Was hat das Universum mit mir zu tun? - Harald Lesch - E-Book
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Was hat das Universum mit mir zu tun? E-Book

Harald Lesch

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Beschreibung

Der beliebte TV-Moderator erklärt die großen Fragen des Universums und ihre Bedeutung für unser Leben

Galaxien und Planeten, schwarze Löcher und dunkle Materie – was haben solche Phänomene des Weltalls eigentlich mit uns Menschen auf der Erde zu tun? Ebenso verblüffend wie unterhaltsam stellt Harald Lesch in seinem Bestseller die Verbindung her zwischen Universum, Erde und Mensch. Auf der Basis neuester Forschungserkenntnisse schreibt er dabei zugleich eine kurze Geschichte der Astronomie: von der Entstehung unseres Sonnensystems, von Erde und Leben, über kosmische Beinahe-Katastrophen für die Erde bis zum Rand der erkennbaren Welt, wo unser Wissen über das Universum endet.

Mit QR-Codes, die auf Vortragsvideos von Harald Lesch verlinken.

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Seitenzahl: 280

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Buch

Harald Lesch erklärt in seinem originellen Grundkurs naturwissenschaftlich-astronomische Phänomene und ihre Bedeutung für unser Leben anschaulich und allgemein verständlich – wenn er also auf die Welt der Dunklen Materie und der Schwarzen Löcher, auf die Entropie und das Überleben angesichts kosmischer wie anthropogener Gefahren oder auf Regentropfenmoleküle, die Erderwärmung oder die Musik des Sonnensystems zu sprechen kommt, so immer vor der Folie unseres täglichen Erfahrungshorizonts. Ein höchst notwendiges Buch über die naturwissenschaftlichen Basics, über die man Bescheid wissen muss, um heutzutage mitreden (und mitgestalten) zu können.

Autor

Harald Lesch ist Professor für Theoretische Astrophysik am Institut für Astronomie und Astrophysik der Universität München, Fachgutachter für Astrophysik bei der DFG und Mitglied der Astronomischen Gesellschaft. Einer breiteren Öffentlichkeit ist er durch die Sendereihe »alpha-Centauri« bekannt geworden. Heute moderiert er u. a. »Leschs Kosmos« im ZDF. Er hat, allein oder mit Co-Autoren, eine Vielzahl erfolgreicher Bücher veröffentlicht, zuletzt mit Klaus Kamphausen »Wenn nicht jetzt, wann dann?« (2018).

HARALD LESCH

Was hat das Universum mit mir zu tun?

Nachrichten vom Rande der erkennbaren Welt

C. Bertelsmann

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© 2019 C. Bertelsmann Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Covergestaltung: bürosüd

Umsetzung E-Book: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-22017-4V004

www.cbertelsmann.de

INHALT

Prolog

1. Eine viel zu kurze Geschichte der Astronomie

2. Stabilität im Kosmos

3. Von den Gesetzen der Natur

4. Unser Bild von der Natur

5. Der Stoff, aus dem nicht nur die Sterne sind

6. Unser kosmisches Zuhause wird geboren – von wandernden Riesenplaneten

7. Staub wird zu Fels

8. Der schönste Planet der Milchstraße

9. Die Bausteine des Lebendigen

10. Von möglichen Unfällen, Katastrophen und Zufällen

11. Das Netz der Kräfte im All

12. Der Raum des Ganzen

13. Die Zeit läuft und läuft

14. Die helle und die dunkle Seite der Materie

15. Die Grenze: die Schwarzen Löcher

16. Was können wir vom Universum lernen?

17. Mein Geburtstag mit den Helden

Epilog

Register

PROLOG

Das ist jetzt ein ganz besonderer Moment: Sie haben sich mein Buch vorgenommen und lesen die ersten Sätze. Hier entscheidet sich, ob Sie weiterlesen oder den Text wieder zur Seite legen. Ein konspirativer Moment ist das, ein Moment, in dem Sie sich möglicherweise darauf einlassen, mir in eine faszinierende Welt zu folgen, in die Welt der Astronomie, des gestirnten Himmels über uns, des Universums, des Kosmos oder, wie wir in Deutschland auch sagen: in die Welt des Weltraums.

Ich weiß von meinen Vorträgen, dass sich viele Menschen für dieses Wunderwerk Universum interessieren, für die beeindruckenden Vorgänge dort, die explodierenden Sterne, die Roten Riesen, die Weißen Zwerge und die Schwarzen Löcher, aber auch für die Planeten und Galaxien. Für mich besteht die große Faszination in der direkten Verbindung der Physik hier auf der Erde mit den Prozessen im Himmel. Dass wir überhaupt so etwas wie Astrophysik betreiben können, also der Natur der Himmelsvorgänge wissenschaftlich präzise nachgehen können, liegt in der Tatsache begründet, dass die Natur ein Ganzes darstellt. Es ist nämlich so, dass es eigentlich gar keine wirklichen Grenzen zwischen uns, unserer Umwelt hier auf unserem Planeten und dem Weltall gibt. Am Boden eines Luftmeeres leben wir am Ufer des kosmischen Ozeans, der sich über unseren Köpfen in riesige Entfernungen erstreckt.

