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Ein humorvoller Jugendroman über Selbstbestimmheit und soziale Ungleichheit
Mikkel kommt aus bescheidenen Verhältnissen. Zusammen mit seinem Vater wohnt er in einem Haus an einem Verkehrsknotenpunkt der Stadt. Diese Zustände nerven ihn mal mehr, mal weniger, dennoch träumt Mikkel insgeheim von einem anderen Leben. Als ihm zufällig die Tür zur Welt der Reichen aufgestoßen wird, ergreift er seine Chance. Unter dem Namen Henrik entdeckt er sein ungeahntes Talent für den Golfsport und findet zudem unerwartete Möglichkeiten, sein neues Hobby zu finanzieren. Doch der Loyalitätskonflikt mit seinem Vater stellt ihn auf eine harte Probe. Als sein Doppelleben schließlich auffliegt, ist es an der Zeit, Farbe zu bekennen.
Ein Plädoyer für mehr Chancengleichheit und gegen Schubladendenken
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Mikkel hat einen Traum: Einmal jemand sein, dem die Welt zu Füßen liegt! Als ihm dann wirklich durch einen Zufall die Tür zu einem Leben inmitten der Reichen aufgestoßen wird, ergreift er seine Chance. Aus Mikkel, dem Jungen aus dem sozialen Brennpunkt, wird Henrik, das neue Talent auf dem Golfplatz und begehrtes Insta-Model! Doch so sehr er sich in seiner neuen Rolle gefällt – was, wenn sein Doppelleben auffliegt?
© Larke Posselt
Mette Vedsø, Jahrgang 1968, absolvierte eine Ausbildung zur Chemikerin und arbeitete viele Jahre in der Pharmaindustrie, bevor sie 2008 eine Schreibschule für Kinderliteratur besuchte. 2011 debütierte sie als Autorin und seitdem hat sie zahlreiche Bücher für Kinder und Jugendliche geschrieben. Sie wurde in in ihrem Heimatland mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Autorenpreis des dänischen Kulturministeriums.
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Mette Vedsø
AUS DEM DÄNISCHEN VON MAIKE DÖRRIES
THIENEMANN
Ernsthaft losgegangen ist es eigentlich am Tag gleich nach den Sommerferien. Unser Lehrer Ove kam in die Klasse und schrieb in Großbuchstaben DÄNEMARK an die Tafel. Das las sich erst mal ganz harmlos und unschuldig, und es dauerte eine ganze Weile, bis ich kapierte, was das Ganze eigentlich sollte. Ove ließ den Blick durch die Klasse schweifen und rieb sich die Hände, das war so ein Tick von ihm, manchmal ließ er sogar die Finger knacken, was echt ekelig war.
„Also, Klasse 7b“, sagte er. „Dann fangen wir doch mal an.“
Er zeigte auf die Tafel und meinte, dass Dänemark zwar ein kleines Land sei, aber ein kleines Land mit großen Unterschieden! Und ob uns vielleicht schon mal der Begriff soziale Klassen untergekommen ist?
Ehe einer von uns antworten konnte, hatte er sich schon wieder umgedreht und schrieb die Zahlen von 1 bis 5 an die Tafel. An oberster Stelle die 1, darunter die Zahlen 2 bis 4, und am unteren Tafelrand eine wie betrunken hintenüberkippende 5.
„Es gibt reiche Menschen, und es gibt arme Menschen, aber die meisten liegen genau dazwischen“, sagte Ove.
Hinter die Eins schrieb er Reich, Mitte hinter die Zwei, Drei und Vier und Arm hinter die Fünf. Ich spürte ein merkwürdiges Ziehen im Bauch. Keinen Schmerz. Eher wie beim Anspannen aller Muskeln bei Situps.
Ove trommelte mit dem Zeigefinger auf das Wort Mitte, musterte uns aus kleinen Pupillen und meinte, dass sich die meisten von uns genau dort tummelten. „Aaaber“, warf er in den Raum, „die Mitte reicht vom unteren bis zum oberen Ende der Skala.“ So war Dänemark. Es gab viel weniger Superreiche als zum Beispiel in den USA, und glücklicherweise auch relativ wenige richtig Arme.
