Zweite Chance für gebrochene Herzen - 2 romantische Miniserien - Kate Hardy - E-Book

Zweite Chance für gebrochene Herzen - 2 romantische Miniserien E-Book

Kate Hardy

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Beschreibung

KÜSSE, SO SÜß WIE WEIN von KATE HARDY

Erbin eines Weinguts in Südfrankreich? Allegra sollte glücklich sein! Einziger Haken an der Sache: Teilhaber Xavier Lefèvre – der Mann, der ihr einst das Herz brach. Denn spätestens als er erneut mit ihr zu flirten beginnt, begreift Allegra: Sie liebt Xavier noch immer!

KEINE KÜSSE FÜR DEN BOSS! von NATALIE ANDERSON

Danielles Herz klopft wild, als der Aufzug stecken bleibt – und sie plötzlich allein mit Mr. Carlisle ist, ihrem charmanten Boss, den sie bisher nur aus der Ferne anhimmeln durfte. Aber jetzt knistert es zwischen ihnen aufregend, und Alex' sinnliche Lippen locken zum Dahinschmelzen. Doch sie darf der Versuchung nicht nachgeben. Schließlich ist es tabu, den Chef zu küssen, oder? Vielleicht nur ein einziger Kuss, den keiner sieht? Falsch gedacht: Denn die Überwachungskamera hat alles gefilmt! Und mit einem Mal steckt Danielle in unglaublichen Schwierigkeiten.

LIEBESKUMMER LOHNT SICH NICHT von NIKKI LOGAN

Ist das peinlich! Live im Radio macht sie ihrem Verlobten am Valentinstag einen Heiratsantrag, und er sagt Nein! Am liebsten will sich Georgia nur noch verkriechen. Da bietet ihr der attraktive Alex Rush, Geschäftsführer des Senders, ein heißes Anti-Ex-Programm an …

HERZENSBRECHER WIDER WILLEN von FIONA HARPER

Seit er am Valentinstag einen Heiratsantrag übers Radio abgelehnt hat, scheinen alle Frauen der Stadt hinter Daniel her zu sein. Einzig seine hinreißende neue Kollegin Chloe will offenbar nichts von ihm wissen. Eine Herausforderung, der Daniel nicht widerstehen kann …

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Kate Hardy Natalie Anderson Nikki Logan Fiona Harper
Zweite Chance für gebrochene Herzen - 2 romantische Miniserien

Zweite Chance für gebrochene Herzen - 2 romantische Miniserien

Cover

Titel

Inhalt

Küsse, so süß wie Wein ...

COVER

IMPRESSUM

Küsse, so süß wie Wein ...

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

Keine Küsse für den Boss!

COVER

IMPRESSUM

Keine Küsse für den Boss!

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

Liebeskummer lohnt sich nicht

Cover

Titel

Impressum

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

Herzensbrecher wider Willen

Cover

Titel

Impressum

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

13. KAPITEL

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Contents

IMPRESSUM

JULIA erscheint 14-täglich im CORA Verlag GmbH & Co. KG ,

20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Redaktion und Verlag:

Brieffach 8500, 20350 Hamburg

Tel.: 040/347-25852

Fax: 040/347-25991

Geschäftsführung:

Thomas Beckmann

Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)

Cheflektorat:

Ilse Bröhl

Lektorat/Textredaktion:

Sarah Hielscher

Produktion:

Christel Borges, Bettina Schult

Grafik:

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Vertrieb:

asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-29277

Anzeigen:

Christian Durbahn

Es gilt die aktuelle Anzeigenpreisliste.

© 2010 by Pamela Brooks

Originaltitel: „Red Wine And Her Sexy Ex“

erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

in der Reihe: MODERN HEAT

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe: JULIA

Band 072011 (7/3) 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Übersetzung: Rick Benschge

Fotos: Corbis

Veröffentlicht im ePub Format in 04/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

ISBN: 978-3-86349-707-1

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

JULIA -Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, HISTORICAL MYLADY, MYSTERY, TIFFANY HOT & SEXY, TIFFANY SEXY

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Kate Hardy

Küsse, so süß wie Wein ...

1. KAPITEL

Sie war zurück.

Xavier spürte, wie sein Herz raste, als er das Gespräch mit seinem Anwalt beendete und auflegte.

Es war lächerlich. Er war über Allegra Beauchamp hinweg, und das schon seit Jahren. Natürlich pochte sein Herz nicht vor Nervosität wie verrückt, sondern vor Wut. Wut darüber, dass sie nach all dieser Zeit zurückkam und glaubte, sich einfach so einmischen zu können. In den letzten zehn Jahren war seine ganze Energie in dieses Weingut geflossen. Er würde nicht zulassen, dass sie nun alles zerstörte.

Für nichts in der Welt traute er ihr über den Weg – nicht mehr. Nicht nur, dass sie ihn damals verlassen und ihm das Herz gebrochen hatte, als er sie am meisten gebraucht hatte. Auch ihren alten und kranken Großonkel hatte sie im Stich gelassen – den Mann, der sie in ihrer Jugend jeden Sommer großzügig bei sich aufgenommen hatte. Nicht einmal zu seiner Beerdigung war sie zurück nach Frankreich gekommen. Aber jetzt war sie plötzlich da, um das Erbe anzutreten: einen fünfzehn Hektar großen erstklassigen Weinberg und einen großen mas , einen typisch südfranzösischen Gutshof.

Das sagte doch alles.

Aber irgendwie machte es die Sache auch einfacher. Wenn es ihr nur ums Geld ging, dürfte es kein Problem sein, sie zum Verkauf ihrer Hälfte des Weinguts zu bewegen. Egal, was sie seinem Anwalt am Nachmittag gesagt hatte. Sicher würden sich ihre romantischen Vorstellungen von der Arbeit auf einem Weingut bald in Luft auflösen. Dann würde sie wieder fliehen, nach London, genau wie vor zehn Jahren. Aber dieses Mal würde sie nur sein Geld mitnehmen, nicht sein Herz. Und er würde nichts bereuen.

Energisch griff Xavier sich die Autoschlüssel aus der Schreibtischschublade, schloss das Büro ab und ging zu seinem Wagen. Je eher er sich mit ihr auseinandersetzte, desto besser.

Allegra trank einen Schluck ihres Kaffees, aber das dunkle, bittere Getränk half ihr auch nicht, einen klaren Kopf zu bekommen.

Was für eine idiotische Idee, nach all den Jahren wieder hierhin zurückzukehren. Sie hätte einfach den Vorschlag des Anwalts annehmen und die Hälfte von Harrys Weingut an seinen Geschäftspartner verkaufen sollen. Dann hätte sie kurz an der winzigen Dorfkirche angehalten, hätte ein paar Blumen auf Harrys Grab gelegt und wäre anschließend auf direktem Weg wieder zurück nach London gereist.

Doch irgendetwas hatte sie zurückgezogen in das alte Gutshaus, in dem sie als Kind so viele schöne Sommer verlebt hatte. Wollte sie ihrem verstorbenen Großonkel dadurch verspätet eine Ehre erweisen? Sie war sich nicht sicher. Jetzt, da sie hier in der Ardèche war, bereute sie jedenfalls, ihrem Gefühl gefolgt zu sein. Sie hatte kaum das Haus gesehen und den Duft der Kräuter in den Terrakottakübeln neben der Küchentür gerochen, da hatte sie sich schon schuldig gefühlt.

Schuldig, dass sie nicht früher zurückgekommen war. Dass sie nicht da gewesen war, als man sie angerufen hatte, um ihr mitzuteilen, dass Harry einen Schlaganfall erlitten habe. Er war im Krankenhaus gestorben, ehe sie überhaupt gewusst hatte, dass er sie brauchte.

Schuldig, dass es ihr trotz aller Bemühungen nicht gelungen war, bei seiner Beerdigung anwesend zu sein.

Auch die Leute im Dorf hielten sie für schuldig. Sie hatte die Blicke und das Getuschel genau bemerkt, als sie die Blumen auf den kleinen Erdhügel auf dem Friedhof gelegt hatte, direkt neben das kleine Holzkreuz, das so lange Harrys Grab schmücken würde, bis sich die Erde gesetzt hatte und man einen richtigen Grabstein aufstellen konnte. Und die kühle Art, mit der Hortense Bouvier sie empfangen hatte, ließ keinen Zweifel daran, was sie von Allegra hielt. Früher war sie von der alten Haushälterin stets mit einer warmen Umarmung und einer herzhaften Mahlzeit willkommen geheißen worden.

Allegra hatte die Küche betreten und sich augenblicklich in die Vergangenheit zurückversetzt gefühlt. Alle alten Wunden waren plötzlich wieder aufgerissen. Jetzt fehlte nur noch, dass Xavier auftauchte, sich zu ihr setzte, sie mit seinen leuchtend grünen Augen ansah, sie mit seinem sinnlichen Mund anlächelte, ihre Hand nahm und …

Nein, das würde auf keinen Fall geschehen. Er hatte vor zehn Jahren mehr als deutlich gemacht, dass er nichts mehr von ihr wissen wollte. Alles sei nur ein Ferienflirt gewesen, hatte er ihr erklärt und war dann nach Paris verschwunden, um dort eine steile Karriere zu beginnen, ein neues Leben ohne sie. Gut möglich, dass er mittlerweile verheiratet war und Kinder hatte. Nachdem sie sich mit Harry wieder ausgesöhnt hatte, war es ein ungeschriebenes Gesetz gewesen, Xavier nicht zu erwähnen. Sie hatte aus verletztem Stolz nicht nach ihm gefragt, und Harry war das Thema unangenehm gewesen.

