We Are Like the Sky - Marie Niebler - E-Book

We Are Like the Sky E-Book

Marie Niebler

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Beschreibung

Sind deine Versprechen stärker als deine Träume? Als Leevi nach zehn Jahren wieder Kontakt zu seiner Kindheitsfreundin Riven aufnimmt, könnte der Anlass nicht trauriger sein. Ausgerechnet er war es, der ihren Vater orientierungslos am Strand vorfand. Nun möchte er alles tun, um ihr beizustehen, denn auch nach all den Jahren spürt er eine tiefe Verbundenheit zu Riven. Sie scheint seine Gefühle zu erwidern, doch je besser Leevi sie neu kennenlernt, desto mehr zweifelt er daran, ob er gut genug für sie ist. Sein Leben als einfacher Fischer ist so weit weg von der glamourösen Welt, in der Riven zu Hause ist, wie es nur sein kann. Wie soll er ihr und ihren Träumen gerecht werden, wenn er nicht einmal seine eigenen verwirklichen kann? Eine Liebe, so weit wie der Himmel – der zweite Teil der »Like Us«-Trilogie »Ich bin verliebt in die atmosphärische Stimmung und die authentischen Charaktere. Eine Reihe, die man unbedingt lesen muss!« SPIEGEL- Bestsellerautorin Antonia Wesseling »Von Mut, Liebe und Träumen, die selbst die stärksten Stürme überstehen. Die Like Us- Reihe nimmt das Leser*innenherz von der ersten bis zur letzten Seite im malerischen Kanada gefangen. Eine Empfehlung für alle, die sich nach Ruhe und Hoffnung sehnen.« Justine Pust

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Seitenzahl: 553

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Auch wenn einige Schauplätze real existieren, sind alle handelnden Personen und die Handlung in diesem Roman frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Originalausgabe © 2022 by Marie Niebler © 2022 by MIRA Taschenbuch in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg Der Abdruck aus dem Gedicht Stopping by Woods on a Snowy Evening von Robert Frost erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors. Covergestaltung von Alexander Kopainski Coverabbildung von shlyapanama, Ksenia Zu, MVolodymyr, Boonchuay1970, Nataliia K, Ivan Kurmyshov, kaisorn, Ratomich, SWEviL / Shutterstock E-Book-Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck ISBN E-Book 9783745703375www.harpercollins.de

Liebe Leser:innen, …

Liebe Leser:innen,

dieses Buch behandelt Themen, die bei bestimmten Menschen unerwünschte Reaktionen hervorrufen können. Falls du glaubst, möglicherweise betroffen zu sein, findest du auf der letzten Seite eine genaue Auflistung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für die Handlung.

Zitat

The woods are lovely, dark, and deep, But I have promises to keep, And miles to go before I sleep, And miles to go before I sleep.

– ROBERT FROST, STOPPING BY WOODS ON A SNOWY EVENING

Widmung

Für alle mit Glaskastengefühl. Ich sehe euch. Ich höre euch. Ich fühle euch. Wir waren nie allein. & Für meine wundervolle, einzigartige, unersetzliche Familie

Playlist

Novo Amor – Haven

Lily Kershaw, Goody Grace – Now & Then

Gregory Alan Isakov – If I Go, I’m Goin

Michael Kiwanuka – Solid Ground

Zoe Wees – Control

CLOVES – Don’t Forget About Me

Ben Howard – Black Flies

Julia Alexa – please hold me

Gregory Alan Isakov – That Sea, The Gambler

Jakob Joiko – July

Woodlock – I Loved You Then (And I Love You Still)

Ocie Elliott – Forest Floor

Matt Maeson – Bank On The Funeral

Billie Marten – Bird

SYML – Take Me Apart

Bastille, The Chamber Orchestra Of London – Another Place

Oh Wonder – Lonely Star

SYML – Everything All At Once

Olivia Dean – Slowly

Joy Oladokun – look up

SYML – God I Hope This Year Is Better Than The Last

Bon Iver – Flume

Damien Rice – The Box

Joy Williams – Front Porch

FINNEAS – Lost My Mind

Sierra Eagleson – Comatose

SYML, Jenn Champion – Leave Like That

Emma Hamel – After The Credits Roll

SYML – Sweet Home

Kapitel 1

LEEVI

Er trägt keine Jacke. Und das, obwohl es heute nur zehn Grad hat und der Wind uns mit fast fünfundzwanzig Meilen pro Stunde ins Gesicht peitscht. Durch die eiskalten Böen schmerzen meine Wangen, und trotz des Windbreakers, der mich sonst sogar auf See warm hält, fröstelt es mich.

Mr. Williams scheint das nicht zu stören. Zumindest ist er mit nicht mehr als einem Strickpullover bekleidet.

Er sitzt gut zweihundert Meter von mir entfernt vornübergebeugt auf einem Felsen am Strand und betrachtet etwas am Boden. Nein, er starrt auf seinen Fuß. Seinen nackten Fuß. Hat er wirklich keine Schuhe an, oder halluziniere ich? Alles erscheint mir wahrscheinlicher, als dass ausgerechnet Mr. Williams bei diesem Mistwetter eine Art Barfuß-Sinnesspaziergang am Meer macht.

Doch da sitzt er. Live und in Farbe. Mittlerweile bin ich nah genug, um seine blauen Lippen und das Blut an seinem Fuß zu erkennen.

Mr. Williams hebt den Kopf und schaut sich scheinbar ratlos um. Sein Blick schweift über die Häuser oben an der Straße, dann rüber nach Vancouver Island, wo sich die vom Wind gepeitschten Bäume dunkelgrau in Grau vom Horizont abheben. Er sieht verloren aus. Hat er sich wieder verirrt? Es würde mich nicht wundern, so oft, wie das in letzter Zeit passiert ist. Aber dass er dabei rumläuft, als wären das hier die Bahamas und nicht die Westküste Kanadas, ist neu.

Der alte Herr schlingt die Arme um seinen Körper, als würde er frieren, und ich beschleunige meine Schritte weiter. Die letzten Meter über den groben Kies jogge ich auf ihn zu. Wenigstens hat er sich nicht zu einem Badeausflug entschieden. Das Wasser ist mit ziemlicher Sicherheit eiskalt, und ich hätte wenig Lust, ihn da rauszuziehen.

»Mr. Williams!«

Auf mein Rufen hin dreht er den Kopf zu mir. Sein Blick findet meinen, und kurz glaube ich, Erleichterung darin zu sehen. Doch sie währt nur einen Moment. Danach wird seine Miene abweisend. Ich habe nichts anderes erwartet. Er reckt das Kinn, streckt den Rücken durch, und ich bin mir nicht sicher, ob ich das als Stolz oder als reine Trotzhaltung interpretieren soll. Beides nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für ein Gespräch.

»Geht es Ihnen gut?« Normalerweise mache ich einen Bogen um den ehemaligen besten Freund meines Vaters, doch nun gehe ich vor Mr. Williams in die Hocke und scanne seinen Körper mit meinem Blick nach weiteren Verletzungen ab.

Bis auf seinen linken Fuß scheint er komplett wohlauf zu sein. Wahrscheinlich ist er barfuß in eine Scherbe oder eine Muschelschale getreten, denn ich entdecke weit und breit keine Schuhe.

»Bestens«, meint er knapp und reibt sich die Arme. Ich wage diese Aussage anzuzweifeln. Und zwar so was von.

»Was ist passiert?«, frage ich vorsichtig und ziehe meine Jacke aus. Sofort fährt mir der eiskalte Wind unter den Hoodie, und ich beiße die Zähne zusammen.

»Mistwetter, nicht wahr?«, übergeht Mr. Williams meine Frage und nickt dankbar, als ich ihm den Windbreaker hinhalte, damit er reinschlüpfen kann. »Ich verstehe gar nicht, warum es heute so kalt ist.«

»Es ist Oktober«, rutscht es mir verwundert heraus. Sofort verfinstert sich seine Miene wieder, und ich klappe den Mund zu. Das Letzte, was ich brauche, ist, dass Mr. Williams glaubt, ich würde ihn belehren wollen. »Und der Sturm …« Ich lasse den Satz unbeendet, um nicht noch mehr Falsches zu sagen, und strecke fragend die Hand nach seinem Fuß aus.

»Ich bin wo reingetreten«, bestätigt er meine Vermutung und hebt das Bein leicht an. Vorsichtig greife ich seinen Knöchel und nehme die Wunde in Augenschein. Ohne das Blut abzutupfen, ist allerdings schwer zu sagen, wie tief sie ist. Warum musste eigentlich ausgerechnet ich ihn hier entdecken? Ich bin müde von der Arbeit und will einfach nur nach Hause und lesen.

»Ich rufe Sally«, beschließe ich.

»Was? Wieso das denn?« Mr. Williams zieht seinen Fuß zurück. »Das ist gar nicht nötig, Junge. Ich gehe heim und klebe ein Pflaster drauf, mehr ist das doch nicht.«

»Und wie wollen Sie nach Hause kommen? Auf einem Bein hüpfend? Sie reiben nur noch mehr Dreck in die Wunde, wenn Sie durch den Kies stapfen. Wir brauchen einen Verbandskasten, und ich werde Sie hier nicht allein sitzen lassen, um einen zu holen.«

Bevor er weiter protestieren kann, ziehe ich mein Smartphone aus der Hosentasche und wähle die Nummer meiner besten Freundin Laina. Ich bereue es jetzt schon. Eigentlich sind Mr. Williams und unsere Bürgermeisterin Sally gute Freunde, doch jeder weiß, dass die beiden momentan nur noch streiten. Sie macht sich Sorgen um ihn, weil er immer vergesslicher wird, und er ist genervt davon. Aber für diesen Quatsch habe ich jetzt keinen Nerv.

