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»Schaf-Mobbing ist echt nicht geil.« Eine humorvolle Romanze inmitten der schönen Landschaft der Äußeren Hebriden! Sky hat Ärger. Um seine Bewährungsauflagen zu erfüllen, muss er sich einen festen Job suchen – doch leider hält er es nirgendwo länger als ein paar Tage aus. In seiner Verzweiflung schickt ihn sein Bewährungshelfer zu einem alten Freund auf die Äußeren Hebriden, wo er für die Saison auf einem Bauernhof arbeiten soll. Der brummige Schäfer Alastair hat keinen Nerv für divenhaftes Gehabe und zeigt Sky schnell, was er von ihm erwartet – und was nicht. Nach anfänglichen Schwierigkeiten finden die beiden sogar eine große Gemeinsamkeit und der eigentlich passionierte Stadtmensch Sky beginnt, sich an das ruhige Leben auf North Uist zu gewöhnen. Und sich mit den Schafen anzufreunden, denn davon gibt es dort mehr als Menschen. Doch eine abgelegene Insel wie diese eignet sich auch, um das eine oder andere Geheimnis zu verstecken ... Enthält: grantige Schotten, schöne Landschaften, eine schlitzohrige Oma, kriminelle Schlüpfer und eine Schafsdame namens Miss Margaret. Kein Reiseführer. Kein Gartenratgeber.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Gay Romance
© Urheberrecht 2021 Jona Dreyer
Impressum:
Tschök & Tschök GbR
Alexander-Lincke-Straße 2c
08412 Werdau
Text: Jona Dreyer
Coverdesign: Jona Dreyer
Coverbild: depositphotos.com
Lektorat/Korrektorat: Kelly Krause, Kristina Arnold, Shan O’Neall & Sandra Schmitt
Kurzbeschreibung:
»Schaf-Mobbing ist echt nicht geil.«
Sky hat Ärger. Um seine Bewährungsauflagen zu erfüllen, muss er sich einen festen Job suchen – doch leider hält er es nirgendwo länger als ein paar Tage aus. In seiner Verzweiflung schickt ihn sein Bewährungshelfer zu einem alten Freund auf die Äußeren Hebriden, wo er für die Saison auf einem Bauernhof arbeiten soll.
Der brummige Schäfer Alastair hat keinen Nerv für divenhaftes Gehabe und zeigt Sky schnell, was er von ihm erwartet – und was nicht. Nach anfänglichen Schwierigkeiten finden die beiden sogar eine große Gemeinsamkeit und der eigentlich passionierte Stadtmensch Sky beginnt, sich an das ruhige Leben auf North Uist zu gewöhnen. Und sich mit den Schafen anzufreunden, denn davon gibt es dort mehr als Menschen.
Doch eine abgelegene Insel wie diese eignet sich auch, um das eine oder andere Geheimnis zu verstecken ...
Enthält: grantige Schotten, schöne Landschaften, eine schlitzohrige Oma, kriminelle Schlüpfer und eine Schafsdame namens Miss Margaret. Kein Reiseführer oder Gartenratgeber.
Über die Autorin
»Fantasie ist wie ein Buffet. Man muss sich nicht entscheiden – man kann von allem nehmen, was einem schmeckt.«
Getreu diesem Motto ist Jona Dreyer in vielen Bereichen von Drama über Fantasy bis Humor zu Hause. Alle ihre Geschichten haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Die Hauptfiguren sind schwul, bi, pan oder trans. Das macht sie zu einer der vielseitigsten Autorinnen des queeren Genres.
Endlich wieder Schottland! Ich weiß, ich weiß, die meisten von euch können es kaum erwarten, bis wieder eins meiner »Schottenbücher« erscheint, aber meine Muse hat ihr Eigenleben und spuckt nur hier und da etwas aus. Jetzt hat sie sich wieder erbarmt und ich hoffe, ihr habt an dieser Geschichte genauso viel Spaß wie ich.
Ein paar kleine Lesehinweise vorweg:
Im Buch kommt der Name »Annachie« vor. Das ist ein alter, schottischer Männername und spricht sich in etwa »Ännakie«.
Anstatt »ja« und »nein« verwenden die Protagonisten in der Regel die schottisch-umgangssprachlichen Entsprechungen »aye« und »nae«.
