Von wegen perfekt! - Dietlind Tornieporth - E-Book

Von wegen perfekt! E-Book

Dietlind Tornieporth

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Beschreibung

Junge Frauen wollen alles, aber wie? Im Spagat zwischen beruflichem und privatem Glück fehlt ihnen häufig ein selbstbewusster Umgang mit der eigenen Weiblichkeit. Dietlind Tornieporth verrät, wie Frauen den Herausforderungen des Lebens mit weiblicher Raffinesse begegnen und mehr Souveränität und Leichtigkeit ausstrahlen. Dietlind Tornieporth arbeitet als freie Journalistin in München und gibt nebenher Flirtkurse für Frauen. Dabei ist es ihr vor allem ein Anliegen, den Frauen einen entspannten Umgang mit ihrer Weiblichkeit zu vermitteln.

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Dietlind Tornieporth

Von wegen perfekt!

Wie Sie entspannt die Welt erobern

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

EinleitungFrauen heuteSmart, souverän und sexy?Das weibliche DilemmaNeue Weiblichkeit?Die Schlagseite der EmanzipationAussehen und erotisches KapitalWeibliche Schönheit contra emanzipiertes FrauenbildEin neues, realistisches Frauenbild muss herVon wegen emanzipierte WeiblichkeitAufstieg Ost – ein mögliches Vorbild?Neue Software für den AlltagBeruf und Karriere(Er)nüchternde Fakten1. Ungleiche Vergütung2. Weibliche Führungspositionen3. Soft SpotsKlare WettbewerbsvorteileNeuralgische Punkte1. Stichwort Motivation2. Stichwort Machtentschlossenheit3. Stichwort weibliche Tiefstapelei4. Stichwort Attraktivitätsfalle5. Stichwort Machtspiele6. Stichwort GelassenheitErster Schritt: Die innere Haltung verändernGene oder Gesellschaft?Die Analyse meiner Denk- und VerhaltensweisenDie richtigen Glaubenssätze wählenDas eigene Denken beeinflussenZiele definierenZweiter Schritt: Verhaltensmuster ändern1. Respekt verschaffen2. Unsicherheit überwinden3. Souveränität ausstrahlen4. Sich gut verkaufenVon erfolgreichen Frauen lernenDritter Schritt: Das Auftreten optimierenMehr Durchsetzungsvermögen zeigenDas ErscheinungsbildStichwort: Raum einnehmenStichwort: StabilitätStichwort: AuthentizitätKarriere und SpaßKarriere und KinderWahlmöglichkeit oder Frauenfalle?Karriereknick KinderHandeln und Verhandeln1. Verhandeln mit dem Arbeitgeber2. Verhandeln mit dem PartnerGesprächstechniken1. Raus aus der Freundlichkeitsfalle2. Die richtigen Worte finden3. Geschlechterspezifisches Kommunikationsverhalten4. Das Spiegeln5. Gesprächskiller vermeidenDas Familienmodell der Zukunft?Lebensentwürfe heuteGlück und ZufriedenheitDas Unglück der FrauenDas Geheimnis der DivaErfolgreiche Diva-Strategien1. Zähne zeigen2. Perfektionsstreben abstreifen3. Tickende Zeitbomben entschärfen4. Vergangenes abhaken5. Den Status quo verändern6. Schluss mit der Leisetreterei7. Pflegen Sie das UnkonventionelleKinder und FamilieGelebte EmanzipationBiologischer Auftrag vs. KarriereKampfzone MutterschaftDas deutsche MutterbildDas mütterliche SelbstbildNeue Mütter und neue Perspektiven1. Mütter sind in erster Linie Frauen2. Gute Mütter sind berufstätig3. Die richtige Perspektive4. Müttermythen in Frage stellenVon echten Müttern und normalen FrauenNein zum PerfektionismusMehr GelassenheitMut zum DelegierenMehr Puffer für UnvorhergesehenesFreiräume contra Perfektionismus1. »Me first«2. Aus der Reihe tanzen3. Schöner scheitern4. Kleine Fluchten als Realitätscheck5. Kinderfreie Zonen schaffen (1)6. Kinderfreie Zonen schaffen (2)Schlusswort
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Einleitung

Auf dem Podest steht eine zierliche Frau mit blondierter Ponyfrisur, elegantem Kostüm und schwindelerregenden High Heels. Sie spricht mit hoher, dünner Stimme ins Mikrophon, streicht sich hin und wieder versonnen durchs Haar und spricht über ihre emotionalen Eindrücke. Nun ist sie nicht gerade CEO eines börsennotierten Unternehmens und doch hält sie die Rede in ihrer Funktion als Rektorin einer Münchner Grundschule – einer Schule, die mit Preisen ausgezeichnet ist, in der in jedem Klassenzimmer ein Computer steht und die eine Boulderwand auf dem Pausenhof hat. Dies haben die Schüler nicht nur einer engagierten Elternschaft, sondern auch der Hartnäckigkeit und Durchsetzungsfähigkeit ihrer Rektorin zu verdanken. Das DAX-Unternehmen hätte ihr vermutlich auch ganz gut gestanden. Letztes Jahr feierte sie einen runden Geburtstag. Charmanterweise hatte sie sich erbeten, das Jubiläum nicht genau zu beziffern. Obwohl es ohnehin jeder wusste.

Ich habe dieselbe Rektorin auch schon in diversen Elternbeiratssitzungen erlebt. Die äußere Erscheinung und die zarte Stimme hatten mich angesichts ihrer Position von Anfang an erstaunt. Richtig beeindruckt hat mich allerdings, wie sie vor versammelter Runde das Wort ergriff, indem sie ihre ohnehin viel zu leise Stimme auch noch senkte und sich trotzdem – oder gerade deswegen – Gehör verschaffte. So etwas hatte ich bis dahin noch nicht gesehen. Man kennt Frauen in hohen Positionen und entsprechender Verantwortung. Sie reden mit tiefer Stimme, tragen schultergepolsterte Karrierefrauenblazer und ahmen auch sonst das businesstypische Dominanzgehabe erfolgsverwöhnter Männer nach. Aber eine solche Strategie, Flüsterton zum Chanel-Kostüm, und vor allem mit derart durchschlagendem Erfolg, das hatte ich in der Tat noch nicht erlebt. Und man kann sich vorstellen, wie sie mit ihrer betont leisen Art schon so manches Schulamt zum Beben gebracht hat.

Gibt es ihn also doch? Einen möglichen dritten Weg? Weder Weibchen noch Karrierepowerfrau, sondern einfach eine moderne, emanzipierte Frau, die alles unter einen Hut bringt – nicht nur Kinder und Karriere, sondern auch weiblichen Charme und Finesse, genauso wie Hartnäckigkeit und Durchsetzungsvermögen? Müssen erfolgreiche Frauen eigentlich immer aussehen wie Angela Merkel? Und kommen sie nur mit Ellenbogenmentalität und männlichem Dominanzverhalten ans Ziel? Schließen sich Karriere und Sexappeal grundsätzlich aus? Sind emanzipierte Frauen zwangsläufig verkniffen, unglamourös und schlecht gelaunt? Und Feministinnen allesamt verbissene Spaßbremsen?

