Sterbenszeit - Michael Kibler - E-Book

Sterbenszeit E-Book

Michael Kibler

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Beschreibung

Der Mord an einem Neugeborenen scheint für Ricarda Zöller von der SoKo Mainz ein unlösbarer Fall. Bis die Tatwaffe einen Zusammenhang zu einem früheren Verbrechen in Heidelberg preisgibt. Handelt es sich um denselben Täter? Ricarda wendet sich an Lorenz Rasper vom Bundeskriminalamt Wiesbaden. Kaum hat der Spezialist seine Ermittlungen aufgenommen, werden sie an einen neuen Tatort gerufen: Die Mutter des Baby wurde ebenfalls getötet …

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Für den Konfidenten des Pöts

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erschienenen Buchausgabe 3. Auflage 2015

ISBN 978-3-492-96668-9

© Piper Verlag GmbH, München 2014

Covergestaltung: semper smile, München

Covermotiv: Valentino Sani/Trevillion Images, Bertrand

Benoit/cg textures

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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DAMALS. DIENSTAG, 10. APRIL

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit.

Haben wir Weihnachten gesungen. Alle zusammen. Leise. Aber immerhin.

Jetzt marschieren wir.

Wohin auch das Auge blicket.

Moor und Heide nur ringsum.

Vogelsang uns nicht erquicket,

Eichen stehen kahl und krumm.

Wir sind die Moorsoldaten

und ziehen mit dem Spaten ins Moor!

Haben wir immer gesungen, auch wenn wir nicht die Moorsoldaten sind. Und jetzt kann ich nicht mehr singen. Mein Schädel dröhnt, der Fuß pocht, und ich weiß nicht, weshalb mir gerade dieses Lied im Kopf herumschwirrt. Den Takt geben meine Schritte vor. Ich bin mir nicht sicher, ob meine Füße dem Kopf als Taktstock dienen oder ob das Lied die Beine dazu antreibt weiterzulaufen.

Seit drei Tagen heißt es nun schon marschieren. Warum, das weiß keiner von uns. Es geht nach Nordosten, das zeigt die Sonne, die mir jetzt von hinten genau in den Nacken scheint. Wenigstens Sonne. Mit Regen wäre es noch unerträglicher.

Heute Morgen, da haben beide Füße höllisch wehgetan. Jetzt geht es mir besser, jetzt spüre ich wenigstens den linken nicht mehr. Die eine Stelle rechts ist offen. Hat sich offenbar entzündet. Die Ränder sind rot und heiß. Das wäre dann eine dieser Kapriolen des Schicksals. Habe fünf Jahre Steine schleppend als Sklave überlebt, sogar den Armbruch, ohne Schiene. Um dann an so einer kleinen, offenen Wunde zu krepieren, wie es aussieht.

Keine Ahnung, wie lange wir noch laufen werden. Keine Ahnung, wohin. Keine Ahnung, wie lange ich noch laufen will. Mein Kopf dröhnt, manchmal wird mir schwindelig.

Aber immerhin, wir marschieren. Langsam. Aber wir bewegen uns. Weiter. Immer weiter.

Laufen – das heißt leben.

Denn die, die nicht mehr können, hinterlassen als Abschied nur noch ein Geräusch. Den Knall des Schusses ins Genick.

Dass wir den Tod hinter uns gelassen haben, heißt aber nicht, dass wir ihm entkommen sind.

Es kann auch sein, dass wir genau auf ihn zumarschieren.

Marschieren.

Marschieren.

Marschieren.

DONNERSTAG, 1. AUGUST

Nein.

Das Wort schoss durch ihr Gehirn wie ein Flummi mit eigenem Antrieb. Dong, dong, dong, und bei jedem Abprall schmerzte es. Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel, so etwas Bescheuertes fiel ihr dazu ein.

Das Nein, die Kopfschmerzen, die so was von irrelevanten Erkenntnisse der Physik, sie sorgten dafür, dass sie das, was sie sah, zunächst nur durch einen Nebel wahrnahm. Sie sorgten dafür, dass sie nicht einfach zusammenklappte.

»Ricarda.«

Sie spürte die Hand ihres Kollegen Werner Berghold auf ihrer Schulter. Er war wie sie Hauptkommissar bei der Kripo in Mainz, Kommissariat 11, Tötungsdelikte. Ricarda war nicht imstande, sich umzudrehen. Die Szenerie, die sie vor sich sah, hielt den Blick gefangen. Sie war grausam klar und dennoch in ihrer Brutalität so unfassbar, dass Ricarda sich fragte, ob sie nicht Geisel eines Albtraums war.

