Zenobia-Königin von Palmyra - Zacharias Amer - E-Book

Zenobia-Königin von Palmyra E-Book

Zacharias Amer

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Beschreibung

Zenobia, die Königin von Palmyra, gehört zu den herausragenden Frauengestalten der Geschichte. Im 3. Jahrhundert, die Zeit der Soldatenkaiser, als das Römische Reich sich in Agonie befand, wagte Zenobia, es herauszufordern. Nach über 1700 Jahren fasziniert ihre Geschichte immer noch: die Geschichte der schönen, hochgebildeten und mehrsprachigen Wüstenkönigin, die lieber mit den Geistesgrößen ihrer Zeit, über Platon und Homer sprach als über Politik. Nach der Ermordung ihres hochgeschätzten Mannes, König Odainat, übernahm Zenobia die Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn Wahballat, den sie bald zum Kaiser und sich selbst zur Kaiserin erhob. Sie ließ Münzen mit dem Konterfei des "Kaiserpaares" prägen. Als sie es aber wagte, Ägypten, die Kornkammer am Nil, auf dessen Getreidelieferungen Rom angewiesen war, zu besetzen, überspannte sie den Bogen. Rom sah sich zum Handeln gezwungen. Der römische Kaiser Aurelian (270-275) besiegte, durch eine Hinterlist, Zenobia und nahm sie gefangen. Er führte sie als Kriegsbeute nach Rom und stellte sie zur Schau. In Ketten und mit Gold und Edelsteinen behangen, wurde Zenobia, die stolze Araberin, dem römischen Mob vorgeführt. So scheiterte, nach Kleopatra, auch der zweite Versuch, an der Seite des machtgierigen und imperialistischen Römischen Reich, ein Ostreich zu gründen. Mit Zenobia ging die Blütezeit der Oasenstadt Palmyra endgültig zu Ende. In der arabischen Version der Geschichte, die als Intermezzo in den Text eingebettet ist, taucht Rom gar nicht auf. Es ist keine Rivalität zwischen Orient und Okzident, sondern ein Spiel um die Macht, ein innerarabischer Konflikt um Leidenschaft, Verrat und Intrigen, bei dem az-Zabba'a, die langhaarige Königin von Tadmor, der Schmach einer Gefangennahme durch Selbstmord entging.

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Zacharias Amer

 

Zenobia

Königin von Palmyra

Drama

 

 

 

 

Epubli

 

 

 

 

Impressum

 

© 2014 Zacharias Amer

Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

 

 

Personen

 

Odainat König von Palmyra

Zenobia Königin von Palmyra

Wahballat beider, minderjähriger Sohn

Herennianus 2. Sohn der Zenobia und Odainat

Septimius Herodes Odainat‘s aus Sohn erster Ehe

Aurelian Römischer Kaiser

Longin Griechischer Philosoph

Paul von Samosata Bischof von Antiochia

Zubaiba Zenobias Schwester

Volk von Palmyra

 

Spielzeit: 264 – 275 unserer Zeit

 

 

I

 

1.

Zenobia sitzt in einem Sessel. Sie ist eine außergewöhnlich schöne Frau, in prachtvollen Gewändern gekleidet, auf dem Haupt trägt sie ein Diadem und eine turbanartige Kopfbedeckung, in der die Haare festgebunden sind. Ihre Haare sind so lang, dass sie ihren ganzen Körper umhüllen würden, ließe sie sie herabfallen. Von den Arabern bekam sie deswegen den Spitznamen az-Zabba’a, die Langhaarige. Ihre Gesichtszüge sind zart, in ihnen funkelt ein pechschwarzes Augenpaar. Sie ist mit sich und der Welt im Reinen, strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Longin, in seinen philosophischen Mantel gehüllt, tritt ein und grüßt sie ehrerbietig. Er ist blond, mit langen, krausen Haaren und hoher Stirn. Das Gepränge der Königin, die er zuerst nicht wahrnahm, fällt ihm auf. Erschaut sie mit offenem Mund an und fällt auf die Knie, als ob er sie anbeten würde.