Nun, natürlich nicht. Und dennoch schwirren in unseren Köpfen noch immer diese veralteten Vorstellungen von emanzipierter Weiblichkeit herum. Das Ergebnis: Über die Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin wird gemunkelt, sie wäre damals für die FDP auch mit ihren langen Beinen auf Stimmenfang gegangen. Der Stern kann sich in Zusammenhang mit dem zäh errungenen Hartz-IV-Kompromiss den völlig überflüssigen Kommentar nicht verkneifen, wie »blond, frisch, lächelnd« die SPD-Ministerin Manuela Schwesig trotz nächtlicher Verhandlungen doch wirke, fast so, »als käme sie gerade von der Beauty-Farm«. Von der italienischen Ex-Ministerin Mara Carfagna nehmen wir sowieso an, dass sie nur aufgrund ihres Aussehens im Kabinett Berlusconi gelandet sein konnte. Und auch der schnelle Aufstieg der ehemaligen französischen Justizministerin Rachida Dati war uns von Anfang an nicht ganz geheuer. Dass auf Schulradar.de auch hässliche Kommentare von Eltern nicht ausbleiben, die aufgrund ihres Aussehens an der fachlichen Qualifikation der Rektorin zweifeln, war ebenfalls zu befürchten.

Die ersten Reaktionen, wenn Karriere und Attraktivität tatsächlich aufeinandertreffen, sind Misstrauen und Zweifel. Entspricht das weibliche Auftreten nicht unseren verstaubten Ansichten einer emanzipierten Frau, werden wir nicht müde, immer und immer wieder den absoluten Exotenstatus dieser Erfolgsfrauen zu betonen. Auf die Idee, dass sich femininer Charme und emanzipierte Weiblichkeit keineswegs ausschließen müssen, kommt offenbar keiner. Wenn es um die Neudefinition eines modernen weiblichen Zeitgeistes geht, dann ist das Selbstverständnis vieler Frauen heute alles andere als emanzipiert. Oder zumindest reichlich unentspannt.

Ganz anders die Kanzlerin: Ich schätze mal, dass eine ganze Heerschar von Imageberatern und Stylisten sich mehr Gedanken um das Aussehen der Politikerin machen als sie selbst. Ihr ist es vermutlich herzlich egal, wie sie optisch wirkt, solange sie mit ihrer politischen Arbeit überzeugen kann. Und das ist dann auch das eigentlich Emanzipierte an Frau Merkel: die Selbstverständlichkeit und innere Unabhängigkeit, mit der sie ihre Ziele verfolgt, und die Fähigkeit, auf dem Weg dahin die richtigen Prioritäten zu setzen.

Was in diesem Zusammenhang jedoch auffällt: Es gibt im Grunde kaum weibliche Identifikationsfiguren. Die meisten berühmten Frauen in der Geschichte hatten in irgendeiner Form eine veritable Macke – zumindest in puncto Weiblichkeit. Madame Curie bestach zwar durch Intellekt, beeindruckte aber vor allem damit, dass sie sich in einer Männerdomäne durchsetzte und im naturwissenschaftlichen Bereich brillierte. Weibliche Raffinesse wurde ihr niemals nachgesagt. Margaret Thatcher wusste zwar ihre Handtasche im entscheidenden Augenblick dramatisch zu schwingen, galt aber als »Eiserne Lady«. Daran änderten auch ihre konsequenten Perlenohrringe und Halsketten nichts. Mal ganz zu schweigen von den Kämpferinnen der Emanzipationsbewegung, die uns allesamt freudlos, verbissen und in lila Latzhosen in Erinnerung geblieben sind. Wieso gibt es eigentlich kein positives Bild erfolgreicher Frauen, ein Beispiel emanzipierter Weiblichkeit und femininen Charmes zugleich?

Begeben wir uns mal auf die Suche …

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Frauen heute

Was sind eigentlich erfolgreiche Frauen? Emanzipierte Frauen? Sollte man meinen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn wenn man es genau nimmt, wird Emanzipation heute ausschließlich am beruflichen Erfolg gemessen. Frauen gelten dann als emanzipiert, wenn sie männliche Domänen erobert haben, also im Beruf oder an den Universitäten Gleichstellung erstritten und dort Karriere gemacht haben. Die erfolgreiche Chefredakteurin, die junge Universitätsprofessorin, die renommierte Herzchirurgin – solche Frauen sind nicht nur beruflich erfolgreich, sondern gelten gleichwohl auch als emanzipiert.

Die junge Mutter, die sich entschieden hat, mit ihrem Mann ein Kind nach dem anderen zu bekommen und zumindest in den ersten Lebensjahren der Sprösslinge um eine klassische Rollenverteilung nicht groß herumkommt, ist in unseren Augen per se altbacken und unemanzipiert. Dabei hat sie sich für eine sehr sinnvolle und höchst verantwortungsvolle Aufgabe entschieden. Aber das nur am Rande.

Bleiben wir bei den Karrierefrauen, also die, die einen »richtigen« Beruf ergriffen haben und nicht etwa Arzthelferin, Erzieherin oder Altenpflegerin geworden sind. Echte Karrierefrauen eben. Auch die werden nicht minder kritisch beäugt. Was aber zu einem rundum positiven Frauenbild oftmals fehlt, ist die Tatsache, dass sie nur deshalb so erfolgreich sein konnten, weil sie gelernt haben, männliche Verhaltensweisen zu imitieren. Viele Karrierefrauen strotzen nur so vor Hemdsärmeligkeit, Ellenbogenmentalität und männlichem Dominanzgehabe. Selten sagt man Frauen in Führungspositionen weiblichen Charme und Raffinesse nach. Karrierefrauen sind also in unserer Vorstellung nicht einfach nur gut in dem, was sie können, sondern ihnen lastet häufig auch das Image an, sie seien allesamt Arbeitstiere, tragen Hosenanzüge und pflegen einen harschen Umgangston.

Die Vorurteile gegenüber erfolgreichen Frauen sind längst auch wissenschaftlich belegt. Forscherinnen aus den USA und Australien legten jungen Männern und Frauen Unterlagen fiktiver Bewerber um eine Führungsposition vor. Die Untersuchungsteilnehmer sollten Sympathieurteile abgeben und erklären, ob sie sich die Bewerber als Chef vorstellen könnten. Das Ergebnis: Durchsetzungsfähigkeit, Effizienz und Leistungsorientierung wurden zwar positiv bewertet – aber nur, wenn es sich dabei um einen männlichen Bewerber handelte. Bei den weiblichen Kandidatinnen wurden dieselben Eigenschaften dagegen als negativ eingestuft. Sie wurden als Führungskräfte abgelehnt, weil man sie als unsympathisch, feindlich, intrigant, hart und nicht vertrauenswürdig einschätzte.

