William Shakespeare, Die großen Tragödien - William Shakespeare - E-Book

William Shakespeare, Die großen Tragödien E-Book

William Shakespeare

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Beschreibung

Wenn bei William Shakespeare die Stunde der Tragödie schlägt, geht es um Sein oder Nichtsein: Dann stürzt die Rachsucht eines dänischen Prinzen den gesamten Hof ins Unglück, dann wird die einzig rechtschaffene Tochter verdammt, aus Liebe Selbstmord begangen, nach Kräften intrigiert und aus Eifersucht getötet. Im Handeln und Scheitern überlebensgroß gezeichneter Helden und Schurken verhandelte Shakespeare überzeitlich bedeutende Fragen zu Mensch und Welt. Dieser Band umfasst insgesamt acht Dramen, darunter »Hamlet«, »Romeo und Julia«, »Othello«, »Macbeth« und »König Lear«.

  • Der größte, bekannteste, beste Autor der Welt!
  • Shakespeare ist immer und überall: im Kino, auf der Bühne, in der Literatur - höchste Zeit, mal (wieder) reinzulesen!
  • Best of Shakespeare im edlen Sammelband
  • More drama! Von Macbeth, Hamlet bis zu Romeo und Julia
  • Gehört in jede Hausbibliothek: Die großen Theatertexte des Bard of Avon

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William Shakespeare

Die großen Tragödien

Übersetzt von Wolf Graf Baudissin,August Wilhelm Schlegel und Dorothea Tieck

Anaconda

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2024 by Anaconda Verlag, einem Unternehmender Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagmotiv: Vintage label / Roverto / adobe stock;William Nicholson & James Pryde: Plakat Hamlet / The StapletonCollection / © Desmond Banks / Bridgeman Images

Umschlaggestaltung: www.katjaholst.de

Satz und Layout: InterMedia – Lemke e. K., Heiligenhaus

ISBN 978-3-641-32447-6V001

www.anacondaverlag.de

Inhalt

Romeo und Julia

Julius Cäsar

Hamlet

Othello

King Lear

Timon von Athen

Macbeth

Maß für Maß

Quellenverzeichnis

Romeo und Julia

Personen

escalus, Prinz von Verona

graf paris, Verwandter des Prinzen

montague

capulet

Häupter zweier Häuser, welche in Zwist miteinander sind

romeo, Montagues Sohn

mercutio, Verwandter des Prinzen und Romeos Freund

benvolio, Montagues Neffe und Romeos Freund

tybalt, Neffe der Gräfin Capulet

Ein alter mann, Capulets Oheim

bruder lorenzo, ein Franziskaner

bruder markus, von demselben Orden

balthasar, Romeos Diener

simson

gregorio

Bediente Capulets

abraham, Bedienter Montagues

peter

Drei musikanten

Ein page des Paris

Ein offizier

Ein apotheker

gräfin montague

gräfin capulet

julia, Capulets Tochter

julias amme

bürgervon Verona. verschiedene männer undfrauen, verwandte beider Häuser.masken,wachen und andres gefolge

der chor

Die Szene ist den größten Teil des Stücks hindurchin Verona; zu Anfang des fünften Aufzugs in Mantua.

Prolog

Der chor tritt auf.

chor: Zwei Häuser, beid in Ansehn gleich, im schönen

Verona, unserm Schauplatz, feindlich wecken

Verjährten Hass in stolzgemuten Söhnen,

Die ihre Hand mit Bürgerblut beflecken.

Aus den zwei Feindeshäusern sehn wir sprießen

Ein liebend Paar, das glühend sich erstrebt,

Um sternlos jung sein Leben zu beschließen,

Das seiner Väter Hass mit sich begräbt.

Des jungen Paares Liebesglück und Not,

Der Eltern grimmen Hass und schwere Sühne,

Die nichts versöhnte als der Kinder Tod,

Entrollt nun in zwei Stunden unsre Bühne.

Wollt ihr ein hold geduldig Ohr uns leihn,

Soll, was noch mangelhaft, bald besser sein. Ab.

Erster Aufzug

Erste Szene

Ein öffentlicher Platz.

simson und gregorio,zwei bediente capulets, treten auf.

simson: Auf mein Wort, Gregorio, wir wollen nichts in die Tasche stecken.

gregorio: Freilich nicht, sonst wären wir Taschenspieler.

simson: Ich meine, ich werde den Koller kriegen und vom Leder ziehn.

gregorio: Ne, Freund! deinen ledernen Koller musst du beileibe nicht ausziehen.

simson: Ich schlage geschwind zu, wenn ich aufgebracht bin.

gregorio: Aber du wirst nicht geschwind aufgebracht.

simson: Ein Hund aus Montagues Hause bringt mich schon auf.

gregorio: Einen aufbringen heißt: Ihn von der Stelle schaffen. Um tapfer zu sein, muss man standhalten. Wenn du dich also aufbringen lässt, so läufst du davon.

simson: Ein Hund aus dem Hause bringt mich zum Standhalten. Ich werde jeden Mann und jede Jungfer der Montagues ins Loch jagen.

gregorio: Dann bist du ein schwacher Wicht, denn nur der Schwächste kriecht ins Loch.

simson: Das ist wahr, und deshalb werden Weiber, welche die schwächren Gefäße sind, immer ins Loch gestoßen: Deshalb will ich Montagues Männer aus dem Loch jagen und seine Jungfern ins Loch stoßen.

gregorio: Der Streit ist nur zwischen unseren Herrschaften und uns, ihren Bedienten.

simson: Einerlei! Ich will barbarisch zu Werke gehn. Hab ich’s mit den Männern erst ausgefochten, so will ich mit den Jungfern grausam umgehen. Ich werde ihnen die Haut ritzen.

gregorio: Die Haut der Jungfern?

simson: Ja, die Haut der Jungfern oder ihre Jungfernhaut; das kannst du verstehen, wie du willst.

gregorio: Die müssen es verstehen, die es fühlen.

simson: Mich sollen sie fühlen, solange ich die Kraft habe zu stehen, und man weiß, dass ich ein hübsches Stück Fleisch bin.

gregorio: Esist gut, dass du kein Fisch bist, sonst wärst du ein Stockfisch geworden. Zieh nur gleich vom Leder: Da kommen zwei aus dem Hause Montagues.

abraham und balthasar treten auf.

simson: Hier! mein Gewehr ist blank. Fang nur Händel an, ich will den Rücken decken.

gregorio: Den Rücken? willst du Reißaus nehmen?

simson: Fürchte nichts von mir.

gregorio: Ne, wahrhaftig! ich dich fürchten?

simson: Lass uns das Recht auf unsrer Seite behalten, lass sie anfangen.

gregorio: Ich will ihnen im Vorbeigehn ein Gesicht ziehen, sie mögen’s nehmen, wie sie wollen.

simson: Wie sie dürfen, lieber. Ich will ihnen einen Esel bohren; wenn sie es einstecken, so haben sie den Schimpf.

abraham: Bohrt Ihr uns einen Esel, mein Herr?

simson: Ich bohre einen Esel, mein Herr.

abraham: Bohrt Ihr uns einen Esel, mein Herr?

simsonbeiseite zu Gregorio: Ist das Recht auf unsrer Seite, wenn ich ja sage?

gregorio: Nein.

simson: Nein, mein Herr! Ich bohre Euch keinen Esel, mein Herr. Aber ich bohre einen Esel, mein Herr.

gregorio: Sucht Ihr Händel, mein Herr?

simson: Wenn Ihr sonst Händel sucht, mein Herr: Ich stehe zu Diensten. Ich bediene einen ebenso guten Herrn wie Ihr.

abraham: Keinen bessern.

simson: Sehr wohl, mein Herr!

benvolio tritt auf.

gregorio: Sag: einen bessern; hier kommt ein Vetter meiner Herrschaft.

simson: Ja doch, einen bessern, mein Herr.

abraham: Ihr lügt.

simson: Zieht, wo ihr Kerls seid! Frisch, Gregorio! denk mir an deinen Schwadronierhieb.

Sie fechten.

benvolio: Ihr Narren, fort! steckt eure Schwerter ein; Ihr wisst nicht, was ihr tut. Schlägt ihre Schwerter nieder.

tybalt tritt auf.

tybalt: Was? ziehst du unter den verzagten Knechten?

Hierher, Benvolio! Beut die Stirn dem Tode!

benvolio: Ich stifte Frieden, steck dein Schwert nur ein!

Wo nicht, so führ es, diese hier zu trennen!

tybalt: Was? Ziehn und Friede rufen? Wie die Hölle

Hass ich das Wort, wie alle Montagues

Und dich! Wehr dich, du Memme!

Sie fechten.

Verschiedene anhänger beider Häuser kommen und mischen sich in den Streit; dann bürger und polizeidiener mit Knitteln.

erster polizeidiener: He! Spieß’ und Stangen her! Schlagt auf sie los!

Weg mit den Capulets! Weg mit den Montagues!

capulet im Schlafrock und gräfin capulet.

capulet: Was für ein Lärm? – Holla! mein ­langes Schwert!

gräfin capulet: Nein, Krücken! Krücken! Wozu soll ein Schwert!

capulet: Mein Schwert, sag ich! Der alte Montague

Kommt dort und schwingt die Klinge mir zum Hohn.

montague und gräfin montague.

montague: Du Schurke! Capulet! – Lasst los, lasst mich gewähren!

gräfin montague: Du sollst dich keinen Schritt dem Feinde nähern.

Der prinz mit gefolge.

prinz: Aufrührische Vasallen! Friedensfeinde!

Die ihr den Stahl mit Nachbarblut entweiht! –

Wollt ihr nicht hören? – Männer! wilde Tiere!

Die ihr die Flammen eurer schnöden Wut

Im Purpurquell aus euren Adern löscht!

Zu Boden werft, bei Buß an Leib und Leben,

Die missgestählte Wehr aus blut’ger Hand!

Hört eures ungehaltnen Fürsten Spruch!

