Wo kommen wir denn da hin - Günter Habicht - E-Book

Wo kommen wir denn da hin E-Book

Günter Habicht

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Beschreibung

»Der Habicht hat ein Buch geschrieben. Na, da werden Se was zu lachen haben! « Renate Bergmann Günter Habicht, 63 und ehemaliger Busfahrer, wacht über die Nachbarschaft. Unsachgemäß getrennter Abfall, falsch geparkte E-Roller: Nichts entgeht seinem scharfen Auge. Günters Frau Brigitte bringt das auf die Palme. Aber Günter hilft auch, wo er kann! Mit Vorliebe im Baumarkt – dort sogar besser als jeder Mitarbeiter. Und natürlich geht er auch mit Brigitte zu IKEA. Solange dort nicht auch gerade Renate Bergmann unterwegs ist – denn die weiß, dass Günter zu Hause unter dem Pantoffel steht. Wenn die das bloß nicht überallhin twittert! Dann ist es nämlich aus mit Günters Autorität ... »Die Eberzahn hatte direkt vorm Hydranten geparkt, und die Uhr war auf 4 Minuten 23 Sekunden, als sie den Zündschlüssel drehte und den Wagen startete. Wenn das nun jeder so machen würden, wo kämen wir denn da hin?! Mit der Anzeige musste sie rechnen.«

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Wo kommen wir denn da hin

Der Autor

GÜNTER HABICHT ist 63, früh verrenteter Busfahrer, leidenschaftlicher Kleingärtner und  Zeltplatzwart. Er hat zu allem eine Meinung und für ihn zählt, was schwarz auf weiß irgendwo steht. Das gilt aber nicht fürs Internet! Er ist nur Mitglied in der Whatsapp-Gruppe »Abendfrieden«, weil er sonst keine Infos mehr aus der Gartenkolonie bekommt. TORSTEN ROHDE, Jahrgang 1974, hat in Brandenburg/Havel Betriebswirtschaft studiert und als Controller gearbeitet. Unter dem Pseudonym Renate Bergmann hat er bereits zahlreiche Bestseller veröffentlicht. Nun startet seine neue Serie mit dem Offline-Opa Günter Habicht.

Das Buch

»Der Habicht hat ein Buch geschrieben. Na, da werden Se was zu lachen haben! « Renate Bergmann

Günter Habicht, 63 und ehemaliger Busfahrer, wacht über die Nachbarschaft. Unsachgemäß getrennter Abfall, falsch geparkte E-Roller: Nichts entgeht seinem scharfen Auge. Günters Frau Brigitte bringt das auf die Palme. Aber Günter hilft auch, wo er kann! Mit Vorliebe im Baumarkt – dort sogar besser als jeder Mitarbeiter. Und natürlich geht er auch mit Brigitte zu IKEA. Solange dort nicht auch gerade Renate Bergmann unterwegs ist – denn die weiß, dass Günter zu Hause unter dem Pantoffel steht. Wenn die das bloß nicht überallhin twittert! Dann ist es nämlich aus mit Günters Autorität ...

»Die Eberzahn hatte direkt vorm Hydranten geparkt, und die Uhr war auf 4 Minuten 23 Sekunden, als sie den Zündschlüssel drehte und den Wagen startete. Wenn das nun jeder so machen würden, wo kämen wir denn da hin?! Mit der Anzeige musste sie rechnen.«

Günter Habicht

Wo kommen wir denn da hin

Der Offline-Opa sorgt für Ordnung

Ullstein

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Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch1. Auflage November 2021© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2021Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © Rudi HurzlmeierAutorenbild: © Rudi Hurzlmeier

ISBN 9783843726276

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Inhalt

Der Autor / Das Buch

Titelseite

Impressum

Wo kommen wir denn da hin?

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Cover

Titelseite

Inhalt

Wo kommen wir denn da hin?

 

Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle?

Habicht. Günter Habicht, 63.

Günter ohne h. Es gibt auch Günter mit h, aber meine Mutter war schon immer pragmatisch veranlagt und entschieden gegen jedes überflüssige Getüddel. Sie ist eine Preußin durch und durch. Ich habe auch keine weiteren Vornamen, nicht wie mein Freund Erbse, der eigentlich Eberhard Gottlob Walter heißt. Höhö. Fast wie Prinz Charles, der hat auch vier Namen!

