9,99 €
Weihnachswunder im Zauberwald
Milo, Mia und Birdy freuen sich, zu Weihnachten in das Häuschen nahe des Zauberwaldes zurückzukehren. Sie können es kaum erwarten, ihre magischen Freunde, die Fee Seidenhaar und Mondgesicht, wieder zu besuchen. Welche erstaunlichen Welten werden sie zu dieser Jahreszeit an der Spitze des Wunderweltenbaumes entdecken? Die Kinder hoffen auf eine Reise ins Land der Geschenke oder vielleicht ins Land des Schnees. Doch bevor sie Weihnachten feiern können, gibt es einen schaurigen Besuch im Land des gefrorenen Nordens ...
In Jacqueline Wilsons neuen Abenteuern im Zauberwald treffen wir die Wesen aus den Kinderbuchklassikern von Enid Blyton wieder. Spannende (Weihnachts-)Erlebnisse sind garantiert!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 260
Veröffentlichungsjahr: 2024
Jacqueline Wilson zählt zu den renommiertesten Jugendbuchautorinnen Großbritanniens. Für ihre Bücher wurde sie mehrfach mit namhaften Preisen ausgezeichnet, in Deutschland wurde sie vor allem mit der »Tracy-Baker«-Reihe bekannt. »Die fabelhaften Barker Girls« wurden 2003 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.
Alica Räth, geboren 1999 in Norddeutschland, ist mit Leib und Seele Illustratorin. Nach ihrem Studium an der Designakademie in Rostock zog sie in eine kleine Stadt in Bayern. Wenn sie dort, in ihrem Atelier direkt unterm Dach, nicht an ihren liebevollen dunkelbunten Illustrationen arbeitet, spaziert sie mit ihrem Hund Dexter durch die bergige Landschaft Süddeutschlands.
Jacqueline Wilson inspiriert von Enid Blyton
Aus dem Englischen von Ute Mihr
Mit Illustrationen von Alica Räth
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.
cbj Kinder- und Jugendbuchverlag
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Ursprünglich erschienen 2023 bei Hodder Children’s Books
Imprint der Hachette Children’s Group
Teil von Hodder & Stoughton, Carmelite House, London
Text © Jacqueline Wilson
Enid Blytons Unterschrift ist ein eingetragenes Warenzeichen von
Hodder & Stoughton Ltd.
Übersetzung: Ute Mihr
Lektorat: Heike Brillmann-Ede
Umschlag- und Innenillustration: Alica Räth
Umschlaggestaltung: Lena Ellermann
CK · Herstellung: AW
Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg
ISBN 978-3-641-32564-0V001
www.cbj-verlag.de
Für Gary Freemantle, den besten Technikzauberer der Welt!
Mit herzlichem Dank
We wish you a merry Christmas!«, sang Milo.
»We wish you a merry Christmas!«, sang Mia.
»We wish you a merry Christmas!«, sang Birdy aus vollem Hals.
»And a happy New Year!«, sangen alle zusammen, und dann fingen sie wieder von vorne an.
»Bitte! Nicht noch einmal! Das ist schon das zehnte Mal!«, protestierte ihre Mum.
»Wie soll ich mich aufs Fahren konzentrieren, wenn ihr Weihnachtslieder grölt?«, beschwerte sich ihr Dad.
Aber ihre Eltern waren nicht wirklich sauer. Alle waren in fröhlicher Weihnachtsstimmung.
»Nur noch einmal!«, bat Birdy.
Die Eltern sangen noch mehrmals mit, dann entdeckten sie das Hinweisschild auf eine Raststätte und bogen ab, um dort eine Pause zu machen. Es dauerte ein bisschen, bis sie einen Parkplatz gefunden hatten, weil so viele Leute unterwegs waren, die Weihnachten mit ihrer Familie oder Freunden verbringen wollten. Als sie endlich aus dem Auto kletterten, hörten sie vertraute Töne.
»We wish you a merry Christmas!« Eine Gruppe von Sternsingern stand mit Wollmützen und dicken Mänteln vor dem Eingang und sang vor sich hin.
»Kommt, wir singen mit ihnen zusammen!«, schlug Birdy vor.
»Das können wir nicht machen, Dummerchen!«, antwortete Milo.
»Die Leute würde denken, dass wir angeben wollen«, mokierte sich Mia über ihre kleine Schwester.
»Ich gebe gern an!«
Und schon rannte Birdy zu den Sternsingern, bevor sie jemand aufhalten konnte. Sie lächelte sie an und fiel mit lauter Stimme in den Chor ein. Birdy ließ sich auch nicht verunsichern, als die anderen die nächste Strophe anstimmten. Sie kannte die Worte nicht, deshalb sang sie mit mehr oder weniger richtigen Tönen einfach lalala. Die Sternsinger schienen sich nicht daran zu stören, sondern sahen sie lächelnd an. Auch andere Leute lächelten und meinten, sie sei eine süße Maus.
»Mum, Dad, sorgt dafür, dass sie aufhört!« Milo wurde schon rot.
»Sie ist ein hoffnungsloser Fall!« Mia verdrehte die Augen.