»Ricarda!«

Berghold fasste sie nun fester an der Schulter, ein klein wenig nur – Druck ist Kraft durch Fläche –, sodass sie sich umdrehen musste.

»Geht’s?«

Ricarda Zöller nickte. »Ja. Scheißjob.«

»Hmm.« Berghold nahm die Hand von ihrer Schulter.

Ricarda wandte sich wieder dem Tatort zu.

Das Opfer: weiblich. In der Stirn ein Loch, ein dunkler Kreis darum. Ein aufgesetzter Kopfschuss. Sie musste nicht erst den Befund des Rechtsmedizinischen Instituts abwarten, um zu wissen, dass diese Wunde todesursächlich war, wie es in dem Bericht stehen würde.

Das Opfer lag im Lennebergwald, hinter einer Kiefer, vom zwanzig Meter entfernten Waldweg aus nicht zu sehen. Herbert Räuser war mit seiner Frau spazieren gegangen an diesem Donnerstag, weil beide Urlaub hatten und die Kinder bei der Oma waren. Zuvor waren sie im Biergarten beim Lennebergturm eingekehrt. Räuser hatte zwei Halbe getrunken, deshalb wollte er kurz hinter den Bäumen verschwinden, um den Flüssigkeitshaushalt wieder in Ordnung zu bringen. Dabei hatte er die Leiche entdeckt.

Die Tote trug ein T-Shirt, den Temperaturen entsprechend: Über 30 Grad hatte das Thermometer in den vergangenen Tagen angezeigt. »Mia« war in roten Buchstaben auf das weiße Shirt gedruckt, das leuchtende Rot ein Kontrast zu dem Braun der Blutlache, die sich unter ihrem Kopf gebildet hatte.

Sie lag auf einer weißen Decke, deren obere Fläche stellenweise braunrot von Blut getränkt war. Dort waren die kleinen in Blau aufgedruckten Anker und die kleinen Boote kaum mehr zu erkennen.

Zumdecker, der Rechtsmediziner, hatte grob geschätzt, dass das Mädchen zwischen drei und fünf Stunden tot war. Den Anblick der Austrittswunde hatte er Ricarda erspart. Sie hatte nur gehört, was er in sein Diktiergerät gesprochen hatte. Sie versuchte, die Worte zu verdrängen.

Ricarda hatte in ihrem Berufsleben schon Leichen gesehen, die schlimmer zugerichtet gewesen waren. Vor zwei Jahren etwa das Ehepaar, das vier Wochen unentdeckt im Haus gelegen hatte, beide erschlagen mit einem Golfschläger. Oder vor sechs Monaten der Mann, den vermutlich die russische Mafia über mehrere Tage lang in die Mangel genommen hatte, bevor man ihm den Gnadenschuss verpasst hatte.

Dennoch war Ricarda sicher, dass die Leiche vor ihr diejenige sein würde, deren Anblick in ihrem ganzen Berufsleben der schlimmste war und bleiben würde.

Eine ähnliche Decke hatte ihre Tochter Esther gehabt, als sie ein Baby und später Kleinkind gewesen war. Es war ihre Lieblingsdecke gewesen. Esther hatte darauf bestanden, dass die Decke stets in ihrem Bett lag, auch im Sommer, wenn sie sich bei zwanzig Grad Nachttemperatur nur mit einem Laken zugedeckt hatte. Ihr Lieblingsonkel Ingo – Kunststück, sie hatte nur diesen einen – hatte ihr die Decke zur Geburt geschenkt. Als Esther acht war, war die Decke an zwei Stellen zerschlissen. Esther hatte bittere Tränen geweint. Ihre Trauer hatte erst ein Ende gefunden, als Ingo ihr eine neue Bootsdecke geschenkt hatte. Die war groß genug gewesen, dass sie nicht mehr nur die Beine, sondern ihren ganzen Körper darin einmummeln konnte.

Ricarda kannte den Namen der Toten. Mia. Mia Oloniak. Sie hatte gelächelt, als der Schütze ihr die Waffe auf die Stirn aufgesetzt hatte. Mia hatte keine Ahnung gehabt, was sich da abgespielt hatte. Denn Mia Oloniak war nicht alt geworden.

