Witiko - Adalbert Stifter - E-Book

Witiko E-Book

Adalbert Stifter

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Beschreibung

Witiko ist ein historischer Roman des österreichischen Schriftstellers Adalbert Stifter. Die umfangreiche Erzählung berichtet von der Gründung des Geschlechts der Witigonen, von einer Liebesgeschichte und vom Aufstieg des jungen Adligen Witiko zum Volkshelden, indem er Herzog Wladislaw in den blutigen Kämpfen um die Macht in Böhmen unterstützt. Der Roman liefert einen historisch akkuraten Blick auf die großen politisch regionalen Umwälzungen des 12. Jahrhunderts. Stifter selbst hat erklärt, dass sein vordringliches Anliegen die gesamtgeschichtliche Darstellung war. »Ich könnte fast sagen, daß ich dieses Buch mit meinem Herzblute geschrieben habe. Und doch schwebt mir beständig vor, wie es viel besser sein sollte. Eigentlich sollte man sagen: Der Teufel hole das Dichterleben, man hat nur Kreuz und Qual dabei, und kann es nicht lassen wie geliebte Sünden.« [Adalbert Stifter] Null Papier Verlag

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Adalbert Stifter

Witiko

Adalbert Stifter

Witiko

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] EV: Verl. Buch u. Volk, Leipzig, 1943 2. Auflage, ISBN 978-3-954184-07-1

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

Vor­wort

Ers­ter Band

1. Es klang fast wie Ge­sang von Ler­chen

2. Sie wa­ren sorg­los und fröh­lich

3. Es war ein großer Saal

4. Es we­he­ten die Ban­ner

Zwei­ter Band

1. Der Schein ging über Feld und Wald

2. In ein­fa­chen Ge­wän­dern

3. Mit Wald­schäf­ten

Drit­ter Band

1. In Amt und Gut

2. Im ho­hen Wal­de

3. Es ka­men tau­send Scha­ren

4. Schwel­len­de Flu­ten

Dan­ke

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Ihr Jür­gen Schul­ze

99 Welt-Klas­si­ker

Der Tee der drei al­ten Da­men

Arme Leu­te und Der Dop­pel­gän­ger

Der Vam­pir

Der selt­sa­me Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Der Idi­ot

Jane Eyre

Effi Briest

Ma­da­me Bo­va­ry

Ili­as & Odys­see

Ge­schich­te des Gil Blas von San­til­la­na

und wei­te­re …

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Zum Buch

Wi­ti­ko ist ein his­to­ri­scher Ro­man des ös­ter­rei­chi­schen Schrift­stel­lers Adal­bert Stif­ter.

Die um­fang­rei­che Er­zäh­lung be­rich­tet von der Grün­dung des Ge­schlechts der Wi­ti­go­nen, von ei­ner Lie­bes­ge­schich­te und vom Auf­stieg des jun­gen Ad­li­gen Wi­ti­ko zum Volks­hel­den, in­dem er Her­zog Wla­dis­law in den blu­ti­gen Kämp­fen um die Macht in Böh­men un­ter­stützt.

Der Ro­man lie­fert einen his­to­risch ak­ku­ra­ten Blick auf die großen po­li­tisch re­gio­na­len Um­wäl­zun­gen des 12. Jahr­hun­derts. Stif­ter selbst hat er­klärt, dass sein vor­dring­li­ches An­lie­gen die ge­samt­ge­schicht­li­che Dar­stel­lung war.

»Ich könn­te fast sa­gen, daß ich die­ses Buch mit mei­nem Herz­blu­te ge­schrie­ben habe. Und doch schwebt mir be­stän­dig vor, wie es viel bes­ser sein soll­te. Ei­gent­lich soll­te man sa­gen: Der Teu­fel hole das Dich­ter­le­ben, man hat nur Kreuz und Qual da­bei, und kann es nicht las­sen wie ge­lieb­te Sün­den.« [Adal­bert Stif­ter]

*

Stif­ter schreibt für die Him­mels­rich­tun­gen kon­se­quent Mor­gen, Mit­tag, Abend und Mit­ter­nacht und ver­wen­det meist die ger­ma­ni­schen Mo­nats­na­men - wie Heu­mond statt Juni.

Sei­nen Lands­leu­tenins­be­son­de­reder al­ten ehr­wür­di­gen Stadt Pragwid­metdie­sen Dich­tungs­ver­suchaus der Ge­schich­te sei­nes Hei­mat­lan­desmit treu­er Lie­be

Der Ver­fas­ser Linz, im Christ­mo­na­te 1864

Vorwort

In mei­ner Kind­heit tra­ten mir schon öf­ter Spu­ren ei­nes Ge­schlech­tes ent­ge­gen, das im mit­täg­li­chen Böh­men ge­haust hat, und in der Erin­ne­rung und in den Er­zäh­lun­gen des Vol­kes fort­leb­te. Als Jüng­ling ging ich die­sen Spu­ren nach, und habe man­chen Tag in den Trüm­mern der Stamm­burg die­ses Ge­schlech­tes zu­ge­bracht. Hier­auf streb­te das Ding sich in ver­schie­de­nen kin­di­schen Ver­su­chen dich­te­risch zu ge­stal­ten. Spä­ter fand sich, be­glei­tet von man­cher Un­ter­bre­chung und Wie­der­auf­nah­me, et­was Erns­te­res zu­sam­men, und ging in jüngs­ter Zeit der Vollen­dung ent­ge­gen, wel­che Vollen­dung wie­der durch ein lan­ges Un­wohl­sein auf­ge­scho­ben wur­de. Da ga­ben mir Freun­de den Rat, vor­erst den Be­ginn des Wer­kes vor­zu­le­gen, was hie­mit ge­schieht. Wie weit die­ses er­sprieß­lich ist, sei ei­nem glimpf­li­chen Ur­tei­le an­heim ge­stellt. Mö­gen die Män­ner der Ge­schich­te, wenn ei­ni­ge aus ih­nen die fol­gen­den Blät­ter ei­ner Durch­sicht wür­di­gen, nicht zu viel Un­rich­ti­ges in ih­nen fin­den, und die Män­ner der Dich­tung nicht zu viel Un­künst­le­ri­sches, und mö­gen, wenn mir Gott die Been­di­gung mei­nes Un­wohl­seins und eine neue er­höh­te­re Kraft schenkt, die fol­gen­den Bän­de bes­ser ge­lin­gen als die­ser ers­te.

Linz, im Christ­mo­na­te 1864 Adal­bert Stif­ter

Erster Band

1. Es klang fast wie Gesang von Lerchen

Am obe­ren Lau­fe der Do­nau liegt die Stadt Passau. Der Strom war eben nur aus Schwa­ben und Bay­ern ge­kom­men, und netzt an die­ser Stadt einen der mit­täg­li­chen Aus­gän­ge des baye­ri­schen und böh­mi­schen Wal­des. Die­ser Aus­gang ist ein star­kes und stei­les Ge­klip­pe. Die Bi­schö­fe von Passau ha­ben auf ihm eine fes­te Burg ge­baut, das Ober­haus, um ge­le­gent­lich ih­ren Un­ter­ta­nen Trotz bie­ten zu kön­nen. Ge­gen Mor­gen von dem Ober­hau­se liegt ein an­de­rer Stein­bü­hel, auf dem ein klei­nes Häus­lein steht, wel­ches einst den Non­nen ge­hör­te, und da­her das Nonn­güt­lein heißt. Zwi­schen bei­den Ber­gen ist eine Schlucht, durch wel­che ein Was­ser her­vor­kömmt, das von oben ge­se­hen so schwarz wie Tin­te ist. Es ist die Ilz, es kömmt von dem böh­misch-baye­ri­schen Wal­de, der über­all die brau­nen und schwar­zen Wäs­ser ge­gen die Do­nau sen­det, und ver­ei­nigt sich hier mit der Do­nau, de­ren mit­ter­nächt­li­ches Ufer es weit­hin mit ei­nem dun­keln Ban­de säumt. Das Ober­haus und das Nonn­güt­lein se­hen ge­gen Mit­tag auf die Stadt Passau hin­ab, die jen­seits der Do­nau auf ei­nem brei­ten Er­drücken liegt. Wei­ter hin­ter der Stadt ist wie­der ein Was­ser, das aus den fer­nen mit­täg­li­chen Hoch­ge­bir­gen kömmt. Es ist der Inn, der hier eben­falls in die Do­nau geht, und sie auch an ih­rer Mit­tags­sei­te mit ei­nem Ban­de ein­faßt, das aber eine sanft­grü­ne Far­be hat. Die ver­stärk­te Do­nau geht nun in der Rich­tung zwi­schen Mor­gen und Mit­tag fort, und hat an ih­ren Ge­sta­den, vor­züg­lich an ih­rem mit­ter­näch­ti­gen, star­ke wal­di­ge Ber­ge, wel­che bis an das Was­ser rei­chen­de Aus­gän­ge des böh­mi­schen Wal­des sind. Mit­ter­nacht­wärts von der Ge­gend, die hier an­ge­führt wor­den ist, steigt das Land staf­fel­ar­tig ge­gen je­nen Wald em­por, der der böh­misch-baye­ri­sche ge­nannt wird. Es be­steht aus vie­len Berg­hal­den, lang­ge­streck­ten Rücken, man­chen tie­fen Rin­nen und Kes­seln, und ob­wohl es jetzt zum größ­ten Tei­le mit Wie­sen, Fel­dern und Woh­nun­gen be­deckt ist, so ge­hört es doch dem Haupt­wal­de an, mit dem es viel­leicht vor Jah­ren un­un­ter­bro­chen über­klei­det ge­we­sen war. Es ist, je hö­her hin­auf, im­mer mehr mit den Bäu­men des Wal­des ge­ziert, es ist im­mer mehr von dem rei­nen Gra­nit­was­ser durch­rauscht, und von kla­re­ren und küh­le­ren Lüf­ten durch­weht, bis es im Ar­ber, im Lu­sen, im Ho­hen­stei­ne, im Ber­ge der drei Ses­sel und im Blö­cken­stei­ne die höchs­te Stel­le und den dich­tes­ten und an meh­re­ren Or­ten un­durch­dring­li­chen Wald­stand er­reicht. Die­ser auch jetzt noch große Wald hat in sei­nen Nie­de­run­gen vor­nehm­lich die Bu­che, hö­her hin­auf das Reich der Tan­ne und des gan­zen Ge­schlech­tes der Na­del­höl­zer, und end­lich auf dem Gra­te der Ber­ge auch oft Knie­holz, nicht der Berg­hö­he, son­dern der kal­ten Win­de we­gen, die ger­ne und frei hier herr­schen. Von der Schnei­de des Wal­des sieht man in das Tal der Moldau hin­ab, wel­che in vie­len Win­dun­gen und im moo­ri­gen Bo­den, der sich aus dem Wal­de her­aus­ge­löst hat, in die fer­ne­ren Ge­län­de hin­aus geht. Ge­gen sie steigt der Wald in brei­ten dich­ten Wo­gen ab, nimmt sie nicht sel­ten in sei­ne Schat­ten, und läßt sie wie­der in Wie­sen und Hut­wei­den hin­aus. Und so geht er von ihr in vie­len Wel­len in mit­ter­nächt­li­cher ge­gen Mor­gen ge­neig­ter Rich­tung in das Land Böh­men hin­ein, bis er nach vie­len Stun­den, die ein Mann zu wan­dern hät­te, mit der letz­ten der Wel­len, die den Na­men Blans­ko führt, an der Ebe­ne steht, in wel­cher die Stadt Bud­weis liegt. Und wenn er in den Tal­rin­nen und tel­ler­ar­ti­gen Aus­buch­tun­gen auch vie­le Wie­sen Fel­der und Ort­schaf­ten hat, so geht in der Mit­te doch der un­ge­schwäch­te Wald­wuchs von dem Blö­cken­stei­ne in ge­ra­der mor­gen­li­cher Rich­tung über das Hoch­ficht die Schö­ne­be­ne und den Schloß­wald hin­aus, und in ihm ist kei­ne Lich­tung und kei­ne Woh­nung. Die Rich­tung der Moldau ist auch ge­gen Mor­gen. Sie ist ganz in dem böh­mi­schen Lan­de. Ihr Flie­ßen ist in dem Tale des großen Wal­des sehr lang­sam. Un­ter­halb des Je­sui­ten­wal­des kömmt sie in die Kien­ber­ge, die an ih­rer lin­ken Sei­te ste­hen. Hin­ter ih­nen be­geg­net sie dem Fels der Teu­fels­mau­er, und ihr Lauf wird an ihm ein rau­schen­der und to­sen­der. Hier­auf geht sie noch um schö­ne Wald­hö­hen, und noch ein Weil­chen ge­gen Mor­gen. Dann än­dert sie ihre Rich­tung, wen­det sich ge­gen Mit­ter­nacht, und be­ginnt das Wald­land zu ver­las­sen. Ihr Fall bleibt da fort­an ein le­ben­di­ge­rer und schnel­ler­er, als er in der moo­ri­gen Tal­soh­le des obe­ren Wal­des ge­we­sen war. Sie be­geg­net noch man­chem dich­ten Fels, dann man­chem Wald­haup­te, das sie in Schlan­gen zu um­ge­hen ge­zwun­gen ist, und man­chem lang­ge­dehn­ten Han­ge, an dem sie in ge­ra­der Rich­tung hin­strei­chen muß, bis die Ber­ge im­mer klei­ner wer­den, die sie leich­ter um­springt, bis sie nach meh­re­ren Mei­len gleich dem Blans­ko in die Ebe­ne kömmt, in der Bud­weis liegt. Die be­deu­tends­ten Orte, de­nen sie in dem Lau­fe, der ge­nannt wor­den ist, in den heu­ti­gen Ta­gen be­geg­net, sind die Fle­cken Ober­plan und Fried­berg, die Ab­tei Ho­hen­furt und die Städ­te Ro­sen­berg und Kru­mau.