Ich bin verheiratet und habe ein Kind. Na ja, Kind … Mareike wird jetzt bald 30, aber Kinder bleiben sie ja schließlich immer, das sieht meine Frau Brigitte genauso wie ich.

Ich bin pensionierter Busfahrer und passionierter Ordnungsliebhaber. Pensioniert ist nicht ganz korrekt, »in Rente« müsste es wohl genau heißen, aber … ich fühle mich nicht so alt und wie ein Rentner! Rentner sind alte Damen mit Kompotthut und Herren mit Hörgerät, aber doch nicht Brigitte und ich!

Ich sag Sie das, wie es ist, es kam für mich sehr überraschend, als die Chefin mich ins Büro bestellte und mir Kaffee anbot. Das war in über 40 Jahren nie gewesen, da wurde ich gleich hellhörig. Das Angebot nahm ich natürlich an, man kriegt ja nichts geschenkt im Leben, aber misstrauisch war ich auch. Dann palaverte sie eine lange Rede lang über Kosteneinsparungen, Effizienz und neue Strukturen und kam dann irgendwie auf das Thema Abfindung und Vorruhestand und solchen Kram. Langsam dämmerte mir, dass die mich nach Hause schicken wollte.

Mich! Einen Mann in der Blüte seines Lebens, einen, der Erfahrung, Übersicht und Tatkraft in sich vereint und der im Gegensatz zu so vielen jungschen, angelernten Hüpfern, die sie da jetzt auf den Bock setzen, noch mit Herz und Seele Busfahrer ist.

War. War, nicht ist.

Es hatte ja keinen Sinn, sich aufzuregen. Wenn die einen loswerden wollen, drücken sie das auch durch, und wehrt man sich, ist von Abfindung plötzlich keine Rede mehr, und man ärgert sich auf den Ämtern oder vor Gericht rum. Und so stehe ich nun meiner Frau in Gänze unterstützend zu Hause zur Seite.

Brigitte und ich sind ein Jahrgang, wir haben uns in der Schule kennengelernt. Sie ist gelernte Einzelhandelskauffrau und arbeitete als Kassiererin in einem großen Supermarkt. Bei ihr war die Schulter nach den langen Jahren am Kassenband morsch, und ein paar Wochen bevor mir meine Chefin eröffnete, dass ich nun … dass ich mich ins Private zurückziehen würde, hatte sie Altersteilzeit beantragt. Die spinnen da ja auch, im Supermarkt. Die haben fast keine Vollzeitkräfte mehr, nur noch Aushilfen. Also Studenten oder Rentner, die sich was dazuverdienen. Die sollen für ein paar Euro schuften wie volle Kräfte. Deshalb hat Brigitte, sobald sich die Gelegenheit bot und sie ihre Jahre voll hatte, in Rente gemacht. Jawoll, sie musste Abschläge hinnehmen und Abstriche machen, aber lieber so, als dass sie durchknechtet, bis sie auf den Knochen gar nicht mehr kann, oder was? Es ist bei ihr nicht anders als bei mir, ob nun jahrzehntelang auf dem Fahrerbock oder an der Scannerkasse – das geht nicht nur an die Nerven, sondern auch auf die Knochen. Und ich spreche nicht nur vom Rücken! Das ewige Sitzen tut nicht gut, das ist ja allseits bekannt, und auch in den Schultern hat man nichts als Verspannungen. Drehen Sie mal so einen Buslenker! Nee, wenn es genug ist, ist es genug. Und der Verkehr wird ja auch immer verrückter. Wir fanden uns also ab und waren eigentlich recht zufrieden.

Nur … Wir hatten nun schlagartig eine Situation, mit der wir erst mal lernen mussten umzugehen, das sag ich Sie ganz offen, so wie es ist. Sicher, wir sind über 40 Jahre verheiratet und kennen uns, aber wir haben vorher in Schichten gearbeitet. Brigitte hatte versetzte Wochen und lange Samstage, bei mir gingen die Schichtblöcke oft auch über Sonntag. Das war ganz selbstverständlich. Manche Tage sahen wir uns nur kurz, und gemeinsam frei kam nicht unbedingt jede Woche vor. Da muss man sich erst mal dran gewöhnen, dass man nun jeden Morgen nebeneinander aufwacht und der andere dann auch da ist und vor allem, dass er bleibt.