»Scheiße.« Ricarda ging in die Hocke, um sich die unmittelbare Umgebung um das tote Mädchen herum anzusehen.

Gut, dass die Spurensicherung schon durch war. Denn sie kontaminierte gerade den Tatort: Tränen rannen ihre Wangen hinab und tropften auf einen der Anker der Decke.

Ricarda blinzelte. Sie schämte sich der Tränen nicht.

Das Nein in ihrem Kopf verebbte langsam, als ob die Tränen es hinfortspülten. Dafür machten sich zwei andere Gedanken breit. Zum einen hatte sie das Gefühl, dass jemand mit diesem feigen Mord nicht nur einen Menschen namens Mia Oloniak getötet hatte. Sie hatte vielmehr den Eindruck, dass hier jemand in ihre ureigenste Privatsphäre eindrang, indem er das Mädchen auf diese Decke gelegt hatte, die doch eigentlich die Decke ihrer Tochter war. Der Gedanke war absurd, das wusste sie. Der zweite Gedanke hingegen war es nicht. Ricarda hatte so eine Top-Ten-Liste der Fernsehkrimiklischees, die sie am schlimmsten fand. Etwa diesen Gedanken, den sie jetzt hegte, wohl wissend, dass sie ihn als Polizistin nicht haben sollte. Und sie war überrascht, dass das Klischee offenbar doch nicht nur ein solches war. »Wer immer dir das angetan hat – ich krieg dieses Dreckschwein.«

Wie auch zu ihren Tränen stand sie zu diesen Worten.

»Was hast du gesagt?« Berghold stand immer noch hinter ihr.

»Nichts, schon gut.« Ricarda hatte es anscheinend laut ausgesprochen.

Sie sah auf den leblosen Körper. Sie hatte in ihrer ganzen Polizeilaufbahn nur einmal den Tod eines Kindes aufklären müssen. Aber dieses Kind war zwölf gewesen.

Mia Oloniak war nicht einmal vier geworden.

Nicht einmal vier Tage.

SAMSTAG, 7. SEPTEMBER

Der Kleiderschrank, auf den er blickte, war nicht sein Kleiderschrank, das erkannte Lorenz Rasper sofort. Er hätte niemals einen Schrank aus dunkler Eiche gekauft. Und er hätte schon gar keinen Kleiderschrank gekauft, an dem nicht wenigstens an einer Tür ein Ganzkörperspiegel montiert gewesen wäre.

Als er sich nur leicht bewegte, hörte er den Rost des Bettes vernehmlich quietschen. Nicht sein Bett. Denn er hasste quietschende oder knarrende Bettenroste. Und er mochte auch keine zu weichen Matratzen. Also auch nicht die, auf der er gerade lag. Das Kissen war auch zu klein. Und er mochte Bettbezüge aus Satin. Und keinen Biberbettbezug.

Alles in diesem Hotelzimmer war für ihn nicht zufriedenstellend. Sein Blick fiel auf die andere Seite des Bettes. Nun gut, er durfte nicht generalisieren. Die junge Dame neben ihm, sie war … Das Wort »zufriedenstellend« wäre abwertend gewesen. Attraktiv.

Wie war noch gleich ihr Name? Marie? Maria? Mary? Irgend so was. Und wie war sie noch mal in sein Bett gekommen? Er erinnerte sich an Cabernet Sauvignon. Zu viel Cabernet Sauvignon.

Er hatte am Vorabend einen Vortrag über die Abteilung SB des Bundeskriminalamts gehalten, vor Studenten und Studentinnen an der »Deutschen Hochschule der Polizei« hier in Münster. Die Abteilung SB, das war sein Baby, seine Abteilung, seine Idee. Und er war immer noch überzeugt davon, dass die Idee gut war. Uwe Lennart, Vizepräsident des BKA, wie alle das Bundeskriminalamt abkürzten, hatte ihn zu dem Vortrag verdonnert. So was tat er in letzter Zeit immer öfter.