Unser Leben auf der Erde ist heute geprägt von einer großen Distanz zwischen Alltag und Natur. In unserer unmittelbaren Umgebung hat sich Technologie in vielen Varianten ausgebreitet. Sie ersetzt unsere körperlichen und inzwischen auch viele unserer geistigen Fähigkeiten. Maschinen sind stärker, schneller und größer als Menschen, und Algorithmen und Computer können mehr Informationen speichern, als es je ein Mensch vermag. Diese Technik ist jedoch das Ergebnis wissenschaftlicher Grundlagenforschung. Die großartigen Erkenntnisse aus Theorie und Praxis der Physik über die fundamentalen Eigenschaften der Materie und ihrer Wechselwirkung mit elektromagnetischer Strahlung versetzen uns heute in die Lage, unsere Umwelt stärker denn je zu gestalten. Wobei Kontrolle und Steuerung natürlicher Prozesse unser wesentliches Ziel darstellen. Dass diese Kontrolle der Natur an ihre Grenzen kommt, mag ein einfaches Beispiel illustrieren: Drei Menschen in einem Raum voll hoch entwickelten technischen Geräts. Eine Person liegt ohne Bewusstsein im Bett. Mittels verschiedener Röhren und Kabel ist sie an blinkende Monitore und leise piepsende Sensoren angeschlossen. Die Besucher stehen vor dem Bett und schweigen. So etwa hätte Edward Hopper eine moderne Intensivstation dargestellt. Hier tun sich existenzielle Abgründe auf, die das Spannungsfeld von Mensch und Naturwissenschaften beispielhaft charakterisieren.

Einerseits leben wir also in einer Welt der Technik, der physikalischen Grundlagenforschung, in Form von digitaler Messelektronik, von Computern, Kernspintomografen, Röntgenapparaten und medizinischer Nanotechnologie. Die neuesten Erkenntnisse der Physik der Materie und der Quantenmechanik sind in die Konstruktion dieser Apparaturen eingeflossen, ohne welche die Medizin von heute gar nicht möglich wäre. Andererseits stehen hier die beiden Besucher. Ihnen liegt etwas an dem Schwerkranken, der da den Apparaten ausgeliefert zu sein scheint. Sie sind natürlich froh über die hilfreichen Geräte, die offenbar dem Kranken helfen. Und doch: Hier stehen zwei Menschen, die vor allem eines tun: hoffen. Die Hoffnungen und die Ängste dieser beiden Besucher spiegeln sich förmlich in den Monitoren der Geräte. Da prallen zwei Welten aufeinander: Die Einzigartigkeit des Individuums stößt hier auf die reproduzierbare, zeitlose, immer gleich arbeitende Welt der Dinge.

Unsere moderne Wirklichkeit ist geprägt von dieser täglichen Auseinandersetzung zwischen dem Subjekt mit seinen Hoffnungen, Träumen und Ängsten einerseits und der emotionsfreien, rationalen, mathematisch-physikalisch formulierten Welt der Naturgesetze und vor allem deren technischen Anwendungen andererseits. Die Verbindung dieser beiden Aspekte von Wirklichkeit ist meiner Ansicht nach eine unerlässliche Voraussetzung für eine menschenfreundliche Zukunft, die beides berücksichtigt: die mathematische, objektive Gesetzlichkeit der Natur und die einmalige, unwiederholbare Würde des einzelnen Menschen.

Der Mensch jedoch ist immer noch gefangen im Widerspruch zwischen der nützlichen Wissenschaft in ihrer direkten, konkreten Bedeutung als Quelle für neue technische Möglichkeiten einerseits und der Natur andererseits, mit der man nicht kommunizieren kann und die auf Veränderungen durch veränderte Reaktionen reagiert, die uns oft genug nicht gefallen. Doch überheblich, wie wir Menschen sind, glauben wir eben nicht mehr an absolute Gegebenheiten, die einfach nur existieren, sprachlos und mächtig. Wir glauben, dass wir alles im Griff hätten, auch das, was sich nicht greifen lässt. Die Natur ist ein Ganzes, ein ganz altes Ganzes. Und am ältesten und von uns am wenigsten veränderbar und kontrollierbar ist diese Natur eben im Universum. Die Objekte dort sind übermenschlich groß und abartig weit entfernt, und fast ewig für unser Zeitverständnis dauern die Prozesse zwischen den Galaxien.

Gerade die moderne Astronomie mit ihrer Erweiterung über das sichtbare Licht hinaus hat in den letzten Jahren wichtige Erkenntnisse darüber gewonnen, welche kosmischen Netzwerke an Verbindungen und Wechselwirkungen existieren beziehungsweise Voraussetzung dafür sind, dass es überhaupt Leben im Universum geben kann. Ein ganz neues Weltbild ist da im Entstehen, in dem die Stellung des Menschen im Universum ganz neu verortet wird. Angesichts der aberwitzigen Distanzen, der dramatischen Leere des Kosmos und der absurden Geschwindigkeiten und Materiezustände bietet uns die Astronomie den womöglich tiefsten Einblick in die Natur, der Menschen überhaupt möglich ist. Und davon will ich berichten. Diese direkten Verbindungen zwischen uns und dem Universum aufzuzeigen ist mein zentrales Anliegen. Ich möchte davon berichten, was uns Menschen, unseren Planeten, einfach alles, was für unser Hiersein wichtig ist, mit dem ganzen Universum verbindet. Kurzum: was das Universum mit uns zu tun hat.

Auf dem YouTube-Kanal »Urknall-Weltall-Leben« finden Sie in der Playlist »Harald Lesch Kosmologie« begleitende Videos zu den einzelnen Kapiteln. Mit Hilfe des nebenstehenden QR-Codes oder direkt über https://link.videowissen.de/CBertelsmann-Lesch/ gelangen Sie bequem dorthin, oder Sie wählen die Videos kapitelweise anhand der QR-Codes unter den jeweiligen Überschriften.