Wir lernten uns völlig neu kennen und mussten erst mal lernen, uns zu ertragen. Äh, vertragen natürlich.

Brigitte war auf einmal IMMER da!

Schon bald merkte ich, dass meine Frau wirklich anstrengend sein konnte, Ihnen darf ich das ja sagen. Sie konnte nie »Fünfe gerade sein lassen«, wie man so schön sagt, und war ständig am Wirbeln. Mit Vorliebe rückte sie zum Beispiel Möbel um. Ich sag Sie das, wie es ist: Das Schienbein habe ich mir an der Couchlehne blutig geschlagen, weil das Sofa auf einmal mitten im Raum stand! Das hatte sie in einer amerikanischen Serie gesehen. Nun ist aber Spandau nicht Hollywood und ich bin nicht zu Besuch bei den »Golden Girls«, deshalb bestand ich darauf, dass das wieder zurückgeschoben wird. Ich hätte sonst beim Fernsehen Nackenstarre gekriegt!

In Brigittes Augen machte ich alles falsch. Saß ich am Frühstückstisch und las den Spandauer Boten, regte sie sich auf, dass ich im Weg wäre, weil sie staubsaugen wollte. Ging ich ins Bad, klopfte sie an die Tür und drängelte, weil sie an die Waschmaschine musste. Und bot ich an, zu helfen und vielleicht die Kartoffeln für das Mittagbrot zu schälen, war das auch wieder nicht richtig, und sie meckerte, ich solle ihr nicht in die Arbeit pfuschen.

Es krachte immer mal wieder, und wir taten uns anfangs recht schwer damit, uns aneinander zu gewöhnen. Man musste sich erst arrangieren. Brigitte hätte es am liebsten gesehen, wäre ich tagsüber aus dem Haus gegangen. »So eine Tagesbetreuung für Frühpensionäre, eine Kita für Rentner, so was muss es doch geben!«, hörte ich sie sich am Telefon bei ihrer Freundin Doris beklagen. Ständig hielt sie mir Vorträge über sinnvolle Beschäftigungen und dass ich mir was suchen sollte, was mich ausfüllte.

Ich fand es sehr ausfüllend, gemütlich die Zeitung zu lesen und endlich auch mal Zeit dafür zu haben, ein bisschen intensiver auf Ordnung und Sicherheit hier im Haus und im Kiez zu achten. Brigitte meinte das aber anders, ihr kam es vor allem darauf an, dass ich regelmäßig und für längere Zeit weg war.

Pah! Dabei hatten sich die Nachbarn Marotten angewöhnt, die es erst mal zu ahnden galt. Viel zu lange habe ich das Querulantentum hier durchgehen lassen.

Die Mülltonnen zum Beispiel. Ich sag Sie das, wie es ist: Es sah aus, als wäre eine Rotte Wildschweine auf dem Hof gewesen und hätte in den Tonnen gewühlt. Das lag nur daran, dass die falsch gefüllt wurden und da so viel reingestopft wurde, dass die Deckel offen stehen blieben. Das lockte die Krähen und Elstern an, die die ganze Pampe auf der Suche nach Fressbarem auf dem Hof verstreuten. Ist doch logisch! Da habe ich aber auf den Tisch gehauen und bei jeder Mietpartei geklingelt und auf die Hausordnung hingewiesen. Da steht ganz genau, dass getrennt werden muss. Wenn man keine Essensreste in den Restmüll donnert und die Deckel zumacht, haben die Krähen auch keine Chance und es sieht aus wie bei ordentlichen Menschen und nicht wie bei … Ich schreibe es lieber nicht, sonst muss das nur geschwärzt werden. Und was ist die oberste Devise beim Altpapier? Na? Klein machen!