Lorenz Rasper hatte sich schon vor Jahren starkgemacht für die Idee einer schnellen Eingreiftruppe auf Bundesebene. Eine der Konsequenzen des Zweiten Weltkriegs bekam die Polizei ja tagtäglich zu spüren: Polizeiarbeit war Sache des jeweiligen Bundeslandes. Und schwere Verbrechen, die vom selben Täter in verschiedenen Bundesländern verübt wurden, wurden oft erst nach Monaten oder Jahren in Zusammenhang gebracht. Innenminister auf Landesebene sperrten sich auch zu oft dagegen, Kompetenzen in großen Fällen abzugeben. Der Öffentlichkeit bekannt waren die Morde des »Nationalsozialistischen Untergrunds«. Zwei der Täter hatten sich erschossen, der noch verbliebenen Täterin wurde derzeit der Prozess gemacht. Schnell wurde klar, dass die Kollegen der Polizei und die Nichtkollegen der Geheimdienste gemeinsam dem Trio deutlich früher hätten auf die Schliche kommen können. Doch die Spur des Terrors hatte sich mit neun Mordopfern durch neun Städte gezogen, verteilt über fünf Bundesländer, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Lorenz hatte schon viel früher die Idee zu solch einer »Schnellen Eingreiftruppe« gehabt, die frühzeitig Fälle übernahm, die Bundeslandgrenzen überschritten, um diese dann effizient zu lösen, als Koordinator mit den jeweiligen Beamten vor Ort. Seine Chefs hatten der Idee skeptisch gegenübergestanden.

Der BKA-Vize hatte sich dann aber dafür eingesetzt und schließlich das Bundeskriminalamt bewogen, eine solche Zelle einzurichten, die blitzschnell reagieren konnte, wenn schwere Serienstraftaten in mehreren Bundesländern ermittelt werden mussten. Solch eine Abteilung zu gründen, das war schon eine Herkulesaufgabe gewesen. Herkules’ ganze Sippe musste hingegen hinzugezogen werden, damit die Innenministerkonferenz dieser Abteilung die Kompetenz zubilligte, Fälle an sich nehmen zu dürfen. Der Kompromiss war, dass der Präsident Lorenz zum Eingreifen ermächtigen musste.

Und nun hatte er gestern wieder seinen Standardvortrag über die Abteilung SB gehalten. Das Kürzel war willkürlich gewählt. »Schnelle Buben« gefiel Lorenz am besten, wurde aber den weiblichen Mitgliedern nicht gerecht. Die Vorträge hielt er gern. Besonders da im Moment kein aktueller Fall zu bearbeiten war.

»’n Morgen«, raunte die Dame neben ihm. Obwohl gerade erst aufgewacht, sah sie überhaupt nicht verschlafen aus. Lorenz dachte mit Grausen daran, wie sein Gesicht aussehen musste nach zu viel Alkohol am Abend zuvor. Seine Gesichtszüge erinnerten dann immer eher an eine zerknüllte Papiertüte als an Adonis. Zum Glück musste er sich nicht im Spiegel sehen, sondern konnte in die hübschen Augen von Maria, Marie oder wie auch immer schauen. Der Gedächtnisverlust war wohl dem Alter geschuldet. Und der Papiertüteneffekt ebenfalls. Ein unangenehmer Gedanke. Aber im zarten Alter von nicht einmal fünfundzwanzig, so alt, wie die Dame neben ihm war, da war er auch noch ohne Papiertütentarnung aufgewacht.

»Gut geschlafen, Lorenz?«

»Hmm«, brummte er. Verflixt, ihr Name war weder Maria noch Marie. Aber er war nah dran. Es war lauwarm, nicht ganz kalt. Vielleicht würde er mit dem mentalen Kochlöffel doch noch den Topf treffen, druntergucken und den richtigen Namen finden, bevor es peinlich wurde.

»Ich geh duschen«, sagte Jane Doe – so nannte Lorenz sie im Stillen, wie unbekannte Frauenleichen in Amerika. Sie schälte sich unter der Decke hervor und stand auf. Lorenz fuhr mit seinen Blicken ihre Kurven nach. Sehr weibliche, sehr runde Kurven.

Eine halbe Stunde später saßen sie im Frühstücksraum des Hotels. Auch diesen hätte Lorenz anders eingerichtet. Offenbar hatte der Hausherr oder die Dame des Hauses einen ausgeprägten Hang zu Eiche rustikal.

Mrs Unbekannt – ihr Name begann mit M und A, dessen war sich Lorenz inzwischen sicher – trug wieder das rote Kleid, das sie am vorigen Abend angehabt hatte.

Sie hatte in der ersten Reihe gesessen. Nach seinem Vortrag war sie auf ihn zugetreten. Bereits während des Vortrags hatte er sie bemerkt und via Blickpost mit ihr geflirtet. Als er geendet hatte, war sie aufgestanden, hatte aber noch mit einem Kommilitonen geredet. Und sich erst danach in die Schlange derer eingereiht, die noch eine Frage hatte. Sie war die Letzte gewesen.

