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Wie wir Ziele finden, die uns zutiefst erfüllen – vom Top-Coach und Bestsellerautor Wir definieren Glück und Erfolg oft über das Erreichen persönlicher und beruflicher Ziele. Das Problem ist, dass diese meist von anderen stammen – wir leben dann von außen nach innen. Dies entlarvt der Top-Coach und BestsellerautorDr. Stefan Frädrich als eine der mächtigsten Glücksfallen überhaupt: Sie verbiegt uns menschlich, hält uns künstlich klein, lässt uns ein unrundes Leben voller Stress und eingebildeter Pflichten führen. In diesem Buch lernen wir Schritt für Schritt, von innen nach außen zu leben – und so die schönsten Momente und größten Chancen auch wirklich wahrnehmen zu können. Damit wir das schaffen, gibt uns Dr. Frädrich einzigartige, in seinen Coachings tausendfach bewährte Tools an die Hand, etwa den "Ziele-Kompass": Er hat die drei Nadeln Sinn (das, was uns in unserem innersten wirklich befriedigt), Ziel (das sich klar aus dem Sinn ergeben sollte) und Weg (die konkreten Schritte, die uns Ziel und Sinn näherbringen). Der Clou: Immer dann, wenn alle drei Kompassnadeln in die gleiche Richtung weisen, leben wir unsere ganz eigene Bestimmung. Wir befinden uns im Flow und erleben unbändige Kraft, Begeisterung und Lebensfreude. Starten Sie noch heute damit!
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© eBook: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
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Projektleitung: Reinhard Brendli
Lektorat: Daniela Weise
Layout: ki36/Daniela Hofner, München
Covergestaltung: Sandhya Lenk, Köln
eBook-Herstellung: Maria Prochaska
ISBN 978-3-8338-8424-5
1. Auflage 2022
Bildnachweis
Syndication: www.seasons.agency
GuU 8-8424 06_2022_01
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Eigentlich bräuchte das Leben einen Warnhinweis »zu Risiken und Nebenwirkungen«. Denn sosehr wir uns auch bemühen, die Dinge richtig zu machen, sooft gehen sie in die Hose. Und zwar dann, wenn wir das Falsche richtig machen. Oder wir machen etwas eigentlich falsch, genießen es aber und erreichen gute Ziele. Dann tun wir das Richtige. Ersteres tut weh, Letzteres macht glücklich. Ersteres ist brav, Letzteres gesund. Ersteres vermeidet Risiken und Nebenwirkungen, hat aber langfristig genau diese. Und zwar die schlimmeren.
Also beginnen wir zumindest dieses Buch mit einem Warnhinweis: »Achtung! Die nun folgenden Gedanken fügen dir und deinem Leben erhebliche Klarheit und Kraft zu. Bitte informiere dein Umfeld über anstehende Irritationen, Konflikte und Veränderungen. Alles ist gut, selbst wenn manches zunächst nicht so scheint.«
Na? Ein wenig Angst bekommen? Hoffentlich. So ganz ohne Herzklopfen wäre es nur der halbe Spaß. Wobei ich dich um eines bitten muss: Geh die Gedanken dieses Buches unbedingt in der richtigen Reihenfolge durch! Von vorne nach hinten. Kapitel für Kapitel. Satz für Satz. Jedes. Einzelne. Wort. Warum? Nun, es ist wie beim Kochen. Mit genau den gleichen Zutaten können wir das leckerste Gericht zaubern oder sie ergeben einen Klumpatsch Biomüll. Auf das Rezept kommt es an. Und wenn du magst, mach dir beim Lesen gerne Notizen, um die Rezepte nicht zu vergessen.
Hilfreiche Gedanken als Medikamente betrachten? Gefällt mir.
An dieser Stelle provoziere ich womöglich Gegenreaktionen. Ungeduldige wollen schnelle Lösungen, Leidende Linderung und andere sich sowieso nichts vorschreiben lassen. Für all das habe ich Verständnis, doch es hilft leider nichts, sondern nährt nur die jeweiligen Ausgangszustände: Ungeduld, Festhalten, Trotz. Nur führen nicht Bestätigungen des Bisherigen auf die nächste Ebene, sondern Erweiterungen, Vertiefungen und passende Rahmen.
Klar ist es einfacher, sich mit gefälligen Sprüchen zu füttern: Wir sollen Entscheidungen treffen, positiv sein, stets freundlich und uns gut organisieren. Hört man doch überall. Aber auch den Dingen Zeit geben, Gefühle zulassen (sogar die weniger positiven), klare Ansagen machen und das Chaos des Lebens annehmen. Was stimmt denn nun? Wie sooft beides. Jeweils im richtigen Moment. Und in der richtigen Dosis.
Dieses widersprüchlich erscheinende Spannungsfeld begleitet mich seit Jahrzehnten. Beruflich wie privat. Ich habe Ziele erreicht, die für viele Menschen nach mehreren Leben klingen. Andere Ziele noch nicht, obwohl sie mir wichtig sind. Und trotzdem weiß ich, dass es überhaupt nicht um Ziele geht, sondern diese nur Konstrukte sind, welche uns von Zeit zu Zeit äußerlich ausrichten. Es sind die Strukturen hinter den Zielen, die tieferen und echten, die uns Kraft geben und wirklich gut leben lassen.
Um die Kraft der inneren Ausrichtung geht es hier im Buch. Und eben nicht um ein paar Werkzeuge für ein bisschen mehr Glück und Erfolg. Viel zu flach.
Message angekommen? Dann vertrau mir bitte. Es gibt einen Grund, weshalb du gerade diese Zeilen liest. Irgendetwas willst du wissen, dich neu ausrichten, erfahren oder sortieren. Persönlich oder beruflich. Vielleicht weil du in einem Loch steckst, in eine Sackgasse geraten bist oder eine Durststrecke durchlebst. Oder einfach um Inspiration zu tanken. Alles gute Gründe weiterzulesen. Also noch mal: Ich weiß, was ich hier tue. Mit dir und für dich. Deshalb nicht husch, husch. Erst kommen die Wurzeln, dann kriegst du Flügel. Versprochen.
Dieses Buch ist zehn Jahre in mir gewachsen. Und ich bin währenddessen mit ihm gewachsen. Mitten in einem prall gefüllten bunten Leben. Meistens mit guten, aber auch mit dunklen Tagen. Immer wieder wollte ich mich an den Schreibtisch setzen und damit beginnen. Und immer wieder kamen neue Erkenntnisse und Puzzleteile, die ich zunächst verstehen, wirken lassen, zusammensetzen und ausprobieren musste. Nicht nur in meinen Coachings, Seminaren und Vorträgen, sondern vor allem bei mir selbst, im eigenen Leben und mit den Menschen, die mir wichtig sind. Theorien sind gut, Erfahrungen besser. Das war eine intensive Reise, mitunter auch eine, die wehtat. Und jetzt ist dieses Buch reif. Für mich. Und gerne auch für dich, wenn du magst.
