Zwei Wochen wie im Paradies - Cathy Williams - E-Book

Zwei Wochen wie im Paradies E-Book

Cathy Williams

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Beschreibung

Ein Traumurlaub! Melissa fliegt mit dem attraktiven Elliot Jay auf eine paradiesische Insel im Indischen Ozean. Sonne, Brandung, Spaziergänge am weißen Strand. Doch gehört Elliots Herz wirklich nur ihr? Denn auch die kühle Alison kämpft um seine Liebe…

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Seitenzahl: 198

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IMPRESSUM

Zwei Wochen wie im Paradies erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2005 by Cathy Williams Originaltitel: „In the banker´s bed“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1619 - 2006 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Sabine Reinemuth

Umschlagsmotive: monkeybusinessimages/GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733753405

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Elliot stand im Aufenthaltsraum des Vigo-Fitnessstudios und sah aus dem Fenster. Das herrliche Sommerwetter und die gepflegten Grünanlagen konnten den Betrachter zu der Einbildung verleiten, sich im sonnigen Süden zu befinden – und nicht in der City von London.

Ungeduldig sah Elliot auf die Uhr, drehte sich um und lehnte sich gegen das Fensterbrett, um die Tür im Blick zu haben. Er wartete jetzt schon seit zwanzig Minuten, was er als Zumutung empfand. Er war gewohnt, dass Menschen, die er sprechen wollte, sofort zur Stelle waren.

Zunehmend frustriert, setzte er sich an einen der Tische. Hätte er doch nur seinen Laptop mitgebracht, oder, viel besser noch, wäre ihm diese Situation überhaupt erspart geblieben. Doch es hatte keinen Zweck, dagegen zu rebellieren, er musste sich in sein Schicksal fügen.

Diszipliniert und in diesen Dingen erfahren, verbot er sich alle quälenden Gedanken und konzentrierte sich stattdessen auf seine Umgebung. Die Atmosphäre in diesem Studio kam ihm sehr entgegen, denn die Einrichtung war auf das Wesentliche beschränkt und betont unpersönlich. Das und die Nähe zu seiner Penthousewohnung in Kensington waren der Grund gewesen, weshalb er gleich nach der Eröffnung vor anderthalb Jahren Mitglied geworden war.

Das Vigo war funktional gestaltet, auf Gemütlichkeit hatte der Innenarchitekt keinen Wert gelegt. Ruhebereiche und Cafeteria waren mit Chromstühlen statt Polstersesseln ausgestattet, und auf den Tischen lagen Wirtschaftsmagazine und keine Blättchen der Regenbogenpresse. Die Geräte wurden höchsten Ansprüchen gerecht, doch außer einem Internetcafé gab es nichts, was nach dem Training zum Verweilen einlud.

Elliot jedoch nutzte die Maschinen nicht. Zwei Mal die Woche kam er hierher, um mit vollem Einsatz Squash zu spielen und anschließend noch etliche Bahnen im Pool zu schwimmen, den er um acht Uhr abends fast für sich allein hatte.

Wie alles im Leben, ging Elliot auch seine sportliche Betätigung mit eiserner Konsequenz an, obwohl er auf diesem Gebiet nicht ehrgeizig war. Echte Herausforderungen fand er in seiner Karriere, und so war er mit zweiunddreißig der jüngste Direktor, den es in der Geschichte der internationalen Investmentbank je gegeben hatte. Elliot Jay bezog nicht nur ein fantastisch hohes Gehalt, sondern hatte sich trotz seiner jungen Jahre durch private Anlagen bereits ein Riesenvermögen geschaffen.

Die meisten Männer hätten sein Arbeitspensum als Schinderei empfunden, Elliot dagegen verschaffte es höchste Zufriedenheit. Sein Tag war auf die Minute genau geplant, und ein Termin reihte sich an den nächsten. Elliot besaß die Gabe, die kleinste Chance zu seinem Vorteil zu nutzen, und sein Name stand in der Finanzwelt für Seriosität und Erfolg.

Doch er arbeitete nicht des Geldes wegen, sondern weil sein Beruf sein einziger Lebensinhalt war, den er auch in den wenigen Mußestunden nicht aus den Augen verlor.

So verfolgte er auch momentan ein klar umrissenes Ziel, und das unnütze Warten machte ihn ungehalten. Doch das durfte er sich nicht anmerken lassen, denn ausnahmsweise befand er sich diesmal in der ausgesprochen unangenehmen Lage, ein Bittsteller zu sein.