»Wann hatten Sie zum ersten Mal die Idee, so eine Abteilung wie die SB aufzubauen?«, fragte sie.

Die Reaktion seines Körpers auf Stimme, Augen und Dekolleté war eindeutig gewesen. Daher beantwortete er die Frage mit einer Gegenfrage: »Gehen Sie mit mir etwas essen? Ich habe großen Hunger.«

»Ich auch«, hatte sie nur gesagt. Und Lorenz hatte schon verstanden, dass sie damit nicht die Nahrungsaufnahme gemeint hatte. Dementsprechend hatte sie einen kleinen Salat mit Putenstreifen nur zur Hälfte aufgegessen, während er sich ein Schnitzel mit Pommes gegönnt hatte. Er hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen.

Sie tranken fast zwei Flaschen Wein. Und das Hotel war nur einen Häuserblock vom Restaurant entfernt. Es war zwei Uhr gewesen, bevor er eingeschlafen war. Es gab sicher Gäste im angrenzenden Zimmer, die seine Freude an der Entwicklung der Nacht nicht geteilt hatten. Aber er würde ja auch nie wieder hierherkommen.

Mrs M-A plapperte noch ein bisschen über ihre Familie – er hatte schon erfahren, dass sie einen Hund hatte, dass ihre Eltern eine große Villa in Irgendwo hatten und ihr Bruder ein hohes Tier da und dort war.

»Und du?«, fragte sie nun. »Hast du Familie?«

Automatisch tastete er zu seinem linken Ringfinger. Er trug seinen Ehering nicht. Nicht mehr. Vor sechs Jahren war er einem Bankräuber hinterhergerannt. Der war über einen Maschendrahtzaun geflüchtet. Lorenz war ihm hinterhergeklettert. Und beim Absprung mit dem Ehering in einer Spitze hängen geblieben. Er hatte sich den Finger aufgerissen und sich das zweite Gelenk gebrochen – und das war noch der bestmögliche Ausgang gewesen. Es hätte nicht viel gefehlt, und sein Finger wäre einfach abgerissen worden. Immer noch konnte er das Gelenk nicht vollständig beugen. Seitdem trug er den Ring nur noch in seinem Herzen, wie er es seiner Frau Jolene erklärt hatte.

Lorenz registrierte, wie der Blick der Frau ohne Namen dem seinen gefolgt war. Bevor er etwas sagen konnte, klingelte zum Glück sein Telefon. Das Display zeigte den Namen »Adriana«. Aber bereits der Klingelton – »Telephone« von Lady Gaga, Erinnerung an ihr erstes gemeinsames Konzert vor drei Jahren – ließ ihn erkennen, dass seine Tochter anrief. Es zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht.

»Hi, Paps«, meldete sie sich.

»Hallo, mein Sonnenschein.« Er nickte der Dame ohne Namen zu, stand auf und verließ den Frühstücksraum.

»Na, wie war dein Vortrag gestern Abend? Haben sie an deinen Lippen geklebt?«

»Ja, durchaus.«

»Wie ist das Wetter?«

»Durchwachsen. Und zu Hause?« Lorenz Rasper arbeitete zwar beim BKA in Wiesbaden, aber das Haus hatten sie in Darmstadt gekauft, zu der Zeit, als er noch bei der Mordkommission im Polizeipräsidium Südhessen gearbeitet hatte. Das Kleinod in der Damaschkestraße lag so günstig an der Autobahn, dass ein Umzug nicht nötig gewesen war. Und sein Alfa Romeo Giulietta 1.8 TBi 16V – besser bekannt unter dem Namen »Quadrifoglio Verde« – ließ ihn die fünfzig Kilometer in weniger als einer halben Stunde überwinden.