»Leevi?«, ertönt Lainas Stimme an meinem Ohr. Sie klingt irritiert. Wahrscheinlich, weil ich sie nie – wirklich nie – anrufe. Bevor ich etwas sagen kann, setzt sie bereits nach. Okay, korrigiere. Sie schreit. »Leevi! Du hast dich wieder auf dein Handy gesetzt!«

»Au!«, fluche ich und halte das Smartphone weiter von meinem Ohr weg. »Tinnitus lässt grüßen!«

»Oh!« Laina wirkt sofort peinlich berührt. »Tut mir leid! Ich dachte nicht, dass du wirklich dran bist, und hatte keine Lust, wieder zwanzig Minuten mit deinem Hintern zu telefonieren.«

»Du hättest damals auch auflegen können«, erinnere ich sie und muss grinsen, wenn ich an unser letztes Telefonat zurückdenke. Das Lachen vergeht mir, als ich zufällig Mr. Williams in die Augen schaue, der grimmig auf mich herunterblickt.

»Nächstes Mal«, murmelt Laina, und ich kann förmlich sehen, wie rot ihre Wangen sind. Sie schämt sich heute noch dafür, dass sie damals fünfzehn Minuten lang versucht hat, Kontakt mit mir aufzunehmen, während das Handy in meiner Hosentasche steckte. Mich hingegen hat es nicht überrascht. Nichts liegt ihr ferner, als einfach ein Telefonat zu beenden. Selbst wenn es bedeutet, ein sehr einseitiges Gespräch mit meiner rechten Pobacke zu führen.

»Erreichst du deine Mom?«, wechsle ich das Thema. »Ich habe ihre Nummer nicht und brauche Hilfe am Strand, ein Stück nördlich der Bäckerei. Mr. Williams hat sich am Fuß verletzt und blutet.«

»Oje! Okay, ich rufe sie sofort an!«

»Danke. Sag ihr, sie soll wenn möglich Schlappen und eine Jacke für ihn mitbringen, er friert und hat keine Schuhe. Bis dann.«

»Ähm … okay? Ich sag’s ihr! Bye!«

Ich beende das Gespräch, damit Laina es nicht tun muss, und lege das Handy vorsichtig neben mich auf den Kies. Als ich wieder zu Mr. Williams aufschaue, hat dieser den Blick aufs Meer geheftet und presst die blauen Lippen aufeinander. Ich kann seinen Ausdruck nicht deuten. Er wirkt ein wenig zerknirscht, fast nachdenklich, so als würde er gerade im Stillen mit sich ringen. Seine Augen glänzen verdächtig, und er scheint darauf bedacht zu sein, mich nicht mehr anzusehen.

»Tut Ihnen sonst noch etwas weh?«, frage ich.

Seufzend schüttelt er den Kopf, was mehr wie ein Ja als ein Nein aussieht. Und ich glaube, ich verstehe ihn. Körperliche Schmerzen hat er vielleicht keine. Aber wer weiß, was in seinem Inneren vorgeht.

Eine Nachricht von Laina leuchtet auf meinem Display auf. Sie ist so kurz, dass ich sie schon in der Vorschau lesen kann.

Laina: Mom ist gleich da.

»Sally kommt«, teile ich dem älteren Herrn mit. »Wir verbinden Ihren Fuß und bringen Sie nach Hause, okay? Hilft die Jacke?«

Er brummt. »Du warst schon immer ein guter Junge, Leevi.«

Irritiert hebe ich die Brauen. »Ähm … danke.« Mr. Williams kennt mich schon seit meiner Geburt. Seine Tochter Riven und ich waren lange unzertrennlich. Aber seit Dad und er sich zerstritten haben, schien er auch auf mich nicht mehr besonders gut zu sprechen zu sein. Umso merkwürdiger, nun so etwas von ihm zu hören.

Er nickt geistesabwesend, und ein harter Zug legt sich um seine Mundwinkel. »Dein Vater muss sehr stolz auf dich sein.«

»Das ist er, Sir.«

Wir schweigen. Mr. Williams starrt auf die Wellen ein paar Meter vor uns. »Läuft das Geschäft gut?«, fragt er irgendwann und sieht mir wieder flüchtig ins Gesicht.

»Ach, mal so, mal so«, weiche ich aus. »Wie die Fische eben Lust haben.«

Dad würde mich vermutlich lynchen, wenn er wüsste, dass ich mit Mr. Williams über ihn spreche. Er würde nicht wollen, dass irgendjemand außerhalb der Familie von unseren Problemen erfährt. Erst recht nicht jemand, auf den er einen solchen Groll hegt wie auf Mr. Williams.

»Das weiß man nie«, stimmt der alte Herr nachdenklich zu und beobachtet, wie Blut von seiner Ferse auf den Kies tropft.

»Wo sind denn Ihre Schuhe?«, wage ich zu fragen.

Frustriert atmet er aus. »Zu Hause.«

Ich verkneife mir eine Nachfrage, auch wenn ich nur zu gern wüsste, warum. Hat er es nicht geschafft, sich passend anzuziehen? Dachte er, es wäre noch Sommer? Mit zitternden und von der Kälte kalkweißen Fingern zieht er die Jacke enger um sich, und ein flaues Gefühl breitet sich in meinem Magen aus. Seine Zerstreutheit, oder wie auch immer man das nett formulieren mag, wird allmählich ernst. Noch sind die Temperaturen halbwegs erträglich, aber der Winter steht vor der Tür. Und in seinem Alter ist selbst mit einer scheinbar harmlosen Unterkühlung nicht mehr zu spaßen.

Aus dem Augenwinkel nehme ich eine Bewegung wahr, die meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Eine Gestalt im quietschgelben Regenmantel schlittert soeben die kleine Böschung zum Strand hinunter und kommt über den Kies auf uns zugerannt. Sally hat einen Erste-Hilfe-Koffer in der Hand und eine Decke unter den anderen Arm geklemmt. Die Kapuze ist ihr vom Kopf gerutscht, und ihre wilden grauen Locken fliegen im Wind. Mr. Williams folgt meinem Blick und grunzt missbilligend. »Du hättest sie nicht anrufen sollen«, meint er. »Die hat mir gerade noch gefehlt.«

Entnervt atme ich aus. Auch die beiden waren jahrzehntelang beste Freunde. Wenn ich mir auch nur vorstelle, so etwas jemals über Laina zu sagen … Selbst über Riven würde ich nie so sprechen, und zu ihr habe ich schon seit zehn Jahren keinen Kontakt mehr. Für Mr. Williams jedoch scheint es normal zu sein, seine ehemaligen Freunde schlechtzumachen.

»Sie will nur helfen«, erwidere ich ruhig.

»Helfen!« Er schnaubt. »Alles bringt sie durcheinander. Wem soll das helfen, hm?«

Ich bin mir nicht sicher, wovon er redet. Statt einer Antwort ringe ich mir ein halbherziges Lächeln ab und winke Sally zu. Möglichst entspannt, um ihr zu bedeuten, dass sie sich Zeit lassen kann, denn ich kenne ihre Tollpatschigkeit. Ich sehe schon förmlich vor mir, wie sie auf den nassen Steinen ausrutscht. Ein Verletzter reicht mir.

Glücklicherweise schafft sie es unversehrt bis zu uns. »Richard!«, japst sie, kommt zum Stehen und ringt keuchend nach Luft. Ich wappne mich schon mal für das Schlimmste. Wenn sie jetzt anfangen zu zanken, wird an diesem Strand gleich die Hölle los sein, und davon wäre ich nur ungern ein Teil. Ich stehe auf, verschränke fröstelnd die Arme vor der Brust und trete einen Schritt zurück, um Sally Platz zu machen. Sie drückt mir die Decke in die Arme, und ich lege sie dem älteren Herrn um. Ein Paar Gartenschlappen fällt dabei aus dem Bündel.

»Was ist passiert?«, will die Bürgermeisterin wissen und geht vor Mr. Williams in die Hocke. Der Erste-Hilfe-Koffer fliegt auf, und sie wühlt darin herum.

»Was soll schon passiert sein?«, blafft er sie an. »Ich bin in eine Scherbe getreten, oder was weiß ich!«

»Und warum in Gottes Namen bist du barfuß?«

»Warum nicht? Gibt’s neuerdings ein Gesetz dagegen, oder was?«

»Richard, es ist Oktober!«

»Ja, danke. Ich habe einen Kalender. War das jetzt eine Antwort auf meine Frage?«

Sally funkelt ihn an und zieht seinen Fuß etwas zu grob zu sich heran. »Alter Sturkopf! Gib doch wenigstens zu, dass du ein Problem hast!«

»Und was für ein Problem soll das sein? Abgesehen von dir natürlich.«

Ich zücke mein Smartphone und schreibe mit vor Kälte klammen Fingern eine Nachricht an Laina.

Leevi: Deine Mom ist da. Schickst du jetzt noch jemanden, der mich rettet?

Laina: So schlimm?

Leevi: Ruf schon mal die Tatortreiniger. Das gibt ganz üble Flecken auf dem Kies.

Laina antwortet mit einem augenrollenden Emoji. Ich sende ihr im Gegenzug das Gif aus The Shining, in dem eine Flutwelle aus Blut durch den Hotelflur auf die Kamera zurollt.