Außerdem möchte ich noch erwähnen, dass ich viel über Schafe und deren Haltung recherchiert habe, aber trotzdem kein Schaf-Profi aus mir geworden ist. Sollte die eine oder andere Sache also nicht ganz korrekt sein, bitte ich um Nachsicht. Verbucht es einfach unter »künstlerische Freiheit« oder so.
Und nun wünsche ich euch viel Freude mit meiner neuen Schottengeschichte!
Das hier war der Arsch der Welt. Daran gab es keinen Zweifel, denn sie flogen gerade in seine Ritze ein.
Ich überleb das nicht.
Gnadenlos schaukelte das kleine Flugzeug im Wind und es gab keine Landebahn. Es. Gab. Keine. Landebahn. Hey, wer brauchte die schon, wenn er an einem Strand landen konnte, an dem gerade Ebbe herrschte? Ja, Sky hatte im Hinterkopf gehabt, dass es sich beim Barra Airport um einen Strandflughafen handelte, aber das hier hatte er sich dann doch nicht vorgestellt. Unter diesen Umständen wäre er lieber zu den Western Isles geschwommen. Oder hätte es gleich ganz seinlassen.
Immer weiter näherte sich das Flugzeug dem Boden. Wie sollte das gut gehen? Landen auf Sand? Sky kniff die Augen zusammen, als die Räder aufsetzten. Sie sanken nicht ein. Sie kamen nicht ins Schlingern oder kippten zur Seite und explodierten. Er lebte. Halleluja!
Erleichtert wagte er ein Blinzeln zum Fenster hinaus. Das Flughafengebäude war kaum mehr als eine kleine Baracke, daneben ein paar Autos, darunter sogar ein Traktor. Ein mondäner Schafstall mit eigener Airline sozusagen. In Sichtweite hier und da ein paar vereinzelte Häuser mit reichlich Sicherheitsabstand zum Nachbarn. Des Weiteren: Strand, Wiese, ein paar Hügel und ansonsten das große Nichts.
Aber Skys Reise war hier noch nicht zu Ende. Er musste noch zum Fährhafen und von dort mit der Fähre auf die nächste Insel übersetzen. Und von dort weiter nordwärts auf die nächste. Und die nächste. South Uist, Benbecula und dann sein Ziel: North Uist. Glasgow rückte in unerreichbare Ferne. Das Nachtleben in dem Kaff, das sein Ziel war, bestand wahrscheinlich aus einer Dorfdisco, in der die größten Hits der Nullerjahre von einem Hobby-DJ gespielt wurden, der tagsüber Würstchen verkaufte. Ha! Welches Nachtleben? Da gab es keine Discos. Auf diesen Inseln hier lebten sicher nur haarige Trolle, die mit dem Sonnenuntergang ins Bett gingen. Hoffentlich war wenigstens dieser Bauernhof schön und es gab nachher etwas Gutes zu essen und ein weiches Bett.
Er stieg aus dem Flugzeug. Der Boden war knochenhart. Das Wasser verdichtete ihn offenbar so sehr, dass man tatsächlich auf ihm landen konnte wie auf Asphalt. An diesem Witz von einem Flughafen wartete bereits ein Taxi auf ihn, das ihn zum nur fünf Minuten entfernten Fährhafen bringen sollte. Mit Rucksack und Koffer schwer beladen ging er zum Auto hinüber. Jetzt wurde ihm auch klar, warum die Abflugs- und Ankunftszeiten hier so unterschiedlich waren: Landen konnte man wohl nur bei Ebbe. Verrückt.
Der Taxifahrer grüßte ihn mit einem schlecht gelaunten Brummen und lud sein Gepäck in den Kofferraum. Sky nahm auf dem Rücksitz Platz und sie fuhren los. Er zückte sein Handy und tippte eine Nachricht:
›Hi Ben, bin auf Barra angekommen und schon auf dem Weg zur Fähre. Hier ist wirklich der Arsch der Welt und ich glaube, gleich fängt’s an, zu regnen.‹
Er steckte das Telefon weg und stellte fest, dass der Fährhafen bereits in Sichtweite war. Der war genauso lächerlich klein wie der Flughafen. Aber wozu auch protzen, wenn hier sowieso nur fünf Leute wohnten?