»Wann kommst du nach Hause? Mama fragt, ob du zum Mittagessen wieder da bist. Wenn, dann will sie sogar was Leckeres kochen.«

Lorenz überschlug knapp die Fahrzeit. Dreihundert Kilometer – das sollte bis ein Uhr zu schaffen sein. »Ja. Sag ihr, dass ich pünktlich um eins zu Hause bin.«

Er plauderte noch ein paar Minuten mit Adriana. Er genoss es, dass er einen so guten Draht zu ihr hatte. Als er das Gespräch beendete, hatte er immer noch ein Lächeln auf dem Gesicht. Das Leben kann richtig schön sein, dachte er für einen Moment. Er freute sich auf zu Hause. Und ihn überkam das schlechte Gewissen. Er hatte während seiner Ehe nicht oft mit anderen Frauen geschlafen. Drei One-Night-Stands, auf die er nicht stolz war, die seine Ehe jedoch auch nie hatten gefährden können. Das war zumindest seine Meinung.

Als er an den Frühstückstisch zurückkehrte, schmollte Marla. Marla, genau, das war ihr Name.

»Meine Tochter.«

»Aha«, sagte sie nur, und jeder Laut aus ihrem Mund unterstrich klar, dass sie ihm nicht glaubte. Was ihm letztlich egal war. Er sah Marla an, und so nah sie ihm in der vergangenen Nacht gewesen war, so fremd war sie ihm jetzt. Zwei seiner drei One-Night-Stands hatten mit einem Frühstück geendet. Und beide Male war dieses Frühstück alles andere als entspannt verlaufen.

»Wie lange bist du denn schon verheiratet?«, fragte ihn Marla.

Lorenz wollte sich mit Marla ganz bestimmt nicht über sein Privatleben unterhalten. Wieder klingelte das Handy. Für gewöhnlich ging er nicht an den Apparat, wenn er mit jemandem am Tisch saß. Er hatte die Melodie auch ganz leise gestellt. Guns N’ Roses röhrten »Paradise City«, die Musik, die all jenen zugedacht war, denen Lorenz keinen individuellen Erkennungston zugeordnet hatte. »Ricarda« zeigte das Display. Er musste überlegen, wer sich hinter diesem Namen verbarg. Und er musste zugeben, dass er keine Ahnung hatte. Aber alles war besser, als sich von einer schmollenden Marla über die Familie ausfragen zu lassen.

»Rasper«, meldete er sich.

»Hallo, Lorenz. Hier ist Ricarda.«

»Einen Moment, bitte«, sagte Lorenz. Er hielt die Hand vor das Mikro und sagte: »Dienstlich.« Dabei zuckte er mit den Schultern und erhob sich wieder, verließ den Frühstücksraum erneut und blieb im Vorraum vor der unbesetzten Rezeption stehen. »So, da bin ich wieder. Hallo – Ricarda.«

»Hallo, Lorenz.«

Lorenz Rasper schwieg. Binnen weniger Sekunden lieferte ihm sein Gehirn eine Kurzanalyse. Stimme: sympathisch. Aber zunächst mal unbekannt. Doch sie hatte seine Handynummer und nannte ihn beim Vornamen. Also waren sie sich offenbar bereits persönlich begegnet. In den hintersten Regionen seines Gehirns meldete sich der Protokollant, der mitteilte, dass es eine vage Erinnerung an den Namen gab, flüchtig wie ein Tropfen auf der Herdplatte.

»Äh … Hallo, Ricarda.« Er gab Damen nie seine Handynummer. Nie. Er notierte auch selten eine Nummer in seinem Handy. Das war weniger dem Misstrauen gegenüber anderen geschuldet – sein Motorola hatte einen Fingerabdruckscanner – als vielmehr der Tatsache, dass er vermied, Datenmüll auf dem kleinen Begleiter anzusammeln.

Die Dame am anderen Ende lachte auf. »Gut, dass wir damals jeder in sein eigenes Zimmer gegangen sind.«

Ah, der Protokollant bekam neue Indizien: offenbar keine körperliche Vereinigung mit Ricarda. Aber eine Begegnung in einem Hotel, wenn sie von getrennten Zimmern sprach. Aber warum, zur Hölle, zeigte das Handy nicht nur ihre Nummer, sondern auch ihren Namen an? Leider war auf dem Display nur der Vorname erschienen und weder der Nachname noch ein Bild. Verdammt. »Ja. Vielleicht hast du recht.« Ein unverfänglicher Satz. Ob der ihn retten würde?

»Lorenz, Lorenz, du hast keine Ahnung, mit wem du gerade sprichst, nicht wahr?«

»Ricarda«, sagte er noch mal, um Zeit zu gewinnen.

»Ich hatte es prophezeit. Ich hab dir gesagt, wenn ich dich mal anrufen sollte, dann wirst du dich nicht erinnern.«

Lorenz zog es vor, dieses Statement nicht zu kommentieren. Manchmal wusste er, wann es besser war, die Klappe zu halten.