Longin: Sie sind zum Herrschen geboren. Für diesen Glanz, für diese Herrlichkeit ist der Orient viel zu klein, Rom selber muss vor Ihnen in die Knie gehen.

Zenobia: So kenne ich Sie gar nicht. Sie leben schon eine Weile im Orient und langsam lernen Sie genauso zu heucheln und zu schmeicheln wie alle anderen. Sie müssen wissen, dass ich das nicht mag und auch nicht möchte, obwohl Frauen nie genug Schmeicheleien haben können. Doch schätze ich mich glücklich, einen Mann an der Seite zu haben, der unerschrocken und offen seine Meinung sagt. Orientalische Sklaven habe ich genug und sie widern mich an. Also bleiben Sie wie Sie sind, das ist ein Befehl.

Longin: Ich gehorche jedem Befehl, wenn er mir ermöglicht, diese Glorie bewundern zu dürfen.

Zenobia: Schluss jetzt mit dem Geschwafel. Womit beschäftigen Sie sich gerade?

Longin (kratzt in seinen Haaren und stöhnt): Ich versuche den Zeitpunkt der Beseelung des Menschen herauszufinden.

Zenobia: Den Zeitpunkt der Beseelung herauszufinden. Weiß man denn das etwa nicht?

Longin: Da gehen die Meinungen weit auseinander, manche halten die klimatischen Bedingungen für entscheidend.

Zenobia: Palmyra ist eine schöne kulturelle Oase mitten in der Wüste. Welchen Einfluss hat so ein trockenes Klima auf die Seele? Anders gefragt: gibt es eine feuchte und eine trockene Seele?

Longin: Da stellen Sie mir aber eine sehr schwierige Frage. Ich hatte diese Frage in Bezug auf Platon in einer Untersuchung behandelt. Im Timaios-Dialog behauptete Kritias die Athener seien besonders kluge Menschen, das hat Athene, ihre Schutzpatronin, so eingerichtet. Sie sorgte für ein ausgewogenes Klima, für eine „Wohlgemischtheit der Jahreszeiten“.

Zenobia: Von einem ausgewogenen Klima kann doch in Athen keine Rede sein und ob die Athener so klug sind, wage ich zu bezweifeln.

Longin: Genau das behauptete ich auch gegen meine Kritikerkollegen. Denn in Athen sind doch „extreme Temperaturschwankungen“ zu beobachten. Die seelische Befindlichkeit, „Phronesis“ genannt, der Attiker muss doch eine andere Ursache haben. Ich fragte mich: kann eine vom Klima beeinflussbare Seele ihre Unsterblichkeit bewahren?

Zenobia: Nun?

Longin: Die Frage muss natürlich verneint werden; denn das hieße: die Seele sei materiell, eine materielle Mischung, die auf klimatische Mischung reagiert, das kann doch nicht sein. Dass klimatische Bedingungen sich auf die seelische Befindlichkeit der Menschen auswirken, hat Platon wahrscheinlich nur so dahingeschrieben. Man kann von einem „rhetorischen Topos“ reden, den Platon aus der Naturphilosophie übernommen hat. Es widerspiegelt keineswegs seine Überzeugung. Vermutlich stammt diese Idee von Hippokrates und Platon übersah, dass sie mit einer seiner eigenen Maximen, nämlich mit der Unsterblichkeit der Seele, nicht konform ist. Wer also behauptet, die Seele ist von klimatischen Bedingungen beeinflusst, der argumentiert wie die Stoiker und macht Sie sterblich. In dem Zeitpunkt, in dem die Beseelung des Menschen erfolgt, geschieht die Scheidung, die Seele vermischt sich nicht mit der Materie. Die Stoiker hingegen vertreten die Ansicht, „dass die physische und die psychische Zeugung des Menschen gleichzeitig erfolgte.“ Genau diese, sagen wir „materielle Mischung, würde sie sterblich machen, daher muss man auf ihre „Unkörperlichkeit“ beharren. Und wie kann eine als materiell gedachte Seele zu Vorstellungen und vernünftigen Überlegungen kommen oder zum Erkenntnisprozess beitragen? Kann sie etwa in diesem Prozess eine maßgebliche Instanz darstellen? Wohl kaum.      Ich finde es auch nicht gut, dass man jede Kritik an Platon verbietet. Ich halte mich nicht daran. Seine Werke sind für mich „literarische Kunstwerke“ und müssen als solche interpretiert werden. Man muss ihnen die Weihe des Religiösen entziehen. Tut man aber dergleichen, ist die Aufregung groß. Wer wagt es denn, den göttlichen Platon zu kritisieren!