Er sah uns zufrieden an wie nach einer besonders tiefsinnigen und klugen Erkenntnis.
„Mittelklasse“, sagte er verträumt, als wäre es der Beginn eines Märchens mit Happy End oder einfach ein Wort, das man auf jeden Fall in seinem Wortschatz haben sollte wie Kaffee, Weihnachten oder Pizza mit einer extra Portion Käse.
Während ich nervös auf meinem Stuhl hin und her rutschte, saß Kern, mein bester Freund, gechillt und happy da. Na ja, er hatte auch allen Grund, gechillt zu sein, weil er zum eher oberen Ende der Mitte gehörte. Vielleicht kein glatter Zweier, aber klar über der Drei. Seine Familie hatte gerade eine neue Küche mit Quooker bekommen, er sprach kaum noch von was anderem. Du hast keinen blassen Schimmer, was das sein soll? Ging mir auch so, als Kern mir davon erzählt hat. Aber dann war ich bei ihm zu Hause und kam in die neue Küche und hey, das war Luxus pur. Ein Quooker ist ein extra Wasserhahn neben dem eigentlichen Wasserhahn, aus dem immer, IMMER, kochendes Wasser kommt. Kern konnte jetzt, wann immer ihm danach war, Kaffee, Kakao und Cup-Noodles machen!
Die Klassen 2, 3 und 4 der Sozialleiter waren schnell abgehandelt, jetzt fehlten nur noch die Spitze und die unterste Sprosse. Ove streckte den Arm aus und ließ den Finger um die Zahl eins kreisen, bis die Kreide ganz verschmiert war. Dabei lächelte er Ludvig, unseren Klassenmillionär, einschleimend an. Ludvig lebte im Villenviertel Birkesø und seine Familie besaß fünf oder sechs Autos. Dazu ein Motorboot, das so groß war, dass ich mich ehrlich fragte, wie so was überhaupt schwimmen konnte. Und Ludvig ging mit seinem Vater auf die Jagd! In seinem Zimmer hing ein ausgestopfter Hirschkopf und starrte ihn vom Fußende seines Bettes an.
„Wir sind alle verschieden, nicht wahr?“, sagte Ove und vermied es zu meiner großen Überraschung, den Blick direkt auf mich zu richten und von der untersten Klasse zu sprechen. Das fühlte sich ein bisschen so an, als wäre ich Luft. Und obwohl ich eigentlich keinen gesteigerten Wert darauf legte, im Rampenlicht zu stehen, fand ich es anderseits auch ziemlich fies von Ove.
„So ist Dänemark“, wiederholte er und hustete in seine Ellenbeuge, und in dem Moment tat mein Mund etwas sehr Unerwartetes, was er normalerweise nicht tut.
Ich sagte laut und für alle hörbar: „Reiche Säcke.“
Ups.
Es schallte durch den Raum, total cringe, und das bei 25 Zuhörern. Gott, war das peinlich. Keine Ahnung, warum das aus mir rauspoppte (obwohl: eigentlich weiß ich es schon, aber dazu später mehr). Jedenfalls hatten es alle mitbekommen, und das würde jetzt sicher die Runde machen, weil man im Unterricht nicht einfach Reiche Säcke raushaut, ein absolutes No-Go.
Ove sah aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Er vollführte einen seiner kleinen Tics, und Kern bekam eine knallrote Birne, als hätte er einen Schluck Wasser direkt aus dem Quooker-Hahn getrunken.
„Ähm, Entschuldigung“, sagte ich. „War nicht so gemeint.“
„Das will ich hoffen“, sagte Ove.
„Das war ein Traum“, antwortete ich.
„Das kann jeder behaupten“, sagte Ove.
„Ich hab heute Nacht von einem durchgeknallten Millionär geträumt, der … Steuern hinterzogen hat.“
„Wie du meinst“, sagte Ove und packte seine Sachen zusammen. Er hatte noch immer nichts zur unteren Klasse gesagt. All jene mit 44 Buslinien im Vorgarten, mit Schimmel unter der Tapete und jeder Menge Schnellkrediten. Die vergaß er einfach.
