicker, schäbig gekleideter Spediteur. »Kommen Sie auf meine Anzeige?«, fragte er mich.

Als ich nickte, führte er mich, ohne meine Zeugnisse anzuschauen, sofort in die angrenzende Baracke. In der Ecke stand ein Schreibtisch mit diversen Unterlagen darauf.

»Diese Rechnungen sollten heute noch geschrieben werden«, sagte er und verschwand.

Es war Ende Oktober, die Kälte zog durch sämtliche Holzritzen. Bereits nach dem ersten Arbeitstag beklagte ich mich: »Herr Meyer, ich werde krank, wenn Sie mir keinen Heizofen bereitstellen!«

Der klobige Mann lachte mich aus. »Ach was, da muss man halt eine dicke Jacke überziehen.«

Kurzentschlossen verabschiedete ich mich auf Nimmerwiedersehen, kaufte mir am Kiosk in der Hohenzollernstraße eine Tageszeitung und durchsuchte sie nach Stellenangeboten.

Ich musste lachen, als ich las: »Chefsekretärin von Eisenwarengroßhandlung in der Zehnthofstraße gesucht.« Das war ja genau auf der anderen Seite der Nordstadtbrücke!

Zuversichtlich überquerte ich meine mir vertraute Brücke. Über den Schloßplatz bis zur Zehnthofstraße ging ich schneller. Dort betrat ich mit einem mulmigen Gefühl das erste Gebäude auf der linken Seite. Die Empfangsdame begleitete mich ins Chefzimmer.

Ein junger Mann bot mir höflich einen Platz an. Zuerst war ich mir nicht sicher, ob dieser Bursche in Jeans, Turnschuhen und mit den zerzausten Haaren der Chef war.

Als er mich nach bisherigen Tätigkeiten fragte, ließ ich meinen ganzen Frust ab.

»Ich bin von der Schwäbischen Alb hierhergezogen und habe vor kurzer Zeit geheiratet. Ich kann Ihnen sagen, dass ich von dieser Stadt und gewissen Fabrikanten enttäuscht bin. Gerade komme ich von einer Spedition am Ende der Nordstadtbrücke. Dieser Haudegen von Chef hat sich erlaubt, mich in eine zugige Baracke ohne jegliche Heizung zu setzen. Meine Finger waren so kalt und steif, dass ich Schwierigkeiten beim Bedienen der Schreib- und der Rechenmaschine hatte. Als er mich auslachte und mir eine dicke Jacke in die Hand drückte, verabschiedete ich mich für immer.«

Nun hörte ich ein schallendes Gelächter von meinem Gegenüber.

Ich traute meinen Ohren nicht, als er erklärte: »Ja, diesen Haudegen kenne ich, er ist mein Schwiegervater!«

Zitternd wollte ich mich erheben.

»Bitte, bleiben Sie sitzen, Sie sind meine neue Sekretärin.«

Ich blickte erstaunt in zwei Augen, die vom Lachanfall noch tränten.

In Verlegenheit geriet ich allerdings noch einmal, als ich zum Diktat gerufen wurde und neben dem Chef dessen Gattin saß.

»Christel«, sagte er, »das ist jetzt die Frau, die nur ein paar Stunden bei einem Haudegen, deinem Vater, gearbeitet hat.«

Mir brach der Schweiß aus. Werde ich jetzt gleich gefeuert?, dachte ich.

Die Gattin des Chefs bot mir schmunzelnd ihre Hand an und sagte: »Dann muss der alte Haudegen jetzt selbst seine Rechnungen schreiben.«

Sie lachte laut auf, ihr Mann schloss sich an, und auch ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Wir lachten, bis uns die Tränen über die Wangen rannen.

Bis zur Geburt meines Sohnes arbeitete ich im Büro in der Zenthofstraße. Der tägliche Weg von und zur Bushaltestelle am Bahnhof führte mich an der Nordstadtbrücke vorbei. Manchmal tauchte die Abendsonne die Brücke und die rote Sandstein-Kirche in goldenes Licht. Dann hielt ich inne und staunte über den erhabenen Anblick meiner ganz persönlichen Erlebnis-Brücke.

