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Komm mit mir auf eine Reise von Zweifeln zur Berufung. Erhalte aus erster Hand einen transparenten Einblick in die Welt der Pflege und erlebe mit mir gemeinsam meinen Wandel von Vourteilen zu Verantwortung. Im Vordergrund steht die Pflegeausbildung, geschrieben als eine Art Tagebuch, gepaart mit den wichtigsten Tipps, um souverän durch die Ausbildung zu kommen. Außerdem wirst du am Ende wissen, ob der Pflegeberuf wirklich so furchtbar ist, wie er in den Medien oft dargestellt wird.
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Seitenzahl: 184
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Vorwort
Vor der Ausbildung
Veränderungen beginnen
Erste Schritte Richtung Ausbildung
Zweifel und die Suche nach einem Ausbildungsbetrieb
Den Vertrag (fast) in der Tasche
Die Ausbildung beginnt
Erste Berührungen mit der Praxis
Apropos Nähe und Distanz
Der zweite Theorieblock
Die Sache mit der Coolness und den Penissen
Pflichteinsatz in der stationären Waschstraße
Die Uhr tickt
Apropos Pflegealltag
Bye Bye Hauswirtschaft und Hallo Pflegehelfer-Tour
Apropos Kommunikation
Die digitale Steinzeit
Prüfungszeit
Zu den coolen Kids
Meine ganz eigene Mutprobe
Apropos KIKR...
Apropos alte Hasen
Beruflicher Lego-Bauer
Alte Klinik, neue Station
In Ruhe Schule und Heimweh
Apropos Corona...
Arbeitslos durch die Nacht
Ein Haus voller Helden
Apropos Rauchen
Das Ende einer Ära
Apropos ambulanter Pflegealltag...
Probeprüfung und schriftliche Abschlussprüfung
Neues Wissen und Erkenntnisse
Apropos „gute Pflegekraft“…
Vorbereitungen für das Finale
Ausbildung oder türkischer Honig
Das letzte Level
Der Zauber der Ausbildung
Vorurteile vs. Realität
Danke
Zurück aus der Zukunft
Die erste Frage, die sich viele stellen, ist wahrscheinlich: "Eine Pflegekraft, die ein Buch schreibt? Die haben doch gar keine Zeit! Die machen doch ständig Überstunden und stehen bei völliger Unterbezahlung kurz vor dem Burnout!"
Diese und ähnliche Aussagen sind meist das Erste, was man hört, wenn über Pflegekräfte gesprochen wird. Und ehrlich gesagt waren es auch diese Art von Aussagen, die mich nie hätten glauben lassen, dass ich mal meinen Weg in den Pflegeberuf finden würde. Abgesehen von der Vorstellung, täglich mit Fäkalien, Krankheit, Tod und manchmal auch moralisch zweifelhaften Umständen zu tun zu haben.
Es ist doch so: Jeder weiß, dass er mal alt wird, und fast jeder weiß um die Zustände in Pflegeheimen und welche Arbeit Pflegekräfte leisten. Der Großteil könnte sich niemals vorstellen, diese Arbeit zu machen oder blendet die Existenz des Alterns oder der damit verbundenen Pflege im Allgemeinen aus, weil es sich einfach besser leben lässt, ohne den Gedanken, dass vieles von dem, was wir im Laufe des Lebens aufgebaut haben, einmal verschwinden oder an Bedeutung verlieren wird. Dazu zählen sowohl materielle Dinge als auch Äußerlichkeiten, genauso wie soziale Kontakte oder sogar unser gesunder Verstand.
Wer möchte schon täglich daran erinnert werden, dass Tod und Krankheit auf einen warten und alles, was man sich mühselig aufgebaut hat, im Angesicht dessen nichts mehr wert sein wird. Oder auch man selbst nichts mehr wert sein wird. Klingt böse, aber ich habe mich bewusst für diesen Satz entschieden.
