Zwei Schwestern - Adalbert Stifter - E-Book

Zwei Schwestern E-Book

Adalbert Stifter

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Beschreibung

Wir legen in folgenden Blättern nicht sowohl eine einfache Geschichte, wie wir sie in diesen Büchern gerne erzählt haben, als vielmehr noch weniger dar, nehmlich blos den Zustand einer Familie, wie er aus mehreren uns unbekannten Veranlassungen, hauptsächlich aber aus der großen innern Grundverschiedenheit zweier Schwestern, der einzigen Kinder des Hauses, hervor gegangen ist.Wenn wir auch denjenigen, die gerne viel Thatsächliches und Geschehenes lesen, nicht genug thun können, so glauben wir doch, daß mancher Seelen- und Menschenforscher, wenn er am Ende dieser Blätter angekommen ist, sie nicht ohne eine kleine Theilnahme weglegen wird.Weitere Klassiker unter:www.buch-klassiker.der

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Inhalt

Cover

Zwei Schwestern

1. Einleitung

2. Reisefreunde

3. Reisebesuch

4. Reiseziele

5. Nachwort

Adalbert Stifter

Zwei Schwestern

Ausgabe im SoTo Verlag, 2016

Bielatalstraße 14, 01824 Königstein

Vollständig und neu gesetzt durch Sandra Oelschläger

Herausgeber der Klassik-Reihe: Sandra Oelschläger

Umschlaggestaltung unter Verwendung von Bildern, 

die der Creative Commons CC0 unterliegen.

ISBN Print 978-1534750197

ISBN Großdruck 978-1534750258

ISBN EPUB 978-3-96077-065-7

www.buch-klassiker.de

1. Einleitung

Wir legen in folgenden Blättern nicht sowohl eine einfache Geschichte, wie wir sie in diesen Büchern gerne erzählt haben, als vielmehr noch weniger dar, nehmlich blos den Zustand einer Familie, wie er aus mehreren uns unbekannten Veranlassungen, hauptsächlich aber aus der großen innern Grundverschiedenheit zweier Schwestern, der einzigen Kinder des Hauses, hervor gegangen ist. Wenn wir auch denjenigen, die gerne viel Thatsächliches und Geschehenes lesen, nicht genug thun können, so glauben wir doch, daß mancher Seelen- und Menschenforscher, wenn er am Ende dieser Blätter angekommen ist, sie nicht ohne eine kleine Theilnahme weglegen wird. Uns hat es einst ein sanftes, fast trauriges Gefühl erregt, als uns ein Freund die lükenhafte Thatsache, wie sie war, und ohne auf Verzierungen und Ausschmükungen auszugehen, erzählt hat. Die Theilnahme war um so größer, als dieser Freund selber in seiner Jugend eine einseitige Bildung seiner Geisteskräfte erhalten hatte, wodurch er in der Folge viel leiden mußte, als er ferner manchen unverdienten Schmerz und manche Täuschung erfuhr, und als er auch von dieser Familie eine Umdüsterung seiner Seele fort trug, die er wohl durch die Stärke und Heiterkeit seines Geistes, welche er sich in späteren Jahren erwarb, überwunden haben wird. Wir erzählen die Thatsache mit den Worten unseres Freundes, obgleich wir als Nacherzähler auf die Frische und Ursprünglichkeit verzichten müssen, die ihm, der die Sache erlebte, eigen war, und wir überhaupt nicht die Lebendigkeit der Darstellung besi zen, wie unser Freund, der aber mit vielen sehr wohlbegabten Menschen die eigenthümliche Sucht theilet, nie etwas Geschriebenes von sich geben zu wollen.

Nach diesen einbegleitenden Worten folge die Sache.