1

EINE VIEL ZU KURZE GESCHICHTE DER ASTRONOMIE

»Mit wachsender Entfernung nimmt unser Wissen ab, und es nimmt rasch ab, bis wir am letzten verschwommenen Horizont zwischen geisterhaften Beobachtungsfehlern nach Orientierungspunkten tasten, die kaum noch Substanz besitzen. Die Suche wird weitergehen. Der Trieb ist älter als die Geschichte, und solange er unbefriedigt bleibt, wird er sich nicht unterdrücken lassen.« (Edwin Hubble)

Der Trieb, das Universum zu erkunden und es zu verstehen, ist so alt wie die Menschheit. Nicht umsonst gilt die Astronomie als die älteste aller Naturwissenschaften. Der gestirnte Himmel über uns hat uns schon immer interessiert. Anfangs war er noch erfüllt von Göttern. Mit der Erkenntnis, dass der Mensch das Universum auch ohne göttlichen Beistand verstehen kann, gewann astronomische Forschung immer größere Bedeutung. Die Vorstellung, dass die ganze Welt zu erklären vermag, wer die Abläufe am Himmel erklären kann, hat von jeher die Faszination astronomischer Forschung ausgemacht. Deshalb hat sich mit jedem neuen »Heureka« das Weltbild nicht nur der Astronomie, sondern auch einer ganzen Kultur verändert. Allerdings kann jede Beschreibung des jeweils aktuellen astronomischen Weltbilds immer nur ein Zwischenbericht sein, was Niels Bohr sehr treffend folgendermaßen zusammengefasst hat: »Alles ist möglich im Universum, wenn es nur genügend unvernünftig zu sein scheint.«

Wo soll man beginnen bei einer Wissenschaft, die nach dem Ganzen fragt? Die Astronomie des 21. Jahrhunderts ist keine benennende Wissenschaft mehr, sondern eine fragende, eine, die versucht zu erkennen und zu verstehen, wie die Welt, wie das All als Ganzes entstanden sind. Sie fragt nach der Entwicklung des Universums und letztendlich nach den elementaren Grundgesetzen, die das All beherrschen. Es geht um Zusammenhänge, die Physik der Beziehungen, und nicht mehr um einzelne Sterne oder Galaxien. Begriffe wie »Evolution« und »Komplexität« tauchen heutzutage in fast jedem astronomischen Fachartikel auf. Was ist der Grund für diese Veränderung der ehemals nur schauenden Wissenschaft vom Himmel hin zur Astrophysik als angewandter Physik?

Diese Verwandlung der Astronomie begann mit dem Blick durch das Fernrohr. Hier bissen die Hunde nicht den Letzten, sondern den Ersten, der den Blick wagte, als nämlich Galileo Galilei 1610 den Inquisitoren des Vatikans anbot, doch selbst zu schauen, wenn sie ihm nicht glaubten. Diese lehnten es ab, weil ihrer Meinung nach dieses merkwürdige Rohr die Wirklichkeit nicht zeigt, ja nicht zeigen konnte – die theologische Wirklichkeit wohlgemerkt. Galilei widerrief, aber das nutzte nichts. Aus Sicht der Theologen war die Büchse der Pandora geöffnet, und sie war nicht mehr zu schließen. Was in den folgenden Jahrhunderten in der Astronomie passierte, war die konsequente und unmittelbare Anwendung ganz irdischer Physik auf die Vorgänge im Universum, immer unter Verwendung neuer und neuester Technologien. Das Fernrohr Galileis wurde in den folgenden 400 Jahren zum perfekten Lichtsammelapparat ausgebaut, der mit gewaltigen Spiegeln und Linsensystemen das sichtbare Licht der Sterne und Galaxien analysiert. Mithilfe höchst sensibler und empfindlicher Materialien wurde das menschliche Auge ersetzt durch Filme und heute eben durch digitale Chips. Niemand schaut heute noch so wie Galilei einfach so durchs Fernrohr. Heute ist die Astronomie Hightech auf allerhöchstem Niveau. Computer steuern die Teleskope, analysieren die elektromagnetische Strahlung und entdecken selbst allerschwächste Quellen in fast nicht mehr zu beschreibenden Entfernungen. Und die Astronomie ist längst mehr als Lichtanalyse im Sichtbaren.

Jenseits der optischen Strahlung beginnt das Regime der reinen Weltraumastrophysik. Denn weder die Ultraviolettstrahlung noch die Röntgen- und Gammastrahlung erreichen die Erdoberfläche, Gott sei Dank! Wobei wir die Undurchlässigkeit der Atmosphäre gegenüber der UV-Strahlung gerade in einem planetaren Großexperiment stark verringern, indem wir die Ozonschicht, die diesen UV-Schutzschirm darstellt, einfach zerstören. Für die UV-Astronomie könnten also in Zukunft tolle Zeiten anbrechen.

Die hochenergetische Strahlung wird durch Satelliten aufgenommen. Diese Abteilung der kosmischen Boten bringt uns Neuigkeiten über Leichen – über Sternleichen. Die Überreste von großen Sternen – Pulsaren und Schwarzen Löchern – erscheinen am Himmel der Gamma- und Röntgenastronomen als besonders helle Quellen. Hier wird so viel Energie freigesetzt, dass diese Sternleichen sogar miteinander verschmelzen müssen, um solche Leuchtkräfte zu produzieren.