Warum sollte ich mir überhaupt den Allerwertesten aufreißen, wenn alles darauf hinauslaufen könnte, dass ich sabbernd in einem fremden Bett liege und eine unfreundliche, abgestumpfte Pflegekraft meine Bedürfnisse mit Füßen tritt, weil sie selbst nichts mehr fühlt oder weil sie einfach den wirtschaftlichen Ansprüchen der Einrichtung gerecht werden muss.
Es gibt viele dieser Fragen, von denen ich nie gedacht hätte, dass ich sie mir mal stellen würde, aber im Laufe meiner Ausbildung wurden sie zu täglichen Begleitern.
Um diese Fragen soll es sich in diesem Buch drehen, aber auch um die vielen positiven Dinge, die man in der Pflege erlebt, und warum vielleicht doch nicht alles so schlimm ist, wie es in den Medien nicht selten dargestellt wird, wenn es z.B. um die Arbeitsbedingungen oder die Bezahlung geht.
Genauso soll es in diesem Buch aber auch um meinen persönlichen Weg in die Pflege gehen, um meine Erlebnisse während der Ausbildung und wie ich und mein Denken sich im Laufe der Zeit verändert haben. Ich möchte von guten und von schlechten Erlebnissen berichten, von lustigen und traurigen Momenten und eine Art Resümee ziehen, als Mensch, der im Vorfeld gar nichts mit dem Pflegeberuf zu tun hatte und dann ins kalte Wasser gesprungen ist. Aber auch als Mensch, der zuvor wenig mit seinem Leben anzufangen wusste und im Laufe der Ausbildung scheinbar ein anderer Mensch geworden ist.
Ich denke, dieses Buch ist sowohl hilfreich für Menschen, die gerade in eine Ausbildung starten und sich voller Motivation mit dem Thema Pflege beschäftigen wollen, als auch für diejenigen, die Bammel haben, vor dem, was sie in der Ausbildung erwarten könnte, nach praxisbezogenen Erfahrungen außerhalb der Medienlandschaft suchen und dieses Buch als eine Art Wegbegleiter nutzen.
Aber auch genauso für die alten Hasen der Pflege, die den Blick für die positiven Aspekte der Pflege verloren und das Reflektieren, ihres daraus resultierenden Verhaltens, verlernt haben.
Vielleicht findet sich sogar die ein oder andere Person hier wieder, welche eine angehörige Person eines zu pflegenden Menschen ist oder auch Menschen, die als ganz und gar außenstehende Personen einfach einen Einblick in den Bereich der Pflege suchen, der direkt von der Front stammt und nicht durch Medien gefiltert wurde.
Zu welcher Kategorie du auch immer gehörst, ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen!
Gerne möchte ich damit beginnen, etwas über mich selbst zu erzählen und wie und warum ich, entgegen aller meiner Erwartungen, den Weg in den Pflegeberuf gefunden habe. Ich stamme aus einer Zirkusfamilie. Mit meiner Geburt wurde der Kern meiner Familie in Kiel sesshaft, wo ich aufwuchs und bis heute lebe. Ich hatte insgesamt eine wohlumsorgte Kindheit, in der es mir an nichts fehlte.
Naja, an nichts außer dem Erlernen von Disziplin, Verantwortung und dem Angehen von Herausforderungen aller Art.
Mit 5 Jahren wurde ich in die Grundschule eingeschult. Lesen, Schreiben und Rechnen konnte ich bereits, bevor es in der Schule thematisiert wurde, da meine Oma sehr viel Wert darauflegte, mit mir täglich zu üben. Mit ziemlich guten Noten wechselte ich nach der 4. Klasse auf die Gesamtschule und kam auch dort gut zurecht, bis meine Oma etwa Ende der 6. Klasse an Krebs verstarb.
Da ich quasi bei ihr aufgewachsen war, weil meine Mutter viel arbeitete, war das ein ziemlicher Schicksalsschlag. Meine Oma sagte früher oft: "Ich hoffe, ich lebe noch so lange, bis du 18 bist."
Damals war mir die Bedeutung von dem was sie sagte noch nicht klar, aber heute verstehe ich umso besser, warum es ihr so wichtig war.