Leevi: Den müssen wir auch mal wieder schauen.

Laina: Ohne mich. Frag Tommy! Von dem Film krieg ich Albträume.

Diesmal ist meine Antwort ein Gif von Danny, dem fünfjährigen Protagonisten des Films, der auf seinem Dreirad sitzt und schockiert in die Kamera schaut. Ein gutes Äquivalent dafür, wie Laina guckt, wenn man ihr etwas ansatzweise Gruseliges zeigt.

Sally und Mr. Williams zetern unterdessen munter weiter. Sein Fuß ist provisorisch verbunden, er trägt die Schlappen, und Sally schließt laut schimpfend den Koffer. Mr. Williams versucht immer wieder, ihre Schimpftirade zu unterbrechen, was sie mit noch lauteren Flüchen unterbindet.

Seufzend stecke ich mein Handy weg und helfe dem älteren Herrn auf die Beine. Er funkelt mich jetzt noch böser an, vermutlich, weil ich mich in seinen Augen mit Sally verbündet habe. Sie will ihn von der anderen Seite stützen, aber er wimmelt sie zischend ab und verlagert sein Gewicht stattdessen mehr auf mich. Ich stöhne innerlich auf – er ist ganz schön schwer – und versuche, mir nichts anmerken zu lassen. Gemeinsam setzen wir uns Richtung Dorf in Bewegung. Bis zu Mr. Williams’ Haus sind es zum Glück nur ein paar Minuten. Inzwischen ist mir in meinem Hoodie verdammt kalt.

»Du musst dich unbedingt aufwärmen«, belehrt Sally ihn. »Ich mache dir gleich eine Kanne Tee und …«

»Willst du auch noch Hühnerbrühe kochen und mir eine aufgeschnittene Zwiebel hinter die Ohren reiben, Mom?«, frotzelt Mr. Williams.

»Wann begreifst du endlich, dass wir dir nur helfen wollen, Richard?« Sally ist die Frustration deutlich anzuhören.

»Und wann begreift ihr, dass ich eure Hilfe weder will noch brauche?«, schießt er zurück.

Als derjenige, der gerade geschätzt siebzig Prozent von Mr. Williams’ Körpergewicht trägt, wage ich das zu bezweifeln. Doch ich halte brav meine Klappe.

»Das werden wir ja sehen!« Jetzt klingt Sally geradezu triumphierend. Ich werfe ihr einen fragenden Blick zu.

Dieser Tonfall … Was heckt sie aus?

Sie grinst mich freudlos an und stapft ein paar Meter voraus, wodurch Mr. Williams nur noch ihren Rücken anpflaumen kann. Es scheint ihn nicht zu stören. Er wettert und wettert.

Der Weg zu seinem Haus kommt mir endlos vor, doch schließlich haben wir es geschafft. Ich nehme meinen Windbreaker entgegen, den er sich abstreift, kaum dass er über die Türschwelle gehumpelt ist, und will mich bereits verabschieden, als Sally mich am Oberarm zurückhält.

»Ich brauche dich hier noch«, raunt sie mir zu und zieht mich nach drinnen.

Ich war seit zehn Jahren nicht mehr in diesem Haus, doch es scheint sich nicht viel verändert zu haben. Sofort überkommt mich eine regelrechte Flutwelle an Nostalgie. Was Riven wohl macht? Sie war auch schon lange nicht mehr hier, glaube ich.

»Oh, oh«, kommentiere ich Sallys Ankündigung trocken und schlüpfe in meine Jacke. Ich bin durchgefroren bis auf die Knochen und würde mich jetzt nur zu gern genau wie Mr. Williams auf dem Sofa in eine Decke einwickeln. Vorzugsweise bei mir zu Hause, wo mein Buch in Reichweite ist und ich weit weg von dem Streit bin, der hier gleich wieder entbrennt.

»Als Unterstützung«, zischt Sally. »Wenn ich Richard mitteile, dass in ein paar Minuten der Arzt hier ist.«

»Was?«, donnert Mr. Williams’ Stimme durchs Zimmer. Jetzt stöhne ich wirklich auf. Sally zieht demonstrativ die Tür hinter mir zu, während er wieder von der Couch aufsteht und mit wutentbranntem Gesichtsausdruck auf uns zumarschiert. Ich habe das Bedürfnis, wie eine eingesperrte Katze an der Tür zu kratzen. Lasst mich raus! Ich bin zu jung zum Sterben.

»Ganz recht!«, ruft Sally und stemmt die Hände in die Hüften. Sie fordert es regelrecht heraus. Und als ich den Blick des alten Herrn treffe, muss ich den Gedanken von eben revidieren. Ich bin in dieser Situation keine Katze. Ich bin das Kaninchen im Löwenkäfig. Und bevor mir eine Ausrede einfällt, mit der ich mich retten könnte, bricht auch schon die Hölle los.

RIVEN

Mir bleiben exakt zwei Minuten, bis das Meeting beginnt, und Dad ruft schon wieder an. Vor weniger als zwanzig Sekunden habe ich seinen Anruf weggedrückt, und es klingelt bereits erneut. Mit der Hand am Türgriff halte ich inne und versuche zu verhindern, dass der Stapel Portfolio-Ordner auf meinem linken Arm das Gleichgewicht verliert. Er wackelt gefährlich, und ich klemme ihn mir unter dem Kinn fest, während ich umständlich auf meinem Smartphone, das obenauf liegt, den roten Hörer drücke. Beim zweiten Auflegen versteht Dad hoffentlich, dass es kein Versehen von mir war und auch nicht an einer schlechten Verbindung oder seinem Telefon liegt. Dad und Technik …

Mit Ende sechzig ist er eigentlich noch nicht so unglaublich alt, aber in letzter Zeit benimmt er sich gern so. Und mitunter nervt das ganz schön.

Ich liebe meinen Vater. Über alles. Doch er weiß genau, dass ich um diese Uhrzeit noch arbeite, und gerade habe ich wirklich keine Zeit für einen seiner Anrufe aus Langeweile, in denen er mir die immergleichen Geschichten erzählt und die immergleichen Fragen stellt.

Erneut greife ich nach der Türklinke. Die anderen sind schon alle drinnen, und Faiza wird ohnehin nicht begeistert sein, dass ich so kurz vor knapp auftauche. Leider ging es nicht anders. Mein letzter Klient kam zu spät und hatte noch dazu Entscheidungsschwierigkeiten, die an eine Midlife-Crisis grenzten, wodurch er meinen gesamten Zeitplan durcheinandergeworfen hat. Natürlich hat er sich am Ende unserer dreistündigen Odyssee aus Vorschlägen für genau das Outfit entschieden, das ich ihm am Anfang vorgeschlagen hatte.

Wieder schaffe ich es nicht, die Tür zu öffnen, weil mein Smartphone vibriert. Mann, Dad! Was ist denn so wichtig? Frustriert greife ich nach dem Handy, und der Stapel Ordner auf meinem Arm verliert endgültig das Gleichgewicht. Sie donnern gegen die Tür des Meetingraums, und einer von ihnen landet mit der Kante auf meinem Fuß, genau zwischen den Striemen meiner High Heels.

Ich fluche und verfluche mich noch im selben Moment dafür. Das hat man drinnen sicher gehört. Großartig! In diesem Zimmer sitzen Faizas Hearts and Arrows – ihre hochkarätigsten Klienten, die sie nach einem besonders teuren Diamantschliff benannt hat –, und ich komme nicht einfach nur zu spät, sondern verteile auch noch unsere Präsentation lautstark fluchend auf dem Flur.

Genervt nehme ich den Anruf entgegen und bücke mich gleichzeitig nach den Ordnern. »Dad, ich kann gerade wirklich nicht!«, zische ich in mein Smartphone. Hoffentlich überspielt Faiza den Auftritt mit ihrem charismatischen Small Talk. »Ich hab jetzt ein wichtiges Meeting mit …«

»Ähm, Riven?«

Ich erstarre und nehme das Smartphone kurz von meinem Ohr, um aufs Display zu schauen. Doch, das ist Dads Festnetznummer. Aber die Männerstimme am anderen Ende ist nicht die meines Vaters. Ihr fehlt das Kratzen des Alters und sein nüchterner, rationaler Tonfall. Stattdessen klingt sie weicher, fast schon warm, und gleichzeitig so dringlich, dass mir schlagartig kalt wird. Gänsehaut überzieht meine Arme. Ich lasse die Ordner liegen und richte mich auf.

»Wer ist da?«, frage ich unsicher.

Der Fremde räuspert sich. Im Hintergrund höre ich Stimmen, die diskutieren. »Hi. Sorry, hier ist Leevi.«

»Leevi?«, wiederhole ich verwirrt.

»Leevi Myers? Wir waren befreundet, bevor du weggezogen bist.«

Ich schnaube. »Ich weiß, wer du bist, Leevi.« Als könnte ich ihn vergessen. Wir waren nicht nur befreundet, wir waren unzertrennlich. Ein Herz und eine Seele. So jemanden vergisst man nicht, egal, wie lang es her ist. »Aber warum rufst du von Dads Telefon aus an? Ist was mit ihm?« Allein der Gedanke lässt mich erschaudern, und Panik schnürt mir die Kehle zu. »Was hat er?«, bringe ich hervor. »Wo ist er?«

Die Tür vor meiner Nase wird aufgerissen, und Faiza steckt ihren topfrisierten Kopf zu mir heraus. Mit weiten Augen schaut sie mich an. »Riven! Was wird das? Wir warten!« Ihr Blick fällt auf das Smartphone an meinem Ohr und die Ordner zu meinen Füßen. Missbilligend verzieht sie den Mund.