Drei Bürgerzwiste haben dreimal nun,

Aus einem luft’gen Wort von euch erzeugt,

Du alter Capulet und Montague,

Den Frieden unsrer Straßen schon gebrochen.

Veronas graue Bürger mussten sich

Entladen ihres ehrenfesten Schmucks

Und alte Speer’ in alten Händen schwingen,

Woran der Rost des langen Friedens nagte,

Dem Hasse, der euch nagt, zu widerstehn.

Verstört ihr jemals wieder unsre Stadt,

So zahl eur Leben mir den Friedensbruch.

Für jetzt begebt euch, all ihr andern, weg!

Ihr aber, Capulet, sollt mich begleiten.

Ihr, Montague, kommt diesen Nachmittag

Zur alten Burg, dem Richtplatz unsres Banns,

Und hört, was hierin fürder mir beliebt.

Bei Todesstrafe sag ich: Alle fort!

Der Prinz, sein Gefolge, Capulet, Gräfin Capulet, Tybalt,die Bürger und Bedienten gehen ab.

montague: Wer bracht aufs Neu den alten Zwist in Gang?

Sagt, Neffe, wart Ihr da, wie er begann?

benvolio: Die Diener Eures Gegners fochten hier

Erhitzt mit Euren schon, eh ich mich nahte;

Ich zog, um sie zu trennen. Plötzlich kam

Der wilde Tybalt mit gezücktem Schwert

Und schwang, indem er schnaubend Kampf mir bot,

Es um sein Haupt und hieb damit die Winde,

Die, unverwundet, zischend ihn verhöhnten.

Derweil wir Hieb’ und Stöße wechseln, kamen

Stets mehr und mehr und fochten miteinander;

Dann kam der Fürst und schied sie voneinander.

gräfin montague: Ach, wo ist Romeo? Saht Ihr ihn heut?

Wie froh bin ich! Er war nicht bei dem Streit.

benvolio: Schon eine Stunde, Gräfin, eh im Ost

Die heil’ge Sonn aus goldnem Fenster schaute,

Trieb mich ein irrer Sinn ins Feld hinaus.

Dort, in dem Schatten des Kastanienhains,

Der vor der Stadt gen Westen sich verbreitet,

Sah ich, so früh schon wandelnd, Euren Sohn.

Ich wollt ihm nahn, er aber nahm mich wahr

Und stahl sich tiefer in des Waldes Dickicht.

Ich maß sein Innres nach dem meinen ab,

Das in der Einsamkeit am regsten lebt,

Ging meiner Laune nach, ließ seine gehn.

Und gern vermied ich ihn, der gern mich floh.

montague: Schon manchen Morgen ward er dort gesehn,

Wie er den frischen Tau durch Tränen mehrte

Und, seufzend Wolken zu den Wolken schickte.

Allein sobald im fernsten Ost die Sonne,

Die allerfreu’nde, von Auroras Bett

Den Schattenvorhang wegzuziehn beginnt,

Stiehlt vor dem Licht mein Sohn sich heim

Und sperrt sich einsam in sein Kämmerlein,

Verschließt dem schönen Tageslicht die Fenster

Und schaffet künstlich Nacht um sich herum.

In schwarzes Missgeschick wird er sich träumen,

Weiß guter Rat den Grund nicht wegzuräumen.

benvolio: Mein edler Oheim, wisset Ihr den Grund?

montague: Ich weiß ihn nicht und kann ihn nicht erfahren.

benvolio: Lagt Ihr ihm jemals schon deswegen an?

montague: Ich selbst sowohl als mancher andre Freund.

Doch er, der eignen Neigungen Vertrauter,

Ist gegen sich, wie treu will ich nicht sagen,

Doch so geheim und in sich selbst gekehrt,

So unergründlich forschendem Bemühn,

Wie eine Knospe, die ein Wurm zernagt,

Eh sie der Luft ihr zartes Laub entfalten

Und ihren Reiz der Sonne weihen kann.

Erführen wir, woher sein Leid entsteht,

Wir heilten es so gern, wie wir’s erspäht.

romeo erscheint in einiger Entfernung.

benvolio: Da kommt er, seht! Geruht uns zu verlassen.

Galt ich ihm je was, will ich schon ihn fassen.

montague: O beichtet’ er für dein Verweilen dir

Die Wahrheit doch! – Kommt, Gräfin, gehen wir!

Montague und Gräfin Montague gehen ab.

benvolio: Ha, guten Morgen, Vetter!

romeo: Erst so weit?

benvolio: Kaum schlug es neun.

romeo: Weh mir! Gram dehnt die Zeit.

War das mein Vater, der so eilig ging?

benvolio: Er war’s. Und welcher Gram dehnt Euch die Stunden?

romeo: Dass ich entbehren muss, was sie verkürzt.

benvolio: Verliebt?

romeo: Fern –

benvolio: – von der Liebe?

romeo: Fern von der Gunst des Mädchens, das ich liebe.

benvolio: Ach, dass der Liebesgott, so mild im Scheine,

So grausam in der Prob erfunden wird!

romeo: Ach, dass der Liebesgott, trotz seinen Binden,

Zu seinem Ziel stets Pfade weiß zu finden!

Wo speisen wir? – Ach, welch ein Streit war hier?

Doch sagt mir’s nicht, ich hört es alles schon.

Hass gibt hier viel zu schaffen, Liebe mehr.

Nun dann: liebreicher Hass! streitsücht’ge Liebe!

Du alles, aus dem Nichts zuerst erschaffen!

Schwermüt’ger Leichtsinn! ernste Tändelei!

Entstelltes Chaos glänzender Gestalten!

Bleischwinge! lichter Rauch und kalte Glut!

Stets wacher Schlaf! dein eignes Widerspiel! –

So fühl ich Lieb und hasse, was ich fühl!

Du lachst nicht?

benvolio: Nein! das Weinen ist mir näher.

romeo: Warum, mein Herz?

benvolio: Um deines Herzens Qual.

romeo: Das ist der Liebe Unbill nun einmal.

Schon eignes Leid will mir die Brust zerpressen,

Dein Gram um mich wird voll das Maß mir messen.

Die Freundschaft, die du zeigst, mehrt meinen Schmerz,

Zu viel an eignem Gram hat schon mein Herz.

Lieb ist ein Rauch, den Seufzerdämpf erzeugten,

Geschürt, ein Feur, von dem die Augen leuchten,

Gequält, ein Meer, von Tränen angeschwellt;

Was ist sie sonst? Verständ’ge Raserei

Und ekle Gall und süße Spezerei.

Lebt wohl, mein Freund!

benvolio: Sacht! ich will mit Euch gehen;

Ihr tut mir Unglimpf, lasst Ihr so mich stehen.

romeo: Ach, ich verlor mich selbst; ich bin nicht Romeo.

Der ist nicht hier: er ist – ich weiß nicht wo.

benvolio: Sagt mir im Ernst, wem Eure Liebe gilt.

romeo: Soll ich ernst seufzend reden?

benvolio: Nein, im Ernst

Nur sagen, wer es ist.

romeo: Heiß einen Kranken

Im Ernst den letzten Willen zu entwerfen:

Ein übles Wort, das Übel zu verschärfen. –

Hört, Vetter, denn im Ernst: ich lieb ein Weib.

benvolio: Ich traf’s doch gut, da ich verliebt Euch glaubte.

romeo: Ein wackrer Schütz! – Und, die ich lieb, ist schön.

benvolio: Ein glänzend Ziel kann man am ersten treffen.

romeo: Dies Treffen traf dir fehl, mein guter Schütz:

Sie meidet Amors Pfeil, sie hat Dianens Witz.

Umsonst hat ihren Panzer keuscher Sitten

Der Liebe kindisches Geschoss bestritten.

Sie wehrt den Sturm der Liebesbitten ab,

Steht nicht dem Angriff kecker Augen, öffnet

Nicht ihren Schoß dem Gold, das Heil’ge lockt.

Oh, sie ist reich an Schönheit; arm allein,

Weil, wenn sie stirbt, ihr Reichtum hin wird sein.

benvolio: Beschwor sie der Enthaltsamkeit Gesetze?

romeo: Sie tat’s, und dieser Geiz vergeudet Schätze.

Denn Schönheit, die der Lust sich streng enthält,

Bringt um ihr Erb die ungeborne Welt.

Sie ist zu schön und weis, um Heil zu erben,

Weil sie, mit Weisheit schön, mich zwingt zu sterben.

Sie schwor zu lieben ab, und dies Gelübd

Ist Tod für den, der lebt, nur weil er liebt.

benvolio: Folg meinem Rat, vergiss, an sie zu denken.

romeo: So lehre mich, das Denken zu vergessen.

benvolio: Gib deinen Augen Freiheit, lenke sie

Auf andre Reize hin.

romeo: Das ist der Weg,

Mir ihren Reiz in vollem Licht zu zeigen.

Die Schwärze jener neidenswerten Larven,

Die schöner Frauen Stirne küssen, bringt

Uns in den Sinn, dass sie das Schöne bergen.

Der, welchen Blindheit schlug, kann nie das Kleinod

Des eingebüßten Augenlichts vergessen.

Zeigt mir ein Weib, unübertroffen schön;

Mir galt ihr Reiz wie eine Weisung nur,

Worin ich lese, wer sie übertrifft.

Leb wohl! Vergessen lehrest du mich nie.

benvolio: Dein Schuldner sterb ich, glückt mir nicht die Müh.

Beide ab.

Zweite Szene

Eine Straße.

capulet, paris und ein bedienter kommen.

capulet: Und Montague ist mit derselben Buße

Wie ich bedroht? Für Greise, wie wir sind,

Ist Frieden halten, denk ich, nicht so schwer.

paris: Ihr geltet beid als ehrenwerte Männer,

Und Jammer ist’s um euren langen Zwiespalt.

Doch, edler Graf, wie dünkt Euch mein Gesuch?

capulet: Es dünkt mich so, wie ich vorhin gesagt.