»Aber sie ist süß und niemand scheint etwas dagegen zu haben«, sagte ihr Dad. Er behauptete immer, er hätte kein Lieblingskind. Aber wenn er eines hätte, da waren sie sich sicher, wäre es Birdy.
»Dennoch denke ich, dass sie ihren kleinen Auftritt jetzt hatte«, sagte die Mutter. Sie ging hinüber und nahm Birdy an der Hand. »Komm, Mäuschen.«
Birdy lächelte alle an und winkte mit ihrer freien Hand. Alle machten: »Ahhhh!«
Milo und Mia seufzten. Sie liebten ihre kleine Schwester, aber manchmal war sie einfach total nervig.
Drinnen im Café wurden noch mehr Weihnachtslieder gespielt. Birdy wollte wieder mitsingen, doch ihre Mum schüttelte den Kopf.
»Ich glaube, jetzt reicht es«, sagte sie. »Kommt, was wollen wir essen? Ich probiere diesen Regenbogensalat.«
»Ich nehme Fisch und Pommes«, sagte der Vater.
»Gebratenes Hähnchen, Hähnchen, Hähnchen!«, rief Milo.
»Ich möchte einen Veggie-Burger«, bat Mia.
»Ich will einen Donut!«, verlangte Birdy.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie ihre ausgewählten Speisen an den verschiedenen Ausgabestellen eingesammelt hatten. Die Mutter sagte, Birdy müsse zuerst etwas mit Proteinen essen. Also hob Birdy die obere Brotscheibe eines Mayo-Eier-Sandwiches ab und knabberte daran herum, bevor sie ihren Donut aß. Am Ende hatte sie eine Ei-Mischung in den Ohren und Marmelade auf dem ganzen Kinn und musste in der Damentoilette gründlich gewaschen werden.
Dann gingen sie alle zu den Regalen mit den Süßigkeiten, um besondere Leckereien für Weihnachten auszusuchen. Die Eltern wollten eine große Dose Schokotoffees, weil alle sie mochten. Milo und Mia und Birdy durften sich jeweils einen Schokoriegel aussuchen. Sie liefen zusammen an den Regalen entlang und versuchten, sich zu entscheiden.
»Seht mal!« Milo zeigte auf eine Großpackung mit zehn verschiedenen Sorten Schokolade, auf der stand: »We Wish You A Merry Christmas!«
Birdy fing sofort wieder an zu singen.
»Hör auf!« Mia versetzte ihr einen kleinen Stoß. »Hey, jeder von uns würde drei Riegel bekommen und dann wäre noch einer übrig!«
»Und ich würde den übrigen bekommen, weil ich die Packung entdeckt habe und der Älteste bin«, verkündete Milo.
»Nein, ich würde den kriegen, weil ich die Jüngste bin«, sagte Birdy. Sie konnte zwar noch nicht »geteilt« rechnen, aber im Debattieren war sie sehr gut.
»Vielleicht sollte jeder von uns Mum und Dad je einen Riegel schenken, weil unsere Weihnachtsgeschenke für sie nicht so toll sind«, überlegte Mia.
Sie hatte für beide mit Kreuzstich verzierte kleine Täschchen für Münzen genäht. Obwohl sie sich sehr bemüht hatte, war sie trotz aller Versuche, saubere Stiche zu machen, nicht ganz zufrieden. Milo hatte den Eltern jeweils ein Lesezeichen aus Leder gebastelt und ihre Namen mit einem speziellen goldenen Stift darauf geschrieben, leider war die Schrift ein bisschen verschmiert. Birdy hatte ihren Eltern »Bücher« gemacht. Sie hatte mit ihrer stumpfen Kinderschere die Seiten ausgeschnitten und Mia hatte sie zu zwei kleinen Büchlein zusammengenäht. Auf eines hatte Birdy ein Bild von ihrer Mum gemalt und auf das andere ein Bild von ihrem Dad. Sie sahen beide gleich aus – zwei Kreise mit Punkten für Augen, zwei Smiley-Münder und jeweils zwei Striche für Arme und Beine.
»Mum und Dad sagen, sie mögen selbst gemachte Geschenke«, widersprach Milo, sah aber ein, dass Mia nicht ganz unrecht hatte.
»Für Mum und Dad habe ich meine wunderbaren Bücher gemacht«, beharrte Birdy. »Den Schokoriegel möchte ich Seidenhaar zu Weihnachten schenken.«
»Oh nein! Wir haben ja gar keine Weihnachtsgeschenke für alle unsere Freunde vom Wunderweltenbaum!«, rief Milo.
»Wir brauchen ein Geschenk für Seidenhaar und eines für Mondgesicht. Und eines für Pippin!«, zählte Mia auf.
Sie würden Weihnachten in demselben Ferienhäuschen verbringen, wo sie schon im Sommer gewesen waren. Es lag am Rand des wunderbaren Zauberwalds. Fast jeden Tag ihrer Sommerferien hatten die Geschwister mitten im Wald verbracht, waren auf den magischen Wunderweltenbaum geklettert und hatten sich mit all seinen Bewohnern angefreundet.