Sie umklammerte die große Kaffeetasse. Nach so langer Zeit sollte sie eigentlich über Xavier hinweg sein. Aber war das überhaupt möglich? Sie war jahrelang in Xavier Lefèvre verliebt gewesen, seit sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Sie war damals acht, er elf. Er war der hübscheste Junge, den sie je gesehen hatte, schön wie ein Engel, allerdings mit grünen Augen und dunklem Haar. Als Teenager rannte sie ihm wie ein anhänglicher Welpe ständig hinterher, vergötterte ihn und träumte davon, dass er sie küsste. Heimlich küsste sie ihren Handrücken, um zu üben und bereit zu sein, wenn er eines Tages erkennen würde, dass sie mehr war als nur das unscheinbare Mädchen von nebenan. Sommer für Sommer hatte sie gehofft und gebetet. Auch wenn sie ihn mit ihrer Penetranz sicher genervt hatte, war er immer freundlich zu ihr gewesen. Nie hatte er sie aufgezogen oder bloßgestellt.

Doch dann, in ihrem letzten gemeinsamen Sommer, hatten sich die Dinge geändert. Xavier hatte sie plötzlich als Frau wahrgenommen und nicht mehr nur als lästige Göre, die ihm überallhin folgte. Sie waren unzertrennlich. Es war der schönste Sommer ihres Lebens. Sie glaubte wirklich, dass er sie genauso liebte wie sie ihn und dass ihre baldige Trennung daran nichts ändern würde. Sie würde nach London gehen, um dort zu studieren, und er hatte einen neuen Job in Paris. Sie würde in den Ferien nach Paris fliegen, und er würde an den Wochenenden nach London kommen, wenn seine Arbeit es erlaubte. Und wenn sie mit ihrem Studium fertig war, würden sie zusammenziehen und den Rest ihres Lebens miteinander verbringen.

Zwar hatte er sie nie gefragt, ob sie ihn heiraten wolle, aber sie war überzeugt gewesen, dass er genauso fühlte wie sie.

Doch dann war alles ganz anders gekommen.

Sie musste schlucken. Verflixt, reiß dich zusammen, ermahnte sie sich selbst. Sie war doch schließlich erwachsen und kein verträumter Teenager mehr. Eine Realistin. Harrys Geschäftspartner war Jean-Paul Lefèvre, Xaviers Vater. Xavier selbst lebte, soweit sie wusste, immer noch in Paris. Sie würde ihm also gar nicht begegnen.

Hortense kam in die Küche. „Monsieur Lefèvre hat angerufen“, sagte sie kühl. „Er ist gerade auf dem Rückweg vom Weinberg und kommt kurz vorbei.“

Allegra runzelte die Stirn. Ihr Treffen war eigentlich erst morgen. Aber die Franzosen hatten tadellose Manieren – wahrscheinlich kam Jean-Paul aus Höflichkeit vorbei, um sie in Les Trois Closes willkommen zu heißen.

Doch dann wurde schwungvoll die Küchentür geöffnet und Xavier trat herein, mit lässigem Schritt, als gehörte ihm das Haus.

Allegra fiel fast die Tasse aus der Hand. Was hatte er hier zu suchen? Und konnte er nicht anklopfen? Was bildete er sich ein, hier einfach so in Harrys Haus – ihr Haus, korrigierte sie sich selbst – hereinzuplatzen?

„Xavier! Alors , setzen Sie sich doch.“ Hortense begrüßte ihn herzlich und küsste ihn auf beide Wangen. Sie rückte den Stuhl gegenüber von Allegra für ihn zurecht und brachte ihm eine Tasse Kaffee. „Ich lasse Sie und Mademoiselle Beauchamp dann allein, damit Sie sich unterhalten können.“

Allegra war wie vor den Kopf gestoßen, ihr fehlten die Worte. Mit einundzwanzig war Xavier ein gut aussehender Junge gewesen. Jetzt, mit einunddreißig, war er ein richtiger Mann. Etwas größer als damals – wenn ihre Erinnerung sie nicht täuschte – und kräftiger, wobei sein T-Shirt keinen Zweifel daran ließ, dass es Muskeln waren und kein Fett. Seine gebräunte Olivenhaut betonte den grau-grünen Schimmer seiner Augen, neben denen sich kleine Fältchen abzeichneten, als ob er häufig lachte. Seine lockigen, etwas zerzausten Haare passten eher zu einem Rockstar als zu einem erfolgreichen Geschäftsmann. Der Dreitagebart gab seinem Gesicht etwas Raues, gleichzeitig sah er damit sehr sexy aus.

Es genügte, ihn anzusehen, und die Temperatur im Zimmer schien um zehn Grad zu steigen. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie es sich angefühlt hatte, in seinem Arm einzuschlafen, im Sonnenschein, nachdem sie sich den ganzen Nachmittag geliebt hatten.

Verflixt! Wie sollte sie mit Xavier ein geschäftliches Gespräch führen, wenn sie in seiner Gegenwart sofort an Sex dachte? Sie musste ihre Lust zähmen, bevor sie ihr den Verstand vernebelte. Jetzt, sonst war es zu spät.

„ Bonjour , Mademoiselle Beauchamp.“ Etwas spöttisch lächelte er sie an. „Ich dachte, ich käme kurz vorbei, um meinen neuen Kompagnon zu begrüßen.“

Allegra sah erstaunt auf. „ Du warst Harrys Geschäftspartner?“

Sein Blick ließ keinen Zweifel daran, für wie lächerlich er die Frage hielt.

„Aber …“ Sie hatte sich Xavier immer als Finanzinvestor in teurem Anzug vorgestellt, nicht als Winzer in verblichenen Jeans und zerschlissenem T-Shirt. „Ich dachte, du wärst in Paris.“

„Nein.“

„Monsieur Robert sagte mir, dass Monsieur Lefèvre Harrys Partner sei …“

„Das stimmt.“ Er deutete im Sitzen eine Verbeugung an. „Darf ich mich vorstellen, Mademoiselle. Xavier Lefèvre. Zu Ihren Diensten.“

„Lass das, ich weiß, wer du bist!“ Natürlich wusste sie das. Er war der Mann, dem sie ihre Unschuld geschenkt hatte. Und ihr Herz – was sie bitter bereut hatte. „Ich dachte, er meinte deinen Vater.“

„Dafür kommst du fünf Jahre zu spät.“

„Dein Vater ist …?“ Sie war sichtlich schockiert. „Das tut mir leid. Harry hat nie etwas erzählt, sonst hätte ich …“

„Erzähl mir nicht, du wärst sonst zur Beerdigung gekommen“, unterbrach er sie. „Du bist ja noch nicht einmal bei der deines Großonkels gewesen.“

Musste sie sich so etwas von ihm anhören? Sie hob herausfordernd den Kopf. „Ich hatte meine Gründe.“

Er erwiderte nichts. Glaubte er etwa, dass sie ihm eine Erklärung schuldete? Schließlich fuhr sie fort: „Was willst du? Glaubst du, du hättest Harrys Anteil erben müssen, weil du sein Partner warst? Ist es das?“

„Nein, das steht natürlich außer Frage. Du erbst seinen Teil, weil du seine nächste Verwandte bist.“ Er machte eine kurze Pause. „Auch wenn man in den letzten Jahren nicht viel davon gemerkt hat.“

„Das ist unfair!“, verteidigte sie sich. Trotzdem traf der Vorwurf genau ins Schwarze, mitten in ihr quälendes schlechtes Gewissen.

„Ich sage nur, wie es ist, chérie . Wann hast du ihn das letzte Mal besucht?“

„Wir haben jede Woche telefoniert.“

„Was wohl kaum dasselbe ist …“

Sie seufzte schuldbewusst. „Du weißt wahrscheinlich, dass Harry und ich uns ziemlich gestritten haben, nachdem ich damals zurück nach London gefahren bin.“ Bei dem Streit war es um Xavier gegangen, aber das brauchte er nicht zu wissen. „Wir haben uns zwar wieder vertragen, aber irgendwie habe ich ihn trotzdem nicht mehr besucht. Ich gebe zu, dass das ein Fehler war.“ Ein wichtiger Grund war für sie gewesen, dass sie Angst hatte, Xavier wiederzutreffen – aber auch das würde sie ihm nicht auf die Nase binden. Es war besser, wenn er nicht wusste, dass sie immer noch eine Schwäche für ihn hatte. Ihn wiederzusehen verwirrte sie völlig, und sie war sich nur allzu bewusst, dass das alte Verlangen keineswegs in ihr verloschen war. Die Glut hatte nur unter der Asche verborgen gelegen, jetzt loderte das Feuer wieder wild und hell. „Hätte ich gewusst, dass es ihm so schlecht ging, wäre ich gekommen. Aber er hat es ja mit keiner Silbe erwähnt!“

„Natürlich nicht“, erwiderte Xavier. „Er war ein stolzer Mann. Aber wenn du ihn besucht hättest, wäre es dir aufgefallen. Und wieso bist du nicht gekommen, als er im Krankenhaus lag?“

„Weil ich die Nachricht von seinem Schlaganfall erst zu spät bekommen habe.“

„Du warst noch nicht einmal bei seiner Beerdigung!“

Glaubte er, dass sie das nicht selbst wusste? Dass sie sich nicht selbst Vorwürfe deswegen machte? „Ich wollte kommen! Aber ich musste geschäftlich nach New York.“

„Nicht sehr überzeugend“, entgegnete er kalt.