Die Studie offenbart allerdings noch eine weitere Besonderheit: Wurde von den Forscherinnen darauf hingewiesen, dass die jeweilige Bewerberin nicht nur hoch qualifiziert, sondern außerdem auch noch Mutter sei und zeigten sich diese ihren Mitarbeitern gegenüber betont aufmerksam, fürsorglich und einfühlsam, konnte dies die allgemeine Ablehnung kompensieren. Weibliche Führungsposition in der Kombination mit Mutterschaft brachte den Erfolgsfrauen also zumindest ein paar mehr Sympathiepunkte ein. Fazit: Rollenstereotype wirken enorm auf unser Urteilsvermögen. Auch das der Frauen. Denn sowohl Männer als auch Frauen stimmten in dieser Untersuchung gleichermaßen ab.[1]

Erfolgreiche Karrierefrauen scheinen in unserer Vorstellung also einen ganz bestimmten Makel zu haben: Man unterstellt ihnen schnell, dass sie zugunsten der Karriere etwas von ihrer Weiblichkeit eingebüßt hätten. Die schultergepolsterte Durchsetzungsfähigkeit der Frauen wird nicht gern gesehen. Und das nicht nur von Männern. Das ist fatal, wärmt es doch im Grunde den hässlichen, altmodischen Anspruch wieder auf, Frauen müssten es erst mal besser machen als Männer, um mindestens genauso gut zu sein – sprich, nicht nur die nötige Kompetenz und Qualifikation, sondern auch noch ein ganz bestimmtes Aussehen und spezielle Eigenschaften mitbringen. Karriere ja, aber bitte trotzdem noch schön weiblich.

Doch genau das wird den Frauen heute so schwer gemacht. Denn ungerechterweise werden ambitionierte Frauen in unserer Gesellschaft als kalt und berechnend wahrgenommen. Klug, erfolgreich und bezaubernd – das sprengt offenbar unser kollektives Vorstellungsvermögen. Aber nicht nur das: Wir sprechen erfolgreichen Frauen von vornherein jegliche Feminität ab (und rühmen penetrant die wenigen Ausnahmen). Allerdings scheinen traditionell weibliche Eigenschaften, schaut man sich die raren Beispiele der weiblichen Führungskräfte in Politik oder Topmanagement einmal genauer an, auch tatsächlich mitunter auf der Strecke zu bleiben. Das gilt vor allem für »männliche« Karrierefrauen wie Angela Merkel oder Renate Künast, aber auch für viele andere der rund 5,9 Prozent Top-entscheiderinnen in Deutschland.[2] Nicht wenige von ihnen wirken nicht nur sehr maskulin, sondern sie haben der Karriere zuliebe auch auf Kinder verzichtet. Allein im Bankensektor haben 77 Prozent der weiblichen Führungskräfte keine Kinder. Ein weiteres Indiz für die Unvereinbarkeit von weiblichen Führungsqualitäten und femininem Rollenverständnis?

Im Spiegel-Online-Nachruf auf die 2009 verstorbene Schauspielerin Barbara Rudnik wird diese als »elegant, schweigsam und abgründig« beschrieben. Welche Vorstandsvorsitzende oder Physikprofessorin hätte nicht auch gerne etwas von deren Anziehungskraft und Attraktivität? Stattdessen schlüpfen Frauen, um Karriere zu machen, auch optisch in die Rolle der toughen Businesslady, die an Hartnäckigkeit und Durchsetzungsvermögen den Männern in nichts nachsteht. Eine Frau mit Haaren auf den Zähnen heißt es dann schnell – und wenig schmeichelhaft.

Die Situation wird nicht viel besser, wenn Frauen auch noch versuchen, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen. Berufstätige Frauen und Mütter sind in der Regel vor allem eines: echte Kämpferinnen – im Beruf ambitioniert und ehrgeizig, als Mutter aufopfernd, selbstlos und schier unbegrenzt belastbar, nicht wenige allein erziehend und doch voll berufstätig. Um im Alltag zu bestehen, haben sie Durchsetzungsvermögen und Ellenbogenmentalität verinnerlicht. Sie wirken gehetzt, dauergestresst und verbissen. Dabei würden sich auch diese Frauen viel lieber von ihrer weiblichen Seite zeigen, stark, glamourös und selbstbestimmt sein, vielleicht sogar charmant und bezaubernd. Doch genau das scheint in unserem kollektiven Bildrepertoire nicht vorgesehen. Da gibt es nur Karrierepowerfrauen oder Supermütter. Sonst nichts.

Und meist sehen deutsche Mütter auch anders aus: Nicht wenige Frauen tendieren nach der Geburt des ersten Kindes zu praktischer Kurzhaarfrisur, Fleecepulli und festem Schuhwerk. Von weiblicher Anmut und Raffinesse keine Spur. Vielleicht nicht gerade in Münchens Glockenbachviertel oder rund um den Prenzlauer Berg in Berlin, aber sonst eigentlich überall in dieser Republik. Besonders auf den Spielplätzen. Da steht dann das aufopfernde Muttertier, bepackt mit Wickelrucksack und in wetterfesten Outdoor-Klamotten, bei eisiger Kälte geduldig hinter der Schaukel und schubst ausdauernd den Sprössling an, der zwar leider noch keinen Schwung holen kann, dafür aber eine studierte und hochqualifizierte Mutter hat, die beruflich zurücksteckt und sich nun als Antrieb verdient macht.

Die hippen Szenemütter in den Großstädten sind allerdings nicht viel besser dran. Die sind zwar top gestylt, auch ihr Nachwuchs trägt die Kindermodelinie namhafter Designer, und so flanieren sie an schicken Boutiquen und Coffeeshops vorbei, schlürfen Latte macchiato aus Pappbechern, die sie zwischendurch im Dosenhalter ihrer Kinderwagen abstellen, und versuchen sich an einer Neudefinition der Mutterrolle: die Frau von heute, freiberuflich, flexibel, mit Kind – und alles immer ganz locker und entspannt. Aber auch auf den Szenemüttern vom Prenzlauer Berg lastet der Druck, immer alles richtig machen zu müssen. Auch sie haben Angst, bestimmten Ansprüchen nicht zu genügen, wenn sie ihr Kind nicht ausschließlich biologisch ernähren oder alle Möglichkeiten der Frühförderung ausschöpfen. Ehrgeizig werden die Kleinen in Englischkurse und zur musikalischen Früherziehung geschickt. Und das am besten schon mit zwei Jahren. Aber auch das natürlich ganz entspannt und ohne Druck.