Mein Kind ist noch ein Fremdling in der Welt,

Sie hat kaum vierzehn Jahre wechseln sehn.

Lasst noch zwei Sommer prangen und verschwinden,

Eh wir sie reif, um Braut zu werden, finden.

paris: Noch jüngre wurden oft beglückte Mütter.

capulet: Wer vor der Zeit beginnt, der endigt früh.

All meine Hoffnungen verschlang die Erde;

Mir blieb nur dieses hoffnungsvolle Kind.

Doch werbt nur, lieber Graf! Sucht Euer Heil!

Mein Will ist von dem ihren nur ein Teil.

Wenn sie aus Wahl in Eure Bitten willigt,

So hab ich im Voraus ihr Wort gebilligt.

Ich gebe heut ein Fest, von Alters hergebracht,

Und lud darauf der Gäste viel zu Nacht,

Was meine Freunde sind: Ihr, der dazugehöret,

Sollt hoch willkommen sein, wenn Ihr die Zahl vermehret.

In meinem armen Haus sollt Ihr des Himmels Glanz

Heut nacht verdunkelt sehn durch ird’scher Sterne Tanz.

Wie muntre Jünglinge mit neuem Mut sich freun,

Wenn auf die Fersen nun der Fuß des holden Maien

Dem lahmen Winter tritt: die Lust steht Euch bevor,

Wenn Euch in meinem Haus ein frischer Mädchenflor

Von jeder Seit umgibt. Ihr hört, Ihr seht sie alle,

Dass, die am schönsten prangt, am meisten Euch gefalle.

Dann mögt Ihr in der Zahl auch meine Tochter sehn,

Sie zählt für eine mit, gilt sie schon nicht für schön.

Kommt, geht mit mir! – Du, Bursch, nimm dies Papier mit Namen;

Trab in der Stadt herum, such alle Herrn und Damen,

So hier geschrieben stehn, und sag mit Höflichkeit:

Mein Haus und mein Empfang steh ihrem Dienst bereit.

Capulet und Paris gehen ab.

bedienter: Die Leute soll ich suchen, wovon die Namen hier geschrieben stehn? Es steht geschrieben, der Schuster soll sich um seine Elle kümmern, der Schneider um seinen Leisten, der Fischer um seinen Pinsel, der Maler um seine Netze. Aber mich schicken sie, um die Leute ausfindig zu machen, wovon die Namen hier geschrieben stehn, und ich kann doch gar nicht ausfindig machen, was für Namen der Schreiber hier aufgeschrieben hat. Ich muss zu den Gelehrten. – Das trifft sich gut!

benvolio und romeo kommen.

benvolio: Pah, Freund! Ein Feuer brennt das andre nieder;

Ein Schmerz kann eines andern Qualen mindern.

Dreh dich im Schwindel, hilf durch Drehn dir wieder!

Fühl andres Leid, das wird dein Leiden lindern!

Saug in dein Auge neuen Zaubersaft,

So wird das Gift des alten fortgeschafft.

romeo: Ein Blatt vom Wegrich dient dazu vortrefflich …

benvolio: Ei sag, wozu?

romeo: Für ein geschundnes Bein.

benvolio: Was, Romeo, bist du toll?

romeo: Nicht toll, doch mehr gebunden als ein Toller,

Gesperrt in einen Kerker, ausgehungert, Freund!

Gegeißelt und geplagt, und – zu dem Bedienten: guten Abend,

bedienter: Gott grüß Euch, Herr! Ich bitt Euch, könnt Ihr lesen?

romeo: Jawohl, in meinem Elend mein Geschick.

bedienter: Vielleicht habt Ihr das auswendig gelernt.

Aber sagt: könnt Ihr alles vom Blatte weg lesen?

romeo: Ja, freilich, wenn ich Schrift und Sprache kenne.

bedienter: Ihr redet ehrlich. Gehabt Euch wohl!

romeo: Wart! Ich kann lesen, Bursch. Er liest das Verzeichnis: »Signor Martino und seine Frau und Tochter; Graf Anselm und seine reizenden Schwestern; die verwitwete Freifrau von Vitruvio; Si­gnor Placentio und seine artigen Nichten; Mercutio und sein Bruder ­Valentio; mein Oheim Capulet, seine Frau und Töchter; meine schöne Nichte Rosalinde; Livia; Signor ­Valentio und sein Vetter Tybalt; Lucio und die muntre Helena.«

Gibt das Papier zurück.

Ein schöner Haufe! Wohin lädst du sie?

bedienter: Hinauf.

romeo: Wohin?

bedienter: Zum Abendessen in unser Haus.

romeo: Wessen Haus?

bedienter: Meines Herrn.

romeo: Das hätt ich freilich eher fragen sollen.

bedienter: Nun will ich’s Euch ohne Fragen erklären. Meine Herrschaft ist der große, reiche Capulet, und wenn Ihr nicht vom Hause der Montagues seid, so bitt ich Euch, kommt, stecht eine Flasche Wein mit aus. Gehabt Euch wohl! Geht ab.

benvolio: Auf diesem hergebrachten Gastgebot

Der Capulets speist deine Rosalinde

Mit allen Schönen, die Verona preist.

Geh hin, vergleich mit unbefangnem Auge

Die andern, die du sehen sollst, mit ihr.

Was gilt’s? Dein Schwan dünkt eine Krähe dir.

romeo: Höhnt meiner Augen frommer Glaube je

Die Wahrheit so: dann, Tränen, werdet Flammen!

Und ihr, umsonst ertränkt in manchem See,

Mag eure Lüg als Ketzer euch verdammen.

Ein schönres Weib als sie? Seit Welten stehn,

Hat die allsehnde Sonn es nicht gesehn.

benvolio: Ja, ja! du sahst sie schön, doch in Gesellschaft nie;

Du wogst nur mit sich selbst in jedem Auge sie.

Doch leg einmal zugleich in die kristallnen Schalen

Der Jugendreize Bild, wovon auch andre strahlen,

Die ich dir zeigen will bei diesem Fest vereint:

Kaum leidlich scheint dir dann, was jetzt ein Wunder scheint.

romeo: Gut, ich begleite dich. Nicht um des Schauspiels Freuden:

An meiner Göttin Glanz will ich allein mich weiden.

Beide ab.

Dritte Szene

Ein Zimmer in Capulets Hause.

gräfin gapulet und die wärterin.

gräfin capulet: Ruft meine Tochter her: wo ist sie, Amme?

wärterin: Bei meiner Jungfernschaft im zwölften Jahr,

Ich rief sie schon. – He, Lämmchen! zartes Täubchen!

Dass Gott! wo ist das Kind? he, Juliette!

julia kommt.

julia: Was ist? Wer ruft mich?

wärterin: Eure Mutter.

julia: Hier bin ich, gnäd’ge Mutter! Was beliebt?

gräfin capulet: Die Sach ist diese! – Amme, geh beiseit,

Wir müssen heimlich sprechen. Amme, komm

Nur wieder her, ich habe mich besonnen;

Ich will dich auch in das Geheimnis ziehn.

Du weißt, mein Kind hat schon ein hübsches Alter.

wärterin: Das zähl ich, meiner Treu, am Finger her.

gräfin capulet: Sie ist nicht vierzehn Jahre.

wärterin: Ich wette vierzehn meiner Zähne drauf –

Zwar hab ich nur vier Zähn, ich arme Frau –,

Sie ist noch nicht vierzehn. Wie lang ist’s bis Johannis?

gräfin capulet: Ein vierzehn Tag und drüber.

wärterin: Nu, drüber oder drunter. Just den Tag,

Johannistag zu Abend, wird sie vierzehn.

Suschen und sie – Gott gebe jedem Christen

Das ew’ge Leben! – waren eines Alters.

Nun, Suschen ist bei Gott:

Sie war zu gut für mich. Doch wie ich sagte,

Johannistag zu Abend wird sie vierzehn.

Das wird sie, meiner Treu; ich weiß es recht gut.

Elf Jahr ist’s her, seit wir’s Erdbeben hatten:

Und ich entwöhnte sie (mein Leben lang

Vergess ich’s nicht) just denselben Tag.

Ich hatte Wermut auf die Brust gelegt

Und saß am Taubenschlage in der Sonne;

Die gnäd’ge Herrschaft war zu Mantua.

(Ja, ja! ich habe Grütz im Kopf!) Nun, wie ich sagte:

Als es den Wermut auf der Warze schmeckte

Und fand ihn bitter – närr’sches, kleines Ding –,

Wie’s böse ward und zog der Brust ein G’sicht!

Krach! sagt’ der Taubenschlag; und ich, fürwahr,

Ich wusste nicht, wie ich mich tummeln sollte.

Und seit der Zeit ist’s nun elf Jahre her.

Denn damals stand sie schon allein; mein Treu,

Sie lief und watschelt’ Euch schon flink herum.

Denn tags zuvor fiel sie die Stirn entzwei,

Und da hob sie mein Mann – Gott hab ihn selig!

Er war ein lust’ger Mann – vom Boden auf.

»Ei«, sagt’ er, »fällst du so auf dein Gesicht?

Wirst rücklings fallen, wenn du klüger bist.

Nicht wahr, mein Kind?« Und, liebe heil’ge Frau!

Das Mädchen schrie nicht mehr und sagte: »Ja.«

Da seh man, wie so ’n Spaß zum Vorschein kommt!

Und lebt ich tausend Jahre lang, ich wette,

Dass ich es nie vergäß. »Nicht wahr, mein Kind?«, sagt’ er,

Und ’s liebe Närrchen ward still und sagte: »Ja.«

gräfin capulet: Genug davon, ich bitte, halt dich ruhig.

wärterin: Ja, gnäd’ge Frau. Doch lächert’s mich noch immer,

Wie’s Kind sein Schreien ließ und sagte: »Ja.«

Und saß ihm, meiner Treu, doch eine Beule,

So dick wie ’n Hühnerei, auf seiner Stirn.

Recht g’fährlich dick! und es schrie bitterlich.