Zenobia: Sosehr ich Platon bewundere, so gebe ich Ihnen völlig recht. Nichts, aber auch gar nichts was jemals geschrieben wurde, darf als heilig bezeichnet werden. Ich verabscheue dieses Wort geradezu. Es darf nicht verwendet werden; denn damit enthebt man den Text der Kritik, entmenschlicht ihn. Mir ist nicht bekannt, dass die Götter Schriftliches von sich gaben. Texte, die keine Kritik vertragen, sind nicht heilig, sondern minderwertig. Sie werden mit heilig etikettiert, um sie vor dem Untergang zu schützen.

Longin: Natürlich ist „die rhetorisch-stilistische Gestaltung Platons“ meisterhaft und bis zum heutigen Tag unübertroffen. Würden die Götter philosophische und rhetorische Schriften verfassen, müssten sie Platon als Musterbeispiel nachahmen. Nichtsdestotrotz ist er stellenweise geschwätzig, „ausladend und wortreich“, so erhaben seine Wortwahl auch ist. Platons „Metaphern sind hart und bei ihm wimmelt es von Allegorischem Schwulst“, ja er hat sich vieler „Metaphorischer Mittel bedient und seine Sprache ist keineswegs natürlich.

Zenobia: Meine Kritik geht aber auch in eine andere Richtung. Im Denken dieses größten aller Philosophen, der so dichterisch begabt war, dass man ihn nicht genug bewundern kann, stecken menschenverachtende Ansätze, die man nicht ignorieren kann. Wenn er zum Beispiel von ‚Menschen züchten‘ redet oder davon ‚alte und verkrüppelte aus dem Staat zu verbannen, Frauen als Unwesen hinstellt und Kinder als Allgemeingut‘. Geschlechtliche Liebe wird bei ihm verteufelt, wahrscheinlich dachte er, wozu brauchen wir Frauen, wenn wir Knaben haben... Ich weiß nicht, mir schmeckt das alles nicht. Bei Sätzen wie: ‚ich denke, es hat für den Menschen keinen Nutzen zu leben, wenn er körperlich elend ist; denn wer so lebt, muss notwendig auch ein elendes Leben führen‘...

Longin: Wenn ich es recht entsinne, kommt das in den Gesetzen vor.

Zenobia: Da sind Sie bewanderter als ich.

Longin: Zweifelsohne war sein Denken elitär. Die Freiheit aller, die Selbstbestimmung, die Teilhabe am politischen Prozess… sind ihm völlig fremd. Er ist eben ein „Auslese-Philosoph“.

Zenobia: So ist sein Idealstaat eine Fehlkonstruktion, ein Totgeborenes. Trotzdem empfinde ich den Gedanken als reizvoll.

Longin: Er hatte sicherlich keinen Sinn für die Realität. Was er uns in seinem Staat darbietet ist, milde ausgedrückt, inhuman autoritär oder sagen wir totalitär. Mich hat…

 

2.

Odainat tritt ein. Longin erhebt sich, verbeugt sich tief und verharrt in dieser Haltung.