Hilflos deute ich auf mein Handy, aus dem erneut Leevis Stimme ertönt. Gleich, forme ich mit den Lippen.

»Also«, setzt er an, während Faiza widerwillig die Tür schließt. »Erst mal, deinem Dad geht es so weit gut. Er ist hier und auf den Beinen. Aber Sally hat mich beauftragt, dich anzurufen. Sie meint, du oder jemand von deinen Geschwistern sollte herkommen, um ihm Vernunft einzureden. Ich zitiere nur«, fügt er hinzu.

»Vernunft einreden?«, wiederhole ich irritiert.

Leevi holt tief Luft. »Ich hab ihn vorhin barfuß und ohne Jacke am Strand gefunden. Hier stürmt es, also wirklich kein Wetter für einen netten Sonntagsspaziergang, und er hatte sich am Fuß verletzt. So was kommt aktuell öfter vor. Er verirrt sich immer wieder auf der Insel und findet nicht mehr nach Hause. Sally hat ihm jetzt einen Arzt aus Port McNeill gerufen, der eben da war. Dein Dad wollte sich nicht untersuchen lassen, er durfte sich nur seinen Fuß anschauen, aber nachdem Sally dem Arzt alles erzählt hat, will er deinen Vater an eine Gedächtnisklinik weiterleiten. Er denkt, er sollte sich besser komplett durchchecken lassen, um die Ursache für seine … Ausflüge zu finden. Was dein Vater natürlich überhaupt nicht einsieht. Deswegen wäre es vielleicht besser, wenn einer von euch … ah, fuck.« Leevi wird von lautem Gebrüll unterbrochen.

»Raus aus meinem Haus!«, donnert eine Stimme im Hintergrund, und ich zucke zusammen.

»War das etwa Dad?«, frage ich entsetzt. Das kann doch gar nicht sein. Noch nie in meinem Leben habe ich ihn so laut werden hören. Dad schreit oder flucht nicht. Ganz egal, was wir als Kinder verbrochen haben oder wie heftig er sich mit Mom in den Haaren hatte, er blieb immer gefasst. Die Ruhe in Person.

»Jep«, bestätigt Leevi leise.

»Dad schreit nie!«, spreche ich meinen Gedanken laut aus.

Wieder brüllt jemand im Hintergrund.

»Ich wage zu widersprechen«, meint Leevi trocken. »Es … eskaliert hier gerade ein bisschen. Sally macht sich große Sorgen um ihn, aber er will das nicht hören. Seiner Meinung nach geht es ihm bestens. Nur sehen wir alle, dass es schlimmer wird, und …«

Es knallt, und plötzlich höre ich die Stimme meines Vaters so deutlich, als würde er direkt ins Telefon rufen. Sie geht mir durch Mark und Bein. »Sag mal, Bursche! Ich glaub, ich werd nicht mehr!«

Oh nein …

»Mr. Williams, ich kann das erklären. Ich versuche nur …«

»Her mit meinem Telefon! Halten mich jetzt alle für senil, oder was? Nur weil dieser Möchtegern-Arzt mit seinem Job überfordert ist?«

»Das hat niemand behauptet, Sir. Wir …«

»Ich sagte her damit! Sofort!«

»Aber …«

Es knackt in der Leitung, und der Anruf ist abrupt beendet.

Mein Herz rast. Ich kann nicht glauben, was ich soeben gehört habe. Weder das, was Leevi erzählt hat, noch die Tatsache, dass das wirklich mein Vater gewesen sein soll. Sofort drücke ich den Rückruf, doch es klingelt und klingelt und klingelt …

In dem Moment, in dem die Mailbox rangeht und ich erneut anrufen will, wird die Tür vor meiner Nase wieder aufgerissen. Diesmal schiebt Faiza sich ganz zu mir auf den Flur und schließt sie hinter sich. Sie rückt geschäftsmäßig ihren pinkfarbenen Blazer zurecht und stemmt die Hände in die Hüften.

»Riven, ich brauche meine Assistentin im Meetingraum und nicht telefonierend auf dem …« Sie stockt mitten im Satz und mustert mich. Ihr Gesichtsausdruck wandelt sich von verärgert zu besorgt. »Was ist los?«

Ich kann nicht sofort antworten. Mein Körper ist wie in Schockstarre, und meine Gedanken überschlagen sich. Ich muss in dieses Meeting. Meinen Job machen. Abliefern. Faiza beeindrucken, damit sie ein gutes Wort für mich einlegt.

Aber Dad …

Ja, was ist nun eigentlich mit Dad?

Was Leevi mir eben erzählt hat, kam völlig aus dem Nichts. Ich wusste nicht, dass mein Vater in irgendeiner Weise Probleme hat. Dass er sich verirrt. Dass er Gedächtnisprobleme hat. Und warum lässt er das nicht untersuchen? Was, wenn es etwas Ernstes ist?

Was mache ich denn jetzt? Ich kann nicht einfach durchs ganze Land fliegen, um einem erwachsenen Mann Vernunft einzureden, ich habe immerhin einen Job! Eine Karriere, oder zumindest den Ansatz von einer.

Aber wenn Dad mich braucht? Wenn es ihm wirklich schlecht geht und er sich sonst diesem Klinikbesuch verweigert, den er dringend nötig hat? Das würde zu ihm passen. Er war schon immer ein Sturkopf.

Faiza drückt auffordernd meinen Arm und holt mich aus meinen kreisenden Gedanken.

»Mein Dad«, bringe ich heraus. »Er … Ihm geht es nicht gut?« Ich bin mir nicht sicher, ob es eine Aussage oder eine Frage ist. Am Telefon klang er putzmunter. Nur eben nicht mehr wie Dad, sondern wie ein völlig Fremder. Wie ausgetauscht. Dass er Leevi so anbrüllt – ausgerechnet Leevi! »Ich … Kann ich ihn noch mal anrufen? Bitte …«

Faizas Augen werden weit, von ihrer Strenge bleibt keine Spur. »Natürlich! Oh, Riven, klar kannst du! Weißt du was, mach Feierabend. Ich übernehme da drin, das schaffe ich auch allein. Dein Dad ist wichtiger! Und wenn noch etwas ist, schreibst du mir, ja? Das ist gar kein Problem.«

»Danke, Faiza.«

»Ach …« Sie drückt mich fest an sich, löst sich wieder von mir und sammelt in Rekordgeschwindigkeit die Ordner vom Boden auf. Mit einem letzten besorgten Blick verschwindet sie wieder im Meetingraum und lässt mich allein auf dem Gang zurück. Ich brauche einen Moment, bevor ich mich aus meiner Starre gelöst habe. Mit wackligen Knien laufe ich in Richtung unseres Büros und versuche dabei erneut, Dad anzurufen. Es klingelt lang. Doch diesmal hebt er ab.

»Ja?« Es ist nicht seine übliche freundliche Begrüßung. Und seine Stimme klingt rauer als sonst. Ob das daran liegt, dass er eben so rumgebrüllt hat? Oder hat er sich bei seinem Barfußausflug zum Strand gleich eine Erkältung geholt?

»Hi, Dad«, bringe ich hervor.

Er zögert. »Riven, bist du es?«

»Ja. Zeigt dein Telefon es etwa nicht an?«

»Ich hab nicht draufgeschaut. Warum rufst du an?«

Normalerweise kann man Dad anhören, dass er sich freut, wenn ich mich melde. Nicht heute. Er klingt frustriert und ein wenig zerstreut.

Ich betrete das Büro und lasse mich hinter meinen Schreibtisch sinken. Bis auf einen Stapel Unterlagen, den Faiza dort abgelegt haben muss, ist er ordentlich aufgeräumt. Die Tischplatte ist fast komplett leer, alles ist da verstaut, wo es hingehört. Es ist eine Angewohnheit, die ich definitiv von meinem Vater habe.

Faizas Arbeitsplatz auf der anderen Seite des Raumes hingegen ist das reinste Chaos. Meist findet sich dort gerade genug freier Platz, dass sie ihren Laptop abstellen kann. Und das, obwohl ihr Tisch fast doppelt so groß ist wie meiner. Alles liegt voller Magazine, ausgedruckter Mails, Galaplanungen, Schneideranfragen und Rechnungen. Es ist mir ein Rätsel, wie sie da durchblickt. Aber zum ersten Mal kann ich dem Bild etwas abgewinnen, denn in meinem Kopf herrscht ein ähnliches Durcheinander.

»Riven?«, hakt Dad nach, weil ich noch nicht geantwortet habe.