Nach dem Klingeln bat er mich, kurz zu bleiben.
„Du hast echt was auf dem Kasten, Mikkel, das weißt du, oder?“
Ich nickte.
„Verlier dein Ziel nicht aus den Augen, Junge.“
„Klar“, sagte ich ohne einen Schimmer, was er damit meinte.
„Gut, gut“, sagte er und stapfte mit langen, zufriedenen Lehrerschritten durch den Flur davon.
Also, um noch mal auf die reichen Säcke zurückzukommen. Das war echt uncool, aber das muss ich auf meinen Vater schieben. Der Ausdruck stammt von ihm, weil er Probleme mit Leuten hat, die vor lauter Geld nicht wissen, wohin. Reiche Säcke ist so was wie sein Lebensmotto und Feindbild. Wir sind die, die wir für ihren Unterhalt schuften, sagt er gerne, wobei er sich in Herzhöhe mit der flachen Hand auf die Brust schlägt.
Reiche Säcke wird bei ihm durch alles Mögliche getriggert – große Häuser, Business-Class-Flüge, Dubai und die Schweiz, oder ein Interview mit irgendeinem Finanzexperten im Fernsehen. Aber es kann ihn auch auf offener Straße überkommen, wie an dem Tag, als wir zusammen im großen Einkaufszentrum waren. Er haut das nicht irgendwie sauer oder aggressiv raus, das ist schwer zu erklären, am anschaulichsten wäre es, wenn man es in einem Videoclip zeigen würde. Man muss ihn sich mit seiner lebhaften Gestik und Mimik vorstellen, ein bisschen wie Stand-up-Comedy, wenn er Reiiiche Säckkke mit dem Blick zu einem halb auf dem Gehweg geparkten Sportwagen sagt, die Brauen hochzieht und den Mund kräuselt, mir seinen Ellenbogen in die Rippen stupst und mich auf seine spezielle Art angrinst. Und dann kommt das Lachen, kein verhuschtes, oh nein, verhuscht ist Papa nun wirklich nicht, ein lautes und ausdauerndes, tief aus dem Bauch kommendes Lachen.
„Schhhh“, zischte ich ihm im Einkaufszentrum zu, weil Leute um uns rumstanden, aber er sagte immer wieder Reiche Säcke, Reiche Säcke, Reiche Säcke. Oh man, das war echt peinlich, und ich sah, wie eine Frau ihren Mann antippte und Fettsack flüsterte. XXL kam auch häufiger vor, aber das bisher Fieseste kam von einer Gruppe Jugendlicher in meinem Alter, die ihn als Moby Dick beschimpften. Das ist Fatshaming der übelsten Sorte.
Mein Blick war steif auf Papa gerichtet, wie er darauf reagieren würde, ich versuchte, seine Gedanken zu lesen, während ich größte Lust hatte, den Idioten die Fresse zu polieren. Papa schien es gelassen zu nehmen, er hat hinterher sogar seinen Freunden davon erzählt, und von da ab nannten ihn Costa del Sol-Lone, Dennis und Flip zwischendurch Moby Dick.
„Lasst das, er heißt Jon“, protestierte Nelly näselnd und mit schärferer Stimme als üblich.
Also, Reiche Säcke und Papa gehörten unauflöslich zusammen, was auch der Grund war, dass ich ihm nicht von meinen geheimen Träumen erzählte – in denen jedenfalls keine Bruchbuden am Vestvejen im verkehrsdichtesten Teil der Stadt vorkamen oder Fenster, die so verschmiert von Abgasen waren, dass sie wie graue Badezimmermilchglasscheiben aussahen. Ich träumte von einem Vater, der nicht immer sagte: „Ist doch wunderbar, Mikkel, so sparen wir uns die Vorhänge.“
Obwohl Papa zugegebenermaßen das Beste aus dem wenigen rausholte, so wie mit unserer Zelttour an den See, weil wir uns den sonst üblichen Urlaub in Dennis’ feststehendem Wohnwagen nicht leisten konnten. Immerhin, wir haben einen Igel gesehen. Und ein Nest mit Tauben. Und Nelly hat uns Aufback-Brötchen von Fakta vorbeigebracht. Und wir hatten einen irren Sternenhimmel. Kein Witz. Papa hat mir den Oriongürtel und die Plejaden gezeigt, wow, die waren total klar zu erkennen, und wir haben uns übers Wetter unterhalten, die Schule, unsere Freunde und ein bisschen über uns – also mich und ihn.