Ich hatte also alle ermahnt und bezog nun, um die Einhaltung der Maßnahmen zu überwachen, mit Klemmbrett und Stift Position auf dem Balkon. Brigitte fand das lächerlich, sie regte sich fürchterlich auf und meckerte, ob ich nichts Besseres mit mir anzufangen wüsste, als die Nachbarn anzuschwärzen. Sie hatte offenbar nicht im Ansatz verstanden, worum es ging. Die Frau Glaubrecht aus dem dritten Stock zum Beispiel, die habe ich erwischt, wie sie die Plastikverpackung ihrer Strumpfhose zwischen zwei Zeitungen in die Papiertonne geschmissen hat. Und in der Fischbüchse, die in die Restmülltonne flog, war noch fast eine halbe Portion drin! Na ja … auf die Entfernung war das ohne Fernglas nicht so gut zu sehen, aber auf jeden Fall war sie nicht ausgewaschen. Wie das stinkt und das Ungeziefer anlockt, ist der Dame egal. Aber wenn erst mal Ratten da sind, die ja zwangsläufig von solchen Schlampereien angezogen werden, dann schreit die selbst am lautesten. Na, da bin ich aber hoch zu ihr und habe ihr einen Vortrag gehalten. Brigitte war das alles peinlich, die zischte ständig, ich würde sie unmöglich machen, ich solle mich nicht als Hauswart aufspielen und die Frau Glaubrecht würde sie schon schneiden. Ich würde den Zusammenhalt der Nachbarschaft gefährden.

Ich! Den Zusammenhalt gefährden! Na, da platzte mir aber der Kragen. Wenn ich auf die Einhaltung der Ordnung achte, die gerade diesen Zusammenhalt regelt, dann lasse ich mir das nicht zum Vorwurf machen. Die spinnen doch wohl alle, meine Frau vorneweg.

SIE hatte mit dem Zuhausesein Probleme, nicht ICH! Ihr fiel doch die Decke auf den Kopf, und schon nach ein paar Wochen ging sie wieder aushilfsweise kassieren, wenn Not an der Frau war. Mareike – also unsere Tochter – meinte mal süffisant zu mir, ob ich mir wohl vorstellen könnte, dass Mama nur arbeiten geht, um ein paar Stunden von mir weg zu sein. Merkwürdige Vorstellungen haben die jungen Leute, pah!

Brigitte wurde trotz ihrer Ausflüge an die Kasse immer ungehaltener. Es gab kaum noch ein nettes Wort zwischen uns. Alles, was ich vorschlug, wurde seziert und pingeligst genau umgedreht, bis es nichts mehr mit dem zu tun hatte, was ich eigentlich gesagt hatte. Die hat mir Vorhaltungen gemacht, da fehlen einem die Worte.

Ich mache mal ein Beispiel. Wir überlegen immer ein bisschen im Voraus, was man denn mal wieder essen könnte, und wenn mir eine Idee kommt, sage ich die. Meist fragt Brigitte und ist dankbar für Vorschläge, denn oft beschwert sie sich, dass sie nicht weiß, was sie kochen soll. Wir saßen bei Forelle Müllerin am Tisch und aßen – es schmeckte ausgezeichnet, und ich machte Brigitte das Kompliment auch! –, da kam mir Appetit auf Kartoffelpuffer. »Kartoffelpuffer könnten wir auch mal wieder machen«, sagte ich kauend, und ich verstehe bis heute nicht, was daran falsch war.

»Ja!«, ging sie gleich in die Luft wie von einer Hornisse gestochen, »WIR könnten das mal wieder machen! Günter, ist dir eigentlich klar, was das für Arbeit macht? Ich schufte in der Küche und schäle Kartoffeln, reibe sie und rubbele mir blutige Finger und stehe dann am Herd, um das Zeug im stinkenden Fett auszubacken, und du setzt dich einfach nur hin und haust dir die Dinger rein!«

Also ich weiß nicht. Sagt man was, ist es verkehrt, sagt man nichts, ist es auch nicht richtig. Es war keine gute Stimmung, im Allgemeinen und in dieser Situation ganz speziell. Ich aß manierlich den Fisch auf, zog mir meine Jacke über und ging erst mal eine Runde durch den Kiez. In der Situation hatte es gar keinen Sinn zu diskutieren. So geladen, wie die war, wäre eh jedes Wort falsch gewesen. Als ich im Hausflur stand, fiel mir ein, dass ich schon lange nicht auf dem Wäscheboden gewesen war. Da muss man auch immer mal einen Blick reinwerfen. Eigentlich klappt es ganz gut, dass die Frauen aus dem Haus da der Reihe nach fegen und ihren Dreck wegräumen, aber die sollen auch wissen, dass ich da hinterher bin und gucke. Sonst zieht der Schlendrian ein.