Mein Mann, der sagte: »Ei, fällst aufs Gesicht?

Wirst rücklings fallen, wenn du älter bist.

Nicht wahr, mein Kind?« Still ward’s und sagte: »Ja.«

julia: Ich bitt dich, Amme, sei doch auch nur still.

wärterin: Gut, ich bin fertig. Gott behüte dich!

Du warst das feinste Püppchen, das ich säugte.

Erleb ich deine Hochzeit noch einmal,

So wünsch ich weiter nichts.

gräfin capulet: Die Hochzeit, ja! das ist der Punkt, von dem

Ich sprechen wollte. Sag mir, liebe Tochter,

Wie steht’s mit deiner Lust, dich zu vermählen?

julia: Ich träumte nie von dieser Ehre noch.

wärterin: Ein Ehre! Hättst du eine andre Amme

Als mich gehabt, so wollt ich sagen: Kind,

Du habest Weisheit mit der Milch gesogen.

gräfin capulet: Gut, denke jetzt dran; jünger noch als du

Sind angesehne Fraun hier in Verona

Schon Mütter worden. Ist mir recht, so war

Ich deine Mutter in demselben Alter,

Wo du noch Mädchen bist. Mit einem Wort:

Der junge Paris wirbt um deine Hand.

wärterin: Das ist ein Mann, mein Fräulein! Solch ein Mann

Als alle Welt – ein wahrer Zuckermann!

gräfin capulet: Die schönste Blume von Veronas Flor.

wärterin: Ach ja, ’ne Blume! Gelt, ’ne rechte Blume!

gräfin capulet: Was sagst du? Wie gefällt dir dieser Mann?

Heut Abend siehst du ihn bei unserm Fest.

Dann lies im Buche seines Angesichts,

In das der Schönheit Griffel Wonne schrieb;

Betrachte seiner Züge Lieblichkeit,

Wie jeglicher dem andern Zierde leiht.

Was dunkel in dem holden Buch geblieben,

Das lies in seinem Aug am Rand geschrieben.

Und dieses Freiers ungebundner Stand,

Dies Buch der Liebe, braucht nur einen Band.

Der Fisch lebt in der See, und doppelt teuer

Wird äußres Schön’ als innrer Schönheit Schleier.

Das Buch glänzt allermeist im Aug der Welt,

Das goldne Lehr in goldnen Spangen hält.

So wirst du alles, was er hat, genießen,

Wenn du ihn hast, ohn etwas einzubüßen.

wärterin: Einbüßen? Nein, zunehmen wird sie eher;

Die Weiber nehmen oft durch Männer zu.

gräfin capulet: Sag kurz: fühlst du dem Grafen dich geneigt?

julia: Gern will ich sehn, ob Sehen Neigung zeugt.

Doch weiter soll mein Blick den Flug nicht wagen,

Als ihn die Schwingen Eures Beifalls tragen.

Ein bedienter kommt.

bedienter: Gnädige Frau, die Gäste sind da, das Abendessen auf dem Tisch, Ihr werdet gerufen, das Fräulein gesucht, die Amme in der Speisekammer zum Henker gewünscht, und alles geht drunter und drüber. Ich muss fort, aufwarten: Ich bitte Euch, kommt unverzüglich.

gräfin capulet: Gleich! – Paris wartet. Julia, komm geschwind!

wärterin: Such frohe Nächt auf frohe Tage, Kind! Ab.

Vierte Szene

Eine Straße.

romeo, mercutio, benvolio mit fünf oder sechs masken,fackelträgern und anderen.

romeo: Soll diese Red uns zur Entschuld’gung dienen?

Wie? oder treten wir nur grad hinein?

benvolio: Umschweife solcher Art sind nicht mehr Sitte.

Wir wollen keinen Amor, mit der Schärpe

Geblendet, der den buntbemalten Bogen

Wie ein Tatar, geschnitzt aus Latten, trägt

Und wie ein Vogelscheu die Frauen schreckt;

Auch keinen hergebeteten Prolog,

Wobei viel zugeblasen wird, zum Eintritt.

Lasst sie uns nur, wofür sie wollen, nehmen,

Wir nehmen ein paar Tänze mit und gehn.

romeo: Ich mag nicht springen; gebt mir eine Fackel!

Da ich so finster bin, so will ich leuchten.

mercutio: Nein, du musst tanzen, lieber Romeo.

romeo: Ich wahrlich nicht. Ihr seid so leicht von Sinn

Wie leicht beschuht: mich drückt ein Herz von Blei

Zu Boden, dass ich kaum mich regen kann.

mercutio: Ihr seid ein Liebender: borgt Amors Flügel,

Und schwebet frei in ungewohnten Höhn.

romeo: Ich bin zu tief von seinem Pfeil durchbohrt,

Auf seinen leichten Schwingen hoch zu schweben.

Gewohnte Fesseln lassen mich nicht frei;

Ich sinke unter schwerer Liebeslast.

mercutio: Und wolltet Ihr denn in die Liebe sinken?

Ihr seid zu schwer für ein so zartes Ding.

romeo: Ist Lieb ein zartes Ding? Sie ist zu rau,

Zu wild, zu tobend; und sie sticht wie Dorn.

mercutio: Begegnet Lieb Euch rau, so tut desgleichen!

Stecht Liebe, wenn sie sticht: das schlägt sie nieder.

Zu einem andern aus dem Gefolge:

Gebt ein Gehäuse für mein Antlitz mir:

’ne Larve für ’ne Larve! Bindet die Maske vor.

Nun erspähe

Die Neugier Missgestalt: was kümmert’s mich?

Erröten wird für mich dies Wachsgesicht.

benvolio: Fort! Klopft, und dann hinein! Und sind wir drinnen,

So rühre gleich ein jeder flink die Beine!

romeo: Mir eine Fackel! Leichtgeherzte Buben,

Die lasst den Estrich mit den Sohlen kitzeln.

Ich habe mich verbrämt mit einem alten

Großvaterspruch: Wer’s Licht hält, schauet zu!

Nie war das Spiel so schön; doch ich bin matt.

mercutio: Jawohl, zu matt, dich aus dem Schlamme – nein,

Der Liebe wollt ich sagen – dich zu ziehn,

Worin du leider steckst bis an die Ohren.

Macht fort! wir leuchten ja dem Tage hier.

romeo: Das tun wir nicht.

mercutio: Ich meine, wir verscherzen,

Wie Licht bei Tag, durch Zögern unsre Kerzen.

Nehmt meine Meinung nach dem guten Sinn,

Und sucht nicht Spiele des Verstandes drin.

romeo: Wir meinen’s gut, da wir zum Balle gehen,

Doch es ist Unverstand.

mercutio: Wie? lasst doch sehen!

romeo: Ich hatte diese Nacht ’nen Traum

mercutio: Auch ich

romeo: Was war der Eure?

mercutio: Dass auf Träume sich

Nichts bauen lässt, dass Träume öfters lügen.

romeo: Sie träumen Wahres, weil sie schlafend liegen.

mercutio: Nun seh ich wohl, Frau Mab hat Euch besucht.

Sie ist der Feenwelt Entbinderin.

Sie kommt, nicht größer als der Edelstein

Am Zeigefinger eines Aldermanns,

Und fährt mit einem Spann von Sonnenstäubchen

Den Schlafenden quer auf der Nase hin.

Die Speichen sind gemacht aus Spinnenbeinen,

Des Wagens Deck aus eines Heupferds Flügeln,

Aus feinem Spinngewebe das Geschirr,

Die Zügel aus des Mondes feuchtem Strahl;

Aus Heimchenknochen ist der Peitsche Griff,

Die Schnur aus Fasern; eine kleine Mücke

Im grauen Mantel sitzt als Fuhrmann vorn,

Nicht halb so groß als wie ein kleines Würmchen,

Das in des Mädchens müß’gen Fingern nistet.

Die Kutsch ist eine hohle Haselnuss,

Vom Tischler Eichhorn oder Meister Wurm

Zurechtgemacht, die seit uralten Zeiten

Der Feen Wagner sind. In diesem Staat

Trabt sie dann Nacht für Nacht; befährt das Hirn

Verliebter, und sie träumen dann von Liebe;

Des Schranzen Knie, der schnell von Reverenzen,

Des Anwalts Finger, der von Sporteln gleich,

Der Schönen Lippen, die von Küssen träumen

(Oft plagt die böse Mab mit Bläschen diese,

Weil ihren Odem Näscherei verdarb).

Bald trabt sie über eines Hofmanns Nase,

Dann wittert er im Traum sich Ämter aus.

Bald kitzelt sie mit eines Zinshahns Federn

Des Pfarrers Nase, wenn er schlafend liegt:

Von einer bessern Pfründe träumt er dann.

Bald fährt sie über des Soldaten Nacken:

Der träumt sofort vom Niedersäbeln, träumt

Von Breschen, Hinterhalten, Damaszenern,

Von manchem klaftertiefen Ehrentrunk;

Nun trommelt’s ihm ins Ohr; da fährt er auf

Und flucht in seinem Schreck ein paar Gebete

Und schläft von neuem. Ebendiese Mab

Verwirrt der Pferde Mähnen in der Nacht

Und flicht in strupp’ges Haar die Weichselzöpfe,

Die, wiederum entwirrt, auf Unglück deuten.

Dies ist die Hexe, welche Mädchen drückt,

Die auf dem Rücken ruhn, und ihnen lehrt,

Als Weiber einst die Männer zu ertragen.

Dies ist sie –

romeo: Still, o still, Mercutio!

Du sprichst von einem Nichts.

mercutio: Wohl wahr, ich rede

Von Träumen, Kindern eines müß’gen Hirns,

Von nichts als eitler Fantasie erzeugt,

Die aus so dünnem Stoff wie Luft besteht,

Und flücht’ger wechselt als der Wind, der bald

Um die erfrorne Brust des Nordens buhlt

Und, schnell erzürnt, hinweg von dannen schnaubend,

Die Stirn zum taubeträuften Süden kehrt.

benvolio: Der Wind, von dem Ihr sprecht, entführt uns selbst.