Seidenhaar war eine liebenswürdige Fee, deren Flügel die Farbe änderten, damit sie zu ihren wunderschönen Kleidern passten. Milo und Mia hatten gedacht, sie wären aus dem Alter raus, in dem man an Feen glaubt, mussten aber zugeben, dass Seidenhaar wirklich existierte. Seidenhaars bester Freund war Mondgesicht, ein gutmütiger magischer Mann, der gelegentlich auch zauberte. Pippin war ein hinreißendes sprechendes Bärenjunges, das inzwischen seine eigene kleine Bärenhöhle im Wunderweltenbaum bewohnte.
»Und was ist mit dem Pfannenmann und Sir Namenlos? Sie gehören auch zu unseren Freunden«, sagte Milo.
»Und Frau Wasch«, fügte Mia hinzu.
»Ja, sie ist eine Freundin, obwohl sie nervt, wenn sie ihren Waschzuber den Baum hinunter auskippt und wir klatschnass werden«, sagte Milo.
»Besonders du«, sagte Birdy und kicherte.
»Griesgram hat seinen Wasserkrug auch schon über dir ausgeschüttet«, betonte Mia.
»Vielleicht hört er ja damit auf, wenn wir ihm ein Weihnachtsgeschenk überreichen«, überlegte Milo.
»Dann ist er vielleicht kein Griesgram mehr, sondern eine Ulknudel«, meinte Mia.
»Also, wie viele Schokoriegel sind es insgesamt?« Milo zählte sie an seinen Fingern ab. »Sieben! Dann bekommen wir auch noch jeder einen! Super!«
»Hurra! Super!«, wiederholte Birdy. »Kann Seidenhaar den größten haben?«
»Pippin muss den Honigwabenriegel bekommen!«, sagte Mia.
»Und Mondgesicht müssen wir den größten Schokoladenriegel geben, weil er Toffees so sehr mag«, fügte Milo hinzu, der ein großer Fan von Mondgesichts besonderen Schockkaramellen war.
»Ich kann es kaum erwarten, sie alle wiederzusehen!«, rief Mia.
Mum und Dad waren gern bereit, die Großpackung für sie zu kaufen. Die Kinder erklärten nicht, dass sie ein Geschenk sein sollte, denn die Eltern wussten nichts von ihren magischen Freunden im Wunderweltenbaum. Sie würden niemals glauben, dass es möglich war, mit einer Fee zu plaudern oder mit einem kleinen Mann Tee zu trinken, der aussah wie der Mond. Sogar Birdy wusste, dass sie ihren Eltern nie, nie, nie davon erzählen durfte, sonst würde womöglich ein Zauber gebrochen und sie fänden den Weg zum Wunderweltenbaum nicht mehr.
Beim Ausgang der Raststätte stand ein Spielzeugautomat, an dem man sich mit einem speziellen Greifarm eines der vielen bunten Kuscheltiere aus dem Innern des Automaten fischen konnte. Ihr Dad war so gut gelaunt, dass er ein paar Münzen aus seiner Hosentasche zog.
»Oje, das ist ja alles durcheinander«, sagte ihr Vater. »Ich wünschte, ich hätte ein spezielles Täschchen für Münzen, damit sie sicher aufbewahrt sind.«
»Wirklich?«, fragte Mia erfreut. Sie durfte sich als Erste an dem Automaten ausprobieren, schaffte es aber nicht, ein Spielzeug zu greifen, obwohl sie mehrfach ein Ohr oder eine Pfote streifte.
»Lass mich mal versuchen. Du bist ja unterirdisch!«, sagte Milo.
Milo stellte fest, dass er auch nicht besser war, und ärgerte sich. Birdy durfte es auch versuchen und schaffte es tatsächlich, eine mollige Fee an ihren Flügeln hochzuheben, es gelang ihr jedoch nicht, sie mit dem Greifarm festzuhalten. Sie ärgerte sich, weil sie die Fee unbedingt haben wollte.
»Hey, Kinder, Kopf hoch«, tröstete ihr Dad sie. »Niemand sollte so kurz vor Weihnachten wütend sein! Jetzt werde ich es versuchen.«
Er startete mehrere Versuche – erfolglos.
»Das ist ja wie verhext«, sagte er. »Diese verdammten Kuscheltiere kann man gar nicht rausziehen, sie sind viel zu fest hineingestopft.«
»Und wer wird jetzt wütend?«, fragte Mum. »Soll ich es mal probieren?«
Sie hatte drei Versuche und betätigte den Greifarm mit stetiger Genauigkeit, sodass sie drei Kuscheltiere herausfischen konnte. Jedes Mal hielt sie die Tiere sorgsam mit dem Greifarm fest und ließ sie dann in die Schütte fallen. Sie holte die mollige Fee für Birdy heraus, ein grünes Einhorn für Mia und einen roten Drachen für Milo.
Alle klatschten Beifall – und Dad klatschte sogar am lautesten von allen …
Glücklich stiegen alle ins Auto und setzten ihre Fahrt fort. Sie sangen noch ein paar Weihnachtslieder und nach einer Weile wurden die Kinder müde. Auf dem Rücksitz herrschte ein ziemliches Gedränge, vor allem, weil Birdy darauf bestanden hatte, Gilbert in die Ferien mitzunehmen, ihren riesigen Spielzeughund. Er war fast so groß wie sie.