Ich seufze. »Willst du mir vielleicht erklären, was das eben war?«

Schweigen am anderen Ende. »Dich hat der Bursche also angerufen«, stellt Dad schließlich fest. »Die hören sich selbst nicht reden, sag ich dir! Maßlose Übertreibungen!«

»Es klang irgendwie nicht so, als würde Leevi übertreiben«, widerspreche ich leise. »Warum sollst du in eine Gedächtnisklinik?«

»Ach, weil dieser Arzt keine Ahnung von seinem Beruf hat! In meinem Alter ist man eben nicht mehr so fit wie mit zwanzig, das ist doch normal!«

»Aber du warst barfuß am Strand, Dad. Ohne Jacke. Wie warm ist es bei euch? Zwölf Grad?«

Wieder Schweigen. Dann: »Das hat er also gesagt, hm?«

»Ja. War es etwa nicht so?«

Eine Antwort bleibt aus. Einen Moment tritt Stille ein. Unruhig streiche ich über die Tischkante und starre auf den Kalender an der Wand neben mir. Nächste Woche stehen haufenweise Termine an. Faiza zählt auf mich. Sie hat endlich angefangen, mir die Betreuung einzelner Kunden vollständig zu überlassen, damit ich mich beweisen kann. Und dadurch rückt die Beförderung, von der ich schon so lange träume, immer mehr in greifbare Nähe. Doch ausnahmsweise ist die Karriere nicht meine oberste Priorität. Nicht, wenn es bedeutet, dass ich meinen eigenen Vater im Stich lasse, obwohl er Hilfe braucht.

Dazu kommt, dass ich schon lange nicht mehr auf Malcolm Island war. Sollte ich …? Aber Faiza …

Letztendlich knicke ich ein.

»Ich buche einen Flug für morgen«, beschließe ich.

»Was?« Dad klingt entsetzt. »Du musst doch arbeiten! Hier ist alles bestens, mach dir wirklich keine Sorgen.«

»Ich habe ohnehin noch Urlaub übrig. Der verfällt, wenn ich ihn nicht nehme. Ich komme dich besuchen und begleite dich zu dieser Gedächtnisklinik.«

»Ich muss nicht in diese verdammte Klinik!«, blafft er, und ich erschrecke über seinen Tonfall. Dass er mit anderen Menschen so spricht, ist eine Sache. Aber mit mir?

»Dad …«

»Hier ist alles in Ordnung!«, wiederholt er. Es klingt weiterhin energisch, doch ich glaube, er versucht wenigstens, es möglichst ruhig zu sagen.

Langsam atme ich aus. Mit seiner Reaktion hat er mir leider das Gegenteil bewiesen. Es ist eben nichts mehr in Ordnung. Aber schön, wenn er darauf beharrt …

»Dann komme ich eben einfach so zu Besuch.«

»Riven …«

»Was, darf ich dich jetzt nicht mal mehr besuchen? Wir haben uns schon viel zu lange nicht gesehen. Wenn alles in Ordnung ist, können wir ja eine schöne Woche miteinander verbringen, vielleicht sogar mal wieder wandern gehen oder so.«

»Der Boden ist aufgeweicht, und es ist furchtbar windig.«

»Dann bleiben wir eben drinnen. Auch gut.«

Eine Pause tritt ein. Noch nie klang Schweigen so missmutig. »Wann kommst du dann?«, fragt Dad widerwillig. »Dich muss ja jemand abholen.«

»Ich muss erst nach einem Flug schauen, aber mach dir deswegen keine Sorgen. Ich nehme einfach ein Taxi.«

»Von Port Hardy aus? Das kostet ja ein Vermögen! Falls es da überhaupt Taxis gibt. Und ich habe ja kein Auto mehr, also …« Er scheint sich wirklich dagegen zu sträuben, dass ich zu Besuch komme. Und das macht mich so misstrauisch, dass ich mich erst recht an dem Plan festbeiße.

»Ich werde schon eins finden, Dad. Mach dir keine Sorgen.«

Er seufzt. »Nein, kommt gar nicht infrage! Die lange Reise und dann noch am Flughafen festsitzen … Du kommst sicher erst nachmittags an, oder?«

»Wahrscheinlich. Ich bin immerhin den ganzen Tag unterwegs.«

»Dann soll dich dieser rotzfreche Fischerjunge abholen, wenn er schon so frei ist, dich mit meinem Telefon anzurufen! Was dem einfällt …!«

»Er meinte es sicher nur gut«, versuche ich ihn zu beschwichtigen. So ein Gezeter kenne ich von meinem Vater gar nicht. Er redet sich regelrecht in Rage.

»Ja, ja! Gut meinen sie es angeblich alle! Was ich davon halte, interessiert keine Sau!«

»Jetzt beruhig dich erst mal wieder, Dad. Ich bin gerade noch im Büro. Wie wär’s, ich fahre nach Hause, buche die Flüge und rufe dich wieder an. Klingt das gut?«

»Na, wenn du unbedingt meinst. Aber meinetwegen brauchst du nicht zu kommen.«

Ich unterdrücke ein Seufzen. »Bis gleich, Dad.«

»Bis gleich, Küken.« Der alte Kosename bringt mich zum Schmunzeln, weil er ihn mit derselben Zuneigung sagt, wie er es meine ganze Kindheit über getan hat. Doch in diesem Moment trägt er auch einen bitteren Beigeschmack mit sich. Ich frage mich unweigerlich, wie lange er das wohl noch sagen wird. Wie viel ich noch von meinem Vater habe, der nun schneller alt wird, als mir lieb ist.

»Hab dich lieb, Dad.« Ich lege auf, und erst, als mein Handydisplay wieder schwarz wird, erlaube ich es mir, tief durchzuatmen.

Reagiere ich wirklich über? Hat Leevi am Telefon übertrieben? Oder macht Dad mir etwas vor? Doch seit wann ist er unehrlich zu mir? Das alles sieht ihm überhaupt nicht ähnlich.

Faiza wird nicht begeistert sein, dass ich so spontan Urlaub nehme. Sicher ist es für sie schon schwierig genug, das Meeting allein zu managen. Da drin sitzt ein kompletter Blockbuster-Cast. Ihre Hearts and Arrows betreut sie zwar ausschließlich selbst, aber meine Unterstützung wäre trotzdem wichtig gewesen, um Fragen zu beantworten, alle mit Getränken bei Laune zu halten und Faizas Unterlagensalat in Ordnung zu bringen, sodass sie nicht ständig nach etwas suchen muss. Einen Moment bin ich in Versuchung, ihr doch noch zur Seite zu springen. Aber …

Dad ist jetzt wichtiger als meine Karriere.

Ich buche die Flüge noch im Büro und habe Glück. Gleich morgen früh geht ein Fünf-Stunden-Direktflug nach Vancouver, und von dort aus kann ich nur knapp eineinhalb Stunden später einen Anschlussflieger nach Port Hardy nehmen. Bis zur Ankunft auf Malcolm Island bin ich insgesamt neun bis zehn Stunden unterwegs. Der Hauptgrund, weshalb ich so selten dort bin und den nächsten Besuch schon so lange aufschiebe.

Ich packe meinen Laptop ein, um unterwegs wenigstens ein bisschen arbeiten zu können, und brauche fast zwanzig Minuten, um einen Urlaubsantrag zum Ausfüllen zu finden, den ich Faiza gemeinsam mit einer Notiz auf den zugeklappten Laptop lege. Sicherheitshalber schreibe ich ihr noch eine kurze Textnachricht, damit sie ihn auch findet, und mache mich auf den Heimweg.

Ich überlege, Mom oder meine Geschwister anzurufen, um sie zu informieren. Aber ohne zu wissen, ob oder was Dad eigentlich hat, erscheint mir das nicht sehr sinnvoll. Ich will erst mal alles möglichst unvoreingenommen auf mich wirken lassen und mir selbst ein Bild machen. Ohne dass die ganze Familie mir direkt reinredet, was sie zweifelsohne tun würden.

Es hat immerhin seine Gründe, dass Leevi ausgerechnet mich angerufen hat und nicht etwa meinen Bruder Jaspar. Denn gefühlt bin ich das einzige Familienmitglied, das sich noch wirklich für unseren Vater interessiert. Sicher auch die Einzige, die spontan dreitausend Meilen quer durch Kanada fliegen würde, nur um sicherzugehen, dass es ihm gut geht. Und allein bei dem Gedanken wird mir wieder mulmig zumute.

Kapitel 2

LEEVI

Vor den Fenstern der Wartehalle des Flughafens von Port Hardy biegen sich die Bäume im Wind. Dunkle Wolken ziehen über den Himmel und drohen mit Regen. Hier drinnen jedoch ist es warm.

Seit einer halben Stunde tigere ich um die hölzernen Blumenkübel herum, die in der Mitte des Raumes stehen und sich mit schlichten Sitzbänken abwechseln. Dank des ungünstigen Fährenfahrplans war ich viel zu früh hier, und an Stillsitzen ist heute nicht zu denken.

Seit ich weiß, dass Riven herkommt, habe ich das Gefühl, mein Herzschlag wäre aus dem Takt geraten. Eine ungewohnte Unruhe hat sich in mir breitgemacht, so als wäre diese Begegnung etwas Weltbewegendes.

Ich weiß nicht, was ich erwarten soll. Sollte ich mich darauf freuen, meine ehemalige beste Freundin wiederzusehen? Oder ist unsere Freundschaft schon so lange her, so geprägt von dem Streit unserer Väter, dass da faktisch nichts mehr zwischen uns ist? Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Dass Riven und ich Fremde sind, kommt mir völlig abwegig vor, dabei ist es die bittere Realität.

Als Kinder waren wir unzertrennlich, haben gemeinsam die Insel unsicher gemacht, uns Ärger eingehandelt und ihn zusammen wieder ausgebadet. Unsere Namen wurden so oft zusammen genannt, dass sie fast schon ein eigenes Wort bildeten. Wir waren beste Freunde, die Art, bei der die Leute behaupten, es würde kein Blatt dazwischenpassen. Und ich weiß nicht, ob ich je wirklich aufgehört habe, so zu fühlen.