Es war allerdings so weit alles in Ordnung. Gut, der Besen stand nicht richtig, aber darüber konnte ich hinwegsehen und beließ es dabei, Frau Büssenschlick einen freundlichen Hinweis in den Briefkasten zu stecken. Notizblock und Stift hab ich natürlich immer dabei.

Als ich aus der Haustür trat, hörte ich Brigitte am offenen Fenster. Sie telefonierte offenbar mit unserer lieben Mareike und beklagte sich.

»Der geht mir so auf die Nerven, Kind, ich nehme bald die Axt. Wie der Vater in dem Loriot-Film, der auf einmal zu Hause ist und nichts mit sich anzufangen weiß. Der rennt wegen jeder leeren Flasche extra zum Glascontainer und bringt sogar die Zeitung und die Werbeblättchen getrennt weg, nur um Zeit totzuschlagen. Und wenn er wiederkommt, erzählt er mir, wen er getroffen hat und was der wieder angeblich falsch gemacht hat. Neuerdings schreibt er alle Autos auf, die am Glascontainer halten – da ist nämlich Parkverbot. Kein Mensch parkt da, die halten alle nur kurz und schmeißen ihren Dreck weg und sind dann wieder verschwunden. Aber dein Vater nimmt mit der Stoppuhr die Zeit und schwärzt jeden an, der mehr als drei Minuten braucht, um seine Pappe in den Schlitz zu schieben. Frau Eberzahn grüßt mich nicht mehr, und Herr Griebnitz hat gestern an der Kasse seine Ware wieder eingepackt und sich wortlos nebenan angestellt. Der Mann macht nicht nur sich, sondern auch mich zum Gespött der Leute! Ich werde bald wahnsinnig! Und alle Stunde erzählt er mir, was wir mal wieder kochen könnten. WIR. Der hat in seinem Leben erst einmal gekocht, und danach mussten wir die Küche kalken, und ich brauchte neue Töpfe. Seit der seine Arbeit nicht mehr hat, weiß der nichts Sinnvolles mit sich anzustellen!«

Ich war mir nicht ganz sicher, aber ich hatte ein bisschen den Eindruck, als redete die von mir. Das war ja wohl ein Ding, wie sie die Tatsachen verdrehte! Ich wurde richtig sauer. Wenn ich nun, als frühverrenteter Privatier, endlich Zeit hatte, die Ordnungs- und Sicherheitsorgane bei der Umsetzung ihrer Vorgaben zu unterstützen, hatte das doch nichts mit Langeweile zu tun! Ich nahm lediglich meine Bürgerpflicht wahr. Die Eberzahn hatte direkt vorm Hydranten geparkt, und das waren nicht drei Minuten, nee, die Uhr war auf 4 Minuten 23 Sekunden, als sie den Zündschlüssel drehte und den Wagen startete. Wenn das nun jeder so machen würde, wo kämen wir denn da hin?!

Mit der Anzeige musste sie rechnen. Ich hatte sie in der Woche davor gewarnt, die soll mal nicht so tun, als kam der Ärger aus dem Nichts. Vorm Hydranten stand sie, ich sag Sie das, wie es ist, direkt vorm Hydranten! Hätte es gebrannt, die Feuerwehr hätte erst den Eberzahnschen SUV wegschleppen müssen, bevor das Wasser geflossen wäre. Wie oft lese ich das in der Zeitung, dass die Rettungskräfte gar nicht an die Brandstelle kommen wegen zugeparkter Wege! Das kann man doch nicht zulassen, da darf man doch nicht weggucken! Ob die Krähe mich nun grüßt oder nicht, ist mir schnurz, aber ein Hausbrand ist kein Kindergeburtstag!

Man hört ja bei so einem Telefongespräch immer nur, was einer sagt. Aber irgendwie muss Mareike ihr geraten haben, sich mit Doris zu besprechen über »das Problem Günter«.