Mittlerweile gibt es in Fragen der Kindererziehung so etwas wie einen Zwang zur Zwanglosigkeit. Auch so ein Perfektionismus.

Wenn schon keine musikalische Früherziehung, dann zumindest der Zwang, modisch mithalten zu können. Das Kind als schickes Lifestyle-Accessoire braucht natürlich den dazugehörigen Bugaboo – der Mercedes unter den Kinderwagen und hierzulande nicht zuletzt deswegen so begehrt, weil schon Miranda aus Sex and the City damit durchs urbane Großstadtleben surfte. Das Perfektionsstreben der Mütter hat auch der holländische Kinderwagenbauer erkannt und seinen Bugaboo so auf dem Markt etabliert, dass sich trendbewusste Eltern inzwischen minderwertig fühlen, wenn sie ihn nicht besitzen. Nicht nur beim »Early English«-Kurs für die Allerkleinsten, auch beim Kinderwagen zeigt sich offenbar, wer eine gute Mutter ist und wer nicht.

Doch ganz gleich, ob hippe Szenemutter oder Wickelrucksackfraktion: Das weibliche Selbstverständnis bröckelt. Und zwar ausgerechnet das der modernen und emanzipierten Frauen. Statt sich mit Gelassenheit, Zuversicht und Souveränität den Herausforderungen einer berufstätigen Frau und/oder Mutter zu stellen, herrscht nichts als ehrgeiziges Perfektionsstreben, wohin man sieht. Frauen heute sind zwar emanzipiert und erfolgreich, sie haben Kinder und sie machen Karriere, aber ihnen scheint jede Selbstverständlichkeit und Normalität verloren gegangen, wenn es um das eigene Selbstbild geht. Und was bei alldem Perfektionismus als Erstes hinten runterfällt, ist nicht selten der selbstbewusste Umgang mit der eigenen Weiblichkeit.

Das hat mit dem fatalen Hang vieler Frauen zu tun, die eigenen Bedürfnisse stets an letzte Stelle zu setzen – hinter Karriere, Mann, Heim und Kinder sowieso. Das hat aber auch damit zu tun, dass Frauen sich viel zu oft an medialen Vorgaben und gängigen Glücksversprechen von Erfolg und gutem Aussehen orientieren. Und da gibt es eigentlich nur Supermütter, Karrierepowerfrauen und andere Superlative. Was in jedem Fall fehlt, ist die Selbstverständlichkeit und innere Unabhängigkeit, mit der Frauen ganz einfach ihr Leben leben, Kinder haben oder auch nicht, einer geregelten Beschäftigung nachgehen und sich für den Weg in ihrem Leben entscheiden, den sie selbst für richtig halten.

Wenn wir uns all die emanzipierten Lebensentwürfe heute einmal genauer anschauen, dann scheint es in der Tat so, als ob Beruf und Karriere neben Familie und Kindern zum einzig sinnstiftenden Element im Leben einer Frau avanciert sind. Doch verspüren all die Karrierepowerfrauen und Supermuttis neben PowerPoint-Präsentationen und Pampers-Windeln nicht hin und wieder auch das Bedürfnis nach so etwas wie Glamour und Sexappeal in ihrem Leben? Haben Frauen neben Kindern und Karriere nicht auch noch ein eigenes Leben, ein gesellschaftliches, ein soziales, ein Liebesleben?

Das zumindest scheint gar nicht mehr so selbstverständlich. Emanzipierte Weiblichkeit jenseits von Kindern und Karriere gibt es eigentlich nicht. Genauso wie sich weibliche Führungsqualitäten und feminines Rollenverständnis offenbar ausschließen. Entweder man ist als Frau bereit, auf ein familiäres Umfeld gänzlich zu verzichten, oder man ist berufstätige Mutter, die mit eiserner Disziplin und maximaler Selbstoptimierung nicht nur eine perfekte Karriere hinlegt, sondern mit Kinderfrau und Putzhilfe auch den Familienalltag perfekt im Griff hat. Daneben gibt es ein paar vereinzelte Vollzeit-Muttis. Die gleichen dann aber eher einer aussterbenden Spezies aus einer grauen, voremanzipierten Steinzeit.

War da sonst noch was?

Sind berufstätige Frauen und Mütter nicht in erster Linie ganz normale Erwachsene in einer Welt ganz normaler gesellschaftlicher Verpflichtungen, die ihren Wert als Frau weder mit einer bedingungslosen Bereitschaft zu beruflichen Höchstleistungen noch mit der völligen Selbstaufgabe und Vermütterlichung gleichsetzen? Oder werden wir präziser: Sind moderne, emanzipierte Frauen nicht in erster Linie Frauen und erst dann Karrierepowerfrauen, Supermütter oder was auch immer. Nein?

Frauen von heute wollen am liebsten tagsüber Aufsichtsräten vorsitzen und abends Windeln wechseln? Ist das alles?

Dann erklären Sie mir mal, warum Serien wie Sex and the City oder Lippstick Jungle mit ihren ewig Schuhe kaufenden und Partys feiernden Damen so erfolgreich sind. Drängt sich da nicht der Verdacht auf, dass die ungeheure Popularität amerikanischer TV-Serien rund um die moderne und emanzipierte Großstadtpflanze genau daher rührt, dass sich die berufstätige Frau und Mutter wenigstens auf dem Bildschirm anschauen will, was der eigene spröde Alltag schon längst nicht mehr hergibt?

Und was ist eigentlich mit den Frauen, die den Spagat zwischen tougher Businessfrau und hingebungsvoller Mutter zwar meistern, aber nicht beabsichtigen, sich deswegen in Sack und Asche zu hüllen? Frauen, die ihre Weiblichkeit betonen und High Heels und Lippenstift nicht abgeneigt sind? Was ist eigentlich mit denen? Sind die in unseren Augen noch emanzipiert?

Smart, souverän und sexy?

Ich behaupte mal: Natürlich wollen Frauen, neben all der erkämpften Gleichstellung und den beruflichen Erfolgen, neben Kind und Karriere auch noch als weibliche Wesen wahrgenommen werden, sich begehrenswert fühlen und die eigene Weiblichkeit hochhalten. Nur genau das scheint sich mit einem emanzipierten Frauenbild nicht zu vertragen. Zumindest nicht in Deutschland. Warum eigentlich? Müssen wir uns Narzissmus vorwerfen lassen, wenn wir uns für Mode interessieren? Sind wir unemanzipiert, wenn wir regelmäßig zum Friseur gehen? Müssen wir auf hohe Absätze verzichten, um beruflich ernst genommen zu werden?