Melissa Lee war ihm von der Inhaberin des Vigo ausdrücklich empfohlen worden. Und da Samantha eine clevere Geschäftsfrau war, setzte er seine ganze Hoffnung auf ihren Vorschlag. Natürlich hatte er keine Einzelheiten genannt, sondern nur nach einer geeigneten Trainerin gefragt, die aus einem vierzehnjährigen, leicht übergewichtigen und unzugänglichen Mädchen wieder einen normalen, lebensfrohen Teenager machen konnte.

Für diese Aufgabe schien Melissa Lee genau die richtige Frau zu sein. Sie war ausgebildete Physiotherapeutin und Ernährungsberaterin und mit ihren vierundzwanzig Jahren selbst für eine Vierzehnjährige noch keine alte Frau. Außerdem arbeitete Melissa noch nicht lange im Studio, gab daher noch kaum Privatstunden und war deshalb in der Lage, eine Nebenbeschäftigung anzunehmen.

Obwohl Elliot fest entschlossen war, diese Frau zu engagieren, blickte er betont vorwurfsvoll zur Uhr, als Melissa endlich den Raum betrat.

„Sie haben mich geschlagene vierzig Minuten warten lassen, Miss Lee.“

Sie blieb abrupt stehen und sah ihn an. Samantha hatte ihr zu Anfang einer Therapiestunde mitgeteilt, dass ein Klient sie wegen privater Termine sprechen wolle, und zwar sofort. Letzteres hatte Melissa geflissentlich überhört und sich wie geplant um ihre Patientin gekümmert.

Als ihr bewusst wurde, mit welch attraktivem und athletischem Mann sie es zu tun hatte, stieg ihr das Blut in die Wangen.

Sie arbeitete in einem Fitnessstudio und war den Anblick durchtrainierter Männerkörper gewöhnt. Wenn sie morgens um halb acht ihren Tag mit Bodenübungen auf der Matte begann, beobachtete sie sie: gut aussehende Manager, die sich an Rudermaschinen und anderen Geräten quälten, um für ihren Job gewappnet zu sein. Nach dem Training würden sie duschen, ihre Sportkleidung gegen dunkle Anzüge tauschen und in den Chefetagen der Großunternehmen verschwinden.

Da diese Männer nur Augen für sich hatten und ihre Blicke ständig auf das eigene Spiegelbild gerichtet waren, hatte Melissa Gelegenheit, sie in Muße zu betrachten.

Doch den Mann, der jetzt vor ihr auf dem Stuhl saß, kannte sie noch nicht. Er hatte glänzendes rabenschwarzes Haar, das in auffälligem Kontrast zu seinen strahlend blauen Augen stand. Seine Figur war einfach perfekt, und seine Wirkung auf Frauen umwerfend – was Melissa an ihrer spontanen Reaktion spürte.

Doch das Lächeln verging ihr schnell, so abweisend war seine Miene. Melissa fühlte sich plötzlich wie ein verschüchtertes Schulmädchen, das zum Direktor bestellt worden war. Sie nahm sich zusammen, atmete einmal tief durch und ging mit erhobenem Kopf auf ihn zu, um ihm die Hand zu reichen.

Ohne sich zu erheben, erwiderte der Fremde kühl ihren Händedruck und bedeutete ihr mit einer herrischen Geste, sich neben ihn zu setzen – er benahm sich wie ein selbstherrlicher Gastgeber.

„Miss Lee, nehme ich an?“ Ungeniert musterte er sie von oben bis unten.

Melissa nickte. „Ja. Es tut mir leid, wenn Sie warten mussten, doch ich war gerade mitten in einer Therapiestunde, als mir Samantha von Ihrem Besuch erzählte.“ Kein höfliches Lächeln erhellte seine Miene, er schwieg und sah sie weiterhin unverwandt an, was sie nervös machte. „Sie sagte, Sie hätten einen Job für mich.“

Was auch immer er ihr anbieten würde, sie würde es ablehnen, denn dieser Mann machte ihr Angst. Außerdem deutete nichts darauf hin, dass er eine Physiotherapie nötig hätte. Seine gut sitzenden Jeans und das kurzärmelige Hemd ließen deutlich erkennen, wie durchtrainiert er war. Wahrscheinlich hatte er eine Art von Privatunterricht im Sinn, zu dem sie sich um nichts in der Welt bereit erklären würde.