Denn von ihrem Tod an ging es mit mir erstmal steil bergab. Es gab nun niemanden mehr, der mir die nötige Ernsthaftigkeit und Disziplin für die Schule vermitteln konnte.
Ich nahm immer weniger am Unterricht teil und konzentrierte mich stattdessen darauf, Game Boy zu spielen oder den Unterricht zu stören. Mein Desinteresse und das allgemein schlechte Verhalten führten schließlich dazu, dass ich kaum noch benotbar war. Einige Lehrer hatten mich am liebsten ganz vor die Tür gestellt, weshalb sie mir bereits vor Unterrichtsbeginn oft die Wahl ließen, ob ich hereinkommen oder direkt draußen bleiben wollte.
Das kam mir damals natürlich sehr entgegen. So verbrachte ich den Unterricht dann immer öfter einfach auf dem Flur vor dem Klassenraum. Ich kam, wann ich wollte, und ich ging, wann ich wollte.
In der 9. Klasse kam ich im letzten Halbjahr nur noch mit einem Kugelschreiber in der Innentasche meiner Jacke zur Schule. Ich lieh mir im Unterricht einen Zettel von irgendjemandem aus, schrieb ein bisschen mit, damit die Lehrer mich weitgehend in Ruhe ließen, und warf den Zettel am Ende des Unterrichts in den Müll.
Das ging so weit, dass mein Klassenlehrer den Mitschülern riet, sich von mir fernzuhalten, während ich abwesend war. Insgesamt war mein Verhalten während der Schulzeit eine Vollkatastrophe. In der 9. Klasse verließ ich die Schule dann ohne Abschluss und vor allem ohne Perspektive.
Da stand ich nun mit 14. Keine klare Vorstellung von meiner Zukunft oder einem Ziel vor Augen und vor allem keine Ahnung, wie ich ein solches Ziel finden könnte oder woher die Anderen ihre Ziele und Interessen nahmen.
Natürlich wurden wir Ende der 9. Klasse darauf "vorbereitet", dass wir nach dem Beenden der Schule eine Ausbildung beginnen müssen, und haben verschiedene Berufe beleuchtet.
Aber ich habe einfach gar nicht begriffen, was um mich herum geschah. Es herrschte eine Art Aufbruchsstimmung. Doch aufbrechen wollte ich doch überhaupt nicht.
So wenig mich der Schulstoff auch interessierte - ich war 9 Jahre lang fast täglich mit einem Großteil der Klassenkameraden zusammen und ich wollte nicht, dass die Schule endet. Ich wollte auch nicht arbeiten gehen oder gar Verantwortung übernehmen. Ganz zu schweigen von den ganzen Herausforderungen, die da draußen auf mich warteten. Die einzige Herausforderung, der ich mich wirklich gewachsen fühlte, befand sich auf meiner Playstation.
Ich war einfach noch ein kleines Kind und außerdem gab es beim besten Willen keinen Berufszweig, der mich interessierte, oder von dem ich dachte, dass ich das nötige Talent besitzen würde, erfolgreich in dem jeweiligen Beruf zu sein.
Maler? Tischler? Bürokaufmann? Auf gar keinen Fall! Woher wussten aber alle anderen, welcher Beruf zu ihnen passte? Und woher nahmen sie den Mut und die Reife, ins Berufsleben einzusteigen? Ich fühlte mich den meisten in meinem Alter eigentlich immer irgendwie überlegen, aber hier hatten sie mir alle etwas voraus. Und wenn es bei einigen "nur" strenge Eltern waren, die ihnen im Nacken saßen und dafür sorgten, dass ihr Kind einen vernünftigen Weg einschlug.
Rückblickend kam ich mir etwa vor wie ein verletztes Jungtier, das von der Herde zurückgelassen wurde. Ich könnte diese Phase noch ewig beschreiben, aber darum soll es ja hier nicht gehen.