Unlängst war von der britischen Kolumnistin Charlotte Raven die These zu lesen, die Anfangserfolge des Feminismus seien von einer narzisstischen Frauengeneration verschleudert worden.[3] Gerade intellektuelle Frauen, so heißt es, hätten sich vom Feminismus abgewandt, weil er unglamourös sei, sie verkrampft wirken lasse und, was noch viel schlimmer sei, sie vom Shoppen abhielte.[4] Wütend und verbittert habe eine waschechte Feministin zu sein, ist da zu lesen, spaßig und locker hingegen sei das Motto der Girlpower und dies wiederum eigentlich ein Marketingkniff und keine Bewegung … Aha!

Das heißt dann wohl: Frauen können heute also zusehen, wie sie sich eine neue Identität zurechtbasteln, die all die verschiedenen Facetten einer modernen Weiblichkeit vereint: Karrierefrau, Mutter, Ehefrau, Geliebte, Hausfrau, Femme fatale – nur um einige zu nennen. Da kann es einem schon mal schwindelig werden. Und da sträuben sich selbst bei den Frauen sämtliche Nackenhaare, die bislang mit dem Feminismus-Begriff eigentlich wenig anfangen konnten.

Neidvoll mag da so manche Frau auf ihre südeuropäischen Geschlechtsgenossinnen blicken, die ganz nach Lust und Laune in figurbetonter Aufmachung und auf hohen Absätzen, das Handy am Ohr, den Kinderwagen vor sich herschieben und offenbar weit weniger Probleme damit haben, all die verschiedenen Facetten moderner Weiblichkeit unter einen Hut zu bringen. Nun gut, wir wissen nicht, ob all diese Frauen in Spanien, Griechenland und Italien, die dem Klischee nach viel modebewusster und insgesamt weiblicher sind, also die mit den Kinderwägen und den High Heels, auch wirklich arbeiten und in ihrem Beruf erfolgreich – sprich emanzipiert – sind. Aber warum um alles in der Welt sollten die Frauen in halb Europa nicht arbeiten? Das kann ich mir nun auch wieder nicht vorstellen.

Oder nehmen wir Frankreich. Ein Blick zu unseren Nachbarn zeigt: Die Diskussion um eine narzisstische Frauengeneration, die den Feminismus verschleudert habe, wird dort in der Form nicht geführt. In Frankreich muss sich keine Frau dafür rechtfertigen, wenn sie sich die Lippen schminkt. Die französische Frau gilt als Inbegriff von schlichter Eleganz und weiblichem Charme. Und selbst die wird wohl hin und wieder arbeiten müssen. Ihr aber werden Sinnlichkeit und Glamour wohl kaum als Narzissmus ausgelegt. Welcher Franzose käme denn auf die blöde Idee?

Wir Deutschen haben aber noch ein ganz anderes Problem mit unseren Nachbarn. Die französische Ministerin, die nur wenige Wochen nach der Geburt ihres Kindes wieder gertenschlank im Kabinett erscheint, finden wir irgendwie anstößig. Insgeheim beeindruckt uns zwar, mit welch unverschämter Lässigkeit und Selbstverständlichkeit die französische Frau Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen scheint. Doch das Ideal der deutschen Übermutter zwingt viele Frauen hierzulande, sich irgendwann zwischen Beruf und Familie zu entscheiden. Und so verschwinden reihenweise akademisch bestens ausgebildete Frauen jenseits der 30 in idyllischen Vororthäuschen, um sich dort Mann und Kind und damit ihrer vom deutschen Feuilleton vielfach beschworenen »eigentlichen« Aufgabe zu widmen.

Das weibliche Dilemma

Versuchen Frauen jedoch den Balanceakt zwischen Berufstätigkeit und Mutterschaft, so wie es der Realität vieler Frauen hierzulande ja längst entspricht, haben sie oftmals einen hohen Preis dafür zu zahlen – nämlich den der absoluten Kontrolle und Selbstperfektion, um Job, Familienleben, Freizeit und soziale Kontakte überhaupt bewältigen zu können. Was dabei nicht selten auf der Strecke bleibt, sind Gelassenheit und Souveränität im Alltag, aber auch die Selbstverständlichkeit oder auch Lust daran, sich als Frau zu inszenieren und wahrzunehmen.

Das Leben dieser Frauen ist perfekt organisiert und minutengenau durchgeplant. Und das bezieht sich längst nicht nur auf berufliche Verpflichtungen. Klavierstunde, Reiten und Fußballtraining der Sprösslinge sind in Excel-Tabellen festgehalten. Das iPhone meldet pünktlich, dass der wöchentliche Spinning-Kurs in 15 Minuten beginnt, und abends steht noch die Elternbeiratssitzung in der Schule an. Den Einkauf hat man zum Glück schon in der Mittagspause erledigt, gekocht wird natürlich selbst, am besten bio und gesund. Hausaufgaben durchsehen, Vokabeln abfragen, Gutenachtgeschichten vorlesen stehen sowieso auf dem Programm. Nach der Elternbeiratssitzung muss noch die morgige Kundenpräsentation vorbereitet werden. Die Wäsche bleibt da mitunter liegen. Zeit für sich haben diese Frauen schon lange nicht mehr.

Viel besser ergeht es den Singlefrauen und kinderlosen High Potentials allerdings auch nicht. Das Arbeitsleben hat sich radikalisiert. Der Preis für den beruflichen Erfolg: 50 oder 60 Stunden im Büro sind keine Seltenheit mehr. Bei den hochdotierten Führungspositionen können es auch mal 80 Stunden werden. Wer beruflich ganz nach oben will, der muss bereit sein, auf ein familiäres Umfeld und einen großen Freundeskreis zu verzichten, nur um durch ein Höchstmaß an Unabhängigkeit und Flexibilität die besseren Chancen zu haben, in Spitzenpositionen aufzusteigen. Mit Perfektion und eiserner Disziplin, mit beständiger Optimierung und Selbstmaximierung wird schließlich an der Ausnahmekarriere gefeilt. Das Leben ist hoch getaktet. Ein Privatleben gibt es kaum. Und in Anbetracht ihrer 80-Stunden-Woche muss die weibliche Führungskraft sowieso jeden Abend alleine ins Bett gehen.

Angesichts eines solchen Pensums ist es kaum verwunderlich, dass so manche Frau zum schmallippigen und disziplinierten Karrieremonster und/oder Supermutti mutiert, die angestrengt und verbissen Punkt für Punkt ihren Alltag abarbeitet. Es ist ein ungeheurer Kraftakt, der vielen Frauen da tagtäglich abverlangt wird, und es ist wenig überraschend, dass viele von ihnen das bisschen Glamour und Sexappeal in ihrem Leben nur noch aus dem Fernsehen kennen. Das letzte Mal im Kino gewesen? Mit einer Freundin zum sonntäglichen Brunch? Mit dem eigenen Partner auf einer Party bis weit nach Mitternacht? Pff, in den letzten zehn Jahren zumindest nicht.