Odainat: Setzen Sie sich, Philosoph. (Schaut die beiden etwas missfällig an): Habt Ihr wieder philosophiert?

Zenobia (verärgert): Was man Philosophieren nennt.

Odainat (an Longin gewandt): Welche Fortschritte macht der Knabe?

Longin: Um den jungen Prinzen brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, erhabener König. Der ist dermaßen aufgeweckt und lernbegierig, dass es einen immer wieder aufs Neue erstaunt. Mit wachem Geist und einer schier unendlichen Begeisterung verkonsumiert er den Lernstoff. Selten sah ich einen Jungen, der so wissbegierig ist. Es ist eine wahre Freude, ihn unterrichten zu dürfen.

Odainat: Das hat er sicherlich von seiner Mutter, nicht von mir. Ich möchte aber nicht, dass Sie ihn mit viel Philosophie völlig versauen. (Zenobia schnauft hörbar und schaut Odainat verächtlich an. Odainat bemerkt ihren Blick, achtet aber nicht darauf). Ja, ich möchte nicht, dass der praktische Teil vernachlässigt wird. Aus dem Jungen soll ein großer Held werden, einer, der seinem Vater Ehre macht. Ich weiß nicht, ob nicht so viel Grübelei schädlich ist für so einen jungen Burschen. Er wirkt auch so abwesend, als ob er ständig nach etwas sucht. Das schmeckt mir nicht. Sobald er etwas kräftiger ist, soll er reiten lernen und mit dem Schwert hantieren. Reiche entstehen und gedeihen nicht durch Geschwätz, sondern durch das Schwert (haut vergnügt mit der Faust auf den Tisch).

Zenobia (bewegt sich unruhig hin und her. Für sich): Man soll dir auf der Stelle den Hals umdrehen. (Laut): Ja, mein Öhrchen. Wir werden aus dem Jungen einen großen Krieger machen.

Odainat (schaut sie an): Schau dir Rom an, ist es etwa philosophisch groß geworden?

Zenobia: In der Tat. Von Philosophie verstehen sie nichts. Schöpferische geistige Leistung ist ihre Sache nicht. Sie können nur nachahmen.

Longin (durch die Worte der Königin ermuntert): Es ist nun ein Faktum, dass die Römer zu kreativen Leistungen unfähig sind. Sie äffen alles nach, was die Griechen schufen. Es herrscht bei denen eine geistige Lethargie und von Originalität sind sie weit entfernt. Man fragt sich ernsthaft, was aus diesem Staat geworden wäre, hätte er nicht griechische Philosophen, Dichter, Bildhauer, Mathematiker, Rhetoren usw. vorgefunden!

Zenobia: Man würde sich in einer geistigen Wüste befinden und es würde eine Verödung auf allen Gebieten herrschen. Oder schau dir den Senat an, ist das nicht ein Pack gesättigter Herren, ein „Sklavengezücht“? Ihre Servilität ist sprichwörtlich geworden, ihre Versumpfung schreitet unaufhaltsam voran. Selten hat man verrohtere Seelen gesehen wie die der Römer. Sie amüsieren sich am Leiden anderer, hetzen Menschen in den Arenen und lassen sie von wilden Tieren zerfleischen. Genießen ihrer Gladiatoren Kämpfe, die Kämpfe derer, die man dafür hergerichtet hat. Für sie hat der Sklave nicht einmal den Wert eines Tieres. Auf den Feldern lässt man sie mit Fesseln an den Füßen arbeiten. Wer alt und nicht mehr arbeitsfähig ist, den werfen sie hinaus, wie Hausmüll. Das ist kein Staat, auf den ein kultivierter Mensch stolz sein kann. Das ist ein menschlicher Schandfleck, der ausgemerzt werden sollte. Humanität ist für sie ein Fremdwort. Seine Soldaten sind dermaßen bestialisch und blutrünstig, dass man sich fragt, ob sie menschlicher Regungen noch fähig sind. Besiegen sie ein Volk, so beeilen sie sich, es ganz auszurotten. Sie walzen alles um, was sich ihnen in den Weg stellt. In den besetzten Gebieten benehmen sie sich wie eine wildgewordene Horde. Sie gehen mit äußerster Brutalität vor, morden, vergewaltigen Frauen, sie erpressen die Unterdrückten und rauben sie aus wie gewöhnliche Diebe es tun. Mit ihren Schandtaten lassen sich ganze Bibliotheken füllen. Die Unterdrückten sind rechtlos und sind ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Wer sich dagegen wehrt, wird erschlagen, sein Eigentum konfisziert, seine Familienmitglieder versklavt. Kann man es einem Land verübeln, wenn es versucht, sich aus diesem Würgegriff zu befreien? Ich würde lieber tausendmal sterben als von solchen Besatzern schikaniert und gedemütigt zu werden.

