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Dieser Band enthält folgende Western: Grabgesang für McQuade (Pete Hackett) Die Aasgeier von Tulia (Pete Hackett) Ein Mann wie Nevada (Zane Grey) Räuber mit dem Colt (Charles Alden Seltzer) Um unseren Auftrag zu erfüllen, begaben sich Joe Hawk und ich nach Lubbock. Wir erreichten die Stadt am frühen Nachmittag des dritten Tages nach unserem Aufbruch in Amarillo. Wir ritten zur Bank und saßen davor ab. Nachdem wir die Pferde an den Hitchrack gebunden hatten, gingen wir hinein. In der Bank war es kühl. Hinter dem Schalter saß ein Clerk mit einem grünen Schirm über den Augen. Er bediente einen Kunden. Nachdem sich der Mann verabschiedet hatte, wandte sich der Clerk uns zu. »Wir möchten Direktor Hanson sprechen«, sagte ich. Der Mann wies auf eine Tür. »Gehen Sie da hinein.« Zu diesem Zeitpunkt ahnten wir noch nicht, dass wir am Anfang eines Höllentrails standen … Ich klopfte gegen die Tür. »Herein!«, erklang es. Ich öffnete und wir traten ein. Don Hanson saß hinter seinem Schreibtisch. Er war ein schwergewichtiger Mann um die fünfzig mit rotem Gesicht und grauen Haaren, die sich über der Stirn schon stark gelichtet hatten. Er musterte uns. Auf dem Aschenbecher lag eine dicke Zigarre, die qualmte. In dem Büro war die Luft stickig. Der Zigarrenrauch schlierte um die Lampe, die über dem Schreibtisch von der Decke hing. »Mein Name ist Bill Logan«, stellte ich mich vor. »Wir kommen vom Distriktgericht in Amarillo. Mein Kollege Joe Hawk. Richter Humphrey hat uns abgeordnet, damit wir den Geldtransport nach Amarillo begleiten.«
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Western Großband 2/2023
Copyright
Grabgesang für McQuade
Die Aasgeier von Tulia
Ein Mann wie Nevada: Wichita Western Roman 26
Räuber mit dem Colt
Dieser Band enthält folgende Western:
Grabgesang für McQuade (Pete Hackett)
Die Aasgeier von Tulia (Pete Hackett)
Ein Mann wie Nevada (Zane Grey)
Räuber mit dem Colt (Charles Alden Seltzer)
Unser Auftrag lautete, eine Kutsche, die 50.000 Dollar für die Bank of Texas von Lubbock nach Amarillo beförderte, zu begleiten.
Um unseren Auftrag zu erfüllen, begaben sich Joe Hawk und ich nach Lubbock. Wir erreichten die Stadt am frühen Nachmittag des dritten Tages nach unserem Aufbruch in Amarillo. Wir ritten zur Bank und saßen davor ab. Nachdem wir die Pferde an den Hitchrack gebunden hatten, gingen wir hinein. In der Bank war es kühl. Hinter dem Schalter saß ein Clerk mit einem grünen Schirm über den Augen. Er bediente einen Kunden. Nachdem sich der Mann verabschiedet hatte, wandte sich der Clerk uns zu.
»Wir möchten Direktor Hanson sprechen«, sagte ich.
Der Mann wies auf eine Tür. »Gehen Sie da hinein.«
Zu diesem Zeitpunkt ahnten wir noch nicht, dass wir am Anfang eines Höllentrails standen …
Ich klopfte gegen die Tür. »Herein!«, erklang es. Ich öffnete und wir traten ein. Don Hanson saß hinter seinem Schreibtisch. Er war ein schwergewichtiger Mann um die fünfzig mit rotem Gesicht und grauen Haaren, die sich über der Stirn schon stark gelichtet hatten. Er musterte uns. Auf dem Aschenbecher lag eine dicke Zigarre, die qualmte.
In dem Büro war die Luft stickig. Der Zigarrenrauch schlierte um die Lampe, die über dem Schreibtisch von der Decke hing.
»Mein Name ist Bill Logan«, stellte ich mich vor. »Wir kommen vom Distriktgericht in Amarillo. Mein Kollege Joe Hawk. Richter Humphrey hat uns abgeordnet, damit wir den Geldtransport nach Amarillo begleiten.«
Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author / Cover: FIRUZ ASKIN
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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Der Kopfgeldjäger Band 61:
Western von Pete Hackett
Pete Hackett Western - Deutschlands größte E-Book-Western-Reihe mit Pete Hackett's Stand-Alone-Western sowie den Pete Hackett Serien "Der Kopfgeldjäger", "Weg des Unheils", "Chiricahua" und "U.S. Marshal Bill Logan".
Über den Autor
Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.
Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane.
Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author
© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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Als McQuade den abgetriebenen Fuchswallach in der Box stehen sah, wusste er, dass er Floyd Baxter eingeholt hatte. Er verspürte eine tiefe, innere Zufriedenheit, tätschelte den Hals des Falben und murmelte: „Wir haben unser Ziel erreicht, alter Junge. Die Jagd ist zu Ende.“
Gray Wolf, der seinen Körper gegen das Bein des Kopfgeldjägers drängte, ließ ein leises Fiepen hören.
„Haben Sie mit mir gesprochen, Sir?“, fragte der junge Stallmann, auf dessen Wangen und Kinn ein weicher Bart zu sprießen angefangen hatte.
McQuade wandte sich dem Jungen zu. „Nein, mein Junge. Ich habe mit dem Pferd gesprochen. Eine Frage: Wo finde ich den Mann, der auf diesem Pferd nach Casa Grande gekommen ist?“ McQuade wies mit einer knappen Handbewegung auf den Fuchswallach.
„Sind Sie hinter ihm her, Sir, oder handelt es sich um einen Freund von Ihnen? – Er kam vor einer guten Stunde in der Stadt an. Der arme Gaul war ziemlich am Ende.“
„Floyd Baxter ist kein Freund von mir“, antwortete der Kopfgeldjäger, dessen Wiege in Texas, in der Nähe von San Antonio gestanden hatte und den ein ungnädiges Schicksal ins Arizona-Territorium verschlug. Seine Stimme sank etwas herab, als er endete: „Er ist ein Mörder. Wo finde ich ihn?“
Der Stallbursche nahm den Falben am Kopfgeschirr. „Da er seine Satteltaschen und den Packen mitnahm, vermute ich, dass er ins Hotel gegangen ist, Sir.“
„Gib meinem Pferd alles, was es braucht“, knurrte der Kopfgeldjäger, zog mit einem Ruck die Henry Rifle aus dem Scabbard und wandte sich dem Ausgang zu. Gleich darauf überschritt er die Lichtgrenze unter dem hohen, breiten Tor und trat hinaus in den Wagen- und Abstellhof. Glühende Hitze empfing ihn, unter seinen Sohlen knirschte der Staub, leise klirrten die Sternradsporen an seinen Stiefeln. Die hohe, hagere Gestalt des Texaners warf einen langen Schatten, denn die Sonne stand schon weit im Westen und würde in etwa einer Stunde hinter den zerklüfteten Bergen versinken.
Um das Hotel zu erreichen musste der Kopfgeldjäger ein ganzes Stück die Main Street hinunter marschieren. Casa Grande lag an der Überlandstraße, die von Tucson herauf über Maricopa Well nach Yuma am Colorado River führte. Es gab hier ein Depot der Butterfield Overland Mail Company.
McQuade bewegte sich am Fahrbahnrand. Gray Wolf trottete mit hängendem Kopf und seitlich aus dem Maul hängender Zunge neben ihm her. An beiden klebte der Staub eines langen Trails von Tucson herauf. Der Kopfgeldjäger wurde kaum beachtet. Casa Grande war eine hektische Stadt, Straße und Gehsteige waren voller Passanten. Fuhrwerke rollten die Straße hinauf und hinunter, Reiter überholten den Texaner oder kamen ihm entgegen. Hier pulsierte das Leben, die Stadt war wie eine Oase an der Postkutschenstraße.
Der Kopfgeldjäger betrat das Hotel. Die Rezeption war verwaist. Aber auf der Theke stand eine Glocke, auf die man nur mit der flachen Hand zu schlagen brauchte, um einen scheppernden Klingelton auszulösen. McQuade machte davon Gebrauch, und tatsächlich wurde sogleich eine Tür hinter der Rezeption aufgezogen und ein Mann mittleren Alters, dessen riesiger Schnurrbart fast gänzlich seinen Mund bedeckte, zeigte sich. Er erwiderte den Gruß des Texaners, dann musterte er ihn fragend. Der Kopfgeldjäger zog den zusammengefalteten Steckbrief aus der Tasche des braunen, zerschlissenen Staubmantels, faltete ihn auseinander und hielt ihn dem Owner so hin, dass dieser das Bild sehen und den Text lesen konnte. „Ist dieser Mann innerhalb der vergangenen Stunde bei Ihnen gewesen?“
Der Hotelier betrachtete sich das Konterfei des Banditen eingehend, dann nickte er und sagte: „Ich habe ihm Zimmer vier gegeben. Oben, das hintere Zimmer auf der rechten Flurseite. Baxter ist oben. Er war ziemlich erschöpft, und jetzt – denke ich -, schläft er den Schlaf der Gerechten.“
„Sicher, den Schlaf der Gerechten“, kam es ausgesprochen ironisch von McQuade, mit dem letzten Wort schwang her halb herum und stakste zur Treppe. Mit gemischten Gefühlen schaute ihm der Owner hinterher.
In der oberen Etage angekommen musste der Kopfgeldjäger nur wenige Schritte gehen, um Zimmer vier zu erreichen. Ein Teppich, der auf dem Flur lag, dämpfte seine Schritte. Er lauschte an der Tür, konnte aber keine Geräusche in dem Raum dahinter vernehmen. Kurzerhand rammte er die Tür mit der Schulter auf, wirbelte in das Zimmer und sah den Oberkörper des Banditen vom Bett regelrecht in die Höhe schnellen.
Floyd Baxter reagierte ansatzlos. Ein Leben außerhalb von Recht und Ordnung, die vielen Jahre, in denen er vor dem Gesetz auf der Flucht als ständig Gehetzter immer damit rechnen musste, erkannt zu werden und sich der Gerechtigkeit mit der Waffe in der Faust entziehen zu müssen, hatten ihn geformt. Er reagierte wie ein in die Enge getriebenes Raubtier …
Fluchend griff Baxter nach dem Revolver, der im Holster steckte, das mit dem Patronengurt über die Lehne eines Stuhles hing, den der Bandit neben das Bett gestellt hatte.