Man hat gespeist; wir kamen schon zu spät.

romeo: Zufrüh, befürcht ich; denn mein Herz erbangt

Und ahnet ein Verhängnis, welches, noch

Verborgen in den Sternen, heute Nacht

Bei dieser Lustbarkeit den furchtbarn Zeitlauf

Beginnen und das Ziel des läst’gen Lebens,

Das meine Brust verschließt, mir kürzen wird

Durch irgendeinen Frevel frühen Todes.

Doch er, der mir zur Fahrt das Steuer lenkt,

Richt auch mein Segel! – Auf, ihr lust’gen Freunde!

benvolio: Rührt Trommeln!

Gehen ab.

Fünfte Szene

Ein Saal in Capulets Hause.

musikanten. bediente kommen.

erster bedienter: Woist Schmorpfanne, dass er nicht ab­räumen hilft? Ja, der mit seinem Tellerwechseln, seinem Tellerlecken!

zweiter bedienter: Wenn die gute Lebensart in eines oder zweier Menschen Händen sein soll, die noch obendrein ungewaschen sind, ’s ist ein unsaubrer Handel.

erster bedienter: Die Lehnstühle fort! Rückt den Schenktisch beiseit! Seht nach dem Silberzeuge! Kamerad, heb mir ein Stück Marzipan auf, und wo du mich lieb hast, sag dem Pförtner, dass er Suse Mühlstein und Lene hereinlässt. Anton! Schmorpfanne!

Andre bediente kommen.

bediente: Hier, Bursch, wir sind parat.

erster bedienter: Im großen Saale verlangt man euch, vermisst man euch, sucht man euch.

bediente: Wir können nicht zugleich hier und dort sein. – Lustig, Kerle! haltet euch brav; wer am längsten lebt, kriegt den ganzen Bettel.

Sie ziehen sich in den Hintergrund zurück.

capulet usw. mit den gästen und masken.

capulet: Willkommen, meine Herrn! Es warten euer

Hier Damen, deren Fuß kein Leichdorn plagt.

He, he, ihr schönen Fraun! wer von euch allen

Schlägt’s nun wohl ab zu tanzen? Ziert sich eine, die,

Ich wette, die hat Hühneraugen. Nun,

Hab ich’s euch nahgelegt? Ihr Herrn, willkommen!

Ich weiß die Zeit, da ich ’ne Larve trug

Und einer Schönen eine Weis ins Ohr

Zu flüstern wusste, die ihr wohlgefiel.

Das ist vorbei, vorbei! Willkommen, Herren!

Kommt, Musikanten, spielt! Macht Platz da, Platz!

Ihr Mädchen, frisch gesprungen!

Musik und Tanz.

Zu den Bedienten:

Mehr Licht, ihr Schurken, und beiseit die Tische!

Das Feuer weg! Das Zimmer ist zu heiß. –

Ha, recht gelegen kommt der unverhoffte Spaß.

Na, setzt Euch, setzt Euch, Vetter Capulet!

Wir beide sind ja übers Tanzen hin.

Wie lang ist’s jetzo, seit wir uns zuletzt

In Larven steckten?

zweiter capulet: Dreißig Jahr, mein Seel.

capulet: Wie, Schatz? So lang noch nicht, so lang noch nicht.

Denn seit der Hochzeit des Lucentio

Ist’s etwa fünfundzwanzig Jahr, sobald

Wir Pfingsten haben; und da tanzten wir.

zweiter capulet: ’sist mehr, ’s ist mehr! Sein Sohn ist älter, Herr.

Sein Sohn ist dreißig.

capulet: Sagt mir das doch nicht!

Sein Sohn war noch nicht mündig vor zwei Jahren.

romeo zu einem Bedienten aus seinem Gefolge:

Wer ist das Fräulein, welche dort den Ritter

Mit ihrer Hand beehrt?

bedienter: Ich weiß nicht, Herr.

romeo: Oh, sie nur lehrt die Kerzen, hell zu glühn!

Wie in dem Ohr des Mohren ein Rubin,

So hängt der Holden Schönheit an den Wangen

Der Nacht; zu hoch, zu himmlisch dem Verlangen.

Sie stellt sich unter den Gespielen dar

Als weiße Taub in einer Krähenschar.

Schließt sich der Tanz, so nah ich ihr: ein Drücken

Der zarten Hand soll meine Hand beglücken.

Liebt ich wohl je? Nein, schwör es ab, Gesicht!

Du sahst bis jetzt noch wahre Schönheit nicht.

tybalt: Nach seiner Stimm ist dies ein Montague.

Zu einem Bedienten:

Hol meinen Degen, Bursch. – Was? wagt der Schurk,

Vermummt in eine Fratze herzukommen,

Zu Hohn und Schimpfe gegen unser Fest?

Fürwahr, bei meines Stammes Ruhm und Adel!

Wer tot ihn schlüg, verdiente keinen Tadel.

capulet: Was habt Ihr, Vetter? Welch ein Sturm? Wozu?

tybalt: Seht, Oheim! der da ist ein Montague.

Der Schurke drängt sich unter Eure Gäste

Und macht sich einen Spott an diesem Feste.

capulet: Ist es der junge Romeo?

tybalt: Der Schurke Romeo.

capulet: Seid ruhig, Herzensvetter! Lasst ihn gehn!

Er hält sich wie ein wackrer Edelmann:

Und in der Tat, Verona preiset ihn

Als einen sitt’gen, tugendsamen Jüngling.

Ich möchte nicht für alles Gut der Stadt

In meinem Haus ihm einen Unglimpf tun.

Drum seid geduldig; merket nicht auf ihn.

Das ist mein Will, und wenn du diesen ehrst,

So zeig dich freundlich, streif die Runzeln weg,

Die übel sich bei einem Feste ziemen.

tybalt: Kommt solch ein Schurk als Gast, so stehn sie wohl.

Ich leid ihn nicht.

capulet: Er soll gelitten werden,

Er soll! – Herr Junge, hört er das? Nur zu!

Wer ist hier Herr? Er oder ich? Nur zu!

So? will er ihn nicht leiden? – Helf mir Gott! –

Will Hader unter meinen Gästen stiften?

Den Hahn im Korbe spielen? Seht mir doch!

tybalt: Ist’s nicht ’ne Schande, Oheim?

capulet: Zu!Nur zu!

Ihr seid ein kecker Bursch. Ei, seht mir doch!

Der Streich mag Euch gereun: ich weiß schon was.

Ihr macht mir’s bunt! Traun, das kam eben recht! –

Brav, Herzenskinder! – Geht, Ihr seid ein Frechdachs!

Seid ruhig, sonst – mehr Licht, mehr Licht, zum Kuckuck! –

Will ich zur Ruh Euch bringen! – Lustig, Kinder!

tybalt: Mir kämpft Geduld aus Zwang mit will’ger Wut

Im Innern und empört mein siedend Blut.

Ich gehe: doch so frech sich aufzudringen,

Was Lust ihm macht, soll bittern Lohn ihm bringen.

Geht ab.

romeo tritt zu Julia:Entweihet meine Hand verwegen dich,

O Heil’genbild, so will ich’s lieblich büßen.

Zwei Pilger, neigen meine Lippen sich,

Den herben Druck im Kusse zu versüßen.

julia: Nein, Pilger, lege nichts der Hand zuschulden

Für ihren sittsam-andachtsvollen Gruß.

Der Heil’gen Rechte darf Berührung dulden,

Und Hand in Hand ist frommer Waller Kuss.

romeo: Hat nicht der Heil’ge Lippen wie der Waller?

julia: Ja, doch Gebet ist die Bestimmung aller.

romeo: Oh, so vergönne, teure Heil’ge, nun,

Dass auch die Lippen wie die Hände tun.

Voll Inbrunst beten sie zu dir: erhöre,

Dass Glaube nicht sich in Verzweiflung kehre.

julia: Du weißt, ein Heil’ger pflegt sich nicht zu regen,

Auch wenn er eine Bitte zugesteht.

romeo: Soreg dich, Holde, nicht, wie Heil’ge pflegen,

Derweil mein Mund dir nimmt, was er erfleht. Er küßt sie.

Nun hat dein Mund ihn aller Sünd entbunden.

julia: So hat mein Mund zum Lohn sie für die Gunst?

romeo: Zum Lohn die Sünd? O Vorwurf, süß erfunden!

Gebt sie zurück. Küßt sie wieder.

julia: Ihr küßt recht nach der Kunst.

wärterin: Mama will Euch ein Wörtchen sagen, Fräulein.

romeo: Wer ist des Fräuleins Mutter?

wärterin: Ei nun, Junker,

Das ist die gnäd’ge Frau vom Hause hier,

Gar eine wackre Frau und klug und ehrsam.

Die Tochter, die Ihr spracht, hab ich gesäugt.

Ich sag Euch, wer sie habhaft werden kann,

Ist wohl gebettet.

romeo: Sie eine Capulet? O teurer Preis! mein Leben

Ist meinem Feind als Schuld dahingegeben.

benvolio: Fort! lasst uns gehn; die Lust ist bald dahin.

romeo: Ach, leider wohl! Das ängstet meinen Sinn.

capulet: Nein, liebe Herrn, denkt noch ans Weggehn nicht!

Ein kleines, schlechtes Mahl ist schon bereitet. –

Muss es denn sein? – Nun wohl, ich dank euch allen;

Ich dank euch, edle Herren! Gute Nacht!

Mehr Fackeln her! – Kommt nun, bringt mich zu Bett.

Alle ab, außer julia und der wärterin.

julia: Komm zu mir, Amme: wer ist dort der Herr?

wärterin: Tiberios, des alten, Sohn und Erbe.

julia: Wer ist’s, der eben aus der Türe geht?

wärterin: Das, denk ich, ist der junge Marcellin.

julia: Wer folgt ihm da, der gar nicht tanzen wollte?

wärterin: Ich weiß nicht.

julia: Geh, frage, wie er heißt. – Ist er vermählt,

So ist das Grab zum Brautbett mir erwählt.

wärterin kommt zurück:Sein Nam ist Romeo, ein Montague,

Und Eures großen Feindes einz’ger Sohn.

julia: So ein’ge Lieb aus großem Hass entbrannt!