„Der Job setzt Zuverlässigkeit und unbedingte Pünktlichkeit voraus“, erwiderte er kalt.

„Ich habe mich bereits entschuldigt“, verteidigte Melissa sich. „Sie können doch wohl von mir nicht erwarten, Mrs. Evans mitten in der Behandlung sitzen zu lassen, nur weil Sie mich sprechen wollen! Mrs. Evans hatte vor zwei Monaten einen schweren Unfall und ist dringend auf die Therapie angewiesen, weil …“

„Das reicht.“ Ungeduldig winkte er ab. „Ich bin nicht gekommen, um mich mit Ihnen über mir unbekannte Menschen zu unterhalten. Ich möchte Ihnen ein äußerst lukratives Angebot machen.“

Wütend über die Art, wie er sie abgefertigt hatte, musterte sie ihn herablassend. „Ich bin bereits bei Vigo angestellt, Mr. … Mr. …“

„Jay. Doch nennen Sie mich ruhig Elliot.“

Melissa ging nicht darauf ein. „In meinem Vertrag befindet sich bestimmt eine Klausel, die Nebenbeschäftigungen ausschließt. Außerdem betreue ich schon recht viele Patienten, obwohl ich noch kein halbes Jahr hier bin, und ich …“

„Das tut alles nichts zur Sache, die Aufgabe, die Sie zu erfüllen hätten, ist davon nicht betroffen“, fiel er ihr ins Wort. Er fragte sich langsam, weshalb Samantha diese Frau so gelobt hatte, denn sie entsprach in keiner Weise seinen Vorstellungen. Warum nahm sie sein Angebot nicht begeistert an? Er wusste nicht, was eine Anfängerin im Studio verdiente, aber ein Vermögen war es gewiss nicht, und London war ein teures Pflaster.

Auch ihre äußere Erscheinung irritierte ihn. Sie trug einen leger geschnittenen Jogginganzug, dennoch war zu erkennen, dass sie nicht so knabenhaft schlank und sehnig war, wie es dem von Vigo propagierten Ideal entsprach. Auch sprach aus ihrem Blick nicht jene stählerne Disziplin, die man von einer Trainerin erwartete. Elliot war grenzenlos enttäuscht.

„Vielleicht sollten Sie sich erst einmal anhören, worum es sich überhaupt handelt“, schlug er mühsam beherrscht vor.

„Ich kann Ihnen bestimmt nicht helfen“, behauptete sie eigensinnig. „Ihr Trainingszustand ist offensichtlich ausgezeichnet, und um noch mehr zu erreichen, brauchen Sie einen erfahrenen Bodybuilder. Ich dagegen bin Ernährungsberaterin und Physiotherapeutin, was Samantha offensichtlich nicht deutlich genug gesagt hat. Ich leite zwar auch einige Kurse als Trainerin, aber nur für Übergewichtige und Senioren – das, was wir dort machen, ist für einen sportlichen Mann ein Kinderspiel.“

„Fertig?“, erkundigte er sich höflich. „Sind Sie eigentlich immer so negativ eingestellt und sehen Hindernisse, wo keine sind? Wenn ja, tun mir Ihre Patienten aufrichtig leid.“

„Das ist doch wohl die Höhe!“ Melissa, normalerweise ein fröhlicher, ausgeglichener Mensch, riss der Geduldsfaden. Dieser Mann war mehr, als sie ertragen konnte: Er war unverschämt, kalt und arrogant, und sie wollte nichts mit ihm zu tun haben. Doch ehe sie eine passende Antwort über die Lippen gebracht hatte, redete er schon weiter.

„Ich glaube, Sie haben etwas falsch verstanden.“ Er beugte sich vor, und fasziniert betrachtete sie den zarten schwarzen Flaum auf seinen Unterarmen. „Ich möchte Sie nicht für mich, sondern für meine Tochter engagieren.“

Melissa war wie vor den Kopf gestoßen. Er hatte eine Tochter? Sie versuchte, sich Elliot Jay als Vater vorzustellen, doch ihre ansonsten so blühende Fantasie reichte dazu nicht aus.