Zwei lange Schritte brachten McQuade an das Bett heran, er schlug mit dem Gewehr zu, der Lauf knallte gegen Baxters Kopf und warf ihn um. Seine Hand löste sich von dem Revolver, den er schon halb aus dem Holster gezogen hatte. Die Waffe rutschte ins Futteral zurück, die Hand sank kraftlos nach unten.
Von Baxter ging keine Gefahr mehr aus.
McQuade holte ein Handschellenpaar aus der Manteltasche und fesselte die Hände des Outlaws auf den Rücken. Dann setzte er sich rittlings auf den Stuhl vor dem Bett und wartete, bis Baxter aus der Bewusstlosigkeit erwachte. Gray Wolf hatte es sich am Boden bequem gemacht und leckte seine Pfoten.
Schließlich zuckten die Lider des Banditen. Ein Stöhnen kämpfte sich in seiner Brust hoch und brach über seine Lippen, dann schlug er die Augen auf. Sekundenlang starrte er mit dem stupiden Ausdruck des Nichtbegreifens zur Decke hinauf, dann aber schien sich bei ihm die Erinnerung einzustellen, er drehte den Kopf etwas, schaute McQuade an und stieß hervor: „Wer bist du?“
„McQuade. Wir brechen morgen Früh auf, Baxter. Ich bringe dich zurück nach Tucson. Dort wird man dich vor Gericht stellen, und sicher wird man dich dort auch hängen. Das ist nun mal in unserem Land die Antwort auf niederträchtigen Mord aus Habgier oder anderen niedrigen Beweggründen.“
Floyd Baxter knirschte mit den Zähnen. In seinen Augen wütete der blanke Hass, und seine Stimme war nur ein gehässiges Geflüster, als er zischte: „Fahr zur Hölle, dreckiger Bastard! Fahr zur Hölle!“
*
Am späten Nachmittag des zweiten Tages nach ihrem Aufbruch in Casa Grande erreichten McQuade und sein Gefangener Tucson. Sie passierten die ersten Häuser der Stadt. Auf dem Rand eines Tränketroges an der rechten Fahrbahnseite saß ein Mann, auf seinen Oberschenkeln stand eine Gitarre. Der Bursche war bärtig, den Hut hatte er sich tief in die Stirn gezogen, von seinem Gesicht war nicht viel zu erkennen.
In dem Moment, als McQuade und Floyd Baxter auf einer Höhe mit ihm waren, fing er an zu spielen. Und er sang zum Geklimper der Gitarre: Mine eyes have seen the glory of the coming of the Lord …
Es war die Battle Hymn of the Republic.
Unwillkürlich fiel der Kopfgeldjäger dem Falben in die Zügel. Wie oft hatten er und seine Kameraden dieses Lied gesungen, wenn sie während des Bürgerkriegs gegen die Yankees ins Feld zogen? Es rief Erinnerungen in ihm wach – Erinnerungen, die alles andere als erfreulich waren und jäh schien ihn eine unsichtbare Hand zu würgen.
„Ist der Hombre das Empfangskomitee?“, fragte Baxter spöttisch, der ebenfalls angehalten hatte. Seine Hände waren vor dem Leib gefesselt, sodass er die Zügel führen konnte.
„Sieht ganz so aus“, murmelte McQuade und wies mit dem Kinn auf einen Mann, der mit einem grauen Staubmantel bekleidet war, der hinter einem der Häuser hervor schritt und in dessen Händen eine Henrygun lag. Sein Blick hatte sich an McQuade festgesaugt. Seine Augen lagen im Schatten der Hutkrempe. McQuade konnte nicht viel von seinem Gesicht erkennen, doch es kam ihm bekannt vor.
Der Kopfgeldjäger roch den Verdruss geradezu, der sich anbahnte.
Der Mann im grauen Staubmantel hielt mitten auf der Straße an und nahm Front zu McQuade ein.
Der Bursche auf dem Tränketrog spielte und sang. Seine Musik war nicht laut, sein Gitarrenspiel war gut, seine Stimme rau.
„Weißt du, wer ich bin, McQuade?“, rief der Mann auf der Straße.
„Nein. Aber du wirst es mir sicher gleich sagen.“
„Mein Name ist Mike Butler.“
Dem Kopfgeldjäger fiel es wie Schuppen von den Augen. Es war über ein halbes Jahr her. „Ich kannte einen Mann namens Butler. Joe Butler. Auf seinen Kopf waren achthundert Dollar ausgesetzt. Bist du seinetwegen hier?“
„Joe war mein Sohn. Du hast ihn umgebracht, McQuade. Dafür fordere ich heute Rechenschaft von dir. Hörst du Daves Gesang? Wenn er zu singen aufhört, musst du schnell sein, McQuade. Denn dann schieße ich auf dich. Ich werde nicht warten, bis du den Revolver gezogen hast. Ich bin mir nämlich sicher, dass mein Junge bei dir auch keine echte Chance hatte.“
„Er hat sich nicht ergeben“, rief McQuade. „Es kam zum Kampf. Er war ein Bandit.“
„Glory, glory, hallelujah! His truth is marching on“, sang der Bursche, der auf dem Rand des Tränketrogs hockte.
„Warum dieser Zirkus?“, fragte McQuade, ehe Mike Butler etwas erwidern konnte. „Weshalb der Aufwand mit dem Gitarre spielenden Hombre?“ Die rechte Hand des Kopfgeldjägers stahl sich zum Oberschenkel und blieb darauf liegen. Er versuchte Zeit zu gewinnen. Unwillkürlich ließ er seinen Blick in die Runde schweifen, ließ ihn über die Ränder der Hausfassaden gleiten und heftete ihn wieder auf Mike Butler.
„Es ist dein Grabgesang, McQuade.“
Da erklang eine laute Stimme, die den Klang von zerbrechendem Stahl besaß: „Ich beobachte euch Kerle schon seit gestern, seid ihr angekommen seid, und ich wusste, dass ihr irgendeine Schweinerei im Sinn habt. – Gib Acht, McQuade, es sind vier. Zwei haben sich irgendwo verkrochen, um aus sicherer Deckung mitzumischen.“
Der Kopfgeldjäger erkannte die Stimme. Sie gehörte Wes Rafferty, dem Town Marshal von Tucson.
Mike Butler war einen Augenblick abgelenkt, eine Zeitspanne, die dem Kopfgeldjäger genügte, um die Rechte um den Knauf des Sechsschüsser zu schließen.
„Na schön, Hombre“, so rief jetzt wieder der Town Marshal. „Ich weiß, dass du nicht vor hast, McQuade einen fairen Kampf zu liefern. Darum werde ich, sobald dein Kumpel seinen Singsang unterbricht, auf dich schießen. Du kannst natürlich auch …“
Ein Gewehr knallte.
McQuade zog den Coltrevolver und ließ sich vom Pferd fallen.
Der Mann mit der Gitarre warf das Instrument achtlos zur Seite, sprang auf und griff nach dem Sechsschüsser.
Und dann dröhnten die Waffen. Die Detonationen verschmolzen ineinander zu einem einzigen, lauten Knall, der durch die Stadt stieß wie eine Botschaft von Untergang und Tod.
Mike Butler rannte schießend von der Straße. McQuade rollte durch den Staub und immer wieder bäumte sich der Colt auf in seiner Faust. Das Pferd, auf dem Floyd Baxter saß, vollführte voll Panik eine Reihe von Bocksprüngen und der Bandit hatte Mühe, sich auf dem Pferderücken zu halten. Dann aber hämmerte er dem Tier brutal die Sporen in die Seiten und es stob in wilder Karriere davon. Staub wölkte und vermischte sich mit dem Pulverdampf.
Gray Wolf war in eine Lücke zwischen zwei Häusern gerannt und nicht mehr zu sehen.
Abrupt schwiegen die Waffen. Hinter den Häusern wieherte ein Pferd, Gray Wolfs wütendes Bellen war zu vernehmen, zwei Schüsse donnerten, dann kamen rasende Hufschläge auf, die sich schnell entfernten.
McQuade erhob sich. Staub rieselte von seinem Mantel. Bei dem Tränketrog lag der Gitarrespieler auf dem Gesicht und rührte sich nicht. Gray Wolf glitt zwischen den Häusern hervor. Jähe Sorge um Wes Rafferty, der sich nicht blicken ließ, befiel den Kopfgeldjäger. Er rammte den Colt ins Holster und eilte zu der Stelle, von der vorhin die Stimme des Gesetzeshüters erklungen war. Rafferty lag in einer Lücke zwischen den Häusern am Boden, Blut sickerte aus einer Wunde in seiner rechten Brustseite und färbte Hemd und Weste darüber dunkel.
„Wes!“, entrang es sich McQuade entsetzt und er ging neben seinem väterlichen Freund auf das linke Knie nieder.
„Der – der Hundesohn hockte auf einem der Dächer hinter der Fassade“, stammelte der Verwundete und McQuade hatte Mühe, ihn zu verstehen.
Auf der Straße war ein verworrenes Stimmendurcheinander zu vernehmen. Schritte trampelten, und dann kamen drei Männer in die Häuserlücke, in der der Town Marshal auf dem Boden lag.
„Was ist geschehen?“, fragte einer atemlos. „Es hörte sich plötzlich an, als wäre ein Krieg … Gütiger Gott, das ist ja Wes Rafferty! Wer …“
McQuade schnitt dem Mann schroff das Wort ab, indem er hervorstieß: „Wes ist schwer verwundet. Er braucht sofort den Arzt. Sorgen Sie dafür …“ McQuade beugte sich über seinen schwer verletzten Freund, hörte ihn stoßweise und rasselnd atmen und sagte: „Alles wird gut, Wes, hörst du, gleich kommt der Doc. Er bringt dich wieder auf die Beine.“
Wes Rafferty zeigte ein verzerrtes Lächeln. Vielleicht wollte er damit dem Kopfgeldjäger Mut machen. „Hol – dir – die – Halunken, Junge“, röchelte der Town Marshal. „Sie – sie dürfen nicht ungeschoren davon kommen.“
„Sie werden büßen“, versicherte McQuade, und die drei Worte beinhalteten ein düsteres Versprechen – das Versprechen, Mike Butler und seine Komplizen zu jagen und zur Rechenschaft zu ziehen. „Yeah, Wes, sie werden teuer bezahlen.“
McQuade richtete sich auf und stapfte zur Straße. Um den reglosen Burschen beim Tränketrog hatten sich einige Bürger zusammengerottet. Ganz nebenbei registrierte der Texaner, dass Floyd Baxter über alle Berge war. Aber das war für ihn in diesem Augenblick nachrangig. „Lasst mich durch!“, forderte er. Die Gesichter wurden ihm zugedreht, eine Gasse bildete sich, McQuade schritt hindurch und drehte den Mann auf den Rücken. In seinen Augen sah der Kopfgeldjäger nur noch die absolute Leere des Todes. Die Gitarre lag neben dem Trog im Staub.