Als Sky an Bord der Fähre ging, überlegte es sich das Wetter doch wieder anders und der Himmel zog auf. Er begab sich an Deck, hielt die Nase in den Wind und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Auf einmal erschien alles doch nicht mehr so schlecht. Vielleicht würde es ja ganz entspannt werden und womöglich war auf North Uist doch etwas mehr los, als er befürchtete.
Trotzdem: Als er auf die glitzernde Wasseroberfläche und kleinere, vorbeiziehende Inseln blickte, dachte er noch einmal darüber nach, wie es eigentlich so weit hatte kommen können, dass er jetzt hier war. Am Arsch der Welt, zwar immer noch in Schottland, aber in jeder Hinsicht weit weg von zu Hause. Worauf hatte er sich nur eingelassen?
»Sky, das geht so nicht weiter.« Bens Blick war vernichtend. Eine Mischung aus Enttäuschung, Zorn und wachsender Ungeduld. »Du kannst nicht jeden Job nach maximal zwei Tagen hinschmeißen, nur weil dir irgendwas nicht passt!«
»Aber wie soll ich das denn durchhalten, wenn es mir nicht gefällt?«, gab Sky zu bedenken. »Das ist doch sonst nur eine einzige Quälerei. Die Chefin hat mich die ganze Zeit so komisch angeschaut ... so ... abschätzig.« Er verzog das Gesicht, genau wie sie es getan hatte.
»Trotzdem kannst du nicht mit ›Mach deinen Scheiß alleine‹ antworten, wenn sie dich bittet, etwas aus dem Keller in die Küche zu bringen.«
»Pff.« Trotzig verschränkte Sky die Arme. »Du hättest ihren Tonfall hören müssen, wie sie es gesagt hat. Als sei ich ein Sklave.«
»Sky.« Ben kniff die Augen hinter der dicken Brille zusammen und rieb sich die Nasenwurzel. »Du weißt, dass eine deiner Bewährungsauflagen lautet, dass du einer geregelten Arbeit nachgehst. Wenn du das nicht einhalten kannst, musst du ins Gefängnis, und glaube mir, dort wird dich keiner besser behandeln als auf dem Straßenstrich. Und dorthin willst du doch nicht, oder?«
»Nae«, gab Sky zu und ließ die Schultern hängen. »Aber du musst was Passenderes für mich finden.«
»Eigentlich bist du derjenige, der etwas finden muss. Als dein Bewährungshelfer ist es mein Job, dich zu unterstützen, aber nicht, dir alles mundgerecht hinzulegen. Wie dem auch sei. Ich habe etwas für dich arrangiert, von dem ich denke, dass es dir wirklich, wirklich guttun könnte. Du musst unbedingt aus deinem gewohnten Umfeld raus, denn ich habe immer noch das Gefühl, dass du dich mit zu vielen falschen Leuten herumtreibst. Wenn das auch nichts nützt, dann ...« Ben schüttelte den Kopf. »Dann sehe ich schwarz für dich.«
»Aha. Und was hast du da arrangiert, wenn ich fragen darf?«
»Ich habe einen Freund. Er ist Schäfer und lebt auf North Uist, das ist eine Insel der Äußeren Hebriden. Jetzt im Frühjahr und Sommer kann er Hilfe gebrauchen.«
»Ich soll Schafe hüten?«, fragte Sky entgeistert. Das musste ein schlechter Scherz sein.