Nach dieser Tour de Force durch die beobachtende Astronomie nun zum Weltbild der Astrophysiker. Nein, zuerst ein paar Bemerkungen zu den Voraussetzungen naturwissenschaftlicher Weltbilder im Allgemeinen. Was macht Naturwissenschaftler eigentlich so sicher, dass die Daten, die sie aus Experimenten oder Beobachtungen erhalten, irgendetwas mit der Wirklichkeit, der Realität zu tun haben? Wenn es nicht wahr ist, ist es sehr gut erfunden, sagte schon Giordano Bruno. Sind die Naturgesetze tatsächlich nur sehr gut erfunden? Worauf begründet sich die Zuversicht der Naturwissenschaftler?

Das Vertrauen auf die naturwissenschaftliche Methode speist sich aus den unzähligen Erfolgen, die dieses Verfahren schon zu verzeichnen hat. Beobachtungen und Experimente verlangen nach Erklärungen. Modelle und Theorien, die nicht nur die bereits vorhandenen Daten befriedigend erklären, sondern darüber hinaus auch Vorhersagen über bis dahin unbekannte Phänomene machen, die dann nach der Formulierung der Theorie gefunden werden, sind einfach sehr attraktiv. Und je häufiger sich dieses »Spiel« zwischen Theorie und Experiment erfolgreich wiederholt, desto mehr Vertrauen haben wir in die Spielregeln. Die Spielregeln, das sind die grundlegenden Naturgesetze.

Seit wir das »Spiel« begonnen haben, hat sich keiner der elementaren Grundbausteine als falsch erwiesen, immer nur als zu verallgemeinernd. Unser Weltbild ändert sich nicht sprunghaft, sondern neue Bausteine werden eingebaut und bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit getestet. Die Kohärenz (hier: die Stimmigkeit) des naturwissenschaftlichen Weltbilds beruht auf zwei sich ständig gegenseitig stützenden Säulen, die in ihrer jeweiligen Dynamik eng miteinander verbunden sind: Theorie und Experiment. Wir können sogar Experimente zur Frage durchführen, ob sich die Naturgesetze mit der Zeit ändern, ob also das frühe Universum von anderen Regeln regiert wurde als das heutige. Obschon also das naturwissenschaftliche Weltbild ein eminent dynamisches ist, in dem sich pausenlos etwas verändert, bleibt es doch im Großen und Ganzen gleich. Man könnte es mit einem lebendigen Organismus vergleichen, dessen äußere Schale unverändert bleibt, dessen Inneres aber in einem dynamischen Fließgleichgewicht die Stabilität erst garantiert. Erst wenn diese Dynamik fehlt, bricht der Organismus tot zusammen. Die Naturwissenschaften werden sterben, wenn ihre lebendige Dynamik, ihr immerwährender kritischer Dialog zwischen Experiment/Beobachtung und Theorie verstummt. Wenn unser naturwissenschaftliches Weltbild »einfriert«, weil wir der Meinung sind, wir haben die Wahrheit gefunden, dann wird es zerspringen. Allerdings ist momentan dieser Dialog noch so laut und lebendig, dass wir einen »Phasensprung« im Weltbild, wie das von Ptolemäus zu Kopernikus der Fall war, zurzeit weitgehend ausschließen können.

Nun zum Anfang der Dinge, denn das Universum hatte einen Anfang. Es entwickelte sich aus einem sehr dichten und sehr heißen »Tag ohne Gestern« zu einem immer dünneren, immer kühleren Universum. Die physikalischen Kräfte (Schwerkraft, Kernkräfte und elektrische Kraft) »froren«, ähnlich wie Kristalle, aus dem heißen Ursprung aus. Es entstanden Atomkerne und Elektronen. Einige Minuten nach dem Anfang waren die Bestandteile alle vorhanden: Wasserstoff, Helium und Elektronen. Dazu kam jede Menge Licht, die Photonen – knapp 10 Milliarden Photonen auf ein Teilchen. Es gibt also im Universum viel mehr Licht als Schatten.

Diese Vorstellung von der Geburt des Alls ist in ihren Grundzügen heute durch Beobachtungen sehr gut abgestützt. Natürlich bleibt uns die causa finalis (endgültige Ursache) verborgen. Was vor dem Urknall war, ist kein Thema der modernen Astronomie, doch wir haben genügend klare Evidenzen für die Geburt des Ganzen. Wir schätzen, dass das Universum vor ca. 14 Milliarden Jahren entstanden ist, und wir wissen heute, abgesehen von den allgemeinen Eigenschaften des Universums, vor allem, dass mit seinem Beginn der Tanz der Materie begann.

Seit seiner Geburt expandiert das Universum. Der Big Bang ist das ganze expandierende All selbst. Raum und Zeit laufen seitdem gemeinsam. Durch die Expansion gibt es in unserem Universum einen Zeitpfeil, es gibt kein Zurück mehr, dieses unser Universum ist nicht reversibel, es wird sich nichts wiederholen. Mit jedem Tag wird es größer und kälter. Die Teleskope und Satelliten zeigen uns jeden Tag neue Entwicklungsphasen. Aus der elektromagnetischen Natur der Strahlung ergibt sich ihre Geschwindigkeit, nämlich Lichtgeschwindigkeit. Aber die ist nicht unendlich groß, sondern Licht bewegt sich mit knapp 300 000 Kilometern pro Sekunde. Also braucht auch Licht Zeit, bis es zu uns gelangt. Und je tiefer wir ins All blicken, desto älter ist das Licht, das wir empfangen. Ein tieferer Blick ins All bedeutet also einen tieferen Blick zurück in die Vergangenheit. Heute können wir »sehen«, dass die Galaxien früher enger zusammenstanden und dass sie früher viel heller waren. Wir können die Temperatur des gesamten Universums in immer früheren Zeiten messen und stellen fest: Früher war es heißer. Wir sehen sogar den undurchdringlichen großen kosmischen Lichtvorhang, der es uns nicht erlaubt, in die Zeit kurz nach dem Urknall zu blicken. Zu dicht ist dieser Lichtnebel, zu stark werden die Lichtquanten gestreut. Sie, die kosmische Hintergrundstrahlung, ist der Beweis für den Anfang des Alls, denn sie ist der Überrest des Urknalls, der kalte Rest, mit einer Temperatur von − 271 °C.