„Go on, Partner“, murmelte McQuade. “Verlieren wir keine Zeit.”
Er ging zu seinem Pferd, das an den Fahrbahnrand getrottet war und mit dem Schweif nach den lästigen Bremsen an seinen Flanken schlug, stellte den linken Fuß in den Steigbügel, griff nach dem Sattelknauf und riss sich in den alten, brüchigen Sattel. Mit einem Schenkeldruck trieb er den Falben an und lenkte ihn zwischen die Häuser. Gray Wolf glitt lautlos wie ein Schatten neben dem Pferd her.
*
McQuade erinnerte sich an Joe Butler. Er stammte aus der Gegend von Eureka Spring, einer kleinen Stadt am Aravaipa Creek. Eureka Spring war gut und gerne sechzig Meilen von Tucson entfernt.
Die Banditen waren nach Norden aus Tucson geflohen, nachdem Mike Butler feststellen musste, dass sich McQuade nicht wie ein Hammel zur Schlachtbank führen ließ.
Butler wollte ihm – McQuade – den Tod seines Sohnes vergelten. Joe Butler war ein Mörder, Räuber und Vergewaltiger, der den Tod verdient hatte. Der Kopfgeldjäger stellte ihn in Nogales. Der Bandit griff zur Waffe …
McQuade glaubte nicht daran, dass Mike Butler so schnell aufgeben würde. Er war den weiten Weg von Eureka Spring herüber sicher nicht geritten, um nach einem kurzen Schusswechsel die Segel zu streichen und nach Hause zurückzukehren. Hinter den Corrals, in denen einige der Stadtbewohner ihre Nutztiere untergebracht hatten, trieb der Kopfgeldjäger den Falben hin und her, den hellwachen Blick auf den Boden geheftet, auf der Suche nach Spuren der Kerle, die sein Leben wollten.
Er fand Hufspuren, wie sie nur Pferde hinterließen, die schnell getrieben wurden. Sie führten nach Nordosten. McQuade ließ den Blick in die Ferne schweifen und konnte im Dunst die blauen Konturen der Santa Catalina Mountains sehen, deren Gipfel in ein Meer aus weißen Wolken ragten.
In zwei Stunden würde die Dunkelheit den Tag vertrieben haben. McQuade überlegte, ob es Sinn machte, der Spur zu folgen. Möglichweise führte sie ihn in einen Hinterhalt. Gegen schnelle Kugeln aus sicherer Deckung war er nicht gefeit. Und die Wildnis bot tausend Möglichkeiten, einem Mann aufzulauern und ihn zu töten, ehe er zum Denken kam.
Nein!, durchfuhr es den Kopfgeldjäger. Du wirst Mike Butler den nächsten Zug überlassen.
McQuade kehrte um, doch er fragte sich, ob sein Entschluss, abzuwarten, der richtige war. Dadurch ließ er zu, dass Mike Butler Zeitpunkt und Ort der Entscheidung bestimmen konnte. Er musste also höllisch auf der Hut sein, denn ihm war klar, dass Mike Butler nicht unterschätzt werden durfte. Möglicherweise wurde er schon von den Banditen – und das waren Butler und seine Komplizen – beobachtet.
Doch dazu, auf einer Fährte zu reiten, an deren Ende vielleicht der Tod stand oder die irgendwo in der Felswildnis endete, konnte sich der Texaner nicht entschließen. Er wollte Mike Butler aus der Reserve locken. Und dann …
McQuade kehrte nach Tucson zurück und suchte sofort das Büro des County Sheriffs auf. Auf der Straße vor dem Office hatten sich an die zehn Reiter versammelt. Jeder der Männer war mit Revolver und Gewehr bewaffnet. Ihre Gesichter verrieten grimmige Entschlossenheit. McQuade ahnte, dass es sich um ein Aufgebot handelte, das Mike Butler und seinen Handlangern folgen sollte.
Gefolgt von Gray Wolf betrat der Kopfgeldjäger das Office. Troy Howell, der County Sheriff, ein Mann Ende der vierzig, schwergewichtig und einen halben Kopf größer als der Kopfgeldjäger, dessen Haare sich schon grau zu färben begannen, dessen Gesicht eine gesunde Farbe aufwies und dessen blaue Augen wachsam blickten und Intelligenz verrieten, hob die Brauen und sagte: „Man sagte mir, Sie wären den Halunken gefolgt, McQuade. Man sagte mir auch, Sie hätten einen Schwur geleistet – den Schwur, es den Kerlen heimzuzahlen, weil sie Wes so brutal zusammengeknallt haben.“
Im Büro befanden sich außer dem Sheriff noch zwei seiner Gehilfen sowie ein Deputy aus dem Büro des Town Marshals. Sein Name war Doug Logan.
„Sie sind nach Nordosten geflohen“, antwortete der Texaner. „Es wird bald dunkel. In der Dunkelheit, spätestens aber in der Felswüste würde ich ihre Spur verlieren. Außerdem denke ich, dass die Schufte mit Verfolgung rechnen und in sicherer Deckung nur darauf warten, dass ich ihnen vor die Mündungen reite.“
Der Sheriff nagte an seiner Unterlippe. „So schnell geben Sie auf, McQuade? Was ist mit Ihrem Hund? Warum setzen Sie ihn nicht ein, die Spur zu finden und ihr zu folgen?“
„Butler ist sicher kein Dummkopf“, versetzte der Kopfgeldjäger. „Und gewiss weiß er, dass ein Hund in der Lage ist, eine Fährte zu wittern. Aber man kann in einem Flussbett reiten, und dann gibt es für einen Hund nichts mehr zu wittern. Es kann aber sein, dass Butler sogar hofft, dass ich ihm folge. Schließlich ist er ja nach Tucson gekommen, um mich zu töten.“
„Butler“, murmelte der Sheriff nachdenklich. „Irgendwie sagt mir der Name etwas. Warum will er Ihren Skalp, McQuade?“
„Joe Butler wurde vom Gesetz gesucht, für seine Ergreifung war eine Belohnung von achthundert Dollar ausgesetzt. Ich stellte ihn vor einigen Monaten unten in Nogales. Er zog es vor, zu kämpfen und ich erschoss ihn. Bei dem Hombre, der vorhin auf der Straße den höllischen Reigen vom Zaun brach, handelt es sich um seinen Vater. Er lebt drüben bei Eureka Spring.“
Jetzt mischte sich Doug Logan, der Hilfsmarshal ein, indem er sagte: „Der Stallmann, bei dem die Kerle ihre Pferde unterstellten, hörte aus dem, was sie sprachen, dass sie es auf jemand hier in Tucson abgesehen hatten und verständigte Wes. Der ließ das Quartett nicht mehr aus den Augen. Die Kerle stellten Nachforschungen an und bald war klar, dass sie es auf Sie abgesehen hatten, McQuade. Das ist auch der Grund, weshalb Wes zur Stelle war, als Sie das Quartett in die Zange nahm.“
„Wie geht es Wes?“, fragte der Kopfgeldjäger besorgt.
„Er befindet sich beim Arzt“, antwortete der County Sheriff. „Im Moment liegt er unter dem Messer. Der Doc war nicht gerade zuversichtlich. Beten wir, dass Wes stark genug ist und es übersteht. – Ich verfolge mit einem Aufgebot die Banditen, McQuade. Kommen Sie mit?“
Der Texaner schüttelte den Kopf. „Sie werden die Halunken nicht finden, Sheriff. Ich denke, es ist auch gar nicht nötig, sie zu suchen und irgendwelche Risiken einzugehen. Mike Butler ist gekommen, um mir für den Tod seines Sohnes eine blutige Rechnung zu präsentieren. Im ersten Anlauf scheiterte sein Vorsatz, mich umzulegen. Also wird er es erneut versuchen. Wir brauchen nur darauf zu warten, dass er antanzt.“
„Das ist ein Spiel mit dem Feuer“, murmelte der Sheriff, „ein Vabanquespiel, und der Einsatz ist Ihr Leben, McQuade. Das kann ich nicht verantworten.“
Troy Howell nickte dem Kopfgeldjäger zu, dann stiefelte er nach draußen. Raue Stimmen erklangen, Hufe stampften, ein Pferd wieherte hell, schließlich kam Hufgetrappel auf, das sich schnell entfernte.
„Ich werde sämtliche Deputys mobilisieren, McQuade“, erklärte Doug Logan. „Wenn Ihre Vermutung zutrifft, dann wird Mike Butler nicht lange auf sich warten lassen. In Tucson wimmelt es von Menschen. Am Abend erwacht die Stadt zu sündigem Leben. Es wird nicht auffallen, wenn sich Butler und seine Kumpane in den Ort schleichen. Darum werden wir Sie nicht aus den Augen lassen, McQuade.“
„Du degradierst ihn zum Köder, Doug“, verlieh einer der Deputy Sheriffs seinen Bedenken Ausdruck.
„Es ist schon in Ordnung“, gab der Kopfgeldjäger mit einem grimmigen Grinsen um die Lippen zu verstehen.
*
McQuade versteckte sich nicht. Es war finster. Viele der Gebäude zu beiden Seiten der Main Street von Tucson waren hell erleuchtet. Es handelte sich um die Vergnügungsetablissements, in denen man auf der Jagd nach dem schnellen Dollar war. Glücksritter, Geschäftemacher, Spieler, Huren, Banditen – Gute und Schlechte gaben sich in Tucson ein Stelldichein. In der Stadt summte es wie in einem Bienenkorb; Grölen, Johlen, Gelächter, ein wirres Durcheinander von rauen Stimmen …
Vor einer Stunde waren Sheriff Troy Howell und das Aufgebot unverrichteter Dinge zurückgekehrt. Es hatte die Hügel nördlich und nordöstlich von Tucson abgesucht, aber Mike Butler und seine Kumpane schienen sich in Luft aufgelöst zu haben. Doch McQuade hatte nicht mit einem Erfolg des Sheriffs gerechnet.