Auch dir werde ich manche Spannung, Dehnung und emotionalen Pikser nicht ganz ersparen können. Das bringt Klarheit so mit sich, denn sie beseitigt Illusionen. Alles kein Drama, sondern Teil jeder persönlichen Geschichte, die stimmig gelebt werden will. Denn Klarheit lässt uns auch erkennen, wohin es wirklich geht. Und tut zwar mitunter etwas weh, gibt aber mehr Kraft als die schönsten Luftschlösser.
Also, legen wir los!
Dein Stefan Frädrich
Statt Glück und Zufriedenheit erreichen wir oft das Gegenteil: Wir landen im Hamsterrad eingebildeter Pflichten, ohne wirklich anzukommen, wo wir hinwollen. Wir spüren den Wunsch nach Substanz und Ruhe, haben aber keine Zeit dafür. Der Kalender ist zu voll. Also Augen zu und durch. Was muss, das muss.
Dieses System ist schief. Irgendwie geht es nie ganz auf, denn wir landen zu leicht irgendwo da draußen statt bei uns drinnen.
Hast du schon mal Ziele erreicht? Und welche verfehlt? Willkommen im Club. Kaum etwas ist in unserem Kulturkreis so normal wie die Ausrichtung an Zielvorgaben. Schulnoten, Einkommen, Body-Mass-Index. Dahinter stehen Wünsche: Erfolg, Freiheit, Attraktivität. Und hinter denen Bedürfnisse: Anerkennung, Autonomie, Geliebt-werden-Wollen. Also definieren wir, wo wir konkret hinwollen. Schaffen wir, was wir uns vornehmen, ist alles okay. Wenn nicht, fehlt uns etwas, und wir reagieren darauf mit neuen Zielen: bessere Noten, mehr Einkommen, ein strafferer Bauch. Mehr Wollen geht immer. Im Job sowieso: Umsatz, Qualitätskriterien, Arbeitsstunden. Überall Kennzahlen, die erreicht werden müssen, weil sie das Unternehmen koordinieren und ausrichten. Wie auch sonst? Und wenn von Zeit zu Zeit die Seele zwickt, brauchen wir seelische Ziele: mehr Achtsamkeit, mehr Nähe, mehr Abenteuer. Also buchen wir Yogakurse, vereinbaren Termine mit dem Partner und fliegen in den Urlaub. Passt schon noch rein ins volle Leben.
Doch statt Glück und Zufriedenheit erreichen wir oft das Gegenteil: Wir landen im Hamsterrad eingebildeter Pflichten, ohne wirklich anzukommen, wo wir hinwollen. Wir spüren den Wunsch nach Substanz und Ruhe, haben aber keine Zeit dafür. Der Kalender ist zu voll. Also Augen zu und durch. Was muss, das muss.
Die einen schaffen es, so jahrzehntelang zu funktionieren. Die anderen schlittern in Krisen, aus denen sie sich Auswege suchen: Antidepressiva, Astrologie, dramatische Lebensumbrüche. Irgendwann soll alles einen Sinn ergeben. Wieder andere flüchten nach vorne: Sie besuchen Motivationskurse, spüren ihre Atmung, werden spirituell. Das Ziel: die Persönlichkeit weiterentwickeln. Irgendwie müssen wir noch besser werden, uns unseren Zielen anpassen. So wie wir sind, sind wir nicht genug. Also müssen wir an uns arbeiten. Haben wir schließlich einen neuen Sinn gefunden, gießen wir ihn rasch wieder in konkrete Formen und visualisieren unsere Wünsche: Traumhaus, Traumpartner, Traumkörper, Millionen auf dem Konto. Der Teufelskreis schließt sich und alles fängt von vorne an.
Dieses System ist offensichtlich schief. Irgendwie geht es nie ganz auf, denn wir landen zu leicht irgendwo da draußen statt bei uns drinnen. Je jünger wir sind, desto leichter fällt es uns mitzuspielen. Kein Wunder bei der langen To-do-Liste: Partnerschaft, Kinder, Karriere, Selbstverwirklichung. Doch je älter wir werden, desto mehr differenzieren wir uns aus. Wir spüren, wer wir sind und wer nicht oder nicht mehr. Aus jahrelanger Erfahrung. Also warum noch weiterhecheln? Der Partner sitzt auf dem Sofa oder ist bereits Geschichte, den Kindern geht es gut, der Job ist erledigt, wir haben es geschafft. Und jetzt? Ist da noch mehr? Oder vielleicht weniger und dafür Tieferes? Statt Zielen rückt der Sinn in den Mittelpunkt. Obwohl er da von Anfang an hätte sein sollen.
Also beginnen wir dieses Buch mit Konstruktionsfehlern von Zielen. Denn wie wir sie erreichen, wissen wir sowieso: Setz dir ein Ziel, plane deinen Weg, verpflichte dich dem Ziel, handle fokussiert, arbeite hart und halte durch! Fünf Kilo abnehmen? Kein Problem: Ernährungsumstellung. Weniger Zucker, weniger Alkohol, mehr Grünzeug. Sport natürlich auch. Und schon startet das Projekt: minus ein Kilo, minus zwei, minus drei. Freilich nicht ganz so einfach. Die Pizza ruft: »Iss mich!« Auch ein Glas Wein wäre fein. Und manchmal würden wir Kindern ihr Eis klauen. Egal, wir halten durch. Minus vier Kilo, minus fünf, geschafft. Und was kommt dann? Die Pizza ruft immer noch: »Iss mich!« Und wir folgen dem Ruf. Immerhin sind wir am Ziel. Leider dauert es nicht lange, bis aus minus fünf Kilo plus sechs geworden sind.
Was zum Teufel passiert da? Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg, heißt es doch. Stimmt das etwa nicht? Die Wahrheit ist komplexer. Denn wichtiger als das Ziel ist das Verhalten, welches dorthin führt. In dem Fall also die Ernährung. Und wer dreißig Jahre lang gerne Pizza und Eis gegessen hat, kann das zwar eine Weile unterdrücken, aber nicht dauerhaft. Die Gewohnheit ist stärker. Demnach muss die Veränderung auf einer anderen Ebene erfolgen. Sich ein paar Tage lang zusammenreißen reicht nicht, wenn wir unser neues Verhalten auch beibehalten wollen. Dann aber geht es nicht um das Ziel, fünf Kilo abzunehmen, sondern darum, wer wir sein wollen. Das Ziel lenkt von dieser Frage nur ab.
Hallo, Jo-Jo-Effekt! Ziel erreicht und doch wieder gescheitert.
Also: Wer wollen wir sein? Oder sollten es zumindest sein? Jemand, der es nicht mag, wenn der Gürtel spannt. Jemand, der isst, wenn er Hunger spürt, und aufhört, wenn er satt ist – und nicht erst, wenn der Teller leer ist. Jemand, der gerne regelmäßig in der richtigen Dosis Sport macht, ohne Fitness-App, weil der Körper sowieso signalisiert, dass ihm Bewegung guttut und wie viel davon. Werden wir zu so einem Menschen, stimmt unser Gewicht von selbst. Es ist das logische Ergebnis des richtigen inneren Programms – unabhängig von Zahlen. Das Ziel ist dann irrelevant, der Weg wird zum Ziel.