Milo wurde gegen die eine Seite der Rückbank gedrückt und Mia gegen die andere. Birdy dazwischen bekam kaum Luft mit ihrem haarigen Gilbert, der sich auf ihrem Schoß breitmachte. Schließlich hörten sie auf herumzuzappeln und schliefen fest ein.
Sie wachten erst auf, als ihr Dad rief: »Wir sind fast da, Kinder!«
Sie spähten aus den Fenstern in die graue Abenddämmerung und konnten gerade noch einen großen Wald auf dem Hügel unter ihnen ausmachen – mit einem sehr großen Baum, der bis zu den aufgetürmten Wolken reichte. Der magische Wunderweltenbaum!
Der Vater parkte das Auto vor dem Ferienhäuschen. Die Kinder purzelten heraus und rannten zur Tür.
Das Häuschen sah ganz anders aus, jetzt im Winter: Es gab weder Stockrosen noch Kornblumen oder Mohnblumen im Vorgarten, und auch das Geißblatt und die Kletterrosen fehlten, die im Sommer die Veranda umrankt hatten.
»Wir basteln einen weihnachtlichen Kranz und hängen ihn an die Tür«, sagte die Mutter. »Dafür sammeln wir kleine Äste und Zweige und schauen, ob wir im Wald Stechpalmen und Misteln finden. Jetzt kommt und helft, das Auto auszuladen.«
Es gab viele große Taschen und Koffer und einen Korb mit Essen. Die Kinder halfen, alles zur Haustür zu tragen, und dann fummelte ihr Dad mit dem Schlüssel herum. Er musste sich die Hände reiben, weil sie vom langen Halten des Steuerrads steif waren. Außerdem war es sehr kalt. Im Auto hatten sie die Heizung angehabt, jetzt war es fast dunkel und mit dem Wind eisig kalt.
»Ist es kalt genug für Schnee?«, fragte Milo hoffnungsvoll und schlang die Arme um seinen Körper.
»Das wird fantastisch aussehen an Weihnachten, alles frisch und weiß und wunderschön.« Mia hüpfte auf und ab.
»We wish you a merry Christmas!«, murmelte Birdy und drückte Gilbert an sich, um sich zu wärmen.
Endlich bekam ihr Dad die Tür auf. Sie stürmten hinein und schalteten das Licht an. In dem Häuschen war es genauso kalt wie draußen, vielleicht sogar noch kälter.
»Keine Sorge, ich stelle den Heizkessel an und dann ist es in Nullkommanichts warm hier«, sagte ihre Mum.
»Wir sind in fünf Minuten so warm wie ein Toast.« Der Vater nahm Birdy auf den Arm und schwang sie im Kreis herum.
Aber nach fünf Minuten war es immer noch nicht warm. Nach fünfzehn Minuten auch nicht. Und nach fünfzig Minuten immer noch nicht. Der Vater trat zur Seite und ließ die Mutter noch einmal an den Heizkessel. Dann versuchte er es selbst noch mal und nahm vorsichtig die Abdeckung des Heizkessels ab, um besser sehen zu können. Sein Handy benutzte er als Taschenlampe. Doch sie mussten sich geschlagen geben. Die Heizung war kaputt.
»Halb so wild, dann machen wir uns ein schönes Feuer im Wohnzimmer. Draußen liegen viele Holzscheite auf dem Stapel. Es wird richtig gemütlich werden«, erklärte der Vater, während die Mutter die Ferienhausvermietung anrief.
Die Kinder behielten ihre Mäntel an und halfen ihrem Dad, auf dem Kaminrost im Wohnzimmer ein Feuer zu entzünden. Er dauerte ziemlich lange, bis das Feuer brannte. Die Kinder drängten sich mit klappernden Zähnen dicht zusammen. Das Ganze fühlte sich nicht sehr weihnachtlich an, obwohl niemand das aussprechen wollte.
»Ich habe eine Idee!«, rief Milo. »Mia und Birdy und ich gehen hinten raus und rennen die Straße auf und ab, damit wir warm werden!«
»Oh ja!«, stimmte Mia zu.
»Mega!« Das war Birdys neues Lieblingswort.
Sie wussten, dass Milo eigentlich nicht meinte, sie sollten ein Wettrennen veranstalten. Vielmehr schlug er vor, dass sie über den Graben springen, der die Straße vom Zauberwald trennt, und im Dunkeln zum Wunderweltenbaum laufen sollten! Sie könnten dort alle ihre Freunde treffen und sich in Seidenhaars hellem kleinem Haus aufwärmen, während die Fee ihnen fliegende Pfannkuchen backen würde. Oder sie könnten hinauf in Mondgesichts rundes Zimmer klettern, sich eine Schockkaramelle in den Mund schieben und die Rutschige Rutsche hinuntersausen, die von der Mitte seines Zimmers im Innern des Baumstamms bis zu den Wurzeln des Wunderweltenbaums führte.
»Es ist stockdunkel, ihr geht nicht raus. Seid nicht albern!« Ihre Mum schüttelte entschieden den Kopf und wandte sich an Dad: »Wir holen die Decken aus den Betten und kuscheln uns hier zusammen. Wir könnten spielen, dass wir Bären sind!«
Milo rümpfte die Nase und zog eine Miene, die deutlich sagte, dass er das für einen erbärmlichen Vorschlag hielt.