Das wusste sie. Dafür brauchte sie ihn nicht. Zornig sah sie ihn an. „Dann hätten wir ja jetzt geklärt, dass ich ganz offensichtlich einen großen Fehler gemacht habe. Leider kann ich die Vergangenheit nicht ungeschehen machen – müssen wir jetzt weiter darüber diskutieren?“

Er zuckte die Schultern.

„Was willst du eigentlich, Xavier?“

Dich.

Diese Einsicht bestürzte ihn. So, wie Allegra ihn enttäuscht hatte, sollte er sich eher von ihr abgestoßen als angezogen fühlen. Außerdem war sie nicht mehr seine petite rose Anglaise , seine kleine englische Rose, die sie mit achtzehn gewesen war. Damals war sie süß und schüchtern gewesen, wie eine Rosenknospe im Frühling, die durch die Hege und Pflege seiner Liebe langsam aufblühte. Jetzt war sie makellos gestylt und wirkte in ihrem strengen Hosenanzug wie eine harte Geschäftsfrau. Ihre Lippen waren zu einem Strich zusammengepresst, und nichts erinnerte mehr daran, wie voll und weich sie damals gewesen waren.

Das war doch völlig verrückt! Es sollte ihm darum gehen, diese Frau dazu zu bewegen, ihm ihre Hälfte des Weinguts zu verkaufen. Doch stattdessen starrte er ihren Mund an und dachte an die Küsse längst vergangener Tage. Stellte sich vor, wie sich ihre Lippen angefühlt hatten. Wie ihre Miene liebevoll und weich geworden war, wenn sie an jenen heißen, schläfrigen Sommernachmittagen von ihrem Buch aufgesehen hatte, weil sie seinen Blick auf sich ruhen spürte.

Dieu , er musste sich zusammenreißen.

„Und?“, hakte Allegra nach.

„Ich war gerade auf dem Rückweg vom Weinberg und wollte dich in Frankreich willkommen heißen. Wie ein guter Nachbar. Deshalb habe ich Hortense angerufen, um zu fragen, ob du da bist.“ Das entsprach der Wahrheit, wenn auch nicht der ganzen. Er hatte auch sehen wollen, wie sie auf seinen Anblick reagierte, um die beste Strategie zu finden, wie er sie zum Verkauf bewegen konnte. „Aber da wir schon bei dem Thema sind … Ich habe dir einen Vorschlag zu machen. Du bist seit Jahren nicht mehr in Frankreich gewesen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass du besonderes Interesse an dem Weingut hast. Ich würde dir sehr gern deine Hälfte abkaufen. Lass dir von einem Önologen ein Gutachten erstellen und den Preis schätzen – ich bezahle ihn.“

„Nein.“

Sie wollte mehr als einen fairen Preis? Nun gut, wenn es seinen Weinberg rettete, würde er auch etwas mehr bezahlen. „Wie viel verlangst du?“

„Ich verkaufe das Weingut nicht an dich.“

Xavier spürte einen Stich in der Magengegend. „Du hast vor, an jemanden anders zu verkaufen?“ An jemanden, der die Reben vernachlässigte, sodass sie krank wurden und seine Weinstöcke ansteckten? Oder – noch schlimmer – an jemanden, der Pestizide einsetzte, ohne Rücksicht auf die Nachbarn? Es hatte Jahre gedauert, um seinen Betrieb als ökologisches Landgut zertifizieren zu lassen. All das wäre binnen Wochen ruiniert.

„Ich verkaufe an niemanden. Harry hat mir den Gutshof und die Hälfte des Weinbergs vermacht. Ich denke, er wollte mir damit etwas sagen: Dass es Zeit ist, nach Hause zu kommen.“

Xavier machte eine ungeduldige Handbewegung. „Das ist doch nur dein schlechtes Gewissen, das da spricht.“ Ein schlechtes Gewissen, das er zugegebenermaßen verursacht hatte. „Wir wissen beide, dass es am vernünftigsten wäre, mir deine Hälfte zu verkaufen.“

Trotzig schüttelte sie den Kopf. „Ich bleibe.“

Er starrte sie ungläubig an. „Aber du hast doch gar keine Ahnung vom Weinbau!“

„Na und? Ich kann es doch lernen.“

„ Ich habe keine Zeit, es dir beizubringen.“

„Dann hat vielleicht jemand anders Zeit.“

Nur über seine Leiche.

„Und nebenbei kümmere ich mich ums Marketing“, fuhr sie fort. „Das habe ich nämlich studiert.“

Aufgebracht verschränkte er die Arme vor der Brust. „Es interessiert mich nicht, was du studiert hast. Du stümperst nicht in meinem Weinberg herum! Außerdem wird dir das Ganze nach einer Woche sowieso langweilig.“

„Das denke ich nicht. Außerdem ist es auch mein Weinberg!“ Sie verschränkte gleichfalls die Arme und funkelte ihn wütend an. „Harry hat mir die Hälfte seines Betriebs hinterlassen. Ich schulde es ihm, ihn weiterzuführen.“ Kühl starrten ihre blauen Augen ihn an. Offensichtlich meinte sie es ernst.

Ihre Idee war völlig abwegig, aber im Moment war sie zu ungehalten und stur, um vernünftigen Argumenten zugänglich zu sein. Es wäre besser, sich vorläufig zurückzuziehen. Er würde sich zu Hause die richtige Taktik überlegen und morgen noch einmal mit ihr reden. „Wie du willst“, sagte er, schob den Stuhl zurück und stand auf. „Hast du mit Marc für morgen eine Uhrzeit vereinbart?“

Sie blinzelte verwirrt. „Du duzt Harrys Anwalt?“

„Genau genommen ist Marc auch mein Anwalt.“ Er verschwieg ihr besser, dass er seit dem Studium auch sein bester Freund war. „Allerdings vertritt er mich in dieser Angelegenheit nicht, und er hat auch nicht über dich gesprochen. Marc ist da absolut professionell.“

„Er sagte morgen früh acht Uhr.“

„Sagen wir lieber um die Mittagszeit“, schlug Xavier vor. „Nach der langen Reise bist du sicher müde.“

Sie zog die Augenbrauen zusammen. „Traust du mir nicht zu, früh aufzustehen?“

„Das habe ich nicht gesagt.“ Aber gedacht hatte er es. „So passt es mir selbst auch besser. Wir arbeiten hier nach der l’heure solaire .“

„‚Die Stunde der Sonne‘?“

„Eher ‚Sonnenzeit‘ oder ‚Sonnenstand‘“, korrigierte er sie. „In der Mittagshitze im Weinberg zu arbeiten ist eine todsichere Methode, einen Sonnenstich zu bekommen. Ich kümmere mich zu dieser Zeit um die Büroarbeit. Draußen arbeite ich nur, wenn es etwas kühler ist. Also, gegen Mittag in meinem Büro im Château. Ich sorge dafür, dass wir etwas zu essen bekommen.“ Er überlegte kurz, ob er sie zum Abschied auf die Wange küssen sollte, um sie noch ein bisschen mehr zu verunsichern, entschloss sich dann aber dagegen. So wie er vor einigen Minuten reagiert hatte, würde es ihn möglicherweise mehr verunsichern als sie. Stattdessen verbeugte er sich leicht. „ À demain , Mademoiselle Beauchamp.“

Sie nickte ihm zu. „ À demain , Monsieur Lefèvre. Wir sehen uns morgen Mittag.“

2. KAPITEL

Den nächsten Morgen verbrachte Allegra damit, sich die Internetseiten des Weinguts anzusehen und sich ein paar Ideen zu notieren, bevor sie sich auf den Weg zum Château der Lefèvres machte. Das Gebäude hatte sich in den Jahren, in denen sie fort gewesen war, kaum verändert. Es war immer noch grandios und beeindruckend. Die Mauern bestanden aus hellem Stein und waren durchbrochen von hohen, schmalen Fenstern mit weißen Fensterläden. Der symmetrisch angelegte, gepflegte Rasen vor dem Haus kam ihr bekannt vor, aber an die Lavendelfelder entlang der langen Zufahrt konnte sie sich nicht erinnern. Auch der Rosengarten musste neu sein – sie konnte ihn zwar nicht sehen, als sie aus dem Auto stieg, aber der starke Duft verriet ihr, dass es irgendwo hinter dem Haus eine große Menge Rosenblüten gab.

Vielleicht gehörte er Xaviers Frau?

Nicht, dass es sie etwas anging. Aber interessiert hätte es sie schon. Leider konnte sie Hortense nicht fragen, ohne dass ihr Interesse verdächtig wirkte. Ja, Xavier war immer noch der attraktivste Mann, dem Allegra je begegnet war, und die Jahre hatten ihn möglicherweise noch attraktiver gemacht. Aber selbst wenn er unverheiratet war, hatte sie kein Interesse an ihm. Sie würde ihm kein zweites Mal Gelegenheit geben, auf ihren Gefühlen herumzutrampeln. Jetzt ging es ausschließlich ums Geschäft.