»Auf dem Hof helfen. Sky, ich höre an deinem Ton schon wieder deine Ablehnung, und ich muss dir ehrlich sagen, dass ich es nicht verstehe. Auf der Straße hast du ganz andere Dinge getan und mit dir machen lassen und jetzt bist du dir auf einmal für alles zu fein.«
»Na ja ...« Sky könnte ihm erklären, dass er auf der Straße trotz allem immer das Gefühl der Kontrolle über sein eigenes Leben gehabt hatte. Gut, nicht immer. Aber meist. Dass er dabei auf die schiefe Bahn geraten war, war eine andere Sache. Doch darüber wollte er jetzt nicht mit Ben diskutieren. »Und du fährst mit auf diesen Hof, oder wie muss ich mir das vorstellen? So wegen den Kontrollen?«
»Nae, das geht natürlich nicht. Ich würde ein-, zweimal kommen. Mein Freund Alastair, dem der Hof gehört, würde mir regelmäßig Bericht erstatten und wenn es Probleme gibt, wäre ich natürlich sofort zur Stelle. Auch telefonisch und über den Messenger bin ich jederzeit für dich erreichbar. Deinen wöchentlichen Drogentest würde auch er überwachen.«
»Hat der als Schäfer überhaupt Ahnung von so was?«
»Aye, du wirst es nicht glauben. Ich weiß, es ist etwas unkonventionell und ich werde es vor meinen Vorgesetzten rechtfertigen müssen, aber ich sehe es als eine Chance für dich. Du wärst weit weg vom Milieu und Arbeit an der frischen Luft täte dir gut. Und wer weiß, vielleicht gefällt es dir am Ende sogar richtig gut?«
»Du willst mich ins Niemandsland schicken«, stellte Sky tonlos fest, aber dann kam ihm ein Gedanke. Ben würde nicht dabei sein. Er würde weit entfernt in Glasgow hocken und Sky würde seinen Argusaugen entgehen. Das konnte sogar ganz entspannend werden. Natur, die Seele baumeln lassen. Vielleicht war dieser Schäfer dümmlich und leicht zu beeindrucken und würde Ben durchfunken, dass alles gut lief, auch wenn Sky nicht viel arbeitete. Urlaub auf dem Bauernhof. Ha! Das klang nach einem Plan. »Na gut, ich bin dabei.«
Ben schien überrascht. »Tatsächlich?«
»Aye, ich meine ... warum nicht? Mal was Neues ausprobieren.«
»Na dann.« Zufrieden klopfte Ben mit der flachen Hand auf seinen Schreibtisch. Er schwitzte, obwohl es draußen kalt war. Wahrscheinlich, weil Sky ihn immer so aufregte. »Ich werde deine Anreise organisieren. Richte dich darauf ein, dass es Anfang nächste Woche schon losgeht.«
»Von mir aus.«
Sky verabschiedete sich und ging hinaus. Er wusste genau, dass Ben jetzt erst einmal seine Schublade aufziehen und eine halbe Schokoladentafel essen würde. Er hatte ihn schon zweimal dabei erwischt, als er noch einmal zurückgekehrt war, weil er etwas vergessen hatte. Ben brauchte Nervennahrung nach ihren Begegnungen. Dabei gab es ganz bestimmt sehr viel schwierigere Fälle als ihn! Nur, weil er nicht jede Sklavenarbeit akzeptierte, war er noch lange kein Horrorklient!
Im Bus nach Hause nahm er sein Handy zur Hand, gab North Uist in die Bildersuche ein und wurde direkt als erstes mit einem Bild von einem weißen Sandstrand belohnt.
Nett.
Er schickte das Bild an seine Freundin Megan und schrieb noch dazu:
›Ich bekomme so was wie gratis Urlaub, he he.‹
Es dauerte nicht lange, bis eine Antwort kam:
›Wie das? Wo ist das?‹
›North Uist. Bauernhof. Ich soll dort theoretisch für die Saison mithelfen und Ben ist nicht dabei. Jackpot.‹
›Das ist scheiße weit weg :(‹
›Aye, aber grad vielleicht das Beste. Bewährungsauflagen und der ganze Bullshit. Dort ist es lockerer als hier, wo mir Ben die ganze Zeit in den Nacken atmet.‹
›Kann ich verstehen. Wann geht’s los?‹
›Wahrscheinlich nächste Woche schon.‹
›Oha, dann erwarten wir aber ’ne Abschiedsparty!‹
›Logisch :)‹
Sie erreichten die Haltestelle, an der er aussteigen musste. Etwas lustlos trottete er nach Hause. Seit er aus der Haft entlassen und von der Straße weg war, wohnte er bei seiner Schwester, aber es war nicht so einfach. Sie hatte ihn aus Mitleid aufgenommen und weil Ben sie darum gebeten hatte, denn die WG, in der Sky vorher gewohnt hatte, hatte keinen guten Einfluss auf ihn gehabt. Aber Jamie, ihrem Mann, war deutlich anzumerken, dass er ihn eigentlich nicht im Haus und schon gar nicht in der Nähe seiner beiden Kinder haben wollte. Sky hatte noch mehr Geschwister, aber ähnlich wie seine geschiedenen Eltern hatten die alle zu viel mit sich selbst zu tun, als dass sie noch Platz und Zeit für ihn hätten. Kily war die Ausnahme. Aber Jamie würde ohne Frage froh sein, wenn Sky für eine Weile die Fliege machte.