»Dad, wir sind doch keine kleinen Kinder!«, rief Mia.
Birdy war ein kleines Kind und hätte sehr gerne mit ihrem Dad Bär gespielt, aber zum magischen Wunderweltenbaum zu gehen und mit einem echten Bären zu spielen, wäre natürlich viel besser. Ihr Vater sah enttäuscht aus, und sie wünschte, sie könnte es ihm erklären. Aber das war natürlich unmöglich. Stattdessen kletterte sie auf seinen Schoß und legte die Arme um ihn.
»Das ist eine Bären-Umarmung«, sagte sie und brachte ihren Dad zum Lächeln.
Schließlich nahmen sie ein gutes Abendessen mit Würstchen und Schinken und gebackenen Bohnen und Tomaten zu sich, das ihre Mum auf dem kleinen Elektroherd zubereitet hatte, und danach spielten sie Brettspiele.
»Ich finde Brettspiele langweilig«, flüsterte Milo Mia zu und wünschte, im Ferienhäuschen gäbe es Internet oder wenigstens einen Fernseher, doch seine Laune besserte sich, als er bei Ludo gewann.
Dann las ihr Vater ihnen eine Geschichte mit ein paar sehr komischen Stellen vor, die sie alle zum Lachen brachten, und ihre Mum las eine Geschichte über ein Mädchen, das sehr frech war und Mutproben machte, die ihnen allen den Atem verschlugen. Dann lasen sie abwechselnd ihre Lieblingsgeschichte über ein magisches Land, wo es Feen und erstaunliche Geschöpfe und sprechende Tiere gab.
Die Kinder seufzten.
»Das ist eine tolle Geschichte, Dad«, sagte Milo.
»Wir lieben sie«, fügte Mia hinzu.
»Die ist mega«, sagte Birdy. »Da kriegen wir Lust, in …«
»Birdy!«, unterbrachen Milo und Mia sie gleichzeitig.
»Ich wollte ja nur sagen, dass wir Lust bekommen, dort mal hinzugehen«, sagte Birdy.
Es war so schwer zu wissen, dass ihre eigene magische Welt nur einen Steinwurf von der Gartentür entfernt lag und sie nicht hingehen durften. Aber draußen heulte der Wind und der Regen prasselte gegen die Sprossenfenster. Es wäre sinnlos, die Eltern weiter zum Einlenken zu bewegen, um sie doch noch nach draußen zu lassen.
Also gingen die drei Kinder früh zu Bett und hofften, dass sie vielleicht einen Blick auf Seidenhaar erhaschten, wenn sie an ihrem Häuschen vorbeiflog. Birdy hatte sie in der ersten Nacht der Sommerferien entdeckt. Milo und Mia schämten sich zuzugeben, dass sie ihr zunächst nicht geglaubt hatten. Aber jetzt drängten sie sich in Birdys kleinem Zimmer unter dem Dach und spähten hoffnungsvoll aus dem Fenster.
Draußen schüttete es inzwischen und der Wind rüttelte heftig am Fenster. Sie warteten und warteten und froren in ihren Schlafanzügen, obwohl sie ihre Wintermäntel darübergezogen hatten. Mia bat Birdy sogar, ihre Wollmütze und ihre Handschuhe anzuziehen, weil sie fürchtete, sie könnte sich erkälten.
»Wenn es für uns hier drin schon so kalt ist, dann wird Seidenhaar wahrscheinlich nicht draußen in diesem Unwetter herumfliegen«, meinte Milo.
»Ich glaube, Milo hat recht«, sagte Mia traurig. »Es ist eisig kalt. Lasst uns zu Bett gehen. Wir sehen sie morgen!«
»Ich muss sie aber jetzt sehen!«, beharrte Birdy. »Sie kommt immer, wenn ich hier bin!«
»Ja, aber sie weiß nicht, dass du hier bist, oder?«, entgegnete Mia.
»Ich habe ihr einen Brief geschrieben und gesagt, dass wir zu Weihnachten wiederkommen!«
Birdy hatte tatsächlich einen Brief geschrieben. Ihre Geschwister hatten gesehen, wie sie mühsam eine Zeile nach der andern auf eine Seite ihres Zeichenbuchs gekritzelt hatte. Die Zeilen waren schief und ihre Rechtschreibung war fragwürdig. Sie hatte den Brief mit »Ales Liebe fon Birdy« unterschrieben und einen kleinen Kreis mit einem Schnabel, abstehenden Flügeln und zwei dünnen kleinen Beinen gezeichnet. Dann hatte sie das Blatt aus ihrem Buch herausgerissen, gefaltet und in einen alten Umschlag gesteckt, den sie im Altpapier gefunden hatte.
Birdy hatte sich daran erinnert, dass Umschläge eine Adresse benötigten, also hatte sie noch in Druckbuchstaben »SEIDENHARDIEFEE, WUNDRWELTENBAUM« daraufgeschrieben und den Brief in der Schule in den Kasten für die Weihnachtskarten eingeworfen.