Zur Zeit, da in Deutsch­land der drit­te Kon­rad, der ers­te aus dem Ge­schlech­te der Ho­hen­stau­fen, herrsch­te, da Bay­ern der stol­ze Hein­rich inne hat­te, da Leo­pold der Frei­ge­bi­ge Mark­graf in Ös­ter­reich war, da So­bes­law der Ers­te auf dem Her­zog­stuh­le der Böh­men saß, und da man das Jahr des Hei­les 1138 schrieb: ritt in der Schlucht zwi­schen dem Ber­ge des Ober­hau­ses und dem des Nonn­güt­leins -- wel­che Ber­ge aber da­mals wild ver­wach­sen wa­ren -- auf ei­nem grau­en Pfer­de, des­sen Far­be fast wie der fri­sche Bruch ei­nes Ei­sen­stückes an­zu­schau­en war, ein Mann von der Do­nau ge­gen das mit­ter­näch­ti­ge Hü­gel­land hin­aus. Der Mann war noch in ju­gend­li­chem Al­ter. Ein leich­ter Bart, wel­cher eher gelb als braun war, zier­te die Ober­lip­pe, und um­zog das Kinn. Die Wan­gen wa­ren fast ro­sen­rot, die Au­gen blau. Das Haupt­haar konn­te nicht an­ge­ge­ben wer­den; denn es war ganz und gar von ei­ner le­der­nen Kap­pe be­deckt, wel­che wie ein Be­cken von sehr fes­tem und dickem Stof­fe ge­bil­det, so daß ein ziem­lich star­ker Schwert­hieb kaum durch­zu­drin­gen ver­moch­te, der­ge­stalt auf dem Kop­fe saß, daß sie al­les Haar in ih­rem In­nern faß­te, und an bei­den Ohren so ge­gen den Rücken mit ei­ner Ver­län­ge­rung hin­ab­ging, daß sie auch einen Hieb auf den Na­cken un­wirk­sam zu ma­chen ge­eig­net schi­en. Die­se Ver­län­ge­rung der Haupt­be­de­ckung aber hing nicht lose auf den Na­cken her­ab, son­dern lag ihm viel­mehr dicht an, und wur­de un­ter dem Wam­se ge­bor­gen, wel­ches von glei­chem Le­der den gan­zen Ober­kör­per knapp um­hüll­te. In den Ach­sel­höh­len war ein Schnitt, daß der Mann den Arm hoch he­ben konn­te, und daß man dann das Lin­nen sei­ner in­nern Klei­dung zu se­hen ver­moch­te. Von dem näm­li­chen Le­der schi­en auch die Bein­be­klei­dung des Rei­ters. All die­ses Le­der war ur­sprüng­lich matt­gelb ge­we­sen, und wie­wohl man nicht ver­ken­nen konn­te, daß große Sorg­falt auf sei­ne Er­hal­tung und Rei­ni­gung an­ge­wen­det wor­den sei, so muß­te man doch zu­ge­ben, daß es nicht mehr neu sei, und Spu­ren von Wet­ter­schä­den und aus­ge­tilg­ten Fle­cken zeig­te. An der Hüf­te hing ein Schwert. Eine Art Man­tel oder Ober­kleid von Tuch oder über­haupt ei­nem Woll­stof­fe war zu­sam­men­ge­schnürt an den Sat­tel ge­schnallt, wes­halb man die Ge­stalt und das We­sen die­ses Din­ges nicht zu er­grün­den ver­moch­te. Nur die Far­be schi­en grau zu sein. Der Rei­ter hat­te kei­ne Fe­der auf dem Haup­te und nir­gends ein Ab­zei­chen an sich. Die Hän­de wa­ren bloß, die rech­te war frei, die lin­ke führ­te die Zü­gel. Das Pferd hat­te grö­ße­re Hufe und stär­ke­re Len­den, als Kriegs- oder Reit­pfer­de ge­wöhn­lich zu ha­ben pfle­gen. Da der Rei­ter die Schlucht hin­aus ritt, sah er we­der rechts noch links, noch nach der Stadt zu­rück. Es war eine frü­he Stun­de ei­nes Ta­ges des Spät­som­mers, der schon ge­gen den Herbst neig­te. Der Tag war hei­ter, und die Son­ne schi­en warm her­nie­der. Das Pferd ging durch die Schlucht in lang­sa­mem Schrit­te. Als es über sie hin­aus­ge­kom­men war, ging es wohl schnel­ler, aber im­mer nur im Trit­te. Es ging einen lan­gen Berg hin­an, dann eben, dann einen Berg hin­ab, eine Leh­ne em­por, eine Leh­ne hin­un­ter, ein Wäld­chen hin­ein, ein Wäld­chen hin­aus, bis es bei­na­he Mit­tag ge­wor­den war. In die­ser Zeit lang­te der Rei­ter un­ter ei­ni­gen höl­zer­nen Häu­sern an, die den Na­men des Hau­zen­ber­ges führ­ten. Die Häu­ser la­gen in Un­ord­nung zer­streut, und der Grund, auf dem sie stan­den, war un­gleich. Es war hier schon küh­ler als an der Do­nau; denn da in Passau vie­le Obst­bäu­me stan­den, rag­te hier nur der Wald­kirsch­baum em­por, er stand ver­ein­zelt, und stand in ei­ner Ge­stalt, die in man­chen Tei­len zer­stückt war, und be­wies, daß vie­le har­te Stür­me in den Win­tern an ihm vor­über­ge­gan­gen wa­ren. In sehr schö­ner Bil­dung da­ge­gen stand die Ebe­re­sche um­her, sie stand bei vie­len Häu­sern, und misch­te das Grün ih­res Lau­bes und das be­gin­nen­de Rot ih­rer Trau­ben zu dem Grau der Dä­cher. Die Her­ber­ge war ein Stein­haus, stand auch ne­ben Ebe­re­schen, und hat­te ein fla­ches, weit vor­sprin­gen­des Dach, auf dem große Gra­nit­stücke la­gen. Die Tra­ge­bal­ken gin­gen weit her­vor, und wa­ren zier­lich ge­schnitzt und rot be­malt. In der Gas­sen­mau­er war eine Tür, de­ren Pfos­ten rot an­ge­stri­chen wa­ren. Sie führ­te in die Schenk­stu­be. Nicht weit von ihr war ein Tor, das in den Hof ging. Auf der Gas­se stan­den meh­re­re stei­ner­ne Ti­sche. Wei­ter zu­rück wa­ren Pflö­cke, die in die Erde ein­gerammt wa­ren, und dazu dienten, daß man Pfer­de an sie an­hän­gen konn­te. Wie­der wei­ter von die­sen Pflö­cken ent­fernt wa­ren auch noch ein paar of­fe­ne Schop­pen, um Pfer­de un­ter ihr Dach füh­ren zu kön­nen. Hin­ter den Schop­pen stand Wald­wuchs.

Der Rei­ter ritt, da er bei die­sen Häu­sern an­ge­kom­men war, auf dem schma­len Weg­lein ge­gen das Wirts­haus, dort hielt er an, und stieg ab. Er führ­te sein Pferd zu ei­nem der Pflö­cke, nahm ihm die Ge­biß­stan­gen aus dem Mun­de, zog eine Half­ter aus der Sat­tel­ta­sche, und band es mit der­sel­ben an den Pflock. Da dies ge­sche­hen war, nahm er Wol­lap­pen von der Grö­ße star­ker Män­ner­hän­de aus dem Sat­tel, und strich mit den Lap­pen wech­selnd die Sei­ten und an­de­re Tei­le des Tie­res. Als er da­mit fer­tig war, und die Lap­pen aus­ge­schüt­telt hat­te, lei­te­te er noch sei­ne blo­ße fla­che Hand an den Wei­chen und dem Rücken des Tie­res hin, wel­ches ihn da­bei an­blick­te. Dann brei­te­te er den Man­tel über das­sel­be. Als er die­sen aus­ein­an­der ge­fal­tet hat­te, sah man, daß er ein sehr ein­fa­ches kunst­lo­ses Stück Stoff von gro­ber Wol­le und grau­er Far­be sei. Dem Pfer­de gab er we­der Nah­rung noch Ge­trän­ke, son­dern ließ es ste­hen, und ging zu ei­nem der stei­ner­nen Ti­sche, an dem nie­mand war, und setz­te sich vor dem­sel­ben nie­der.

Auf der Bank, die vor dem Hau­se hin­lief, saß ein Mann, von dem Hal­se bis zur Soh­le in das glei­che Stück gro­ben brau­nen Tu­ches ge­klei­det. Das Tuch lag fest an sei­ner schlan­ken Ge­stalt. Um die Schul­tern hat­te er ein sehr kur­z­es Män­tel­chen mit Är­meln, das von grau­er Far­be war, und noch grö­be­res Tuch zeig­te als die an­de­re Be­klei­dung. Schwe­re Schu­he hüll­ten die Füße ein. Sonst hat­te er nichts auf sei­nem Kör­per. Der Kopf war ohne Be­de­ckung, und wu­cher­te mit dem dich­tes­ten kur­z­en und so krau­sem schwar­zen Haa­re, als wäre je­des ein­zel­ne Fäd­chen des­sel­ben zu ei­nem Rin­ge ge­bo­gen wor­den. Um das Kinn, auf der Ober­lip­pe und an den Sei­ten des An­ge­sich­tes war das­sel­be kur­ze Haar, aber wo mög­lich noch krau­ser. Aus die­sem Schwarz sah ein ro­tes jun­ges An­ge­sicht mit sehr großen schwar­zen Au­gen her­aus. Der Mann band mit sei­nen Hän­den einen fes­ten Ei­sen­draht git­ter­ar­tig um einen ge­klüf­te­ten ir­de­nen Topf. Der Rei­ter saß mit sei­nem An­ge­sich­te dem Man­ne ge­gen­über.