Sie blickte auf die Uhr. Zwei Minuten vor zwölf. Nicht so früh, dass es verzweifelt wirkte, aber früh genug, um einen professionellen Eindruck zu machen. Gut. Sie richtete sich auf und drückte auf die Türklingel.

Allegra musste noch zwei weitere Male klingeln, bevor die Tür von einem jungen Mann mit blondem Haar aufgerissen wurde. Er sah verärgert aus, als habe sie ihn gestört.

„Wir sind nicht …“, begann er wütend, brach dann aber ab und lächelte sie breit an. „ Mon Dieu, c’est Allie Beauchamp! Wie lange ist das her? Bonjour, chérie. Wie geht es dir?“

Sie lächelte zurück. „ Bonjour , Guy. Zehn Jahre dürften es sein – und danke, mir geht es gut. Schön, dich zu sehen.“

„Machst du hier Ferien?“

„Nicht ganz. Ich bin die neue Teilhaberin im Betrieb deines Bruders.“

Guy zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Hm …“

„Und was soll das heißen?“

„Nichts. Du kennst doch Xav …“

Genau das war der springende Punkt – sie kannte ihn eben nicht mehr.

„Um diese Zeit müsste er im Büro sein“, bemerkte Guy.

„Ich weiß“, antwortete sie. „Aber leider habe ich vergessen zu fragen, wo auf dem Anwesen sich das Büro befindet.“

„Und er hat es dir natürlich auch nicht gesagt …“ Guy rollte mit den Augen. „Typisch Xav. Komm, ich bringe dich hin.“

„Bist du auch bei dem Treffen dabei?“

„Geht es um den Betrieb?“

Sie nickte.

„Dann nicht. Das Weingut ist Xavs Angelegenheit. Ich bin nur an den Wochenenden hier, lasse es mir gut gehen, trinke seinen Wein und nerve ihn mit dummen Sprüchen, wann immer ich kann.“ Augenzwinkernd grinste er sie an. „Übrigens tut mir das mit Harry sehr leid. Er war ein feiner Kerl.“

Allegra spürte einen dicken Kloß im Hals. Guy war der Erste, der sie wirklich herzlich empfing und sie bei ihrem alten Spitznamen nannte. Und der sie nicht wie eine Aussätzige behandelte, weil sie nicht bei Harrys Begräbnis gewesen war. „Ja, mir tut es auch leid.“

Guy führte sie um das Haus herum in einen Hof. Sie erinnerte sich, dass hier früher die Ställe und die Scheune standen. Offensichtlich waren die Gebäude in einen Bürotrakt umgewandelt worden.

„Danke fürs Bringen“, sagte sie.

„Kein Problem“, gab Guy lächelnd zurück. „Wenn du länger in der Gegend bist, komm doch mal zum Abendessen zu uns.“

Wen meinte er mit „uns“? Xavier und sich selbst? Er wollte sicher nur höflich sein – Xavier wäre von der Idee wohl kaum begeistert. „Das wäre toll“, sagte sie ebenso höflich.

„Na dann, bis später. À bientôt , Allie.“

Sie verabschiedete sich ebenfalls, dann atmete sie tief durch und betrat das Bürogebäude. Xaviers Tür stand weit offen, sodass sie ihn am Schreibtisch sitzen und arbeiten sah. Er wirkte tief in Gedanken versunken. Sein Kopf war auf die linke Hand gestützt, während er in der anderen Hand einen Füller hielt und etwas notierte. Wie gestern war sein Haar unordentlich – offensichtlich hatte er die Angewohnheit, sich häufig mit den Fingern hindurchzufahren –, dafür war er heute frisch rasiert. Die Ärmel seines Hemds waren bis zu den Ellbogen hochgeschoben und entblößten seine kräftigen Unterarme. So wie er da saß, sah er zugänglich und freundlich aus. Irgendwie berührbar. Sie musste sich die Fingernägel in die Handflächen bohren, um sich nicht zu etwas Unüberlegtem hinreißen zu lassen. Wie zu ihm zu gehen, ihm zärtlich über den Arm zu streichen, sein Kinn in die Hand zu nehmen und ihren Mund auf seinen zu senken, wie sie es damals vielleicht getan hätte.

Mein Gott, jetzt reichte es aber! Er war nicht mehr der Mann, den sie liebte und von dem sie glaubte, dass sie ihn eines Tages heiraten würde. Er war ihr Geschäftspartner. Und selbst, wenn er das nicht wäre, hatte sie keine Ahnung, ob er nicht eine Ehefrau oder Freundin hatte. So oder so – sie musste die Finger von ihm lassen.

Allegra riss sich zusammen und klopfte an die Tür.

Xavier sah auf, als er das Klopfen hörte. Anscheinend wollte Allegra weiter ihre Rolle als kühle Geschäftsfrau spielen, denn sie trug wieder einen teuren Hosenanzug, dazu hochhackige Schuhe. So passte sie einfach nicht hierher. Zu dieser Jahreszeit mussten alle im Weinberg mit anpacken, um die jungen Triebe zu pflegen und das Unkraut zu entfernen. Nächsten Monat würden die Reben beschnitten, und dann mussten die Trauben reifen, damit sie Ende September geerntet werden konnten. Wollte sie etwa in diesem Aufzug mitarbeiten?

Offensichtlich hatte sie keinen blassen Schimmer vom Weinbau.

„Danke, dass du gekommen bist“, sagte er höflich und erhob sich. „Bitte, nimm Platz.“

Sie setzte sich und reichte ihm eine goldene Schachtel, die mit einem ebenfalls goldenen Chiffonband verziert war. „Für dich. Ich dachte, das sei vielleicht angebrachter als Blumen oder, äh, Wein.“

Das war eine Überraschung. Sie hatte den französischen Brauch, dem Gastgeber ein Geschenk mitzubringen, nicht vergessen. „ Merci , Allegra.“ Er löste das Band und öffnete den Deckel. Die Schachtel enthielt dünne runde Täfelchen aus Bitterschokolade, überzogen mit kandiertem Ingwer. Diese Schokolade aß er für sein Leben gern. Nach all den Jahren erinnerte sie sich noch daran? Sie musste die Schokolade heute Morgen im Dorf gekauft haben – er erkannte die Verpackung von Nicoles Café und Hofladen. Allegra hatte sich offensichtlich Mühe mit dem Geschenk gegeben – er war beeindruckt.

„Danke“, wiederholte er. „Möchtest du einen Kaffee?“

„Ja, gern.“

Sie folgte ihm in die Küche. „Kann ich helfen?“

Ja, verkauf mir deinen Teil des Weinbergs und verschwinde aus meinem Leben, bevor ich mich wieder Hals über Kopf in dich verliebe. Er stand kurz davor, den Gedanken laut auszusprechen, sagte dann aber nur: „Nicht nötig.“

„Fragst du mich nicht, ob ich Milch und Zucker nehme?“

„Warum? Das hast du nie getan, und du siehst nicht so aus, als hättest du deine Vorliebe geändert.“

Fragend blickte sie ihn an. „Wieso nicht?“

„Sonst wärst du nicht so dünn“, antwortete er schulterzuckend.

Ihre Augen verengten sich. „Findest du die Bemerkung nicht ein bisschen zu persönlich?“

„Du hast mich schließlich gefragt …“

„Aha. Ziehst du die Samthandschuhe jetzt also aus?“

„Ich habe nie welche angehabt“, erwiderte er. Jetzt wurde es gefährlich. Samthandschuhe ausziehen … Kleider ausziehen … Er sah Allegras schüchternes Lächeln vor sich, als er sie zum ersten Mal ausgezogen und sie sich ihm voller Vertrauen hingegeben hatte.

Dieu , er musste aufhören, an die Vergangenheit zu denken, und sich auf die Gegenwart konzentrieren!

Er stellte den fertigen Kaffee auf ein Tablett und nahm eine Schüssel mit Tomaten und ein Stück Käse aus dem Kühlschrank. Dann holte er ein großes Landbrot aus dem Schrank und legte es zusammen mit zwei Messern und zwei Tellern neben den Kaffee. Schließlich trug er alles ins Büro.

„Bedien dich“, sagte er und zeigte auf das Essen.

„Danke.“

Als Allegra keine Anstalten machte, sich etwas zu nehmen, brach er sich ein großes Stück Brot ab und schnitt eine dicke Scheibe von dem Käse ab. „Entschuldige, dass ich anfange, aber ich habe einen Bärenhunger. Ich war seit sechs Uhr im Weinberg.“

„ L’heure solaire. “

Er grinste. Irgendwie freute es ihn, dass sie es sich gemerkt hatte. Man hörte deutlich ihren englischen Akzent, aber sie gab sich Mühe. Kein Zweifel, dass sie seit Langem kein Französisch mehr gesprochen hatte.

„Also, wie sieht der Plan aus?“, fragte sie.