GERNIKA-BRÜCKE

Die 1986/87 gebaute Hängebrücke am Waisenhausplatz ist ein markanter 80 m langer Fußgängersteg über die Zerrennerstraße. Sie verbindet das Rathaus und die Stadtbücherei mit dem CongressCentrum Pforzheim. Benannt wurde sie nach der spanischen Partnerstadt Gernika, die im 2. Weltkrieg durch einen deutschen Luftangriff zerstört wurde. Die Brücke war am 9.7.2005 der Startpunkt zur 8. Etappe der Tour de France.

DR. MAZEN ARAFEH

Brücken

Ich bin ein Pforzheimer aus dem Schwarzwald.

Wirklich! Du wirst es nicht glauben, wenn Du mich siehst. Aber es stimmt.

Dunkle Haut, breite Nase, dicke Lippen, große Augen, leuchtendes Weiß der Zähne. Das ist eine Äußerlichkeit des Körpers, ein Aussehen, das direkt Aufmerksamkeit erregt. Aber im Inneren herrschen ein lebhaftes Temperament, eine überwältigende Sentimentalität und vage verwurzelte Traurigkeit. Diese psychischen und fast poetischen Charakterzüge zeigen sich in alltäglichen Kontakten und Gesprächssituationen.

Früher begegnete dies den Europäern vor allem in der orientalistischen Literatur. Das änderte sich mit den dichten Einwanderungswellen und den modernen digitalen Medien.

Zurzeit erleben Europäer diese Charakterzüge jeden Tag, sie sind zu einem bekannten, gleichsam natürlichen Bild der Orientalen geronnen. Die Welt ist auf ein kleines elektronisches Dorf geschrumpft. Aber es ist von rücksichtsloser Globalisierung belagert. Insgesamt ist meine Existenz für Dich eine andere Welt, oder?

Aber dennoch: Ein Pforzheimer bin ich. So sehen sie aus, die neuen Deutschen. Eine neue Geschichte von interkulturell kosmopolitischen Deutschen hat begonnen. Die Welt um Dich herum verändert sich sehr schnell, weißt Du das?

Man heißt mich einen Syrer. Kriegsflüchtling. Du bist Teil einer Generation, die Kriegsgräuel nicht erfahren oder erlitten hat.

Über Brücken der Hoffnung bin ich über gnadenlose Meere und durch schaurige Wälder hergekommen. Ich wurde von Soldaten vertrieben, die Brücken hassen. Sie verachten Lächeln, Kindheit, Blumen, Lieder, Geschichten, Volkssagen. Sie entwürdigen und brechen Träume, Freuden und Liebe. Ein großes Land ist ohne Seele, ist tot.

Menschen, Herzen, Seelen sind Brücken. Sie überbrücken Historie, Kulturen, soziale Schichten, Geschlechter, Philosophien und Religionen, Grenzen des Raums, Grenzen der Zeit. Das ist meine Reise im Traum. Ist das surreal?

Zerbombt. Vertrieben. Ertrunken. In den Wäldern erfroren. Blutvergießen. Massaker. Massenmorde. Massengräber. Das schreiende Blut der Opfer fließt über Brücken. Gespaltenes Leben, geteilte Seelen, zersplitterte Menschen. Sie verseuchen tief meine Erinnerungen. Ich bin nur eine Brücke der Hoffnung von der Dunkelheit zu den Lichtern: Träume von Freiheit.

Flüchtling oder Reisender?

Reisende kehren zurück. Reisende haben eine Heimat. Dem Flüchtling bleibt das Flüchtige: der Duft seiner Erinnerung, die schmerzhafte Nostalgie für ein Leben, das nicht wiederhergestellt werden kann.

Und ich? Wohin?

Zu den durch Bombardierung verbrannten Feldern, Obstgärten und Weinbergen meines Dorfs? Da wurde ich mit der Unschuld meiner ersten Kinderliebe gekrönt.