Als er die Wohnung im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses betrat, dachte er für einen Moment, er sei allein. Aber dann vernahm er Geräusche aus der Küche und entdeckte seine Schwester, die offenbar gerade dabei war, einen Kuchen zu backen.
»Hey«, begrüßte er sie.
»Hey.« Sie drehte sich um. Von all seinen Geschwistern sah sie ihm mit ihrem hellbraunen Haar, den blauen Augen und der eher schmalen Statur am ähnlichsten. Nur hatte Sky Locken, Kily nicht. »Wie lief das Treffen?«
»Gut«, gab er zurück. »Ben hat etwas Neues für mich ausgeheckt. Etwas, was Jamie freuen wird.«
Kily legte den Teigschaber weg und runzelte die Stirn. »Inwiefern sollte etwas Jamie freuen, was Ben für dich ausheckt?«
»Er will mich zum Arbeiten wegschicken. Auf die Western Isles.«
»Auf die Äußeren Hebriden?«
»Aye. Ich soll dort einem Schäfer auf seinem Hof helfen.«
»Du willst mich auf den Arm nehmen, oder?«
»Nae.« Sky schüttelte den Kopf.
»Und warum um alles in der Welt? Was ist mit deinem Job in dem Restaurant?«
»Den bin ich los«, gestand Sky kleinlaut.
»Das ist nicht dein Ernst!«
»Doch.« Er zog die Schultern ein. »Die Chefin war so eine Mistkrücke. Und im Restaurant arbeiten ist einfach nichts für mich.«
Kily stöhnte und nahm den Teigschaber wieder zur Hand. »Und da glaubt Ben, dass Arbeit auf einem Bauernhof eine bessere Idee wäre? Ihr habt doch alle den Verstand verloren!«
»Na ja, dort würde er mich nicht so kontrollieren. Ich hätte mehr Freiheiten.«
»Aye, man kennt sie ja, die Bauern, die ganz viel Verständnis für mangelnde Arbeitsbereitschaft haben ...«
»Ich will da doch auch nicht hin«, gab Sky verzweifelt zu, »aber Ben sagt, dass es sonst langsam düster für mich aussieht.«
»Aber ein Bauernhof?« Kily schüttelte den Kopf.
»Ich weiß. Völlig bescheuert. Aber ich wäre mal hier weg und du müsstest dich meinetwegen nicht mit Jamie streiten.«
»Ach, mach dir darüber keine Gedanken. Du bist mein Bruder, du bist Familie, das muss er aushalten.« Kily füllte den Teig in die Backform.
»Hör auf, immer zu gut für diese Welt zu sein, dann fühle ich mich nur noch beschissener. Ich versuch das einfach. Und wenn es absolut blöd sein sollte, kann ich immer noch schauen, ob ich irgendwo was anderes finde.«
»Hm, aye. Vielleicht tut es dir auch ganz gut, mal aus Glasgow rauszukommen. Du hast für meinen Geschmack immer noch zu viel Kontakt zu komischen Leuten von früher. Ich hab immer Angst, dass du irgendwann doch wieder in dein altes Leben zurückkehrst.«
»Hab ich eigentlich nicht vor.«
»Aye, eigentlich.«
Sky seufzte und ließ die Schultern hängen. »Ist nicht so einfach.«
»Ich weiß.« Sie streckte eine Hand nach ihm aus, merkte dann aber, dass Teig daran klebte, und zog sie wieder zurück. »Darum will ich ja für dich da sein. Ich kann mir dich überhaupt nicht auf einem Bauernhof vorstellen, aber sei’s drum. Vielleicht gefällt es dir am Ende ja noch.«
Der Schlüssel klapperte in der Wohnungstür und Jamie kehrte mit den Kindern zurück. Sky verzog sich in sein Zimmer, um ihm aus dem Weg zu gehen. Am liebsten würde er auch die Mahlzeiten allein für sich einnehmen, weil er sich bei seinem Schwager immer unwillkommener fühlte, aber Kily bestand darauf, dass sie alle zusammensaßen. Wenn Jamie bei der Arbeit war und die beiden Kinder, Sophia und Jack, zu Hause waren, spielte Sky manchmal mit ihnen, aber ein allzu toller, einfallsreicher Onkel war er auch nicht. Es klang komisch, aber manchmal vermisste er sein altes Leben, auch wenn er es zuletzt kaum noch ausgehalten hatte. Wenigstens hatte er dort nicht das Gefühl gehabt, zu gar nichts nütze zu sein. Ob das in North Uist wohl anders werden würde? Eher nicht, aber vielleicht ließ ihn dieser Schäfer in Ruhe und er konnte ein bisschen an einem dieser weißen Strände herumgammeln und überlegen, wo es mit seinem Leben hingehen sollte.