Kurz nach dem Beenden der 9. Klasse wurde ich 15 und habe ein ganzes Jahr lang einfach nichts unternommen, bis meine Tante damals die Initiative ergriff und mich buchstäblich zum Jobcenter schleppte.
Und was bietet man dort einem fast 16-jährigen Jungen ohne Abschluss, aber mit noch allen Chancen der Welt, an?
Richtig. Eine Maßnahme.
Eine Maßnahme, die mich auf den Hauptschulabschluss an der Berufsschule vorbereiten sollte. Nach etwa 2 Wochen bemerkte man, dass ich dort quasi gar nichts zu suchen hatte, da ich bereits alle Fähigkeiten besaß, um die Hauptschule erfolgreich bestreiten zu können, und bot mir an, in eine laufende Hauptschulklasse direkt einzusteigen. Total sinnvoll, denn ein Jahr in dieser Maßnahme wäre die absolute Zeitverschwendung.
Leider fühlte ich mich zwischen diesem Haufen schwererziehbarer Chaoten so pudelwohl, dass ich das Angebot ausschlug und ohne Sinn und Verstand die Maßnahme bis zum Ende durchzog. Ein weiteres verschwendetes Jahr also. Den Hauptschulabschluss habe ich dann tatsächlich relativ solide beendet und schuf den Plan, dort ebenfalls meine Realschule nachzuholen.
Man könnte jetzt denken, dass die Entscheidung total vernünftig war, aber in Wahrheit war sie nur ein weiterer Versuch Zeit zu schinden, denn eine richtige Arbeit konnte ich mir noch immer nicht vorstellen.
Zudem war mein Freundeskreis mittlerweile alles andere als vorzeigbar, und so rückten viele andere Sachen in den Vordergrund. Unter anderem viele Dinge, auf die man besser nicht stolz sein sollte. Auch wenn wir uns dabei damals wie die Könige fühlten.
Machen wir es kurz: Die Realschule beendete ich natürlich nicht. Dafür habe ich in dieser Zeit meine Freundin kennengelernt, mit der ich noch heute zusammen bin. Dieses Jahr sind es 14 Jahre... oder 13... Als Mann muss man das nicht so genau wissen. Wahrscheinlich sind es 15, oder so.
2011 bekamen wir einen Sohn. Leider kam der nicht gesund auf die Welt und ist nach etwa 3 Monaten verstorben. Zusammen mit dem Tod meiner Oma ist das die zweite Situation, zu der ich heutzutage einen Bezug zur Pflege herstelle.
Er kam ohne natürlichen Darmausgang zur Welt, und wir fühlten uns mit Anfang 20 ziemlich alleingelassen von Ärzten, etc. Aus dem Krankenhaus wurden wir quasi ohne solides Grundwissen nach Hause entlassen und sollten alleine einen künstlichen Darmausgang versorgen. Etwas, das normalerweise Fachkräfte übernehmen. Und das an einem kleinen Baby, zu dem man einen emotionalen Bezug hat.
Die Stoma-Beutel (werden verwendet um Stuhl oder Urin bei künstlichen Darm- oder Blasenausgängen aufzufangen) haben am Bauch schlecht gehalten, weil der Stuhl, wie bei Babys üblich, immer relativ dünn war und so unter die Klebeflächen floss. Die Haut war dauerhaft feuerrot gereizt und es war für alle Beteiligten eine Qual, die Situation auszuhalten, bis unser Sohn schließlich, nach einer weiteren Operation, an einem multiresistenten Krankenhauskeim verstarb.
Die darauffolgenden Jahre vergingen wie im Flug. Gedacht habe ich immer nur von einem Tag zum nächsten. Möchte ich mal etwas in meinem Leben erreichen? Klar, aber nicht heute. Wenn ich mal “groß” bin, dann will ich dies und das und jenes. Ich merkte dabei gar nicht, wie erwachsen ich eigentlich schon war oder besser hätte sein sollen.