Seit­wärts des Rei­ters, etwa zehn Schrit­te von ihm ent­fernt, sa­ßen an ei­nem Bret­ter­ti­sche zwei an­de­re Män­ner. Sie hat­ten sehr be­schmutz­te Le­der­kol­ler an. Die un­te­re Be­klei­dung konn­te man der sehr brei­ten Tisch­plat­te wil­len nicht se­hen. Ihre Le­der­hau­ben la­gen auf dem Ti­sche. Der eine hat­te rot­brau­ne Haa­re und einen ro­ten Bart, der an­de­re war schwarz­haa­rig; aber in das Schwarz war schon sehr viel Weiß ge­mischt. Der Rot­bart schi­en um die drei­ßig Jah­re zu sein, der Grau­bart um die fünf­zig. Bei­der An­ge­sich­ter wa­ren stark ge­bräunt. Vor ih­nen stand ein großer grau­er Stein­krug mit blau­en Blu­men. An der Bank ne­ben dem Ti­sche lehn­te eine Arm­brust, auf der Bank aber lag ein ei­sen­spit­zi­ger Stock, den man auch einen Speer nen­nen konn­te.

Sonst war kein Gast auf der Gas­se, als an dem ent­fern­tes­ten kleins­ten Ti­sche ein Kärr­ner, der sei­nen Kar­ren mit Ware, die viel­leicht Töp­fer­ge­schirr sein konn­te, ne­ben sich hat­te.

Ob in der Schenk­stu­be je­mand war, konn­te man nicht se­hen.

Nur das Fe­der­vieh des Wir­tes ging in der Son­ne her­um, und pick­te zu Zei­ten ein Körn­chen vom ver­streu­ten Pfer­de­fut­ter.

Da sich der Rei­ter an dem Ti­sche nie­der­ge­setzt hat­te, kam auch der Wirt im Bock­le­der­wam­se dun­keln Un­ter­bein­klei­dern und plat­ter Hau­be aus der Tür mit den ro­ten Pfos­ten. Er nä­her­te sich dem Ti­sche, an wel­chem der jun­ge Rei­ter saß, und sag­te: »Wer­det Ihr et­was be­dür­fen, was un­ser Haus ge­ben kann?«

»Wohl, wenn Ihr mir zu Diens­ten seid«, ent­geg­ne­te der Rei­ter, »es ist nur we­nig. Sen­det mir ein Stück­chen Fleisch, ein Brot und einen Trunk Bier. Und wenn ich ge­ges­sen habe, dann schickt mir einen Knecht her­aus, daß ich ihm sage, was ich für mein Pferd brau­che.«

»Ich wer­de nur sel­ber Euer Pferd be­treu­en«, ant­wor­te­te der Wirt.

»Es wäre mir lie­ber, wenn Ihr ge­ra­de so tä­tet, wie ich Euch ge­be­ten habe«, ent­geg­ne­te der Rei­ter.

»Es ist auch gut«, sag­te der Wirt, und ent­fern­te sich.

So­gleich kam ein Mäd­chen aus dem Hau­se, das rote Wan­gen hat­te, und dem zwei licht­gel­be Zöp­fe von dem Na­cken über den ro­ten Latz und das wol­le­ne schwar­ze Un­ter­ge­wand her­ab hin­gen. Das Mäd­chen deck­te fri­sches Lin­nen auf den rau­hen Stein des Ti­sches, und stell­te Schüs­sel­chen, und leg­te Mes­ser und Ga­bel auf das Lin­nen. Dann brach­te es dem Rei­ter in ei­nem grau­en Kru­ge, der auch blaue Blu­men hat­te, Bier und end­lich ein Stück ge­bra­te­ner Rind­schnit­te und ein Laib­lein Brot. Der Rei­ters­mann zer­schnitt das Fleisch und das Brot, ver­zehr­te bei­des, und trank das Bier. Als er fer­tig war, kam der Wirt, und woll­te den Krug wie­der fül­len; der Rei­ter aber leg­te die Hand auf den Rand des Ge­fäßes, und sag­te: »Es ist ge­nug, ich habe mei­nen Durst ge­stillt. Sen­det mir jetzt den Knecht, daß mein Pferd sein Ob­sor­ge er­hal­te.«

Von dem Ne­ben­ti­sche streck­te der Rot­bart dem Wir­te den blau­ge­blüm­ten Krug hin, daß er ihn wie­der fül­le. Der Wirt ging mit dem Kru­ge in das Haus.

Als der Knecht zu dem Ti­sche des Rei­ters ge­kom­men war, und nach sei­nem Be­gehr ge­fragt hat­te, sag­te die­ser: »Ma­che, daß eine Magd mit Was­ser Stroh und Sand ein we­nig eine Pfer­de­ku­fe rei­ni­ge.«

Da der Knecht den Rei­ters­mann an­sah, als habe er ihn nicht recht ver­stan­den, sprach die­ser neu­er­dings: »Ich muß mei­nem Pfer­de Rein­lich­keit ge­ben, dar­um las­se mir eine Kufe aus­wa­schen.«

Der Knecht hol­te nun eine Magd, wel­che in ei­nem Kü­bel Was­ser, dann Stroh und Sand brach­te, um da­mit eine der höl­zer­nen Ku­fen zu scheu­ern, die als Pfer­de­fut­ter­trog vor dem Hau­se stan­den. Der Rei­ter war von sei­nem Ti­sche auf­ge­stan­den, sah der Ar­beit zu, und lei­te­te sie. Als sie fer­tig war, wur­de die Kufe vor sein Pferd ge­stellt. Der Rei­ter nahm nun sel­ber den fla­chen läng­lich run­den Korb, in dem der Knecht Ha­ber ge­bracht hat­te, in sei­ne Hän­de, schüt­tel­te den Ha­ber, und gab dann einen Teil da­von, mit sei­nen Hän­den ab­ge­mes­sen, dem Pfer­de in die Kufe. Als die­ses da­von fraß, und in sei­nem Fres­sen fort­fuhr, ging der Rei­ter wie­der zu sei­nem Ti­sche, setz­te sich dort nie­der, und sah vor sich hin.

Nach­dem eine ge­hö­ri­ge Zeit ver­gan­gen war, stand der Rei­ter wie­der auf, und ging zu sei­nem Pfer­de. Er ord­ne­te ihm neu­er­dings sein Fut­ter, und gab ihm jetzt auch Heu, wel­ches der Knecht ge­bracht hat­te. Er blieb nun bei dem Pfer­de ste­hen.

Da nä­her­te sich ei­ner der zwei Män­ner, wel­che nicht weit von dem Rei­ter ge­ses­sen wa­ren. Es war der äl­te­re, der mit den grau­en Haa­ren. Als er nahe ge­nug war, sag­te er zu dem jun­gen Man­ne: »Das ist ein schö­nes Tier, ein star­kes Tier, es wird auch ge­wiß sehr schnell sein.«

»Ja es ist ein gu­tes Tier, und für mich reicht sei­ne Schnel­lig­keit hin«, sag­te der jun­ge Rei­ter.

Der an­de­re fuhr nach ei­ner Wei­le fort: »Ihr müßt es den Leu­ten hier nicht übel neh­men, wenn sie den Um­gang mit Euch nicht ver­ste­hen, sie ha­ben kei­nen Un­ter­richt. Es kom­men sel­ten hier an­ge­se­he­ne Rei­ter her­auf; denn da ist kein ord­nungs­mä­ßi­ger Heer­weg, es sind kei­ne Orte hier, die einen viel­fäl­ti­gen Wan­del mit ein­an­der hät­ten, und die Hü­gel und die Schluch­ten des Bo­dens sind auch nicht ge­eig­net, daß hier Feh­den aus­ge­tra­gen wür­den. Der Gastherr ist schier nur ein Bau­er, und wei­ter hin­auf sind gar lau­ter Wäl­der, in de­nen kein Mensch ist. Aber da­hin seid Ihr ge­wiß nicht ge­kom­men, und wer­det nicht kom­men.«

»Ich bin mit der Nah­rung, die ich in die­sem Hau­se er­hal­ten habe, zu­frie­den«, ant­wor­te­te der Rei­ter, »der Ha­ber ist für mein Pferd gut, und das Heu auch.«

»Ja, ja«, ant­wor­te­te der an­de­re, »aber wie man mit vor­neh­men Leu­ten auf eine höf­li­che Art um­ge­hen soll, das wis­sen sie hier nicht.«

»Ich bin nicht vor­nehm«, sag­te der Rei­ter.

»Es kann sich jetzt in die­sen Krie­gen viel be­ge­ben«, fing der an­de­re wie­der an, »es kön­nen Bo­ten und Rei­si­ge un­ter­wegs sein und Wege und Pfa­de ein­schla­gen, auf die man gar nicht däch­te.«

»Mir sind nur Land­be­woh­ner be­geg­net«, ant­wor­te­te der jun­ge Rei­ter.

»Dann müßt Ihr von Passau her­auf ge­kom­men sein«, sag­te der an­de­re.

»Es ver­ei­ni­gen sich meh­re­re Wege un­ter­halb die­ser Häu­ser«, er­wi­der­te der Rei­ter.

»Das ist wahr«, ent­geg­ne­te der an­de­re. »Es gibt schlech­te Men­schen, die ei­nem Bo­ten auf­lau­ern könn­ten, um Lohn zu er­hal­ten. Da ist der Her­zog Hein­rich, ein ed­ler Mann, ein rei­cher Mann, ein mäch­ti­ger Mann, der Schwie­ger­sohn un­sers se­li­gen Kai­sers -- Gott seg­ne den Kai­ser in der Ewig­keit -- der Her­zog hat die Klein­o­de, und wird sie nicht her­aus­ge­ben. Dann ist der Kö­nig Kon­rad, der er­lauch­te Herr aus dem Hau­se der Stau­fen. Dann ist der hei­li­ge Herr, der Erz­bi­schof von Tri­er, dann der Mark­graf Leo­pold von Ös­ter­reich, ein jun­ger Herr. Er ist der Stief­bru­der des neu­en Kö­nigs, und wird zu ihm ste­hen. Der Her­zog So­bes­law in Böh­men ist schon äl­ter, und hat Er­fah­rung.«

»Ich habe noch kei­nen die­ser Her­ren ge­se­hen«, ant­wor­te­te der Rei­ter.

»Ja, Ihr seid noch jung«, sag­te der an­de­re, »und könnt Euer Glück in der Welt schon fin­den. Es wird Gna­den und Ehren ge­ben. Ich bin schon alt, und kann nichts tun, als für die ho­hen Häup­ter be­ten. Ich wün­sche Euch, daß Ihr recht viel Glück habt, jun­ger Herr, und bringt es vor­wärts.«

»Nun, da Ihr mir Gu­tes wollt, so wer­de ich Euch schon auch ein­mal einen Dienst er­wei­sen, so Ihr einen von mir braucht«, er­wi­der­te der Rei­ter.

»Gu­tes, nur lau­ter Gu­tes«, sag­te der an­de­re, und be­gab sich wie­der zu sei­nem Ge­fähr­ten an den Tisch.

Da nun die­ser Mann von dem Rei­ter fort­ge­gan­gen war, so war noch ein an­de­rer da. Der Kraus­kopf stand in ei­ni­ger Ent­fer­nung, und be­trach­te­te das Pferd mit sei­nen schwar­zen Au­gen. Er muß­te mit sei­nem Ge­schäf­te fer­tig ge­wor­den sein.

Da der Rei­ter sei­nem Pfer­de die Nah­rung zu­sam­men­ge­stri­chen hat­te, sah er auf den Kraus­kopf, und sag­te: »Be­wun­derst du auch mein Pferd?«

Die­ser ging nun nä­her, und ant­wor­te­te: »Ich be­wun­de­re es schon lan­ge, schon so lan­ge Ihr da seid. Hat der an­de­re es auch be­wun­dert? Nun, ich kann es mir den­ken.«

»Kannst du rei­ten?« frag­te ihn der jun­ge Mann.