Als sie am nächsten Tag keine Antwort bekommen hatte, war sie enttäuscht gewesen. Einen Tag später war sie sauer. Mia hatte Birdy getröstet und gesagt, dass Seidenhaar vielleicht nicht lesen und schreiben könne, weil sie nicht in der Schule gewesen war.
»Aber ich bin sicher, dass sie jemanden gefunden hat, der ihr deinen Brief vorliest. Sie hat sich bestimmt wahnsinnig gefreut.« Mia hatte geseufzt, als sie merkte, dass Birdy ihr geglaubt hatte.
Jetzt gähnte Milo und bewegte seine Arme, um das Blut wieder zirkulieren zu lassen.
»Ich glaube, mir war noch nie im Leben so kalt!«, klagte er. »Tut mir leid, Birdy, aber wir müssen jetzt ins Bett, sonst verwandeln wir uns alle in Eiszapfen.«
»Ihr beide könnt ja ins Bett gehen. Ich bleibe auf, damit ich Seidenhaar sehe«, sagte Birdy entschlossen. »Oh, ich glaube da kommt sie gerade!«
»Das erfindest du nur, Birdy«, sagte Mia.
»Nein, mach ich nicht! Ich sehe sie, schaut!«, beharrte Birdy und hüpfte auf und ab.
»Es ist stockdunkel.« Milo gähnte noch einmal, doch da zog Mia ihn am Arm.
»Birdy hat recht!«, rief sie und stand wie gelähmt da.
In der Ferne erschien ein kleines silbernes Licht wie ein winziger Mond. Es kam immer näher und bald konnten sie die Umrisse eines fliegenden Wesens ausmachen. Es war kein Vogel und auch keine Fledermaus. Es war eine Fee! Und nicht irgendeine Fee. Es war Seidenhaar!
Sie trug einen silbernen Regenmantel, hatte einen passenden silbernen Hut auf dem Kopf und silberne Stiefel an ihren grazil gestreckten Füßen. Seidenhaar war gewachsen und hatte jetzt starke silberne Flügel, die im Regen schimmerten und sie perfekt im Wind hielten. Mit einem strahlenden Lächeln auf ihrem entzückenden Gesicht flog sie direkt auf die Kinder zu.
»Seidenhaar!«, keuchten die drei.
Die Fee kam direkt an das runde Dachfenster und legte ihre Hand an die Scheibe. Birdy streckte sich und legte ihre Hand von innen dagegen. Milo und Mia legten ihre Hände neben Birdys Hand. Alle erwiderten Seidenhaars Lächeln und formten mit den Lippen lautlos: »Hallo.«
»Sehen wir uns morgen?«, fragte die Fee.
Die Kinder konnten sie durch das Glas hindurch nicht hören, vor allem weil Wind und Regen so laut waren, trotzdem verstanden sie ihre Worte, nickten heftig und formten mit den Lippen: »Ja!«
Seidenhaar, die sich in der Luft auf und nieder bewegte, drehte sich elegant und zog etwas aus der Tasche ihres Mantels. Es war Birdys Brief.
»Danke!«, sagte sie lautlos und flog wieder davon.
Milo, Mia und Birdy wachten gleichzeitig auf. Sie lauschten. Der Wind heulte immer noch und der Regen klatschte gegen das Fenster. Es war sehr, sehr kalt. So kalt, dass es schrecklich war, das Bett zu verlassen, aber sie mussten einfach zum Fenster rennen, um nachzusehen, ob es in der Nacht geschneit hatte.
Obwohl es immer noch stockdunkel war, konnten sie erkennen, dass nirgendwo Schnee lag.
»Vielleicht schneit es später noch. Und dann gibt es eine wunderbare weiße Schneedecke«, tröstete ihre Mum sie, als sie enttäuscht nach unten schlichen. Ihre Mutter war vollständig angezogen in Jeans und Pullover und trug ihr gemütliches Nachthemd darüber.
»Egal, wir gehen später aus und essen in einem Pub vor einem prasselnden Kaminfeuer zu Mittag«, kündigte ihr Vater an. Er trug alle seine Pullover übereinander und hatte seine Wollmütze bis zu seinen Augenbrauen runtergezogen.
»Aber vorher müssen noch auf den Heizungsmonteur warten«, sagte die Mutter. »Ich hoffe sehr, dass er diesen blöden Kessel reparieren kann. Wir hätten Haferflocken für Porridge mitbringen sollen. Wir brauchen etwas Heißes, das uns aufwärmt.«
»Keine Sorge, Mum, wir wärmen uns selbst auf.« Mia nahm Birdy bei den Händen. Zusammen hüpften sie auf und ab, bis sie außer Atem waren.
»Und wir könnten nach dem Frühstück draußen auf der Straße um die Wette rennen«, schlug Milo vor.
»Oh ja!«, riefen Mia und Birdy.