Der Kopfgeldjäger saß auf dem Vorbau des Boardinghouse, in dem er immer wohnte, wenn er sich in Tucson befand. Inhaberin war Maria Alvarez, deren schöne Tochter Juanita in McQuade verliebt war. Irgendwann einmal hatte der Kopfgeldjäger versprochen, falls er einmal eine Familie gründen wollte, keine andere Frau zu heiraten als Juanita. Seitdem wartete sie darauf, dass er sie endlich fragte.
Der Texaner hatte es sich in einem Schaukelstuhl im Schlagschatten unter dem Vorbaudach bequem gemacht. Gray Wolf lag zu seinen Füßen auf den staubigen Bohlen und hatte den mächtigen Kopf zwischen die Vorderläufe gebettet. Die Henry Rifle lag quer über McQuades Oberschenkeln, seine Rechte hatte sich um den Kolbenhals verkrampft, in der Kammer befand sich eine Patrone. McQuade konnte also innerhalb eines Sekundenbruchteils das Gewehr in Anschlag bringen und feuern.
In den Gassen herrschte Dunkelheit. Die Nacht schien Unheil zu verkünden. Etwas Beklemmendes lag in der Luft. McQuade verspürte Anspannung – sie bereitete ihm fast körperliches Unbehagen. Irgendetwas wurde vorbereitet. Floyd Baxter kam ihm in den Sinn. Der Bandit hatte die Gunst der Stunde, als am Nachmittag am Stadtrand die Kugeln flogen, zu nutzen gewusst und war auf Nimmerwiedersehen verschwunden. McQuade hatte sich erst gar nicht die Mühe gemacht, zu versuchen, seine Spur aufzunehmen. Es wäre ein absolut sinnloses Unterfangen gewesen. In diesem Hexenkessel verlor sich die Fährte eines Mannes wie ein Sandkorn in der Gila Wüste.
Der Kopfgeldjäger drehte sich eine Zigarette und rauchte. Den Glutpunkt der Zigarette schirmte er mit der hohlen Hand ab. Vor seinem Blick torkelten Betrunkene auf der Straße herum. Aus einem Saloon in der Nähe erschallte wildes Gebrüll, dann taumelte ein Mann rückwärts gehend durch die Tür auf den Vorbau, ein anderer folgte ihm mit schwingenden Fäusten und prügelte ihn die Treppe hinunter. Einige Männer drängten hinter den Streithähnen ins Freie und feuerten einen der Kerle mit viel Geschrei an.
McQuade war hellwach, seine Augen sicherten unablässig in die Runde, sein Blick bohrte sich in die Finsternis in den Gassen und Passagen zwischen den Gebäuden. Jäh schalteten seine Sinne auf Alarm, als er in einer der Gassenmündungen schräg gegenüber eine huschende Bewegung wahrnahm. Er ließ die Zigarette zu Boden fallen und trat sie aus, erhob sich und wich zurück bis zur Hauswand, glitt an ihr entlang bis zum Ende des Vorbaus, lief die Stufen hinunter und verschwand um die Ecke. Gray Wolf glitt neben ihm her. Mit leiser Stimme gebot der Texaner dem Wolfshund, sich zu setzen und sich nicht zu rühren.
Aus der Dunkelheit der Gasse löste sich eine schemenhafte Gestalt, sie trat auf die Straße und nahm im vagen Licht Formen an. Es handelte sich um einen Mann von etwa sechs Fuß Größe, der mit beiden Händen ein Gewehr vor der Brust hielt. Langsam schritt er auf das Boardinghouse zu. Als er nahe genug war, konnte McQuade Einzelheiten erkennen. Der Bursche war ihm völlig unbekannt. Der Kopfgeldjäger schätzte ihn auf dreißig Jahre. Um seine schmalen Hüften lag ein breiter Revolvergurt, aus dem Holster an seinem linken Oberschenkel ragte der Griff eines schweren, langläufigen Coltrevolvers.
Jetzt erreichte der Mann auf der anderen Seite des Vorbaus die Treppe und stieg sie hinauf. Holz knarrte trocken unter seinem Gewicht. Als er zur Eingangstür stiefelte, riefen die Absätze seiner Stiefel ein polterndes Echo auf den Bohlen wach.
In dem Moment trat ein Stück die Straße hinunter ein weiterer Mann hinter einem Gebäude hervor. Auf der dem Boardinghouse gegenüberliegenden Fahrbahnseite verschwand er im Schlagschatten eines Gebäudes und schien von der Finsternis regelrecht aufgesaugt zu werden.
Der Bursche auf dem Vorbau betrat das Boardinghouse. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
McQuade war sich fast hundertprozentig sicher, dass die Jagd auf ihn begonnen hatte. Eine kalte Ruhe ergriff von ihm Besitz, sein Verstand arbeitete präzise, er aktivierte jeden seiner Sinne. „Komm, Partner“, flüsterte der Kopfgeldjäger, „sehen wir hinten nach. Es würde mich nicht wundern, wenn sich dort auch einer postiert hätte.“ Der Texaner und sein treuer Begleiter huschten in die Dunkelheit hinein. Hinter dem Boardinghouse verlief eine schmale Straße parallel zur Main Street. Auf der anderen Seite erhoben sich wieder Wohnhäuser, Stallungen und Schuppen. Tucson war ziemlich groß, in der Stadt lebten an die dreitausend Einwohner, und so waren die Häuser in mehreren Baureihen angeordnet. Das Nachtleben spielte sich auf der Hauptstraße ab. In den Häusern dahinter brannten nicht viele Lichter. Nur hier und dort war ein erleuchtetes Fenster zu sehen. Auch der verworrene Lärm war bei Weitem nicht so intensiv wie auf der Main Street.
McQuade stand an der hinteren Ecke des Boardinghouse und tastete mit seinem Blick die Durchlässe zwischen den Häusern und die Dächer ab. Gray Wolf verhielt sich still. Er hatte sich dicht bei dem Kopfgeldjäger auf die Hinterläufe niedergelassen, und der Mann spürte die Wärme des Tierkörpers durch den Mantel und das Hosenbein.
Kurze Zeit verstrich, plötzlich ging die Hintertür auf, Licht flutete auf die Straße, dann erklang eine unterdrückte, dunkle Stimme: „Ken!“
„Was ist?“ Auf einem der Dächer jenseits der schmalen Straße wuchs eine hagere Gestalt in die Höhe. Schwarz und scharf hob sie sich gegen das Sternenlicht am tintenblauen Himmel ab.
„Er ist nicht hier.“
McQuade verspürte eine grimmige Genugtuung. Sie hatten ihn in der Stadt gesucht, und als sie ihn nicht gefunden hatten, begaben sie sich zu seiner Unterkunft. Wo er wohnte, hatten sie schon herausgefunden, als sie nach ihrer Ankunft in Tucson Erkundigungen über ihn einzogen.
Hier vermuteten sie ihn. Einer von ihnen sollte ihn vorne oder hinten aus dem Gebäude und vor die Mündung eines seiner Jäger treiben.
Er würde ihnen die Suppe versalzen.
Der Bursche auf dem Dach rief: „Ihn in diesem Hexenkessel zu suchen ist wie die Suche nach der Nähnadel im Heuhaufen. Wir sollten verschwinden, ehe wir auffallen.“
„Ich sage Mike Bescheid“, rief der Mann an der Hintertür, und im nächsten Moment verschwand die Lichtbahn, die aus der Tür fiel, von der Straße.
McQuade rannte geduckt über die schmale Straße, an der Längsseite des Hauses entlang, auf dem sich einer der Banditen befand, lugte um die Ecke und sah eine schemenhafte Gestalt auf dem Dach des Schuppens, der an das Gebäude angebaut war. Der Bursche war vom Hausdach auf das Schuppendach gesprungen, und von dort aus wollte er nun zu Boden springen, als ihn McQuade anrief: „He, Hombre, ich bin hier!“
Für den Bruchteil einer Sekunde schien der Mann zu erstarren. Dann blitzte es bei ihm auf. Er feuerte blindlings, einfach aufs Geratewohl, der Knall stieß in die Tiefe und wurde von den Häuserwänden zurückgeworfen. Und in die peitschende Detonation hinein knallte McQuades Henrygun. Der Bursche am Rand des Schuppendaches bäumte sich auf, drehte sich halb um seine Achse und stürzte dann kopfüber von dem Schuppen. Ein dumpfer Aufprall war zu hören, ein gequälter Aufschrei – und dann war es still.
McQuade lief zu dem Burschen hin. In dem Moment wollte sich der Mann aufrichten. „Partner!“ Gray Wolf sprang den Banditen an und riss ihn um. Dann stand er über dem Burschen, ein gefährliches Knurren stieg aus seiner Kehle, seine gefletschten Zähne schimmerten matt.
„Gib auf ihn Acht, Partner“, gebot der Kopfgeldjäger, hob das Gewehr des Mannes auf und schleuderte es in die Finsternis hinein, zog ihm den Revolver aus dem Holster und ließ die schwere Waffe dem Gewehr folgen. Der Bandit röchelte.
McQuade lief vor zur Straße und sah an der Seite des Boardinghouse die Silhouette eines Mannes. Der Kopfgeldjäger drängte sich hart an die Hauswand, in deren Schatten er stand. Er hielt das Gewehr in der linken Hand am langen Arm und zog nun den Sechsschüsser.
„Ken!“, erklang es.
„Ich glaube, ich habe ihn erwischt“, rief McQuade halblaut.
Der Trick schien zu funktionieren. Die schattenhafte Gestalt löste sich von der Wand des Boardinghouse, machte einen Schritt nach vorn, in diesem Moment schrie ein Mann schrill: „Die Waffe weg und keine Bewegung, Bandit! Ich …“
Der Bursche wirbelte herum, duckte sich und schoss. Auch an der Vorderseite des Boardinghouse brüllte eine Waffe auf. Der Mann, den McQuade sehen konnte, taumelte rückwärts gehend von der Ecke des Gebäudes weg. Noch einmal dröhnte sein Gewehr, und jetzt erklang auf der Main Street eine wahre Salve. Die Detonationen verschmolzen ineinander zu einem einzigen, lauten Donner. Geschrei erklang. McQuade sah den Burschen, der beinahe auf seinen Trick hereingefallen wäre, zusammenbrechen. Er lief zu ihm hin, beugte sich über ihn und stellte fest, dass er tot war.