Und wir, wo steht der Mensch in diesem sehr kalten, sehr alten und fast leeren Kosmos? Was bedeuten die Erkenntnisse der modernen Astronomie eigentlich für uns? Das Universum hat sich wirklich sehr viel Arbeit gemacht mit uns, und die Erde ist ein ganz besonderer Platz im Universum.

Wenn Sie dieses Buch lesen und sich vielleicht sogar Gedanken darüber machen, dann vollziehen sich in Ihnen biochemische Prozesse, an denen Elemente wie zum Beispiel Kohlenstoff, Sauerstoff, Kalzium, Natrium und Kalium beteiligt sind. Diese Elemente gab es nicht schon immer, sondern sie wurden in kosmischen Schmelzöfen erbrütet. Die Sterne sind sehr erfolgreiche Alchimisten; sie gewinnen Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen. Ihnen gelingt es, aus Wasserstoff Helium zu erbrüten, aus Helium Sauerstoff – die Kette reicht schließlich bis zum Eisen, dann bricht die Energieversorgung ab. Die meisten Sterne verlöschen einfach, ihre Leuchtkraft wird schwächer, sie verglühen langsam und behalten die erbrüteten Elemente bei sich. Große Sterne aber stürzen unter ihrem Gewicht zusammen und explodieren. In solchen Explosionen am Ende ihres Lebens erzeugen große Sterne sogar Gold, Silber und Uran.

In Sternen werden Atomkerne miteinander verschmolzen. Alle Lebewesen auf der Erde bestehen zu 92 Prozent aus Sternenstaub. Wir bestehen also aus den Überresten von Sternexplosionen. Wenn Sterne die erbrüteten Elemente bei sich behielten, dann wäre dieses All sehr langweilig, es bestünde nach wie vor aus Wasserstoff und Helium. Die moderne Astronomie aber hat entdeckt, wie große Sterne in gewaltigen Explosionen ihre im Innern erzeugten schweren Elemente an das Universum zurückgeben. Gaswolken werden durch die Druckwellen der explodierten Sterne zusammengepresst und mit frischen schweren Elementen angereichert. Die Wolken stürzen unter ihrer eigenen Schwerkraft zusammen, neue Sterne entstehen, einige vergehen wieder in Explosionen, und der Kreislauf der Materie beginnt wieder von vorn.

Diese dynamischen Kreislaufprozesse bestimmen heute das Weltbild der Astronomie. Das gilt nicht nur für den Kreislauf der Materie, der uns zu Kindern der Milchstraße macht, sondern auch für Galaxien selbst. Galaxien werden von anderen Galaxien verschluckt, samt ihrem Gas zwischen den Sternen. Wenn es mehr Gas gibt, entstehen mehr Sterne, und es kommt zu regelrechten Sternentstehungsausbrüchen. Die Galaxien jagen dann ihre schweren Elemente sogar in den intergalaktischen Raum. Das ursprünglich heiße Material kühlt sich ab, fällt wieder auf eine Milchstraße und reichert diese mit schweren Elementen an.

Dieser Tanz der Materie musste bereits einige Milliarden Jahre ablaufen, bevor in unserer Milchstraße genügend schwere Elemente vorhanden waren und Sterne entstehen konnten – mit Planeten. In früheren Zeiten war das nämlich nicht möglich, da gab es viel zu wenig schwere Elemente. Heute entdecken wir Planetensysteme um andere Sterne, doch nur um diejenigen mit sehr vielen schweren Elementen. Diese extrasolaren Planetensysteme sind ganz anders als unser Sonnensystem: Die Bahnen der Planeten sind sehr »eiernd«, die Planeten sehr groß (wie Jupiter, der 317-mal so viel Masse wie die Erde hat) und sehr nahe an ihrem Muttergestirn. Wir wissen zwar noch nicht genau, wie solche Systeme entstanden sind, doch eines wissen wir jetzt sehr viel besser: Die Anordnung in unserem Sonnensystem (Jupiter weit draußen) ist nicht unbedingt der Normalfall. Die Entdeckung von anderen Planetensystemen ist eine der Sensationen der modernen Astronomie, denn wenn andere Planetensysteme existieren, dann gibt es vielleicht auch andere belebte Planeten. Im Mittelpunkt der Astronomie des 3. Jahrtausends steht die Suche nach Leben im Universum – nicht nach Ufos oder ETs, sondern nach biochemischen Anzeichen einer Lebensentwicklung um einen sonnennahen Stern. Früher gehörte dieses Thema den Science-Fiction-Autoren, heute gehört es uns.

Wir wissen also heute schon eine ganze Menge über die Entwicklung des Universums als Ganzes und vieler seiner Bestandteile. Wir wissen, dass Sterne geboren werden und sterben. Wir wissen, woher die Elemente kommen und wie der kosmische Materiekreislauf durch die Sternentstehungsphasen immer wieder mit neuem »Blut« versorgt wird. Wir wissen inzwischen sogar, dass es andere Planetensysteme gibt und ob außerirdisches Leben möglich ist. Scheinbar also haben wir viele leuchtende Beispiele für den Erfolg von astronomischer Forschung. Aber wissen wir denn wirklich schon so viel? Ist unser Weltbild denn jetzt komplett?