Er schaltete den Fernseher ein und ließ sich eine Weile berieseln. Aber bald rief Kily ihn zum Essen.
»Du kommst vom Festland, oder?« Der Taxifahrer, der ihn am Fährhafen von Eriskay aufgelesen hatte, um ihn zur nächsten Bushaltestelle auf der Hauptinsel von South Uist zu bringen, warf ihm einen Blick durch den Rückspiegel zu.
»Aye, Glasgow.«
Witzig, dass die das hier Festland nennen. Großbritannien ist ja auch nur eine große Insel.
»Hört man. Urlaub?«
»Nae ... nicht direkt. Urlaub und ein bisschen Arbeit.«
»Ah. Und wo geht’s hin?«
»North Uist. Der Ort heißt ...« Sky sah auf den Zettel, auf dem Ben die Adresse notiert hatte. »Dallochan.«
Der Taxifahrer runzelte die Stirn. »Und du kommst von Glasgow?«
»Aye, hab ich doch gesagt. Sind Glaswegians hier unbeliebt, oder warum schauen Sie so?«
»Nae. Ich wundere mich nur gerade. Wenn du aus Glasgow kommst und nach North Uist willst, wieso bist du dann nicht direkt nach Benbecula geflogen? Von dort hättest du dann nur noch eineinhalb Stunden mit dem Bus fahren müssen und wärst da gewesen. So ... dauert’s länger.«
Sky stieß ein leises Grummeln aus und ballte die Fäuste. »Weil der, der die Anreise für mich organisiert hat, offenbar ein Arsch ist.«
»Oder das Gegenteil.«
»Das Gegenteil?«
»Aye. Er wollte bestimmt, dass du bei deiner Anreise die ganze Schönheit unserer Inseln siehst.«
Sky wagte es nicht, dem Mann zu widersprechen, denn man konnte nie wissen, wozu ein verärgerter Taxifahrer im Niemandsland so fähig war.
Die Fahrt war allerdings schnell vorbei und an der Bushaltestelle stieg Sky aus. Jetzt hieß es, eine halbe Stunde warten. Um dann noch mal dreieinhalb Stunden mit dem Bus zu fahren. Oh, er war so wütend auf Ben!
›Sag mal, was soll das eigentlich? Wieso schickst du mich über so viele Umwege nach Dallochan? Hab gerade erfahren, dass ich auch weiter nördlich hätte landen können!‹
Ben antwortete ewig nicht und Sky stand sich die Beine in den Bauch. Er war der Einzige an dieser Haltestelle und erst kurz bevor der Bus eintraf, gesellte sich ein älterer Herr zu ihm, der seinen Gruß nur mit einem unwilligen Brummen erwiderte. Western Isles? Das hier waren eindeutig die Troll-Inseln. Schotten hatten ja so ihren Ruf, und Sky war selbst einer, aber diese Insulaner fand selbst er ziemlich kauzig.
Unter Ächzen hievte er sein Gepäck in den Bus und suchte sich einen Platz. Er hatte praktisch seinen gesamten Hausstand mitgebracht; allzu viel besaß er nicht und wenn er wirklich ein halbes Jahr hierbleiben sollte – was er sich aktuell immer weniger vorstellen konnte –, dann wollte er alles bei sich haben. Von seinem Lieblings-Party-Outfit bis zu seinem Kuscheltier, einer rosa gepunkteten Robbe namens Moonie. Der Bus fuhr an und endlich schickte auch Ben eine Antwort:
›Ich wollte nicht, dass du den spektakulären Flughafen verpasst! Und so hast du mehr Zeit, dich auf deine neue Umgebung einzustimmen. Verläuft immer noch alles reibungslos bis jetzt?‹
Spektakulär? Er hatte spektakuläre Todesangst gehabt, aber vielleicht machte genau das ja den Reiz dieses sogenannten Flughafens aus. Noch mal musste er jedenfalls nicht in einem zu klein geratenen Passagierflugzeug über den Strand brettern.