Schließlich glitt der Texaner hart an die Hauswand geschmiegt in Richtung Main Street, und er vernahm ein leises Stöhnen, und sogleich nahm er auch die dunkle Gestalt wahr, die am Fuß der Wand lag. „Es – sind – noch zwei, McQuade“, stammelte der Mann, und das Sprechen bereitete ihm Mühe. Es war Doug Logan, der Hilfsmarshal. „Den an der Ecke habe ich erwischt. Plötzlich aber kamen sie von zwei Seiten.“
Zwischen den Häusern dröhnten wieder einige Waffen. Schlagartig brach der Lärm schließlich ab. Aus der Dunkelheit einer Passage zwischen zwei Gebäuden löste sich eine Gestalt, eine Stimme erklang: „Nicht schießen, ich bin es – Deputy Marshal Slim Dexter.“
Dexter näherte sich schnell.
„Logan hat es erwischt“, stieß McQuade hervor. „Kümmern Sie sich um ihn, Dexter. Ich hole mir den Burschen, den ich weiter hinten von einem Schuppendach geschossen habe.“
„Es waren zwei“, sagte Dexter. „Sie haben das Weite gesucht.“
McQuade lief zu der Stelle, an der Gray Wolf den Banditen bewachte, der die Kugel des Kopfgeldjägers und den Sturz vom Schuppendach überlebt zu haben schien. Gray Wolf stand nach wie vor über ihm, die gefletschten Zähne befanden sich dicht vor dem Gesicht des Burschen. Die Augen des Mannes glitzerten im Mond- und Sternenlicht wie Glas.
„Sag mir deinen Namen“, gebot McQuade.
„Kenneth Clark“, murmelte der Bursche mit zittriger Stimme und herausgepresstem Atem. „Bitte, pfeif den Hund zurück. Ich – ich …“
Seine Stimme brach. Vor Angst, dass Gray Wolf zuschnappen könnte, versagten seine Stimmbänder.
„Zurück, Partner!“, befahl der Kopfgeldjäger und der Wolfshund wich langsam, fast widerwillig zurück, setzte sich auf die Hinterläufe und ließ den Banditen nicht aus den Augen.
„Und wer ist der Bursche, mit dem du gesprochen hast, als du dich auf dem Dach befandest?“
„Tom – Tom Fletcher.“
„Wieso seid ihr plötzlich wieder zu viert?“
„Floyd Baxter mischt mit. Es war wohl Zufall, dass er nach seiner Flucht unseren Weg kreuzte. Wir halfen ihm, sich der Handschellen zu entledigen und bewaffneten ihn.“
„Steh auf, Hombre. Ich bringe dich ins Gefängnis.“
„Du hast mir eine Kugel in die Schulter geknallt. Ich blute wie ein Schwein.“
„Der Doc wird sich um dich kümmern. Hoch mit dir!“
McQuade half nach, indem er Clark am Westenkragen packte und in die Höhe zerrte.
*
McQuade verließ am Morgen Tucson. Er sagte sich, dass Mike Butler erneut in die Stadt kommen und nach ihm suchen würde. Wenn er aber herausfand, dass der Kopfgeldjäger Tucson verlassen hatte, würde er aufgeben und nach Hause reiten. Und genau dort wollte McQuade ihn erwarten.
Der Morgendunst hüllte Bäume, Sträucher und Hügel ein. In den Büschen und Baumkronen zwitscherten die Vögel. Auf den Gräsern glitzerte noch der Tau.
McQuade ließ den Falben im Schritt gehen. Er hatte es nicht eilig. Die Ruhe, die ihn umgab, war tief und zeugte von Frieden. Die Santa Catalina Berge rückten näher. Der Boden wurde felsiger und karger. Nackter zerklüfteter Fels ragte zum Himmel und erinnerte an riesige Grabsteine. Von den Hügelflanken flossen Geröll und Sand. Das Büschelgras war ungenießbar für Tiere, bei den Sträuchern, die hier wuchsen, handelte es sich meistens um dornige Comas und Mesquites, hier und dort erhob sich eine Gruppe von Ocotillos oder ein Kaktus. Hier gedieh auch das gefürchtete Locokraut, das Pferde verrückt machte, wenn sie es fraßen. Die Tiere mussten erschossen werden.
In diesem Land, das an Schönheit nichts zu wünschen übrig ließ, lernte man entweder seine Lektionen gründlich, oder man verschwand sehr schnell in einem namenlosen Grab. Denn hier trieben nicht nur Klapperschlangen, Eidechsen und Skorpione ihr Unwesen, sondern auch die Chiricahuas, die unter ihrem Häuptling Cochise einen blutigen Guerillakrieg gegen die Armee und die weißen Siedler führten.
Es war Apachenland.
Der Tod war allgegenwärtig.
Die Sonne stieg höher und höher, die Hitze wurde geradezu unerträglich. Sie saugte Mensch und Tier regelrecht das Mark aus den Knochen. Die schweigende Bergwelt nahm den Kopfgeldjäger auf. Die Hufe krachten und klirrten, der Falbe trug ihn durch ein Labyrinth aus Schluchten und Felsen. Gray Wolf lief leichtfüßig neben dem Pferd her.
McQuade sicherte ständig um sich, aber sein Blickfeld war begrenzt und er hatte keine Ahnung, was ihn hinter dem nächsten Felsen oder in der nächsten Schlucht erwartete. Die Gefahr konnte überall lauern. Der Kopfgeldjäger hielt das Gewehr in der Rechten Hand, er hatte es quer über den Widerrist des Falben gelegt. Es war geladen und entsichert. Der Texaner hatte sich darauf eingestellt, gegebenenfalls gedankenschnell zu reagieren.
Als der Abend kam, befand sich McQuade in den östlichen Ausläufern der Catalinas. Bei einer Tinaja, einem Wasserloch, das unterirdisch gespeist wurde, saß er ab. Hier wollte er die Nacht verbringen. Das Wasser war nicht alkalihaltig und genießbar. McQuade wusch sich Staub und Schweiß aus dem Gesicht, die Tiere löschten ihren Durst. Es gab um das Wasserloch herum sogar etwas Grünzeug, das das Pferd fressen konnte. Gray Wolf verschwand, um sich eine Abendmahlzeit zu erjagen. McQuade verzehrte etwas von dem Pemmican, den er in der Satteltasche mit sich führte.
Zwischen die Felsen senkten sich die Schatten der beginnenden Nacht, McQuade rauchte. Er saß am Boden, hatte den Rücken gegen einen Felsen gelehnt, die Beine angezogen und die Hacken seiner Stiefel in den Boden gestemmt. Plötzlich trieb der Klang einer Stimme an sein Gehör.
Der Kopfgeldjäger warf die halb gerauchte Zigarette zu Boden, griff nach dem Gewehr und erhob sich. Leicht den Oberkörper nach vorne gebeugt stand er da, lauschte und ließ seinen Instinkten freien Lauf. Hatte er sich geirrt? War es der Abendwind, der sich leise wimmernd an den Felsvorsprüngen brach? Gaukelten ihm seine Sinne schon Dinge vor, die gar nicht real waren?
Gray Wolf war noch nicht von der Jagd zurückgekehrt.
McQuade war ein Bündel angespannter Aufmerksamkeit.
Und jetzt vernahm er wieder eine Stimme. Es waren gutturale Laute, die heranwehten. Apachen! Und es war wohl so, dass ihr Ziel die Tinaja war, an der er – der Kopfgeldjäger – lagerte.
Der Falbe schnaubte. McQuade schaute zu ihm hin und sah, dass das Tier den Kopf erhoben hatte und mit den Ohren spielte, außerdem peitschte es unruhig mit dem Schweif.
Die Situation erforderte einen raschen Entschluss. McQuade war mit einigen Schritten bei dem Falben, zog den Bauchriemen des Sattels an und leinte das Pferd los, dann führte er es vom Wasserloch weg zwischen die Felsen. Ihm war klar, dass die Hufschläge die Apachen warnen würden, doch das musste er in Kauf nehmen. Wenn sie ihn bei der Tinaja in die Zange nahmen, hatte er keine Chance.
In einer engen Schlucht band er den Falben an einen Strauch, er selbst ging hinter einem Felsblock in Deckung. Von seiner Position aus hatte er Einblick in die kleine Senke, in der sich die Wasserstelle befand.
Die Zeit schien stillzustehen, die Stille, die jetzt über allem lag, mutete erdrückend an. Sie hing wie ein Leichentuch zwischen den Felsen. Die Düsternis verstärkte das Gefühl von Einsamkeit und Verlassenheit. Ein Hauch von Tod wehte durch die Wildnis und streifte den Kopfgeldjäger wie ein eisiger Wind.
Plötzlich schob sich ein Apache um einen Felsen herum, hielt an und ließ seinen Blick in die Runde schweifen. Er stand leicht geduckt, breitbeinig und in den Knien ein wenig eingeknickt wie sprungbereit neben dem Felsen, und er hielt eine Henry Rifle an der Seite. Den Kolben hatte er sich unter die Achsel geklemmt.
Der Chiricahua trug kniehohe Mokassins sowie eine Hose und eine Bluse aus hellem Leinenstoff, die Bluse wurde um die Hüfte von einem Rohledergürtel zusammengehalten. Um seinen Kopf wand sich ein rotes Tuch, darunter quollen die langen, schwarzen Haare hervor, die ihm weit über die Schultern und auf den Rücken fielen.
McQuade hatte keine Ahnung, mit wie vielen Kriegern er es zu tun hatte. Aber es waren mindestens zwei, denn er hatte Stimmen vernommen. Und er ging nicht davon aus, dass der Apache am Rand der kleinen Senke ein Selbstgespräch gehalten hatte.
Die Apachen waren Meister im Anschleichen. McQuade fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut. Er hatte nichts gegen die Indianer. Auf seiner Jagd nach irgendwelchen Banditen hatte er schon des Öfteren mit ihnen zu tun. Er kannte Cochises Geschichte. Die Weißen, vor allem die Armee, hatten dem Häuptling übel mitgespielt. Sie hatten ihn hintergangen, einige seiner Verwandten gehängt und seinen Schwiegervater Mangas Colorados brutal ermordet. Dabei hatte Mangas Colorados nur den Frieden gesucht.
Die Chiricahuas waren voll Hass.