Warum tun wir dann nicht einfach das offensichtlich Richtige? Weil Essen auch andere Funktionen erfüllt: Es tröstet oder lenkt ab. Was die Fragen aufwirft, wobei und wovon. Frust? Stress? Langeweile? Außerdem schmeckt es. Nur: Muss man sich wegen ein paar Sekunden Genuss wirklich eine Diät antun? Oder später chronische Krankheiten? Welche anderen Glücksspender fehlen da? Wobei auch viele Schlanke ständig Diäten machen. Irgendetwas fehlt immer zur Traumfigur, wenngleich nur im eigenen Kopf. Vielleicht weil es gar nicht um die Figur geht, sondern um das Gefühl, nicht zu genügen. Oder um den Wunsch zu kontrollieren. Jetzt ist nicht mehr der Weg das Ziel, sondern das Ziel nur noch im Weg.
Dieses plakative und doch sehr verbreitete Beispiel zeigt, was dahintersteckt: irgendwelche Stacheln oder Motoren, die tiefer sitzen. Selbst wenn wir sie vor lauter Ablenkung gar nicht mehr wahrnehmen, treiben sie uns an. Der Unternehmer skaliert sein Geschäft, um es immer noch seinem Vater zu zeigen, obwohl der schon seit Jahren tot ist. Die zweifache Mutter flüchtet in geschlechtslose Biederkeit, um sexuelle und berufliche Konkurrenz zu vermeiden. Der liebeskranke Verlassene klammert sich an seine Ex, weil er zu schüchtern ist für neue Frauen. Doch statt die zugrunde liegenden Knoten zu lösen, wird der Vorgarten bepflanzt, werden Wachstumsziele definiert oder strikt nach Plan die Muskeln trainiert, um wenigstens äußerlich stark zu wirken. So werden Ziele zu Krücken kreativer Vermeidung. Wir laufen vor uns weg statt zu uns hin.
Ich ahne Widerstand. Kann man nicht einfach Spaß am Unternehmertum haben? Schöne Vorgärten lieben? Oder einen coolen Bizeps? Alles okay. Sofern es freie Handlungen sind, die ohne Reaktanz oder Zwänge erfolgen, weil es um die Handlung selbst geht. Man kann und soll lieben, was man tut. Lecker essen, ohne Kalorien zu zählen. Verzichten können, ohne sich zu kasteien. Von Projekt zu Projekt eilen. Mit Hingabe gärtnern. Oder gerne trainieren. Dann aber geht es um Liebe zur Sache, nicht ums Erreichen von Zielen.
Innerer Antrieb führt zu Handlungen, die führen zu Ergebnissen und der Prozess mit der Zeit zu immer besseren Ergebnissen. Sowieso. Terminierte Ziele? Lächerlich.
Im Fitnessraum meines Lieblingshotels hängt ein großes Schild an der Decke. Darauf stehen Sprüche, die motivieren sollen und besonders während der Beinpresse gut zu lesen sind: Never give up. No pain, no gain. Stop wishing, start doing. Work hard. Dream big. Geläufige Meme, schon unzählige Male gehört und nachgeplappert – aber selten hinterfragt. Tun wir das mal.
Never give up?Winston Churchill lässt grüßen. (In seiner Rede vom 29. Oktober 1941 schwor der damalige britische Premierminister sein Volk ein, gegen die Deutschen durchzuhalten: »Never give in – never, never, never …«) Und ja, Hartnäckigkeit und Ausdauer sind Tugenden, die sich auszahlen können – bei der richtigen Sache. Was aber bei der falschen? Dann ist es besser, schnell und hart zu scheitern und sich das einzugestehen. Die nächste Möglichkeit wartet! Vielleicht eine bessere? Wäre blöd, die zu verpassen.
No pain, no gain? Das mit den Harten im Garten. Klar braucht es hin und wieder das Dehnen der eigenen Grenzen – und das kann mal wehtun. Aber: Schmerz ist ein Warnsignal, vor allem wiederkehrender oder dauerhafter. Und dass er sogar eine Bedingung für Wachstum sein soll, ist Unsinn: Das hieße ja, jedes Wachstum wäre zwingend mit Schmerz verbunden. Dabei wachsen wir gerne freiwillig dahin, wo wir Freude spüren – ohne Schmerzen. Also: Wer darauf steht, meinetwegen. Aber Masochismus als Leistungsprinzip? Nein.
Stop wishing, start doing? Bislang mein Favorit. Vorausgesetzt, die Handlung wird nicht zum reinen Selbstzweck. Denn oft ist es klüger, eben nicht zu handeln, obwohl man es gerade will: Impulskontrolle. Nicht zu unterschätzen.
Work hard? Zugegeben: Bei der Arbeit hin und wieder Gas zu geben, macht Spaß und gehört dazu. Mit der Betonung auf hin und wieder. Als Dauerzustand? Eher ungesund.
Dream big? Gefällt mir auch erst mal. Aber doch bitte gut ausgesucht. Immer überall nach den Sternen greifen zu wollen, klingt getrieben, nach Stress und Verzettelung! Nicht gut.
Vorschläge zur Umbenennung: Bleib dran, wo es sich lohnt. Geh über deine Grenzen, wo es sich richtig anfühlt. Probiere deine Ideen aus, vielleicht sind sie gut. Handle hingebungsvoll, als würdest du spielen. Wo dir das nicht guttut: Finde die richtige Dosis. Oder such dir etwas Besseres. Träume groß, wenn du etwas willst und gut kannst. Ansonsten: Bleib gechillt, bis du dein Ding findest. Na also, geht doch. Ohne Ziele. Es ist ein bisschen schräg. Ich liebe positive Affirmationen und nutze sie ständig – beruflich wie persönlich. Ich kann das und schaffe das. Und los geht es! Tatsächlich hat ein motivierendes inneres Selbstgespräch enormen Einfluss auf unser Leben. Es macht langfristig den Unterschied zwischen Lernen und Leiden, Können und Kneifen, Wachsen und Schrumpfen. Und es macht mir riesigen Spaß, das auch als Redner zu vermitteln.
Wer denn sonst? Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier?
Köln, Lanxess Arena. Ich spreche über Affirmationen gegen Angst. »Ihr steht vor einer Herausforderung und sagt euch: Ich mach das jetzt! Was sagt ihr?« 15 000 Stimmen antworten: »Ich mach das jetzt.« Stark, emotional, magisch. Am Ende Standing Ovations. Hach, ich liebe meinen Beruf. Und ich setze gerne Impulse, die guttun. Dennoch bin ich mir der Verantwortung bewusst, Impulsen den richtigen Rahmen zu geben, weil sie sonst zu hohlen Sprüchen werden. Und die tun nicht gut, sondern sind Strohfeuer. Wenn es dumm läuft, gefährliche.
Vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass ich den Begriff Ziele bislang eher vage benutze und mich noch vor Definitionen drücke. Sind es dann überhaupt richtige Ziele? So mancher Profi würde mir widersprechen. Man solle sie möglichst klar definieren und formulieren, damit sie greifbar, planbar und machbar werden. Zum Beispiel sollen sie SMART sein, also spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert. Andere hingegen zielen höher und formulieren blumiger: Ein Ziel sei ein Traum mit einem Datum. Ich verstehe Logik und Absicht dahinter, halte sie aber ebenfalls für schief. Doch der Reihe nach.
Laut Theorie, um unsere Wünsche und Visionen zu konkretisieren. Das zöge diese dann in unser Leben. Sich ein schönes Haus zu wünschen, reicht nicht, es muss genauer sein. Wie sieht es aus? Wo steht es? Wie groß ist es? Mit Pool oder ohne? Man hört ja hin und wieder, dass manche so ihre Träume anziehen. Die machen es wohl richtig. Wirklich? Oder sind das nur die statistischen Ausreißer aus der riesigen Gruppe all jener, die es nicht schaffen, obwohl sie es probieren? Und mal angenommen, du findest auf diese Weise tatsächlich dein Traumhaus und unterschreibst glücklich sabbernd die Hypothek: Was kann schiefgehen? Vielleicht übernimmst du dich finanziell und strampelst dich noch mehr ab? Oder deine Nachbarn nerven? Oder deine Ehe geht in die Brüche und einer zieht aus? Vielleicht du? Soll vorkommen. Oder deine Prioritäten ändern sich und du sehnst dich nach einer pflegeleichten Stadtwohnung? Vielleicht musst du dann deinen Palast weit unter Wert verkaufen? Deine Kinder jedenfalls leben längst in Berlin, die ziehen nicht mehr zurück nach Hintertüpfelbach. So ein Mist. Wäre bloß das spezifische Ziel nicht gewesen.
Auch das, um sie möglichst präzise zu definieren. Weil das angeblich nötig ist. Mehr Geld haben zu wollen, reicht nicht aus. Wie viel ist denn mehr Geld? Hunderttausend Euro? Zehn Millionen? Wichtige Frage, weil sie die Weichen ganz anders stellt. Für den ersten Fall reicht es oft aus, gut zu haushalten und eine Weile zu sparen. Für den zweiten sollte man eher sein eigenes Business starten und Gas geben. Nur stehen dahinter wieder die grundsätzlicheren Fragen, wie man leben möchte und warum genau so. Wegen einer Zielformulierung kündigen? Manche machen das. Kann aber danebengehen, vor allem wenn man seinen Job gerne macht und von Business keine Ahnung hat. Oder ist der Traum vom Reichtum nur eine Abwehrstrategie gegen Existenzängste? Das klingt nach einer Seifenblase, die sowieso platzt. Klüger wäre es dann, den Ängsten auf den Grund zu gehen. Woher kommen sie? Wie gehen sie weg? Und dann mehr Geld zu verdienen, als man ausgibt. Oder weniger auszugeben, als man verdient. Das eigentliche Ziel wäre sofort erreichbar, kein großes Drama. Und reich werden geht danach immer noch.
Damit sie eine magnetische Wirkung entfalten. Wir sollen sie erreichen wollen. Ich zum Beispiel fand es mal total attraktiv, Arzt zu werden. Also habe ich zunächst in der Krankenpflege gearbeitet, dann sechs Jahre lang Medizin studiert, währenddessen promoviert und am Ende hielt ich sogar ein Einser-Examen in den Händen. Geschafft! Was ich leider nicht bedacht hatte: Zwar wollte ich immer Arzt werden. Die Reise dorthin war wirklich eine gute Erfahrung. Aber ich wollte kein Arzt sein. Zu starre Strukturen, zu wenig Kreativität, zu enge Spielräume. Und wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, wusste ich das schon mit neunzehn während meines Zivildienstes im Krankenhaus. Nach kurzer Zeit als fertiger Halbgott in Weiß warf ich also das Handtuch – nach einem Investment von insgesamt zehn Jahren.
Hätte ich weniger aufs vordergründig attraktive Ziel starren und mehr auf mein komplexes Selbst hören sollen? Natürlich will ich keine einzige Erfahrung und Erinnerung missen. Aber andere wären auch wertvoll gewesen, da bin ich mir sicher.
Damit wir uns nicht übernehmen. Hierüber kann ich nur lachen. Was für ein Hang zum Mittelmaß! Welche Norm definiert denn bitte, was realistisch ist? Neulich habe ich Naveen Jain interviewt, einen Milliardär, der DNA-Therapien entwickelt. Er will Krankheiten rein optional machen. Oder ich habe mich mit Muhammad Yunus unterhalten, der für seinen Kampf gegen Armut den Friedensnobelpreis erhalten hat. Google will Dinge nicht nur ein bisschen verbessern, sondern stets mindestens um das Zehnfache. Auf unserer Bühne stand Barack Obama, der war mal Präsident der USA. Seine Schwester Auma haben wir in Kenia besucht. Dort baut sie eine Schule auf, in der Kinder und Jugendliche lernen, wie sie ökologische Landwirtschaft betreiben und so nachhaltig die eigene Familie ernähren, statt sich in Städten für billige Jobs zu verdingen und in Slums zu leben. Realistische SMART-Ziele? Ein trauriger Witz dagegen.
Damit wir uns an die Termine halten und unsere Fortschritte strukturieren. Im Ernst? Wie lernen Kinder laufen? Schritt für Schritt auf wackeligen Beinen. Dabei fallen sie immer wieder hin. Je nach motorischer Begabung dauert dieser natürliche Prozess mal länger, mal kürzer. Er ist evolutionär erprobt und funktioniert. Niemand käme auf die Idee, terminierte Ziele zu formulieren: Bis zum 31. Juli muss die kleine Lisa zehn Meter in unter 30 Sekunden schaffen. Absurd, denn laufen lernt sie sowieso aufgrund eines biologischen Programms. Gilt das gleiche Prinzip nicht überall? Innerer Antrieb führt zu Handlungen, die führen zu Ergebnissen und der Prozess mit der Zeit zu immer besseren Ergebnissen. Sowieso. Terminierte Ziele? Lächerlich.
BULLSHIT-BINGO
Merke: Du musst flexibel bleiben. Aber verbieg dich nicht. Du bist gut, wie du bist. Werde trotzdem besser. Du kannst sein, wer du willst. Also finde dich selbst. Nein, erschaffe dich selbst. Sei dabei achtsam. Und nicht zu empfindlich. Nimm das Leben leicht. Das Leben kann hart sein. Verlasse deine Komfortzone. Aber beachte deine Grenzen. Respektiere deine Gefühle. Und nimm dich selbst nicht zu ernst. Denke groß. Und bleib auf dem Teppich. Lebe wild und unersättlich. Und finde das richtige Maß. Kämpfe für deine Ziele, bis du sie erreicht hast. Manches soll aber einfach nicht sein. Gut ist gut genug. Doch es geht immer besser. Pass dein Leben deinen Wünschen an. Und nimm alles, wie es kommt.
Na, schon wirr im Kopf? Ich auch. Reinstes Bullshit-Bingo.