Zu den verlorenen Abendgesellschaften unter den Sternen, wo ich getrocknete Nüsse gegessen und heißen Tee getrunken habe? Erinnerungen an die menschliche Herzenswärme werden mich immer begleiten.

Zu den Details meiner unter der Sonne umherlaufenden fernen glücklichen Kindheit? Da brach meine Fantasie hervor und sandte mich auf erste Reisen von Träumen.

Zu den Straßen, Cafés, Kinos und der Bücherstube in Damaskus, die ich liebe und die jetzt nicht mehr da sind? Da entdeckte ich die Bedeutung von Freiheit, Demokratie und die Verteidigung der Menschenrechte.

Zu meiner toten Mutter, die wir hektisch verscharrten? Wir waren nur sieben Personen. Gewehre wurden an unsere Köpfe gehalten. Todesgefahr für Trauernde. Helikopter kreisten. Fassbomben fielen. Keine Zeit für Tränen.

Zerstörte Heime, Flammen, lodernder Rauch, auf die Straße geworfene Leichen. Brände überall. Der Tod verfolgt die Lebenden mit der Kugel eines Scharfschützen, einer Artilleriegranate. Eine endlose apokalyptische Landschaft.

Kriegsverbrecher. Kriegsverrückte. Das diktatorische Regime, die islamischen Fanatiker, die sektiererischen Milizen, die Schlägertruppen, die Söldner aus verschiedenen Ländern, die fremdländischen Armeen. Nur abstrakte Namen. Chiffren. Etiketten.

Dahinter stehen aber Personen. Brückenhasser. Menschenhasser. Freiheitshasser. Liebeshasser. Hoffnungshasser.

Große Staaten unterstützen nicht nur das diktatorische System in Syrien, sondern sie beteiligen sich aktiv am Massenmord dort. Sie erproben die Wirkung der modernsten Massenvernichtungswaffen an den Körpern unbewaffneter syrischer Zivilisten. Stolz etikettieren sie ihre Waffen mit dem Prädikat: Tested in Syria. Ein Versuchslabor.

Strategisches Territorium. Energie. Drogen- und Organhandel. Aber das Wichtigste ist der Waffenhandel. Internationale Waffenmonopole.

Was funktioniert, wird gut verkauft.

Man sagt, es wird vertrieben.

Waffen werden vertrieben.

Waffen vertreiben Menschen.

Vertriebenes vertreibt und macht Reisende zu Vertriebenen.

Geld vertreibt Lebenszeit.

Geld vertreibt Leben.

Paradoxe Wunder der deutschen Sprache.

Paradoxa, Axiome, Dilemmata, Labyrinthe, Kontroversen, Perversionen, Paradigmen der Sprache oder des Lebens. Sprachliche und lebendige Parallelwelten.

Wie gesagt, ich bin Pforzheimer. Pforzheim ist jetzt meine Stadt.

Kennst Du die Gernika-Brücke bei der Stadtbibliothek? Sie ist lang und ermüdend. Du überquerst lieber die Straße an der Ampel. Doch stehst Du auf der Brücke, schau sie Dir genauer an. Mit dem Mast und den gespannten Metalldrähten wirkt sie wie ein Segelschiff. Du navigierst durch die Welt, die unter Dir liegt.

Wenn ich an der Gernika-Brücke vorbeigehe, ich nutze sie selten, fühle ich mich wie ein Wanderer zwischen Raum und Zeit. Ich pendle zwischen der Vergangenheit zweier Städte, Gernika im Baskenland und Pforzheim in Deutschland, und meiner eigenen Gegenwart hin und her. Diese beiden Städte waren total zerbombt und ruiniert, die erste von Hitlers »Legion Condor« im spanischen Bürgerkrieg und die zweite von britischen Kampfflugzeugen am Ende des Zweiten Weltkriegs. Und ich sehe die Trümmer der beiden Städte unter der Brücke.

Picasso sah Guernica und malte es. Sein Gemälde besitzt eine enorme Ausdruckskraft. Schmerz. Schreie. Wilde Proportionen. Verrenkte Gliedmaßen. Tod. Kubistisches Entsetzen. Schrecken des Irrsinns.