Und er – McQuade -, würde sich wieder einmal mehr seiner Haut wehren müssen, wenn er hier in der Wildnis nicht sterben wollte. Es verbitterte ihn, denn es bedeutete, dass er wahrscheinlich töten musste.
Der Apache setzte sich in Bewegung und näherte sich vorsichtig der Tinaja. Dort, wo der Kopfgeldjäger gesessen hatte, bückte er sich, hob die halb gerauchte Zigarette auf, deren Spitze noch glühte, betrachtete sie kurz und warf sie wieder zu Boden.
Plötzlich vernahm McQuade über sich ein schabendes Geräusch und er legte den Kopf in den Nacken, sah über sich am Rand des Felsens einen Krieger und starrte einen Sekundenbruchteil lang in die Mündung eines Gewehres. Erkennen der Gefahr und Reagieren geschehen innerhalb eines Augenblicks. Und als die Waffe auf dem Felsen knallte, als aus der Mündung eine grelle Flamme züngelte, hechtete der Texaner auf die Seite. Die Detonation staute sich zwischen den Felsen, aufbrüllend antwortete das Echo, ein Querschläger quarrte durchdringend.
McQuade feuerte im Liegen. Der Krieger neigte sich nach vorn und stürzte in die Tiefe, ein dumpfer Aufprall war zu vernehmen, als er zwischen den Felsen aufschlug.
McQuade kam hoch und sah den anderen Apachen heranstürmen. Durchladen, zielen und schießen waren bei dem Kopfgeldjäger ein einziger fließender Bewegungsablauf. Der Krieger schien einen Moment lang schräg in der Luft zu hängen, dann krachte er rücklings auf den Boden.
Der Texaner glitt in die Deckung des Felsens und lauschte. Nach mehreren Minuten, in denen nichts geschah, war er sich sicher, dass er es nur mit den beiden Kriegern zu tun hatte. Er setzte alles auf eine Karte und trat hinter dem Felsen hervor, präsentierte sich sozusagen. Seine Nerven waren zum Zerreißen angespannt. Doch nichts geschah.
Gray Wolf trottete aus einem Felsspalt. Wahrscheinlich hatten die Schüsse den Wolfshund zurückgelockt. Er lief zu dem Apachen beim Wasserloch hin und beschnupperte ihn, dann kam er zu seinem Herrn und drängte sich gegen sein Bein. McQuade kraulte ihm – ohne von einem bewussten Willen geleitet zu werden -, am Kopf.
Er untersuchte die beiden Apachen. Derjenige, den er vom Felsen geschossen hatte, war tot. Der andere hatte seine Kugel in die Brust bekommen, er lebte aber noch, war allerdings ohne Besinnung.
Der Kopfgeldjäger konnte nichts für den Krieger tun. Er musste vielmehr befürchten, dass seine Schüsse weitere Rothäute anlockten. Es war nämlich kaum vorstellbar, dass die beiden Krieger alleine unterwegs waren.
„Verschwinden wir, Partner“, murmelte der Texaner und stapfte zu seinem Pferd, band es los und kletterte in den Sattel. Der Falbe trug den Kopfgeldjäger weg von der Tinaja, der Irrgarten aus Felsen und Schluchten nahm sie wieder auf.
*
McQuade lagerte erst, als es stockfinster war und er zwischen den Felsen die Hand nicht mehr vor den Augen sehen konnte. Er schlief schlecht, obwohl er sich sicher fühlen konnte, denn Gray Wolf würde jede Annäherung eines Menschen wahrnehmen und ihn warnen. Als er am Morgen seinen Weg fortsetzte, fühlte er sich wie gerädert. Der Ritt war strapaziös. Staub entzündete die Augen des Kopfgeldjägers, knirschte zwischen seinen Zähnen, verklebte seine Poren und kroch unter seine Kleidung. Immer wieder sah er in der Ferne Rauchsignale zum Himmel steigen. Er hatte keine Ahnung, ob sie seinetwegen gesendet wurden. Irgendetwas hatten sich die streunenden Apachenbanden mitzuteilen. Ihre Signalsprache kannte der Texaner nicht. Er wusste nur, dass die Rauchzeichen Unheil bedeuteten.
Am späten Nachmittag aber war er am Ziel. In einer weitläufigen Senke mitten in den Galiuro Mountains lag Eureka Spring vor seinem Blick. Saguaro Kakteen erhoben sich aus dem kargen Boden, der Aravaipa Creek kam im Süden der Ebene zwischen den Hügeln und Felsen hervor, schlängelte sich an der Stadt vorbei und verschwand im Norden wieder in der Felswüste.
Der Kopfgeldjäger ritt in die Stadt. Die Sonne stand schon weit im Westen, die Schatten waren lang und krochen schnell über die heiße Hauptstraße. Der Ort wirkte ärmlich, von den Häusern blätterte die Farbe ab, die Geranien in den hölzernen Blumenkästen auf den Fensterbänken waren verstaubt, das Holz der Ställe, Scheunen und Schuppen war grau von der Witterung.
Auf einem Vorbau saß im Schatten des Daches ein grauhaariger Oldtimer in einem Schaukelstuhl und döste vor sich hin. Seine linke Hand lag auf seinem Oberschenkel und hielt eine erloschene Pfeife fest.
McQuade hielt bei ihm an. Der Oldtimer musste die Nähe des Fremden spüren, vielleicht hatte er auch gar nicht geschlafen, denn seine Augen öffneten sich und sein Blick kreuzte sich mit dem des Texaners. Der tippte mit dem Zeigefinger seiner Rechten an die Krempe seines schwarzen, flachkronigen Stetsons, und sagte: „Howdy, Sir. Können Sie mir sagen, wo ich Mike Butlers Haus finde?“
Der Grauhaarige kniff die Augen ein wenig zusammen. Was er sah, gefiel ihm nicht. McQuade sah mitgenommen, um nicht zu sagen heruntergekommen aus. Er war verstaubt und verschwitzt, tagealter Bart wucherte in seinem hohlwangigen Gesicht mit den rotgeränderten Augen, der Mantel war zerschlissen, das Leder der Stiefel brüchig. So sahen Satteltramps aus …
„Sind Sie ein Freund von Mike?“, fragte der Grauhaarige und fixierte den Kopfgeldjäger argwöhnisch.
„Wir sind alte Bekannte“, versetzte McQuade ausweichend.
„Mike betreibt einige Meilen weiter nördlich am Fluss eine kleine Pferderanch“, erklärte der Mann.
„Wie viele Meilen?“
„Etwa drei. - He, Mister, ich habe von einem Mann gehört, der einen großen, grauen Wolfshund besitzt und zusammen mit dem Hund hier im Arizona-Territorium auf Verbrecherjagd unterwegs ist. Sind Sie dieser Hombre?“
„Mein Name ist McQuade.“
Dem Oldtimer schien es wie Schuppen von den Augen zu fallen, über ein runzliges Gesicht lief der Schimmer des Begreifens. „Sie haben unten in Nogales Mike Butlers Jungen erschossen. So viel ich weiß, soll Mike geschworen haben, den Mann, der Joe getötet hat, zur Rechenschaft zu ziehen. – Sie müssen lebensmüde sein, McQuade. Mike ist höllisch gefährlich. Er soll, ehe er mit der Pferdezucht begann, ein gefürchteter Revolvermann gewesen sein.“
„Vielen Dank, Sir“, sagte McQuade, ohne auf das, was der Mann gesprochen hatte, einzugehen, zerrte das Pferd um die linke Hand und trieb es mit einem Schenkeldruck an.
Der Oldtimer starrte ihm hinterher, seine Backenknochen mahlten. Plötzlich rief er: „He, McQuade!“
Der Texaner zügelte und blickte über die Schulter zurück.
„Sie sind von Westen her in die Stadt gekommen. An Ihnen klebt der Staub der Galiuros. Haben Sie Apachen gesehen? Man sagt, dass sie sich in den Catalinas und Galiuros herumtreiben sollen.“
„Nur zwei“, ersetzte der Kopfgeldjäger. „Sie zwangen mir einen Kampf auf.“ Er ruckte im Sattel und gab dem Pferd den Kopf frei. Der Falbe setzte sich in Bewegung.
„Da Ihr Skalp noch fest sitzt, nehme ich an, dass die beiden Krieger den Kürzeren gezogen haben!“, rief der Grauhaarige, aber McQuade ließ sich nicht mehr aufhalten.
Das Gesicht des Oldtimers nahm einen verkniffenen Ausdruck an.
McQuade folgte dem Creek nach Norden. Die Sonne ging unter, ihr Widerschein färbte den Himmel im Westen purpurn. Die Berggipfel schienen zu bluten. Das Wasser des Creeks hatte die Farbe flüssiger Bronze angenommen.
Schließlich erreichte McQuade die Ranch. Von einem Hügel aus beobachtete er sie. In einem Corral standen an die fünfzig Pferde. Aus dem Schornstein des Küchenanbaus stieg Rauch. Es gab ein Haupthaus, eine Mannschaftsunterkunft, Ställe, Schuppen und eine große Scheune. In einer Remise standen zwei Fuhrwerke.
Der rötliche Schein, der auf den Dächern lag, begann zu verblassen. Die Abenddämmerung begann die Ranch einzuhüllen. Zwei Männer verließen die Mannschaftsunterkunft und verschwanden im Küchenanbau.
McQuade wusste jetzt, wo Mike Butler lebte, und er hatte herausgefunden, dass die Pferderanch nicht verwaist war. Er beschloss nach Eureka Spring zurückzukehren und dort auf den Mann zu warten, der geschworen hatte, ihn zu töten.
Aber darum ging es nicht. Mike Butler trug die Schuld daran, dass Wes Rafferty, der Town Marshal von Tucson, aus dem Hinterhalt niedergeknallt wurde und mit dem Tod rang. Außerdem hatten Butler und seine Handlanger Doug Logan, einen der Deputy Marshals, kaltblütig niedergeschossen.
McQuade wendete den Falben.
Als er in die Stadt zurückkam, war es ziemlich finster. An den Vorbaupfosten blakten Laternen, und gelbes Licht fiel aus den Fenstern auf die Gehsteige und die staubige Main Street. Unter der dünnen Mondsichel wehte ein abgekühlter Wind über die Dächer. Wolkenschatten glitten über sie hinweg. Hell funkelten die Sterne und streuten bleiches Licht aus.