Doris ist eine Freundin von Brigitte. Die ist ein Stück was jünger, sie wohnt ein paar Straßen weiter und ist in Brigittes Nordic-Walking-Gruppe. Ich habe nichts gegen die, eine nette Person ist das. Unaufdringlich. Wenn die zu Besuch ist und bei uns Essenszeit ist, geht sie. Das ist mir sympathisch. Nichts ist doch schlimmer als Besuch, der einfach sitzen bleibt, wenn man den Tisch deckt! Doris sollte Brigitte also offenbar beraten. Na, da ist die ja nun die Letzte, die mitreden kann. Ihren Sohn hat sie allein aufgezogen und lebt bis heute als Single und »à la carte«, wie sie selbst sagt. Und von so einer sollte meine Frau nun Tipps beziehen, wie sie ihre angeblichen Probleme mit MIR wieder auf die Reihe kriegt? Verstehe einer die Frauen! Die gucken zu viel Fernsehen und plappern dann nach, was die in den Serien sagen, wenn man mich fragt. Pah! Na, das würde noch spannend werden bei uns zu Hause …

Ich machte erst mal meine Runde durch den Kiez, damit sich Brigitte beruhigen konnte. Doch keine zwei Schritte hatte ich gemacht, da kam mir auf dem Gehweg schon wieder so ein tobender Bengel entgegen.

»Hier wird nicht gerannt!«, gab ich dem laufenden Meter laut und deutlich zu verstehen. Wenn man kurz schroff wird, machen die zwar trotzdem weiter, aber mit ein bisschen Glück woanders, und man hat wenigstens vor der eigenen Haustür seine Ruhe.

»Der Junge rennt doch gar nicht, Herr Habicht, er rollert!«, krähte Frau Büssenschlick von oben. Die hing schon wieder aus dem Fenster und mischte sich ein. Hatte die nichts Besseres zu tun? Die ergreift immer Partei für alles und jeden. Die sammelt auch Unterschriften für die Rettung von Käfern auf dem verwilderten Bahngelände und so einen Quatsch. So eine ist das, immer Feuer und Flamme für irgendwas Gutes und durch und durch nachhaltig. Sie trägt grundsätzlich Funktionskleidung aus dem Weltladen wie zum Wandern und schleppt immer eine große Tasche mit Weckgläsern mit sich rum. Wenn sie was einkauft, dann selbstverständlich Mehrweg oder ohne Verpackung, was ja lobenswert ist. Am liebsten lässt sie das Getreide frisch im Laden schroten und trägt das denn im mitgebrachten Leinensäckchen mit vor Freude rot gewordenen Wangen nach Hause.

Letzten Sommer hatte sie sich den Fuß gebrochen, na, da war was los! Sie hat ein paarmal Kinder aus der Nachbarschaft einkaufen geschickt. Aber was die ihr brachten, hatte Konservierungsstoffe, und das ging ja nun gar nicht. Sie hat sich dann ein Taxi bestellt bei »Femocar – Taxis von Frauen für Frauen«, und sich zum Hofladen fahren lassen. Ich will gar nicht wissen, was das gekostet hat.

Femocar ist so ein Start-up, wo nur Frauen die Autos fahren und die nur Frauen als Fahrgäste nehmen. Äh, oder Gästinnen? Na ja, ich habe jedenfalls in der Zeitung darüber gelesen, die haben das groß vorgestellt. Brigitte findet das wunderbar, sie sagt, das ist wichtig und gibt vielen Frauen Sicherheit und nimmt ihnen die Angst. Ich habe da meine Zweifel. Es ist gefährlich, weil die während der Fahrt ständig schnattern und sich gegenseitig ihrer Solidarität versichern und nicht auf den Verkehr achten. Frauen im Straßenverkehr sind an sich immer ein Risiko, ich sehe das eher als Gefahr denn als Sicherheit, wenn da nur Weiber unter sich im Auto fahren. Man kennt das doch, eine zieht sich die Lippen nach, und die andere kreischt sofort los: »Was ist denn das für ein irres Rosa!« und Bäng!, schon ist die Karambolage passiert. Ich bin aber nun kein Macho und wirklich der Letzte, der was gegen Frauen am Steuer hat, allerdings ist es doch nicht verkehrt, wenn ein Mann wenigstens als Beifahrer mit an Bord ist und ein bisschen mit guckt, dass sie nicht falsch abbiegt.

Und diese Dame mischte sich nun hier in meine Erziehungsansagen gegen den frechen Lümmel ein.

»Er soll auch rollern, aber nicht auf dem Gehweg!«, gab ich ihr klar zu verstehen.

»Kinder müssen doch auch mal toben. Nun lassen Sie den Bengel doch. Wenn der nur vor dem Fernseher hocken würde, würden Sie auch meckern, Herr Habicht!