›Reibungslos bis auf die Feststellung, dass ich viel schneller hätte da sein können und evtl. sogar ohne Todesangst bei der Landung ...‹
›Ach komm. Genieße die Landschaft. Da ist vieles noch ganz ursprünglich.‹
Was meinte er wohl mit ursprünglich? Dass man zur Toilette noch über den Hof gehen musste? Sky bemühte sich wirklich, die vorbeiziehende Landschaft zu genießen. Heide. Grünes Zeug. Ein paar Felsen. Altmodische Häuser. Wahnsinn. Spannend wurde es nur dort, wo Wasser in Sicht kam, aber ansonsten fand er es ... langweilig. Was war eigentlich mit den Leuten los, die in diesen menschenleeren Gebieten vor Freude eine feuchte Hose bekamen?
Und windig war es! Sky hatte nur eine Flasche Haarspray dabei, um seine oft widerspenstigen Locken zu bändigen, und langsam bekam er Zweifel, dass er hier Nachschub kaufen konnte, wenn die alle ging. Gab es irgendwo einen Friseur? Oder schnitt man sich die Haare noch selbst mit Küchenschere und Suppenschüssel?
Ben hat mich in eine Art Knast geschickt, um mich vor dem Knast zu bewahren. Ich weiß nicht so richtig, wie ich das jetzt finden soll.
Auf jeden Fall war es hier nahezu unmöglich, in Schwierigkeiten zu geraten, denn ganz sicher existierte hier weder ein Straßenstrich noch eine Drogenszene. Trolle hatten kein Interesse an solchen Dingen. Sie mochten offenbar lieber Schafe und keine Nachbarn.
Nach dreieinhalb Stunden Odyssee, in denen Sky sicher viermal der Hintern eingeschlafen war und in der er sich schlussendlich mit Serienmörder-Dokumentationen auf YouTube die Zeit vertrieben hatte, kam er endlich in Dallochan an. Ein wenig verloren stand er an der Bushaltestelle, während der Bus um die nächste Kurve verschwand, und ihm fiel auf, dass er gar nicht wusste, wie er von hier zu dem Hof kommen sollte.
Aber seine Frage beantwortete sich, als neben ihm ein Nissan Pick Up hielt und der Fahrer die Scheibe herunterließ.
»Annachie Gordon?«, fragte er grußlos.
»Aye, eigentlich Sky, aber ... aye.«
Der Fahrer runzelte die Stirn, aber erwiderte nichts, sondern gab Sky mit einem Wink zu verstehen, einzusteigen.
»Wohin mit meinem Koffer?«, fragte Sky verunsichert.
»Hinten auf die Ablagefläche.«
»Aber ...«
Der Kerl hob ungeduldig eine Braue und Sky tat zähneknirschend, was er ihm sagte. Er hoffte inständig, dass sein Koffer auf der Fahrt nicht kaputt ging oder nassgeregnet wurde. Mit einem unguten Gefühl im Bauch stieg er auf der Beifahrerseite ein. Der Mann fuhr an und Sky betrachtete ihn verstohlen von der Seite. Sein halblanges Haar hatte einen satten, dunkelroten Ton und er trug einen sorgsam gestutzten Vollbart. Er hatte einen hellgrauen Wollpullover mit Zopfmuster und eine fleckige Jeans an, was ihn altbacken wirken ließ, obwohl er gut in Form zu sein schien. Zwischen seinen Brauen über den dunklen Augen hatte sich offenbar vom vielen böse Gucken schon eine tiefe Falte eingefräst. Es gab keinen Zweifel. Sky hatte ihn gefunden: Den Trollkönig von North Uist.
Aber dann fiel ihm etwas Ungewöhnliches auf, jedenfalls für einen Schäfer auf einer abgelegenen Insel: Sein linker Arm, der unter dem bis zum Ellenbogen hochgekrempelten Ärmel hervorschaute, war offenbar komplett tätowiert. Bis zu den Fingerknöcheln.