Der Mietstall war ein zugiger Bretterverschlag. Das große Tor stand halb offen und hing schief in den verrosteten Angeln. Wahrscheinlich ließ es sich gar nicht mehr schließen. Neben dem Stalltor hing eine Laterne und streute gelbes Licht. Der Docht der Petroleumlampe, die mitten im Gang von einem Balken hing, war weit heruntergedreht. Der Kopfgeldjäger warf einen Blick zum Ende des Ganges. Es gab dort eine grob aus ungehobelten Brettern zusammengenagelte Tür und McQuade vermutete, dass sie der Eingang zum Aufenthalts- vielleicht auch Schlafraum des Stallmannes war.
Er drehte den Docht der Laterne im Mittelgang höher und das Licht kroch auseinander. Dann machte er sich daran, dem Falben den Sattel abzunehmen. Der Stallmann ließ sich nicht blicken. Nachdem er seinem Pferd auch das Zaumzeug abgenommen hatte, führte es der Kopfgeldjäger in eine leere Box, fand einen leeren Eimer und füllte ihn aus einer Futterkiste mit Hafer. Nachdem er das Pferd auch mit Wasser versorgt hatte, hängte er sich die Satteltaschen über die Schulter, nahm das Gewehr und verließ den Stall.
Als er in die Nähe des Saloons kam, wehte ihm das Klimpern einer Gitarre entgegen. Böse Erinnerungen wurden in ihm wach. Mike Butlers Worte klangen in ihm nach. ‚Es ist dein Grabgesang, McQuade’, hatte der Bandit gesagt, nachdem er ihn, den Kopfgeldjäger, am Stadtrand von Tucson aufgehalten hatte.
Der Texaner betrat den Saloon. Knarrend und quietschend schwangen die Batwings der Pendeltür hinter ihm aus. Im Schankraum befanden sich etwa ein Dutzend Männer. McQuade sah auch den grauhaarigen Oldtimer, mit dem er nach seiner Ankunft in Eureka Spring gesprochen hatte. Das Gitarrenspiel endete. Stechende Augen taxierten den Texaner, erforschten ihn, schätzten ihn ein, jeder der Anwesenden versuchte sich wohl ein Bild von dem Kopfgeldjäger zu machen.
Nicht einmal ein Hauch von Freundlichkeit schlug ihm entgegen. McQuade spürte ganz deutlich, dass er hier nur auf Ablehnung stieß.
Der Mann mit der Gitarre saß am Ende des Tresens auf einem Stuhl. Auch er starrte den Kopfgeldjäger finster an.
Sporenklirrend ging McQuade zu einem leeren Tisch, warf die Satteltaschen auf einen Stuhl, lehnte das Gewehr gegen die Tischkante und setzte sich. Gray Wolf legte sich unter dem Tisch auf den Boden.
Der Keeper zögerte. Schließlich aber setzte er sich in Bewegung, kam um den Tresen herum und ging zu dem Tisch, an dem McQuade saß. „Was darf ich Ihnen bringen?“
„Einen Krug voll Wasser. Haben Sie auch etwas zu essen?“
Der Keeper nickte. „Ich kann Ihnen ein Steak braten lassen.“
„Fein. Ich brauche auch ein großes Stück rohes Fleisch für meinen Hund. Ist das möglich?“
Erneut quittierte der Keeper die Frage mit einem Nicken, drehte sich wortlos herum und kehrte hinter den Schanktisch zurück.
Ein Mann rief grollend: „Du bist also McQuade, der bekannte Mannjäger. Sollte man kaum glauben. Die siehst eher aus wie ein Sattelstrolch.“
McQuades Blick suchte den Sprecher. Er war um die dreißig Jahre alt, blondhaarig und grinste spöttisch.
„Mag sein, dass ich so aussehe“, versetzte McQuade ruhig. „Da du aber meinen Namen kennst und weißt, welchen Job ich ausübe, wirst du wissen, dass ich kein Sattelstrolch bin.“
„Du jagst Männer für Geld“, knurrte der Blondhaarige. „Ein schmutziges Geschäft. An deinen Händen klebt Blut. Ich denke, du bist nicht besser als die Kerle, die du jagst.“
Zustimmendes Gemurmel erklang.
„Das ist deine Meinung“, antwortete McQuade. „Vielleicht ist es die allgemeine Meinung hier. Wir leben in einem freien Land, und jeder darf seine Meinung äußern. Für mich gibt es keinen Grund, sich wegen meines Jobs vor euch zu rechtfertigen. Denkt was ihr wollt.“
Ein böser Ausdruck trat in die Augen des Blondhaarigen.
Die Atmosphäre war plötzlich angespannt. Der Verdruss lag fast greifbar in der Luft.
*
„Du bist wegen Mike Butler gekommen“, rief ein anderer Mann. „Was willst du von ihm? Ist es, weil er geschworen hat, dich in die Hölle zu schicken?“
Bei dem Mann handelte es sich um einen dunkelhaarigen Burschen Mitte dreißig. Seine Stimme hatte aggressiv und herausfordernd geklungen, provozierend war auch die ganze Haltung, die er einnahm.
„Nein. Es ist, weil Butler und drei Komplizen in Tucson den Town Marshal und einen seiner Gehilfen brutal und heimtückisch zusammengeknallt haben.“
Jetzt schlich sich Betroffenheit in die angespannten Gesichter, bei manchem war es vielleicht sogar der Ausdruck von Fassungslosigkeit.
„Was sagst du da?“, rief einer.
„Ihr habt richtig gehört“, erklärte McQuade. „Butler ist einen Schritt zu weit gegangen. Wenn der Town Marshal stirbt, wird man ihn hängen.“
Sekundenlang war es still. Es war, als müssten die Männer der Stadt diese Nachricht erst verarbeiten.
Eine raue Stimme sprengte die Stille: „Gott verdamm mich! Mike muss verrückt geworden sein. Hat ihm der Tod Joes den Verstand geraubt? Sicher …“
Ein schriller Schrei irgendwo auf der Straße ließ den Sprecher jäh verstummen. Ein Schuss krachte, dann brüllte ein Mann: „Apachen! Sie fallen …“
Wieder erklang ein schriller Schrei.
Es durchfuhr McQuade wie ein Stromstoß und riss ihn regelrecht vom Stuhl in die Höhe, er schnappte sich das Gewehr und rannte zum Ausgang. „Komm, Partner!“ Mit dem Körper rammte er die Türpendel auseinander, krachend flogen sie auf, er sprang hinaus auf den Vorbau und sah vier – fünf Gestalten auf der Main Street heranhetzen.
Überall zwischen den Häusern waren plötzlich Apachen. Irgendwo brüllte jemand etwas, das McQuade nicht verstand. Hinter ihm drängten die Gäste aus dem Saloon. Schüsse dröhnten, und jetzt gellten spitze, abgehackte Kampfschreie durch die Stadt.
Die Männer rannten auseinander und feuerten auf die springenden und hetzenden und fürchterlich heulenden Schemen, die in Häuser und Hütten eindrangen und dort grausam wüteten. Ihre Brutalität kannte keine Grenzen.
Menschen flüchteten ins Freie, Männer, Frauen und Kinder. Pfeile zischten lautlos durch die Dunkelheit, heißes Blei fand gnadenlos sein Ziel. Röchelnd stürzten viele in den Staub. Jene, die es nicht traf, suchten ihr Heil in der Flucht zur Kirche und drängten sich vor dem Portal. Das panische Entsetzen machte sie rücksichtslos.
McQuade kniete auf dem Vorbau des Saloons und feuerte auf die Krieger, die die Dunkelheit zwischen den Häusern auszuspucken schien.
Drei Apachen rannten aus einem Haus auf der anderen Straßenseite. Sie sahen McQuade und rissen ihre Waffen hoch. Es gab kein Erbarmen, niemand bettelte um Gnade. Die Krieger taumelten unter McQuades Treffern, wurden gegeneinander geworfen und stürzten tot oder sterbend übereinander.
In einigen Häusern hatten die Chiricahuas Feuer gelegt. Fauchend und prasselnd stießen die Flammen durch die Räume und die Gänge, brennende Gardinenfetzen fielen zu Boden. Rauch wälzte sich aus den Türen und Fenstern, trieb über die Main Street und verdunkelte die Stadt.
Die Schreie Sterbender gellten durch Eureka Spring und wurden übertönt vom heidnischen Geheul der Apachen. Kopflos gewordene Menschen hetzten plan- und ziellos die Main Street hinauf und hinunter und rannten blindlings in den Tod. Überall waren weinende Kinder, kreischende Frauen und wimmernde Männer, die aus schrecklichen Wunden bluteten.
Und das Grauen nahm kein Ende …
McQuade spürte den Luftzug einer Kugel an der Wange, tauchte unter dem Vorbaugeländer hindurch, sprang auf die Fahrbahn und kroch unter den Vorbau. Gray Wolf, der bis jetzt bei seinem Herrn ausgeharrt hatte, verschwand.
Vor dem Gesicht des Texaners bohrte sich ein Pfeil in den Boden. Schritte trampelten über ihn hinweg, Staub rieselte zwischen den Bohlen hindurch auf ihn hinunter. Ein dumpfer Fall, ein erstickter Aufschrei … McQuade schoss das Magazin der Henrygun leer, dann nahm er den Colt. Er musste nachladen, feuerte verbissen weiter, und seine Kugeln verfehlten ihr Ziel nur selten.
Pulverdampf wogte vor seinem Gesicht und reizte seine Schleimhäute, brannte in seinen Augen und ließ sie tränen. Überall lagen tote Apachen. Verwundete schleppten sich zwischen die Häuser. Der Kampflärm war angeschwollen zum höllischen Inferno und drang weit über die Grenzen der Stadt hinaus.
Plötzlich aber war der Spuk zu Ende. Die Chiricahuas verschwanden genauso schnell, wie sie gekommen waren. Ein paar Schüsse fielen noch, und dann waren nur noch das Fauchen der Feuersbrünste, das Klirren von Fensterscheiben, die in der Hitze zerplatzten sowie das berstende Krachen und Splittern, wenn ein verbranntes Dach zusammenstürzte, zu vernehmen. Funken sprühten zum Himmel, Asche wurde hochgewirbelt und fortgetragen.
McQuade kroch unter dem Vorbau hervor. Sein Gesicht war verschmiert von Staub, Schweiß und Pulverschmauch. Weiß stachen die Augen daraus hervor.