„Hat dich das mit dem Moby Dick nicht verletzt?“
„Warum, Moby Dick war früher mein Lieblingsbuch, Mikkel.“
„Und XXL?“
„Na ja, da gibt es ja schon noch größere Dinge, oder?“
„Wie größer?“, fragte ich.
„Du weißt schon.“
„Aber fehlt dir nicht eine …“
„Ich hab doch dich.“
„Du weißt genau, was ich meine, Papa!“
„Na ja … aber ich … Man soll nie nie sagen.“
„Warum guckst du dich nicht mal auf Tinder um“, schlug ich vor.
„Da gehe ich lieber barfuß über Glasscherben.“
„Probier Tinder doch wenigstens mal aus.“
„Hm“, seufzte Papa, und wir lagen eine Weile schweigend nebeneinander.
„Happy happy?“, fragte er irgendwann.
„Ja, ja“, antwortete ich, ohne richtig sagen zu können, ob das stimmte. Denn woher weiß man eigentlich, ob man happy ist?
Ungefähr zu dieser Zeit legte ich mir eine neue Einschlafroutine zu. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, mein Leben wäre plötzlich auf den Kopf gestellt – jetzt war ich ganz oben und Ludvig auf der untersten Leitersprosse. Das funktionierte ziemlich gut zum Abschalten. In den Filmen auf meiner inneren Leinwand war ich Mikkel aus der Oberschicht und hörte die anderen raunen: Wow, da ist Mikkel, wenn ich aus meinem Sportwagen stieg und mit den Schlüsseln klimperte, während ich mir das Haar aus dem solariumgebräunten Gesicht strich.
Im richtigen Leben von Papa und mir gab es keine Autoschlüssel. Wir fuhren Bus. Immer. Papa hat zwar einen Führerschein, aber nie ein Auto gehabt. Was zum einen der Finanzlage geschuldet war, aber hauptsächlich der Tatsache, dass Papa nach Mamas tödlichem Rechtsabbiegerunfall, als ich noch ein kleines Baby war, komplett die Lust am Fahren verloren hatte. Seitdem sind wir zu zweit, und das ist okay. Ich weiß, okay klingt seltsam, weil es natürlich gar nicht okay ist, wenn jemand stirbt. Schon gar nicht die eigene Mutter. Aber ich kenne halt nichts anderes als Papa und mich, und denke darum, ehrlich gesagt, nicht sonderlich darüber nach. Meine Mutter Mia war ganz bestimmt ein fantastischer Mensch, und an ihrem Geburtstag bringen wir ihr immer Rosen und Salzlakritze ans Grab. Und im Dezember schmücken wir es mit Lichterketten, die Papa aus dem Container 11 auf dem Wertstoffhof gefischt hat, wo er arbeitet. Und dann erzählt Papa die immer gleichen Geschichten von ihm und Mia und dem Handballverein, in dem alles begann.
„Lakritz?“, fragte er, bückte sich und schnappte sich ein paar Salzheringe aus der Tüte, die auf dem Grabstein stand. Er rückte die Lichterkette zurecht.
„Und, irgendwelche neuen Containerfunde gemacht?“, fragte ich.
Mit einem bestätigenden Nicken berichtete Papa von einem noch ganz ordentlichen Lautsprecher und einer Eismaschine – die Leute schmissen lauter gut erhaltene Sachen weg.
„Nice“, sagte ich.