„Warum sehen Sie mich so entgeistert an, Melissa? Trauen Sie mir keine Kinder zu?“

„Nein“, gab sie ehrlich zu. „Sie haben wirklich eine Tochter? Irgendwie … Es tut mir leid, aber … Sie machen nicht den Eindruck, als ob …“

„Das ist eine lange Geschichte“, erklärte er. „Es ist schon halb zehn, und ich schlage vor, wir treffen uns morgen zu einer zivilisierten Zeit und besprechen die Einzelheiten. Wäre Ihnen sechs Uhr recht? In der Cafeteria eine Treppe tiefer?“

„Das passt mir gut.“ So richtig hatte sich Melissa immer noch nicht damit angefreundet, dass Elliot Jay ein Familienvater war.

Er stand auf und sah auf sie herab. „Und bitte kein Gerede. Unsere Abmachung betrifft nur uns beide. Ich möchte nicht, dass die Geschichte hier im Studio breitgetreten wird.“

„Ich tratsche nicht!“

Ihre Blicke trafen sich nun, und wie hypnotisiert blickte Melissa Elliot in die Augen, bis er kurz nickte und zur Tür ging. Dort drehte er sich noch einmal um.

„Tun Sie mir bitte den Gefallen und seien Sie morgen pünktlich. Ich bin ein viel beschäftigter Mann, und meine Zeit ist kostbar.“

Seine Arroganz war wirklich unerträglich, und Melissa schwor sich, den Job nicht anzunehmen, obwohl sie das Geld in Wirklichkeit gut gebrauchen konnte. Als sie vor einem halben Jahr, gleich nach ihrem Examen, aus Nordengland nach London gekommen war, hatte sie nicht geahnt, wie teuer hier alles war – besonders die Mieten.

Zurzeit bewohnte sie ein winziges Apartment und musste sich das Badezimmer mit ihrer Nachbarin teilen, was sie schrecklich fand. In der Küche war es so eng, dass man höchstens ein Fertiggericht aufwärmen, aber nicht richtig kochen konnte. Melissas Gehalt reichte zwar für die Miete, doch auch nicht für viel mehr, und ihre mühsam zurückgelegten Ersparnisse aus ihrer Zeit als Kindermädchen schmolzen wie Schnee an der Sonne.

Dennoch interessierte die finanzielle Seite des Angebots sie nicht besonders. Spannend fand sie, dass Elliot Jay eine Tochter hatte, und immer wieder kreisten ihre Gedanken um diesen Sachverhalt. Obwohl eigentlich nichts Außergewöhnliches daran war, passte es nicht zu dem Eindruck, den sie von ihm gewonnen hatte.

Ihre Neugier trieb sie schließlich in der Mittagspause des folgenden Tages in das Internetcafé des Studios. An Informationen über Elliot Jay zu kommen war ein Leichtes.

Er war zweiunddreißig Jahre alt, hatte in Oxford Jura und Wirtschaftswissenschaften studiert, die Universität mit einem ausgezeichneten Examen verlassen und eine glänzende Karriere gemacht. Er wurde als Finanzgenie beschrieben, als ein Mann, der die Entwicklungen an den internationalen Börsen vorhersehen konnte wie kein anderer.

Melissa biss in ihr Baguette und sah noch auf anderen Websites nach, ohne jedoch zu finden, was sie suchte. Berichte über Elliot Jays Privatleben gab es nur sehr wenige, und von einer Tochter war nirgends die Rede – von einer Ehefrau übrigens auch nicht.

Vielleicht hatte er seine Familie im Keller eingesperrt, damit sie ihn nicht störte. Wenn man dem Internet Glauben schenken wollte, schien dieser Mann nämlich vierundzwanzig Stunden am Tag zu arbeiten.

Ob er die Tochter nur erfunden hatte, um sie damit zu ködern? Melissa schaltete den Computer aus. Obwohl sie mit beiden Beinen im Leben stand, war sie eine Romantikerin. Es bereitete ihr ein ausgesprochenes Vergnügen, sich zu den Leuten, die sie traf, die unwahrscheinlichsten Geschichten auszudenken.

Doch in diesem Fall versagte selbst ihre Erfindungsgabe. Warum sollte ein Mann wie Elliot Jay eine Tochter erfinden, nur um sie, Melissa Lee, damit zu beeindrucken? Er musste also wirklich eine Tochter haben, was ihn aufregend rätselhaft machte.