Ich sah zu früh, den ich zu spät erkannt.

O Wunderwerk! ich fühle mich getrieben,

Den ärgsten Feind aufs Zärtlichste zu lieben.

wärterin: Wieso? wieso?

julia: Es ist ein Reim, den ich von einem Tänzer

Soeben lernte.

Man ruft drinnen: Julia!

wärterin: Gleich! wir kommen ja.

Kommt, lasst uns gehn; kein Fremder ist mehr da. Ab.

[Der chor tritt auf.

chor: Nun auf dem Todbett liegen ältre Triebe –

Und junge Neigung glüht, sie zu beerben;

Nach Julia scheint ihm nicht mehr schön die Liebe,

Für die er vordem seufzend wollte sterben.

Wo gleich bezaubert nun die Herzen schlagen,

Wird Romeo geliebt und liebt voll Glut;

Doch der vermeinten Feindin muss er klagen,

Die süße Frucht stiehlt, wo Gefahr nicht ruht.

Im Haus des Feindes ist nicht freie Bahn

Für ihn, durch seine ihre Glut zu nähren;

Noch wen’ger hat sie Mittel, ihm zu nahn,

Der eignen Liebe Trost ihm zu gewähren.

Doch Leidenschaft gibt Macht; die Gunst der Zeit

Stimmt sanft Verzweiflung um in Seligkeit. Ab.]

Zweiter Aufzug

Erste Szene

Ein offner Platz, der an Capulets Garten stößt.

romeo tritt auf.

romeo: Kann ich von hinnen, da mein Herz hier bleibt?

Geh, frost’ge Erde, suche deine Sonne!

Er ersteigt die Mauer und springt hinunter.

benvolio und mercutio treten auf.

benvolio: He, Romeo! he, Vetter!

mercutio: Er ist klug

Und hat, mein Seel, sich heim ins Bett gestohlen.

benvolio: Er lief hierher und sprang die Gartenmauer

Hinüber. Ruf ihn, Freund Mercutio.

mercutio: Ja, auch beschwören will ich. Romeo!

Was? Grillen! Toller! Leidenschaft! Verliebter!

Erscheine du, gestaltet wie ein Seufzer;

Sprich nur ein Reimchen, so genügt mir’s schon;

Ein Ach nur jammre, paare Lieb und Triebe;

Gib der Gevattrin Venus ein gut Wort,

Schimpf eins auf ihren blinden Sohn und Erben,

Held Amor, der so flink gezielt, als König

Kophetua das Bettlermädchen liebte.

Er höret nicht, er regt sich nicht, er rührt sich nicht.

Der Aff ist tot; ich muss ihn wohl beschwören.

Nun wohl: Bei Rosalindens hellem Auge,

Bei ihrer Purpurlipp und hohen Stirn,

Bei ihrem zarten Fuß, dem schlanken Bein,

Den üpp’gen Hüften und der Region,

Die ihnen nahe liegt, beschwör ich dich,

Dass du in eigner Bildung uns erscheinest.

benvolio: Wenn er dich hört, so wird er zornig werden.

mercutio: Hierüber kann er’s nicht; er hätte Grund,

Bannt ich hinauf in seiner Dame Kreis

Ihm einen Geist von seltsam eigner Art

Und ließe den da stehn, bis sie den Trotz

Gezähmt und nieder ihn beschworen hätte.

Das wär Beschimpfung! Meine Anrufung

Ist gut und ehrlich; mit der Liebsten Namen

Beschwör ich ihn, bloß um ihn aufzurichten.

benvolio: Kommt! Er verbarg sich unter jenen Bäumen

Und pflegt des Umgangs mit der feuchten Nacht.

Die Lieb ist blind, das Dunkel ist ihr recht.

mercutio: Ist Liebe blind, so zielt sie freilich schlecht.

Nun sitzt er wohl an einen Baum gelehnt

Und wünscht, sein Liebchen wär die reife Frucht

Und fiel’ ihm in den Schoß. Doch, gute Nacht,

Freund Romeo! Ich will ins Federbett,

Das Feldbett ist zum Schlafen mir zu kalt.

Kommt, gehn wir!

benvolio: Ja, es ist vergeblich, ihn

Zu suchen, der nicht will gefunden sein.

Alle ab.

Zweite Szene

Capulets Garten.

romeo kommt.

romeo: Der Narben lacht, wer Wunden nie gefühlt.

julia erscheint oben an einem Fenster.

Doch still, was schimmert durch das Fenster dort?

Es ist der Ost, und Julia die Sonne! –

Geh auf, du holde Sonn! ertöte Lunen,

Die neidisch ist und schon vor Grame bleich,

Dass du viel schöner bist, obwohl ihr dienend.

Oh, da sie neidisch ist, so dien ihr nicht.

Nur Toren gehn in ihrer blassen, kranken

Vestalentracht einher: wirf du sie ab!

Sie ist es, meine Göttin! meine Liebe!

O wüsste sie, dass sie es ist! –

Sie spricht, doch sagt sie nichts: was schadet das?

Ihr Auge redt, ich will ihm Antwort geben. –

Ich bin zu kühn, es redet nicht zu mir.

Ein Paar der schönsten Stern am ganzen Himmel

Wird ausgesandt und bittet Juliens Augen,

In ihren Kreisen unterdes zu funkeln.

Doch wären ihre Augen dort, die Sterne

In ihrem Antlitz? Würde nicht der Glanz

Von ihren Wangen jene so beschämen,

Wie Sonnenlicht die Lampe? Würd ihr Aug

Aus luft’gen Höhn sich nicht so hell ergießen,

Dass Vögel sängen, froh den Tag zu grüßen?

O wie sie auf die Hand die Wange lehnt!

Wär ich der Handschuh doch auf dieser Hand

Und küsste diese Wange!

julia: Weh mir!

romeo: Horch!

Sie spricht. O sprich noch einmal, holder Engel!

Denn über meinem Haupt erscheinest du

Der Nacht so glorreich wie ein Flügelbote

Des Himmels dem erstaunten, über sich

Gekehrten Aug der Menschensöhne, die

Sich rückwärts beugen, um nach ihm zu schaun,

Wenn er dahinfährt auf den trägen Wolken

Und auf der Luft gewölbtem Busen schwebt.

julia: O Romeo! warum denn Romeo?

Verleugne deinen Vater, deinen Namen!

Willst du das nicht, schwör dich zu meinem Liebsten,

Und ich bin länger keine Capulet!

romeo für sich:Hör ich noch länger, oder soll ich reden?

julia: Dein Nam ist nur mein Feind. Du bliebst du selbst,

Und wärst du auch kein Montague. Was ist

Denn Montague? Es ist nicht Hand, nicht Fuß,

Nicht Arm noch Antlitz noch ein andrer Teil

Von einem Mann. Oh, ändre deinen Namen!

Was ist ein Name? Was uns Rose heißt,

Wie es auch hieße, würde lieblich duften;

So Romeo, wenn er auch anders hieße,

Er würde doch den köstlichen Gehalt

Bewahren, welcher sein ist ohne Titel.

O Romeo, leg deinen Namen ab,

Und für den Namen, der dein Selbst nicht ist,

Nimm meines ganz!

romeo indem er näher hinzutritt: Ich nehme dich beim Wort.

Nenn Liebster mich, so bin ich neu getauft

Und will hinfort nicht Romeo mehr sein.

julia: Wer bist du, der du, von der Nacht beschirmt,

Dich drängst in meines Herzens Rat?

romeo: Mit Namen

Weiß ich dir nicht zu sagen, wer ich bin.

Mein eigner Name, teure Heil’ge, wird,

Weil er dein Feind ist, von mir selbst gehasst.

Hätt ich ihn schriftlich, so zerriss ich ihn.

julia: Mein Ohr trank keine hundert Worte noch

Von diesen Lippen, doch es kennt den Ton.

Bist du nicht Romeo, ein Montague?

romeo: Nein, Holde; keines, wenn dir eins missfällt.

julia: Wie kamst du her? o sag mir, und warum?

Die Gartenmaur ist hoch, schwer zu erklimmen;

Die Stätt ist Tod, bedenk nur, wer du bist,

Wenn einer meiner Vettern dich hier findet.

romeo: Der Liebe leichte Schwingen trugen mich;

Kein steinern Bollwerk kann der Liebe wehren;

Und Liebe wagt, was irgend Liebe kann:

Drum hielten deine Vettern mich nicht auf.

julia: Wenn sie dich sehn, sie werden dich ermorden.

romeo: Ach, deine Augen drohn mir mehr Gefahr

Als zwanzig ihrer Schwerter; blick du freundlich,

So bin ich gegen ihren Hass gestählt.

julia: Ich wollt um alles nicht, dass sie dich sähn.

romeo: Vor ihnen hüllt mich Nacht in ihren Mantel.

Liebst du mich nicht, so lass sie nur mich finden,

Durch ihren Hass zu sterben wär mir besser

Als ohne deine Liebe Lebensfrist.

julia: Wer zeigte dir den Weg zu diesem Ort?

romeo: Die Liebe, die zuerst mich forschen hieß.

Sie lieh mir Rat, ich lieh ihr meine Augen.

Ich bin kein Steuermann, doch wärst du fern

Wie Ufer, von dem fernsten Meer bespült,

Ich wagte mich nach solchem Kleinod hin.

julia: Du weißt, die Nacht verschleiert mein Gesicht,

Sonst färbte Mädchenröte meine Wangen

Um das, was du vorhin mich sagen hörtest.

Gern hielt ich streng auf Sitte, möchte gern

Verleugnen, was ich sprach: doch weg mit Förmlichkeit!