Vielleicht ist es aber auch ein hausgemachtes Problem? Zumindest eines made in Germany? Eiserne Disziplin und Selbstmaximierung, Pflicht und Perfektion, Opfermentalität und verbissener Ehrgeiz bestimmen nicht mehr nur den Arbeitsalltag deutscher Frauen, sondern haben längst Einzug ins Private genommen. Selbst was das Mutterdasein angeht. Auf den Entbindungsstationen in Deutschland finden die frischen Wöchnerinnen auf dem Nachtkästchen gleich die einschlägigen Broschüren der La-Leche-Liga, einem Verein zur Förderung des Stillens. Ungefragt weisen Still-Beraterinnen den jungen Müttern den Weg zur Brustnahrung. Schließlich sei das immer noch das Beste fürs Kind. In französischen Krankenhäusern dagegen enthalten die Informationsbroschüren Tipps, wie stillende Mütter ihre Brüste in Form halten können. In Deutschland wird ausschließlich die Mutter angesprochen, gibt die Zeit-Redakteurin Ilka Piepgras zu bedenken, in Frankreich auch die Frau.[5] Das ist ein bedeutsamer Unterschied.

Und damit ist auch schon das eigentliche Dilemma vieler Frauen zwischen 30 und 40 benannt: Es ist nicht mehr nur die Entscheidung zwischen Kind und Karriere, sondern auch die zwischen Berufstätigkeit, Mutterschaft und einem offenbar nicht mehr ganz problemfreien Selbstverständnis als Frau – ein Selbstverständnis, das zumindest in Deutschland von verschiedenen Seiten kontrovers diskutiert und mit vielfältigen Forderungen belegt wird.

Es sind nicht nur deutsche Chefredakteure, die schon vor einigen Jahren eine demografische Apokalypse ausgerufen haben und seither die Rückbesinnung auf alte Geschlechterrollen fordern. Es sind auch die politisch ambitionierten Aufrufe der neuen Alphamädchen und Neo-Feministinnen, die einen modernen weiblichen Zeitgeist ins Visier genommen haben. Und so konträr die Ausgangspositionen beider auch sein mögen, so erstaunlich einhellig geben beide Seiten doch nur wieder eine Dimension vor: Formiert euch als neue Frauen! Man könnte auch sagen: Funktioniert doch einfach noch besser! Nur genau darin liegt das Problem. Es ist ja nicht so, dass Frauen sich nicht alle Mühe geben würden, im Beruf erfolgreich zu sein und auch noch eine gute Mutter abzugeben. Und jetzt sollen sie schon wieder kämpfen?

Dabei ist das Dilemma moderner, emanzipierter Frauen ein ganz anderes. Die ganze Diskussion um einen neuen weiblichen Zeitgeist wirft nämlich zwei Fragen auf, die bislang keiner so richtig gestellt hat, geschweige denn irgendwie beantwortet hätte:

1. Welches Frauenbild liegt der ganzen Diskussion um einen neuen weiblichen Zeitgeist eigentlich zugrunde? Oder genauer, welches Frauenbild ist heute noch angebracht?

2. Und wie ist die Doppel- und Dreifachbelastung der Frauen überhaupt noch zu meistern, ohne an Gelassenheit, Souveränität oder gar Weiblichkeit zu verlieren?

Machen wir uns auf die Suche …

Neue Weiblichkeit?

Welche Frauen beeindrucken uns? Mit welchen Biographien können wir uns identifizieren? Was gefällt uns an anderen Frauen? Nehmen wir diesmal bewusst nicht jene, die stets ganz oben auf der Trefferliste erscheinen, wenn wir bei Google den Passus »erfolgreiche Frauen« eingeben – also nicht Angela Merkel, Alice Schwarzer oder Condoleezza Rice.[6] Mal ganz ungeachtet deren beachtlicher Leistungen, wollen wir das Thema beruflicher Erfolg zunächst ausklammern und nach Eigenschaften suchen, mit denen sich Frauen neben Beruf, Karriere und Mutterschaft vielleicht auch noch identifizieren können. Machen wir uns einmal auf die Suche nach einer neuen, modernen Weiblichkeit.

Nehmen wir zunächst ein ungewöhnliches Beispiel: die Filmfigur Erin Brockovich, gespielt von Julia Roberts, in dem gleichnamigen, schon etwas älteren Film über die in den USA sehr erfolgreiche Verbraucherschützerin, Selfmadefrau, Mutter und kämpferische Lobbyistin[7]. Die Protagonistin des Films ist smart, sexy, unerschrocken und einfach drauflos. Ihr Markenzeichen: blitzende Augen, ein ansteckendes Lachen und der »unverkennbare Mut, sich der Welt von ihrer Schokoladenseite zu zeigen«, wie es Elena Bates in Viva la Diva! so treffend formuliert hat. Vielleicht ist uns das Dekolleté ein bisschen zu üppig, die High Heels zu schwindelig, das Anknipslächeln zu aufgesetzt und die ganze Frau auf jeden Fall zu amerikanisch. Und doch bewundern wir insgeheim diesen Typ Frau, ganz einfach, weil solche Frauen stark, schön und aufregend sind.

Wagen wir mal einen Blick Richtung Süden: Italienische Frauen assoziieren die meisten Menschen mit Temperament und Leidenschaft. Das geflügelte Wort »bella figura« steht für das selbstbewusste Auftreten der Südländerin, ihr feuriger Blick, die lebhaften Gesten und ihre natürliche Eleganz. Die italienische Diva gilt als geheimnisvoll und glamourös, gleichzeitig sprüht sie nur so vor Leben, Lachen und Zuneigung. Viele denken sofort an Sophia Loren oder Monica Bellucci. Und die meisten bewundern diese Frauen nicht nur für ihr künstlerisches Talent, sondern auch für ihre Anmut und ihre Grazie. Aber halten wir sie deshalb per se für unemanzipiert?

Gehen wir nach Frankreich: Dort gibt es den Frauentypus der Desmoiselles – eine perfekte Mischung aus Zurückhaltung und Verführung, Bescheidenheit und Luxus. Die Französin gilt als Inbegriff von schlichter Eleganz, Finesse und weiblichem Charme. Und was halten wir von Frauen wie Catherine Deneuve, Juliette Binoche oder Julie Delpy? Ideal einer modernen Frau oder narzisstisches Weibchen?

Schließlich denken wir noch an den Frauentypus der Latina: Sie steht für Vitalität, Sinnlichkeit und Selbstbewusstsein. Lateinamerikanische Frauen gelten als heißblütig, wild und wahnsinnig weiblich. Frauen wie Jennifer Lopez oder Shakira zeigen sich gerne sexy, unwiderstehlich und stark. Ihr Markenzeichen: geballte Sinnlichkeit gepaart mit Zielstrebigkeit, Selbstbewusstsein und Talent. Und? Halten wir die beiden Damen nun wegen ihres unbestrittenen Sexappeals für unemanzipiert?