Und ja, ich stelle mir vor, was mit Pforzheim geschehen ist. Nur zwanzig Minuten reichten aus, um die ganze Stadt zu zerstören und nahezu unglaubliche achtzehntausend Seelen zu töten. Ich höre jetzt ihre Stimmen aus dem Trümmerhügel. Steine speichern die Stimmen der Leidenden. Das habe ich vom Krieg in Syrien gelernt. Die Stimmen begleiten immer meine gequälte Seele.

Und weil Brücken Orte und Zeiten verbinden, denke ich auch an die Städte und Dörfer Syriens, wenn ich an der Gernika-Brücke vorbeigehe. Wie damals, bei Hitler und Franco. Wie jetzt bei Assad in Syrien und Putin in Russland.

Der Kriminelle Putin nutzte Syrien als ein Versuchslabor für seine Armeen. Dort durften sie üben. Meine Heimat wurde dazu missbraucht, eine Ausbildungsstätte für das effektive Töten zu sein.

Abscheulicher Zynismus hatte die Zerstörung syrischer Regionen und Vertreibung unzähliger Menschen zur Folge. Einen demographischen Wandel. Was noch kommt, ist nicht absehbar.

Seit Februar 2022 tobt sich Putin in der Ukraine aus, und ganz Europa spürt die Folgen. Die Welt gerät womöglich in ein noch größeres Verderben und in eine grenzenlose Verrücktheit: Es fröstelt mich.

Kriegsverrückte, Kriegsverbrecher, kranke Persönlichkeiten: Hitler, Franco, Mussolini, Stalin, Mao Zedong, Pol Pot, Pinochet und dazu eine Reihe von arabischen diktatorischen Generälen. Für sie alle sind Pazifismus und dumme Brückenbauer schwache Menschen mit lächerlichen Platzpatronen.

Seit 2017 bin ich in Pforzheim. Ich durchlebe die syrischen Todesalbträume in meinen unruhigen Nächten. Der Gestank von Leichen und der Rauch von brennenden Städten verfolgen mich ständig. Morgens erwache ich in einer friedlichen Welt, die von Leben und Zuversicht brodelt.

Ist sie wahr? Wo ist die Wirklichkeit? Vielleicht lebe ich in einer virtuellen Realität, ohne es zu wissen. Ist die Gernika-Brücke ein Übergang zwischen Realität und Wahn? Vielleicht bin ich geisteskrank, habe ich ein Kriegstrauma?

Krieg ist das Schlimmste auf der Welt. Ohne Sieger hervorzubringen, trägt er Verwüstung, Zerstörung und menschliche Tragödien in sich. Er gebiert den Tod.

Unter der Haut fließt bei allen Menschen das gleiche Blut. Im Baskenland, in Syrien, in der Ukraine und im Rest der Welt. Auch in Russland. Wir könnten die lebenden Brücken sein.

Ich bin nicht nur ein Pforzheimer. Ich bin viel mehr. Mein Herz ist groß und mutig. Wenn Du mich erkennen möchtest, schau in Dein Herz, und wir treffen einander auf der Brücke: Lächeln, Kindheit, Blumen, Lieder, Geschichten, Volkssagen … und Frieden.

KALLHARDTBRÜCKE

Die zweitgrößte Pforzheimer Verkehrsflussbrücke befindet sich in der Südweststadt, überspannt die Nagold und ist 77 m lang und 17,40 m breit. Sie bildet den östlichen Teil der Bleichstraße und mündet in die Calwer Straße. Erbaut wurde sie 1928 und hieß ursprünglich Hindenburgbrücke. Den heutigen Namen trägt sie seit 1946. In den 60er-Jahren erfolgte eine Sanierung, eine weitere ist derzeit geplant.