»Ja, ich kann rei­ten«, ant­wor­te­te der an­de­re, »und brau­che kei­ne Bü­gel und kei­ne Spo­ren und kei­nen Sat­tel. Ich rei­te bar­fuß, mit den Kni­en, mit den Fer­sen und mit den Fäus­ten.«

»Das muß ein schö­nes Rei­ten sein«, sag­te der jun­ge Mann.

»Ja«, er­wi­der­te der Kraus­kopf, »ein gu­tes ist es, sie brin­gen mich nicht her­ab, wenn sie schla­gen, bei­ßen, stei­gen und sprin­gen.«

»Hast du ein Pferd?« frag­te der Rei­ter.

»Ich habe sel­ber kein Pferd, ich habe gar nie ein­mal ei­nes ge­habt; aber ich rei­te mit den Pfer­den der an­dern.«

»Und las­sen die an­dern dich auf ih­ren Pfer­den rei­ten?« frag­te der jun­ge Mann.

»Ja, von der Wei­de und in die Schwem­me«, ent­geg­ne­te der Kraus­kopf. »Es ge­hen Pfer­de auf dem An­ger her­um, und wäl­zen sich, oder fres­sen.«

»Sind es gute Pfer­de?« frag­te der Rei­ter.

»Ja, gute Pfer­de«, ant­wor­te­te der an­de­re, »es ist ein Un­ter­schied, ei­ni­ge sind stär­ker, an­de­re schwä­cher, aber so zier­lich schön und glatt wie das Eu­ri­ge ist kei­nes. Ich möch­te ein­mal auf ei­nem sol­chen Pfer­de sit­zen, auf ei­nem Sat­tel, und die Füße in die­se ei­ser­nen Sch­lin­gen da ste­cken.«

»Dazu muß man Ge­schick ha­ben«, sag­te der Rei­ter.

»Wer schwimmt, und Ra­ben­nes­ter ab­nimmt, auf Stan­gen über einen Bach geht, und einen Stier fängt, wird doch auch auf ei­nem sol­chen Sat­tel sit­zen kön­nen.«

»Ja, das Sit­zen ist leicht«, sag­te der Rei­ter, »aber das Pferd zu lei­ten, daß es ver­nünf­tig ist, und den Wil­len des Rei­ters weiß.«

»Das wür­de ich schon ma­chen«, ant­wor­te­te der Kraus­kopf. »Ich wür­de mein Pferd zu­erst pfle­gen, wie Ihr tut.«

»Das ist gut«, sag­te der Rei­ter.

»Ihr habt den ei­ge­nen Man­tel dar­auf ge­legt«, er­wi­der­te der an­de­re, »daß es sich nach dem schar­fen Rit­te nicht ver­küh­le.«

»Siehst du, daß du die Be­hand­lung der Pfer­de nicht kennst«, sag­te der Rei­ter; »nach ei­nem schar­fen Rit­te darf man die Pfer­de, auch wenn sie mit ei­nem Man­tel be­deckt wer­den, nicht ste­hen las­sen, son­dern man muß sie her­um füh­ren, erst schnel­ler, dann lang­sa­mer, daß sie die Wär­me ge­mach ver­lie­ren, und für Fut­ter und Trank taug­li­cher wer­den.«

»Wa­rum habt Ihr denn Euer Pferd dann so­gleich ste­hen ge­las­sen?« frag­te der an­de­re.

»Weil ich gar nicht scharf ge­rit­ten bin«, ant­wor­te­te der Rei­ter.

»Ihr seid nicht scharf ge­rit­ten?« frag­te der Kraus­kopf, und sah den Rei­ter star­rer an.

»Wenn nicht Schnel­lig­keit nö­tig ist«, ent­geg­ne­te der jun­ge Mann, »so las­se ich das Pferd sei­nen lang­sa­men Schritt ge­hen. Es dankt mir dann ein an­der Mal, wenn ich Kraft und Schnel­lig­keit brau­che.«

»Das ist sehr gut«, sag­te der Kraus­kopf. »Ich wür­de mei­nem Pfer­de Treue er­wei­sen, daß es mir wie­der treu wür­de, und mir folg­te.«

»Da­ran wür­dest du sehr wohl tun«, sprach der Rei­ter.

»Weil ich die Wege in dem Wal­de ken­ne und weiß, wie alle Men­schen im Wal­de und ihre Hun­de hei­ßen, so wür­de ich auch den Wil­len ei­nes Pfer­des ken­nen«, sag­te der an­de­re.

»Kann sein«, ent­geg­ne­te der Rei­ter.

»Ich wer­de aber nie ein Pferd ha­ben«, sag­te der Kraus­kopf.

»Wa­rum denn nicht?« frag­te der Rei­ter.

»Weil ich nie so vie­le Pfen­ni­ge ha­ben wer­de, mir eins zu kau­fen«, ent­geg­ne­te der an­de­re.

»Ja so«, sag­te der Rei­ter.

»Und wenn ich der ers­te Knecht des Wal­des wäre, so könn­te ich mir nie ein so rit­ter­li­ches Pferd kau­fen, wie das Eu­ri­ge ist. Mit ei­nem rit­ter­li­chen Pfer­de wür­de ich Erkleck­li­ches be­wir­ken«, sag­te der Kraus­kopf.

»Ja, da wirst du nie ei­nes be­kom­men«, ent­geg­ne­te der jun­ge Mann.

»Wenn ich im Krie­ge bei den Uns­ri­gen eine Lan­ze er­grif­fe, zu den Fein­den gin­ge, ih­nen ein Pferd näh­me, und dar­auf zu uns zu­rück rit­te: ge­hör­te das Pferd mir?«

»Es wäre Beu­te«, sag­te der Rei­ter.

»Ge­hör­te es mir?« frag­te der an­de­re wie­der.

»Wenn du kein Wege- und Ge­le­gen­heits­la­ge­rer bist, son­dern ein zu­ge­teil­ter Kriegs­knecht, und wenn du das Pferd nicht in der all­ge­mei­nen Schlacht oder sonst in ei­nem An­grif­fe er­wirbst, son­dern wenn du al­lein hin­über gehst und es al­lein her­über bringst, so wird man es dir wohl las­sen«, ant­wor­te­te ihm der Rei­ter.

»So wer­de ich also tun«, ent­geg­ne­te der Mann.

»Tu es, mein Freund«, sag­te der Rei­ter.

Das Pferd war in­des­sen mit sei­ner Nah­rung läs­si­ger ge­wor­den, und hat­te öf­ter um­ge­blickt. Der Rei­ter ließ ihm Was­ser brin­gen, und tränk­te es, dann misch­te er ihm wie­der et­was Ha­ber in sei­ne Kufe. Wäh­rend es den­sel­ben ver­zehr­te, blieb er da­bei ste­hen. Der Kraus­kopf blieb auch ste­hen, und sah zu. Als das Pferd fer­tig war, wur­de es noch ein­mal ge­tränkt, und der Rei­ter wisch­te ihm dann die Lip­pen ab, und die Kufe wur­de seit­wärts ge­stellt. Hier­auf ging der jun­ge Mann zu sei­nem Ti­sche, und ver­lang­te nach dem Wir­te. Als die­ser er­schie­nen war, frag­te er ihn: »Was bin ich Euch schul­dig?«

»Die Zeh­rung macht sie­ben­zehn Pfen­ni­ge, und das Wa­schen des Tro­ges macht drei Pfen­ni­ge«, sag­te der Wirt.

Der Rei­ter nes­tel­te auf der Brust ein we­nig sein Wams auf, und zog ein Beu­tel­chen her­aus. Er las aus dem­sel­ben den Be­trag, reich­te ihn hin, zog das Beu­tel­chen zu, und barg es wie­der in sei­nem Wam­se. Dann be­gab er sich zu sei­nem Pfer­de, zäum­te es, schnall­te den Man­tel, führ­te es ein we­nig ge­gen die Gas­se vor­wärts, und be­stieg es. Der Kraus­kopf war mit ihm ge­gan­gen, und sah über­all zu. Da der Rei­ter auf dem Pfer­de saß, rich­te­te er sich auf dem­sel­ben zu­recht, ritt ge­gen den Wirt, und sag­te: »Ich dan­ke Euch, lie­ber Herr, für die Be­wir­tung, und wün­sche, daß Euch Gott be­hü­te, und alle, die bei Euch sind.«

»Ich dan­ke Euch«, ant­wor­te­te der Wirt, »und wün­sche Euch des­glei­chen, und rei­tet glück­lich.«

Der Rei­ter ritt nun lang­sam von der Gas­se weg, den Kraus­kopf, und die ihm nachsa­hen, hin­ter sich las­send. Er ritt in der Rich­tung zwi­schen Mor­gen und Mit­ter­nacht fort. Er ritt wie­der eine Leh­ne hin­an, eine Leh­ne hin­ab, ein Wäld­chen aus, ein Wäld­chen ein, der Bo­den wur­de im­mer un­wirt­li­cher und war end­lich mit Wald be­deckt. Der Weg hat­te Wur­zel­ge­flech­te und Gra­nit­stei­ne, und das Pferd setz­te be­hut­sam sei­ne Hufe.

Da es Abend ge­wor­den war, kam der Rei­ter auf der Schnei­de ei­nes lan­gen von Abend ge­gen Mor­gen ge­streck­ten Ber­ges an. Der­sel­be ging mit lau­ter Wald in ein en­ges Tal hin­ab, und un­ten blitz­te ein Wäs­ser­lein. Jen­seits ging wie­der ein noch hö­he­rer und mäch­ti­ge­rer Wald em­por, und auf sei­nem Ran­de rag­te ein Stein­block in die Höhe. -- Der Rei­ter hielt ein Weil­chen an, und sah auf den Stein­block hin.

Dann ritt er in dem Wal­de, der vor ihm lag, hin­un­ter. Er ritt un­ter den Äs­ten der Bäu­me, die um ihn wa­ren, da­hin, und muß­te sich vor man­chem bücken, wel­cher zu nied­rig war. Nach ei­ner Zeit kam er bei ei­nem ro­ten Kreu­ze an. Er hielt an dem Kreu­ze stil­le, und tat ein kur­z­es Ge­bet­lein. Dann ritt er wie­der wei­ter. Als es ganz fins­ter ge­wor­den war, stieg er vom Pfer­de, nahm ihm die Zü­gel über den Hals nach vor­wärts, ging vor ihm, und führ­te es hin­ter sich her. Von dem Kreu­ze hat­te er noch eine kur­ze, aber sehr stei­le Stel­le zu dem Was­ser hin­un­ter. An dem Was­ser ver­brei­te­te sich ein Feu­er­ge­ruch, der Rei­ter ging auf eine of­fe­ne Stel­le hin­aus, auf wel­cher aus meh­re­ren dun­keln Er­hö­hun­gen Feu­er­züng­lein em­por gin­gen, die die nächt­li­chen Tan­nen be­leuch­te­ten, und aus de­nen sich ein lich­ter Rauch über den Wald er­hob. Seit­wärts die­ser Er­hö­hun­gen wa­ren meh­re­re Hüt­ten, aus de­nen man­ches Licht­lein glänz­te. Der Rei­ter führ­te sein Pferd zu ei­ner der Hüt­ten. Als er dort an­ge­kom­men war, öff­ne­te sich die Tür der Hüt­te, und ein Mann und ein Weib und zwei Kin­der tra­ten her­aus.

»Seid Ihr da«, sag­te der Mann, »wir ha­ben Euch schier nicht mehr er­war­tet.«

»Sei ge­grüßt, Ma­thi­as«, ent­geg­ne­te der Rei­ter, »von Passau kann ich wohl nicht in kür­ze­rer Zeit da sein.«

»So bringt nur Euer Pferd her­ein«, sag­te der Mann, und öff­ne­te nicht weit von der Tür ein Tor.