Longin (verbittert): Man kann schon vom „ethischen Verfall“ reden. Welche Demütigung muss so ein freiheitsliebendes Volk wie die Griechen empfinden, von diesen Barbaren regiert zu werden. Der Zivilisierte, der Höherstehende muss sich die Schikanen des Minderwertigen gefallen lassen, nur weil dieser die Macht besitzt. Wenn ich an Syrakus denke! Welch hohe Stufe dieser Staat erreicht hat, wie Platon hineilte, um dort seinen Idealstaat zu verwirklichen und wie in diesem Syrakus ein kulturloser römischer Soldat eine Geistesgröße wie Archimedes (212 v.Chr.) den Kopf abschlug, weil er zu ihm sagte: stören Sie meine Kreise nicht. Allein in diesem barbarischen Akt hat sich das künftige Unheil, das der Welt durch Rom bevorstand, angekündigt. Wenn der Geist vor der Muskelkraft kapituliert, ist das ein Kapitel trauriger Menschheitsgeschichte.

Zenobia (gerät fast in Rage): Barbaren nennt man solche Völker, die Rom angreifen und man fragt sich, auf welcher Seite die wahren Barbaren sich befinden.

Longin: Wenn jetzt die Barbaren in das römische Gebiet eindringen, dann ist das folgerichtig. Sie holen sich das zurück, was man ihnen weggenommen hat.

Odainat (völlig entsetzt, schaut die beiden entgeistert an): Sie waren doch immer unsere Freunde.

Zenobia: Freunde! Mein lieber Gemahl, diese Sorte von Menschen kennt keine Freunde. Sie kennt aber sehr wohl ihre eigenen Vorteile. Wer ihnen dienlich ist, ist ihr Freund. Solange wir die Rolle spielen, die sie uns vorbestimmt haben, sehen sie uns als ihre Freunde an, doch sobald wir mit dem Schwanz wedeln, auf unsere Rechte pochen, sobald wir auf die Idee kommen, unsere Würde zurückzuerlangen und selbständig sein wollen, zeigen sie sofort ihr wahres Gesicht, für sie sind wir nur ein Spielball, nichts weiter.

Odainat: Sind die Perser etwa besser?

Zenobia: Das habe ich gar nicht gesagt. Sie sind aus demselben Teig gebacken, sind genauso barbarisch. Auch sie wollen uns unterjochen, uns unsere Ressourcen rauben. Weder die einen noch die anderen werden uns jemals als gleichwertige Partner akzeptieren.

Odainat (verzweifelt): Und was sollen wir tun? Wir liegen zerquetscht zwischen zwei Großmächten. Wir können nicht neutral bleiben; denn das kann uns teuer zu stehen kommen. Palmyra ist winzig klein und darf sich nicht anmaßen, gleichwertig zu sein. Die Perser und die Römer können uns von der Bildfläche verschwinden lassen, wenn es einem von ihnen beliebt.

