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Siegfried Unseld stellt in diesem Band die ihm liebsten Gedichte von Hermann Hesse vor, also diejenigen Verse, von denen er im Nachwort sagt, dasss sie ihn durch sein Leben begleitet haben. Neben den schönsten Naturgedichten und Hesses zeitloser Gedankenlyrik (Glück, Bücher, Sprache, Besinnung, Stufen), enthält seine Auswahl auch Gedichte über die der Lyrik verwandteste Gattung, die Musik (Orgelspiel, Flötenspiel). Hesses Gedichte lösen ein, was er über den Impuls sie zu schreiben sagte: »Alle Lyrik ist Spiegelund der Welt im vereinzelten Ich, Antwort des ich auf die Welt, ist Klage, Besinnung und Spiel einer ganz und gar bewußt gewordenen Vereinsamung.« Wiedergaben der Handschriften und farbig reproduzierte Aquarelle des Dichters machen den Band zu einer bibliophilen Kostbarkeit.
»Jeder, der eine solche Auswahl zu treffen hat, würde jeweils andere Gedichte bevorzugen, aber weiß zugleich: Die Gedichte sind ein Hauptteil von Hesses Werk, sie sind nicht nur Begleitmusik zu seinem Leben und Werk.« Siegfried Unseld
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Seitenzahl: 28
Hermann Hesse
Wege nach Innen
25 Gedichte
Ausgewählt und mit einemNachwort versehen vonSiegfried Unseld
Insel Verlag
Dorfabend
Die Birke
Weiße Wolken
Elisabeth
Im Nebel
Spruch
Glück
Der Blütenzweig
Beim Schlafengehen
Weg nach Innen
Bücher
Vergänglichkeit
Der Dichter und seine Zeit
Blauer Schmetterling
Sprache
Besinnung
Klage
Doch heimlich dürsten wir …
Dienst
Das Glasperlenspiel
Orgelspiel
Flötenspiel
Chinesisch
Stufen
Junger Novize im Zen-Kloster
Anhang
Aus einem Brief Hermann Hesses an seinen Sohn Martin
Nachwort
Ein Gedicht zu lesen, ist von
allen literarischen Genüssen
der höchste und reinste.
Grancia, 1924
Dorfabend
Der Schäfer mit den Schafen
Zieht durch die stillen Gassen ein,
Die Häuser wollen schlafen
Und dämmern schon und nicken ein.
Ich bin in diesen Mauern
Der einzige fremde Mann zur Stund,
Es trinkt mein Herz mit Trauern
Den Kelch der Sehnsucht bis zum Grund.
Wohin der Weg mich führet,
Hat überall ein Herd gebrannt;
Nur ich hab nie gespüret,
Was Heimat ist und Vaterland.
Birken bei Santa Maria ob Agno. April 1921
Die Birke
Eines Dichters Traumgerank
Mag sich feiner nicht verzweigen,
Leichter nicht dem Winde neigen,
Edler nicht ins Blaue steigen.
Zärtlich, jung und überschlank
Lässest du die lichten, langen
Zweige mit verhaltnem Bangen
Jedem Hauche regbar hangen.
Also wiegend leis und schwank
Willst du mir mit deinen feinen
Schauern einer zärtlich reinen
Jugendliebe Gleichnis scheinen.
Locarno, Juni 1925
Weiße Wolken
O schau, sie schweben wieder
Wie leise Melodien
Vergessener schöner Lieder
Am blauen Himmel hin!
Kein Herz kann sie verstehen,
Dem nicht auf langer Fahrt
Ein Wissen von allen Wehen
Und Freuden des Wanderns ward.
Ich liebe die Weißen, Losen
Wie Sonne, Meer und Wind,
Weil sie der Heimatlosen
Schwestern und Engel sind.
Elisabeth
Wie eine weiße Wolke
Am hohen Himmel steht,
So weiß und schön und ferne
Bist du, Elisabeth.
Die Wolke geht und wandert,
Kaum hast du ihrer acht,
Und doch durch deine Träume
Geht sie in dunkler Nacht.
Geht und erglänzt so silbern,
Daß fortan ohne Rast
Du nach der weißen Wolke
Ein süßes Heimweh hast.
Im Nebel
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
Spruch
So mußt du allen Dingen
Bruder und Schwester sein,
Daß sie dich ganz durchdringen,
Daß du nicht scheidest Mein und Dein.
Kein Stern, kein Laub soll fallen –
Du mußt mit ihm vergehn!
So wirst du auch mit allen
Allstündlich auferstehn.
Glück
Solang du nach dem Glücke jagst,
Bist du nicht reif zum Glücklichsein,
Und wäre alles Liebste dein.
Solang du um Verlornes klagst
Und Ziele hast und rastlos bist,
Weißt du noch nicht, was Friede ist.
Erst wenn du jedem Wunsch entsagst,
Nicht Ziel mehr noch Begehren kennst,
Das Glück nicht mehr mit Namen nennst,
Dann reicht dir des Geschehens Flut
Nicht mehr ans Herz, und deine Seele ruht.
Magnolienblüte, Mai 1928
Der Blütenzweig
Immer hin und wider
Strebt der Blütenzweig im Winde,
Immer auf und nieder