»Mar­ga­re­tha, leuch­te mit ei­nem Span«, sag­te er.

Das Weib lief in die Hüt­te, und kam bald mit ei­nem bren­nen­den Bu­chen­span zu­rück. Sie ging mit dem Span durch das Tor ein, der Rei­ter mit dem Pfer­de folg­te ihr, und hin­ter ihm gin­gen der Mann und die Kin­der. Sie ka­men in einen Stall. Zwei Kühe hin­gen in ei­ner Ecke dicht bei ein­an­der, und für das Pferd hat­te man einen frei­en Platz ge­macht. Es wur­de dort an­ge­bun­den, und der Rei­ter und der Mann be­frei­ten es von Zaum und Sat­tel. Der Rei­ter deck­te sei­nen Man­tel über des­sen Rücken. Die Kin­der schau­ten zu. Dann ging man von dem Stal­le durch eine klei­ne Tür in die Stu­be. In der Stu­be stand ein ho­her Pflock, der meh­re­re ei­ser­ne Schlei­fen hat­te. In zwei­en die­ser Schlei­fen sta­ken bren­nen­de Bu­chen­spä­ne. Die Frau steck­te ih­ren Span in eine drit­te Schlei­fe. Der Rei­ter setz­te sich auf einen höl­zer­nen Stuhl. Die Frau deck­te ein Lin­nen auf einen Tisch von wei­chem Hol­ze und stell­te dann eine Schüs­sel mit Sup­pe auf den Tisch. Der Rei­ter, der Mann, die Frau und die Kin­der aßen von der Sup­pe. Dann sag­te der Mann: »Ich wer­de Euch Euer Pferd be­sor­gen, da Ihr müde sein mögt.«

»Wir wer­den es bei­de be­sor­gen«, ant­wor­te­te der Rei­ter.

Der Mann nahm einen Span, ging dem Rei­ter vor­an in den Stall, und die­ser folg­te ihm. In dem Stal­le gab der Rei­ter dem Pfer­de von dem Fut­ter, das schon vor­ge­rich­tet war. Dann ging man wie­der in die Stu­be. Als die­ses so oft ge­sche­hen war, als sich nö­tig zeig­te, bis das Pferd sei­ne völ­li­ge Pfle­ge er­hal­ten hat­te, sag­te der Mann: »Jetzt be­ge­ben wir uns zur Ruhe, und ru­het Euch recht gut.«

»Ihr auch«, sag­te der Rei­ter.

Die Frau brach­te die Kin­der in ein Sei­ten­käm­mer­lein der Stu­be, und der Mann folg­te der Frau und den Kin­dern.

Der Rei­ter schnall­te sein Schwert ab, nahm sei­ne Hau­be von dem Kop­fe, lösch­te die Spä­ne aus, leg­te sich an­ge­klei­det auf ein Bett, das in ei­ner Ecke der Stu­be stand, leg­te sein Schwert ne­ben sich, und be­rei­te­te sich zum Schlum­mer.

Als des an­dern Ta­ges die Son­ne über den Wald em­por ging, stand der Rei­ter wie­der mit sei­ner Hau­be auf dem Kop­fe und mit dem Schwer­te an der Len­de vor der Hüt­te. Es war ein Stück­chen Feld und Wie­se um die­se wie um die an­de­ren Hüt­ten. Die schwar­zen Er­hö­hun­gen, wel­che Koh­len­mei­ler wa­ren, brann­ten und rauch­ten wie ges­tern.

Aus der Hüt­te kam die Frau mit den Kin­dern, die heu­te mor­gens schö­ner an­ge­klei­det wa­ren, und sag­te: »Kommt zur Sup­pe, lie­ber Herr.«

Der Rei­ter ging in die Stu­be, und alle zu­sam­men ver­zehr­ten eine Schüs­sel voll war­mer Milch mit Rog­gen­brot.

Der Rei­ter ging dann in den Stall, und vollen­de­te die Mor­gen­pfle­ge sei­nes Pfer­des.

Als die­ses vor­über war, sag­te er: »Weil heu­te Sonn­tag ist, soll das Pferd ru­hen. Ich wer­de in den Wald hin­auf und zu dem Fels der drei Ses­sel ge­hen. Ich habe ihn ges­tern von dem Ran­de des brei­ten Ber­ges aus be­trach­tet. Am Nach­mit­tage wer­de ich wie­der zu­rück­keh­ren. Du, Ma­thi­as, be­sor­ge die Mit­tag­pfle­ge des Pfer­des, wie du schon weißt.«

»Ich wer­de es be­treu­en, wie das schö­ne milch­wei­ße Pferd in Plan, wel­ches Ihr ge­habt habt«, sag­te der Mann.

»Das wei­ße Pferd wäre mir zu dem, was ich jetzt vor­ha­be, doch zu schwach«, ent­geg­ne­te der Rei­ter.

»So steckt doch we­nigs­tens ein Stück Brot zu Euch«, sag­te die Frau.

Der Rei­ter nahm das dar­ge­reich­te Stück Brot, und barg es in sei­nem Wam­se.

Dann ging er ge­gen das Was­ser, wel­ches in der Nähe der Hüt­te vor­über floß. Die Be­woh­ner der Hüt­te be­glei­te­ten ihn bis an das Was­ser.

»Euer Mi­hel­bach fließt recht schön an dei­ner Hüt­te vor­über«, sag­te der Rei­ter.

»Ja«, er­wi­der­te der Mann, »zu­wei­len aber nicht oft auch in die­sel­be hin­ein.«

»Nun ge­ha­be dich wohl, Ma­thi­as, und Ihr auch, Frau, mit Eu­ern Kind­lein«, sag­te der Rei­ter.

»Ge­habt Euch wohl, jun­ger Herr«, ant­wor­te­te der Mann.

»Er­hitzt Euch nicht zu sehr, und kommt ge­sund wie­der zu­rück«, sag­te die Frau.

»Es wird schon so ge­sche­hen«, er­wi­der­te der Rei­ter.

Dann ging er auf dem fla­chen Holz­ste­ge über das Was­ser, die an­dern gin­gen ge­gen die Hüt­te zu­rück.

Jen­seits des Was­sers ging er in dem Wal­de em­por. Der Him­mel war ganz blau, und man konn­te die Wald­glo­cken von Rin­dern und man­chen Schrei ei­nes Vo­gels hö­ren. Der Rei­ter wich zu­wei­len von dem Pfa­de ab, und ging auf eine Wald­blö­ße hin­aus.

Auf ei­ner sol­chen Wald­blö­ße, auf wel­cher kur­z­es Gras und klei­ne wei­ße Blüm­chen wa­ren, und an de­ren Ran­de große Ahor­ne stan­den, lag, als die Ahor­ne en­de­ten, ein sehr großer Stein, fast so groß als ein Haus, als wäre er von Men­schen­hän­den hin­ge­legt wor­den, und an dem Stei­ne stand eine un­ge­mein hohe Tan­ne. Der Rei­ter knie­te an der Tan­ne nie­der, und ver­rich­te­te ein Ge­bet. Als er ge­be­tet hat­te, stand er wie­der auf, und ging am Ran­de der Blö­ße wei­ter. Er kam wie­der zu Ahor­nen, un­ter de­nen aber­mals Stei­ne la­gen, aber klei­ne, als wä­ren sie zum Sit­zen her­ge­legt wor­den. Der Rei­ter ver­such­te die Stei­ne als Sit­ze, und sie taug­ten. Da er wie­der auf­ge­stan­den war, und wei­ter ge­hen woll­te, hör­te er plötz­lich Stim­men. Es war ein Ge­sang so klar und schmet­ternd wie von Ler­chen. Es wa­ren aber nicht Ler­chen­stim­men, son­dern Men­schen­stim­men, Mäd­chen­stim­men. Sie san­gen je­nes Lied ohne Wor­te, in wel­chem im Wal­de und in Ber­gen das Herz sich in al­ler­lei Schwin­gun­gen der Stim­me, im Stür­zen und He­ben der­sel­ben, im Wan­deln und Blei­ben aus­spricht. Es wa­ren zwei Stim­men, die im Verei­ne und in Ver­schlin­gun­gen klan­gen. Sie er­klan­gen, ho­ben sich, senk­ten sich, tru­gen sich, trenn­ten sich, neck­ten sich, schmoll­ten und ju­bel­ten. Es war die Lust und Freu­de, die sie tön­ten. Der Ge­sang schi­en nä­her zu kom­men. Mit ei­nem Male tra­ten zwei Ge­stal­ten aus den Tan­nen her­vor, und stan­den am Ran­de der­sel­ben Blö­ße wie der Rei­ter und in nicht großer Ent­fer­nung von ihm. Sie hiel­ten sich mit zwei Ar­men die Na­cken um­schlun­gen, die an­de­ren zwei Arme hat­ten sie frei. Es wa­ren jun­ge Mäd­chen mit blo­ßen Köp­fen, von de­ren je­dem zwei Zöp­fe nie­der­gin­gen. An den Ar­men war wei­ßes Lin­nen, von den Brust­lat­zen, die rot wa­ren, fiel der stark­fal­ti­ge schwar­ze Rock hin­ab. Ei­nes der Mäd­chen trug wil­de rote Ro­sen, ne­ben ein­an­der ste­hend, um das Haupt. Das an­de­re hat­te kei­ne Zier­de. Da sie auf die Wie­se ge­tre­ten wa­ren, und den Mann sa­hen, hör­te ihr Ge­sang auf. Sie blie­ben ste­hen, sa­hen auf ihn hin, und er stand gleich­falls, und sah auf sie. Dann be­gann er lang­sam ge­gen sie hin zu ge­hen. So­gleich trat das Mäd­chen, wel­ches kei­ne Ro­sen hat­te, in den Wald zu­rück, das an­de­re blieb ste­hen. Der Rei­ter ging zu dem­sel­ben hin. Da er bei ihm an­ge­kom­men war, sag­te er: »Was stehst du mit dei­nen Ro­sen hier da?«

»Ich ste­he hier in mei­ner Hei­mat da«, ant­wor­te­te das Mäd­chen; »stehst du auch in der­sel­ben, daß du frägst, oder kamst du wo an­ders her?«

»Ich kom­me an­ders wo­her«, sag­te der Rei­ter.

»Wie kannst du dann fra­gen?« ent­geg­ne­te das Mäd­chen.

»Weil ich es wis­sen möch­te«, ant­wor­te­te der Rei­ter.

»Und wenn ich wis­sen möch­te, was du willst«, sag­te das Mäd­chen.

»So wür­de ich es dir viel­leicht sa­gen«, ant­wor­te­te der Rei­ter.

»Und ich wür­de dir viel­leicht sa­gen, warum ich mit den Ro­sen hier ste­he«, ent­geg­ne­te das Mäd­chen.

»Nun, warum stehst du da?« frag­te der Rei­ter.

»Sage zu­erst, was du willst«, er­wi­der­te das Mäd­chen.

»Ich weiß nicht, warum ich es nicht sa­gen soll­te«, er­wi­der­te der Rei­ter, »ich su­che mein Glück.«

»Dein Glück? Hast du das ver­lo­ren?« sag­te das Mäd­chen, »oder suchst du ein an­de­res Glück, als man zu Hau­se hat?«

»Ja«, ant­wor­te­te der Rei­ter, »ich gehe nach ei­nem großen Schick­sa­le, das dem rech­ten Man­ne ziemt.«

»Kennst du die­ses Schick­sal schon, und weißt du, wo es liegt?« frag­te das Mäd­chen.

»Nein«, sag­te der Rei­ter, »das wäre ja nichts Rech­tes, wenn man schon wüß­te, wo das Glück liegt, und nur hin­ge­hen dürf­te, es auf­zu­he­ben. Ich wer­de mir mein Ge­schick erst ma­chen.«

»Und bis du der rech­te Mann, wie du sagst?« frag­te das Mäd­chen.