»Oh nein«, sagte ihre Mum. »Es ist viel zu dunkel und windig und nass, um draußen zu spielen.«
»Wir ziehen unsere Gummistiefel an«, schlug Mia vor. »Und haufenweise Klamotten.«
»Wir müssen einfach auf die Straße hinaus!«, rief Birdy. »Weil wir nämlich ein besonderes Geheimnis haben!«
»Birdy! Psssst! Sei still!« Milo und Mia dachten schon, dass sie den Eltern von ihrem Wunderweltenbaum erzählen wollte …
»Es ist überhaupt nicht nötig, mich zum Schweigen zu bringen und mir zu sagen, dass ich still sein soll«, sagte Birdy empört. »Ich wollte nur von unserem besonderen Geheimnis erzählen. Ich werde nämlich immer besser und kann Mia und Milo fast schlagen. Ich bin schon fast ein Champion, nicht wahr?«
»Oooh«, meinte Milo. »Ja, das ist wohl so.«
»Yeah, Birdy, der Champion«, sagte Mia ohne große Begeisterung.
Birdy lächelte selbstgefällig. »Also muss ich üben, oder, Dad?«
»Wenn du sehr vorsichtig bist, mein Schatz«, antwortete ihr Dad.
Die drei Kinder schlangen ihr Frühstück hinunter und zogen dann eilig noch mehr Kleider an, damit sie endlich rausgehen konnten.
»Bin ich nicht schlau?« Birdy wiederholte diesen Spruch unerträglich oft, doch ihre Geschwister nahmen es hin. Sie war ja tatsächlich schlau gewesen – und ihre Eltern hätten andernfalls vielleicht nie nachgegeben.
Vielleicht war Birdy aber auch ein bisschen zu schlau gewesen, denn ihr Dad bestand darauf, mit rauszukommen und ihr beim Rennen zuzusehen. Tatsächlich war sie sogar langsamer als sonst, weil sie ihre Jeans und ihre Latzhose trug, darüber ihren Dufflecoat und darüber noch ihren Bademantel. Birdy konnte sich kaum bewegen – ihr Dad feuerte sie trotzdem an. Dann rief zum Glück ihre Mum und sagte, dass der Monteur gekommen sei, sodass ihr Dad wieder ins Haus ging.
Die Geschwister fassten sich an den Händen. Mit einem Hüpfer und einen Sprung überwanden sie den kleinen Graben und standen im Zauberwald. Die Bäume bewegten ihre Äste im Wind, während der Regen unerbittlich vom Himmel prasselte.
»Warum machen die Bäume nicht Wispa-Wispa-Wispa?«, wollte Birdy wissen.
»Sie haben keine Blätter, weil es Winter ist«, erklärte Milo.
»Es sieht alles so anders aus«, fand Mia. »Der Wald kommt mir nicht so freundlich vor wie im Sommer.«
»Na ja, eigentlich müsste es jetzt kinderleicht sein, den Weg zum Wunderweltenbaum zu finden«, sagte Milo.
Aber es war nicht so leicht, wie er gedacht hatte. Sie probierten einen Pfad aus und dann einen anderen.
»Der muss es jetzt aber sein!«, rief Mia.
Nachdem sie weitere zehn Minuten herumgelaufen waren, befanden sie sich wieder am Rand des Waldes …
Milo runzelte die Stirn. »Das ergibt doch keinen Sinn.«
»Du hast recht«, meinte Mia. »Eines der Tiere muss uns helfen.«
Aber es waren weder Kaninchen noch Eichhörnchen oder Hirsche in Sicht.
»Sie suchen bestimmt alle Schutz vor dem Wetter.« Mia spähte nach oben, ob sie vielleicht wenigstens einen Vogel entdecken konnte. Regentropfen fielen auf ihr Gesicht und sie musste blinzeln.
»Ich wünschte, Seidenhaar würde kommen und uns den Weg zeigen.« Birdy fing an, sie zu rufen. »Seidenhaar! Seidenhaar! Seidenhaar!«
Eine einzelne Krähe flog auf und krächzte ärgerlich. Birdy zuckte ängstlich zusammen. Sie zitterte so sehr, dass Milo und Mia sich Sorgen machten.
»Vielleicht sollten wir sie nach Hause bringen, damit sie trocknen kann?«, murmelte Milo und drehte sich zu Mia.
»Und wir auch.« Mias Wintermantel war nicht wasserdicht. Sie war nass bis auf die Haut und ihre Gummistiefel quatschten schon beim Gehen.
»Nein, wir müssen den Wunderweltenbaum finden!«, beharrte Birdy mit klappernden Zähnen. »SEIDENHAAR! SEIDENHAAR! SEIDENHAAR!« Dann stieß sie einen Schrei aus und zeigte mit dem Finger nach oben.
In der Ferne war ein feines Schimmern zu sehen. Es flog in ihre Richtung, umrundete die Bäume und kam immer näher.
»Es ist Seidenhaar!«, riefen die drei im Chor.
Geschickt landete die Fee vor ihnen und sah trotz ihrer großen silbernen Stiefel sehr anmutig aus.
Die Fee umarmte sie alle, und sie erwiderten die feuchte Umarmung, während der Regen weiter herunterprasselte.
»Es tut mir so leid, dass ich zu spät bin!«, entschuldigte sie sich. »Der arme Pippin hat sich ein bisschen verbrannt und ich musste meine spezielle schmerzlindernde Salbe auf seinem pelzigen Gesicht auftragen.«
»Er hat sich verbrannt? Ist das Land der Drachen wieder da?«, fragte Milo gespannt.
»Nein, es ist ein viel angenehmeres Land! Aber ich sage euch nicht, welches. Das soll eine wunderbare Überraschung werden«, sagte Seidenhaar. »Aber es gefällt euch bestimmt. Versprochen!«
»Ist denn jetzt alles okay mit Pippin?«, fragte Mia.
»Es geht ihm gut, mach dir keine Sorgen«, sagte Seidenhaar. »Er sehnt sich danach, euch wiederzusehen. Er wollte mit mir kommen, aber er kann ja nicht fliegen, deshalb wusste ich, dass ich es allein schneller schaffen würde. Folgt mir, meine lieben Freunde!«
Sie breitete ihre Regenschirmflügel wieder aus, flog durch die Luft und die Kinder stolperten auf der Erde Hand in Hand hinter ihr her. Sie nahmen einen der schmalen Pfade und diesmal erreichten sie den magischen Wunderweltenbaum innerhalb weniger Augenblicke.
»Wir sind da!« Mia breitete die Arme weit aus und umarmte den Baum.
»Pass auf, Mia, du stehst vor dem Ausgang der Rutschigen Rutsche. Jemand könnte auf seinem Kissen aus der Klappe herausschießen und dich umwerfen!«, warnte Milo. »Oh Mann, ich kann es kaum erwarten, es selbst mal wieder auszuprobieren!«
»Ich fürchte, da du musst dich ein wenig gedulden. Mondgesicht macht in dem magischen Land ein bisschen Urlaub«, meinte Seidenhaar. »Wir alle sind dort!«
»Regnet es da auch?«, wollte Mia wissen.
Seidenhaar schüttelte freudig den Kopf. »Kommt mit und seht selbst!«
Sie kletterten den Baum hinauf. Er schien jetzt keine Früchte zu tragen. Auf den Zweigen wuchsen dagegen Stechpalmen und Disteln, was in dem strömenden Regen aber nicht sehr weihnachtlich wirkte. Die Kinder kamen am Fenster von Griesgram vorbei, doch er spähte nicht heraus und schüttete auch keinen Krug Wasser über ihnen aus. Dann passierten sie Seidenhaars gelb gestrichene Eingangstür.
Die Kinder hofften sehr, dass die Fee sie hineinbitten würde. Dann könnte sie ihnen Handtücher anbieten, damit sie sich abtrocknen können, und vielleicht gab es auch einen ihrer leckeren Snacks.
»In dem magischen Land trocknet ihr rasch.« Seidenhaar hatte offenbar geahnt, was sie dachten. »Und es gibt dort auch wunderbare Erfrischungen.«
Also gingen sie an ihrem Eingang vorbei und kamen zu Mondgesichts Haus. Er hatte eine Nachricht an seine Eingangstür gepinnt: »Bin im Urlaub. Hurra!«
Auch Madame Wasch war im Urlaub. Ihr Waschzuber war leer und auf der Wäscheleine flatterten keine Kleider. Pippin war nicht in seiner Bärenhöhle, aber sein kleiner Recyclingeimer quoll über von leeren Honiggläsern. Die Kinder lachten liebevoll, als sie das sahen. Auch der Pfannenmann und Sir Namenlos waren nicht zu Hause. Auch sie hatten sich wohl in das geheimnisvolle magische Land begeben, das über ihren Köpfen schwebte.
»Was ist das denn für ein Land?«, fragte Milo, als sie einen Augenblick Pause machten, um zu verschnaufen. Er bemühte sich, nicht nach unten zu sehen. Da der magische Wunderweltenbaum jetzt keine Blätter hatte, konnte er durch die Äste hindurch bis weit hinunter zum Boden sehen. Milo gab es nur ungern zu, aber er hatte wirklich Angst vor Höhen. »Glaubt ihr, das Land der Hüpfburgen ist zurückgekommen? Dort gingen auch alle hin, um Spaß zu haben, oder?«
»Wenn es das ist, sind wir gut vorbereitet.« Mia lachte. »Wir sind so gut eingepackt, dass wir wie Strandbälle hüpfen werden.«
»Ich glaube, es ist das Weihnachtsland!«, rief Birdy. »Mit Schnee und Geschenken und dem Weihnachtsmann, der ›ho, ho, ho‹ ruft.«
»Oh Birdy, ich denke, du hast recht!«, stimmte Milo ihr zu.
»Hoffentlich!«, rief Mia. »Wenn der Weihnachtsmann da ist, dann sind seine Rentiere vielleicht auch da! Wie schön wäre es, acht Rentiere zu sehen.«
»Der Weihnachtsmann hat neun Rentiere, wenn du Rudolph mitzählst«, sagte Milo.
»Nein, es sind acht, denn sonst könnten sie den Schlitten nicht gleichmäßig ziehen«, widersprach Mia.
Während die beiden weiterkletterten, führten sie einen sinnlosen Streit darüber. Birdy stieg dagegen rasch den Baum hinauf und gelangte als Erste zu der goldenen Leiter in der Baumkrone. Seidenhaar hockte schon auf der obersten Sprosse und strahlte über das ganze Gesicht.
»Gut gemacht!«, lobte Seidenhaar. »Ist dir inzwischen ein bisschen wärmer?«
Birdy merkte, dass es ihr tatsächlich viel