Sag, liebst du mich? Ich weiß, du wirst’s bejahn,

Und will dem Worte traun; doch wenn du schwörst,

So kannst du treulos werden; wie sie sagen,

Lacht Jupiter des Meineids der Verliebten.

O holder Romeo! wenn du mich liebst:

Sag’s ohne Falsch! Doch dächtest du, ich sei

Zu schnell besiegt, so will ich finster blicken,

Will widerspenstig sein und nein dir sagen,

So du dann werben willst: sonst nicht um alles.

Gewiss, mein Montague, ich bin zu herzlich;

Du könntest denken, ich sei leichten Sinns.

Doch glaube, Mann, ich werde treuer sein

Als sie, die fremd zu tun geschickter sind.

Auch ich, bekenn ich, hätte fremd getan,

Wär ich von dir, eh ich’s gewahrte, nicht

Belauscht in Liebesklagen. Drum vergib!

Schilt diese Hingebung nicht Flatterliebe,

Die so die stille Nacht verraten hat.

romeo: Ich schwöre, Fräulein, bei dem heil’gen Mond,

Der silbern dieser Bäume Wipfel säumt …

julia: O schwöre nicht beim Mond, dem wandelbaren,

Der immerfort in seiner Scheibe wechselt,

Damit nicht wandelbar dein Lieben sei!

romeo: Wobei denn soll ich schwören?

julia: Lass es ganz.

Doch willst du, schwör bei deinem edlen Selbst,

Dem Götterbilde meiner Anbetung!

So will ich glauben.

romeo: Wenn die Herzensliebe …

julia: Gut, schwöre nicht. Obwohl ich dein mich freue,

Freu ich mich nicht des Bundes dieser Nacht.

Er ist zu rasch, zu unbedacht, zu plötzlich;

Gleicht allzu sehr dem Blitz, der nicht mehr ist,

Noch eh man sagen kann: es blitzt. – Schlaf süß!

Des Sommers warmer Hauch kann diese Knospe

Der Liebe wohl zur schönen Blum entfalten,

Bis wir das nächste Mal uns wiedersehn.

Nun gute Nacht! So süße Ruh und Frieden,

Wie mir im Busen wohnt, sei dir beschieden.

romeo: Ach, du verlässest mich so unbefriedigt?

julia: Was für Befriedigung begehrst du noch?

romeo: Gib deinen treuen Liebesschwur für meinen.

julia: Ich gab ihn dir, eh du darum gefleht;

Und doch, ich wollt, er stünde noch zu geben.

romeo: Wolltst du ihn mir entziehn? Wozu das, Liebe?

julia: Um unverstellt ihn dir zurückzugeben.

Allein ich wünsche, was ich habe, nur.

So grenzenlos ist meine Huld, die Liebe

So tief ja wie das Meer. Je mehr ich gebe,

Je mehr auch hab ich: beides ist unendlich.

Ich hör im Haus Geräusch; leb wohl, Geliebter!

Die wärterin ruft hinter der Szene.

Gleich, Amme! Holder Montague, sei treu!

Wart einen Augenblick: ich komme wieder. Sie geht zurück.

romeo: O sel’ge, sel’ge Nacht! Nur fürcht ich, weil

Mich Nacht umgibt, dies alles sei nur Traum,

Zu schmeichelnd süß, um wirklich zu bestehn.

julia erscheint wieder am Fenster.

julia: Drei Worte, Romeo; dann gute Nacht!

Wenn deine Liebe tugendsam gesinnt,

Vermählung wünscht, so lass mich morgen wissen

Durch jemand, den ich zu dir senden will,

Wo du und wann die Trauung willst vollziehn.

Dann leg ich dir mein ganzes Glück zu Füßen

Und folge durch die Welt dir als Gebieter. –

Die Wärterin hinter der Szene: Fräulein!

Ich komme; gleich! – Doch meinst du es nicht gut,

So bitt ich dich …

Die Wärterin hinter der Szene: Fräulein!

Im Augenblick: ich komme! –

… Hör auf zu werben, lass mich meinem Gram!

Ich sende morgen früh –

romeo: Beim ew’gen Heil –

julia: Nun tausend gute Nacht! Geht zurück.

romeo: Raubst du dein Licht ihr, wird sie bang durchwacht.

Wie Knaben aus der Schul, eilt Liebe hin zum Lieben,

Wie Knaben an ihr Buch, wird sie hinweggetrieben.

Er entfernt sich langsam.

julia erscheint wieder am Fenster.

julia: St! Romeo, st! O eines Jägers Stimme,

Den edlen Falken wieder herzulocken!

Abhängigkeit ist heiser, wagt nicht laut

Zu reden, sonst zersprengt ich Echos Kluft

Und machte heisrer ihre luft’ge Kehle

Als meine mit dem Namen Romeo.

romeo umkehrend:Mein Leben ist’s, das meinen Namen ruft.

Wie silbersüß tönt bei der Nacht die Stimme

Der Liebenden, gleich lieblicher Musik

Dem Ohr des Lauschers!

julia: Romeo!

romeo: Mein Fräulein?

julia: Um welche Stunde soll ich morgen schicken?

romeo: Um neun.

julia: Ich will nicht säumen; zwanzig Jahre

Sind’s bis dahin. Doch ich vergaß, warum

Ich dich zurückgerufen.

romeo: Lass hier mich stehn, derweil du dich bedenkst.

julia: Auf dass du stets hier weilst, werd ich vergessen,

Bedenkend, wie mir deine Näh so lieb.

romeo: Auf dass du stets vergessest, werd ich weilen,

Vergessend, dass ich irgend sonst daheim.

julia: Es tagt beinah, ich wollte nun, du gingst;

Doch weiter nicht, als wie ein tändelnd Mädchen

Ihr Vögelchen der Hand entschlüpfen lässt,

Gleich einem Armen in der Banden Druck,

Und dann zurück ihn zieht am seidnen Faden;

So liebevoll missgönnt sie ihm die Freiheit.

romeo: Wär ich dein Vögelchen!

julia: Ach wärst du’s, Lieber!

Doch hegt und pflegt ich dich gewiss zu Tod.

Nun gute Nacht! So süß ist Trennungswehe,

Ich rief wohl gute Nacht, bis ich den Morgen sähe.

Sie geht zurück.

romeo: Schlaf wohn auf deinem Aug, Fried in der Brust!

O wär ich Fried und Schlaf und ruht in solcher Lust!

Ich will zur Zell des frommen Vaters gehen,

Mein Glück ihm sagen und um Hilf ihn flehen. Ab.

Dritte Szene

Ein Klostergarten.

bruder lorenzo mit einem Körbchen.

lorenzo: Der Morgen lächelt froh der Nacht ins Angesicht

Und säumet das Gewölk im Ost mit Streifen Licht.

Die matte Finsternis flieht wankend, wie betrunken,

Von Titans Pfad, besprüht von seiner Rosse Funken.

Eh höher nun die Sonn ihr glühend Aug erhebt,

Den Tau der Nacht verzehrt und neu die Welt belebt,

Muss ich dies Körbchen hier voll Kraut und Blumen lesen;

Voll Pflanzen gift’ger Art und diensam zum Genesen.

Die Mutter der Natur, die Erd, ist auch ihr Grab,

Und was ihr Schoß gebar, sinkt tot in ihn hinab.

Und Kinder mannigfalt, so all ihr Schoß empfangen,

Sehn wir, gesäugt von ihr, an ihren Brüsten hangen;

An vielen Tugenden sind viele drunter reich,

Ganz ohne Wert nicht eins, doch keins dem andern gleich.

Oh, große Kräfte sind’s, weiß man sie recht zu pflegen,

Die Pflanzen, Kräuter, Stein’ in ihrem Innern hegen.

Was nur auf Erden lebt, da ist auch nichts so schlecht,

Dass es der Erde nicht besondern Nutzen brächt.

Doch ist auch nichts so gut, das, diesem Ziel entwendet,

Abtrünnig seiner Art, sich nicht durch Missbrauch schändet.

In Laster wandelt sich selbst Tugend, falsch geübt,

Wie Ausführung auch wohl dem Laster Würde gibt.

Die kleine Blume hier beherbergt gift’ge Säfte

In ihrer zarten Hüll und milde Heilungskräfte!

Sie labet den Geruch und dadurch jeden Sinn;

Gekostet, dringt sie gleich zum Herzen tötend hin.

Zwei Feinde lagern so im menschlichen Gemüte

Sich immerdar im Kampf: verderbter Will und Güte;

Und wo das Schlechtre herrscht mit siegender Gewalt,

Dergleichen Pflanze frisst des Todes Wurm gar bald.

romeo tritt auf.

romeo: Mein Vater, guten Morgen!

lorenzo: Sei der Herr gesegnet!

Wes ist der frühe Gruß, der freundlich mir begegnet?

Mein junger Sohn, es zeigt, dass wildes Blut dich plagt,

Dass du dem Bett so früh schon Lebewohl gesagt.

Die wache Sorge lauscht im Auge jedes Alten,

Und Schlummer bettet nie sich da, wo Sorgen walten.

Doch da wohnt goldner Schlaf, wo mit gesundem Blut

Und grillenfreiem Hirn die frische Jugend ruht.

Drum lässt mich sicherlich dein frühes Kommen wissen,

Dass innre Unordnung vom Lager dich gerissen.

Wie? oder hätte gar mein Romeo die Nacht

(Nun rat ich’s besser) nicht im Bette hingebracht?

romeo: So ist’s, ich wusste mir viel süßre Ruh zu finden.

lorenzo: Verzeih die Sünde Gott! Warst du bei Rosalinden?

romeo: Bei Rosalinden, ich? Ehrwürd’ger Vater, nein!

Vergessen ist der Nam und dieses Namens Pein.

lorenzo: Das ist mein wackrer Sohn! Allein wo warst du? sage!

romeo: So hör; ich spare gern dir eine zweite Frage.

Ich war bei meinem Feind auf einem Freudenmahl,

Und da verwundete mich jemand auf einmal.