Deshalb saß sie schon eine Viertelstunde vor der verabredeten Zeit in der Cafeteria, nippte an ihrem Mineralwasser und wartete gespannt auf Elliot Jay. Sie war nicht nur überpünktlich, sondern hatte auch ungewöhnlich lange vor einem der großen Spiegel in den Umkleideräumen gestanden, um das Beste aus ihrem Äußeren zu machen.

Mit dem Erfolg war sie jedoch nicht zufrieden. Da sich ihre dichten blonden Locken anders nicht bändigen ließen, hatte sie ihr langes Haar zu einem französischen Zopf geflochten. Dennoch saß die Frisur nicht korrekt, denn etliche widerspenstige Strähnen hatten sich nicht fassen lassen und ringelten sich eigenwillig.

Das Make-up dagegen war besser gelungen, etwas Lipgloss und ein Hauch Rouge hatten ihrer Meinung nach Wunder bewirkt. Melissa hielt ihr Gesicht für durchschnittlich, es besaß nicht die hohen Wangenknochen, die sie gern gehabt hätte. Ihre Lippen hätte sie sich voller und sinnlicher gewünscht, den Ausdruck ihrer blauen Augen geheimnisvoller, und auch die Wimpern waren nicht so lang und dicht wie die der Models in der Werbung.

Hatte Melissa ihr ebenmäßiges, ovales Gesicht mit etwas Schminke geschickt betont, so hatte sie ihre Figur überspielt. Das war ihr zur Gewohnheit geworden, denn seit sie dreizehn war, zogen ihre weiblichen Rundungen die Blicke der Männer auf sich. Die legere Blusenjacke, die sie über ihrem sommerlichen Leinenkleid trug, verbarg erfolgreich jene Bereiche, die sie für viel zu üppig hielt.

Ohne jede Hast blätterte sie in einer Illustrierten und trank einen Schluck Mineralwasser, dem bevorstehenden Gespräch sah sie zuversichtlich entgegen. Als Melissa jedoch zufällig aufblickte, verkehrte sich ihre Gelassenheit in Bruchteilen von Sekunden in das genaue Gegenteil: Elliot Jay lehnte am Türrahmen und sah sich suchend um. Als sich ihre Blicke trafen, bekam Melissa plötzlich Angst, und ihr Herz begann, aufgeregt zu klopfen.

Der korrekte graue Anzug konnte nicht verhehlen, wie sportlich und durchtrainiert dieser Mann war. Elliot Jay wirkte elegant, erfolgreich und – gefährlich, was er auch war, schenkte man den Berichten im Internet Glauben. Er schien ein eiskalter Geschäftsmann zu sein, der keinen Sinn für das Schöne im Leben hatte. Ob er wohl jemals lachte?

Zielstrebig kam er auf sie zu. „Sie sind pünktlich“, begrüßte er sie. „Wie schön.“ Er setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber.

„Ich bin bekannt für meine Pünktlichkeit. Wie ich Ihnen bereits erklärte, war es ein unglücklicher Zufall, dass Sie gestern so lange warten mussten.“

„Warum trinken Sie eigentlich nur Mineralwasser? Aus Überzeugung, oder weil Sie mich damit beeindrucken wollen?“

„Ich wüsste nicht, weshalb ich Sie beeindrucken sollte, Mr. Jay.“

„Elliot.“

„Also, Elliot. Ich trinke Wasser, weil ich in diesem Fitnessstudio arbeite. Mich hier mit Wein volllaufen zu lassen wäre doch wohl unpassend, oder?“ Melissa versuchte, sich von ihrer Verärgerung nichts anmerken zu lassen.

„Stimmt, besonders, da Sie ja Ernährungsberaterin sind. Samantha hat mir in groben Zügen Ihren beruflichen Werdegang beschrieben. Könnten Sie mir jetzt weitere Einzelheiten nennen?“

Einen Moment lang glaubte sie, er würde etwas über ihr Privatleben erfahren wollen und es würde ihn interessieren, was sie außerhalb ihrer Arbeitszeit tat. Doch schnell rief sie sich zur Ordnung. Elliot Jay wollte sie mit einer Aufgabe betrauen, daher interessierte ihn ausschließlich ihre Ausbildung.

„Möchten Sie mir nicht zuerst verraten, worum es sich bei dem Job überhaupt handelt?“, stellte sie eine Gegenfrage. „Sollte Ihr Angebot für mich in Betracht kommen, bin ich gern zu weiteren Ausführungen bereit.“

Elliot richtete sich auf und beugte sich etwas näher zu ihr. Diese kleine Bewegung reichte, um Melissa mit innerer Abwehr reagieren zu lassen.