„Hab ich schon erzählt, dass Dennis ein Meerschweinchen gefunden hat?“, sagte Papa.
Hatte er, mehrmals, aber er erzählte es trotzdem noch mal. Das kam bestimmt von irgendwelchen steinreichen Säcken, die Weihnachten auf Bali verbrachten und keinen Haustiersitter gefunden hatten.
„Bestimmt“, sagte ich.
„Bali“, zischte Papa und ich wickelte mich fester in die Winterjacke ein.
Zu Hause gab ich Bali in die Suchmaschine ein. Shit, das sah nach echtem Luxus aus. Ich druckte ein paar Strandbilder aus und steckte sie in die Tasche. Das entwickelte sich zu einer weiteren neuen Gewohnheit: Sobald ich in unsere Straße einbog, zog ich die Strandbilder heraus und starrte auf die Fotos. Auf die Weise entging mir das Chaos im Vorgarten, Papas Gartenzwergarmee und die halb zerlegten Traktormotoren, die alte Kloschüssel und der selbst gebaute Grill. Ich beamte mich in Gedanken nach Bali mit den weißen Sandstränden und Palmen, bis ich auf dem Bett in meinem Zimmer saß. Eine echt super Ablenktechnik. Manchmal hilft nur, sich gewaltsam aus der Wirklichkeit rauszuzoomen.
Natürlich sprach Ove mich noch mal auf die reichen Säcke an. Er kam ein paar Minuten vorm Unterricht und nahm mich beiseite.
„Mikkel, Mikkel“, sagte er und wies mich darauf hin, dass es nicht okay war, in der Klasse reiche Säcke zu sagen, schließlich hätte Ludvig auch Gefühle. Aber natürlich verstünde er, dass es nicht leicht sei für meinen Vater und mich, nein, das war es ganz sicher nicht.
Ich sagte nichts. Vermutlich schob er es darauf, dass ich frustriert war, aber das war ich nicht. Ich hatte vor allen Dingen keine Lust auf das Mitleid der anderen.
„Aber es gibt immer auch Aufsteiger-Typen, darüber will ich heute in der Stunde mit euch reden“, sagte Ove. „Weißt du, was ein Aufsteiger ist? Bist du vielleicht schon mal einem begegnet?“
Bevor ich in mich gehen konnte, fuhr Ove schon fort.
„Ein Aufsteiger ist einer, der nach oben klettert“, sagte er. „Einer, der daran arbeitet, den Teufelskreis zu durchbrechen. Von der vierten in die zweite Klasse oder aus der Unterschicht in die Mittelschicht. Kennst du so jemanden?“
Ich schüttelte den Kopf, während ich an den Sportwagen und die solariumbraune Haut dachte. In diesem Augenblick schien es plötzlich möglich. Das war der Augenblick, in dem sich in meinem Kopf eine Wende vollzog.
„Nehmen wir als Beispiel einen Mann namens Lars Larsen“, sagte Ove. „Der lebt zwar inzwischen nicht mehr, aber sein riesiges Unternehmen lebt weiter. Weißt du, wer das war?“
Ich schüttelte den Kopf. Aber der Name war echt cool, den merkte man sich beim ersten Hören.
Ove erzählte von Lars Larsens harter Kindheit, weil seine Mutter nicht in der Lage gewesen war, sich um den kleinen Hof zu kümmern. Und Lars’ Vater war gestorben, als er noch ganz klein war.
„Die Mutter war, unverblümt gesagt, komplett neben der Spur“, sagte Ove und tippte sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe. „Eines Abends ging sie wortlos aus dem Haus, und Lasse und seine Brüder, die sich bei Nacht und Nebel auf die Suche nach ihr machten, fanden sie schließlich auf den Bahngleisen. Danach kam sie in die Irrenanstalt – so hieß das damals! Das war alles ganz furchtbar, und Lars wurde in der Schule gemobbt und Bettel-Lars genannt. Das war keine schöne Kindheit“, sagte Ove.
Langsam ging Ove mir echt auf die Nerven. Warum erzählte er mir das? Was wollte er mir damit sagen?