HANS-JOACHIM BISCHOF

Der Brückentänzer

Es muss wohl in den sechziger Jahren gewesen sein, da kam Onkel Erich bei uns vorbei und nahm meine Schwester Barbara, die Oma, Mutter und mich mit zum Abendessen. Er war erfolgreicher Unternehmer und fuhr eine schwere Limousine, in der wir alle Platz hatten. Wenn er uns holte, ging es entweder Richtung Baiersbronn oder auf den Dobel. Der Onkel hatte viel Geld, und das Essen, die gepflegte Umgebung in einem Nobelrestaurant und die angeregte Unterhaltung waren ihm wichtig. Vor allem, wenn er sich mal wieder über seine Mitarbeiter geärgert hatte.

An jenem Abend waren wir auf dem Dobel im »Ratskeller«. Nach einem guten Essen, bei mir meist Schnitzel mit Pommes und Salat, schaute ich zu Erich hinüber, der gerade ein weiteres Viertele trank und immer redseliger wurde. Genüsslich aß er seinen Lieblingsnachtisch, zwei Salzburger Nockerln. Es ging ihm prächtig, er bezahlte und gab großzügig Trinkgeld.

Zwei Kellner begleiteten uns bis zur Türe und verbeugten sich nochmals.

Kurz darauf saßen wir im Auto, Mutter ermahnte den Onkel, dass er langsam fahren solle, denn er hatte einige Gläser Rotwein getrunken.

Erich winkte ab und meinte, zum einen hätte er gut gegessen, der Wein würde daher nicht wirken. Und zum anderen sei er das schon längst gewöhnt.

Wir atmeten tief durch, Oma sagte gar nichts, aber meine Schwester bat Mutter, dass sie unserem Gönner doch sagen solle, während der Heimfahrt seine Zigarre nicht anzuzünden. Obwohl es eine teure Havanna war, entstand im Auto eine Luft, die man schneiden konnte. Ich kam mit dem Qualm klar, aber Barbara überhaupt nicht.

Denn auch dieses Mal begann sie zu würgen. Und kurz bevor sie ihr Essen wiedersah, trat Erich blitzschnell auf die Bremsen, Barbara sprang raus und übergab sich.

Unser Gönner zeigte sich ganz betroffen, und Oma redete ihm ins Gewissen: »Erich, hör mit der Raucherei auf! Du tust dir nichts Gutes mit dem Qualm. Das Zeug macht dich krank. Ob Havanna oder nicht.«

»Lass mir doch mein Vergnügen, ich brauche das als Entspannung. Danach fühle ich mich gut.«

»Ja, wir uns aber nicht. Irgendwann kotzen wir dir das schöne Auto voll.«

»Nun macht mal halblang.« Erich kämpfte mit sich und ließ die Havanna ausgehen, vermutlich würde er sie später wieder anzünden. Er entschuldigte sich und fuhr trotz des vielen Alkohols weiter, als hätte er nur Tee getrunken, man merkte überhaupt nichts.

Wir kamen vom Nordschwarzwald zurück, es ging durch das Enztal über Neuenbürg, und schließlich fuhr der Onkel mit schlafwandlerischer Sicherheit durch Pforzheim, als Ziel hatten wir die Ortschaft Würm. In Richtung Bleichstraße mussten wir warten und ich dachte an die Kallhardtbrücke, die bald kommen würde.

»Mutti«, sagte ich, »dieses Ding wird gerade repariert, wäre es nicht besser, am Reuchlinhaus vorbei zu fahren?«

Sie sprach Erich an, der meinte aber, dass man trotz der Instandsetzung die Brücke benutzen könne, so schwer sei der Wagen nicht.

»Ja, wenn wir nicht so viel gegessen hätten, würde es wahrscheinlich reichen«, vermutete ich lautstark.

Meine Schwester lachte und meinte: »Du hättest eben den Früchtequark weglassen sollen, siehste, du bist mal wieder schuld.«

Mir wurde schlecht, im Geiste sah ich die Brücke zusammenbrechen und das Fahrzeug mit uns allen im Fluss versinken.

Verdammt, das wollte ich nicht, denn seit Neustem hatte ich eine Freundin, meine Helga. Und die wollte ich auf jeden Fall wiedersehen und nicht erst irgendwann im Himmel.