In den zehn Jahren seit ihrem Umzug war Riven einfach weiter … Riven. Doch nun habe ich das Gefühl, mit meiner Anwesenheit hier meinen Vater zu hintergehen, und vielleicht ist es ohnehin naiv zu glauben, dass es ihr genauso geht. Vielleicht muss ich in wenigen Minuten einsehen, dass hier tatsächlich eine Fremde vor mir steht, die letztendlich ebenso wenig über mich weiß wie ich über sie.

Alles in mir verkrampft sich bei diesem Gedanken. Aber weit hergeholt ist er nicht. Das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe, ist mindestens vier Jahre her. Die letzte Unterhaltung, wenn man von dem Telefonat gestern absieht, fünf oder sechs. Sie bestand aus unangenehmem Small Talk bei Brenda im Supermarkt. Ein typisches Gespräch zwischen zwei unbeholfenen Teenagern, von denen zumindest einer unverhältnismäßig nervös war.

Ich weiß noch, wie sehr ich gehofft habe, mit ihr über etwas Bedeutungsvolles sprechen zu können. Wie früher, als wir uns alle Sorgen anvertraut haben, jeden Funken Angst, jede noch so kleine Begeisterung. Stattdessen haben wir über das Wetter und ihre Highschool in Toronto geredet, und ich habe so getan, als würde mich das wehmütige Ziehen, das ich dabei empfunden habe, nicht von innen heraus zerfressen. Wahrscheinlich wird es gleich wieder so sein.

Geht es ihr genauso, wenn sie an mich denkt? Oder bin es nur ich, der nicht loslassen kann? Schon die ganze Zeit frage ich mich, wie ihre Stimme jetzt wohl klingt. In echt, ohne die Verfälschung durch ein Telefon. Ich frage mich, wie sie aussieht, ob sie ihre Haare noch so lang trägt wie damals, was sie arbeitet, was ihre Hobbys sind, was sie gerne isst.

Es sind teilweise Belanglosigkeiten, die mich die ganze Nacht wach gehalten haben, obwohl ich gestern am Strand an Ort und Stelle hätte einschlafen können. Warum nur ist mir das so verdammt wichtig? Riven hat meine Kindheit so geprägt, dass ich das Gefühl habe, sie wäre immer noch ein Teil von mir. Dabei ist diese Version von ihr vermutlich längst jemand anders geworden. Verschluckt von ihrem neuen Leben in Toronto, in dem es kein Meer, keinen Vater und keinen Leevi gab.

Zum wiederholten Mal lasse ich mich auf eine der hölzernen Bänke sinken. Gemeinsam mit dem Mintgrün der Wände vermitteln die hohen Zimmerpflanzen in den Kübeln neben mir ein fast schon tropisches Ambiente.

Auf den dunkelblauen Polsterstühlen zu beiden Seiten des Raumes warten nur zwei weitere Menschen. Außerhalb der Urlaubssaison ist der Flughafen selten voll, und in die kleinen Maschinen passen ohnehin nicht viele Passagiere. Ein Mann weiter hinten am Eingang beobachtet mich schon die ganze Zeit mit misstrauischem Blick. Wahrscheinlich macht ihn mein unruhiges Auf und Ab nervös.

Ich schaue wieder aus dem Fenster. Rivens Flug hat ein paar Minuten Verspätung, vermutlich wegen des Windes. Hoffentlich gab es keine größeren Turbulenzen.

Seufzend ziehe ich den zerfledderten Thomas-Hardy-Roman aus meiner Jackentasche, schlage die aktuelle Seite auf und starre darauf. Als Lesen kann man es wohl nicht bezeichnen. Meine Augen folgen den Buchstaben, aber würde ich das Buch nicht ohnehin halb auswendig kennen, hätte ich keine Ahnung, was in dem Kapitel passiert. Ich kriege nichts mit.

Stattdessen stelle ich mir vor, wie Riven aussieht. Frage mich, ob ihre Augen wirklich so dunkel sind wie auf den alten Fotos von ihr. Fast schwarz, sodass man regelrecht in ihnen versinken kann. Ob sie lächelt, wenn sie mich sieht? Wie begrüßt man eine ehemalige beste Freundin? Mit einer Umarmung? Einem Händeschütteln? Einem höflichen und viel zu befangenen Nicken?

Noch während mein Gehirn das Szenario wieder und wieder durchspielt, bemerke ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung und schaue auf. Ein Mann um die vierzig kommt aus Richtung der Gepäckausgabe um die Ecke, eine Reisetasche über der Schulter. Mit eiligen Schritten geht er an mir vorbei auf den Ausgang zu. Hinter ihm nähert sich das Geräusch von Rollkoffern.

Ich packe das Buch wieder in meine Jackentasche. Ein jüngeres Paar mit Kind kommt ebenfalls in die Halle, danach eine alte Dame, die von dem misstrauisch dreinschauenden Mann in Empfang genommen wird.

Und dann sehe ich sie.

Ich erkenne Riven sofort. Kaum dass ich ihr Gesicht erblicke, schießen mir tausend Fotos und Erinnerungen an sie durch den Kopf, als würde mein Gehirn wie in einer dieser CSI-Serien einen Fingerabdruck abgleichen. Sie sieht älter aus. Und sie ist verdammt schön. Vertraut schön. Riven-ist-endlich-wieder-hier-schön.

Ihre braunen Haare sind ein wenig kürzer als früher und fallen in leichten Wellen bis über die Schultern ihres dunkelgrauen Mantels. Der Kragen ist hochgeschlagen, was ihre helle Haut und die rosigen Wangen betont. Darunter trägt sie einen cremefarbenen Strickpullover und eine graue Stoffhose mit weiten Beinen und hohem Bund.

Suchend, geradezu zögerlich wandert ihr Blick durch den Raum und trifft meinen dennoch so unerwartet, dass mir für einen Moment die Luft wegbleibt. Ihre braunen Augen verschlucken mich mehr, als sie es auf einem Bild je gekonnt hätten, und ein unruhiges Flattern macht sich in meinem Magen breit. Es wird begleitet von einem Ziehen in meiner Brust. Einer Mischung aus Wehmut, Unsicherheit und Vorfreude. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, als würde der gesamte Schmerz des Vermissens der letzten zehn Jahre in diesem Augenblick auf mich einprasseln. War es schon immer so, dass mich allein Rivens Anblick derart bewegt?

Ich stehe auf und nehme vage wahr, wie ihr Blick an mir herunterwandert. Über den offenen Windbreaker, den verwaschenen Hoodie und die zu alte Jeans. Sie hingegen wirkt in ihren Klamotten geradezu unnahbar. Als wäre sie einem Fashion-Magazin entsprungen und nicht einem Flugzeug.

Der erste Schritt auf sie zu kostet mich seltsam viel Überwindung. Doch dann lächelt sie, und mein ganzer Körper kribbelt, weil es so sanft und herzlich wirkt, dass all die Zweifel und Sorgen von eben in den Hintergrund treten.

Wir begegnen uns auf halber Strecke. Riven zieht einen großen Hartschalenkoffer neben sich her, in den sie mit ein paar Verrenkungen wahrscheinlich selbst reingepasst hätte, und ich schiebe, kurz bevor ich sie erreiche, die Hände in die Jackentaschen, um mich nicht doch mit einem Handschlag zu blamieren.

Sofort fällt mir auf, dass Riven kleiner ist als ich. Locker zehn Zentimeter, und das, obwohl ich nur einen Meter vierundsiebzig groß bin. Sie bleibt stehen und sieht zu mir hoch. »Hi«, grüßt sie mich schüchtern, und beim Klang ihrer Stimme bricht ein Lächeln aus mir heraus. Sie klingt warm und weich und so vertraut, als würden wir täglich miteinander sprechen. Der Knoten in meinem Inneren scheint sich endgültig zu lösen. Scheiß auf unsere Familien. Das hier, das ist nur zwischen uns beiden, nicht zwischen unseren Vätern.

»Hey«, erwidere ich. Es folgt Schweigen, doch seltsamerweise ist es nicht unangenehm. Riven und ich sehen uns an, mustern uns, wägen ab. Und plötzlich glaube ich zu wissen, dass es ihr genauso geht wie mir. »Wie war der Flug?«, frage ich schließlich.

Riven zieht die Nase kraus, und ich verstehe sofort, was das heißt. Ich habe tausend Gedankenschnappschüsse von ihr vor Augen, auf denen sie genau dieses Gesicht macht. Riven, die im unerwarteten Regen nass wurde. Riven, die beim Pfützenspringen Wasser in die Gummistiefel bekommen hat. Riven, der das Pausenbrot von ihrer Mom nicht schmeckt. Riven, die mir sagt, dass sie wegzieht. Es ist ihr universelles Zeichen für Unzufriedenheit.

»Ruckelig«, gibt sie nur zerknirscht zurück.

»Die kleinen Maschinen schüttelt es bei dem Wind ganz schön durch, oder? Soll ich?« Ich ziehe eine Hand aus der Tasche und deute mit dem Kopf zu dem silbernen Rollkoffer.

»Oh, geht schon. Dein Tag war sicher schon anstrengend genug. Danke fürs Abholen übrigens. Ich wollte ein Taxi nehmen, aber Dad hat darauf bestanden, dich zu schicken.«

Warum Mr. Williams dabei ausgerechnet an mich gedacht hat, ist mir ein Rätsel. Es wundert mich, dass er bewusst dafür sorgt, dass ich Zeit mit seiner Tochter verbringe. Mein eigener Vater jedenfalls war nicht besonders begeistert, als ich ihm davon erzählt habe. Wir setzen uns in Bewegung, und ich muss mich bemühen, den Blick nach vorn zu richten, statt Riven permanent anzustarren. Dennoch glaube ich zu spüren, wie sie mich mustert. Das Gefühl verursacht eine angenehme Gänsehaut auf meinen Armen.