Leider nicht! Wir stehen in der Astronomie vor einer anscheinend undurchdringlichen Erkenntnisschranke. Denn es gibt auch eine dunkle Seite des Universums. Damit meine ich nicht den dunklen Nachthimmel oder den dunklen Raum zwischen den Sternen. Es geht um die sogenannte Dunkle Materie, deren Wirkung durch zahllose Beobachtungen zweifelsfrei bewiesen wurde. Es handelt sich bei ihr um eine Form von Materie, die sich nur durch ihr Gewicht und damit ihre Schwerkraftwirkung bemerkbar macht. Sie steht in keiner Weise in Wechselwirkung mit Strahlung, das heißt, sie absorbiert keine Strahlung. Trotzdem ist jede Milchstraße von einer Atmosphäre Dunkler Materie umgeben. Sie bestimmt sogar die Entstehung von Galaxien und Galaxienhaufen. Ohne die Schwerkraft der Dunklen Materie hätte sich in unserem Universum bis heute noch keine einzige Galaxie entwickelt. Es gäbe dann nur ein gleichmäßig verteiltes, sich aufgrund der kosmischen Expansion ständig verdünnendes Gas. Die Dunkle Materie stellt das Meer der Materie dar. Die leuchtende Materie, das Material, aus dem Galaxien, Sterne, Planeten und alle Lebewesen aufgebaut sind – das sind nur winzige Inseln in diesem Dunklen Meer der Dunklen Materie. Sie muss aus völlig anderen Teilchen bestehen als das, was wir kennen. Und es gibt keine plausible Lösung für dieses Problem.

Ein noch drängenderes Problem stellt die sogenannte Dunkle Energie dar, die für 70 Prozent des Energieinhaltes des Universums verantwortlich zeichnet. Seit einigen Jahren ergibt sich aus Beobachtungen weit entfernter Supernova-Explosionen folgendes, sehr merkwürdiges Bild: Das Universum expandiert beschleunigt. Seit ca. 8 Milliarden Jahren ist eine Kraft am Werk, die die Expansionsgeschwindigkeit des Raumes im All kontinuierlich erhöht. Offenbar ist damals die Energie der im Universum enthaltenen Masse unter den Wert der Dunklen Energie gefallen, was sehr folgenreich für die Entwicklung des Universums war. Masse bremst, aufgrund ihrer Schwerkraft, die Expansion des Universums ab. Das Überwiegen der Dunklen Energie seit damals hat deshalb die Expansion beschleunigt. Nur, was ist das, die Dunkle Energie? Wir wissen es nicht! Selbst die Quantenmechanik bietet hier keine Hilfe. Hier liegt die größte Herausforderung für die theoretische Physik des 21. Jahrhunderts.

Ähnlich wie vor hundert Jahren, als in der Physik völlig unklar war, in welchem Medium sich die elektromagnetischen Wellen ausbreiten, stehen wir heute wieder vor einer Zäsur. Damals nannte man das Medium »Äther«. Verzweifelt wurden Experimente durchgeführt, die beweisen sollten, dass sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Licht verändert, weil sich die Erde gegen den Äther bewegt oder mit ihm. Bei allen Versuchen erwies sich die Lichtgeschwindigkeit als unabhängig vom Bezugssystem. Aus diesem Dilemma konnte erst Einstein mit seiner Speziellen Relativitätstheorie herausführen. Zusammen mit der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Quantentheorie stellt sie die Revolution der Physik des 20. Jahrhunderts dar. Für die Lösung der Probleme, die sich aus der Dunklen Materie und der Dunklen Energie ergeben, brauchen wir offenbar wieder eine solche Revolution der Physik.

Trotz dieser grundlegenden Schwierigkeiten mit dem dominierenden Materieanteil im All können wir mit großem Vertrauen auf unser heutiges Bild vom Universum blicken. Die größte Erkenntnis der modernen Astronomie ist es, dass alle irdischen Naturgesetze auch überall im Universum gelten. Theorien, die auf der Erde zur Erklärung irdischer Experimente entwickelt wurden, bestätigen sich im All auf grandiose Weise. Wir können heute mithilfe von einander umkreisenden Sternleichen, zwei Kugeln von jeweils zehn Kilometern Radius, die nur aus Neutronen bestehen, die Allgemeine Relativitätstheorie bis auf zehn Stellen hinter dem Komma genau überprüfen. Resultat: Sie stimmt. Die Neutronensterne sind Sternleichen, die dreißig Jahre vor ihrer Entdeckung am Schreibtisch erdacht wurden. Phänomene der Quantenmechanik lassen sich ebenfalls im Universum hervorragend studieren. Auch hier zeigen sich bemerkenswerte Übereinstimmungen. Wenn also die von uns erdachten und experimentell bestimmten Naturgesetze wirklich falsch sein sollten, dann sind sie verdammt gut falsch.

Offenbar haben wir Menschen mit der Wissenschaft der Physik eine überaus vielversprechende Methodik der Naturbeschreibung in unseren Händen. Die Physik des Kosmos, die Astrophysik, sieht den Menschen heute im Spiegel des Universums. Wir leben in einem Universum, das wir verstehen können, wenn wir Astrophysik betreiben. In den letzten Jahrzehnten konnten wir dank der Astrophysik viel über die sehr enge Verflechtung unserer eigenen Existenz mit kosmischen Bedingungen lernen.