Welches Frauenbild ließe sich daraus ableiten? Welche dieser Eigenschaften sind möglicherweise recyclebar für ein zeitgemäßes Selbstbild moderner deutscher Frauen? Gestehen wir uns überhaupt zu, solche Ideale zu äußern? Müssen wir nicht auf unsere berufliche Eigenständigkeit und finanzielle Unabhängigkeit pochen, um uns emanzipiert zu geben? Dürfen wir eine Erin Brockovich überhaupt gut finden? Auch nur ansatzweise?

Gerade stelle ich mir Alice Schwarzer vor, wie sie energisch den Kopf schüttelt. Überhaupt denke ich die ganze Zeit an Frau Schwarzer, während ich diese Zeilen schreibe. Kein Wunder, schließlich ist sie die Ikone der deutschen Emanzipationsbewegung. Und mit Sicherheit not amused über die Richtung, die ich hier einschlage. Schließlich wage ich es, die sehr bedeutsame politische Frage der Frauen in Deutschland um einen sehr profanen Aspekt zu ergänzen, nämlich um die Frage, ob die moderne und emanzipierte Frau, aufgerieben zwischen Kind und Karriere, außerdem auch noch das Bedürfnis haben darf, sich als weibliches Wesen zu fühlen, schön und begehrenswert, vielleicht sogar glamourös und sexy?

Ich will allerdings die Diskussion um ein zeitgemäßes Frauenbild gar nicht unnötig verengen. Denn mitnichten geht es beim Thema Selbstbild allein um irgendwelche Äußerlichkeiten. Das weibliche Selbstverständnis steht offenbar auch dann zur Disposition, wenn Frauen nach der Heirat den Namen ihres Mannes annehmen. Die Kritik an Familienministerin Kristina Schröder, ehemals Köhler, blieb natürlich nicht aus. Oder wenn Frauen den Kindern zuliebe auf die große Karriere verzichten. Und das am Ende auch noch ohne Bedauern. Selbst das ausschließliche Stillen oder der Verzicht auf die Peridural-Anästhesie bei der Entbindung sind ja heute schon diskussionswürdig geworden, je nach politisch-ideologischer Couleur. Und so langsam stellt sich mir die Frage, warum für die Unabhängigkeit der Frauen heutzutage eigentlich keiner mehr auf die Straße geht.

Wer nimmt sich eigentlich das Recht heraus, über derart private und intime Angelegenheiten öffentlich zu diskutieren? Warum muss sich eine moderne und emanzipierte Frau heute noch dafür rechtfertigen, wenn sie auf einen Bindestrich in ihrem Nachnamen verzichtet? Oder einen Minirock trägt? Oder von einem Häuschen mit Garten und einer großen Kinderschar träumt? Oder ihr Kind mit der Flasche großzieht? Oder ein Nagelstudio eröffnen möchte? Waren wir in diesem Punkt nicht schon ein bisschen weiter?

In den 60ern gründeten Frauen Aktionsgruppen und Weiberräte, verteilten Flugblätter, stürmten Gerichte, zogen ihre T-Shirts hoch und sagten den »bürgerlichen Schwänzen« den Kampf an. Damals war eine andere Radikalität vonnöten, um politisch etwas zu bewegen. Und damals wurde im solidarischen Schulterschluss der Frauen gerade das Private zum Politikum erklärt – nicht zuletzt weil die ungerechten Strukturen viel weiter in die privaten Belange hineinreichten.[8] Das war alles richtig, und ohne die mutigen Aktionen der Frauenrechtsbewegung hätten wir heute mit Sicherheit keine Bundeskanzlerin.

Aber hat sich da nicht mittlerweile etwas ins Gegenteil verkehrt? Zumindest dann, wenn den Frauen aus ihrer lang erkämpften Freiheit nun ein Strick gedreht wird und man ihnen vorwirft, sie würden feministische Errungenschaften verspielen, sobald sie sich die Lippen schminken, den Namen ihres Mannes annehmen oder nach der Geburt der Kinder zu Hause bleiben wollen? Damals diente der Slogan »Das Private ist politisch« dazu, dem Begehren der Frauen zu mehr Einfluss zu verhelfen. Heute wird unter diesem Deckmäntelchen Kritik an einzelnen Lebensentwürfen geübt, die aus Sicht manch frauenbewegter Frauen vielleicht nicht emanzipiert genug erscheinen. Nur mit welchem Recht? Mitunter hat es den Anschein, dass nicht nur der 68er-Slogan, sondern auch so manche Ansichten etwas in die Jahre gekommen sind.

Nun ist meine Forderung nach einer neuen Weiblichkeit jenseits von Kind und Karriere keineswegs mit einer »weichgespülten Kinder & Karriere-Sexyness«[9] gleichzusetzen, wie sie in den Romanen von Hera Lind oder Ildikó von Kürthy propagiert wird. Mir geht es um ein neues weibliches Selbstverständnis und damit um die nötige Souveränität und innere Unabhängigkeit, mit der sich Frauen heute für einen ganz bestimmten Lebensweg entscheiden. Und dazu gehört auch das äußere Auftreten einer Frau.

Ich stelle daher die gar nicht so profane Frage, ob eigentlich alle, die nicht nur Mutter oder Karrieristin oder beides sein wollen, sondern nebenbei auch noch Frau, ob all diese Frauen zwangsläufig narzisstisch sind? Oder »Femizisstinnen«[10], wie Charlotte Raven dieses hedonistische Pack genannt hat, also moderne, emanzipierte Frauen, die sich die Lippen schminken, hohe Absätze tragen und auch sonst durchaus Gefallen an einer weiblichen Inszenierung finden. Alles Frauen, so die feministische Kritik, die mit Nagellack und kesser Lippe eigentlich ihren Minderwertigkeitskomplex kaschieren wollen und allesamt an Gefallsucht leiden?

Ich weiß, Glamour und Sexappeal im Leben einer Frau, das ist nun wahrlich keine Frage von besonderer politischer Tragweite. Aber ich stelle sie trotzdem. Ich finde nämlich die Frage nach einer neuen, modernen Weiblichkeit jenseits von Kind und Karriere wichtig. Nicht ganz so wichtig wie gesellschaftliche und politische Gleichstellung. Aber eben auch wichtig. Und ich finde, dass diese Frage in der heutigen Diskussion irgendwie zu kurz gekommen ist.

Die Schlagseite der Emanzipation

Die Modekette Orsay wirbt mit dem Slogan »Thank God, I am a Woman«. Laut Pressemitteilung versteht sich Orsay als Hersteller von »jungen, modischen, preiswürdigen Outfits, mit denen Frauen ihre Feminität zu jeder Zeit individuell ausdrücken können«. Ob Alice Schwarzer wohl mit dieser Formulierung schon ein Problem hätte?