Kann man Ziele nicht auch ohne Kompass erreichen? Durchaus. Wahrscheinlich erreichen wir die meisten Ziele im Leben zufällig entlang des Weges.
Angenommen, du hältst dieses Buch mit ausgestreckten Armen vor dich und lässt es dann los. Was wird passieren? Sofern du dich nicht in einem Raumschiff oder auf einem Parabelflug befindest, wird es zu Boden fallen. Die Schwerkraft. Du kannst den Versuch zehnmal wiederholen oder zehntausendmal. Kein einziges Mal wird das Buch in der Luft stehen bleiben.
Andere Zusammenhänge sind weniger klar. Wusstest du zum Beispiel, dass Männer mit Glatze laut Statistik mehr Geld verdienen als solche mit Haaren? Sollten sich finanziell ambitionierte Kerle also auch oberhalb des Gesichts rasieren? Nein, denn der Zusammenhang besteht nur indirekt: über das Alter. Ältere Männer verdienen mehr Geld als jüngere. Und ältere Männer haben weniger Haare. So etwas nennt man eine Korrelation. Das eine hat ursächlich nichts mit dem anderen zu tun, obwohl beide Merkmale zeitgleich auftreten. Im Gegensatz zur Kausalität wie bei der Schwerkraft, die direkt für das Herunterfallen eines Buches verantwortlich ist.
Ähnlich ist es bei den Zielen. Fragt man einen erfolgreichen Freund der Zielfokussierung nach seinem Rezept, benennt er es gerne: Setz dir ein Ziel, plane deinen Weg, verpflichte dich dem Ziel, handle fokussiert, arbeite hart und halte durch! Hatten wir schon. Kann es sein, dass es sich auch bei solchen logisch klingenden Algorithmen um Korrelationen handelt statt um Kausalitäten? Immerhin wäre möglich, dass besagte Erfolgreiche gar nicht wegen ihrer Zielplanung ankommen, sondern weil sie ein so starkes inneres Programm haben, dass sie gar nicht anders können, als konsequent eine selbst gewählte Richtung einzuschlagen – und dann auch irgendwo zu landen, wo es ihnen gefällt. Ähnlich einem Kind, das laufen lernt. Dann könnte auch das Gegenteil gelten: Setz dir keine konkreten Ziele, handle spontan und instinktiv, lass immer wieder los, habe Mut zur Unschärfe, geh die Dinge spielerisch an und genieße deine Reise, denn du musst nirgendwo ankommen! Klingt auch gut, oder?
Gehen wir die Hypothesen der Reihe nach durch. Warum sollten wir uns überhaupt Ziele setzen? Dahinter steht das Modell, dass sie uns ausrichten, ähnlich einem Kompass. Wer zum Nordpol will, braucht nur der Kompassnadel zu folgen und kommt irgendwann an, selbst wenn er unterwegs zickzack läuft. Doch kann man Ziele nicht auch ohne Kompass erreichen? Durchaus. Wahrscheinlich erreichen wir die meisten Ziele im Leben zufällig entlang des Weges. Quasi nebenbei, ohne dass sie uns Mühe kosten. Du meinst, genau zu wissen, wie dein Traumpartner sein soll? Und dann triffst du zufällig dieses zauberhafte Geschöpf an der Bar, das so ganz anders ist. Ihr verliebt euch, kriegt Kinder, baut miteinander ein Leben auf.
Ziel erreicht, obwohl doch der Kompass woanders hinzeigte.
Im Meeting fällt dir keine passende Idee ein? Aber eine Woche später in der Badewanne. Dumm gelaufen, das Brainstorming ist schon vorbei – und aus einer viel schlechteren Idee längst ein durchgeplantes Projekt geworden, an dem schon ein ganzes Team arbeitet.
Eines der verrücktesten Ziele, das ich je erreicht habe, war eine Geschäftsführungsposition in einem mittelständischen Textilhandel. Dabei hatte ich zunächst weder von Textilien Ahnung noch von Betriebswirtschaft. Nachdem ich meinen Beruf als Arzt hingeworfen hatte, engagierte mich ein Freund meiner Eltern für sein Unternehmen, weil er einen Nachfolger suchte. Aus seiner Selfmade-Mentalität heraus interessierte er sich weniger für fachliche Qualifikationen als vielmehr für einen guten Typen, dem er alles beibringen konnte. Zuvor hatte er bereits mehrere Jahre um mich geworben. Ich dachte also, Probieren geht über Studieren. (Schon wieder so eine Phrase.) Deshalb: neue Stadt, neuer Job, neues Lebenssetting. Ich hatte ja nichts zu verlieren, bekam sogar ein prima Gehalt samt schickem Dienstwagen. Und es hätte auch tatsächlich etwas werden können, denn ich genoss meine neue Freiheit, mochte Textilien und das unternehmerische Denken. Außerdem wurde ich Betriebswirt, wofür ich Seminare besuchte und so meine eigentliche Leidenschaft kennenlernte: Trainings zu halten und Menschen zu coachen. Also kündigte ich wieder und machte mich als Trainer und Coach selbstständig. Ich wusste einfach: Ich liebe das und kann das. Und so war es dann auch. Heute hat mein eigenes Coaching-Unternehmen zig Mitarbeiter, ich habe etwa 25 Bücher geschrieben und bekomme für einstündige Vorträge unverschämt viel Geld. Ich habe nirgendwo hingezielt und dabei genau meinen Jackpot getroffen. Was wäre wohl aus mir geworden, wenn ich Arzt geblieben und den konventionellen Weg gegangen wäre? Vielleicht ein depressiver Psychiater in einer schwäbischen Kleinstadt.
Seien wir ehrlich: Nur wenige erfolgreiche Biografien verlaufen geradlinig. Brüche und Sprünge sind eher die Regel als die Ausnahme. Mit strukturierter Zielerreichung hat das nichts zu tun. Ein Weg entsteht beim Gehen. Und dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße. Der krumme Baum lebt sein Leben, der gerade wird ein Brett. Oh, gute Sprüche!
Ist die eigentliche Funktion von Zielen dann, Menschen zu motivieren? Auch das kann nicht uneingeschränkt gelten, denn Ziele motivieren nur die Zielstrebigen. Viele Menschen sind aber gar nicht zielstrebig, sondern wollen einfach nur in Ruhe ihr Ding machen, ohne von größeren Ambitionen belästigt zu werden. Da können Chefs ihr Team noch so sehr auf neue Ziele einschwören, einer Hälfte wird das stets egal sein, weil sie eine andere Persönlichkeit haben. Und das ist auch gut so: Irgendwer muss schließlich die Arbeit machen. Und die besteht nun mal zu einem großen Teil aus eingespielten Prozessen und sozialem Miteinander – unabhängig von Zielen.