Das Zusammenspiel der grundlegenden physikalischen Wechselwirkungen bestimmt die Vielfalt und Komplexität des gesamten Kosmos. Selbst die grundlegenden, das heißt prinzipiellen Grenzen unserer Erkenntnismöglichkeiten werden durch physikalische Theorien beschrieben. Die Lichtgeschwindigkeit ist die höchste Geschwindigkeit im All, und das Plancksche Wirkungsquantum ist die kleinste Wirkung im Universum. So beschreiben einerseits die Relativitätstheorie und andererseits die Quantenmechanik die Grenzen physikalischer Forschung. Die intensive Wechselwirkung der leuchtenden Materie mit der Strahlung erzeugt auch eine nicht mehr durchdringbare Lichtwand im Kosmos. Denn der frühe Kosmos war dominiert von intensiver Strahlung, und die Materie hatte die gleiche Temperatur wie diese Strahlung des Universums. So wie wir nicht in die Sonne hineinblicken können, sondern nur ihre Oberfläche sehen, können wir die Vorgänge, die sich im frühen Kosmos abgespielt haben, nicht erkennen. Erst als das Universum sich während seiner Expansion so weit abgekühlt hatte, dass die Strahlung allmählich schwächer wurde, trennte sich die Materie von der Strahlung. Das geschah rund 380 000 Jahre nach dem Anfang. Doch alles, was davor passierte, bleibt im Licht der Hintergrundstrahlung für immer verborgen. Dieser Zusammenhang zwischen Strahlung und Temperatur liefert uns einen kosmischen Zeitpfeil. Und deshalb sind Raum, Zeit und dann auch Geschwindigkeit wohl definiert in unserem Universum.

Eine genaue Inspektion der tieferen physikalischen Zusammenhänge liefert sogar einen extrem engen Spielraum für die Naturkonstanten und Gesetze. Wir könnten in keinem anderen Universum existieren, denn nur in einem dreidimensionalen Raum sind die Planetenbahnen stabil. Nur in unserem Universum ist die Materie stabil. Nur in unserem Universum konnte Leben entstehen.

Jetzt haben wir den Gipfel schon einmal eingekreist. Wir haben nur geschaut, sind ohne allzu großen gedanklichen Aufwand ein wenig durch die Ebene geschlendert. Doch jetzt geht es richtig ins Gebirge der Rationalität und des Verstandes, ins Hochgebirge der faszinierendsten Wissenschaft, die ich kenne. Hinein in eine Welt, die so ganz anders ist als unsere, ohne die die unsere aber nicht wäre. Das Universum hat wirklich und tatsächlich etwas mit uns allen zu tun!

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STABILITÄT IM KOSMOS

https://link.videowissen.de/CBertelsmann-Lesch/1/

In Zeiten, in denen die ganze Welt per Internet und Smartphone so nah an uns herankommt und so viel von uns fordert, kann es doch mal ganz schön sein, innezuhalten und einen Blick ins Weltall zu werfen. Sich wirklich einmal zurückzuziehen und in den Himmel über uns zu schauen und zu überlegen: Was hat das Ganze da oben eigentlich mit uns hier unten auf dem Planeten Erde zu tun? Sich einmal wirklich darauf einzulassen, wie wir mit der ganzen Natur, auch und vor allem der kosmischen Natur, zusammenhängen. Wir sind ja ansonsten eher mit uns selbst beschäftigt: me, myself and I. Der Individualismus, die Selbstverwirklichung und die Konzentration auf die eigenen Ziele – das ist die Maxime unserer Zeit. Und wir vergessen dabei, dass es uns ohne den Kosmos gar nicht geben würde.

Beginnen wir mit einer ganz einfachen Situation: Ich stehe auf der Erde, ich atme, ich trinke Tee und mache mir keine Gedanken darüber, woher das alles kommt. Ich genieße die Natur, ihre Erscheinungsformen und ihre Vielfalt (so sie denn noch vorhanden ist), und nur ganz selten lasse ich das Gefühl an mich heran, dass ich ein Teil eines viel größeren Ganzen bin, das eine Milliarden Jahre alte Geschichte hat. Jeder von uns ist ein Teil des Teils, der anfangs alles war. Und davon wird die Rede sein. Denn der Boden unter meinen Füßen genauso wie die Luft, die ich atme, sowie die Flüssigkeit, die ich zu mir nehme, all das ist ja schon ein Ausdruck dafür, dass ich mit der Welt verbunden bin. Denn ich kann offenbar Stoffe in mich aufnehmen, die mich nicht töten, sondern die im Gegenteil mein Leben sogar fördern, die es überhaupt erst möglich machen. Das heißt: Mein Körper verbindet sich mit diesen Stoffen und holt auf eine für den Laien rätselhafte Art und Weise, die Ärzten natürlich längst bekannt ist, die Energie aus den Molekülen, die ich brauche, um zu leben. Das beginnt bei der Atmung, der Aufnahme von Sauerstoff, den ich als Energiequelle benötige, gilt aber natürlich auch für Wasser und die Stoffe in meiner Nahrung. In allen Molekülen steckt nämlich Bindungsenergie, die frei wird und genutzt wird in den neuen Verbindungen, die meine Körperzellen mit diesen Elementen eingehen. Und nur der ständigen Zufuhr an dieser sogenannten chemischen Energie verdanke ich mein Leben. Sie ist der Grund dafür, dass ich für die Zeit meines Lebens meinen Körper mit allen seinen Funktionen aufrechterhalten kann.

Das ist insofern bemerkenswert, als eines der Grundgesetze der Physik, der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, die grundsätzliche Entwicklung erklärt, wonach in der Natur alle Prozesse so ablaufen, dass sich die Entropie vergrößert, sich also alles immer mehr zum Gleichgewicht entwickelt, denn dort ist die Entropie am größten. Lebewesen sind jedoch gar nicht im Gleichgewicht mit ihrer Umgebung, sondern im Nichtgleichgewicht und erhalten auf diese Weise ihren körperlichen Aufbau und alle Funktionen aufrecht. Ohne einen entsprechenden Nachschub an Energiefluss kann der Mensch nicht leben. Allen Lebewesen geht es so: Sie nehmen niederentropische Nahrung auf und geben hochentropische Abfälle ab. Aus diesem Entropiefluss ernährt sich das Leben.

Bereits die einfache Frage, wo die Materie eigentlich herkommt, die ich esse und trinke, zeigt uns: Jede Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme ist bereits ein existenzieller Akt, der kosmische Kreisläufe und Gesetzmäßigkeiten ausnutzt und benutzt. Wie hängt das alles zusammen? Nun, ein erster Blick ins All sagt uns schon, worum es hier eigentlich geht. Apropos gehen, um das folgende Argument zu verstehen: Ich erinnere mich noch daran, als ich zum ersten Mal in Aspen (Colorado) war. Ich komme im Hotel an, schönes Wetter, tolle Gegend, ich denke, jetzt machst du einen kleinen Lauf. Sportklamotten und Schuhe an, aus dem Hotel raus – und loslaufen. Nach kurzer Zeit schon habe ich das Gefühl, ich kippe um. Ich habe keine Luft mehr bekommen, obwohl ich gut trainiert war. Ich hatte überhaupt nicht daran gedacht, dass Aspen mehr als zwei Kilometer über dem Meeresspiegel liegt. Tja, je weiter wir uns vom Meeresspiegel entfernen, umso dünner wird die Atmosphäre. Was trennt uns von der kosmischen Leere? Das Luftmeer, die Atmosphäre, auf deren Boden wir leben. Sie ist der Strand des Ozeans des Universums. Wer schon einmal auf 5000 oder 6000 Meter Meereshöhe oder höher gewesen ist, weiß, wovon ich rede. Die Lufthülle wird mit zunehmender Höhe immer dünner und dünner und dünner, und irgendwann ist sie quasi fast ganz weg. Und das sieht man ja auch. Wenn man nämlich tagsüber in den Himmel schaut, und zwar in den klaren, nicht bewölkten, dann sieht man dort einen Stern, der so hell ist, dass er alle anderen Sterne überstrahlt. Und wer dies nachts tut, erblickt am Himmel zahlreiche Lichter, die nichts anderes sind als Planeten und Sterne (zumindest wenn man sich abseits von Städten und menschengemachten Lichtquellen wie blinkenden Flugzeugen etc. befindet). Und das heißt: Zwischen unseren Augen und diesen Objekten ist offenbar fast nichts, was das Licht verschluckt hätte. Denn wenn das Licht verschluckt worden wäre, dann würden wir die Lichtquellen da oben am Himmel nicht sehen.

Nun: Die Planeten sind eigentlich keine eigenen Lichtquellen, sie sind Reflektoren für das Licht unserer Sonne. Doch die Sterne, das sind eigene Lichtquellen. Und das wiederum bedeutet: Das Universum muss ziemlich leer sein. Wenn wir den Astronomen einmal glauben wollen, dann sind viele dieser Objekte dort oben Lichtjahre von uns entfernt, viele Hundert, manche Tausende von Lichtjahren. Und ein Lichtjahr ist eine ziemlich lange Strecke. Man muss sich nur einmal vergegenwärtigen, dass bereits der Mond in etwa 400 000 Kilometern Entfernung für uns ein momentan unerreichbarer Himmelskörper ist. Vor einigen Jahrzehnten konnten wir da noch hin, heute (vorläufig) nicht mehr. 400 000 Kilometer, das ist nur etwas mehr als eine Lichtsekunde. Das Licht der Sonne braucht acht Lichtminuten bis zu unseren Augen, das heißt, sie ist 150 Millionen Kilometer weit weg. Und wir können froh sein, dass sie so weit weg ist. Es zeigt sich nämlich eine große Abhängigkeit der Planetentemperatur von der Entfernung des Sternes, den der Planet umkreist. Wäre die Sonne nur um ein Weniges näher, wäre es bei uns so heiß, dass es kein Leben gäbe. Planeten mit Lebewesen müssen weit genug weg sein vom strahlenden Zentralgestirn, doch auch nicht zu weit, sonst ist es zu kalt. Aber davon später mehr.

Die Sterne am Himmel sind nicht Lichtminuten oder Lichtstunden von uns entfernt, sondern wie gesagt Lichtjahre. Ein Lichtjahr ist die Strecke, die elektromagnetische Wellen mit Lichtgeschwindigkeit in einem Jahr zurücklegen, also 365 Tage mal 86 400 Sekunden mal 300 000 Kilometer, das sind knapp 9,5 Billionen Kilometer. Das ist das Maß der Entfernungen, mit denen wir in der Astronomie arbeiten müssen, weil die Sterne so unglaublich weit voneinander entfernt sind. 9,5 Billionen Kilometer, das ist unvorstellbar groß. Wir haben zwar Zahlen für solche Strecken, aber keine Vorstellung dafür. Uns fehlt einfach jede Art von Vergleich für die ungeheuren Räume da draußen. Wir schauen in eine abartige, völlig unmenschliche Leere. Da ist wirklich fast nichts, der Kosmos ist leer, bis auf wenige, zumeist hell strahlende Inseln, die Sterne. Und diese Leere ist die Bedingung für die Möglichkeit, überhaupt in diesem Universum als Lebewesen existieren zu können. In einem Universum, das nicht so leer wäre, gäbe es uns gar nicht. Davon später mehr.