»Ob ich der rech­te Mann bin«, ant­wor­te­te der Rei­ter, »sie­he, das weiß ich noch nicht; aber ich will in der Welt das Gan­ze tun, was ich nur im­mer tun kann.«

»Dann bist du viel­leicht der rech­te«, er­wi­der­te das Mäd­chen, »bei uns, sagt der Va­ter, tun sie im­mer we­ni­ger, als sie kön­nen. Du mußt aber aus­füh­ren, was du sagst, nicht bloß es sa­gen. Dann weiß ich aber doch noch nicht, ob du ein Schick­sal ma­chen kannst. Ich weiß auch nicht, ob du ein Schick­sal machst, wenn du in un­se­rem Wal­de auf der Wie­se stehst.«

»Ich darf da ste­hen«, sag­te der Rei­ter, »denn heu­te ist Sonn­tag, der Ru­he­tag für Men­schen und Tie­re, wenn es nicht eine Not und Not­wen­dig­keit an­ders heischt. Mein Pferd habe ich ein­ge­stellt. Ich bin in den Wald her­auf ge­gan­gen, zu be­ten. Und für den üb­ri­gen Tag will ich ver­su­chen, ob ich nicht zu dem Stei­ne der drei Ses­sel hin­auf ge­lan­gen kann.«

»Das kannst du«, sag­te das Mäd­chen, »es geht ein Pfad hin­auf, den du im­mer wie­der leicht fin­dest, wenn du ihn ein­mal ver­lierst. Weil aber der Stein von dem Grun­de, der um ihn her­um ist, wie eine ge­ra­de Mau­er auf­steigt, so ha­ben sie Stäm­me zu­sam­men ge­zim­mert, ha­ben die­sel­ben an ihn ge­lehnt, und durch Höl­zer eine Trep­pe ge­macht, daß man auf sei­ne Höhe ge­lan­gen kann. Du mußt aber oben sorg­sam sein, daß dein Haupt nicht irre wird; denn du stehst in der Luft al­lein über al­len Wip­feln.«

»Bist du schon oben ge­stan­den?« frag­te der Rei­ter.

»Ich wer­de doch, da ich so nahe bin«, ant­wor­te­te das Mäd­chen.

»Nun«, sag­te der Rei­ter, »wenn du schon oben ge­stan­den bist, so wer­de auch ich oben ste­hen.«

»Und wenn du heu­te von den drei Ses­seln her­un­ter kommst«, sag­te das Mäd­chen, »dann rei­test du mor­gen nach dei­nem Ge­schi­cke wei­ter?«

»Ich wer­de wei­ter rei­ten«, sag­te er; »warum hast du die Ro­sen?«

»Muß ich ant­wor­ten, wenn ich ge­fragt wer­de?« sag­te das Mäd­chen.

»Wenn die El­tern fra­gen, mußt du ant­wor­ten«, ent­geg­ne­te der Rei­ter, »wenn je­mand an­de­rer ar­tig fragt, sollst du, und wenn du es ver­spro­chen hast, mußt du ant­wor­ten.«

»So will ich dir so viel sa­gen, als du ge­sagt hast«, ant­wor­te­te das Mäd­chen, »ich tra­ge die Ro­sen, weil ich will.«

»Und warum willst du denn?« frag­te der Rei­ter.

»Für den Wil­len gibt es kei­ne Ur­sa­che«, sag­te das Mäd­chen.

»Wenn man ver­nünf­tig ist, gibt es für den Wil­len im­mer eine Ur­sa­che«, er­wi­der­te der Rei­ter.

»Das ist nicht wahr«, sag­te das Mäd­chen, »denn es gibt auch Ein­ge­bun­gen.«

»Trägst du die Ro­sen aus Ein­ge­bung?« frag­te der Rei­ter.

»Das weiß ich nicht«, ent­geg­ne­te das Mäd­chen, »aber wenn du mir mehr von dir sagst, so sage ich dir auch mehr.«

»Ich kann dir nicht viel sa­gen«, ant­wor­te­te der Rei­ter, »ich habe eine Mut­ter, die in Bay­ern wohnt, mein Va­ter ist ge­stor­ben, und ich rei­te jetzt in die Welt, um mei­ne Le­bens­lauf­bahn zu be­gin­nen.«

»So will ich dir auch et­was sa­gen«, er­wi­der­te das Mäd­chen. »Mei­ne El­tern ha­ben von hier wei­ter oben ein Haus. Wir wür­den es er­rei­chen, wenn wir hier in den Wald gin­gen, wo ich mit mei­ner Ge­spa­nin her­aus­ge­tre­ten bin, wenn wir in dem Wal­de nach auf­wärts gin­gen, bis wir ein Was­ser rau­schen hör­ten, und wenn wir dann zu dem Was­ser gin­gen, und dem­sel­ben im­mer ent­ge­gen, dann wür­den end­lich Wie­sen und Fel­der kom­men, und in ih­nen das Haus. An dem Hau­se ist ein Gar­ten, wo die Son­nen­sei­te ist, und in dem Gar­ten ste­hen vie­le Blu­men. Und an der Hin­ter­sei­te des Hau­ses geht ein Rie­gel ge­gen die Tan­nen, auf wel­chem vie­le Waldro­sen ste­hen, und die­se neh­me ich oft.«

»Hast du die Ro­sen heu­te aus Ein­ge­bung ge­nom­men? Sie sind mir ein Zei­chen, daß mei­ne Fahrt ge­lin­gen wird«, sag­te der Rei­ter.

»Ich habe einen Me­tall­ring, in wel­chen die Ro­senstie­le pas­sen«, sag­te das Mäd­chen, »habe heu­te Ro­sen ge­nom­men, habe sie in den Ring ge­steckt, und den Ring auf das Haupt ge­tan.«

»Weil wir noch mehr spre­chen wer­den«, sag­te der Rei­ter, »so ge­hen wir ein we­nig an dem Wald­sau­me hin, wo­her du mich kom­men ge­se­hen hast. Da wer­den wir Stei­ne fin­den, wel­che zu Sit­zen tau­gen. Auf die­sel­ben kön­nen wir uns set­zen, und dort spre­chen.«

»Ich weiß es nicht, ob ich noch meh­re­res mit dir spre­chen wer­de«, ant­wor­te­te das Mäd­chen, »aber ich gehe mit dir zu den Stei­nen, und set­ze mich ein we­nig zu dir. Ich ken­ne die Stei­ne, ich sel­ber habe die Sit­ze ma­chen las­sen. Im Som­mer ist es am Vor­mit­tage dort sehr heiß, am Nach­mit­tage aber schat­tig. Im Herbs­te ist es vor­mit­tags lieb­lich und mild.«

Sie wan­del­ten nun in der Rich­tung an dem Sau­me des Wal­des hin, in wel­cher der Rei­ter zu den Mäd­chen her­ge­kom­men war. Sie hat­ten bald jene Stei­ne er­reicht, an de­nen der Rei­ter ver­sucht hat­te, ob sie zu Sit­zen taug­lich wä­ren. Er blieb ste­hen, und harr­te, bis das Mäd­chen sich ge­setzt hat­te. Es setz­te sich auf einen glat­ten Stein. Der Rei­ter setz­te sich zu ih­rer Lin­ken auf einen, der et­was nie­de­rer war, so daß nun sein An­ge­sicht mit dem ih­ri­gen fast in glei­cher Höhe war. Das Schwert rag­te zu sei­ner Lin­ken in die nie­de­ren Stei­ne hin­ab. Sie spra­chen nun nichts.

Nach ei­ner Wei­le sag­te der Rei­ter: »So rede et­was.«

»So rede du et­was«, ant­wor­te­te sie, »du hast ge­sagt, daß du mit mir noch spre­chen willst.«

»Ich weiß jetzt nicht mehr, was ich sa­gen woll­te«, ent­geg­ne­te er.

»Nun, ich auch nicht«, sag­te sie.

Nach ei­ner Zeit sag­te der Rei­ter: »Es ist wahr, was du ge­spro­chen hast, daß an Vor­mit­tagen die Son­ne sehr mild auf die­se Stei­ne scheint.«

Sie ant­wor­te­te nicht. Nach ei­ner Wei­le sag­te sie: »Trägst du im­mer die­se häß­li­che Hau­be auf dei­nem Haup­te?«

»Nein, nur wenn ich sie brau­che«, sag­te er, »sie ist sehr leicht her­ab zu neh­men.«

Bei die­sen Wor­ten nahm er die Le­der­hau­be samt ih­rem An­hange von sei­nem Haup­te, und eine Fül­le schö­ner blon­der Haa­re roll­te auf sei­nen Na­cken her­ab. Die Hau­be leg­te er in das Gras.

»Ach, was Ihr für schö­ne Haa­re habt!« sag­te das Mäd­chen.

»Und was du für rote Wan­gen hast«, er­wi­der­te er.

»Und wie blau Eure Au­gen sind«, sag­te sie.

»Und wie braun und groß die dei­nen«, ant­wor­te­te er.

»Und wie Ihr freund­lich sprecht«, sag­te sie.

»Und wie du lieb­lich bist«, ant­wor­te­te er.

»Sagt, wie könnt Ihr nur die Fül­le die­ser Haa­re in der le­der­nen Hau­be un­ter­brin­gen?« frag­te das Mäd­chen.

»Das ma­che ich so«, ant­wor­te­te der Rei­ter, »ich fas­se die Haa­re, hal­te sie mit ei­ner Hand, und set­ze den Helm mit der an­dern dar­auf.«

Bei die­sen Wor­ten griff er nach dem Le­der­hel­me, faß­te mit sei­ner Lin­ken die Haa­re, hielt sie auf dem Haup­te, und setz­te mit der Rech­ten den Helm dar­auf.

»Ach, das ist schön«, sag­te sie.

»Nun sind sie be­deckt«, ant­wor­te­te er.

»Ja, legt nur die Hau­be wie­der weg«, sag­te sie.

Er nahm den Helm von dem Haup­te, und leg­te ihn wie­der an sei­ne vo­ri­ge Stel­le, und die Haa­re flos­sen wie­der her­ab.

»Wenn Ihr wollt in den Kampf ge­hen«, fuhr das Mäd­chen fort, »wie wer­det Ihr dann die Fein­de schre­cken kön­nen, wenn Ihr so freund­lich blickt?«

»Wer sag­te dir denn, daß ich in den Kampf ge­hen wer­de?« frag­te der Rei­ter.

»Ich weiß es«, ant­wor­te­te das Mäd­chen.

»Nun, in mei­nem Ge­schi­cke wer­den wohl Kämp­fe sein«, sag­te der Rei­ter.

»Der Kampf ist eine Ehre«, ant­wor­te­te das Mäd­chen.

»Wenn er nicht Raub und Ge­walt ist, eh­ret der Kampf«, sag­te der Rei­ter, »wenn man ge­gen feind­se­li­ge Men­schen den Va­ter, die Mut­ter, den Bru­der, die Schwes­ter, den Nach­bar und das Volk ver­tei­digt, eh­ret er noch mehr, und muß mit dem gan­zen Le­ben ge­führt wer­den. Dazu muß man sich vor­be­rei­ten.«

»Ihr habt ei­nes ver­ges­sen, das man noch ver­tei­di­gen muß«, sag­te sie.

»Was?« frag­te er.

»Sein Weib«, ant­wor­te­te sie.

»Ich habe kein Weib, und habe dar­auf nicht ge­dacht«, er­wi­der­te er; »aber wenn man schon das gan­ze Volk ver­tei­digt, so ver­tei­digt man sein Weib mit.«

»Nein, das­sel­be muß man am meis­ten ver­tei­di­gen«, sag­te das Mäd­chen.

»Nun, so ver­tei­digt man es am meis­ten«, ent­geg­ne­te der Rei­ter.