„Fangen wir mal mit der wichtigsten Frage an: Wann verkaufst du mir deine Hälfte?“

„Das steht nicht zur Debatte“, erwiderte sie. „Xav, warum gibst du mir keine Chance?“

Das wusste sie nicht? Musste er ihr wirklich erklären, dass sie ihn vor Jahren genau in dem Moment im Stich gelassen hatte, in dem er ihre Unterstützung am meisten gebraucht hatte? Und dass er dieses Risiko nicht noch einmal eingehen wollte? Die ganze Nacht hatte er wach gelegen und darüber nachgegrübelt, wieso er sie eigentlich immer noch so anziehend fand. Das war eine Schwäche, die er sich nicht leisten konnte. „Sieh dich doch mal an: Designerkleidung, schickes Auto …“

„Das ist ein völlig normaler Hosenanzug“, widersprach sie, „und das Auto ist ein Mietwagen. Du verurteilst mich. Das ist wirklich nicht fair!“

Nicht fair? Sie war es doch gewesen, die einfach verschwunden war! Und diese Wunde schmerzte ihn immer noch. Es kostete ihn einige Mühe, sich zu beherrschen. „Was hast du erwartet, Allegra?“

„Aber wir alle machen doch einmal Fehler!“

Das stimmte. Aber er beabsichtigte nicht, seinen zu wiederholen.

Sein Gesicht schien seine Gedanken zu verraten, denn sie seufzte und sagte: „Du willst mir noch nicht einmal zuhören, oder?“

„Du hast gestern schon alles gesagt.“ Und vor zehn Jahren. Als sie ihm keine Zeit gegeben hatte, damit zurechtzukommen, dass sein Leben gerade in Trümmern lag, und sie ihn einfach sitzen gelassen hatte.

„Xav, das mit dem Weinberg ist nicht nur eine fixe Idee von mir.“

Er sah die dunklen Ringe unter ihren Augen. Es schien, als hätte nicht nur er eine schlaflose Nacht verbracht. Wahrscheinlich hatte auch sie Erinnerungen gewälzt, besonders die schlechten, die die guten auszulöschen drohten. Er musste zugeben, dass es mutig von ihr war zurückzukommen. Mit Sicherheit hatte sie gewusst, dass sie von allen Seiten schief angesehen werden würde.

„In Ordnung“, sagte er widerwillig. „Erklär es mir.“

Sie trank einen Schluck Kaffee, als wolle sie sich damit stärken. Ihm fiel auf, dass ihr Teller immer noch unbenutzt vor ihr stand. „Harry und ich haben uns damals fürchterlich gestritten, als ich nach London gegangen bin, und ich schwor mir, nie wieder einen Fuß auf französischen Boden zu setzen. Als ich dann mein Studium abgeschlossen hatte, sah ich manche Dinge anders und söhnte mich mit ihm aus. Aber da lebte ich schon fest in England, und ich …“ Sie biss sich auf die Lippe. „Ach, vergiss es. Es hat keinen Sinn, es dir erklären zu wollen. Du würdest es nie verstehen.“

„Wer gibt hier wem jetzt keine Chance?“

Sie lachte trocken. „Okay, du hast es so gewollt. Du bist hier aufgewachsen, wo deine Familie schon seit … Wie lange lebt ihr schon hier? Ein paar Hundert Jahre?“

„So in etwa.“

„Du hast beim Aufwachen immer gewusst, wo du bist. Du hast dich sicher gefühlt, hast immer gewusst, dass du hier hingehörst, oder?“

„Ja.“ Selbst als er nach Paris gegangen war, war ihm klar gewesen, dass er zurückkehren und das Weingut übernehmen würde. Allerdings hatte er zunächst Erfahrung im Geschäftsleben sammeln und den Duft der großen weiten Welt schnuppern wollen.

„Bei mir war es anders. Als ich klein war, haben mich meine Eltern durch die ganze Welt geschleppt. Entweder war das Orchester auf Tournee, oder meine Mutter machte eine Solotour und mein Vater begleitete sie auf der Bühne. Wir waren nie irgendwo richtig zu Hause. Wenn meine Eltern kein Konzert gaben, mussten sie üben und durften nicht gestört werden. Manchmal hat meine Mutter so lange geübt, bis ihre Finger bluteten. Und immer, wenn ich mich irgendwo einigermaßen eingewöhnt hatte, zogen wir weiter.“

Er sah Allegras Gesicht an, wie nah ihr die Entbehrungen ihrer Kindheit immer noch gingen, wie sie mit ihnen rang. Plötzlich verstand er, was sie ihm sagen wollte. „Du meinst, in London hattest du zum ersten Mal ein richtiges Zuhause? Hattest zum ersten Mal das Gefühl, verwurzelt zu sein?“

„Ja, genau. Und ich konnte mein Leben so gestalten, wie ich es wollte, ohne dass mir meine Eltern die ganze Zeit reingeredet hätten, auch wenn es noch so lieb gemeint war.“ Sie seufzte erleichtert auf. „Gut, dass du mich verstehst.“

„Nein, das tue ich nicht. Geht Familie – in diesem Fall Harry – nicht immer vor?“ Jedenfalls war das immer seine Überzeugung gewesen, und so hatte er es in seiner Familie – mit Ausnahme seiner Mutter – auch stets erlebt.

„Ich habe nicht behauptet, dass meine Entscheidung logisch war.“ Sie wandte ihren Blick ab. „Es gab noch andere Gründe, warum ich nicht mehr nach Frankreich wollte.“

„Mich?“, rutschte es ihm heraus.

„Ja, dich“, gab sie zu.

Wenigstens war es nun ausgesprochen, und sie brauchten nicht mehr um den heißen Brei herumzureden.

Sie schien der gleichen Meinung zu sein und sagte: „Ich hatte gehofft, dass ich dir hier nicht begegnen würde.“

Er sah sie verständnislos an. „Aber du musst doch gewusst haben, dass ich nach Papas Tod Harrys Kompagnon wurde?“

Sie blickte auf ihre Hände. „Ich habe mit Harry nie über dich gesprochen.“

War er der Grund für ihren Bruch mit Harry gewesen? Aber warum? Sie war ganz eindeutig diejenige gewesen, die ihre Beziehung beendet hatte, nicht er . Hatte Harry vielleicht versucht, Allegra davon zu überzeugen, dass sie ihrem Geliebten ein bisschen Zeit und Raum geben musste, und sie hatte es ihm verübelt, weil er sich einmischte, so wie ihre Eltern sich immer eingemischt hatten?

Zunächst jedoch musste er etwas anderes wissen: „Warum bist du jetzt hier, Allegra?“

„Weil ich es Harry schulde. Und wirf mir nicht wieder vor, ich sei nicht bei der Beerdigung gewesen. Es war nicht mit Absicht, und ich fühle mich auch so schon schuldig genug.“

„Ich habe kein Recht, dich dafür zu verurteilen“, entgegnete Xavier ruhig, „aber Harry war nicht nur mein Partner, er war auch mein Freund. Er hätte etwas Besseres verdient.“

„Ich weiß“, antwortete sie und errötete.

„Die Geschäftsreise kann doch unmöglich so wichtig gewesen sein. Warum hast du deinem Chef oder Kunden nicht gesagt, dass es einen Todesfall in deiner Familie gab?“

„Das habe ich, aber der Kunde konnte den Termin nicht verschieben.“

„Hätte ihn nicht jemand anders für dich übernehmen können?“

„Laut meinem Chef, nein.“ Ihre Stimme klang verzweifelt. „Ich habe mein Bestes getan, um so schnell wie möglich fertig zu werden, aber das Treffen dauerte länger als erwartet, sodass ich meinen Flug verpasst habe.“

„Und das war der einzige Flug nach Avignon?“, hakte er nach. Die Entschuldigung war ihm entschieden zu glatt.

„Nach Nizza“, erwiderte sie. „Das war der einzige Direktflug von New York nach Frankreich, den es an dem Tag noch gab. Die Frau von der Fluggesellschaft hat eine geschlagene Stunde versucht, in ihrem Computer eine Verbindung für mich zu finden, mit der ich noch vor dem Frühstück irgendwo in Frankreich gelandet wäre. Aber es gab keine, nicht einmal nach Paris.“

„Deine Eltern waren auch nicht da.“

„Ich weiß. Sie waren in Tokio und hätten für die Beerdigung ein Konzert absagen müssen. Du weißt ja, wie sie sind …“ Sie senkte den Blick. „Und ja, du könntest jetzt sagen, dass ihre Tochter ganz nach ihnen kommt. Ich habe den Job vor die Familie gestellt – das hätte ich nicht tun dürfen.“

„Wenigstens siehst du es ein.“ Er schwieg einen Moment. „Und wie geht es jetzt weiter?“

„Hast du Harrys Urteil in Geschäftsdingen vertraut?“, fragte sie.

Er nickte.

„Gut. Harry hat mir anscheinend zugetraut, seinen Teil des Betriebs zu übernehmen, sonst hätte er ihn mir nicht vermacht.“ Sie blickte ihn direkt an. „Teilst du sein Vertrauen?“

Das war schwer zu sagen. Was sie betraf, traute er seinem eigenen Urteil überhaupt nicht. Ihr zu vertrauen fiel ihm auf jeden Fall schwer. Er wich aus und beantwortete die Frage mit einer Gegenfrage: „Was weißt du über Weinbau?“

„Im Moment? Noch sehr wenig“, gab sie zu. „Aber ich lerne schnell. Ich werde mich einarbeiten. Bis dahin kann ich mich vielleicht in anderen Bereichen des Betriebs nützlich machen.“

„Zum Beispiel?“

„Wie ich gestern schon sagte – Marketing. Ich war stellvertretende Leiterin der Kreativabteilung in der Werbeagentur, in der ich gearbeitet habe. Es ist kein Problem für mich, eine effektive Werbekampagne für wenig Geld auf die Beine zu stellen. Allerdings brauche ich einige Informationen von dir, um den jetzigen Zustand des Betriebs analysieren und Verbesserungsvorschläge machen zu können.“

„Welche Art von Informationen?“, fragte er skeptisch.