Zenobia: Dessen bin ich mir bewusst. Deswegen ist es gut, wenn sie sich gegenseitig die Köpfe abschlagen. Wir müssen diese unsere einmalige Lage ausnutzen. Der Handel zwischen Ost und West läuft nun mal über Palmyra. Wir sind der Angel- und Drehpunkt.

Odainat: Umso wichtiger, dass wir geschickter vorgehen. Freundschaftliche Beziehungen sind der beste Garant für unseren Wohlstand. Wir brauchen eine Schutzmacht, die uns in Frieden unseren Handel treiben lässt. Von unserem Handel profitieren sie ja auch und so wäscht eine Hand die andere.

Zenobia: Wir müssen gleichzeitig mächtig genug sein, uns zu wehren und falls erforderlich, beiden die Stirn bieten. Unsere Kavallerie ist stark genug, jede Macht in die Knie zu zwingen und Rom ist nicht mehr das, was es einmal war. An den Grenzen rumort es. Die barbarischen Germanen wachsen wie Pilze aus dem Boden und machen den Römern das Leben schwer. Das einst mächtige Reich ist nicht mehr in der Lage, seine Grenzen zu verteidigen. Gibt es denn eine größere Schmach als wenn der römische Kaiser gefangengenommen wird. Der arme Valerian dient jetzt dem Perser Shapur als Fußstütze. Wie ein Sklave in Ketten wurde er vorgeführt. Es geschieht ihm recht.

Odainat: Du bist so hartherzig.

Zenobia: Bin ich das? Hat deine Kraft in der letzten Zeit nachgelassen oder bist du so genügsam geworden? Brav führst du für die Römer die Aufträge aus, ohne dich wäre ihre Schmach vollkommen. Ich möchte eine Freundschaft gleichberechtigter Partner sehen und kann diese aufgesetzte Freundschaft nicht länger ertragen… diese Heuchelei und Unaufrichtigkeit. Was haben die Römer für uns getan? Schau dir Ägypten an. Das arme Land blutet ja und wird von den Römern wie eine Zitrone ausgepresst. Mit eiserner Hand regieren sie dort, sie erlauben den Einheimischen nicht einmal, Schulen zu besuchen. Sie wollen sie ewig dumm halten. Sie brauchen keine intelligenten, sondern dumme Ägypter, die für sie arbeiten, die das Land beackern. Dann kommen die Römer und schiffen alles ab. Mit welchem Recht tun sie das?

Odainat: Aber was geht uns Ägypten an? Wir müssen auch zuerst an uns selber denken.

Zenobia: Ägypten geht uns sehr viel an. Sie sind unsere Brüder und Schwestern und Kleopatra war mir immer ein leuchtender Stern. Wir müssen ihnen zu Hilfe eilen, sie aus dem Würgegriff Roms befreien. Gemeinsam mit dem reichen Land wären wir eine Macht, die sogar Rom selbst in die Knie zwingen kann.

Odainat: Bist du dir im Klaren darüber, was du da sagst? Rom, das Römische Reich, die Beherrscherin der Welt…

Zenobia (unterbricht ihn): Dummes Geschwätz. Ein amoralisches, dekadentes, parasitäres Pack ist das. Sie leben auf Kosten anderer und mästen sich Tag für Tag wie die Schweine. Sie wollen es ja, dass es immer so weiter geht, selber in Saus und Braus leben und andere für sich schuften lassen. In ihren Adern fließt kein menschliches Blut, sie kennen weder Milde noch Barmherzigkeit. Sie sind nichts weiter als Sklavenhalter. So geschieht es ihnen ganz recht, wenn ihr Imperator selber wie ein Sklave vorgeführt wird, er soll am eigenen Leibe spüren, was andere in ähnlichen Situationen empfinden.

Odainat: Das sind ja ganz neue Töne, die ich von dir vernehme.

Zenobia (schaut Longin an, der lange geschwiegen hat): Mein griechischer Freund wird mir Recht geben.

Longin (räuspert sich):