Ich rutschte auf der Rückbank herum, Erich hielt an und fragte, was los sei. Oma erzählte ihm von meinen Ängsten und der Freundin.

Er dachte nach und meinte: »Männle«, das war ich, »wenn wir rüberfahren, kannst du ja einfach nebenherlaufen. Du wirst sehen, es passiert nichts. Und wenn doch, bist du ja in Sicherheit. Wäre das eine Lösung?«

Auch ich dachte nach und sagte kleinlaut, das sei eine gute Idee.

Der Onkel fuhr los, wir erreichten die Brücke. Dann hielt er an, ich stieg aus und der Wagen rollte langsam an.

Ich blieb einfach stehen und wartete ab. Natürlich hatte Erich Recht gehabt, obwohl das Auto einiges wog, kamen sie gut über die Baustelle.

Drüben bremste unser Fahrer ab, und vor Freude, dass alles geklappt hatte und ich auch Helga wiedersehen würde, tanzte ich über die Brücke bis zum Auto, drehte noch ein paar Runden um die Limousine und stieg lachend wieder ein.

Meine Schwester fragte mich, ob ich etwas Falsches gegessen hätte.

»Quatsch«, erwiderte ich, »ihr verdankt mir euer Leben, denn das Auto ist ohne mich ja leichter geworden.«

Meine Schwester hatte aber eine andere Meinung, ich wäre ein Feigling, weil ich ausgestiegen sei.

»So ein Unsinn«, sagte ich, »mit mir und meinem Früchtequark wäre das Auto nämlich durchgebrochen.«

Onkel Erich meinte salomonisch: »Das nächste Mal geht es am Reuchlinhaus vorbei. Seid ihr alle damit einverstanden?«

Genussvoll zündete er sich eine Zigarre an und wir fuhren weiter.

Nagoldidylle an der Kallhardtbrücke.

WERDERBRÜCKE

Als Verlängerung der Jahnstraße führt die 1952 neu errichtete Spannbetonbrücke auf zwei Pfeilern über die Nagold am Stadtgarten vorbei und mündet in die Calwer Straße. Bei 59 m Länge und 19 m Breite hat die Werderbrücke die Aufgabe, den Verkehr in das Würm- und Nagoldtal und in die Höhenorte zu übernehmen. 1872 ursprünglich als hölzerne Brücke errichtet, fiel sie am Neujahrstag 1880 dem Hochwasser zum Opfer. Die danach errichtete eiserne Fachwerkbrücke wurde im 2. Weltkrieg durch Bombentreffer zerstört und später verschrottet.

TEODORA NIKOLIC

Neuanfang

Es gibt Tage, da könnte man Bäume ausreißen und die ganze Welt umarmen, und es gibt Nächte, da wünscht man sich nichts mehr, als sich einfach irgendwo tief einzubuddeln und für den Rest seines Lebens alleine zu sein.

Für Leute wie mich, die Musik machten, war das die Zeit, in der wir vor Ideen nur so überliefen, und so tippte ich meine Gedanken schnell in die Notiz-App meines Handys.

Die Zeit scheint stillzusteh’n

Ich hab ein Herz gebrochen

Wir sind nicht mehr eins

Minuten zieh’n sich zu Epochen.

Songs zu schreiben war meine Art, mit meinen Gedanken und Gefühlen umzugehen.

Verlassen zu werden war schwer, das hatte ich auch schon erleben müssen, aber jemand anderen zu verlassen, war deutlich schlimmer. Besonders wenn die andere Person nichts getan hatte, was die Entscheidung erleichtern oder sie auf irgendeine Weise rechtfertigen würde.

Ich vergrub mein Handy und meine Hände in meiner Sweatshirt-Tasche und starrte den Himmel an, als ob er mir irgendwie weiterhelfen könnte.

Ich hatte eine langjährige Beziehung beendet, musste meine Freundin früher oder später aus meiner Wohnung werfen und würde die unzähligen Fragen meiner Freunde beantworten müssen, die gedacht hatten, dass wir zwei heiraten würden.