Desgleichen tat ich ihm, und für die beiden Wunden

Wird heil’ge Arzenei bei deinem Amt gefunden.

Ich hege keinen Groll, mein frommer, alter Freund:

Denn sieh! zustatten kommt die Bitt auch meinem Feind.

lorenzo: Einfältig, lieber Sohn! Nicht Silben fein gestochen!

Wer Rätsel beichtet, wird in Rätseln losgesprochen.

romeo: Sowiss einfältiglich: ich wandte Seel und Sinn

In Lieb auf Capulets holdsel’ge Tochter hin.

Sie gab ihr ganzes Herz zurück mir für das meine,

Und uns Vereinten fehlt zum innigsten Vereine

Die heil’ge Trauung nur: doch wie und wo und wann

Wir uns gesehn, erklärt und Schwur um Schwur getan,

Das alles will ich dir auf unserm Weg erzählen;

Nur bitt ich, will’ge drein, noch heut uns zu vermählen.

lorenzo: O heiliger Sankt Franz! Was für ein Unbestand!

Ist Rosalinde schon aus deiner Brust verbannt,

Die du so heiß geliebt? Liegt junger Männer Liebe

Denn in den Augen nur, nicht in des Herzens Triebe?

O heiliger Sankt Franz! wie wusch ein salzig Nass

Um Rosalinden dir so oft die Wange blass!

Und löschen konnten doch so viele Tränenfluten

Die Liebe nimmer dir: sie schürten ihre Gluten.

Noch schwebt der Sonn ein Dunst von deinen Seufzern vor

Dein altes Stöhnen summt mir noch im alten Ohr.

Sieh, auf der Wange hier ist noch die Spur zu sehen

Von einer alten Trän, die noch nicht will vergehen.

Und warst du je du selbst, und diese Schmerzen dein,

So war der Schmerz und du für Rosalind allein.

Und so verwandelt nun? Dann leide, dass ich spreche:

Ein Weib darf fallen, wohnt in Männern solche Schwäche.

romeo: Oft schmältest du mit mir um Rosalinden schon.

lorenzo: Weil sie dein Abgott war; nicht, weil du liebtest, Sohn.

romeo: Und mahntest oft mich an, die Liebe zu besiegen.

lorenzo: Nicht um in deinem Sieg der zweiten zu erliegen.

romeo: Ich bitt dich, schmäl nicht! Sie, der jetzt mein Herz gehört,

Hat Lieb um Liebe mir und Gunst um Gunst gewährt.

Das tat die andre nie.

lorenzo: Sie wusste wohl, dein Lieben

Sei zwar ein köstlich Wort, doch nur in Sand geschrieben.

Komm, junger Flattergeist! Komm nur, wir wollen gehn;

Ich bin aus einem Grund geneigt, dir beizustehn:

Vielleicht dass dieser Bund zu großem Glück sich wendet

Und eurer Häuser Groll durch ihn in Freundschaft endet.

romeo: O lass uns fort von hier! Ich bin in großer Eil.

lorenzo: Wer hastig läuft, der fällt; drum eile nur mit Weil.

Beide ab.

Vierte Szene

Eine Straße.

benvolio und mercutio kommen.

mercutio: Wo Teufel kann der Romeo stecken? Kam er heute Nacht nicht nach Hause?

benvolio: Nach seines Vaters Hause nicht; ich sprach seinen Bedienten.

mercutio: Ja, dies hartherz’ge Frauenbild, die Rosalinde,

Sie quält ihn so, er wird gewiss verrückt.

benvolio: Tybalt, des alten Capulet Verwandter,

Hat dort ins Haus ihm einen Brief geschickt.

mercutio: Eine Herausforderung, so wahr ich lebe.

benvolio: Romeo wird ihm die Antwort nicht schuldig bleiben.

mercutio: Auf einen Brief kann ein jeder antworten, wenn er schreiben kann.

benvolio: Nein, ich meine, er wird dem Briefsteller zeigen, dass er Mut hat, wenn man ihm so was zumutet.

mercutio: Ach, der arme Romeo! Er ist ja schon tot! durchbohrt von einer weißen Dirne schwarzem Auge; durchs Ohr geschossen mit einem Liebesliedchen; seine Herzensscheibe durch den Pfeil des kleinen blinden Schützen mitten entzweigespalten. Ist er der Mann ­da­nach, es mit dem Tybalt aufzunehmen?

benvolio: Nun, was ist Tybalt denn Großes?

mercutio: Kein papierner Held, das kann ich dir sagen. Oh, er ist ein beherzter Zermonienmeister der Ehre. Er ficht, wie ihr ein Liedlein singt; hält Takt und Maß und Ton. Er beobachtet seine Pausen: eins – zwei – drei: Dann sitzt euch der Stoß in der Brust. Er bringt euch einen seidnen Knopf unfehlbar ums Leben. Ein Raufer! ein Raufer! Ein Ritter vom ersten Range, der euch alle Gründe eines Ehrenstreits an den Fingern herzuzählen weiß. Ach, die göttliche Passade! die doppelte Finte! Der!

benvolio: Der – was?

mercutio: Der Henker hole diese fantastischen, gezierten lispelnden Eisenfresser! Was sie für neue Töne anstimmen! – »Eine sehr gute Klinge!« – »Ein sehr wohlgewachsner Mann!« – »Eine sehr gute Hure!« – Ist das nicht ein Elend, Urältervater! dass wir mit diesen ausländischen Schmetterlingen heimgesucht werden, mit diesen Modenarren, diesen Pardonnez-moi, die so stark auf neue Weise halten, ohne jemals weise zu werden?

romeo tritt auf.

benvolio: Da kommt Romeo, da kommt er!

mercutio: Ohne seinen Rogen, wie ein gedörrter ­Hering. O Fleisch! Fleisch! wie bist du verfischt worden? Nun liebt er die Melodien, in denen sich Petrarca ergoss; gegen sein Fräulein ist Laura nur eine Küchenmagd – Pah! sie hatte nur einen bessern Liebhaber, um sie zu bereimen; Dido, eine Trutschel; Kleopatra, eine Zigeunerin; Helena und Hero, Metzen und lose Dirnen; Thisbe, ein artiges Blauauge oder sonst so was, will aber nichts vorstellen. Signor Romeo, bon jour! Da habt Ihr einen französischen Gruß für Eure franzö­sischen Pumphosen! Ihr spieltet uns diese Nacht einen schönen Streich.

romeo: Guten Morgen, meine Freunde! Was für einen Streich?

mercutio: Einen Diebesstreich. Ihr stahlt Euch unver­sehens davon.

romeo: Verzeihung, guter Mercutio. Ich hatte etwas Wichtiges vor, und in einem solchen Falle tut man wohl einmal der Höflichkeit Gewalt an.

[Lücke von etwa 25 Zeilen: unübersetzbare Wortspiele.]

mercutio: Wie nun? Du sprichst ja ganz menschlich. Wie kommt es, dass du auf einmal deine aufgeweckte Zunge und deine muntern Augen wiedergefunden hast? So hab ich dich gern. Ist das nicht besser als das ewige Liebesgekrächze?

[Kleinere Lücke.]

romeo: Seht den prächtigen Aufzug!

Die wärterin und peter hinter ihr.

mercutio: Was kommt da angesegelt?

benvolio: Zwei Segel: ein Mannshemd und ein Weiberrock.

wärterin: Peter!

peter: Was beliebt?

wärterin: Meinen Fächer, Peter!

mercutio: Gib ihn ihr, guter Peter, um ihr Gesicht zu verstecken. Ihr Fächer ist viel hübscher als ihr Gesicht.

wärterin: Schönen guten Morgen, ihr Herren!

mercutio: Schönen guten Abend, schöne Dame!

wärterin: Warum guten Abend?

mercutio: Allerdings, versichre ich Euch; denn der kupplerische Zeiger der Sonnenuhr hat Mittag schon überschritten.

wärterin: Pfui, was ist das für ein Mensch?

romeo: Einer, gute Frau, den Gott dazu geschaffen hat, sich selbst zu verderben.

wärterin: Schön gesagt, bei meiner Seele! »Sich selbst zu verderben!« Ganz recht! Aber, ihr Herren, kann mir keiner von euch sagen, wo ich den jungen Romeo finde?

romeo: Ich kann’s Euch sagen; aber der junge Romeo wird älter sein, wenn Ihr ihn gefunden habt, als er war, da Ihr ihn suchtet. Ich bin der Jüngste, der den Namen führt, weil kein schlechterer da war.

wärterin: Gut gegeben.

mercutio: So? ist das Schlechteste gut gegeben? nun wahrhaftig: gut begriffen! sehr vernünftig!

wärterin: Wenn Ihr Romeo seid, mein Herr, so wünsche ich Euch insgeheim zu sprechen.

benvolio: Sie wird ihn irgendwohin auf den Abend bitten.

mercutio: Eine Kupplerin! eine Kupplerin! Ho, ho!

romeo: Was witterst du?

mercutio: Keinen Hasen, Freund; höchstens einen Hasen in einer Fastenpastete, die schon etwas abgestanden und schimmelig ist, ehe sie aufgetischt wird.

Singt: Ein Hase alt und grau

Und ein Hase alt und grau

Ist gutes Fleisch zur Fastenzeit.

Doch ein Has, von Schimmel gräulich,

Das ist ganz abscheulich,

Schimmelt er, eh er so weit.

Romeo, kommt zu Eures Vaters Hause, wir wollen zu Mittag da essen.

romeo: Ich komme euch nach.

mercutio: Lebt wohl, alte Schöne! Lebt wohl, o Schöne! – Schöne! – Schöne!

Benvolio und Mercutio gehen ab.

wärterin: Sagt mir doch, was war das für ein unverschämter Gesell, der nichts als Schelmstücke im Kopfe hatte?

romeo: Jemand, der sich selbst gern reden hört, meine gute Frau, und der in einer Minute mehr spricht, als er in einem Monate verantworten kann.

wärterin: