Wir sind für die Ewigkeit - Hoffnung - Astrid Töpfner - E-Book
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Astrid Töpfner

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Beschreibung

Januar 1939: Barcelona steht kurz vor der Einnahme durch Francos Truppen. Mercedes flieht mit ihrem zehnjährigen Bruder in Richtung Frankreich, doch im Chaos des Flüchtlingsstroms verliert sie ihn aus den Augen. Mit Hilfe des charismatischen Agustí sucht sie Felix – vergeblich. Hin- und hergerissen zwischen ihren aufkeimenden Gefühlen für Agustí und der Verzweiflung über den Verlust von Heimat und Familie, beginnt für Mercedes eine lange Reise ins Ungewisse, geprägt von den Entbehrungen der Nachkriegszeit, Verlusten und Intrigen, Widerstand und Aufstand, aber immer geleitet von der Hoffnung auf ein besseres Leben./


Der erste Teil der berührenden und spannenden Spanien-Saga-Trilogie! Eine fiktive Familiensaga, die unter die Haut geht, eng verknüpft mit den historischen Ereignissen der Zeit./


SIEGERTITEL DES SKOUTZ-AWARDS IN DER KATEGORIE HISTORISCH/

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis
1. Ein Fluss aus dunklen Gedanken
2. Nebel über dem Meer
3. Luftkampf, Herzenskampf
4. Sand, überall
5. Und über dem Strand hing Rauch
6. Freiheit, süße Freiheit!
7. Felicidad bedeutet Glück
8. Der saubere Duft von Seife
9. Worte wie Splitter im Herzen
10. So fühlt es sich also an zu sterben
11. Grau ist keine Farbe
12. Ein Leben neu malen
13. Alte, neue Heimat
14. Schlaraffenland
15. Das Ende des Sturms
16. Eine Welle aus Glas, zerschellt
17. Etwas, das nicht mehr ist, kehrt zurück
18. Meerjungfrauengesang
19. Es könnte alles gut werden
20. Ist es zu spät, amor?
21. Hotel del Mar oder die Schuld bleibt draußen
22. Wenn die Wahrheit besser Lüge bliebe
23. Sie waren für die Ewigkeit
Epilog
Teaser Band 2
Nachwort & Danksagung
Über die Autorin
Weitere Bücher der Autorin:
Die verschwundenen Jahre
Bis wir unsere Stimme finden
Bevor uns die Luft ausgeht
Die Frau des Spatzen
Dort, wo die Feuer brennen
Wenn Schmetterlinge fliegen lernen
Impressum

An all die starken Frauen

KAPITEL 1

Ein Fluss aus dunklen Gedanken

Barcelona, 27. Januar 1939

»Flieht!«

Der Ruf ihres Vaters hallte immer noch in Mercedes’ Ohren, seine letzten Worte, dann war er abgeführt worden. Nicht einmal vierundzwanzig Stunden waren seitdem vergangen. Mit zitternder Hand zog sie die Haustür hinter sich zu. Wann würden sie zurückkehren? Sie drückte ihrer schluchzenden Mutter die Tasche mit dem Proviant in die Hand – ein Brotlaib, ein großes Stück getrockneter Schinken, eine Flasche Olivenöl. Drei Äpfel, für jeden einen, sowie eine Handvoll Nüsse. Ein Messer, in eine Leinenserviette gewickelt. Sie selbst nahm den Lederkoffer, in dem sich einige Kleidungsstücke, Decken und das Hochzeitsfoto ihrer Eltern befanden, das ihre Mutter in letzter Sekunde dazugelegt hatte. Felix, ihr zehnjähriger Bruder, hatte instinktiv nach der kleinen Holzente gegriffen, die Vater für ihn geschnitzt hatte, und hielt sie nun fest in seiner Faust, so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Mercedes hingegen dachte wie immer praktisch und zog zusätzlich zu ihrem Mantel noch den ihres Vaters darüber. War das alles, was ihnen von ihm bleiben würde? Die Kälte des Januartages schlug ihr mit voller Kraft ins Gesicht, aber es war die Kälte in ihrem Inneren, die sie frösteln ließ. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Vater, ein angesehener Kinderarzt, sich etwas Schwerwiegendes hatte zuschulden kommen lassen, und doch war er verhaftet worden. Was wusste sie mit ihren sechzehn Jahren schon? Aber der aufgelöste Zustand ihrer Mutter beschwor eine Angst in Mercedes herauf, die ihrem klaren Verstand einen rostigen Riegel vorschob.

Orientierungslos stand sie vor dem Haus auf der Straße. Wohin nun? Die etwas erhöhte Lage gewährte Mercedes einen Blick auf die Stadt. Rauch lag immer noch über dem Hafen; die Bombardierung hatte die Stadt während der letzten Tage und Nächte in Atem gehalten. Apokalypse und Schutt und Asche. Irgendwo dort unten, dachte Mercedes grimmig, saßen der Generalísimo Franco und seine Entourage und beglückwünschten sich gegenseitig zur Einnahme der Stadt. Tränen stiegen ihr in die Augen. Ihr wunderschönes Barcelona, geschunden und geschlagen. Aber noch war der Krieg nicht verloren, sagte sie sich und straffte ihre Schultern. Noch gab es Hoffnung. Bald würden sie zurückkommen. Vater in die Arme schließen können. Ihr Leben in Frieden weiterleben können. Und bis es so weit war, würden sie eben in Figueres ausharren, bei oncle Jaume, dem Bruder ihres Vaters.

»Felix«, rief sie ihren Bruder zu sich. »Bleib immer an meiner Seite. Mare«, sie drückte ihrer Mutter einen Kuss auf die feuchte Wange. »Wir müssen jetzt gehen. Vinga, anem.«

 

Mit jedem Schritt, den sich Mercedes von ihrem Haus entfernte, entfernte sie sich einen Schritt von allem, was ihr lieb und teuer war. Ein Schritt – ihr geliebtes Klavier. Noch ein Schritt – ihre Bücher. Ein Schritt – ihre beiden Katzen, die sie in den Garten gescheucht hatte, damit sie sich ihr Essen für die nächsten paar Tage allein jagen konnten. Nächster Schritt – ihre Freundinnen. Noch ein Schritt – die Schule, so sehr sie auch immer gestöhnt hatte. Nur mühsam bekam sie Luft durch die eng gewordene Kehle, aber sie unterdrückte den Drang, aufzuschluchzen. Stattdessen nahm sie die Hand ihres Bruders. Alles würde gut werden.

Schon bald merkte sie, dass sie nicht die Einzigen waren, die die Stadt verlassen wollten. Die Straße in Richtung Norden war voller Menschen, die, je nachdem wie lange sie bereits unterwegs waren, noch forsch marschierten oder müde schlurften. Ein Fluss aus dunklen Mänteln und dunklen Gedanken, die über den Köpfen der Menge schwebten wie unheilverkündende Krähen. Einige zogen kleine Handwagen mit Kindern oder Gepäck. Andere schleppten sogar Matratzen mit sich mit. Es gab Autos, die sich mit wildem Gehupe versuchten, Platz zu schaffen, und Laster mit zehn oder zwanzig Personen auf der Ladefläche, die nur wenig schneller als im Schritttempo vorwärtstuckerten. Die Abgase reizten Mercedes’ Hals, aber es war die Trostlosigkeit, die ihr die Luft abschnitt, und für einen Augenblick verlangsamten sich ihre Schritte, überwältigt von der Aufgabe, die vor ihnen lag. In Gedanken kalkulierte Mercedes, wie lange sie bis Figueres unterwegs sein würden. Zwei Tage? Oder drei? Der Koffer wog schwer, so schwer wie das Leben ihrer Familie. Sie musste ihn alle paar Minuten absetzen, um ihn von einer eiskalten Hand zur anderen und dabei Felix ebenfalls von einer Seite zur anderen zu wechseln. Der Kleine hatte seit gestern kein Wort mehr gesprochen und stolperte mit gesenktem Kopf neben ihr her.

»Vols una poma, Felix?«, fragte sie ihn auf Katalanisch. Wieder setzte sie den Koffer ab, dieses Mal, um ihre Mutter am Ärmel zu zupfen, damit sie stehen blieb. Mercedes griff in die Provianttasche und holte einen Apfel heraus. Aber Felix schüttelte den Kopf. Um seine Mundwinkel zuckte es verräterisch.

»Pare«, flüsterte er. Vater. Das Wort verpuffte in einer kleinen, kalten Wolke vor seinem Mund. Ihre Mutter begann zu schluchzen. Mercedes presste die Lippen zusammen und schloss für einen Moment die Augen.

»Wir werden Vater bald wiedersehen«, versprach sie ihm und versuchte dabei, das Weinen ihrer Mutter auszublenden. Sich nicht davon anstecken zu lassen, egal, wie sehr sie eigentlich weinen wollte. Nichts wollte sie gerade mehr, als sich einfach auf den Boden setzen und weinen, die Angst aus sich herausfließen lassen und sich danach leichter fühlen. Aber ändern würde es nichts an ihrer Situation. Wenn ihre Mutter es schon nicht konnte, musste zumindest sie einen klaren Kopf behalten. Es ging schließlich nur darum, der Menge zu folgen, das sollte wohl zu schaffen sein, sprach sie sich selbst Mut zu und legte ein forsches Tempo vor, um gleichzeitig gegen die Kälte und die Zeit und die Angst anzukämpfen. Außenstehende mussten denken, sie führte einen Tanz auf: Zehn Meter Marschschritt, stehen bleiben, Koffer von links nach rechts schwingen, Felix von rechts nach links wechseln, und weiter. Dabei redete sie ohne Unterbrechung auf ihren kleinen Bruder ein. »Schau mal, Felix, da hat jemand ein Rad liegen gelassen. Schau mal, Felix, dort vorne, die haben ein Schwein dabei. Sieh doch, die Frau balanciert ihr Gepäck auf dem Kopf! Felix, erinnerst du dich denn noch an Onkel Jaumes lustige Nase? Letztes Mal hat er uns Schleckwaren gekauft, erinnerst du dich?« Sie erzählte ihm die Abenteuer von Don Quichotte, die ihm sonst so gefielen, rezitierte ihre Lieblingsgedichte von Antonio Machado und Miguel de Unamuno. Versuchte, irgendwie eine minimale Regung auf sein Gesicht zu zaubern, aber seine Züge waren erstarrt. Irgendwann gingen ihr die Strophen aus, wurden die Pausen zwischen den Geschichten länger, die Schritte kürzer. Hinter sich hörte Mercedes ihre Mutter murmeln. Wüsste sie es nicht besser, würde sie meinen, sie betete.

Auf einmal kam in der Menschenmenge Unruhe auf. Mercedes beobachtete verwirrt, wie einige Leute die Straße verließen und sich ins Gebüsch schlugen. Der Laster vor ihnen hielt an. Die Menschen zeigten in den Himmel, schrien wild durcheinander und sprangen von der Ladefläche. All ihr Hab und Gut blieb zurück.

»Flugzeuge!«, rief nun auch ihre Mutter mit schriller Stimme. Mercedes sah nach oben. Aasgeiern gleich zogen hoch über ihnen zwei Flugzeuge ihre Kreise. Felix begann zu weinen.

»Unter den Wagen«, schrie Mercedes und schubste ihren Bruder zu Boden. Ihre Mutter ließ die Provianttasche fallen – klirrend zerbrach die Ölflasche – und krabbelte zu ihnen. Mercedes atmete hektisch, zu schnell, zu flach, als dass wirklich Luft in ihre Lungen gelangen konnte. Beruhigen, beruhigen, befahl sie sich, atmen, atmen. Die Flugzeuge würden bestimmt nicht auf Zivilisten schießen. Eine gespenstische Stille lag über der Straße, als ob alle für ein paar Sekunden die Luft anhalten würden. Das Öl durchtränkte langsam die Tasche vor ihnen und eine dunkle Lache breitete sich auf der staubigen Straße aus.

 

Nach wenigen Minuten war der Spuk vorbei, die Flugzeuge davongeflogen, ohne einen Schuss abgegeben zu haben. Erst jetzt bemerkte Mercedes, dass sie einen Stein umklammerte, sie konnte sich nicht daran erinnern, ihn in die Hand genommen zu haben. Wahrscheinlich hatte er hier vor ihr gelegen, einer von vielen. Es lagen überall kleine Steine auf der Straße, und sie hatte sich an ihm festgeklammert, als ob er ihr Halt geben könnte. Sie wünschte sich, es wäre die Hand ihres Vaters, die sie hielt, und sie musste die Augen zusammenkneifen und noch einmal, zweimal tief und langsam einatmen und ausatmen. Sie wollte einfach nur nach Hause. Warum bloß waren sie nicht geblieben? Felix neben ihr klapperte mit den Zähnen. Sie krochen unter dem Wagen hervor. Mercedes öffnete den Koffer und wickelte ihren Bruder in eine der Decken, gab ihrer Mutter eine zweite. Dann begutachtete sie den Schaden an ihrem Proviant. Das Brot hatte sich mit Öl vollgesaugt und war ganz schwammig. Niedergeschlagen warf sie es in die Büsche und schickte ihm die Glasscherben gleich hinterher. Auch die Tasche tropfte ölig. So gut es eben ging, wischte Mercedes sie mit trockenen Blättern aus, legte Schinken und Nüsse wieder hinein. Zwei der Äpfel sahen noch gut aus, der dritte war aufgeplatzt. Sie hielt ihn Felix hin, aber der schüttelte stumm den Kopf, also biss sie in eine Hälfte und gab ihrer Mutter die andere. Der Apfel war mehlig und schmeckte nach Oliven, und eigentlich hätte sie ihn am liebsten zu den Scherben ins Gebüsch geworfen, aber sie würgte ihn hinunter. Satt war sie danach trotzdem nicht.

Der Menschenstrom um sie herum setzte sich wieder in Bewegung. Aus dem Augenwinkel nahm Mercedes wahr, wie sich eine vermummte Person dem Laster näherte, kurz innehielt und dann zögerlich die Hand ausstreckte und am Riemen eines Rucksacks zog, der über die Ladefläche hinaushing.

»He!«, rief sie bestimmt und trat einen Schritt auf die Gestalt zu. Sofort ließ diese – ein Mann, wie Mercedes nun erkannte – die Tasche los und rannte davon.

»Danke«, ertönte es hinter ihr. Sie wirbelte herum. Ein junger Mann stand vor ihr. Mercedes schirmte die Augen vor der tief stehenden Januarsonne ab. Nicht, dass sie ihn dadurch viel besser erkennen könnte. Und doch fühlte sich seine Stimme, seine Silhouette vertraut an. »Das ist mein Rucksack. Danke, dass du ihn verteidigt hast.« Mit diesen Worten schwang er sich auf die Ladefläche. »Und ein kleiner Ratschlag für nächstes Mal: Versteckt euch nie unter einem Wagen. Die Fahrzeuge nehmen sie immer als Erstes ins Visier.«

Nächstes Mal? Ohne es zu wollen, suchte sie bereits den Himmel ab, aber da war nichts außer einer blauen Leinwand mit einigen trügerisch friedlichen Wolkentupfern. »Aber …« Sie schüttelte den Kopf, als ob sie sich selbst davon überzeugen wollte, dass sie ihn falsch verstanden hatte. »Aber warum sollten sie auf Zivilisten schießen?«

Die anderen Mitfahrer drängten sich an ihr vorbei auf den Laster, der Motor startete tuckernd.

»Weil wir der Feind sind, Kleine.«

 

Die Fahrzeuge kamen nur langsam voran, aber trotzdem verlor Mercedes den Laster nach einiger Zeit aus den Augen. Der junge Mann hingegen spukte ihr weiterhin im Kopf herum. Sie war sich sicher, ihn noch nie gesehen zu haben. Und ihn doch zu kennen. Aber wahrscheinlich hatte ihr die Angst nur einen Streich gespielt. Oder der Durst. In dem ganzen Durcheinander hatten sie nichts zu trinken mitgenommen. Mercedes hatte gedacht, vielleicht an Brunnen vorbeizukommen, was für eine naive Idee, schalt sie sich jetzt. Hin und wieder passierten sie Autos, die verwaist am Straßenrand standen; ihnen musste der Treibstoff ausgegangen sein. In einigen der Fahrzeuge saßen immer noch Menschen, zu erschöpft, um weiterzugehen. Es dämmerte bereits, die Kälte riss Mercedes in ihre eisige Umarmung. Felix torkelte mit halb geschlossenen Augen neben ihr her; bei jedem Stolpern verlor auch sie das Gleichgewicht. Ihr Gesicht spürte sie seit Stunden nicht mehr. Ihre Füße dafür umso mehr.

»Wir müssen … wir müssen …« Die Zähne ihrer Mutter klapperten dermaßen, dass sie kaum sprechen konnte. »Halt machen. Essen. Ausruhen.«

Vom Meer her drangen dumpfe Schüsse, bei jedem zuckte Mercedes zusammen. Mittlerweile wussten sie, dass sie auch vom Wasser her beschossen wurden, aber die Schiffe waren zu weit weg, um sie zu treffen. Wahrscheinlich ging es ihnen auch gar nicht darum, sie zu treffen. Vielleicht aber doch. Diese allgegenwärtige Bedrohung zermürbte Mercedes zunehmend. Wäre sie allein unterwegs, sie würde die ganze Nacht durchmarschieren, um so rasch wie möglich nach Figueres zu gelangen. Ein Blick auf ihren zitternden Bruder jedoch überzeugte sie davon, dass eine Pause erforderlich war. Trotz der einbrechenden Dunkelheit marschierten nach wie vor viele weiter, andere saßen oder lagen erschöpft am Straßenrand. Mercedes bereute es, nicht beim letzten verlassenen Fahrzeug angehalten zu haben, um sich dort für die Nacht einzurichten. Sie teilte das Gebüsch, das neben der Straße wuchs. In einiger Distanz erblickte sie etwas, das wie ein kleines Gebäude aussah. Vielleicht würden sie dort Unterschlupf finden, um der Kälte zu entgehen? Behutsam, um niemanden sonst darauf aufmerksam zu machen, schob sie Felix und ihre Mutter durch die Büsche. Sie fühlte sich schäbig dabei, dachte an den alten einbeinigen Mann, der sich mühsam auf Krücken vorwärtsbewegt hatte, an die Mutter mit zwei kleinen Kindern, noch kleiner als sie, die am Straßenrand gesessen hatten, weinend vor Erschöpfung. Aber wie auf Kommando fing Felix an zu wimmern und seine Knie knickten ein.

»Vinga, Felix, només una mica més! Nur noch ein kleines Stückchen!« Der Junge setzte sich auf den Boden und schluchzte haltlos. Ratlos sah Mercedes ihre Mutter an. Aber die starrte auf einen Punkt irgendwo im Nichts, ohne auf das Weinen ihres Sohnes zu reagieren. Kurz entschlossen drückte Mercedes ihr den Koffer in die Hand, ging in die Knie und lud sich Felix auf den Rücken. Sie keuchte auf unter dem Gewicht des Zehnjährigen und jeder Schritt über das unebene Feld war ein Straucheln und Schwanken. Aber sie würde ihren Bruder nicht hier draußen schlafen lassen. Unter keinen Umständen.

Das Gebäude entpuppte sich als kleine Steinhütte, in der irgendwann vermutlich Ziegen oder Schafe untergebracht gewesen waren. Vorsichtig drückte Mercedes die verwitterte Holztür auf, aber sie ließ sich nur einen Spalt breit öffnen, bevor sie auf Widerstand stieß.

»Hier ist kein Platz mehr«, zischte eine Frauenstimme. Als wäre sie auf eine Schlange getreten, sprang Mercedes zurück. Wie hatte sie nur denken können, dass die Hütte unbesetzt war? Ihre Mutter starrte unglücklich auf den Boden. Ärger wallte in Mercedes hoch. Musste sie wirklich alles selbst in die Hand nehmen?

Beherzt klopfte sie an die Tür. »Si us plau, bitte, wir haben ein kleines Kind bei uns.« War sie nicht selbst noch ein Kind?

Eine leise Diskussion begann. Mit jedem Wortwechsel im Inneren fiel die Temperatur im Freien um ein Grad. Ihr Atem wolkte weiß gegen die einbrechende Nacht, und obwohl Mercedes den Mantel ihres Vaters ganz eng um sich zog, steckte die Kälte in jedem einzelnen Knochen, so kalt wie Eiszapfen, die jederzeit zerbrechen konnten. Schließlich machte sich jemand an der Tür zu schaffen.

»Rein mit euch. Kein Lärm. Ihr könnt in der Ecke hier schlafen.« Es war stockfinster in der Hütte, und es roch scharf nach menschlichen Ausdünstungen, Urin und Angst. Der Mann, der sie hereingelassen hatte, ergriff sie am Ellbogen und lenkte sie, so gut wie möglich, über Arme und Beine. Mercedes konnte nicht abschätzen, wie viele Personen sich in der Unterkunft befanden, aber die Körper strahlten genug Wärme ab, um die Kälte erträglicher zu machen. Auf jeden Fall in der Mitte des Raumes. Je näher man an der Wand lag, desto kälter war es. Neidisch dachte sie an die Leute, die trotz der Strapazen eine Matratze mitschleppten. Ihnen hingegen blieb nichts anderes übrig, als eine der Decken auf dem Boden auszubreiten, und sich mit der zweiten und dem Mantel ihres Vaters, wie es eben ging, zuzudecken. Felix, zwischen ihr und ihrer Mutter gebettet, schlief sofort ein.

»Kannst du etwas vom Schinken abschneiden?«, fragte ihre Mutter mit so dünner Stimme, dass sie beinahe an Mercedes vorbeiwehte, bevor sie sie einfangen konnte. Wäre das nicht die Aufgabe einer Erwachsenen? Kommentarlos griff Mercedes nach der Provianttasche. Der Schinken war ganz schlüpfrig vom Olivenöl, das Messer auch. In der Dunkelheit würde sie sich eher den Finger abschneiden. Der Geruch des würzigen Fleisches brannte sich in ihren Magen, aber sie würde wieder mit einem Apfel vorliebnehmen müssen und drückte auch ihrer Mutter einen in die unsichtbare Hand. Er schmeckte nicht gut, löschte aber ein klein wenig das Durstgefühl.

Es herrschte ein ständiges Rascheln, Ächzen und Husten. Mercedes’ Gedanken hinkten müde durch die Ereignisse des Tages, bis sie bei ihrem Vater verweilten. Warum nur hatte er sie angewiesen, zu fliehen, und warum hatte Mutter darauf gedrängt, gleich am nächsten Tag, ohne jegliche Vorbereitung, das Haus zu verlassen? Sie könnten jetzt in ihren warmen Betten liegen, mit einem halbwegs vollen Bauch. Nie hatten die Erwachsenen mit ihr über Politik gesprochen. Wozu auch, sie war doch nur ein Kind. Ein Mädchen. Das Einzige, was sie zu verstehen glaubte, war, dass die Nationalisten die Bösen waren und die Republikaner die Guten. War das nicht so in einem Krieg? Gut gegen Böse? Und ihr Vater war nun in den Händen der Bösen. Mercedes drückte den Mantel an ihre Nase, in der Hoffnung, so seine Nähe herbeizuzaubern. Sie stellte sich vor, wie er ihr jetzt eine gute Nacht wünschen würde: das Kitzeln seines Schnauzers auf ihrer Wange, die warme Stimme, der vertraute Geruch nach Pomade und Rasierwasser. Aus einer Ecke hörte sie ein unterdrücktes Schluchzen wie ein Echo ihrer eigenen Gedanken. Jetzt, in der Dunkelheit, erlaubte auch sie ihrem Körper, auf die Ängste und die Erschöpfung zu antworten; lautlos liefen ihr die Tränen über die Wangen, bis sie wegdämmerte.

 

Ein eisiger Luftstrom weckte sie auf. Durch halb geschlossene Lider beobachtete Mercedes, wie drei dick eingemummte Gestalten in die Morgendämmerung verschwanden. In dem kurz einfallenden Licht konnte sie erkennen, dass sich noch mindestens zwanzig Frauen, Männer und Kinder in der Hütte befanden, in mehr oder weniger wachem Zustand. Sie hatte die ganze Nacht auf ihrem linken Arm geschlafen, er war ganz taub. Dumpfe Kopfschmerzen erinnerten sie daran, dass sie viel zu wenig getrunken und gegessen hatte. Auch der restliche Körper wollte ihr noch nicht gehorchen; der Rücken schmerzte vom kalten, harten Boden, die Füße und Beine fühlten sich geschwollen an vom langen Marschieren. Ihre Mutter stöhnte. Wenn es für Mercedes als junges Mädchen schon schwer war, die Kälte und die Anstrengung zu ertragen, wie musste es erst für sie sein?

Wieder verließ eine Gruppe die Unterkunft. Auf der anderen Seite der Mauer plätscherte es kurz, als jemand seine Notdurft verrichtete. Der penetrante Geruch erfüllte sofort den kleinen Raum. Auch sie verspürte einen Drang, aber ganz sicher würde sie dem nicht in der Nähe von so vielen Menschen nachgehen. Allein der Gedanke daran, mit Unbekannten im gleichen Raum geschlafen zu haben, verknotete nun ihren Magen. Oder war es der Hunger? Zärtlich strich sie Felix über die Stirn, um ihn aufzuwecken.

»Wo hast du den Sack mit dem Essen hingelegt?«, fragte ihre Mutter mit heiserer Stimme.

Mercedes tastete hinter sich, fand den Koffer, fand einen öligen Fleck. Aber keine Tasche. Ruckartig setzte sie sich auf, schob die Decke zur Seite und suchte im Halbdunkel den Weg zur Tür, ohne Rücksicht zu nehmen auf im Weg liegende Schlafende. Aber auch das Licht half nichts.

»Jemand hat unser Essen gestohlen!« Ihre Stimme überschlug sich. Felix begann zu weinen, ein Kleinkind stimmte mit ein. Jemand, wahrscheinlich der Vater, fluchte verhalten. »Unser Essen ist weg, unser Schinken«, wiederholte Mercedes leiser, konnte nur mühsam die Tränen zurückhalten. »Wer tut so etwas?« Sie blinzelte und suchte die Tasche zwischen den Mänteln und Decken und Leibern auf dem Boden. Aber natürlich waren die Diebe schon auf und davon. Niemand reagierte auf sie, aber wach waren nun alle, und ohne viel zu reden, verließen die meisten nach und nach die Hütte. Ihre Mutter lehnte apathisch an der Wand, ihr sonst zartes, liebevolles Gesicht glich seit zwei Tagen einer ausdruckslosen Maske. Ach, Mutter … Mercedes wollte sie umarmen, ihr sagen, dass sie nicht traurig zu sein brauchte. Bestimmt wäre dieser Albtraum in wenigen Tagen vorbei. Bestimmt würde sich Vaters Verhaftung als Missverständnis herausstellen und sie wären alle wieder beisammen. Aber ihr fehlte die Kraft.

Felix schniefte. »Tinc gana, ich habe Hunger!« Er wischte sich den Rotz an seinem Jackenärmel ab.

Es brach Mercedes das Herz, ihn so zu sehen. Sie blickte zu dem verbleibenden Paar, das gerade dabei war, ihre Decke zusammenzurollen. »Si us plau, bitte, haben Sie nicht ein klein wenig Brot für meinen Bruder übrig?« Ihre Wangen brannten. Bettelte sie gerade?

Die Frau seufzte und packte weiter.

»Er hat seit gestern Morgen nichts mehr gegessen«, fuhr Mercedes fort, als ob sie das Paar damit daran hindern wollte, aufzubrechen. »Unsere Ölflasche ist zerbrochen und das ganze Brot hat sich damit vollgesaugt und war voller Scherben, und am Abend waren wir zu müde, mein Bruder ist erst zehn, er muss etwas essen. Wir müssen doch nach Figueres.«

»Mercedes«, flüsterte ihre Mutter. »Deixa’ls. Lass sie in Ruhe.« Die eben so zärtlich besorgten Gedanken ihr gegenüber machten wieder dem Ärger über die Untätigkeit ihrer Mutter Platz. Wieso ließ sie all das über sich ergehen?

Entsetzt sah sie, wie sich Felix den Daumen in den Mund steckte, etwas, was er nicht mehr getan hatte, seit er ein Baby gewesen war. In seiner Faust hielt er immer noch die Holzente.

Wieder seufzte die Frau und stand auf, ohne sie anzublicken. Der Mann aber blieb sitzen.

»Warum nur bis Figueres?«, fragte er.

»Mein Onkel wohnt dort, wir wollen bei ihm unterkommen, bis das alles hier vorüber ist.«

Der Mann lachte freudlos auf. »Das hier wird noch lange nicht vorbei sein, Kind. Es hat gerade erst angefangen, glaub mir.« Die Frau schlurfte grußlos an ihnen vorbei ins Freie. Der Mann schickte sich an, ihr zu folgen, blieb dann aber vor ihr stehen. Jetzt konnte sie sein Gesicht sehen – hager und schmutzig. Er kramte in seiner Manteltasche und reichte ihr ein daumengroßes Stück fuet, eine Hartwurst. Zögerlich nahm sie es und wusste in dem Moment nicht, weswegen sie sich mehr schämte: Weil sie gebettelt oder weil der Mann wahrscheinlich selbst kaum genug zu essen hatte.

Nicht weit von ihrem Nachtquartier, am Rand des Feldes, fanden sie endlich einen Brunnen. Der Eimer war verrostet und wies einige kleine Löcher auf, womit sich Mercedes erklärte, warum ihn noch niemand mitgenommen hatte. Sie musste ihn schnell hochziehen, um wenigstens eine halbe Ladung Wasser zu bekommen; es schwammen einige Eisstückchen drinnen, an denen Felix sofort zu lutschen begann. So etwas wie die Ahnung eines Lächelns erhellte sein Gesicht. Ihre Mutter, gänzlich unerwartet dem Instinkt ihrer Rolle folgend, warnte sie davor, zu viel des kalten Wassers zu trinken. »Ihr werdet Bauchweh bekommen.« Mercedes spritzte ihr etwas Wasser ins Gesicht. Ihre Mutter quietschte erschrocken auf, Felix ließ vor Lachen den Eiswürfel fallen. Es war das schönste Geräusch in Mercedes’ Ohren, sie aß sich satt daran. Als sie ihren Marsch wieder aufnahmen, waren ihre Hände rot von der Kälte, und sie konnte ihre Finger kaum bewegen. Aber immerhin hatte sie etwas im Magen. Wenn auch nur Wasser und Lachen.

KAPITEL 2

Nebel über dem Meer

Figueres, 28. Januar 1939

Wieder auf der Straße umfing sie die gedrückte Stimmung wie ein klebriges Spinnennetz. Je weiter sie voranschritten, umso kleiner wurde die Wahrscheinlichkeit, daraus entkommen zu können, dachte Mercedes und griff in einem plötzlichen Anflug von Panik nach Felix’ Hand. Sie verspürte das Bedürfnis, zu rennen, einfach wegrennen, raus aus diesem Strom eingemummter, hungriger und erschöpfter Menschen. Sie wollte keiner von ihnen sein. Stattdessen musste sie die Geschwindigkeit drosseln, um sich dem Schritt ihrer Mutter anzupassen, die angeboten hatte, eine Zeit lang den Koffer zu tragen. Sie schloss die Augen, kurz nur, ganz kurz, um ihren rasenden Puls zu beruhigen. Als sie sie wieder aufschlug, fiel zehn Meter vor ihr gerade eine Person um. Sie brach einfach zusammen wie eine Marionette, der man die Fäden durchgeschnitten hatte. Und niemand, außer ihre Wegbegleiter, nahm Notiz davon. Mercedes eilte zu ihnen. »Necesiteu ajuda, braucht ihr Hilfe?«

Es war ein älterer Mann, der auf dem Boden lag, reglos. Eine Frau kniete daneben und schüttelte schluchzend den Kopf. »Ha mort. Er ist tot.«

Sprachlos sah Mercedes zu, wie die Frau den alten Mann auf die Stirn küsste und dessen Gesicht mit seiner Mütze bedeckte, aufstand und Anstalten machte, mit bebenden Schultern weiterzugehen.

»Aber … aber ihr könnt ihn doch nicht hier liegen lassen!«

Der Begleiter der Frau, wahrscheinlich ihr Ehemann, drehte sich um. »Soll ich vielleicht einen Arzt rufen?« Die Hilflosigkeit in seiner Stimme schnitt wie ein Messer durch die Luft. Beschämt senkte Mercedes den Kopf.

Es war nicht der letzte Tote, der ihnen auf dem Weg begegnete. Mercedes und ihre Familie waren erst seit einem Tag unterwegs, aber anderen sah sie die Strapazen und Entbehrung einer viel längeren Reise an, alle auf der Flucht vor dem Krieg und auf der Suche nach einem Ort ohne Bomben und Gewehrsalven. Nur, dass nicht alle diesen Ort erreichen würden. Manche wachten am Morgen nach einer eisigen Nacht am Straßenrand einfach nicht mehr auf. Einige erlagen Verletzungen – wie der Soldat, dem ein junger Mann versuchte, die Jacke vom steifen Körper zu ziehen. Und niemand kümmerte sich um die anderen. Bald tat es Mercedes dem Rest der Leute um sich herum nach und richtete den Blick nur noch auf den unmittelbaren Weg vor ihr. Ein Schritt nach dem anderen.

 

Dermaßen abgeschottet, konnte sie nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, als Felix sie an den Straßenrand drängte. Von hinten näherte sich ein Heuwagen, gezogen von einem Gaul, der auch schon bessere Tage gesehen hatte. Statt Heu transportierte er zehn Personen, wie Mercedes rasch zählte, plus etwas Gepäck. Trotzdem war noch Platz vorhanden. Ohne weiter zu überlegen, lief sie hin, hob Felix hoch und schob ihn hinauf.

»Bitte, nehmt uns ein Stück mit!«, bat sie, nahm ihrer Mutter den Koffer aus der Hand und trieb sie an, ebenfalls auf den Wagen zu steigen. Die Leute murrten, aber waren wahrscheinlich alle selbst zu erschöpft, um sich ernsthaft zu wehren. Nur der Mann, der als Kutscher fungierte, begann, das Pferd mit Peitschenhieben anzutreiben, als er merkte, dass nach Mercedes noch weitere Personen zusteigen wollten. Kaum war sie oben, verfiel der Gaul in einen wackeligen Trab.

»Gràcies, moltes gràcies«, bedankte sich Mercedes bei dem Mann und nickte freundlich in die Runde. Niemand reagierte. Das konnte ihre Stimmung nicht trüben; endlich, endlich ging es voran. Spätestens am Abend wären sie in Figueres bei Onkel Jaume. Ihre Mutter tat es den anderen gleich, wickelte sich in die Decke und schloss die Augen. Felix kroch zu ihr. Mercedes hingegen legte den Kopf in den Nacken. Der Himmel spannte sich in einem satten, wolkenlosen Blau über ihr. Die strahlende Sonne tröstete sie über das Elend der letzten paar Stunden hinweg. Selbst der Hunger war schon so groß, dass sie ihn gar nicht mehr spürte. Sie fühlte sich frei auf diesem Wagen, unbeschwert beinahe, als ob sie eine Spazierfahrt unternähme, in einer Zeit ohne Krieg, ohne Bedrohung, ohne Entbehrung. Ihre Gedanken schwebten hoch oben, den Vögeln gleich, Raum und Zeit vergessend. Sie sah sich selbst über ein Feld rennen, duftendes Gras, saftig grün. Die Halme kitzelten ihre nackten Füße. Felix sprang neben ihr umher wie ein Rehkitz. Auf einmal fand sie sich in einem Wald wieder, die Sonnenstrahlen filterten durch das Blätterdach und fächerten sich vor ihnen auf wie eine goldene, durchscheinende Wand, Grenze zwischen Traumwelt und Feenreich. Sie sprang vor und zurück, hin und her zwischen den zwei Welten. Felix’ fröhliches Singen klingelte in ihren Ohren. Weiter hinten sah sie ihre Eltern, sie winkte ihnen zu, kommt her, schaut, wie schön! Wie herrlich! Wind kam auf, erst ganz leicht, dann fuhr er mächtig rauschend durch die Baumkronen über ihrem Kopf. Die goldene Grenze wackelte. Ihre Mutter begann zu lachen, laut, immer lauter, als wollte sie das Rauschen übertönen, warum so laut, Mutter? Ihr Mund wurde immer größer, das Lachen zu einem Schrei, vervielfältigte sich zu tausend Schreien.

»Mercè! Mercè!«

Jemand schubste sie.

Erschrocken richtete sich Mercedes auf. Um sie herum Schreie, Lärm. Ein Flugzeug flog dicht über sie hinweg, gefolgt von einem zweiten. Das Pferd scheute, der Kutscher sprang ab und rannte davon. Metallisches Knattern, der Mann brach zusammen, der Gaul knickte ein, der Wagen kam abrupt zum Stillstand.

»Felix, mare, runter!«, schrie Mercedes, zerrte an Felix, der sich mit Panik im Gesicht an der Seitenwand festklammerte. »Runter!« Aus dem Augenwinkel sah sie, wie die Flugzeuge abdrehten, eine Schleife flogen und wieder auf sie zuhielten. Ihre Mutter sprang herab, Felix folgte ihr. Schreie, Staub, Maschinengewehrsalven. Mercedes ergriff Felix’ Hand, rannte, zog ihn vom Wagen fort. Sah zurück. Es knatterte. Ihre Mutter strauchelte. Mercedes ließ Felix’ Hand los. Rannte zurück.

 

Eine dunkle Lache breitete sich unter ihrer Mutter auf der Straße aus.

»Mare! Mamá!«, schrie Mercedes und begann hektisch, den Mantel zu öffnen. Noch einmal ratterten die Maschinengewehre, Kugeln schlugen dicht neben ihr ein, kleine Fontänen spritzten hoch. Sie kreischte, schluckte Staub, hustete. Hastete unter den Heuwagen. Sie hörte sich selbst hysterisch weinen, die Augen auf ihre Mutter gerichtet, während sie, die Knie umklammert, darauf wartete, zu sterben. Aber bald danach zogen die Flugzeuge ab, der Staub legte sich. Langsam wagten sich die Ersten aus ihren Verstecken in den Büschen. Mercedes kroch unter dem Wagen hervor, ein Sirren in den Ohren, das ihr erst nach und nach erlaubte, die verschiedenen Geräusche um sie herum herauszufiltern. Die Verletzten stöhnten, die Verschonten weinten und riefen nach ihren Angehörigen. Die Augen ihrer Mutter starrten sie erstaunt an. Mercedes schüttelte sie sanft, als wollte sie sie aufwecken, streichelte ihre Wangen, die weichen Wangen, strich ihr eine dunkle Haarsträhne hinter das Ohr. Der Kopf rollte zur Seite.

»Mutter«, flüsterte sie weinend, »Mutter, lass mich nicht allein.« Sie umarmte sie, so wie sie es am Tag zuvor hatte tun wollen und doch nicht getan hatte. Warum bloß nicht? So viel Blut überall, Blut an ihren Fingern, auf dem Mantel ihres Vaters. Vorsichtig nahm sie die Hände ihrer Mutter, faltete sie vor der Brust, da war ihr Ehering, vielleicht wollte Vater ihn als Andenken. Sie zog den Ring vom Finger, steckte ihn sich an. Er war zu groß.

All das war zu groß für sie.

Auf einmal sprang sie auf.

»Felix!« Sie drehte sich im Kreis, wischte sich die Tränen, die ihr die Sicht verschleierten, aus den Augen. Ein lautes Klagen erklang weiter vorne, wo eine Frau ein kleines Kind an ihre Brust drückte. Mercedes presste ihre Faust vor den Mund. Einige Leute begannen, die Toten an den Straßenrand zu ziehen, um sich, so gut es ging, von ihnen zu verabschieden. Andere, die erst jetzt an der Stelle des Luftangriffs ankamen, schienen automatisch zu beschleunigen, Blick gesenkt, als ob sie durch einen dunklen Fluss tauchten und weiter vorne nach Luft schnappend am sicheren Ufer ankämen. Aber ihren Bruder sah sie unter all den Leuten nicht.

»Felix«, rief sie und lief in die Richtung, in die sie ihn gezogen hatte, bevor sie seine Hand losließ. Sie hatte seine Hand losgelassen, warum hatte sie seine Hand losgelassen?

»Felix, on ets, wo bist du? Komm heraus!« Hatte er sich im Gebüsch versteckt? Hektisch teilte sie die Büsche, die Zweige kratzten ihre Hände blutig, aber sie spürte den Schmerz nicht. »Felix!«, schrie sie, lief gegen den Menschenstrom, lief und lief, schrie seinen Namen, riss, ungeachtet der Proteste der Eltern, jedes Kind zu sich heran, das von der Größe zu ihrem Bruder passen könnte. Warum bloß hatte sie ihn losgelassen? Schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen, sie strauchelte. Jemand fing sie auf, sie wollte weiter, aber die Arme hielten sie fest.

»Immer mit der Ruhe. Du läufst in die falsche Richtung.«

Sie wehrte sich gegen den Griff des Mannes. »Ich muss meinen kleinen Bruder suchen!«

»Bist du nicht das Mädchen, das gestern meinen Rucksack verteidigt hat?«

Mercedes hielt einen Moment inne und erkannte den jungen Mann. Er trug eine schmutzige Uniform. Rasch sah sie sich um. »Der Laster, wo ist er? Damit können wir ihn schneller suchen.« Wieder wurde ihr kurz schwarz vor Augen, sie fiel kraftlos gegen den Mann. Ohne Widerstand zu leisten, ließ sie sich von ihm an den Straßenrand führen, wo er ihr seine Wasserflasche reichte und ein Stück Brot aus den Tiefen seines Rucksacks fischte.

»Ich bin Agustí«, stellte er sich vor und wischte ihr sanft einen Brotbrösel aus dem Mundwinkel. Die Berührung war wie eine unendliche Umarmung.

»Mercedes.« Er hatte graue Augen. Grau wie der Nebel über dem Meer, in den die Schiffe eintauchten und verschluckt wurden. Genau so wollte sie in diesem Moment in ihnen verschwinden und nie wieder auftauchen. Sie begann zu weinen.

 

»Vielleicht ist er zum Wagen zurückgelaufen«, sagte Agustí, nachdem sie ihm erzählt hatte, dass sie von den Flugzeugen attackiert worden waren. Dass ihre Mutter … Ihr Hals wurde ganz eng. Und dass ihr Bruder verschwunden war.

»Natürlich!« Sofort sprang Mercedes auf und zerrte an Agustís Ärmel. Während sie im Laufschritt die Strecke zum Ort des Unglücks zurücklegten, rief sie trotzdem immer aufs Neue nach Felix. Er musste hier irgendwo sein! Die Angst, ihn nicht zu finden, schnürte ihr die Luft ab. Agustí erzählte zwischen ihren Rufen, dass dem Laster das Benzin ausgegangen und er nun allein unterwegs war. Seine Truppe war kurz vor Barcelona in einen Hinterhalt geraten und ihm war gesagt worden, er sollte sich nach Frankreich durchschlagen. Sie hörte ihm nur mit einem Ohr zu. Wie weit konnte ein zehnjähriger Junge schon laufen in so kurzer Zeit? Bitte, bitte, sie musste ihn finden! Als sie beim Wagen ankamen, realisierte sie erst, wie viele Todesopfer der Angriff gefordert hatte. Fassungslos zählte sie achtzehn Menschen jeden Alters und das Pferd. Feige abgeschlachtet. Jemand hatte ihre Mutter an den Straßenrand gebettet und ihr die Augen geschlossen. Beschämt darüber, dass ein Fremder ihr diesen Dienst erwiesen hatte statt sie selbst, brach sie erneut in Tränen aus.

Felix sah sie nirgends. Mercedes weigerte sich, ohne ihn weiterzugehen, und Agustí willigte ein, mit ihr auszuharren. Immer wieder fragte sie die vorbeigehenden Personen, ob sie einen kleinen Jungen gesehen hatten, allein unterwegs. Vielleicht verletzt? Verwirrt, verängstigt? Aber sie wusste ja selbst, dass die beste Art, diesen Weg hinter sich zu bringen, die war, auf nichts und niemanden zu achten.

Der Lauf der Sonne verriet ihr, dass es mittlerweile früher Nachmittag sein musste. Sie saß neben dem starren Körper ihrer Mutter und obwohl sie vor Kälte zitterte, konnte Mercedes sich nicht dazu durchringen, ihr den Mantel auszuziehen. Er war voller Blut und Löcher und ohne Leben. Der Koffer mit Kleidern und Decke war mittlerweile verschwunden, gestohlen von jemandem, der weniger Skrupel hatte als sie.

»Warum bin ich nur eingeschlafen?«, warf sie sich immer wieder vor. »Warum habe ich seine Hand losgelassen?«, flüsterte sie. Was er nur für eine Angst ausstehen musste, ganz allein. Und sie war schuld. Vater würde entsetzlich böse sein auf sie, wenn er davon erführe. Felix und er, sie waren unzertrennlich.

Schließlich brachte Agustí sie dazu, sich von ihrer Mutter zu verabschieden, um weiterzugehen. Vielleicht war Felix mittlerweile in dieselbe Richtung unterwegs, meinte er, vielleicht war er mitgenommen worden und sie würden sich in Figueres wiederfinden. Es war nichts mehr als ein vielleicht, aber nichtsdestotrotz ein Hoffnungsschimmer. Kurz nur streichelte Mercedes die Wange ihrer Mutter, sie war kalt, so erschreckend anders, so unfassbar fremd. A reveure, auf Wiedersehen, Lebwohl, all diese Abschiedsfloskeln waren nicht dazu gedacht, sie an einen toten Menschen zu richten. Es gäbe so viel zu sagen und dennoch kamen Mercedes keine Worte in den Sinn. Ein letzter Kuss auf die kalte Stirn, ein letztes Zögern. Dann brachen sie auf.

Kurz darauf konnten sie wieder auf die Ladefläche eines Traktoranhängers aufspringen. Die gleichen erschöpften Gesichter, das gleiche müde Schweigen wie heute Morgen. Mercedes wurde flau im Magen. Mit Tränen in den Augen wandte sie sich an Agustí: »Du hattest mich noch vor Fahrzeugen gewarnt gestern.«

Er zuckte mit den Schultern. »Und trotzdem sind sie das einzige Mittel, schneller vorwärtszukommen.«

 

Mitten in der Nacht erreichten sie Figueres. Mercedes hatte kein Auge zugetan aus Angst vor weiteren Fliegerangriffen, und obwohl Agustí das bisschen harte Brot, das er noch bei sich trug, mit ihr teilte, war sie vom Hunger der letzten beiden Tage geschwächt. Es begann zu nieseln; die feuchte Luft verstärkte das Kältegefühl noch, es klammerte sich regelrecht an ihren Körper. Nur kurz währte die Verlegenheit, als sie sich eng an Agustí presste und den Mantel ihres Vaters, so gut es ging, über sie beide legte. Scham musste eine der ersten Empfindungen sein, auf die verzichtet wurde, wenn man hungerte und fror. Da standen sie, in der nassen, erdrückenden Dunkelheit und wussten nicht, wohin. Irgendwann fiel das Wort Notunterkunft und sie folgten einfach dem Strom. In der Wohnung roch es nach feuchter Wolle, Ausdünstungen und der Verzweiflung von mindestens fünfzig weiteren Personen, die jeden freien Platz in Anspruch nahmen. Ein Kleinkind weinte. Mercedes legte sich direkt auf den blanken Boden. Agustí schmiegte sich, ohne zu fragen, von hinten an sie. Sie protestierte nicht, sondern stellte sich vor, es wäre Felix. Aber sie musste sich den Fingerknöchel in den Mund stecken und darauf beißen, um nicht laut aufzuschluchzen.

Am nächsten Morgen ging das Gerücht um, dass einige Restaurants kostenlosen Kaffee ausgeben würden. Als Mercedes die Tasse mit dem heißen café con leche in der Hand hielt, lag das ganze Glück der Welt in diesem ersten Schluck. Kurz schloss sie die Augen, um den Moment zu genießen – wie das warme Getränk ihren Mund ausfüllte, die Kehle hinabrann und den Eisklumpen in ihrem Magen auflöste. So gestärkt machten sie sich auf die Suche nach der Wohnung ihres Onkels Jaume. Bestimmt würde er wissen, was mit seinem Bruder, ihrem Vater, geschehen war, und wann mit seiner Freilassung zu rechnen wäre.

»Warum willst du überhaupt hierbleiben?«, fragte Agustí sie unwillig. »Francos Truppen stehen vor Girona, es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie auch Figueres einnehmen. Wir müssen nach Frankreich.«

Mercedes schüttelte den Kopf. »Hast du den Mann vorhin nicht gehört? An der Grenze stehen ganze Wagenladungen voller Waffen für die Republikaner. In ein paar Tagen werden wir nach Hause zurückkehren können.«

Agustí lachte. Es klang ein wenig gemein. »Was verstehst du schon von diesem Krieg? Wie alt bist du überhaupt?«

»Sechzehn«, antwortete sie schmollend. »Und ich verstehe gar nichts von diesem Krieg. Ich will nicht nach Frankreich. Ich will nach Hause. Ich will, dass mein Vater freigelassen wird, meine Mutter noch lebt und ich meinen Bruder finde. Das ist alles, was ich will, verstehst du?« Unversehens war sie laut geworden. Agustí starrte sie erschrocken an, die Augen so grau wie die nassen, blinden Fensterscheiben um sie herum. Dann drehte sie sich um und stampfte davon. Insgeheim jedoch war sie froh, als Agustí bereits nach wenigen Metern wieder neben ihr herlief.

Das letzte Mal, als sie ihren Onkel in Figueres besucht hatte, hatten die Platanen, die die Rambla säumten, in voller Blätterpracht gestanden, die Leute waren durch die Gassen flaniert, die Sonne hatte die Stadt in ein mildes, warmes Schimmern getaucht. Schatten und Licht hatten miteinander gespielt, den Häuserfassaden Leben eingehaucht. Heute dominierte eine kalte Farblosigkeit die Straßen. Schutt und Asche klagten in einigen Abschnitten der Stadt wie stumme Zeugen über die Bombenangriffe der vergangenen Wochen und Monate. Mercedes hatte Mühe, das Haus zu finden, in dem ihr Onkel lebte, und als sie endlich davorstanden, war die Wärme des Kaffees schon lange wieder dem Klappern ihrer Zähne gewichen. Bevor sie auf den Klingelknopf drücken konnte, öffnete sich die große Eingangstür quietschend und eine Frau trat heraus.

»Qui sou, wer seid ihr?«, fragte sie und beäugte Mercedes, und vor allem Agustí in seiner Uniform, misstrauisch.

»El meu oncle viu aquí, mein Onkel wohnt hier«, erklärte Mercedes. »Jaume Sants. Zweiter Stock.«

Die Stirn der Frau glättete sich. »La petita Mercè, oi? Wie groß du geworden bist.« Sie blockierte weiterhin die Tür, ihr Gesicht nicht unfreundlich, aber auch nicht erfreut. Dann seufzte sie auf und trat zurück. »Kommt mit.«

Zu dritt stiegen sie die knarrende Treppe hinauf. Die Tür zur Wohnung ihres Onkels war nur angelehnt.

»Ich habe den Schlüssel noch nicht gefunden und habe sie deshalb offen gelassen«, erklärte ihr die Nachbarin und seufzte erneut. Mercedes verstand nicht, warum die Frau den Schlüssel brauchen sollte, aber bevor sie fragen konnte, wurde sie dem Chaos gewahr, das sie drinnen erwartete. Die Möbel im Wohnzimmer waren umgeworfen worden, Papiere lagen auf dem Boden. Ein Fenster wies ein Einschussloch auf, wie ein filigranes Spinnennetz breiteten sich die Risse rund herum aus. Mercedes konnte ihren Blick nicht davon abwenden.

»Sie haben ihn mitgenommen. Gestern.«

Nur langsam sickerte die Bedeutung der Worte in ihr Bewusstsein. Mercedes schlug die Hände vors Gesicht und sank auf die Kante eines am Boden liegenden Stuhls.

»Aber wieso? Wieso?« Sie verfluchte ihre Naivität, ihre Unwissenheit. Warum nur hatte sie niemals nachgefragt, worum sich dieser Krieg drehte? Immer hatte sie sich nur allzu leicht abwimmeln lassen. Das wäre kein Thema für Kinder, sagten die Erwachsenen jedes Mal, und erleichtert, dass sie sich nicht den Kopf darüber zerbrechen musste, hatte sie sich wieder ihrem Piano und ihren Gedichten gewidmet.

»Kann … kann ich ihn besuchen? Im Gefängnis?« Sie traute sich kaum, die Frage zu stellen. Und tatsächlich lachte Agustí hinter ihr leise auf. Die Nachbarin hingegen schenkte ihr einen Blick, der ihr ein ganz neues Gefühl der Kälte über den Rücken rieseln ließ.

»Nein, cor meu, mein Herzchen. Das kannst du nicht.«

Was würden sie ihm antun? Was musste ihr Vater durchleiden?

Die Nachbarin wollte sich zurückziehen, da sprang Mercedes auf. »Kam hier vielleicht ein kleiner Junge vorbei, mein Bruder?« Aber sie bekam nur ein Kopfschütteln zur Antwort.

Langsam wandelte sie durch die Wohnung. Das Wohnzimmer war verwüstet, ihr Onkel musste sich gewehrt haben. Oder die Polizei, oder wer auch immer ihn geholt hatte, hatte etwas gesucht. Alles, was ihr lieb und teuer war, blieb in diesem klebrigen Spinnennetz hängen, gewoben von Politik und Krieg, Intrigen und Verrat.

Agustí hob einige der Papiere vom Boden auf und überflog sie. »Katalane mit Leib und Seele«, sagte er düster, als ob dies eine schlechte Nachricht sei.

»Selbstverständlich«, entgegnete Mercedes. Sie verstand seine Reaktion nicht, und er gab keine weitere Erklärung ab. In der Küche fanden sie zu ihrer großen Überraschung noch einige Lebensmittel; ein kleines Stück Käse, etwas Hartwurst, einige Gläser eingemachtes Gemüse vom letzten Sommer. Das Brot war eigentlich nicht mehr verzehrbar, hart wie es war, aber Agustí zerklopfte es in kleine Stückchen, die sie lutschten, bis es weich genug war, um es zu kauen. Beim Anblick der Ölflasche auf dem Küchentisch musste Mercedes an die dunkle Lache auf der staubigen Straße denken und unwillkürlich stiegen ihr Tränen in die Augen. Sie suchte in der Manteltasche nach dem Ring ihrer Mutter und drückte ihn.

Es tat gut, sich wieder einmal halbwegs satt zu fühlen. Natürlich war es auch kalt in der Wohnung, aber bei Weitem nicht so eisig wie auf der Straße. Das Einfachste wäre, hier in der Wohnung der Dinge zu harren, die kommen würden.