Immer mal wieder kamen Träumereien auf. Zum Beispiel die Vorstellung, sich mit einem eigenen Restaurant selbstständig zu machen. Es wurden mehr als einmal Konzepte erstellt, naiv genug zu glauben, dass man in meiner Situation, ohne viel Geld oder Dokumente, die meine Fähigkeiten und Erfolge belegen, irgendetwas erreichen könnte.
So habe ich bis 2019 nur sporadisch entweder im Callcenter oder in der Gastronomie gearbeitet. Nirgendwo länger als 1 1/2 Jahre. Auch eine Ausbildung zum Koch wurde zwar begonnen, aber genauso schnell wieder abgebrochen.
Im Frühjahr 2019 fuhr ich dann gemeinsam mit meiner Partnerin nach Dahme in Ost-Holstein, um dort während der Saison in einem Strandbistro zu arbeiten.
Wir haben dort auf dem Campingplatz im Wohnwagen geschlafen und unter anderem 100 Tage am Stück 12-14 Stunden gearbeitet.
Nur ein Beispiel von vielen dafür, dass sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die Bezahlung in der Gastro-Branche ebenfalls nicht immer vorzeigbar sind.
So anstrengend die Arbeit auch war, begann dort für mich der Abschnitt in ein neues Leben.
Nicht nur, weil wir trotz Mindestlohn eine ganze Menge Geld ansparen konnten, da wir schlichtweg keine Zeit hatten es auszugeben.
So wie ich es empfinde, begann mein Weg in den Pflegeberuf mit dem Thema Rauchen.
Aufgrund von neckischen Bemerkungen meines Chefs zu meinen Raucherpausen entschied ich mich nämlich, nach ca. 10 Jahren, von jetzt auf gleich mit dem Rauchen aufzuhören. Und es war eine der besten Entscheidungen, die ich bis dahin traf.
Da ich Angst vor der Vorstellung hatte, nie wieder in den Genuss einer Zigarette zu kommen, half es mir enorm, immer nur von einem Tag zum nächsten zu denken. "Heute rauche ich nicht, ich kann ja morgen mal eine rauchen, falls ich Lust habe."
Und genau so dachte ich am nächsten Tag wieder. Ich hielt es mir einfach offen. Irgendwann hatte ich es so lange geschafft, dass es mir schlicht zu schade war, nach so langer Zeit wieder anzufangen.
Zudem gewöhnte ich mir an, immer ein Glas Wasser zu trinken, wenn mich das Verlangen nach einer Zigarette überkam. So eignete ich mir zeitgleich das Wassertrinken an, nachdem ich seit meiner Kindheit wirklich fast ausschließlich Softdrinks getrunken hatte.
Falls du dich auch mal entscheiden solltest, mit dem Rauchen aufzuhören, dann lass dich nicht von deinem inneren Schweinehund bestimmen. Spring auf seinen Rücken und reite dieses Vieh dahin, wo du verdammt nochmal hinwillst!
Ich gehe auf das Thema Rauchen nicht nur ein, weil es für mich einen wichtigen Wendepunkt in meinem Leben darstellt, sondern auch, weil es in der Pflege eine nicht unwichtige Rolle spielt. Nicht nur das Rauchen bei vielen Krankheiten bewiesenermaßen als Risikofaktor Nr.1 gilt. Es spielt meiner Meinung nach auch eine Rolle auf der Seite der Pflegekräfte, der viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. Dazu möchte ich aber später nochmal kommen.
Ich hatte also mit dem Rauche aufgehört. Zudem meldete ich mich im örtlichen Fitnessstudio an und trieb das erste Mal seit langer Zeit wieder Sport. Ich stand nun also insgesamt schonmal besser da als vorher und meine Motivation war ebenfalls größer geworden. An meiner grundlegenden Art und Weise mein Leben zu gestalten hatte sich aber quasi nichts verändert. Ich war nun einfach ein nichtrauchender "Loser", der regelmäßig Sport machte und sprichwörtlich nur von 12 bis mittags dachte.