„Eins möchte ich klarstellen, Miss Lee“, erwiderte er schneidend, „ich stelle die Fragen, Sie liefern die Antworten.“

„Das klingt wirklich fair“, entgegnete sie, ohne mit der Wimper zu zucken, und für einen kurzen Augenblick sah er sie erstaunt an. Offensichtlich hatte er diese Reaktion nicht erwartet.

Doch er fasste sich schnell. „Dann sind wir ja einer Meinung“, antwortete er glatt. „Ich hole mir jetzt etwas zu trinken. Darf ich Ihnen ein … Wasser mitbringen?“

„Nein, danke. Ein Glas reicht mir, ich bin nicht auf Diät.“

Er nickte kurz und ging zur Theke, wo ihn der Barkeeper mit ausgesuchter Höflichkeit behandelte. Reich und berühmt zu sein hat wirklich seine Vorteile, dachte Melissa.

Nachdem Elliot sich wieder gesetzt hatte, schob sie ihm ihren Lebenslauf zu. Ihn einzustecken war ihr glücklicherweise am Morgen noch in letzter Sekunde eingefallen.

„Warum haben Sie bei diesem Abschlusszeugnis eigentlich nicht studiert?“, fragte er sofort und trank einen Schluck Weißwein.

„Bevor ich mich zu einem bestimmten Studium entschloss, wollte ich mich erst in der Welt etwas umsehen. Deshalb bin ich nach der Schule zunächst für ein Jahr als Au-pair-Mädchen in die Staaten gegangen. Das Arbeiten mit kleinen Kindern gefiel mir dann so gut, dass ich alle anderen Pläne erst einmal auf Eis legte.“

„Das heißt, eine akademische Laufbahn hat Sie nie wirklich interessiert.“

Melissa zuckte die Schultern. „Sie wollten mir lediglich Fragen stellen und nicht die Antworten analysieren.“

Diese Melissa Lee irritierte ihn. Elliot runzelte die Stirn. „Das gehört zu einem Bewerbungsgespräch dazu“, erklärte er. „Schließlich möchte ich mehr über Sie erfahren.“

„Ich weiß ja noch gar nicht, ob ich mich für Ihren Job überhaupt bewerben möchte.“

Sein Unmut wuchs. „Warum gaben Sie Ihre Beschäftigung als Kindermädchen dann auf und wurden Physiotherapeutin?“, fragte er weiter und begutachtete unwillkürlich ihre Figur. Doch auch an diesem Tag ließ der Schnitt des Kleides die Konturen ihres Körpers nur ahnen. Wieder war der Stoff geblümt, heute jedoch kleiner – er erinnerte ihn an den Bettüberwurf einer seiner ersten Freundinnen.

Elliot konzentrierte sich wieder auf Melissas Worte. Sie habe sich schon immer sehr für Körperarbeit interessiert, erzählte sie gerade, und nach langem Überlegen sei ihr die Laufbahn als Physiotherapeutin sinnvoller erschienen als die als Kindermädchen. Sie habe die Ausbildung in Nordengland gemacht, um bei ihren Eltern wohnen zu können und die Ersparnisse aus den vergangenen Berufsjahren nicht antasten zu müssen.

„Das war ein großes Glück für mich“, erklärte sie in diesem Moment, und ihre Stimme klang für ein graues Mäuschen wie sie ungewöhnlich melodiös und lebhaft. „Die Lebenshaltungskosten in London sind einfach unvorstellbar hoch. Haben Sie überhaupt eine Ahnung, was Wohnungen hier kosten? Wahrscheinlich nicht, daher verrate ich es Ihnen: Die Mieten in dieser Stadt sind kaum zu bezahlen.“

Elliot entspannte sich. Geld. Wer brauchte es nicht? Melissas Desinteresse an finanziellen Dingen war also nur vorgetäuscht gewesen. Ihr Verdienst im Studio reichte nicht aus, genau wie er es von Anfang an vermutet hatte.