An dieser Stelle können wir auch gleich den Mythos von den großen Zielen platzen lassen. In der Theorie lautet er so: Such dir möglichst große Ziele, denn je größer dein Ziel ist, desto kleiner erscheint dir jedes Problem, das sich zwischen dich und dein Ziel schiebt. Also: Regelmäßig joggen zu wollen reicht nicht, du musst dich schon für einen Marathon anmelden. Erst dann hast du angeblich die Motivation, deinen Trainingsplan durchzuziehen. Selbst wenn es regnet. Das Problem dabei aber ist, dass vielen sogar relativ kleine Ziele groß erscheinen, was die wirklich großen geradezu unerreichbar erscheinen lässt, vor allem wenn man eigentlich keine Lust auf sie hat. Oder wenn man in ihre Richtung bislang kaum Kompetenzen erworben hat oder sich als inkompetent empfindet. Ich zum Beispiel schreibe gerade dieses Buch. Und wie gesagt, habe ich schon einige geschrieben. Also ist es für mich zwar immer noch eine ambitionierte Menge Text, aber eine machbare. Was aber, wenn du noch nie ein Buch geschrieben hast? Ja, wenn dir schreiben sogar schwerfällt, weil du es nicht magst oder nicht gut formulieren kannst? Dann erscheint es dir fast unerreichbar, jemals damit fertig zu werden. Solltest du dir also einen dicken Schmöker als Ziel vornehmen? Nein, du solltest das Schreiben delegieren und persönlich etwas tun, was dir mehr liegt. Oder du solltest bereit sein, geduldig die erforderlichen Fertigkeiten zu erwerben und dabei Gedanke für Gedanke denken und Wort für Wort schreiben, Satz für Satz, Absatz für Absatz und Seite für Seite. Und nimm möglichst den Druck raus, dass aus all dem je ein ganzes Buch werden soll. Das wird es sowieso, wenn du einfach weiterschreibst. Übrigens habe ich selbst meine Marathon-Ambitionen längst aufgegeben, weil mich das Training im Alltag zu müde gemacht hat. Aber einfach so joggen um des Laufens willen mache ich gerne und regelmäßig.
Also: Wem helfen große Ziele? Wahrscheinlich denjenigen, welche bei ihren Leidenschaften schon die kleineren erreicht haben und sich weiter stimulieren wollen. Menschen wachsen gerne dorthin, wo es ihnen gefällt und wo sie sich als kompetent erleben. Aber Vorsicht: In Bereichen ohne nennenswerte Kompetenz oder Leidenschaft wirken große Ziele meist wie Alibis. Wir tun so, als wollten wir etwas Tolles erreichen, wissen aber ohnehin, wie unrealistisch das in diesem Bereich für uns ist. Der psychische Konflikt erscheint gelöst, denn wir haben es uns immerhin vorgenommen. Und zu scheitern ist keine Schande, solange man sagen kann, man habe es versucht.
Zum ersten Mal ist mir diese Alibi-Funktion von Zielen aufgefallen, als ich noch regelmäßig Nichtraucherseminare hielt. Manche hören nämlich zu rauchen auf und kompensieren den eingebildeten Verlust der Zigaretten mit Essen. Also nehmen sie Gewicht zu. Egal, schließlich ist allgemein bekannt, dass ein Rauchstopp oft zu mehr Kilos führt. Und werden die dann zu viel, gibt es einen guten Grund, wieder mit dem Rauchen anzufangen. Wie soll man sich denn sonst helfen? Ich kenne Menschen, die so über Jahre hinweg einen Rauchstopp nach dem anderen versucht und dabei zwanzig, dreißig Kilo zugenommen haben. Denn stets blieb es nur beim Versuch, das äußere Ziel des Nichtrauchens zu erreichen, statt innerlich Nichtraucher zu werden, wofür es überhaupt kein äußeres Ziel braucht.
»ICH WERDE ES SCHAFFEN! UPS, DOCH NICHT …«
Was hast du dir schon Großes vorgenommen und dabei bereits geahnt, dass du es ohnehin nicht durchziehen wirst? Ein Jahr lang keinen Alkohol trinken? Die besten Vertriebsergebnisse im Team erreichen? Auswandern und neu anfangen? Keine gute Idee, wenn du dein Feierabendbier liebst, die Kollegen viel extravertierter sind und du eigentlich ganz gerne zu Hause bist. Solche Ziele passen eher zu freiwilligen Asketen, kontaktfreudigen Plaudertaschen und Abenteurern, die es noch nie lange an einem Ort ausgehalten haben. Aber nach ein paar Sekt an Silvester darf man schließlich mal träumen.
»Der Mensch plant, Gott lacht.«
JÜDISCHES SPRICHWORT
Machen wir weiter mit der Dekonstruktion von Zielen. Oder zumindest mit deren naiver Vordergründigkeit. Noch mal der geläufige Algorithmus: Setz dir ein Ziel, plane deinen Weg, verpflichte dich dem Ziel, handle fokussiert, arbeite hart und halte durch!
Schauen wir uns als Nächstes den Faktor Planung an.
Warum ist es durchaus sinnvoll, sich bei vielen Projekten vorher Gedanken zu machen, wie sie konkret ablaufen sollen? Nun, je präziser die Planung, desto besser die Orientierung unterwegs: Stimmt der Kurs noch? Oder stimmt er nicht mehr? Sinnvoll zum Beispiel im Unternehmen, wo Produkte, Prozesse, Finanzen und Personal aufeinander abgestimmt und gemanagt werden müssen. Umso mehr, je größer und komplexer das Unternehmen ist. Sinnvoll auch bei einem Trainingsplan mit konkretem Ziel: Wer den Marathon in einer guten Zeit schaffen will, sollte wissen, wie das geht. Auch bereitet uns gute Planung auf Eventualitäten vor, die eintreten können. Sie nimmt vieles vorweg, wodurch wir unterwegs besser reagieren können.
Nun zu zwei Problemen. Das erste ist psychologischer Natur. Genauso wie es zielstrebige und weniger zielstrebige Menschen gibt, gibt es strukturierte und weniger strukturierte. Erstere orientieren sich gerne an definierten Rahmenbedingungen, weil ihnen diese dabei helfen, besser voranzukommen, indem sie ihre Energie klug kanalisieren. Für Letztere hingegen ist das ein Graus. Sie funktionieren einfach anders. Ihre Energie endet genau da, wo die Struktur einer Zielvorgabe anfängt, weil sie gerne ihren eigenen Impulsen und der Dynamik einer Situation folgen. Sie wollen die Laufschuhe schnüren, wenn sie Lust darauf haben, nicht weil es ihnen ein Trainingsplan vorgibt. Also bringen sie ihre Leistung lieber außerhalb eines Rahmens statt innerhalb. Viele Kreative ticken zum Beispiel so. Sie erschaffen ihre Werke lieber in Freiheit aus eigenem Antrieb. Dabei kann Großes entstehen – und auch mal eine Weile gar nichts. Weil nicht das Erreichen von Zielen ihrem Wesen entspricht, sondern weil ihr Wesen sie Ziele erreichen lässt. Und Ziele dieses nur verbiegen. Ein anderes Beispiel sind sehr beziehungsorientierte Menschen. Sie wollen mit anderen nicht in Kontakt treten, um damit einen Zweck zu verfolgen, sondern um des Kontaktes willen. Das kann in einem Coaching, einer Therapie oder Beratung wahre Wunder wirken, weil dahinter echtes Interesse am Gegenüber steckt und nach bestmöglichen Lösungen gesucht wird. Diese persönliche Integrität verkrüppelt aber leicht, etwa in einem strukturierten Kundengespräch, dessen Ziel der Verkauf eines Produktes mithilfe eines Leitfadens ist. Die Planung wird zum Fehler, weil sie eine Stärke zur Schwäche macht.