»ABER NICHT HIER AUF DEM GEHWEG! Und noch dazu in der Einbahnstraße!«

Die ließ ich einfach stehen und ging weiter, es hatte ja gar keinen Sinn, mit der länger zu diskutieren. Mit einer Frau, die nicht mal den Besen ordentlich wegstellen konnte, pah!

Ich machte meinen Kontrollrundgang und besichtigte die Bauarbeiten der Elektrofirma, die in der Hegelstraße Stromkabel auf dem Gehweg verbuddelte. Da gibt es schließlich auch Vorschriften, das muss gesetzeskonform ausgeschildert und abgesperrt werden. Ich maß die Abstände nach mit meinem praktischen Hosentaschenzollstock und kontrollierte die Verkehrsschilder für die Fußgänger, und der Bauleiter erläuterte mir bereitwillig den Zeitplan. Es gab nichts zu beanstanden. Doch als ich am späten Nachmittag nach Hause zurückkehrte, war Brigitte immer noch in gereizter Stimmung, also machte ich gleich wieder kehrt.

Auf miese Laune hatte ich keine Lust, und deshalb guckte ich rüber zu »Erbses Eck«. Hatte ich noch gar nicht erwähnt? Dann muss ich Sie wohl ein paar Worte zu Erbses Eck erzählen.

Ihnen.

Ich muss Ihnen das erzählen, so ist es korrekt.

Erbses Eck ist früher ein Vereinsheim gewesen. Bis vor einigen Jahren hatte Erbse gut zu tun, da kehrten die Fußballer ein nach dem Training, nach dem Spiel und auch an den Tagen dazwischen; da trafen sich die Skatbrüder, die Kegler und auch der Ortsverein von der SPD zu seinen Versammlungen. Irgendwann wurde es so viel, dass man dem Erbse einen Hinweis gab, er müsse das wohl mal gewerberechtlich absichern und anmelden. Das ging auf Dauer nicht mehr als »Vereinskasse« durch, nachdem er den zweiten Kellner angestellt hatte und selber nur noch zapfte.

Die von der SPD bekamen kalten Schweiß auf der Stirn, weil sie da quasi ja mit drin gehangen hätten, wenn es aufgeflogen wäre, und damals ging es denen ja noch besser als heute, genau wie Erbses Eck. Das ist ja auch alles deutlich weniger geworden. Viele der alten Gäste sind tot und können nicht mehr kommen, der Pittenverein hat sich sogar schon ganz aufgelöst. Die Rassehühnerzüchter meine ich, die springen einen an und gehen die Wand hoch, wenn man »Pitten« sagt. Die waren nur noch zu viert, alle über 80, und kurz nachdem Herbert Daune letzten Sommer das Zeitliche gesegnet hatte, haben sie sich aufgelöst. Da greifen die Behörden nämlich von Amts wegen ein, wenn die Mitgliederzahl unter drei sinkt, so sieht es das Gesetz vor. Die haben mich auch gefragt, ob ich da quasi Schattenmitglied werde, aber bei so einem Gemauschel mache ich nicht mit. Um dem ganzen Ärger zu entgehen, haben sich die letzten drei Überlebenden dann entschlossen, die Hühner zu schlachten und sich offiziell aufzulösen. Zum Abschied gab es noch mal ein großes Fest mit Frikassee und Hühnersuppe vorneweg.

Skat wird doch auch kaum noch gedroschen. Wenn ich mich unter den jungschen Bengels umgucke – mit ihren Handys können die Wettervorschau gucken und mit kleinen Bällen auf Viecher schmeißen, aber was ein Null-Ouvert ist, wissen die nicht. Die meisten gucken ja schon schief, wenn sie ein deutsches Skatblatt sehen mit Schellen und Eicheln. Die kennen wenn überhaupt noch das französische Blatt mit Herz und Pik und denken, bei einer Acht muss man aussetzen. Da muss man sich dann auch nicht wundern, dass der Andrang immer weniger wurde, wenn Erbse »Preisskat« auf die Tafel vor der Tür geschrieben hat. Früher, ja, da musste er Anmeldelisten führen, und wenn einer nachrücken konnte, war er glücklich. Und heute? Wenn wir mal neun Leute beisammenkriegen um an drei Tischen spielen zu können, sind wir schon glücklich.