Gray Wolf kam schräg über die Straße auf ihn zu, bei seinem Herrn angelangt rieb er seinen Kopf an dessen Bein und fiepte leise.
Zwischen den ziehenden Rauchschwaden bewegten sich Menschen. Die Verzweiflung hatte um sich gegriffen. Kinder saßen weinend neben ihren toten Müttern, und Frauen warfen sich schluchzend über ihre getöteten Männer.
Der Druck um McQuades Brust verstärkte sich.
Beim Brunnen brüllte ein Mann überschnappend: „Das haben wir McQuade zu verdanken. Er hat zwei von ihnen getötet und sie sind auf seiner Fährte in unsere Stadt gekommen. Heilige Jungfrau! Wir lassen es den verdammten Menschenjäger büßen. Kommt, Leute, holen wir ihn uns! Schnappen wir uns McQuade und hängen wir ihn auf!“
„Wo ist der dreckige Bastard!“, brüllte einer. „Lasst ihn nicht entkommen!“
Ein anderer schrie überschnappend: „Zum Satan mit euch! Wenn wir nicht löschen, brennt die ganze Stadt nieder. Holt Eimer und bildet eine Eimerkette.“
Plötzlich brüllte keiner mehr nach McQuades Kopf. Der Kopfgeldjäger sagte sich jedoch, dass es nicht gut war, wenn er in der Stadt blieb. „Go on, Partner“, forderte er Gray Wolf auf, ihm zu folgen. Er holte aus dem Saloon seine Satteltaschen. Im Schankraum befand sich kein Mensch mehr. Der Texaner verließ den Saloon durch die Hintertür, lief hinter den Häusern entlang zum Mietstall, und zehn Minuten später trug ihn der Falbe aus Eureka Spring hinaus.
Er ahnte jetzt, was die Rauchzeichen zu bedeuten hatten, die er tagsüber immer wieder beobachten konnte. Ob die Chiricahuas die Ansiedlung seinetwegen überfallen hatten, war fraglich. Denn seit Mangas Colorados Tod waren solche Überfälle keine Seltenheit. Die Apachen hatten unter Cochise und Victorio das Land zwischen dem Chiricahua-Land im Arizona-Territorium bis nach El Paso in Texas zum Schauplatz eines blutigen Krieges gemacht.
Es war aber auch nicht auszuschließen, dass der Überfall ein Vergeltungsschlag für den Tod der beiden Krieger war, die McQuade bei der Tinaja niederkämpfte.
Die Jahre nach dem Bürgerkrieg waren hart und grausam. Weder von Seiten der Weißen noch von Seiten der Apachen gab es Entgegenkommen, gegenseitiges Verständnis oder Nachsicht, es gab keine Gnade und kein Erbarmen – im Land herrschte nur der grenzenlose, tödliche Hass. Er brannte in den Herzen und vergiftete die Gemüter.
Als McQuade von einer Anhöhe aus zurückschaute, sah er aus einigen der Häuser, Scheunen und Schuppen hoch die Flammen schlagen. Der Himmel über der Stadt war hell vom Feuerschein. Menschen waren gestorben – rote und weiße. Der Tod war wieder einmal unersättlich gewesen in seiner Gier.
*
McQuade musste zwei Tage warten. Er verbrachte die Zeit in der Wildnis, von seinem Lager aus konnte er Eureka Spring in der Ferne sehen. Einige Gebäude dort waren völlig niedergebrannt und nur noch Haufen kreuz und quer liegender verkohlter Bretter und Balken. Die getöteten Apachen hatten die Bewohner weit außerhalb der Stadt in einem Massengrab beerdigt. Die Stadtbewohner, die dem brutalen Überfall zum Opfer gefallen waren, wurden feierlich auf dem Boot Hill am Rand der Stadt zu Grabe getragen. Sieben frisch aufgeworfene Grabhügel zeugten von der Tragödie, die Eureka Spring heimgesucht hatte.
Bewaffnete Männer patrouillierten durch die Stadt. Man befürchtete einen weiteren Überfall.
McQuade war alles andere als glücklich darüber, wie sich sein Mission hier entwickelt hatte.
Gegen Abend, die Sonne war schon untergegangen und das Grau der Abenddämmerung senkte sich ins Land, zogen zwei Reiter aus den Bergen im Westen. Noch konnte McQuade keine Einzelheiten erkennen, doch er war sich sicher, dass es sich um Mike Butler und Floyd Baxter handelte. In dem Banditen hatte der vom Hass auf McQuade zerfressene Mike Butler sicher einen willigen Helfershelfer gefunden.
Im Trab näherte sich das Duo der Stadt. In einer Entfernung von etwa hundert Yards ritten sie an dem Kopfgeldjäger vorüber. Und der registrierte voll Genugtuung, dass es sich um die beiden Männer handelte, auf die er voll Ungeduld gewartet hatte.
Sie ritten zwischen die Häuser. McQuade beobachtete, dass sie beim Saloon absaßen, die Pferde am Holm anbanden und hinein gingen. Aber schon eine Minute später liefen sie wieder ins Freie. Der Blick eines jeden schweifte in die Runde. Selbst auf diese Entfernung entging dem Kopfgeldjäger ihre Unrast nicht. Sie sprangen vom Vorbau, leinten die Pferde los und warfen sich in die Sättel. Ehe sie anritten zogen sie die Gewehre aus den Scabbards. Einige Stadtbewohner zeigten sich und liefen zum Saloon. Einer der Männer gestikulierte heftig mit den Armen, Mike Butler und Floyd Baxter zerrten schließlich die Pferde halb herum und sprengten in nördliche Richtung aus der Stadt.
McQuade war klar, dass die beiden Banditen gewarnt waren.
Sie wussten, dass er vor ihnen angekommen war, um sie zur Rechenschaft zu ziehen.
Unumstößliche Entschlossenheit prägte jeden Zug im Gesicht des Kopfgeldjägers, als er zu seinem Pferd lief. Gleich darauf stob er in wilder Karriere in nordöstliche Richtung davon. Er wollte die Ranch Butlers vor den beiden Banditen erreichen und das höllische Duo abfangen. Gray Wolf hatte kein Problem, dem Falben zu folgen. Er flog regelrecht dahin, seine Pfoten schienen kaum den Boden zu berühren.
McQuade suchte die Entscheidung.
Minutenlang peitschte er den Falben rücksichtslos über Stock und Stein. Die Dämmerung war fortgeschritten. Von einer Anhöhe aus konnte McQuade die Ranch schließlich sehen. Ein Licht brannte dort. Er wartete im Ufergebüsch des Aravaipa Creeks. Und schon bald sickerte das Pochen von Hufen an sein Gehör. Es näherte sich von Süden.
Mike Butler und Floyd Baxter ritten in die Falle des Texaners.
Als sie auf fünf Pferdelängen heran waren, trat er aus dem Gebüsch, das schussbereite Gewehr an der Seite angeschlagen, das Gesicht wie aus Granit gemeißelt.
Erschreckt fielen sie ihren Pferden in die Zügel. Floyd Baxter griff mit einer Verwünschung auf den Lippen nach dem Revolver. McQuade wartete nicht, bis er gezogen hatte, sondern schoss ihn vom Pferd. Sofort repetierte er und richtete die Henrygun auf Milt Butler, der ebenfalls nach dem Sechsschüsser greifen wollte, bei dem aber der Verstand den Reflex gerade noch einholte.
„Die Hände in die Höhe, Butler!“, gebot McQuade mit einer Stimme, die an zerberstendes Eis erinnerte.
Zwei – drei Sekunden verstrichen, in denen der Pferderancher, den der Hass zum Banditen degradiert hatte, den Kopfgeldjäger nur anstarrte. In seinem verkrampften Gesicht arbeitete es. Plötzlich aber schien er sich zu entspannen, langsam wanderten seine Hände nach oben. „Du hast ziemlich für Furore gesorgt in Eureka Spring, McQuade“, stieß Butler zwischen den Zähnen hervor. „Es wäre ratsam für dich, sich dort nicht mehr blicken zu lassen.“
„Das waren die Apachen“, versetzte McQuade kühl. „Aber natürlich sucht man in der Stadt einen Sündenbock.“ Er zuckte mit den Schultern. „Steig ab, Butler, aber so, dass ich dich sehen kann. Bei der geringsten falschen Bewegung knallt es.“
„Du willst mich nach Tucson zurückbringen, nicht wahr?“
Obwohl die beginnende Dunkelheit zwischen ihnen stand, glaubte McQuade einen heimtückisch-lauernden Ausdruck in Butlers Augen erkennen zu können. Der Kopfgeldjäger sagte sich, dass der Bandit Zeit gewinnen wollte, denn er rechnete sicherlich damit, dass der Schuss auf der Ranch zu hören gewesen war und dass die Männer, die sich dort aufhielten, kamen, um nachzusehen.
Damit rechnete aber auch der Kopfgeldjäger. Darum rief er klirrend: „Runter vom Gaul! Bei drei schieße ich, Butler. Eins …“
Mike Butler schien zu erkennen, dass McQuade nicht bluffte. Sein Gesicht verzerrte sich. Er schwang sich vom Pferd, und griff im Absitzen nach dem Sechsschüsser.
Als McQuades Gewehr peitschte, brachte er den Colt gerade in die Waagerechte. Zum Schuss kam er nicht. Er taumelte gegen sein Pferd und brach zusammen. Vom Boden aus versuchte er noch einmal, die Waffe auf McQuade anzuschlagen. Aber seine Hand zitterte. Der Schuss löste sich zwar, die Kugel fuhr aber zwei Schritte vor Mike Butler in den Boden. Dann fiel die Faust mit der Waffe kraftlos auf den Boden.
McQuade lief zu Butler hin. Er war tot. Auch in Floyd Baxter war kein Leben mehr. Gray Wolf schnüffelte an dem toten Banditen. Der Kopfgeldjäger richtete sich auf. Eine Bodenerhebung verhinderte den Blick zur Ranch. McQuade wollte es auf keinen weiteren Kampf ankommen lassen. Darum saß er auf und ritt schnell in westliche Richtung davon. Die Felswüste nahm ihn und Gray Wolf auf. Noch war die Nacht nicht endgültig hereingebrochen. McQuade ritt, bis die Finsternis derart dicht war, dass jeder Schritt des Pferdes nur noch mit dem Risiko verbunden war, dass sich das Tier ein Bein brach oder in einen Felsspalt stürzte.
McQuade lagerte.
Gray Wolf würde seinen Schlaf bewachen.