Das zweite Problem genauer Planung ist schlicht das Leben selbst, denn das steckt voller Zufälle. Es ist zu komplex, um planbar zu sein. Komplex? Was genau bedeutet das? Nun, dass die schiere Menge lebendiger, einander beeinflussender Variablen überhaupt keine sicheren Prognosen möglich macht. Die Dinge geschehen, wie sie geschehen. Und was dabei herauskommt, versuchen wir zwar, in unserem Sinne zu beeinflussen, doch haben wir letztlich keine Kontrolle darüber. Im Gegensatz etwa zur Funktionsweise einer Maschine. Die ist nicht komplex, sondern nur kompliziert, weil alle ihre Bestandteile auf eine genau definierte Weise miteinander interagieren. Mit den entsprechenden Elementen und einer Gebrauchsanweisung kann jeder einen Kühlschrank bauen. Und der bleibt dann auch ein Kühlschrank und wird nicht plötzlich zum Ofen. In Wissenschaft und Technik bemüht man sich daher, Randbedingungen genau zu definieren und stets nur einzelne Variablen zu verändern, weil Ergebnisse sonst nicht vergleichbar sind.
Das Leben ist aber weder Wissenschaft noch Technik. Es ist nicht kompliziert, sondern komplex. Rahmenbedingungen verändern sich ständig und beeinflussen einander. Wer die besseren Spieler hat und den besseren Trainingsplan, kann trotzdem beim Fußball verlieren. Weil der Außenstürmer der Gegenmannschaft diesen einen scharfen Pass spielt, welchen der Verteidiger ins eigene Tor abfälscht. Denn in Gedanken war er kurz bei der Party letzte Woche, wo er sich verknallt hat. Shit happens.
Wer messen will, mit welchen Reifen ein Auto am besten beschleunigt, sollte unter gleichen Bedingungen wirklich nur verschiedene Reifen testen – und dabei nicht willkürlich mal bergauf oder bergab fahren.
Seien wir ehrlich: Die Realität ist fast immer anders als unsere Planung. Und wir tun gut daran, uns anzupassen, statt stur einem Matchplan zu folgen. Märkte verändern sich und Lebensumstände, Menschen kommen und gehen, Träume platzen und neue werden geboren, ständig geschieht Unvorhergesehenes. Gestern noch der Laden um die Ecke, heute schon Online-Handel. Gestern noch mit der Familie die Zukunft geplant, heute schon neu verliebt. Gestern noch Karriere, heute schon Burn-out. Wir dürfen unsere Planungen nicht zu ernst nehmen, denn sonst übersehen wir, dass Zufälle und die Dynamik des Lebens eine viel größere Rolle spielen, als wir ihnen zugestehen. Sosehr wir uns auch bemühen, sie zu beherrschen, so unmöglich ist es.
Manchen Lesern kommt an dieser Stelle der Gedanke, ob es Zufälle überhaupt gibt. Vielleicht sollen die Dinge genau so geschehen, wie sie nun mal geschehen? Vielleicht folgt das Leben einem höheren Plan, den wir nur nicht verstehen können? Außerdem entstehen daraus ständig neue Erkenntnisse und erwachsen neue Chancen. Ich mag den Gedanken sehr. Ich finde ihn tröstlich, konstruktiv und zutiefst wohltuend. Allerdings werden wir keine befriedigende Antwort darauf finden, ob er richtig ist. Denn auch das Gegenteil kann zutreffen: Das Leben ist und bleibt chaotisch, sosehr wir auch in der Zukunft einen Sinn für die Vergangenheit konstruieren. Eine Pandemie zerstört unser Geschäftsmodell und wir müssen Leute entlassen, eine Immobilienblase platzt und unsere Wohnung ist nur noch die Hälfte wert, unser Partner stirbt und wir müssen mit dem Verlust leben. Klar können wir aus all dem immer viel lernen. Als Teil eines höheren Plans jedoch darf man das Leben dann guten Gewissens auch mal für ein Arschloch halten.
Erneut ahne ich Widerstand. Das Leben könne überhaupt kein Zufall sein, weil ständig das eine zum anderen führt. Mal abgesehen von so etwas wie Schicksal. Meinetwegen. Nur: Wenn wir die Zusammenhänge nicht verstehen, geschweige denn bewusst beeinflussen können, erscheinen Dinge nun mal zufällig. Du kriegst Krebs, obwohl du immer gesund gelebt hast? Die meisten Ursachen für Krebs sind noch unbekannt, egal wie viele Nahrungsergänzungsmittel du täglich schlürfst. Du brauchst beim Backgammon einen Sechserpasch? Du wirst niemals die motorischen Fähigkeiten entwickeln, beide Würfel genau so aus dem Becher zu schütteln, dass sie planbar mit der richtigen Geschwindigkeit und im richtigen Winkel aufs Brett fallen. Also egal welche Kausalitäten wir noch nicht kennen oder beherrschen, ihr Ergebnis wird sich stets als Zufall zeigen. Stell dir mal eine Fliege am Kölner Hauptbahnhof vor, die dem Brötchenduft eines Reisenden in einen ICE folgt. Sie kann während der Fahrt frei im Zug herumfliegen. Wo dieser allerdings ankommt, ist für sie reiner Zufall. Egal: In Hamburg kriegt sie Fischbrötchen und in Stuttgart Maultaschen. Ich jedenfalls wünsche ihr guten Appetit und ein grübelfreies Leben ohne Esoterikseminare.
Außerdem erschaffen Zufälle ständig Neues, haben also kreatives Potenzial: Der Teehändler Thomas Sullivan wollte 1904 Proben nicht mehr in großen, schweren und teuren Blechdosen verschicken. Also steckte er sie in kleine Seidenbeutel, die seine Kunden in heißes Wasser tunkten, weil sie dachten, das sei so beabsichtigt. Der Teebeutel war erfunden. Alexander Fleming beimpfte 1928 eine Agarplatte mit Staphylokokken und ging dann in den Urlaub. Bei seiner Rückkehr stellte er fest, dass auf der Platte ein Schimmelpilz wuchs, in dessen Nähe sich die Bakterien nicht vermehrten. Das Penicillin war entdeckt – und rettet seitdem Menschenleben. Der Chemiker Albert Hofmann gewann 1938 aus Mutterkorn eine Substanz, um den Kreislauf zu stimulieren, was aber nicht richtig wirkte. Fünf Jahre später bekam er beim zufälligen Hantieren mit selbiger Substanz Halluzinationen. Seitdem wird Lysergsäurediethylamid als bewusstseinserweiternde Droge genutzt – besser bekannt als LSD. Gleiches gilt für Teflon, Klettverschluss, Sekundenkleber, Röntgenstrahlung, Viagra, Silikon, Nylonstrümpfe, Linoleum oder Post-its – sie alle gingen auf Zufälle zurück, so wie etliche weitere Entdeckungen und Errungenschaften unserer heutigen Zeit. Man findet ständig Dinge, ohne sie gesucht zu haben. Dieses Phänomen nennt man Serendipität.