Doch die Rauchentwöhnung schien nur der Anfang einer größeren Veränderung zu sein. Denn 2 Monate nach meinem letzten Tabakkonsum wurde meine Freundin schwanger. Nachdem wir jahrelang nie verhütet hatten, konnten das kein Zufall sein und ich bin mir bis heute sicher, dass der Rauchverzicht einen erheblichen Teil zur Schwangerschaft beitrug.
Mit Begriffen wie "Midlifecrisis" oder "Panikattacken" konnte ich bisher nichts anfangen, aber plötzlich bekam ich beides. Ich hatte wieder dieses Gefühl vor einer Herausforderung zu stehen für die ich nicht reif genug war, doch es gab einen entschiedenen Unterschied. Dieses Mal wollte ich um jeden Preis dafür sorgen, dass ich der Herausforderung gewachsen bin.
Nachts bin ich oft schweißgebadet aufgewacht und habe mein Leben reflektiert. Dabei gingen mir ständig Sachen durch den Kopf gingen wie:
"Scheiße, du bist bald 30." "Du wirst Vater und hast in deinem Leben nichts erreicht."
"Was willst du deinem Kind bieten?"
"Andere haben mit 30 ein Haus. Wolltest du nicht auch immer eines haben?"
"Nochmal die Zeit, die du bereits gelebt hast und du bist ein alter Sack!"
"Das Leben ist verdammt kurz!" "Warum hast du dein Leben so verschwendet?"
Ab diesem Zeitpunkt habe ich meinen inneren Schweinehund an den Hörnern gepackt (Ja, Schweinehunde haben natürlich Hörner) und angefangen ihn zu reiten. Es kam mir vor als wäre ich aus einem 15-jährigen Traum aufgewacht und wollte mich nun knallhart der Realität stellen.
Meinen Handywecker habe ich dann mit Notizen geschmückt wie:
"Steh auf du *****, bald bist du tot!"
Ist das irgendwie geschmacklos? Ja.
Ist es die Wahrheit? Auf jeden Fall.
Hat es mir geholfen? Holy shit, das hat es.
Ich bin auch nach 14-stündigen Arbeitstagen morgens todmüde vor der nächsten Schicht zum Sport gegangen und fühlte mich wie neugeboren.
Ich beschäftigte mich während der Zeit auch mit luzidem Träumen. Das bedeutet, dass man einen "Klartraum" hat, in dem man sich bewusst wird zu träumen und den Traum lenken kann. Dadurch träumte ich noch häufiger und intensiver als ich es sonst schon tat und in einem sehr real wirkenden Traum sah ich mich mit einem kleinen Mädchen, mit dem ich Hand in Hand eine Straße lang spazierte. Ab da war ich mir sicher, dass ich eine Tochter bekommen würde, und hatte so auch immer ein sehr konkretes Bild vor Augen, bei der Vorstellung, warum und vor allem für wen ich mein Leben endlich auf die Reihe kriegen will.
Das half mir wirklich oft in Situationen, in denen die Motivation kurzzeitig wieder zu sinken begann.
Während der Zeit im Wohnwagen hatten wir zwar weder Fernsehen noch guten Internetzugang, aber dafür eine Menge Zeit zum Nachdenken. Zuerst entstanden wieder verrückte Konzepte für Geschäftsideen und Selbstständigkeit. Jetzt aber mit dem Unterschied, dass sogar ein Startkapital vorhanden gewesen wäre.
Trotzdem entschied ich mich für etwas anderes.
Etwas Ehrliches und Solides.
Etwas, das ich damals übersprungen hatte und das mir im Leben oft als Nachteil ausgelegt wurde.
Ich entschloss mich dazu, mir einen Ausbildungsplatz zu suchen, sobald ich wieder zurück in Kiel sein sollte.
Als was? Völlig egal! Irgendwas! Hauptsache, ich mache eine Ausbildung. Bis mein Kind ein Ich-Bewusstsein entwickeln würde, wäre ich damit fertig, und den Loser ohne richtige Berufsausbildung würde sie nicht mehr kennenlernen.