„Den Geschäftsplan für die kommenden fünf Jahre.“ Sie zählte die einzelnen Punkte an den Fingern ab. „Ich muss wissen, was wir produzieren, zu welchem Preis wir es verkaufen, wer unsere Hauptkunden sind und wie unser Wein zu ihnen gelangt. Außerdem benötige ich Informationen über unsere Hauptkonkurrenten und deren Produkte. Und welche Werbemaßnahmen früher schon unternommen wurden. Ich habe gesehen, dass das Weingut eine Website hat, aber die will ich noch einmal genauer unter die Lupe nehmen und mit denen der Konkurrenz vergleichen.“

„Also eine typische Analyse der Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen“, ergänzte er trocken. „Und du meinst, dass ich die nicht schon längst kenne?“

Sie wirkte zunächst überrascht, dann machte sich Enttäuschung auf ihrem Gesicht breit. Plötzlich erkannte Xavier, wie verletzlich sie war. Ihre äußere Schale war die eines smarten, mit allen Wassern gewaschenen Profis. Aber darunter verbarg sich ein höchst zerbrechlicher Kern.

Wenn er wollte, könnte er ihren Willen hier und jetzt brechen und den Weinberg von ihr übernehmen.

Aber er hätte sich selbst dafür gehasst. Seltsamerweise hatte er plötzlich das Bedürfnis, sie zu beschützen. Was für eine Ironie! Sie hatte ihm das Herz gebrochen, und er wollte sie trotzdem beschützen. „Du willst also deine Hälfte des Betriebs von London aus leiten?“

„Nein, von hier.“

Sie hatte vor, hier zu leben? Sodass er sie jeden Tag sah? Das würde eine harte Prüfung für ihn werden. Während sie im Ausland gewesen war, hatte er alle Gedanken an sie in die Tiefe seines Hirns zurückdrängen können. Aber sie als Nachbarin zu haben und mit ihr zusammenzuarbeiten – das war etwas vollkommen anderes. „Aber hast du nicht vor zwei Minuten etwas von ‚verwurzelt in London‘ erzählt?“

„Ja, stimmt“, seufzte sie. „Meine Entscheidung ist nicht unbedingt logisch und rational, Xav. Aber es ist, wie es ist. Ich will Harrys Arbeit weiterführen, und wie du gerade richtig angedeutet hast, kann ich das nicht von London aus. Früher war die Ardèche im Sommer immer meine Heimat. Ich sehe kein Problem, mich hier niederzulassen.“

Sie kam zehn Jahre zu spät. Damals hatte er sie sich hier an seiner Seite gewünscht. Als seine Frau. Jetzt würde er es vorziehen, wenn sie wieder nach London verschwinden würde. „Was ist mit deinem Job?“

„ Ex job“, erwiderte sie knapp.

„Seit wann?“

„Ich habe gestern gekündigt. Nach dem Treffen mit meinem Anwalt.“

Also war das Weingut für sie so eine Art Aussteigerprojekt? Das war einerseits beruhigend, denn so konnte er sicher sein, dass sie ihr Land nicht an jemanden anders verkaufen würde. Andererseits machte es ihn nervös: War das ihre Art, mit Druck und Stress umzugehen, indem sie einfach fortging und sich etwas Neues suchte? Was würde sie tun, wenn es hier einmal hart auf hart kam? Würde sie sich davonmachen, genau wie seine Mutter, die seinen Vater im Stich gelassen hatte? „Ist die Entscheidung nicht ein bisschen spontan? Woher willst du wissen, dass hier alles so funktioniert wie du es dir vorstellst?“

„Weil ich dafür sorgen werde, dass es so funktioniert!“

Entschlossen und stur – das waren gute Voraussetzungen für die Arbeit in dieser Branche. Aber er zweifelte immer noch. „So ein Weingut ist kein Betrieb, in dem man um acht Uhr kommt und um fünf wieder geht“, warnte er sie. „Oft müssen alle im Weinberg mit anpacken. Das ist harte Arbeit. Deine schicken Sachen werden da nicht lange halten, und in diesen Schuhen … entweder du knickst um oder du bekommst Blasen. Außerdem holt man sich leicht einen Sonnenstich.“

„Harte Arbeit macht mir nichts aus. Du brauchst mir nur zu sagen, was ich tun soll, und ich tue es. Und ich kann mir durchaus Jeans, Stiefel und einen Sonnenhut besorgen.“

Ja, wenn es Designer-Arbeitskleidung gab …

„Natürlich habe ich nicht Harrys Wissen und seine Erfahrung“, fuhr sie fort. „Ich kann ihn nicht ersetzen. Aber, wie gesagt, ich lerne schnell, und wenn ich etwas nicht weiß, frage ich.“

„Vielleicht sollte ich dir noch sagen, dass Harry nur ein stiller Teilhaber war“, bemerkte Xavier nachdenklich. „Er war fast achtzig, weshalb er natürlich viel weniger gearbeitet hat als ich. Und die Leitung des Betriebs hat er völlig mir überlassen.“

„Und was heißt das für mich? Dass ich gern bleiben darf, aber kein Mitspracherecht habe?“ Sie schüttelte den Kopf. „Kommt nicht infrage.“

„Von ‚Frage‘ kann nicht die Rede sein. Ich spreche von Tatsachen. Harry konnte ich in gewissen Dingen um Rat fragen – bei dir kann ich das nicht, weil du keine Ahnung vom Weinbau hast, wie du selbst sagst.“

„Dafür habe ich andere praktische Fähigkeiten anzubieten. Wenn du mir die Informationen zur Verfügung stellst, die ich brauche, entwerfe ich ein neues Marketingkonzept.“

Xavier atmete tief ein. „Das sind Geschäftsgeheimnisse, nach denen du fragst.“

„Genau – und als dein Kompagnon will ich sie sehen. Alles, was den Betrieb betrifft, betrifft schließlich auch mich.“

Sie war tatsächlich nicht von ihrem Vorhaben abzubringen. Er starrte sie einen Augenblick an: Konnte er sich auf sie verlassen? Es war ein gewaltiges Risiko. Harry hatte ihr offenbar vertraut, und er hatte mit seinen Entscheidungen nie falsch gelegen. Auch Marc hatte sich gestern am Telefon für sie ausgesprochen. Und Guy hatte tatsächlich für einige Minuten sein geliebtes Labor verlassen, um ihr den Weg zum Büro zu zeigen. Harry, Marc und Guy – die drei Menschen, denen Xavier am meisten vertraute. Sie schienen seine Zweifel hinsichtlich Allegra nicht zu teilen. Vielleicht sollte er auf ihre Meinung hören.

Oder suchte er nur nach Vorwänden, um Allegra wieder in sein Leben zu holen? Verdammt, wie hatte er sie vermisst! Erst als sie sich wieder begegnet waren, war ihm bewusst geworden, was für ein riesiges Loch sie in sein Leben gerissen hatte. Lange genug hatte er sich vorgemacht, dass seine Arbeit ausreichte, um dieses Loch zu füllen.

„Also, Xav, was machen wir?“, fragte sie mit ruhiger Stimme.

Er nickte zögernd. „Okay. Ich drucke dir alles aus. Lies es dir durch und ruf mich an, wenn du Fragen hast. Schauen wir mal, was du für Ideen hast.“

„Danke“, sagte sie erleichtert. „Du wirst es nicht bereuen.“

Das würde sich erst noch zeigen. „Es sind noch zwei Monate bis zur Ernte“, fügte er hinzu. „Das ist deine Probezeit. Wenn wir gut zusammenarbeiten, prima. Wenn nicht, verkaufst du mir deine Hälfte des Weinguts. Abgemacht?“

„Probezeit? Ich soll mich beweisen?“ Ihre Augen weiteten sich vor Entrüstung. „Obwohl der halbe Weinberg mir gehört?“

„Ich bin einfach noch unsicher, ob wir wirklich zusammenarbeiten können“, erklärte er. „Wenn du in einer Firma neu anfängst, musst du auch erst mal eine Probezeit durchlaufen, damit man sehen kann, ob du und die Firma zusammenpassen. Das hier ist nichts anderes.“

„Ach, und wenn es nicht klappt, bin ich diejenige, die gehen muss?“

„Wir sprachen doch von Wurzeln vorhin: Meine Wurzeln sind hier, und sie sitzen fest in der Erde“, erklärte er mit überzeugter Miene. „Würdest du die ausreißen wollen?“

Sie schwieg eine Weile. Dann erhob sie sich und streckte die Hand aus. „Zwei Monate. Und dann diskutieren wir die Optionen. Alle Optionen – dass ich verkaufe und dass die Partnerschaft aufgelöst wird und ich meine Hälfte behalte.“

Xavier war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, sie wegen ihrer Dickköpfigkeit kräftig durchzuschütteln, und Bewunderung für ihre Standhaftigkeit. Schließlich stand er auf und nahm ihre Hand.