Immerhin haben wir seit Neuestem Kurt Gläser dabei. Ein Campingplatz-Gast von mir, den ich überredet habe – aber dazu komme ich später noch. Opa Gläser ist an die 90 ran und sieht schlecht, aber er ist ein blitzgescheiter alter Fuchs und freut sich wie wir alle, wenn er mal ein paar Stunden zu Hause raus ist. Da sind wir Ehemänner ja Leidensbrüder. Wir spielen nicht um große Einsätze, es geht nur um den Spaß, darum, mal ein Bierchen zu trinken und ein bisschen dummzuquatschen. Jeder gibt reihum eine Runde, und am Ende der Gewinner »vons Janze« noch eine für den Weg. Aber es wird nicht gesoffen, bis wir stramm sind wie die Nattern. Wenn es hochkommt, kommen da vier, fünf kleine Bierchen zusammen. Schnäpse dürfen wir seit Jahren alle schon nicht mehr. Opa Gläser wegen der Galle, Erbse wegen der Gicht und ich wegen Brigitte. Da will keiner Ärger.

Früher hat die Ilona, was die Feste vom Erbse ist, auch noch regelmäßig gekocht. Was konnte die Frau zaubern an Herd und Topf, ach, nach ihrem Eisbein lecke ich mir heute noch alle zehn Finger! Die hatten nie eine Speisekarte, es gab zwei, drei Gerichte und fertig. Eben wie in einem Vereinsheim. Ilona hatte immer Buletten da und Bockwurst, Kartoffelsalat auch. Den hat sie selbst gemacht, und der schmeckte wie bei Muttern. Dazu dann noch ein Eintopf, meist Erbsensuppe oder so was, und ein Essen, das sie frisch gemacht hat. Oft Eisbein, schön fett mit Schwarte, wie es sein muss. Dazu Erbspüree, Sauerkraut und kräftig Senf – mir läuft schon wieder das Wasser im Mund zusammen, wenn ich nur daran denke. Brigitte hat immer gemosert, wenn ich satt nach Hause kam, weil ich schon bei Ilona gegessen hatte. Aber auf einen Grand Hand musste ich mir zur Belohnung einfach Ilonas Gulasch gönnen! Da war dann zu Hause Stunk, denn Brigitte hatte auch Gulasch gemacht. Ihr Gulasch ist natürlich auch Weltklasse, aber satt ist satt. Was soll man machen?

Im Laufe der Jahre ging »Erbses Eck« immer mehr ein. Heutzutage macht Erbse abends für ein paar Stunden auf, damit der eine oder andere sein Bier trinken kann, aber meist sind nur eine Handvoll Figuren da. Erbse ist im Grunde selbst sein bester Kunde. Ich will nicht sagen, dass er säuft, aber … Ich formulier es mal anders. Letztens habe ich in einer Tierdoku gesehen – so was gucke ich gern –, dass ein Kamel in 15 Minuten 200 Liter Wasser trinken kann. Erbse schafft das auch. Mit Pils.

Geraucht werden darf im Vereinseck seit geraumer Zeit nicht mehr. Dass es mit der Kneipe eher so lala läuft, ist Erbse im Grunde egal, der wohnt gleich eine Etage drüber und hat keinen weiten Weg, und zu tun hat er sonst auch nichts. Aus dem Knebelvertrag mit der Brauerei hat er sich rausgewunden, aus dem Knebel seiner Ilona nicht. Deshalb ist er abends auch gern ein paar Stunden von ihr weg; ob das nun finanziell was einbringt oder nicht, spielt dann nicht die entscheidende Rolle.

Ilona kann wirklich gemein wettern. Eine richtige Keifzange ist das geworden. Die kocht auch fast nicht mehr, das ist ja verständlich. Wenn keiner kommt? Für wen denn?! Ach, ein Jammertal ist das, mit anzugucken, wie das Vereinseck langsam, aber sicher zugrunde geht. Aber Erbse hält sich tapfer. Finanziell ist er immer knapp. Ihm gehört zwar das Haus, und er hat schon lange kein Personal mehr, deshalb fallen keine großen Kosten an. Aber ich sage immer: Von keine Miete zahlen allein wird noch keiner satt. Es muss trotzdem ein bisschen was in die Kasse kommen.