2. Reisefreunde

Wir fuhren einmal unser mehrere in einem Postwagen. In dem Kasten saß ein Vater mit zwei Töchtern – ich weiß es nicht genau, aber ich hielt ihn dafür. Das ältere der Mädchen, ungefähr dreizehn oder vierzehn Jahre alt, erregte durch ihr ernstes und ruhiges Benehmen unsere Aufmerksamkeit und unsern Beifall. Das jüngere war noch fast ein Kind, das mit kindlichen Augen in die Welt hinein schaute. Außer diesen drei Personen saß noch eine Frau in dem Kasten, die ich für die Begleiterin, gewesene Amme, oder sonst etwas dergleichen von den Mädchen hielt, obwohl sie vielleicht auch ganz und gar nicht zu ihnen gehören konnte; denn sie gab, ungleich der gewöhnlichen Art solcher Frauen, sehr wenige Zeichen von sich, regte sich wenig, und sprach oft wirklich postenlange kein Wort. In dem hintern Gelasse des Wagens saßen ich und ein ältlicher Mann, den wir seines blassen Aussehens und seiner schwarzen Kleidung halber scherzweise Paganini nannten. Er lächelte einmal bei diesem Spottnamen trübsinnig und sagte: »Wer weiß, ob es nicht ein sehr großes Unglük für mich wäre, wenn ich wirklich Paganini wäre.« Unter dem Vordache des Wagens saß neben dem Postgeleiter ein Student, von dem ich nichts zu sagen weiß, als daß er sehr viel aus einem Meißnerkopfe rauchte, an dem er ein langes Rohr und ein bewegliches Mundstük hatte.

Die Reise war durch ganz und gar nichts ausgezeichnet, weder durch sehr schlechtes noch durch sehr schönes Wetter – weder durch ein Glük noch durch ein Unglük – weder durch besonders langweiliges noch durch ungemein anziehendes Gespräch. Als wir uns erst ein wenig in einander hinein gelebt hätten, und die Sache ein wenig in den Gang gekommen wäre, hatten wir unser Ziel erreicht, und wir gingen auseinander.

Ich hätte das Ding längst vergessen, wenn nicht der Zufall eine Fortsezung daran gestükt hätte, wie er es oft mit den unzusammengehörigsten Sachen thut. Man wird bei solchen Vorgängen gereizt, nach einer Art Vernunft in dem Gemengsel zu suchen, und wenn wirklich etwas daraus erfolgt, schieben wir es der Vorsehung in die Schuhe – mit welchem Rechte oder Unrechte, weiß ich nicht. Die Sache aber war so. Als ich einmal, ich weiß nicht, nach welch langer Zeit in Wien war und in dem Gasthofe zur Dreifaltigkeit, den ich immer zu benüzen pflege, die hintere Wendelstiege in den Hof hinab stieg, welche Stiege gewiß jeder Reisende kennt, der einmal in diesem Gasthofe gewohnt hat, weil sie so enge ist, daß sich ihrer zwei kaum ausweichen können: so begegnete mir hinauf steigend leibhaftig und wirklich unser falscher Paganini. Ich erkannte ihn sogleich wieder, was hauptsächlich dadurch möglich wurde, daß er, wie ich glaube, den nehmlichen schwarzen Frak anhatte, wie damals im Postwagen. Da ich ihm meinen Gruß zurief, erkannte er mich auch, und wir drükten uns gegenseitig die Freude aus, uns hier so unvermuthet getroffen zu haben. Wie es bei Reisenden gebräuchlich ist, fragten wir um unser Befinden, wie lange wir schon da seien, und wie lange wir uns noch aufzuhalten gedächten. Da erfuhren wir nun, daß wir nicht nur schon drei Tage Zimmernachbarn wären, sondern daß wir es auch wahrscheinlich noch sehr lange bleiben würden. Er hatte nehmlich einen Prozeß zu betreiben, und mußte in dieser Angelegenheit viele Gänge und Besuche machen: ich war wegen der Betreibung eines Bittgesuches in Wien und hatte der Gänge und Besuche gewiß nicht weniger zu thun. Wir sprachen nach dieser Mittheilung die Hoffnung aus, daß wir uns gewiß nun öfter sehen würden, und um dies nicht eine bloße Redensweise sein zu lassen, verabredeten wir eine gemeinschaftliche Speisestunde in unserm Gasthofe, so oft es nehmlich einem jeden von uns möglich sein würde, und bemerkten, daß wir uns auch ohnedem, da wir so nahe wären, manchmal treffen könnten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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