»Und wie wer­det Ihr dann bli­cken, daß der Feind we­ni­ger Herz hat?« frag­te sie wie­der.

»Das weiß ich nicht«, ant­wor­te­te er; »aber ich wer­de bli­cken, wie mir’s ist, und das wird der Feind ver­ste­hen. Dich bli­cke ich freund­lich an, weil ich freund­lich ge­gen dich bin.«

»Und da Ihr sagt, daß man sich zur Ver­tei­di­gung vor­be­rei­ten muß, so habt Ihr Euch vor­be­rei­tet?« frag­te das Mäd­chen.

»Weil ich will ein Rei­ter sein«, ant­wor­te­te er, »so habe ich ge­lernt, ein Pferd zu pfle­gen, und dar­auf zu rei­ten; ich habe mich im An­griff und im Schutz ge­übt, wer­de im Krie­ge ler­nen, und wer­de ein­se­hen, wie man eine Schar von an­dern an­zu­füh­ren hat.«

»Wollt Ihr ein An­füh­rer wer­den?« frag­te sie.

»Wenn es sein kann, ja«, ant­wor­te­te er.

»Habt Ihr ein schö­nes Pferd?« frag­te das Mäd­chen.

»Es ist nicht ein schö­nes, es ist nicht ein häß­li­ches«, er­wi­der­te der Rei­ter, »aber un­ter den gu­ten ist es ei­nes der bes­ten. Es ist ge­sund und stark, wit­zig und treu. Ich lie­be es, und es liebt mich wie­der, und folgt mir.«

»Was hat es denn für eine Far­be?« frag­te das Mäd­chen.

»Es ist ein ei­sen­grau­es Pferd«, ent­geg­ne­te der Rei­ter.

»Und warum tragt Ihr denn nicht eine Kopf­zier, wie die an­dern ho­hen Män­ner?« frag­te das Mäd­chen.

»Ich bin kein ho­her Mann«, ant­wor­te­te der Rei­ter, »und die Hau­be ist mir sehr wert. Sieh her, sie ist von der Haut des Elen­tie­res, das weit von hier lebt. Ein Schwert­hieb geht nicht durch.«

Bei die­sen Wor­ten hat­te er den Helm auf­ge­ho­ben, und ihn dem Mäd­chen ge­zeigt. Das Mäd­chen sah ihn an, und be­fühl­te sein wei­ches Le­der mit den Fin­gern.

»Und ist es denn nicht sehr heiß, wenn Ihr die lan­gen Haa­re in der Hau­be tragt?« frag­te sie.

»Es ist hei­ßer, als wenn die Haa­re kurz sind«, ant­wor­te­te er, »aber Hit­ze und Käl­te muß dem Man­ne gleich sein. Bei al­len al­ten Völ­kern hat man lan­ge Haa­re ge­liebt, und sie schüt­zen auch ge­gen Hie­be.«

»Sind Eure an­dern Klei­der eben­falls von der Haut die­ses Tie­res?« frag­te das Mäd­chen.

»Der Pan­zer; das üb­ri­ge ist ge­rin­ger«, ant­wor­te­te der Rei­ter. »Sie ha­ben sonst auch Schie­nen, ich habe das Le­der.«

»Ihr habt Euer Schwert in den Wald mit­ge­nom­men«, sag­te das Mäd­chen.

»Ich habe es im­mer bei mir«, ent­geg­ne­te der Rei­ter, »au­ßer wenn ich zu Hau­se in si­che­rer Kam­mer schla­fe. Schwert ist zu­gleich Schwert und Schild.«

»Ist es schön?« frag­te das Mäd­chen.

»Sie­he«, sag­te der Rei­ter.

Er wen­de­te die Schei­de ge­gen sich, zog das Schwert dar­aus her­vor, und reich­te es ihr dar. Sie nahm es so, daß einen Teil der blo­ßen Klin­ge sie hielt, den an­dern er.

»Ach, wel­che Zei­chen!« rief sie aus.

»Das ist Sankt Pe­ter mit der Ket­te«, sag­te er, »wir ha­ben ihn zu un­serm Schutz­hei­li­gen, weil wir aus Rom stam­men. Was du um ihn her­um siehst, das ist Zie­rat.«

»Und was ist denn das an­de­re?« frag­te das Mäd­chen.

»Das ist auch Zie­rat«, ent­geg­ne­te der Rei­ter.

»Das Bild ist ein schö­nes Bild«, sag­te sie.

»Es muß schön ge­macht sein«, ant­wor­te­te er, »und das Schwert muß ge­gen Hie­be und Ge­walt gut ge­stärkt sein. Das wirst du nicht er­ken­nen.«

»Nein«, sag­te sie.

Er nahm die Schei­de, hielt sie, und steck­te das Schwert wie­der in die­sel­be.

»Und nun, Mäd­chen, wie hei­ßest du denn?« frag­te er.

»Ber­t­ha«, ant­wor­te­te sie, »und wie heißt denn Ihr?«

»Wi­ti­ko«, ent­geg­ne­te er, »und wie alt bist du denn?«

»Sech­zehn Jah­re«, sag­te sie, »und wie alt seid denn Ihr?«

»Zwan­zig«, er­wi­der­te er, »ich bin neun Jah­re nach der Zeit ge­bo­ren wor­den, da der Her­zog Swa­to­p­luk von Böh­men er­schla­gen wor­den ist.«

»Ich habe mir ge­dacht, daß Ihr sehr jung seid«, ent­geg­ne­te sie.

»Und lebst du im Wal­de, Ber­t­ha?« frag­te er.

»Im Wal­de und auch an­ders­wo«, ant­wor­te­te sie; »ich habe Euch ja schon ge­sagt, daß wir wei­ter auf­wärts von hier ein Haus ha­ben. Dann ist noch das Häu­schen des Va­ters mei­ner Sing­ge­spa­nin, sonst ist nichts.«

»Habt Ihr eine Kir­che?« frag­te er.

»Sie steht fünf Stun­den von hier in der Frei­ung«, ant­wor­te­te sie, »wenn man dann hun­dert Schrit­te von un­serm Hau­se ab­wärts geht, und noch eine hal­be Stun­de zur Mi­hel zu ge­hen hät­te, wo die Köh­ler sind, steht ein dun­kel­ro­tes ho­hes Hütt­lein aus Holz, und in dem Hütt­lein ist die hei­li­ge Mut­ter mit dem Je­sus­kin­de aus Holz. Der Bi­schof hat sie ge­weiht. Vor dem Hütt­lein ste­hen klei­ne Bänk­lein, dar­an man kni­en und be­ten kann. Wir be­ten da. Hin­ter dem Hütt­lein ste­hen Ebe­re­schen­bäu­me, und Ebe­re­schen­bäu­me ge­hen bis zu un­se­rem Hau­se. Jetzt sagt mir aber auch et­was von Euch.«

»Mein Ge­schlecht ist dun­kel«, ant­wor­te­te er, »es ist aber nicht im­mer so ge­we­sen.«

»Und wo wer­det Ihr dann hin­ge­hen, wenn Ihr mor­gen von hier fort­rei­tet?« frag­te sie.

»In das Land Böh­men«, ant­wor­te­te er.

»In das Land Böh­men?« frag­te sie, »warum geht Ihr denn nicht zu dem neu­en Kö­ni­ge Kon­rad oder zu un­se­rem Her­zo­ge Hein­rich?«

»Das ist so«, ent­geg­ne­te er: »im Mit­ta­ge des Lan­des Böh­men ha­ben mei­ne Vor­fah­ren im Wal­de ge­lebt. In al­ten Zei­ten vor vie­len hun­dert Jah­ren, da es noch gar kein deut­sches Reich ge­ge­ben hat, da in dem Lan­de der Fran­ken, das sehr groß war, die tap­fern Haus­mei­er der al­ten Kö­ni­ge ge­herrscht ha­ben, ist ein Mann aus dem Stam­me der Fürs­ten Ur­si­ni in Rom, der auch Wi­ti­ko wie ich ge­hei­ßen hat, we­gen Ver­fol­gung ein­ge­drun­ge­ner Fein­de mit sei­nem Wei­be, mit sei­nen Kin­dern, mit sei­nen An­ver­wand­ten und mit ei­nem krie­ge­ri­schen Ge­fol­ge in das Land ge­gen Mit­ter­nacht ge­gan­gen, und bis an die Do­nau ge­kom­men. Von dort woll­te er in das Land Böh­men ein­bre­chen. Aber Woy­en, der Her­zog Böh­mens, der erst­ge­bor­ne Sohn des Her­zogs Mna­ta, der noch heid­nisch war, und die Chris­ten haß­te, zog ihm mit ei­nem Hee­re ent­ge­gen, und tö­te­te in ei­ner Nie­der­la­ge, die Wi­ti­ko er­litt, fast alle sei­ne Leu­te. Da trug Wi­ti­ko dem Her­zo­ge Woy­en ein Bünd­nis an, er woll­te sich ihm un­ter­wer­fen, und die Mar­ken Böh­mens ge­gen die Frem­den ver­tei­di­gen, wenn ihm der Her­zog in den wal­di­gen Ber­gen, in wel­che er ein­ge­drun­gen war, eine Woh­nung ge­ben wol­le. Der Her­zog gab sie ihm, und nun wohn­te er an ei­nem Ber­ge in dem Wal­de. Sie brei­te­ten sich aus, wur­den mäch­tig, und grün­de­ten das Chris­ten­tum, daß sich vier­zehn Le­chen vom Mit­ta­ge Böh­mens lan­ge vor der Zeit, da Bo­ri­woy der ers­te christ­li­che Her­zog Böh­mens war, in Re­gens­burg tau­fen lie­ßen. Dann nahm das Ge­schlecht wie­der ab, wur­de un­be­kannt, und ich bin der letz­te da­von. Wi­ti­ko hat­te auf dem Ber­ge an sei­ner Woh­nung Waldro­sen ge­pflanzt, wie auf ei­nem Ber­ge ne­ben sei­ner Woh­nung in Rom Waldro­sen ge­stan­den sind. Alle Vor­gän­ger des al­ten Wi­ti­ko, wel­che in die Zei­ten hin­auf reich­ten, da noch gar kein Christ auf der gan­zen Welt war, hat­ten Waldro­sen ge­pflanzt, weil noch kei­ne an­de­ren wa­ren, und alle Nach­fol­ger ha­ben Waldro­sen ge­pflanzt.«

»Es wird doch eine Ein­ge­bung ge­we­sen sein, daß ich die Ro­sen ge­nom­men habe«, sag­te Ber­t­ha.

»Nimmst du oft Ro­sen?« frag­te Wi­ti­ko.

»Ich neh­me sie zu­wei­len«, sag­te Ber­t­ha.

»Und daß es in die­ser Jah­res­zeit noch Ro­sen gibt, ist schon ein Wun­der«, sag­te Wi­ti­ko.

»Ich habe die­se auch nur heu­te im Wald­schat­ten ge­fun­den, und in mei­nen Ring ge­steckt«, ent­geg­ne­te Ber­t­ha.

»Siehst du«, sag­te Wi­ti­ko.

»So mö­gen sie Euch ein Zei­chen sein«, er­wi­der­te Ber­t­ha, »und mö­get Ihr recht viel Glück ha­ben. Ich wer­de Euch zu mei­nem Va­ter füh­ren, daß er Euch einen Mann zu den drei Ses­seln mit­gibt, der Euch den kür­zes­ten Pfad weist.«

»So füh­re mich zu dei­nem Va­ter, Ber­t­ha«, sag­te Wi­ti­ko.

»Wollt Ihr?« frag­te sie.

»Ich will«, ant­wor­te­te er.

»So kommt«, sag­te sie.

Bei die­sen Wor­ten er­hob sie sich, der Rei­ter setz­te sei­ne Le­der­hau­be auf den Kopf, und stand gleich­falls auf.