Das neue deutsche Fräuleinwunder Lena Meyer-Landrut verkündet in einer Pressekonferenz im Vorfeld ihres Grandprix-Siegeszuges, sie trage gerne High Heels auf der Bühne, denn sie finde, das sehe sehr hübsch aus. Ist Lena nun ein narzisstisches Weibchen oder eine selbstbewusste junge Frau, die unbefangen mit ihrer Weiblichkeit umgeht? Und das gerade weil sie so jung ist und weil die ersten politischen Emanzipationsbestrebungen so weit zurückliegen? Ist Lenas Haltung nun modern oder rückwärtsgewandt? Ist sie souverän und selbstbewusst oder ist sie eine Sklavin auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten?

Woher kommt es eigentlich zu dieser Art von Empfindlichkeit, sobald es um das Äußere einer Frau geht? Und was sagt das über das Selbstverständnis moderner, emanzipierter Frauen aus?

Wie sehen sich heutige Frauen denn selbst gerne? Unabhängig, stark, selbstbestimmt? Mit Sicherheit. Da ist selbst Frau Schwarzer noch dabei. Intelligent, vielseitig, unkonventionell? Auch so ein gemeinsamer Nenner, möchte ich behaupten. Wie steht es aber mit sinnlich, lebendig und leidenschaftlich? Das wären wir mit Sicherheit alle gerne, nur da springen auch schon die ersten ab und behaupten, das gehöre doch nicht zwingend zum Selbstbild moderner, emanzipierter Frauen. Und wie ist es dann erst mit solchen Eigenschaften wie glamourös, aufregend und geheimnisvoll? Oder gar mit bezaubernd und aufreizend? Da kippt die ganze Sache schon, wetten! Zwar sind auch diese Eigenschaften durchaus weibliche Attribute, doch haben sie für viele, gerade emanzipierte Frauen heutzutage fast schon eine negative Konnotation. Warum eigentlich?

Das Dilemma dieser Frauen: Sie sind gebildet, kultiviert und eigenständig – aber nicht unbedingt sexy. Sie stehen mit beiden Beinen im Leben, aber ihnen fehlt oft jegliche Spur von weiblicher Anmut und Raffinesse. Sie verhalten sich unauffällig und stehen nicht gerne im Rampenlicht. Sie vermeiden aufreizende Kleidung, bewundernde Blicke und glamouröse Auftritte. Sie versuchen stattdessen mit Wissen und Intellekt zu glänzen. Und sie scheinen sich in ihrer Rolle als Frau nicht besonders wohl zu fühlen. Der Spruch »Thank God, I Am a Woman« ist keineswegs selbstverständlich, sondern für viele Frauen hochgradig polarisierend. Eine ganze Generation von Frauen überlegen, ob Lenas Bekenntnis zu hohen Absätzen nicht bereits einem Verrat an der Frauenbewegung gleichkommt.

Was um Himmels willen ist eigentlich mit den Frauen in Deutschland los? Die Italienerin, die Französin, die Latina – sie alle haben mit Sicherheit weit weniger Probleme damit, sich gleichzeitig smart, souverän und sexy zu fühlen. Vielleicht ist also auch das Unbehagen so mancher Frau hierzulande völlig unangebracht?

Überlegen wir noch mal kurz, warum das Aufreizende einer Frau bei uns so in Verruf geraten ist.

Aussehen und erotisches Kapital

Ein Besuch des Chandella-Tempels im zentralindischen Khajuraho macht deutlich: Offensichtlich genießen Schönheit und erotisches Kapital in anderen Kulturen einen ganz anderen Stellenwert. Die Tempelanlage ist übersät mit Reliefs verführerischer Göttinnen und der Darstellungen teils recht exotischer sexueller Akte. Dieses überbordende Fest der Sinnlichkeit, Sexualität und weiblicher Schönheit wirkt auf den westlichen Betrachter einigermaßen anstößig, ja geradezu pornographisch, zumal der Europäer aus den christlichen Kirchen eher die Ikonographie des Leidens Christi kennt, der Geißelung und Kreuzigung, dem Sterben umgeben von klagenden Frauen. Die unverblümte Erotik und freizügige Darstellung weiblicher Schönheit, und das in einem Gotteshaus, sind für den europäischen Betrachter in höchstem Maße irritierend.

Nun ist Indien nicht gerade ein freizügiges Land. Im Gegenteil. Und doch lässt der indische Tempel vermuten, dass erotisches Kapital und weibliche Schönheit in anderen Kulturen anders gewürdigt werden. Man denke an Brasilien, wo weibliche Erotik und Verführungsmacht ganz anders akzeptiert und honoriert werden. Die jährlichen Karnevals-Paraden mit ihren spärlich bekleideten Menschen und der zur Schau gestellten Erotik ist keineswegs eine Nischenveranstaltung einfacher Leute oder sexueller Randgruppen. Mitnichten. An den Umzügen beteiligen sich sämtliche gesellschaftlichen Schichten Brasiliens.

In Europa trifft man dagegen häufig auf eine sehr puritanische, angelsächsisch geprägte Abneigung gegen alles Sinnliche, Erotische und Schöne. Das Christentum wurde durch all die Jahrhunderte hinweg nicht müde, Sexualität und alles, was damit zusammenhängt, zu missbilligen und für unrein, schambehaftet und triebgesteuert zu erklären. Die feministische Ideologie hat der christlichen Abneigung gegen alles Sinnliche, Erotische und Schöne schließlich weiteren Vorschub geleistet: Emanzipierte Frauen brillieren mit Intelligenz, Bildung, Qualifikation und beruflichem Engagement, nicht aber mit weiblicher Schönheit und sexueller Ausstrahlung. Der Feminismus wehrt sich vehement dagegen, Frauen auf ihr Äußeres zu reduzieren, und sieht im Grunde gar nicht vor, dass Frauen möglicherweise beides besitzen, Kompetenz und Aussehen – und das auch noch zu nutzen wissen. Der Einsatz von erotischem Kapital wird so in der feministischen Vorstellung nicht nur zum subversiven, sondern gar zum verräterischen Akt.

Dabei ist mit erotischem Kapital, ein Begriff, den die Soziologin Catherine Hakim von der London School of Economics geprägt hat[11], nicht ein perfektes Äußeres gemeint. Erotisches Kapital ist viel mehr. Es ist eine schwer greifbare Mischung aus Sexappeal, äußerer Schönheit und sozialer Attraktivität, die manchen Menschen eine besondere Anziehungskraft verleiht. Schönheit ist natürlich ein zentrales Element. Darüber hinaus fällt aber auch sexuelle Attraktivität stark ins Gewicht. Und die kann sich mitunter vom klassischen Schönheitsideal sehr unterscheiden.