Das Gefühl, ihre Haut auf seiner zu spüren, versetzte ihn augenblicklich zurück in die Vergangenheit. Zurück in jenen Sommer, in dem er sie zu den schönsten Plätzen der Region gefahren hatte, um dort Hand in Hand mit ihr spazieren zu gehen und die herrlichen Aussichten zu genießen. Es war ein Sommer mit endlos langen Tagen und unendlich blauem Himmel gewesen. In seiner Erinnerung hatte er ununterbrochen gelächelt – nur wenn sein Mund damit beschäftigt war, Allegras Körper zu erkunden, war das Lächeln für kurze Zeit verschwunden.

Wie einfach wäre es, sie jetzt in seine Arme zu ziehen und sie so lange und leidenschaftlich zu küssen, bis ihnen beiden schwindelig wurde. Und wie verrückt und dumm wäre es! Wenn ihre Zusammenarbeit funktionieren sollte, musste ihre Beziehung rein platonisch bleiben.

Also schüttelte er ihr nur förmlich die Hand und sagte: „Vielleicht sollten wir darauf anstoßen?“

„Ich kann nicht, ich muss noch fahren.“

„Und ich muss heute Nachmittag noch im Weinberg arbeiten. Wir improvisieren einfach …“ Er hob seine Kaffeetasse. „Auf Les Trois Closes.“

Auch Allegra hob ihre Tasse, und sie stießen an. „Auf Les Trois Closes. Und eine gleichberechtigte Partnerschaft.“

3. KAPITEL

Allegra verbrachte den Rest des Samstagnachmittags damit, sich die Unterlagen anzusehen, die Xavier für sie ausgedruckt hatte. Nebenbei recherchierte sie im Internet und machte sich Notizen. Dummerweise hatte er ihr nur seine Handynummer gegeben, aber nicht seine E-Mail-Adresse – sie konnte ihm schwerlich einen ausführlichen Bericht mit Diagrammen und Grafiken per SMS schicken.

Sie schickte ihm eine kurze Nachricht: Fliege morgen nach London. Zurück am Di, evtl. Mi. Schicke Bericht per Mail. Wie ist deine Adresse? AB .

Erst spät am Abend kam seine knappe und sachliche Antwort. Er hatte sich offenbar zu einem Mann entwickelt, der keine unnötigen Worte machte. Sie nahm sich vor, ihren Bericht bewusst kurz zu halten und ihre Argumente sorgfältig mit Daten aus den Geschäftsunterlagen zu untermauern.

Die nächsten Tage würde sie sehr beschäftigt sein. Sie musste ihre Angelegenheiten in London regeln und sich etwas einfallen lassen, um Xavier davon zu überzeugen, dass sie ein Gewinn für das Weingut war.

Sie verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. So viel dazu, dass sie niemandem etwas beweisen musste … abgesehen von sich selbst – und Xavier.

„Tut mir leid, Guy. Ich habe einfach keinen Hunger.“ Xavier betrachtete die halb vertrocknete Portion cassoulet und schob den Teller von sich.

„Wenn du gleich beim ersten Mal gekommen wärst, als ich dich im Weinberg auf dem Handy angerufen habe, wäre es vielleicht noch genießbar …“, stichelte Guy.

„Sorry.“

„Was ist denn los? Probleme mit den Weinstöcken?“

„Nein.“

„Ist dein bester Kunde gerade pleitegegangen und schuldet dir noch einen Haufen Geld?“

Xavier schüttelte genervt den Kopf. „Nein. Es ist alles in Ordnung.“

„Wenn du bis zum Umfallen arbeitest und trotzdem nicht schlafen kannst, ist garantiert nicht alles in Ordnung. Die schwarzen Ringe unter deinen Augen sind nicht zu übersehen.“ Guy verschränkte die Arme und sah seinen Bruder streng an. „Ich bin kein Kind mehr, Xav. Du brauchst schlimme Nachrichten nicht mehr vor mir geheim zu halten, wie du es damals mit Papa getan hast. Als wir zwei schlechte Ernten hintereinander hatten und die Bank den Kredit nicht verlängern wollte.“

Als mein bisheriges Leben plötzlich als Scherbenhaufen vor mir lag, dachte Xavier. „Ich weiß, Guy, entschuldige.“

„Wenn du Geld brauchst, kann ich dir vielleicht helfen. Die Parfumerie läuft gut zurzeit. Ich kann dir genug leihen, um eine Flaute zu überbrücken – schließlich hast du mir vor ein paar Jahren ja auch geholfen.“

Damals hatte Guys Exfrau nach der Scheidung so viel Geld von ihm verlangt, dass er fast seinen Anteil an der Firma hatte verkaufen müssen. Xavier lächelte ihn müde an. „Danke, mon frère . Das Angebot ist nett gemeint, aber es ist wirklich nicht nötig. Dem Weingut geht es bestens.“

„Dann ist es wohl Allie …“

Das stimmte allerdings. Seit sie wieder da war, konnte er keinen klaren Gedanken mehr fassen. „Nein, Quatsch. Mir geht’s gut“, log er.

„Du hast mit der Antwort eine Spur zu lange gezögert …“, sagte Guy. „Du bist nie wirklich über sie hinweggekommen, oder?“

Xavier zuckte mit den Schultern. „Es gab andere Frauen nach ihr.“

„Aber die hast du nie richtig an dich rangelassen – nicht so wie Allie damals im Sommer.“

„Das ist lange her, Guy. Wir sind beide erwachsen geworden, haben uns verändert. Wir wollen unterschiedliche Dinge im Leben.“

„Für mich klingt das, als würdest du dir selbst etwas vormachen.“

Schlimmer noch: Er versuchte, sich etwas vorzumachen, aber es gelang ihm nicht. „Es ist einfach die Überraschung, sie wiederzusehen. Lassen wir das Thema, Guy. Ich will nicht darüber reden.“

„Okay, wie du willst. Aber wenn du doch darüber sprechen willst, weißt du ja, wo du mich findest.“ Guy klopfte Xavier auf die Schulter und füllte ihre Gläser auf. „Ich bin für dich da, so, wie du für mich da warst, als die Sache mit Véra den Bach runterging.“

Damals hatte sich Guy häufig bis spät in die Nacht den Frust von der Seele geredet, während Xavier ihm einfach nur zugehört hatte.

„Vielleicht haben die Männer der Familie Lefèvre einfach kein Händchen dafür, sich für die richtige Frau zu entscheiden“, bemerkte Xavier nachdenklich. „Papa, du, ich – wir hatten alle Pech.“

„Ja, vielleicht“, sagte Guy mit einem Schulterzucken. „Aber vielleicht haben du und ich auch einfach noch nicht die Richtige gefunden.“

Allegra war sehr wohl die Richtige für mich, dachte Xavier. Aber ich war nicht der Richtige für sie.

Das durfte er auf keinen Fall vergessen, wenn die Zusammenarbeit mit ihr funktionieren sollte.

In London hatte Allegra tausend Dinge zu erledigen: Den Marketingplan für das Weingut entwerfen; ihrer Freundin und Lieblingskollegin Gina ihre Wohnung untervermieten; Sachen packen und entscheiden, was sie sofort mit nach Frankreich nehmen musste und was noch warten konnte.

Und Gina hatte eine Überraschungsparty organisiert, um sie zu verabschieden. Alle Mitarbeiter der Agentur – außer ihrem verhassten Exchef – kamen, und sie heulte sich fast die Augen aus dem Kopf, so gerührt war sie. Ihr blieb nicht eine Minute Zeit, um an Xavier zu denken.

Das änderte sich, als sie im Zug von London nach Avignon saß. Dort hatte sie sieben Stunden Zeit, über ihn nachzudenken und sich darüber aufzuregen, dass er noch nicht einmal Bescheid gesagt hatte, dass ihre Vorschläge bei ihm angekommen seien. Geschweige denn, dass er sich erkundigt hätte, wann sie zurückkam.

Aber sich darüber zu ärgern war wenig produktiv. Sie konzentrierte sich besser auf die Arbeit an dem Entwurf für die neuen Internetseiten und einer Serie mit kurzen Artikeln, wie man seinen eigenen Wein anbaute.

Als sie in Avignon am außerhalb gelegenen TGV-Bahnhof ankam, wollte sie ein Taxi zum alten Hauptbahnhof nehmen, um von dort mit einem Lokalzug weiterzufahren. Aber zu ihrer großen Überraschung sah sie Xavier auf dem Bahnsteig.

Lässig lehnte er an einer Wand und zog wie immer die Blicke sämtlicher Frauen in seiner Umgebung auf sich. Heute trug er eine schwarze Hose und ein weißes Hemd mit offenem Kragen und halb aufgekrempelten Ärmeln. Seine Schuhe waren perfekt geputzt und glänzten. Wie er so dastand, wäre er problemlos als Model einer Aftershave-Werbung durchgegangen.

Er schien die Menschenmenge mit dem Blick abzusuchen, als warte er auf jemanden. Als er sie entdeckte, hob er die Hand und kam ihr entgegen.

Wartete er auf sie ?

Sie stellte ihre Koffer ab. „Was machst du denn hier?“

„Vielen Dank, dir auch guten Tag …“

„ Bonjour , Monsieur Lefèvre“, mokierte sie sich. „Im Ernst – was machst du hier?“

„Ich hatte geschäftlich in Avignon zu tun und du willst zurück nach Les Trois Closes. Also habe ich auf dich gewartet.“

Für einen kurzen Moment war sie enttäuscht. Hatte sie ernsthaft gehofft, er wäre extra für sie gekommen? Wohl kaum. Schließlich hatte er sie bereits vor Jahren zurückgewiesen und ihr das Herz gebrochen. Er hatte sie damals genauso wenig gewollt wie heute. „Danke. Woher wusstest du, wann ich ankomme?“

„Von Hortense.“

Allegra wusste nicht, was sie sagen sollte.

Xavier zuckte mit den Achseln. „Willst du den ganzen Tag hier rumstehen, oder können wir gehen?“ Er nahm ihre Koffer.

„Ich kann meine Koffer selbst tragen“, protestierte sie.

Er warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. „Vielleicht haben die Männer in London ihr Benehmen verlernt, aber wir sind hier in Frankreich!“

„Vielen Dank“, gab sie nach.

„ Ça ne fait rien. Keine Ursache. Wie war es in London?“

„Gut.“

„Ist das alles, was du mitgebracht hast?“

„Ein paar Sachen habe ich erst mal eingelagert.“

„Falls es hier schiefgeht.“ Er nickte. „Sehr vernünftig, auf Nummer sicher zu gehen.“

Es klang wie ein Kompliment, aber es fühlte sich an wie eine Beleidigung. Sie beschloss, nicht darauf einzugehen. „Hast du meine E-Mail mit den Vorschlägen erhalten?“

„Ja.“

„Und?“

„Ich denke noch darüber nach.“

Mit anderen Worten, er würde sich querstellen.

Sie wechselte das Thema. „Wie war dein Geschäftstreffen?“

„Gut, danke.“

Allegra räusperte sich. „Ich nehme an, es ging um unser Geschäft?“

„Genau genommen, nein.“

Dieser Mann war unmöglich – war es wirklich zu viel verlangt, dass er ihr etwas mehr verriet?

Als könne er ihre Gedanken lesen, grinste er und sagte: „Na gut, wenn du es unbedingt wissen willst: Ich habe den halben Tag blaugemacht und war mit Marc Mittag essen.“

„Marc … du meinst Monsieur Robert? Harrys … mein Anwalt?“, fragte sie beunruhigt.

„Wir haben nicht über dich gesprochen“, erwiderte er etwas herablassend.

Ihre Miene verfinsterte sich. „Manchmal bist du unausstehlich!“

„Echt?“ Er warf ihr einen ironischen Blick zu, als er ihre Koffer in seinen Geländewagen hob. Ein kaum wahrnehmbares Lächeln spielte um seine Lippen, und in seinen Augen lag der Anflug eines schelmischen Funkelns. Das war der Xavier, den sie von früher in Erinnerung hatte, nicht dieser misstrauische Fremde, der er heute war. Unwillkürlich lächelte sie zurück.

„Willkommen zurück in Frankreich“, sagte er. „Na los, ich fahre dich nach Hause.“

Nach Hause. War das nur eine höfliche Floskel oder meinte er es tatsächlich so? Sie wusste es nicht.

„Was ist aus deinem alten Cabrio geworden?“, erkundigte sie sich, als sie auf der Beifahrerseite einstieg. Xavier hatte zur bestandenen Führerscheinprüfung von seinem Vater einen uralten Oldtimer mit Stoffverdeck geschenkt bekommen, in dem er sie durch die Ardèche kutschiert hatte, von einem herrlichen Ort zum nächsten. Sie waren am Pont d’Arc gewesen, einer riesigen natürlichen Steinbrücke über den Fluss Ardèche, in der Chauvet-Höhle mit ihren unglaublichen, 30.000 Jahre alten Höhlenmalereien und an dem wunderschönen Vulkankratersee bei Issarlès.

„Er war zu unpraktisch“, erklärte er. „Dieser Wagen hier ist besser.“

„Unpraktisch?“, fragte sie ungläubig. Sie verstand nicht. Ob praktisch oder unpraktisch, das hatte ihn nie interessiert. Xavier hatte das Cabrio geliebt! Er hatte zugunsten des Oldtimers auf ein neues Auto verzichtet und ihn zusammen mit Michel, dem die Werkstatt im Dorf gehörte, restauriert. Allegra hörte sie beide noch seufzend davon schwärmen, wie schön der alte Wagen sei. Guy und Allegra hatten Xavier häufig damit aufgezogen, wie viel Zeit er in das Auto steckte, aber er hatte sie ignoriert und in aller Ruhe weiter die Chromteile poliert.

„Manchmal muss ich auch abseits der Wege fahren oder ein paar Kisten Wein zu einem Kunden bringen.“

„Für einen Lieferwagen sehen die Ledersitze aber ziemlich teuer aus …“, bemerkte sie.

„Was soll ich deiner Meinung nach tun? Mir ein Fahrrad und einen Anhänger besorgen?“

Beim Gedanken daran musste sie grinsen. „Na ja, das wäre am umweltfreundlichsten.“

„Dieses Auto ist so umweltfreundlich, wie es der momentane Stand der Technik erlaubt. Es hat einen Hybridantrieb. Ich rede nicht nur von Umweltschutz, ich tue auch was. Abgesehen davon, dass das Weingut ein Ökobetrieb ist, achte ich auch sonst in meinem Leben darauf.“

Das Leben, das sie einmal mit ihm hatte teilen wollen. Und über das sie kaum etwas wusste.

Aber das durfte er nicht wissen. Stattdessen schwieg sie und betrachtete die Landschaft. Anfänglich fuhren sie durch riesige Sonnenblumen- und Lavendelfelder, dann wichen die Felder nach und nach den mit Wein und Kastanien bewachsenen Hügeln der Ardèche.

Zwei Koffer waren erstaunlich wenig Gepäck. Xavier kannte Frauen, die für eine Woche mehr Gepäck mitnahmen, und Allegra würde für zwei Monate bleiben. Plante sie, noch einmal zurück nach London zu reisen, um den Rest ihrer Sachen zu holen? Hatte sie jemanden beauftragt, ihr die Sachen zu bringen? Oder ging sie gar nicht davon aus, so lange zu bleiben? „Wie willst du dich hier eigentlich fortbewegen?“, fragte er.

„Ich dachte an Harrys alte ‚Ente‘ …“, antwortete sie.

Die alte Rostlaube? War das ihr Ernst? „Die hat er doch schon seit Jahren nicht mehr benutzt. Du solltest sie erst mal in der Werkstatt durchsehen lassen, bevor du damit fährst. Wenn sie überhaupt noch fahrtüchtig ist …“ Er blickte sie fragend an. „Warum hast du nicht dein Auto aus England mitgebracht?“

„Ich habe keins. In London ist das nicht nötig“, erklärte sie. „Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kommt man überall hin.“

„Und wenn du mal weiter weg musstest?“

„Wenn es geschäftlich war, habe ich einen Mietwagen genommen.“

Er wusste, dass es ihn nichts anging, aber er fragte trotzdem: „Warum hast du eigentlich direkt gekündigt? Hättest du dich nicht freistellen lassen können, ein Sabbatjahr nehmen oder so was?“

„Das hätte der Geschäftsführer niemals akzeptiert.“

„Dein Boss?“

Allegra verzog das Gesicht. „Zumindest die letzten sechs Monate.“

„Vorher hast du woanders gearbeitet?“

„Nein“, seufzte sie. „Peter hat die Agentur übernommen, eine Woche, nachdem mein damaliger Chef – der Leiter der Kreativabteilung – für längere Zeit krankgeschrieben wurde. Ich habe ihn vertreten.“

„Und jetzt ist er wieder da?“

„Nein“, antwortete Allegra. „Er ist in Frührente gegangen, weil die Arbeit ihm zu stressig geworden war. Das war vor zwei Monaten.“

„Also hast du seine Stelle übernommen?“

„So war es abgesprochen. Aber Peter hatte in Wirklichkeit jemanden anders dafür im Auge. Offensichtlich hatte er das Ganze schon länger geplant.“

Zwar sprach sie mit ruhiger und gefasster Stimme, aber Xavier ahnte, wie sehr sie die Entscheidung verletzt haben musste. An ihrer Stelle wäre er furchtbar wütend gewesen. Sie hatte monatelang stellvertretend einen Job übernommen, mit dem Versprechen, dass sie ihn irgendwann bekäme, und dann war er ihr weggeschnappt worden. Hatte sie sich nicht gewehrt? „Und dieser Peter ist der Geschäftsführer, richtig?“

Sie nickte.

Ihr Gesichtsausdruck verriet ihm noch mehr. „Dann war er derjenige, der dich kurz vor Harrys Beerdigung nach New York geschickt hat.“

Allegra musste schlucken. „Er war der Meinung, ich sollte meine Fähigkeiten unter Beweis stellen.“

„Aber du hattest doch schon als stellvertretende Leiterin gearbeitet … seit …?“

„Seit fünf Monaten.“

„Also war doch längst klar, dass du den Job beherrschst.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Er hat es wohl anders gesehen. Und er ist der Boss.“

„Was ist mit den anderen Mitarbeitern? Kommen die gut mit ihm klar?“

„Nein, sie ertragen ihn. In der momentanen wirtschaftlichen Situation ist es nicht so leicht, den Job zu wechseln.“

„Und was hättest du gemacht, wenn Harry dir nicht das Weingut hinterlassen hätte?“, fragte er aus reiner Neugier.

„Wahrscheinlich hätte ich mir eine andere Stelle gesucht. Oder mich selbstständig gemacht. Jedenfalls war klar, dass ich aus der Agentur raus muss.“