»Und Sie sind Alastair MacArthur?«, fragte er vorsichtig.
»Die Frage hättest du mir vielleicht stellen sollen, bevor du zu mir ins Auto gestiegen bist.« Der Kerl rang sich ein winziges Lächeln ab. Eher gemein als freundlich. »Aye, ich bin Alastair. Und du heißt wirklich Annachie Gordon, wie der in dem schottischen Volkslied?«
»Hmm. Aber alle nennen mich Sky, was mir auch viel lieber ist.«
»Wieso Sky? Was hat das mit Annachie zu tun?«
»Viele dachten, ich heiße Anakin, so wie Anakin Skywalker aus Star Wars. Irgendwann wurde daraus eben Sky und das gefällt mir viel besser als der peinliche Name, der in meinem Pass steht.«
»Was für ein Blödsinn.« Alastair schnaubte. »Nichts ist daran peinlich. Das ist Kultur. Sky hingegen, das ist wie der Fernsehsender.«
»Oder wie der Himmel. Oder die Insel Skye.«
Als Antwort erhielt er nur ein leises Brummen. Aber plötzlich begann der Trollkönig, leise zu singen: »For Annachie Gordon he’s bonny and he’s bright, he’d entice any woman that e’er he saw. He’d entice any woman and so he has done me. And I never will forget my love Annachie ...«
O Gott ...
Am liebsten würde Sky im Boden versinken. Es gab nichts Schlimmeres, als wenn irgendjemand dieses Lied kannte und ihm erst mal vorsingen musste. Zum Glück passierte das nur selten, aber dass ausgerechnet der brummige Schäfer ihn damit belästigte, war die Krönung. Das Ganze hier war eindeutig eine Racheaktion von Ben, der Vergeltung dafür üben wollte, dass Sky es ihm so schwermachte. Ein bisschen war es vielleicht auch verdient, aber so langsam kam es ihm unverhältnismäßig vor. Und sie waren noch nicht mal auf dem Hof angekommen. Rechts von ihnen, auf der Wiese, grasten Schafe.
»Sind das Ihre?«, erkundigte sich Sky.
»Aye.«
»Und, äh ... Sie sind ein richtiger Bauer? Schäfer? Hauptberuflich?«
»Aye, hauptberuflich. Kein Crofter.«
»Was ist ein Crofter?«
»Das, was die meisten hier sind. Kleinbauern, die gepachtetes Land bearbeiten. Das bin ich nicht. Ich kann davon leben, weil ich genügend Wolle an die Tweed-Webereien hier verkaufe. Dort wird der berühmte Harris-Tweed hergestellt. Ab und zu verkaufe ich auch Schafe an andere Züchter, aber das ist nicht mein Haupterwerb.« Er sprach mit einem breiten Akzent, der vielleicht sogar sympathisch wäre, würde er nicht so grimmig schauen.
Sky kam ein Gedanke. Inwieweit war Alastair über ihn informiert? Wenn er Ben Bericht erstatten und die wöchentlichen Drogentests überwachen sollte, dann wusste er vermutlich alles. Plötzlich fand Sky diesen Gedanken beschämend. Was mochte so ein harter Kerl vom Land wohl über einen denken, der anschaffen gegangen war und Drogen vertickt hatte? Andererseits war es ihm vermutlich völlig egal, solange Sky keine Schwierigkeiten machte.
Ein längliches, schmutzigweißes, einstöckiges Haus kam in Sicht und Alastair bog in die Einfahrt ein. Sie waren also angekommen. Wieder kam Sky ein Gedanke: Er hatte Ben gar nicht gefragt, ob Alastair allein auf dem Hof wohnte oder ob er Familie hatte.
Sie parkten und Alastair stieg aus, holte den Koffer von der Ladefläche. Sky stieg ebenfalls aus und traute sich kaum, einen Blick auf sein gebeuteltes Gepäckstück zu werfen, während er seinen Rucksack schulterte. Immerhin war Alastair so nett, ihm den Koffer ins Haus zu tragen.
»Ich zeige dir dein Zimmer und wo du das Bad findest«, erklärte er, als sie das Haus betraten. »Dann kannst du dich frisch machen oder was auch immer.
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