„Wirklich schlimm“, stimmte er ihr zu und kam wieder zum Thema. „Samantha hat Sie in den höchsten Tönen gelobt: zuverlässig, intelligent und bereit, sich Herausforderungen zu stellen. Außerdem sollen Sie die Gabe besitzen, auch mit schwierigen Menschen gut auszukommen.“

Melissa lächelte, wobei sich zwei niedliche Grübchen auf ihren Wangen bildeten. „Ich weiß, doch von anderen gelobt zu werden ist besonders schön.“

Ihr Lächeln wirkte ebenso anziehend wie ihre Stimme, und Elliot stutzte, denn eigentlich war Melissa überhaupt nicht sein Typ. Er war kein Playboy, der die Freuden des Lebens voll auskostete, dafür arbeitete er viel zu viel. Er ging nur Beziehungen mit Frauen ein, für die, ebenso wie für ihn, die Karriere an erster Stelle stand. Der Austausch mit ihnen war ihm sehr wichtig, denn ihre weibliche Perspektive gab ihm neue Denkanstöße.

Elliot blickte auf die Uhr, weil er an seine Verabredung mit Alison denken musste. Es passierte nicht oft, dass sie sich an einem Wochentag und noch dazu so früh trafen, doch er hatte immer noch fast zwei Stunden Zeit.

„Macht Ihnen die Arbeit hier eigentlich Spaß?“, setzte er das Interview fort.

„Natürlich!“

„Was ich Ihnen anzubieten habe, würde Ihre Anwesenheit ab sechzehn Uhr erfordern, in Ausnahmefällen hätten Sie jedoch auch schon morgens um sieben mit der Arbeit zu beginnen. Selbstverständlich zahle ich Ihnen ein volles Gehalt, und wenn Sie in Ihrer Freizeit weiter im Vigo arbeiten wollen, ist mir das sehr recht, denn länger als drei Monate werden Sie wohl nicht brauchen, um Ihre Aufgabe erfolgreich zu beenden. Ich möchte noch hinzufügen, dass die Wochenenden leider nicht immer frei wären.“

Melissa wollte endlich wissen, was Elliot Jay wirklich im Sinn hatte. „Ich habe mich über Sie im Internet informiert“, konfrontierte sie ihn daher mit den Tatsachen. „Alles Mögliche wurde dort über Sie berichtet, jedoch nichts über Ihre Frau oder eine Tochter.“

„Ich bin nicht verheiratet.“

„Geschieden?“

Arrogant blickte er sie an, und Melissa zuckte die Schultern. „Ich verstehe, Fragen über Ihr Privatleben stehen mir nicht zu.“

„Das haben Sie ganz richtig erkannt.“

„Dann erzählen Sie mir wenigstens etwas über Ihre Tochter und die Aufgaben, die ich zu erfüllen hätte – falls ich bereit wäre, Ihr Angebot anzunehmen.“

„Sie brauchen doch Geld, oder?“ Er lehnte sich zurück und nannte ihr seine Gehaltsvorstellungen.

Der Betrag war so astronomisch hoch, dass es Melissa die Sprache verschlug.

„Dachte ich es mir doch!“ Er lächelte zufrieden. „Einen solchen Job auszuschlagen wäre sträfliche Dummheit. Noch dazu, wenn Sie weiterhin bei Vigo arbeiten können.“

„Materielle Vorteile sind nicht alles“, erklärte Melissa und sah ihn provozierend an.

„Natürlich nicht.“ Er nickte zustimmend, lächelte jedoch spöttisch. „Trotzdem gelingt es den wenigsten Menschen, der Faszination von Geld zu widerstehen“, ergänzte er dann jedoch zynisch.

„Wie heißt Ihre Tochter eigentlich? Warum wird sie nirgends erwähnt? Stimmt etwas nicht mit ihr?“

Elliot zog die Brauen zusammen. „Meine Tochter ist völlig normal, falls Sie das meinen.“ Er stand auf und deutete auf sein leeres Glas. „Darf ich Ihnen jetzt auch eins davon mitbringen? Oder bleiben Sie bei Wasser, nur weil wir uns in der Cafeteria eines Fitnessstudios befinden?“

Melissa nahm die Herausforderung an. „Nein, ich trinke auch einen Weißwein.“

„Jetzt also zu meiner Tochter.“ Elliot stellte die Gläser auf den Tisch und setzte sich wieder. „Sie heißt Lucy und ist vierzehn.“

„Vierzehn!“ Melissa rechnete fieberhaft. Er musste noch Teenager gewesen sein, als seine Tochter geboren wurde – und da er nicht geschieden war, musste sie unehelich sein.