»Ist wirklich keine Ursache«, versichere ich ihr. »Unser Wagen muss ohnehin ab und zu mal weiter als fünfhundert Meter bewegt werden, damit uns das Ding nicht unter dem Hintern wegrostet. Und ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob die hier in Port Hardy wissen, was ein Taxi ist. Da würden sie dich vermutlich anschauen, als hättest du nach einem Einhorn gefragt. Sally wollte mir die Aufgabe übrigens abnehmen, aber ich glaube, weder du noch dein Dad hätten das gewollt. Sie hätte dir in der halben Stunde Fahrt beide Ohren abgekaut.« Ich zwinkere Riven zu, und sie lächelt erneut, diesmal jedoch wehmütiger.

»Wie schlimm ist es mit den zweien? Dad hat gestern ziemlich über sie geflucht.«

Ich zucke mit den Schultern. »Ich weiß nicht genau. Sie liegen sich ständig in den Haaren. Sally versucht schon seit Wochen, deinen Dad zum Arzt zu kriegen, und er ist furchtbar genervt davon. Mittlerweile muss er sie nur sehen und bläht schon die Backen auf wie ein Kugelfisch auf Abwehr.«

Der Vergleich entlockt Riven zumindest ein belustigtes Schnauben. Die Glasschiebetüren der Eingangshalle öffnen sich für uns, und kalter Wind bläst mir ins Gesicht. Er wirbelt Rivens Haare durcheinander und zerrt an unseren offenen Jacken.

Einen Moment lang bleibt sie stehen, schließt die Augen und atmet tief durch, als müsste sie den Geruch nach Salz und See verinnerlichen. Hat sie das vermisst? Den Ozean? Den Wind? Doch bevor ich mir weiter Gedanken darüber machen kann, schüttelt sie bereits den Kopf, öffnet die Augen wieder und folgt mir über den Parkplatz. »Ich verstehe das einfach nicht«, meint sie leise. »Dad und Sally waren so gut befreundet.«

Genau wie unsere Eltern, schießt es mir durch den Kopf. Und was ist daraus geworden?

»Die kriegen sich wieder ein«, versichere ich ihr dennoch. »Und deinem Dad wird es sicher guttun, dass du jetzt da bist.«

»Ich hoffe es. Allzu begeistert schien er nicht zu sein.« Ihr enttäuschter Tonfall weckt in mir das Bedürfnis, ihr einen Arm umzulegen und sie an mich zu drücken, doch ich halte mich zurück.

»Das liegt aber an den Umständen und nicht an dir«, versichere ich stattdessen und schaue ihr ins Gesicht.

Wieder so ein trauriges Lächeln. »Wahrscheinlich hast du recht.« Unser alter Ford Pick-up kommt hinter einem Jeep in Sicht, und Riven seufzt auf. »Bert!«

»Jep«, bestätige ich grinsend. »Schön, dass wenigstens du ihn auch so nennst. Ich bin leider der Einzige, der seinen Spitznamen noch verteidigt.«

»Ist das wirklich noch der Alte?«, will sie wissen. »Unser Bert?«

»Klar. Gut, wenn man es genau nimmt, besteht er mittlerweile zu geschätzt achtzig Prozent aus Ersatzteilen, aber Dad würde den Wagen nicht mal aufgeben, wenn er mitsamt der Karre im Meer versinkt. Ich glaube echt, er würde aus Prinzip drin sitzen bleiben und mit ihm untergehen. Bert ist ihm heilig.«

Riven lacht, und von dem Geräusch stellen sich mir erneut die Armhärchen auf. Ich bereue es immer mehr, sie nicht umarmt oder ihr wenigstens die Hand geschüttelt zu haben. Das Bedürfnis, sie zu berühren, drängt sich immer mehr in mein Bewusstsein. Ich weiß gar nicht, wieso. Ich will nur wissen, wie sich ihre Haut anfühlt. Ob sie wirklich so gut in meine Arme passt. Ob es so schön wäre, wie ich es mir vorstelle. Dabei sollte ich es mir nicht vorstellen. Ich weiß weder, wo diese Gedanken herkommen, noch, was ich mit ihnen anfangen soll.

»Genau so habe ich deinen Vater in Erinnerung«, stellt Riven fest. »Ich würde ihn als liebevollen Sturkopf beschreiben.«

Es wundert mich, dass sie ihn trotz allem, was passiert ist, so positiv beschreibt. Würde man mich nach meiner Meinung über Mr. Williams fragen, bräuchte ich vermutlich länger, um akzeptable Worte zu finden. Tief atme ich durch. »Ich fürchte, damit triffst du den Nagel auf den Kopf«, gestehe ich. Und gleichzeitig wird mir bewusst, wie anders ich Riven in Erinnerung hatte. Weniger … anziehend.

Weniger verwirrend.

RIVEN

Ich kann nicht glauben, dass sie den Wagen noch haben. Und dass er immer noch so verdammt gut aussieht. Das mit dem Rost war nur ein Scherz, oder? Der orangefarbene Lack glänzt wie neu, auf dem weißen Ralleystreifen in der Mitte ist kein Spritzer Dreck zu sehen, und soweit ich es beurteilen kann, hat der Ford nicht den kleinsten Kratzer. Bestimmt fährt Leevi sehr vorsichtig, weil das Auto seinem Dad so wichtig ist. Und ich kann nicht anders, als zu glauben, dass Leevi generell vieles mit Bedacht tut. Früher mag er ein stürmischer kleiner Junge gewesen sein, aber jetzt nehme ich ihn anders wahr.

In den wenigen Minuten, seit wir uns begrüßt haben, habe ich den Eindruck bekommen, dass er gefasst ist. Ruhig. Vielleicht sogar besonnen. Er strahlt dieses Gefühl so intensiv aus, dass es mir schwerfällt, es nicht sofort als gegeben anzusehen. Womöglich liege ich falsch, und er ist in Wirklichkeit ganz anders. Vielleicht trügt mich meine sonst so verlässliche Menschenkenntnis. Aber in diesem Moment ist Leevi wie ein Ruhepol. Während der Wind über uns hinwegrauscht und in meinem Inneren die Gedanken an Dad Sorgenkarussell fahren, scheint er gänzlich stillzustehen und mich von all dem Wirbel abzuschirmen. Er ist groß geworden. Und wenn ich ehrlich bin, auch ziemlich attraktiv. Wenn er mich anschaut, verursacht es jedes Mal ein leises Flattern in meiner Magengrube, das eigentlich nichts zwischen uns zu suchen hat.

Ich beobachte, wie er meinen Koffer auf die Ladefläche hievt, mit einer Plane abdeckt und ihn anschließend festbindet. Der Wind zerrt an seiner offenen Jacke und zerzaust seine ohnehin schon chaotische Frisur noch weiter. Leevis dunkle Haare sind kurz, oben etwas länger als an den Seiten und leicht gelockt. Er fährt sich mit einer Hand hindurch und sucht gleichzeitig in seiner Hosentasche nach dem Autoschlüssel. Sein Blick trifft meinen, und das vertraute schiefe Grinsen, das mir bei unserer Begrüßung schon kurz den Atem hat stocken lassen, kehrt zurück. Wie vorhin bilden sich dabei Lachfältchen um seine braunen Augen und lassen es so echt, so authentisch wirken, dass mir warm ums Herz wird. Gott, ich habe ihn vermisst. Ihn, das Meer, die Insel. Das wird mir jetzt erst klar, nachdem ich mir jahrelang eingeredet habe, ich hätte es überwunden. Doch ich würde am liebsten das Gesicht an Leevis Brust vergraben und ein bisschen weinen.

Er beugt sich an mir vorbei, um die Tür aufzusperren, und obwohl ich dabei unnötig im Weg stehe, rühre ich mich nicht von der Stelle. Leevi ist nicht nur groß, sondern vor allem erwachsen geworden. Sein Gesicht hat nichts mehr von den jungenhaften, rundlichen Zügen von damals. Sein Kinn, seine Nase, seine Wangenknochen – alles wirkt auf eine positive Art und Weise kantiger, fast wie gemeißelt. Seine helle Haut ist gebräunt, was mich vermuten lässt, dass er entweder im Sommer jede freie Minute draußen verbracht hat oder im Urlaub war. Auf seinen Wangen kann ich einen leichten Bartschatten erahnen, der ihn älter wirken lässt, als er ist.

Leevi hat nichts von der Hochglanzschönheit der Promis, die zu uns ins Fashion Consulting kommen. Doch trotzdem, oder genau deswegen, sieht er gut aus. Sein Äußeres hat etwas Bodenständiges, Authentisches, das unglaublich anziehend auf mich wirkt.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich selbst nach all den Jahren immer noch das Gefühl habe, ihn zu kennen. Ihm vertrauen zu können. Mit ihm … sicher zu sein, weil uns nichts und niemand etwas anhaben kann, wenn wir zusammen sind. So wie früher. Zwölf Jahre lang haben wir uns gemeinsam unverwundbar gefühlt, und das konnte auch ein Jahrzehnt in Toronto nicht zerstören.