Mit dem Zufall ist also zu rechnen. Auch in der heutigen Arbeits- und Geschäftswelt, die man gerne VUKA-Welt nennt, wobei »VUKA« ein Akronym ist für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Ständig geht es rauf und runter, nichts ist planbar, aber dafür alles miteinander verwoben und mehrdeutig interpretierbar. Gestern noch Stabilität, heute Achterbahn. Überall Innovationen und Disruptionen. Elektroautos ersetzen Benziner, Künstliche Intelligenz verdrängt Jobs und der neue Chef spricht Chinesisch. Ist das nun gut oder schlecht? Egal, es ist. Und es wird auch in Zukunft überraschend bleiben.
Auch Kolumbus wollte eigentlich nicht Amerika entdecken, sondern ursprünglich nach Indien segeln. Zielplanung? Anscheinend geht es auch ohne.
Wobei es noch viel größere Überraschungen gibt, die unser Schicksal (nennen wir es mal so) bestimmen: Am 28. Juni 1914 ermordete Gavrilo Princip den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand – und startete damit eine Spirale, die in den Ersten Weltkrieg mündete. Sie läutete eine geopolitische Dynamik ein, die bis in die heutige Zeit reicht. Am 26. April 1986 kam es zur Nuklearkatastrophe von Tschernobyl und in den Folgejahren zur Ächtung von Atomkraftwerken – womöglich mit der Nebenwirkung, zu lange an Kohlekraftwerken festgehalten und somit die Klimakatastrophe beschleunigt zu haben. (Eine komplexe Aussage, die ich gerne an anderer Stelle erläutere.) Am 11. September 2001 flogen zwei Flugzeuge ins World Trade Center und bescherten der Welt jahrelange Kriege mit Millionen Toten und enormer politischer Unordnung. Und zu welchen Auswirkungen die 2019 begonnene Corona-Pandemie führte, muss ich nicht extra erläutern. Wie viele Ziele all diese Ereignisse wohl zerstört haben?
Seien wir schonungslos ehrlich. Auch in Zukunft werden Züge irgendwohin fahren, dabei auch immer wieder entgleisen und das Leben hungriger kleiner Fliegen beeinflussen. Was, wenn ein Meteorit auf die Erde stürzt? Wann kommt der nächste große Vulkanausbruch? Wann eine Pandemie mit aggressiveren Erregern als SARS-CoV-2?
Dann wird alles anders sein – von heute auf morgen.
Die Auswirkungen des Klimawandels sind in ihrer Heftigkeit längst absehbar: Stürme, Fluten, Dürren, Brände, Hunger, Krankheit, Tod. Laut UN-Schätzungen wird es 2050 weltweit zwischen 200 Millionen und einer Milliarde Klimaflüchtlinge geben. Nationalistische Politik? Lächerlich. Sie tut so, als könnte man globale Probleme innerhalb des eigenen Gartenzauns lösen. Dabei sind wir alle miteinander verbunden, weltweit. Was der eine Staat tut oder unterlässt, beeinflusst den anderen. Ob bald alle Staaten statt ihrer eigenen Interessen das Überleben der Menschheit in den Mittelpunkt von Zielplanungen stellen? Vermutlich. Auch die wirtschaftlichen, technischen, ethischen und kulturellen Umwälzungen dürften beträchtlich werden.
So manche persönlichen Ziele werden sich gemeinschaftlichen unterordnen.
Wobei auch deine persönlichen Ziele vermutlich nur auf Zufällen beruhen. Sie sind das Resultat der Menschen, Werte, Normen, der Kultur und der Gedankenwelt, in denen du dich bewegst. Wo kommst du her? Wer und was hat dich beeinflusst? Wohin hat das geführt? Was geschah bislang entlang des Weges? Wir dürfen uns das Leben manchmal als eine Flipperkugel vorstellen.
Wir sind so sehr mit unserem konkreten Kram beschäftigt, dass wir übersehen, wie sich Rahmenbedingungen verändern. Und werden immer wieder vom Offensichtlichen überrascht.
Nachdem wir uns zuletzt eher in der Meta-Ebene bewegt und Ziele aus der Vogelperspektive betrachtet haben, werden wir nun konkreter und persönlicher. Dabei betrachten wir die Hypothesen, man solle sich seinen Zielen verpflichten und sich auf sie fokussieren. Stimmt das denn? Wieder spricht zunächst einiges dafür: Um zum Beispiel eine schwierige Prüfung zu bestehen, sollte man bereit sein, hart und ausdauernd zu lernen. Oder um sein Business voranzubringen, sollte man sich anstrengen und Ablenkungen vermeiden. Commitment und Fokus scheinen wichtige Bestandteile vieler Erfolgsgeschichten zu sein.
Allerdings trifft auch hier wieder das Gegenteil zu: Wer allzu hart für eine Prüfung arbeiten muss, um sie zu bestehen, hat sich vielleicht das falsche Fach ausgesucht. Ich erinnere mich immer noch mit Bauchschmerzen an meine nur nach mehreren Anläufen bestandene Prüfung im Fach Recht während der Ausbildung zum Betriebswirt. Was für ein Krampf! Die Formalien der Juristerei passen so wenig zu meiner Persönlichkeit, dass ich mich oft gefragt habe, ob ich schlicht zu blöd bin. Wäre ich in eine Juristenfamilie hineingeboren worden und hätte die elterliche Kanzlei übernehmen müssen, wäre ich wohl in jahrelangen Selbstzweifeln und Depressionen versunken.
Auch im Business liegen die wahren Erfolgsbooster oft jenseits des reinen Fleißes – in guten Kontakten, neuen Ideen und klugen Hacks, die man aber nicht findet, wenn man von morgens bis abends am Schreibtisch sitzt und arbeitet. In meinem Geschäftsleben waren es meist Impulse aus guten Kontakten, Netzwerken, Büchern, Filmen, Seminaren und allerlei Lebenssituationen, die mich weitergebracht haben. Commitment und Fokus helfen vielleicht dabei, dieses Buch zu schreiben oder Seminare und Vorträge zu konzipieren. Aber dafür gute Ideen und Inhalte zu finden, geschieht außerhalb – im Leben selbst. Dieses zu vernachlässigen ist wohl die größte Erfolgsbremse überhaupt. Denn Erfolge entstehen eher dort, wo wir die richtigen Dinge tun, statt die Dinge nur möglichst richtig abzuarbeiten, also nach Schema F. Das mag zwar erprobt sein, bringt aber nicht zwingend die besten Resultate.
Der Feind des Guten ist das Bessere. Dieses Bessere zu erkennen oder zu erschaffen braucht neue Perspektiven, Platz und Zeit und steht oft im Widerspruch zu eng getakteten Pflichten, Plänen und Terminen – dort passt das Bessere einfach nicht hinein.