Sie gin­gen nun an dem Wald­sau­me bis zu der Stel­le, an wel­cher die Mäd­chen her­aus­ge­kom­men wa­ren. Dort tra­ten sie un­ter die Stäm­me, und in klei­ner Tie­fe des Wal­des stand das an­de­re Mäd­chen, das mit Ber­t­ha ge­sun­gen hat­te. Als Ber­t­ha und Wi­ti­ko sich ihr nä­her­ten, nahm sie die Flucht, und lief vor ih­nen her. Wi­ti­ko sah nun, daß ihre Zöp­fe, die auf das dunkle Kleid hin­ab gin­gen, eine lich­te fast weiß­gel­be Far­be hat­ten, wäh­rend die Bert­has braun wä­ren. Sie lief aber so, daß sie bald nicht mehr ge­se­hen wer­den konn­te. Wi­ti­ko und Ber­t­ha gin­gen un­ter den ho­hen Tan­nen des Wal­des und zwi­schen be­moos­ten Stei­nen da­hin. Sie gin­gen auf­wärts.

Nach ei­ner Wei­le hör­ten sie ein Was­ser rau­schen, wel­ches in der Ge­gend zu ih­rer lin­ken Hand flie­ßen muß­te. Ber­t­ha wen­de­te sich nun links, und ging zu dem Was­ser, das man fast durch die Stäm­me aber tief un­ten in ei­ner Schlucht se­hen konn­te. Ber­t­ha ging an dem Was­ser in der frü­he­ren Rich­tung wie­der fort, aber im­mer oben am Ran­de der Sen­kung. Sie gin­gen im­mer auf­wärts. Nach ei­ner Zeit wur­de der Wald dün­ner, und sie tra­ten end­lich in das Freie. Da lag eine Wie­se vor ih­nen, hin­ter der Wie­se wa­ren Fel­der, und dann stand ein großes wei­ßes Haus. Hin­ter dem Hau­se stieg der Wald em­por, und war ein brei­tes mäch­ti­ges Band. Sei­nen Ses­sel­fes konn­te man we­gen der Nähe nicht se­hen, ge­gen Mor­gen aber wa­ren an­de­re star­ke Stein­rip­pen im Ban­de. Die Wie­se war von Ge­strip­pe und Stei­nen ge­rei­nigt. Ber­t­ha lenk­te nun auf einen Pfad ein, der in der Wie­se auf das Haus zu­ging. Der Pfad war ge­ord­net und so breit, daß selbst ein Wa­gen auf ihm hät­te fah­ren kön­nen. Als sie auf dem Pfa­de so weit fort­ge­gan­gen wa­ren, daß sie noch ei­ni­ge hun­dert Schrit­te zu dem Hau­se ge­habt hät­ten, ka­men sie zu der Bet­stel­le des ro­ten Hütt­chens. Es stand an dem Wege, mit sei­ner Öff­nung ge­gen Mor­gen dem Pfa­de zu­ge­kehrt. Un­ten war es ge­schlos­sen, oben hat­te es eine Öff­nung, in wel­cher das Bild der hei­li­gen Mut­ter stand, es war in Gold in ro­ten blau­en und an­de­ren Far­ben. Vier Ebe­re­schen­bäu­me hin­ter dem Hütt­chen wa­ren hoch em­por ge­wach­sen. Ber­t­ha knie­te an ei­nem Bänk­lein nie­der, und tat ein Ge­bet. Wi­ti­ko knie­te ne­ben sie, und be­te­te auch. Dann stan­den sie auf, und gin­gen wei­ter. Das Rau­schen des Was­sers tön­te aus der Schlucht her­auf, und auch nicht weit vor dem Hütt­chen kam ein Was­ser aus dem Gra­se der Wie­se, und schoß flüch­tig nach ab­wärts.

»Ihr habt hier kla­re fröh­li­che Quel­len«, sag­te Wi­ti­ko.

»Es sind noch meh­re­re, rechts und links«, ant­wor­te­te Ber­t­ha, »sie kom­men von den drei Ses­seln und von dem Blö­cken­stei­ne.«

»Und das ist euer Bild, von dem Ihr mir ge­sagt habt?« frag­te er.

»Das ist das Bild«, ant­wor­te­te sie.

»Und dort ist euer Haus?« sag­te er.

»Dort ist das Haus«, er­wi­der­te sie.

Nach kur­z­em Wan­deln an den Rei­hen der Ebe­re­schen ka­men sie an das Haus.

An dem­sel­ben war ge­gen Mor­gen ein Sand­platz, ge­gen Mit­tag ein Gar­ten. Das Haus war sehr lang. Es war aus Stein ge­baut, und weiß über­tüncht. Die Fens­ter, wel­che in ei­ner ge­ord­ne­ten Rei­he hin­gin­gen, wa­ren mit ei­ser­nen Stä­ben ver­wahrt. Es hat­te nur ein Erd­ge­schoß, wel­ches aber hoch war, und auf wel­chem sich ein fla­ches Dach be­fand, das vie­le und große Stei­ne deck­ten. Die schma­le Sei­te des Hau­ses, wel­che dem Sand­plat­ze zu­ge­kehrt war, hat­te eine ei­sen­be­schla­ge­ne Tür. Durch die Tür, wel­che nicht ge­schlos­sen war, son­dern ei­nem leich­ten Dru­cke wich, führ­te Ber­t­ha Wi­ti­ko in das Haus. Sie ka­men hin­ter der Tür in einen ge­räu­mi­gen Vor­saal, von dem ein Gang durch die Län­ge des Hau­ses fort lief, und von dem Vor­saa­le tra­ten sie links wie­der in einen Saal. Der­sel­be war groß, und hat­te ge­gen die Schmal­sei­te des Hau­ses vier, ge­gen des­sen Lang­sei­te sechs Fens­ter. Der Fuß­bo­den war von Tan­nen­bret­tern, die Wän­de wa­ren weiß ge­tüncht, und die De­cke war eine stark­bal­ki­ge Die­le von braun­ge­beiz­tem Tan­nen­hol­ze, an den Wän­den hin­gen Waf­fen, und in den Ecken lehn­ten auch ei­ni­ge. In der Mit­te des Saa­l­es stand ein sehr lan­ger Bu­chen­tisch.

An dem obe­ren Ende des Bu­chen­ti­sches saß ein Mann von etwa vier­zig bis fünf­zig Jah­ren. Er hat­te ein weit­fal­ti­ges schwar­zes Ober­kleid an, von dem die licht­brau­ne Un­ter­be­klei­dung hin­ab ging. Auf das Ober­kleid fie­len lan­ge brau­ne Lo­cken hin­ab. Vor ihm stan­den zwei an­de­re Män­ner, mit de­nen er sprach.

»In die Glur­wie­se geht ihr um fünf Uhr«, sag­te er, »dann könnt ihr mit der Hälf­te fer­tig wer­den.«

»Ja«, sag­te ei­ner der Män­ner.

»Ihr müßt im Scher­hol­ze an der Son­nen­sei­te schlich­ten, und die Eck­stö­ße fest ma­chen«, sprach er wei­ter.

»Ja«, sag­te der an­de­re der Män­ner.

»So, jetzt geht, und be­rich­tet mir, wenn es ge­sche­hen ist«, sag­te er.

Die Män­ner ent­fern­ten sich, und gin­gen zur Tür hin­aus.

Der Mann an dem Bu­chen­ti­sche sah nun mit zwei großen blau­en Au­gen auf Ber­t­ha und Wi­ti­ko.

Ber­t­ha ging ei­ni­ge Schrit­te ge­gen den Mann und sag­te: »Va­ter, da ist ei­ner in den Wald ge­kom­men, der nach sei­nem Glücke geht, und sich ein Schick­sal ma­chen will. Weil heu­te Sonn­tag ist, so ru­het er, und hat in dem Wal­de ge­be­tet. Ich habe auf der Sper­wie­se mit ihm ge­spro­chen, und brin­ge ihn dir.«

Der Mann mit den brau­nen Lo­cken stand auf, ging ge­gen Wi­ti­ko, und sag­te: »Seid mir will­kom­men.«

»Ich neh­me das Will­kom­men an«, sag­te Wi­ti­ko, »und wol­let mein Ein­drin­gen ent­schul­di­gen.«

»Mei­ne Toch­ter hat Euch ge­bracht, und Ihr seid will­kom­men«, sag­te der Mann, »und Ihr wä­ret auch will­kom­men, wenn Ihr al­lein ge­kom­men wä­ret; denn mein Haus ist gast­lich.«

»Ich hei­ße Wi­ti­ko von Pric«, sag­te Wi­ti­ko.

»Ich Hein­rich«, ant­wor­te­te der Mann.

»Der Rei­ter will heu­te auf die drei Ses­sel stei­gen«, sag­te Ber­t­ha.

»Weil Ihr auf dem Wege nach gu­tem Diens­te in mein Haus ge­kom­men seid, Wi­ti­ko«, sag­te Hein­rich, »so neh­met ein Mit­ta­ges­sen bei mir, ich wer­de Euch dann einen Mann ge­ben, der Euch zu den Ses­seln ge­lei­ten soll. Jetzt bie­te ich Euch einen Stuhl, und wenn es nicht ge­gen Eure Sit­te ist, so schnallt Euer Schwert ab, daß Ihr un­ge­hin­der­ter seid.«

»Ich neh­me die Ein­la­dung zum Mit­ta­ges­sen und zu ei­nem Stuh­le dank­bar an, das Schwert kann ich aber nicht ab­schnal­len, weil ich mir den Brauch auf­er­legt habe, es im­mer, wo es tun­lich ist, zu tra­gen, daß es mir nicht ein­mal fehlt, wenn ich es brau­che«, sag­te Wi­ti­ko.

»Da­ran tut Ihr nicht un­recht«, sage Hein­rich, »und wenn Ihr von den drei Ses­seln zu­rück­kommt, wer­det Ihr die Nacht­her­ber­ge bei uns neh­men?«

»Ich rei­te mor­gen wie­der wei­ter«, ent­geg­ne­te Wi­ti­ko, »habe mein Pferd bei den Köh­lern an der Mi­hel, und muß heu­te wie­der da­hin zu­rück­kom­men.«

»So wer­den wir die Zeit so ein­rich­ten, daß Ihr es könnt«, sag­te Hein­rich.

Nach die­sen Wor­ten wen­de­te er sich ge­gen den Tisch, rück­te zwei Stüh­le zu­recht, wies auf einen, und er und Wi­ti­ko setz­ten sich nie­der.

Dann sag­te er zu Ber­t­ha: »Gehe zur Mut­ter, und ver­kün­di­ge ihr, daß wir einen Gast ha­ben.«

Ber­t­ha ging ge­gen einen Fens­ter­pfei­ler, und hing ih­ren Kranz mit Ro­sen an einen Na­gel.

»Wa­rum hängst du denn dein Gold­reif­lein zu den Waf­fen?« frag­te der Va­ter.

»Las­se die Ro­sen heu­te bei den Waf­fen hän­gen«, ant­wor­te­te Ber­t­ha.

Dann ging sie durch eine Tür in das wei­te­re In­ne­re des Hau­ses.

Nach ei­ni­gen Au­gen­bli­cken kam sie mit der Mut­ter bei die­ser Tür wie­der her­aus. Die Mut­ter hat­te wie Ber­t­ha brau­ne Haa­re und Au­gen. Sie hat­te fei­ne Hän­de und Glie­der. An ih­rem Kör­per war ein en­ges blau­es Wams mit Sil­ber­rän­dern, die Vor­der­är­mel und das wei­te Un­ter­kleid wa­ren aus blaß­gel­ber Wol­le. Die Haa­re deck­te ein wei­tes Netz mit Gold­fäd­lein.

»Wi­ulf­hilt«, sag­te Hein­rich, »der jun­ge Rei­ter Wi­ti­ko von Pric, der Sohn Woks und Wen­ti­las, ist un­ser Gast.«