Fast ist es, als wäre zwischen damals und heute keine Zeit vergangen. Als hätten wir nie aufgehört, ein Team zu sein. Irgendwie macht mich das seltsam sentimental.

Er öffnet mir die Wagentür, und ich klettere ihm voraus über die durchgehende Sitzbank auf die Beifahrerseite. Der Geruch im Inneren des Autos lässt alte Erinnerungen wieder an die Oberfläche treiben. Es ist der Duft von abgewetztem Leder und den Waldfruchtbonbons, nach denen Leevis Dad so süchtig ist, dass man sie selbst ohne seine Anwesenheit riechen kann. Der Duft von einem großen Fetzen Kindheit, von Gelächter und übermütigen Kinderplänen, von Sommer und Erschöpfung und schmutzigen Füßen, von Regenprasseln auf der Windschutzscheibe und von vor Nässe auf der Haut klebenden Klamotten.

Unzählige Male saßen wir in diesem Wagen, Leevis Dad am Steuer. Er hat uns auf der Insel herumkutschiert, uns manchmal mitgenommen, weil es sich anbot, uns bei Unwetterwarnungen vom Strand abgeholt. Oft durften wir ihn begleiten, wenn er auf Vancouver Island Besorgungen gemacht hat. Und hin und wieder hat er uns sogar von der Schule abgeholt, um mit uns am Nachmittag einen Ausflug zu machen.

Seltener ist Leevis Mom gefahren. Mrs. Myers hat immer geflucht. Der Wagen sei ihr zu groß, zu alt, ein richtiges Mistteil. Leevi und ich haben über jedes Schimpfwort, das ihr herausgerutscht ist, gekichert und dafür warnende Blicke kassiert. Und jedes Mal schwor sie, uns nie wieder irgendwohin zu fahren, was sie natürlich nicht eingehalten hat.

Leevi setzt sich hinter das Lenkrad und holt mich in die Gegenwart zurück. Der kleine Junge von damals darf jetzt selbst fahren. Zehn Jahre ist unsere Freundschaft her, und in all der Zeit hatten wir kaum Kontakt. Wie konnte das passieren? Warum nur haben wir das so einschlafen lassen? Wie konnten wir uns derart vergessen?

»Arbeitet dein Dad noch als Fischer?«, frage ich.

Leevi startet den Motor, und etwas daran, wie er den Zündschlüssel dreht – so als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt –, jagt mir einen angenehmen Schauer über den Rücken. »Jep. Ich bezweifle auch, dass sich das je ändern wird.«

»Und was machst du?« Interessiert beobachte ich ihn.

Leevis Lächeln wird blasser. Er lenkt den Wagen vom Parkplatz und zögert einen Moment. »Dasselbe. Ich bin nach der Highschool bei ihm eingestiegen. Es sollte eher eine Zwischenlösung sein, ist dann aber so geblieben.«

»Oh. Wow!« Damit habe ich nicht gerechnet. Dabei ist es doch naheliegend. Es ist schön, dass Leevi in die Fußstapfen seines Vaters tritt. Bei mir ist es ja nicht anders, meine Geschwister und ich arbeiten alle ebenso wie Mom in der Modeindustrie. Warum habe ich dann erwartet, dass er etwas völlig anderes macht? Lehrer vielleicht, das könnte zu ihm passen. Oder ein kreativer Beruf.

»Was ist mit dir?«, will Leevi wissen. »Was macht man so im großen Toronto?«

Ich habe das Gefühl, dass er absichtlich das Thema wechselt, also hake ich nicht weiter nach. »Ich arbeite als Fashion-Consultant-Assistentin.«

Leevi wirft mir einen Seitenblick zu. »Das klingt kompliziert. Was ist das?«

»Nein, überhaupt nicht. Wir beraten vor allem Promis und Models in Modefragen und helfen je nach Wunsch bei der Wahl eines Outfits für Filmpremieren, Galas, Abendessen und so weiter. Für viele stellen wir auch ganze Garderoben zusammen und erarbeiten so ein neues Image von der Person, das durch die Kleidung nach außen getragen wird.«

Leevi hat belustigt die Brauen hochgezogen. »Und das soll nicht kompliziert sein? Das klingt, als würde da einiges an Wissen und Arbeit dahinterstecken. Muss man dafür studieren?«

»Nicht unbedingt. Theoretisch kann man auch quer einsteigen, wenn man sich halbwegs auskennt. Aber ich habe dafür extra Fashion an der Ryderson-Universität studiert.«

»Das ist beeindruckend.«

Verstohlen lächele ich. »Danke.«

Leevi belässt eine Hand am Lenkrad, mit der anderen rückt er seine Jacke zurecht. »Das ist dann wohl der Moment, in dem es peinlich für mich wird.«

Kurz bin ich von der Aussage irritiert. Leevi sagt es so ernst, als würde er sich darüber wirklich Gedanken machen. Aber dann wirft er mir erneut einen Blick zu und grinst spitzbübisch.

Lachend sehe ich an ihm herunter. »Keine Sorge. Auf den roten Teppich solltest du damit vielleicht nicht, aber sonst ist dein Outfit solide casual. Ich fürchte ehrlich gesagt auch, mit Anzug und Goldkettchen würdest du auf Malcolm Island eher negativ auffallen.«

»Das kommt drauf an. Ist es negativ, wenn die Leute was zum Lachen haben?«

»Touché«, erwidere ich schmunzelnd.

»Du würdest mir also Anzug und Goldkettchen empfehlen? Habe ich das richtig verstanden?«

Wieder muss ich lachen. Die Vorstellung ist zu skurril. »Nein. Davon würde ich dir wohl eher höflich abraten. Besonders von den Kettchen.«

»Das kann ich zwar nur schwer nachvollziehen, aber na gut. Und was würden Sie mir stattdessen empfehlen, Miss Williams?«

»Wong«, verbessere ich ihn automatisch, und Leevi schaut verwirrt zu mir rüber. Sein Blick huscht zu meiner Hand. Erwartet er dort einen Ring, oder was? Ich schnaube belustigt. »Der Nachname meiner Mom?«

»Ah!«, stößt er aus. »Tut mir leid, da hätte ich auch selbst drauf kommen können. Du hast ihn angenommen? Das wusste ich gar nicht.«

»Nach der Scheidung, ja. Wir alle haben das. Oder vielmehr mussten wir. Ich wurde ehrlich gesagt nicht gefragt.« Wahrscheinlich, weil Mom klar war, dass ich es nicht wollen würde. Ich hätte viel lieber Dads Namen behalten und alles beim Alten belassen, wo es nur ging.

»Nesthäkchenfluch, was?«, meint Leevi.

»So ungefähr. Wobei ich das jetzt streng genommen auch nicht mehr bin.«

Wieder ernte ich einen Blick unter gehobenen Brauen.

»Mom hat noch ein Kind mit ihrem neuen Mann bekommen«, erkläre ich. »Rosie. Sie ist sieben.«

»Dann seid ihr jetzt fünf Geschwister? Das reicht ja schon für eine Karriere als Familienband.«

»Ja. Nur dass bei uns niemand ein Instrument spielen oder singen kann.«

Leevi grinst. »Es hat ja keiner gesagt, dass ihr gut sein müsst.«

»Ich kann es mal vorschlagen. Aber ich fürchte, Rosie und ich müssten die Show allein schmeißen. Bei Jaspar, Naemi und Jenna müsste ich wohl erst einen Antrag dafür stellen. Wobei, wenn ich so darüber nachdenke, hat Rosie auch keine Zeit. Dienstag muss sie zum Ballett, Mittwoch ist Malkurs, Donnerstag Reiten …«

»Deine Schwester hat einen volleren Terminplan als ich«, stellt Leevi trocken fest. »Und wie genau lernt man in einer Großstadt Reiten?«

»Indem man sehr viel Geld ausgibt.«

»Okay. Ich schätze, Rosie hat es ganz gut.«

»Ja.« Das stimmt wohl. Aber gleichzeitig irgendwie auch nicht.

Ich würde meine Kindheit niemals gegen ihre tauschen wollen. Die raue Natur der Küste gegen Beton, durchgetaktete Terminpläne und den Lärm der Straße. Wenn ich daran denke, was ihr alles entgeht, wird mir schwer ums Herz. Rosie wird nie mit den Füßen voller Schlamm nach Hause kommen oder im Wald Schnecken sammeln und sich mucksmäuschenstill ins Gebüsch kauern, weil Bambi vorbeikommt, das sie nicht erschrecken will. Ihre Kindheit ist laut und hektisch und bis obenhin vollgestopft mit Terminen. Ich hingegen kam von der Schule und habe gemacht, worauf ich Lust hatte. Damals fand Mom das noch gut. Aber auch sie hat sich verändert und muss bei ihrer letzten Tochter jetzt alles anders machen. Alles richtig.

Leevi und ich verbringen die Fahrt damit, uns auf den neuesten Stand zu bringen. Ich erzähle ihm von meinem beendeten Studium, Faiza und dem Hollywood-Cast, den sie stemmen muss. Im Gegenzug erzählt er mir von sich. Davon, dass er und sein Vater jetzt allein mit dem Fischerboot rausfahren, weil seine Mom es gesundheitlich nicht mehr schafft. Von Tommy, mit dem wir zur Schule gegangen sind und der die Bäckerei seiner Eltern übernommen hat. Von Laina, die mittlerweile Leevis beste Freundin ist, sich ganz der kleinen Inselbücherei verschrieben hat und diese jetzt leitet.