Agustí jedoch widersprach ihr heftig. »Wir müssen so rasch wie möglich über die Grenze. Die Lage wird sich nur noch verschlimmern. Glaub mir. Ich weiß, wovon ich rede!«

»Aber das hier ist meine Heimat«, protestierte Mercedes. Sie ärgerte sich über ihn. Sollte er doch allein gehen, wenn er so viel wusste. »Ich muss Felix suchen. Er wird sich bestimmt nach Figueres durchgeschlagen haben. Wenn ich das kann, kann er das auch. Und was ist mit deiner Familie? Lässt du sie einfach zurück?«

Der trotzige Zug in seinem Gesicht verdeutlichte ihr, dass er wahrscheinlich selbst noch keine zwanzig war. Die Tatsache, dass Agustí eine Uniform trug, ließ ihn älter erscheinen. »Um meine Familie geht es hier nicht«, antwortete er steif. »Und wenn du hier dein Leben aufs Spiel setzen willst, bitte. Ich gehe.«

Ach, sollte er doch. Sie würde auch allein zurechtkommen.

Er wandte sich tatsächlich zum Gehen, hielt aber an der Tür inne.

»Was?«, blaffte ihn Mercedes an, mit Absicht etwas schroffer als nötig.

Er presste die Lippen zusammen, sah sie nicht an. »Kann ich vielleicht eine Decke mitnehmen?«

KAPITEL 3

Luftkampf, Herzenskampf

Figueres, 29. Januar 1939

Nachdem Agustí die Tür hinter sich und der Decke zugezogen hatte, stellte Mercedes den umgeworfenen Stuhl richtig hin und setzte sich darauf. Mit sichtbar schlechtem Gewissen hatte Agustí auch noch ein paar Esswaren in seinen Rucksack gepackt. Sie versprach ihrem Onkel in Gedanken, ihm die Decke und die Lebensmittel zurückzuerstatten, wenn all das hier vorbei wäre. Wann würde das sein? Eine tiefe Erschöpfung schlang ihre Tentakel um sie. Sie schaute in den Spiegel vor ihr an der Wand. Ein Sprung zog sich quer über ihr Antlitz. Aber nicht deswegen erkannte sie sich kaum wieder; die vergangenen drei Tage hatten die letzten Spuren an kindlichen Zügen aus ihrem Gesicht radiert. Es war dünn geworden, die Wangenknochen traten stärker hervor, die braunen Augen schienen größer. Die Unschuld war daraus gewichen. Ihre dunkelbraunen Haare, die sich zu ihrem Kummer widerspenstig lockten, hatten sich aus den Spangen gelöst und hingen ihr wirr über die Schultern. Wie hatte sie immer ihre Freundin Penelope um deren glatte, glänzende Haare beneidet. O süße Penelope, wie sehr vermisste sie ihre beste Freundin!

Sie sprang auf. Riss die Tür auf und polterte die Treppe hinunter. Über ihr fiel die Tür krachend ins Schloss.

»Agustí!«, rief sie, kaum dass sie die Straße erreicht hatte. Vielleicht war er noch in der Nähe.

Aus einem Portal drei Häuser weiter vorne löste sich ein Schatten und kam durch den Regen auf sie zu.

»Agustí.« Erleichtert warf sie sich in seine Arme. »Lass mich nicht allein.«

 

»Ich hätte hier gewartet, bis du die Wohnung verlassen hättest«, gestand ihr Agustí. »Die ganze Nacht, wenn nötig. Wir sollten zusammenbleiben, Mercè. Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, dass du die Wohnungstür hinter dir zuknallst. Die Nachbarin hat doch gesagt, dass sie den Schlüssel nicht gefunden hat.« Die Nachbarin reagierte nicht auf ihr Klingeln, sie war wohl noch außer Haus. Auch andere Parteien öffneten die Tür des Wohnhauses nicht. Argwohn und Vorsicht lagen in der Luft. Sie waren ausgesperrt.

Mercedes zog den Mantel ihres Vaters enger um sich und starrte auf den Boden vor ihr. Die Vorstellung, die nächste Nacht wieder zusammengepfercht mit unzähligen anderen, ihr unbekannten Personen in einer fremden Wohnung zu verbringen, behagte ihr gar nicht. Wie dumm sie gewesen war! Entmutigt trat sie gegen einen Stein.

»Wir werden schon ein Plätzchen finden.« Agustí schien ihre Gedanken gelesen zu haben. »Und in der Zwischenzeit suchen wir nach Felix. Zwei Tage, in Ordnung? Danach gehen wir nach Frankreich, bis sich die Lage beruhigt hat.«

Zwei Tage, was waren schon zwei Tage? Und wenn der Kleine erst nach drei Tagen in Figueres eintreffen würde? Aber sie lächelte ihn an, dankbar für diesen kleinen Aufschub.

»In Ordnung.« In zwei Tagen würde sie weitersehen.

 

Stehen bleiben bedeutete frieren. Sie bewegten sich ohne Pause, liefen durch die Gassen und die breite Rambla rauf und runter. Der Nieselregen tauchte die Stadt und ihre Trümmer in ein unheilvolles Zwielicht. Trotz der imminenten Gefahr gab es genug Einwohner, die die Routine ihres täglichen Lebens weiterführten: Frauen, die am Markt mit den Bauern plauderten, während sie ihre kümmerlichen Einkäufe tätigten. Männer, die mit hochgeschlagenem Mantelkragen und in die Stirn gezogenem Hut unterwegs waren, vielleicht in Richtung einer Bank oder einem Geschäft, wo sie arbeiteten. Mercedes wunderte sich, wie diese Leute so ruhig ihren Tätigkeiten nachgehen konnten, während so viele andere ihr Haus, ihre Arbeit, Familie und Freunde zurückgelassen hatten. Warum hatte ihr Vater darauf bestanden, dass sie gingen? Das Wort fliehen wollte sie nicht benutzen, schließlich hatten sie nichts angestellt, vor dem sie fliehen mussten. Oder? Vielleicht war ihr Vater längst wieder zu Hause und wartete auf sie. Und sie würde ihm unter die Augen treten müssen und beichten, dass Mutter tot war und Felix verschwunden. Nein. Wenigstens ihren Bruder wollte sie mit nach Hause bringen.

Sie könnte schwören, dass die Menschenmasse sich in den letzten vierundzwanzig Stunden verdoppelt hatte. Hin und wieder versuchte sie, jemanden anzuhalten. »Haben Sie einen kleinen Jungen gesehen, der allein unterwegs ist? Zehn Jahre alt, grauer Mantel, braune Haare …« Aber die Leute beachteten sie gar nicht. Es war ein nutzloses Unterfangen. Wie viele Jungen entsprachen dieser Beschreibung? Wer achtete schon darauf, ob ein Kind allein unterwegs war? Aber überall, wo sie nur konnte, hinterließ sie eine Nachricht an ihren Bruder. Auch bei der Essensausgabe, wo sie gefühlte zwei Stunden hatten anstehen müssen, um ein wenig Reis mit Stockfisch zu bekommen.

»Ein kleiner Junge, der seine Schwester Mercedes sucht. Sagen Sie ihm, dass ich in der Nähe bin. Ich komme morgen wieder vorbei.« Sie fühlte sich elend und wünschte sich nichts mehr, als in ihrem warmen Bett zu liegen, sich den gesunden Schlaf aus den Augen reiben zu können und zu realisieren, dass alles nur ein schlechter Traum gewesen war.

Ein Raunen flog durch die ganze Stadt, als bekannt wurde, dass Frankreich seine Grenzen nun auch für Flüchtlinge öffnete, die keine Einreisebewilligung vorweisen konnten.

»Ich bin doch kein Flüchtling«, wehrte sich Mercedes gegen die Bezeichnung. »Das würde ja heißen …«

»Dass du Hals über Kopf aus deinem Zuhause geflohen bist, um woanders Schutz zu suchen?« Agustí zwinkerte ihr zu, und seltsamerweise schmolz ihr Unmut dahin.

»Das war die Entscheidung meiner Mutter. Ich musste ihr folgen«, murmelte sie mit gesenktem Kopf, weil sie nicht verstand, warum ihre Wangen plötzlich so heiß geworden waren. Ausführlich begutachtete sie die Knöpfe am Mantel ihres Vaters.

Eine Sirene zerriss den Moment und mit einem Schlag erstarrte Mercedes. Hektik machte sich um sie herum breit. Agustí griff nach ihrer Hand, zog an ihr, aber Mercedes konnte sich nicht bewegen. So sehr sie auch wegrennen wollte, ihre Beine rührten sich nicht. Schon erklang das Brummen der Flugzeuge, gedämpft und unsichtbar durch die Wolken. Ein Teil der Leute rannte in eine Richtung – wahrscheinlich war dort ein refugi, ein Schutzraum. Andere trotteten unbeirrt weiter, taub und abgestumpft gegenüber der Gefahr, die vom Himmel drohte. Sie sah die Angst in Agustís Gesicht, hörte, wie er sie anschrie, sich endlich in Bewegung zu setzen. Die Sirene heulte in ihren Ohren, eine Explosion zerfetzte irgendwo Mauern und Fenster und Menschen, noch eine, irgendwo. Mercedes ließ sich fallen.

 

»Mach das nie wieder!«, schrie Agustí. Der Angriff war vorbei, sie saßen auf dem nassen Boden, um sie herum ging das Leben weiter, als ob nichts geschehen wäre. Mercedes weinte. In den zähen Minuten, die sie auf der Straße zusammengerollt gelegen hatte, hatte sie an ihre Mutter denken müssen, an ihre sanfte, leise Mutter. An ihre Finger, die sich tröstend auf ihre Stirn legten, die melodiöse Stimme, die sie zum Klavier begleitete. Eigentlich war das Leben schon in dem Moment aus ihr gewichen, in dem sich die Tür hinter ihrem Mann geschlossen hatte, und nicht erst auf der staubigen Straße. Vater würde zurückkehren, ganz bestimmt. Mutter nicht. Schwerfällig erhob sich Mercedes, trocknete die Tränen mit dem Mantelärmel, der auch zweimal umgeschlagen noch zu lang war.

»Wir brauchen einen Platz zum Schlafen«, sagte sie müde zu Agustí. Die Angst stand ihm immer noch mit nassem Staub ins Gesicht geschrieben. Er war selbst erst achtzehn, hatte er ihr erzählt. Hatte sich den Republikanern aus Überzeugung angeschlossen, so jung und so idealistisch. Während sie von nichts eine Ahnung hatte. Er überragte sie beinahe um einen Kopf, weshalb sie zu ihm aufschauen musste, als ob sie ihn anhimmeln würde. Irgendwie störte sie dieser Gedanke aber nicht. Er war nett anzusehen. Dunkle Haare, die dringend einen Schnitt nötig hätten, ein Gesicht, dem anzusehen war, dass er seit Wochen wenig aß und schlief. Und doch lächelte er meistens, und an diesem Lächeln hielt sie sich fest. Es war das Seil, das sie, um ihre Seele geschlungen, vor dem Fall ins Leere bewahrte. Ein Lächeln, das sie schon in ihren Träumen gesehen hatte, dessen war sie sich sicher.

»Komm«, sagte sie und zog an seiner Hand, wie er vorhin an ihrer gezogen hatte. Lange, schlanke Finger. Sie fragte sich, ob er wohl auch Piano spielte. Er rappelte sich auf, wandte sich dabei ein wenig von ihr ab, als ob es ihm unangenehm wäre, vor ihr Schwäche gezeigt zu haben. Warum meinten die Jungs immer, sie müssten so stark sein? Als er sich wieder zu ihr umdrehte, gefestigt und lächelnd, spürte sie, wie ihre eiskalten Wangen erneut angenehm warm wurden.

 

Der Regen verstärkte sich. Mercedes huschte von Hauseingang zu Hauseingang, um der schlimmsten Nässe zu entgehen, pausierte unter den Arkaden und sehnte sich nach einem Schirm. Und noch viel mehr danach, in ihrem Zimmer zu sitzen und zuzuhören, wie dieser Regen gegen die Fensterscheiben pladderte statt auf ihren Kopf. Es war schmerzhaft, dieses Sehnen, und das erstaunte sie. Bis vor Kurzem hatte sie nie etwas vermissen müssen und jetzt vermisste sie plötzlich alles. Vor allem ihren Bruder. Mercedes stattete jedem Geschäft, jedem Restaurant und jeder anderen Anlaufstelle, an der sie für Felix ihren Namen zurückgelassen hatte, einen Besuch ab. Ihre Zuversicht sank mit jedem Kopfschütteln ein wenig mehr. Zwei Tage, hatte sie Agustí versprochen. Und einer davon war nun fast vorbei.

»Mercè!« Ruckartig fuhr sie herum, aber es war nur Agustí. »Sie haben Lastwagen organisiert, die Frauen und Kinder über die Grenze bringen sollen. Los, komm, die Schlange ist immens, wir müssen uns anstellen!«

Mercedes entzog sich seinem Griff. »Du bist weder Frau noch Kind. Ich gehe nicht ohne dich. Außerdem hatten wir uns auf zwei Tage geeinigt.« Und danach wollte sie ihn zu einem weiteren überreden. Erst jetzt merkte sie, dass er seine Uniform gegen Zivilkleidung getauscht hatte. Er zitterte. »Wo hast du die Kleider her? Die sind ja ganz nass und schmutzig.«

Agustí zeigte vage auf die Straße. »Die Leute lassen alles zurück, um einen Platz auf den Lastern zu bekommen. Ich dachte … weniger auffällig.«

»Du wirst dir den Tod holen. Auf keinen Fall stellen wir uns jetzt stundenlang in eine Warteschlange.« Unter ihrem bestimmten Tonfall zuckte er leicht zusammen, aber Mercedes packte ihn am Arm und zog ihn hinter sich her in dieselbe Wohnung, in der sie letzte Nacht geschlafen hatten.

 

Der nächste Morgen brachte die Sonne zurück. Auch wenn weiterhin kalte Temperaturen herrschten, merkte Mercedes, wie sich die allgemeine Stimmung verbesserte. Vielleicht lag es aber auch daran, dass die Evakuierungsmaßnahmen nach einer nächtlichen Unterbrechung wieder aufgenommen worden waren. Der Milchkaffee, der erneut ihr Frühstück darstellte, war heute nur lauwarm, aber selbst das vermochte ihre Laune nicht zu trüben. Mercedes streckte ihr Gesicht der blassen Sonne entgegen und wies Agustí an, es ihr nachzutun. Seine Kleidung war immer noch feucht.

»Du riechst wie ein nasser Hund«, sagte sie und musste kichern, als er das Gesicht verzog. »Bleib schön hier sitzen und schau, dass du trocken wirst«, befahl sie ihm. »Ich werde meine Runde drehen.« Er widersprach ihr nicht, wie sie erstaunt zur Kenntnis nahm, sondern kauerte sich auf den Boden und schlang die Arme um die Knie. Kurz entschlossen zog Mercedes den Mantel ihres Vaters aus und legte ihn Agustí über die Schultern. »Ich will ihn aber wiederhaben!«

Auf der Rambla herrschte Chaos. Obwohl versucht wurde, eine Warteschlange zu bilden, brachen die Leute immer wieder daraus aus und kletterten auf den nächstbesten Laster. Sahen sie denn nicht, dass sie anderen, die vielleicht länger warteten, den Platz wegnahmen? Es wurde geschrien und befohlen, die Fahrzeuge schnauften und tuckerten, die Abgase reizten Nase und Lunge. Mercedes war froh, dass sie jetzt nicht in dieser Menge stehen musste, in der die Nervosität mit den Händen greifbar war. Morgen wären die meisten bestimmt schon weg. Und wenn sie Felix bis morgen nicht gefunden hätte, würde sie Agustí dazu überreden, noch einen Tag zu warten. Hatte es nicht geheißen, an der Grenze stünden ganze Wagen voller Waffen? Bestimmt waren diese bereits verteilt worden und die Truppen der Gegner kurz davor, zurückgeschlagen zu werden. Sie war sich sicher, dass ihr kleiner Bruder den Weg nach Figueres finden würde. Heute, morgen, übermorgen. Sie würde hier warten. Bald wäre dieser Albtraum vorbei und sie könnten zusammen nach Hause gehen. Die Euphorie in ihr klatschte in die Hände, als sie an all das dachte, was sie hatte zurücklassen müssen und nun bald wiedersehen würde. Nie zuvor hatte sie einen Gedanken daran verschwendet, was für ein Privileg es darstellte, in einem Bett schlafen zu können, mit warmen Decken. Das Wasser lief Mercedes im Mund zusammen, als sie an das Frühstück ihrer Kindheit dachte: dickflüssige heiße Schokolade, in die sie Kekse oder Gebäck stippte. In den letzten zwei Jahren waren viele Lebensmittel rationiert gewesen, Schokolade natürlich schon lange ein Luxus. Aber nur die Erwägung eines Tellers Suppe mit etwas Reis und Gemüse darin, dazu ein Stück knusprigen Brotes führte dazu, dass ihr Magen anfing, zu knurren. Bei ihrer nächsten Anlaufstelle würde sie anstehen, um für sich und Agustí etwas Essbares zu bekommen.

In diesem Moment begannen die Sirenen wieder zu heulen.

Mercedes erstarrte.

 

Um sie herum rannten die Menschen in Panik in alle Richtungen. Sie wurde hin- und hergeschubst, verlor beinahe das Gleichgewicht. Wohin? Wohin nur? Ihre Beine liefen los, bevor sie ihnen den Befehl dazu gegeben hatte, immerhin funktionierten sie, liefen in Richtung der Rambla, wo die Wartenden wild durcheinander schrien. Einige warfen sich, wo sie standen, auf den Boden. Die Flugzeuge flogen dicht über sie hinweg, das ohrenbetäubende Brummen der Propeller versetzte Mercedes drei Tage zurück – waren erst drei Tage vergangen, seit ihre Mutter gestorben war? – und sie bekam kaum mehr Luft. Die Detonation einer Bombe ließ den Boden beben, Fensterscheiben zerbrachen. Mercedes schrie. Alle schrien. Sie sah ihren Vater auf sie zu rennen, nein, es war Agustí, Agustí, ihr Beschützer, im Mantel ihres Vaters. Er rief ihr etwas zu, was sie nicht hören konnte. Aber er lachte. War er verrückt geworden? Ein neues Geschwader tauchte auf.

»L’aviació republicana, die republikanische Luftwaffe!«

Beim Geräusch der Maschinengewehre, die über ihren Köpfen feuerten, gefror Mercedes das Blut in den Adern. Sie würde sterben. Dieses Mal würde es sie treffen. Sie wollte nur noch hier weg. Weg von alldem, dem Krieg, der Angst. Weg davon, Menschen zu verlieren, die sie liebte.

---ENDE DER LESEPROBE---