Ich muss zugeben, zurück in Kiel genossen wir, nach einem halben Jahr Wohnwagen, erst einmal wieder den Luxus einer Wohnung und vor allem einfach mal wieder Freizeit zu haben. Ein verrücktes Gefühl. Ich kümmerte mich also nicht, wie geplant, sofort um eine Ausbildung, sondern erst ca. 2 Monate später, als die Weihnachtszeit vorüber war.
Zu dem Zeitpunkt hatte die Pflege immer noch keinen Platz in meinem Kopf. Bei dem Begriff Ausbildung habe ich an vieles gedacht, aber Pflege ist mir dabei nicht in den Sinn gekommen.
Als ich mich dann das erste Mal an den PC setzte, um nach Ausbildungsplätzen zu suchen, wurde mir klar, dass ich mir immer noch nicht vorstellen konnte, z.B. einen Handwerksberuf zu erlernen. Dazu bin ich einfach zu ungeschickt und untalentiert. Ausbildungen im Büro oder ähnlichem waren mit Hauptschulabschluss nicht zu bekommen und die Zustände in der Gastronomie, gerade als Azubi, wollte ich mir wirklich nicht antun.
So wandte ich mich an das zuständige Jobcenter und äußerte dort, dass ich gerne eine Ausbildung beginnen würde. Aus dem darauffolgenden Beratungsgespräch kam ich mit 2 Flyern wieder heraus: Security und Pflege.
Geschichten von "Karrieren" aus dem Sicherheitsgewerbe kannte ich zu viele aus meinem Umfeld. Bei dem, was ich darüber wusste, war mir klar, dass das in vielerlei Hinsicht nicht das Gelbe vom Ei war.
Pflege? Hmmm, stimmt, man hört ja immer wieder, dass Pflegekräfte überall gesucht werden. Arbeitslos wird man damit jedenfalls nicht, und gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz hat man bestimmt auch. Talent braucht man da wohl auch keines.
Also gut, warum nicht? Dann mache ich meine Ausbildung eben in der Pflege!
So fuhr ich erst einmal zu einem Infotag einer Schule. Dort wurden dann allgemeine Fragen beantwortet und was man tun musste, um einen Schulplatz für die Ausbildung zu bekommen.
Ein entscheidender Punkt war jedoch, dass die Pflegeausbildung vor einer großen Veränderung stand. Die Generalisierung. Altenpfleger und Krankenpfleger wurden zu dem Beruf des Pflegefachmanns/ Pflegefachfrau zusammengefasst. Das betraf auch den Beruf des Kinderkrankenpflegers.
Ich hatte keine Ahnung, ob und wie bedeutend diese Änderung war, und es war mir auch völlig egal. Es war mir alles recht.
Ich hatte keinen blassen Schimmer, worauf ich mich überhaupt einließ, und das meist negative Bild über den Pflegeberuf, das in den Medien häufig vermittelt wurde, schob ich erstmal gekonnt beiseite.
Es waren nicht viele Leute bei der Info-Veranstaltung, aber eines fiel besonders auf: Alle hatten bereits Erfahrung in der Pflege gesammelt. Mindestens ein Praktikum hatte jeder der Anwesenden absolviert. Viele waren sogar bereits jahrelang im Pflegeberuf tätig und hatten dementsprechend viel zu erzählen.
In meiner Vorstellung hatte ich eigentlich einen Haufen junger Leute erwartet, für die alles genauso Neuland war wie für mich. Doch sowohl der Erfahrungslevel als auch der Altersdurchschnitt waren bunt gemischt und deutlich gehoben.
Ich kam mir vor wie ein Gast, während alle anderen dort zu Hause zu sein schienen. An diesem Punkt fragte ich mich, ob es mutig und verantwortungsvoll war, mir einen Ausbildungsplatz in der Pflege zu suchen, oder einfach fahrlässig, egoistisch und dämlich.
Ich meine, ok, ich war kurz davor Vater zu werden, musste anfangen Verantwortung tragen und tat jetzt alles, was nötig war.