»Berlin. Anfang letztes Jahr. Du hast deine Abteilung vorgestellt, wir waren im selben Hotel und haben die halbe Nacht an der Bar gesessen.«

Ricarda. Natürlich! Die Ricarda! »Ricarda, natürlich. Mojito ohne Pfefferminz.« War wieder so ein Vortrag gewesen, zu dem Lennart ihn verdonnert hatte.

»Schön, dass du zumindest das richtige Getränk zum Namen weißt.«

»Und das richtige Gesicht. Dunkelblonde Haare, damals schulterlang, zu einem Pferdeschwanz gebunden. Eins fünfundsechzig groß, blaue Augen, keine Brille. Ricarda, was kann ich für dich tun?«

Als er diesen Satz sagte, ging Marla an ihm vorbei und verließ das Hotel. Er hätte sich einen freundlicheren Abschied gewünscht. Aber vielleicht war diese Art des Abschieds  die  freundlichste,  die  noch  möglich  war.

Ricarda fuhr fort. »Einiges, wenn du kannst.« Dann erzählte sie.

Gut sah er aus, dachte Ricarda Zöller. Der Mann, der durch die Glastür ins Präsidium trat, war rund einen Meter neunzig groß, durchtrainiert und hatte ein kantiges Gesicht. Obwohl Ricarda für gewöhnlich Männer mit Bart nicht mochte, fand sie, dass ihm der Dreitagebart gut stand. Das Haar war kurz geschnitten und dunkel. Kurzum, er sah genau so aus, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Auch seine Kleidung war wie damals: ein anthrazitfarbener Anzug, dunkle Schuhe, aber keine Krawatte.

Als er sie sah, wandelte sich der etwas mürrische Gesichtsausdruck in ein Strahlen. »Ricarda! Schön, dich wiederzusehen.«

Stimmt, sie waren zum Du übergegangen an jenem Abend an der Bar, den sie nicht vergessen hatte. »Hallo, Lorenz. Bin ich ja doch beruhigt, dass du mich wiedererkennst.«

Er ging nicht so weit, ihr ein Küsschen auf die Wange geben zu wollen. Vielmehr reichte er ihr die Hand, und Ricarda erwiderte Lorenz’ kräftigen Händedruck. »Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte: Wie wär es, wenn wir die erste Besprechung in einem Restaurant abhalten? Ich habe einen Bärenhunger.«

Ricarda war ebenfalls hungrig. Sie hatte die Zeit nach dem Anruf damit verbracht, alle Unterlagen zu den Fällen so aufzubereiten, dass sie Lorenz einen fundierten Überblick vermitteln konnte. Das erste Frühstück hatte aus einem Apfel bestanden, das zweite und das dritte jeweils aus Kaffee. »Klingt gut.«

»Fahren wir ins Port & Sherry.«

»Wiesbaden?«

»Ja. Ist mein Stammlokal.«

Ricarda kannte das Restaurant und fand die Speisen lecker. In der warmen Jahreszeit konnte man auch draußen sitzen.

»Ich würde gern guten Fisch essen. Und du? Magst du immer noch eine gute Paella? Hast du mir an der Bar damals auf jeden Fall erzählt.«

Okay, er hatte die Begegnung wirklich nicht ganz vergessen. Das freute sie, aber nicht zu sehr. So, wie man mit Genugtuung feststellt, dass ein Teil von einem Spuren hinterlassen hat. Etwa ihr Magnet mit dem Abbild von Bruce Springsteen, der auch nach fünfzehn Jahren noch am Kühlschrank ihrer alten Abteilung hing, wie sie immer wieder feststellen durfte, wenn sie bei den ehemaligen Kollegen vorbeischaute.

»Paella ist prima«, antwortete Ricarda.

Wenig später hielt Lorenz ihr die Beifahrertür auf. Ricarda stieg ein. »Auch ein Quadrifoglio Verde?«, fragte sie, als Lorenz sich gerade anschnallte.

»Wieso auch?«

Ricarda ließ die Tür sanft zufallen. »Weil ich auch einen fahre. Aber keine Giulietta, sondern den Mito.«

»Auch in Alfa-Rot?«

»Ist der Papst katholisch?«

Sie musste längst den Wackeldackel auf der Mitte des Armaturenbretts wahrgenommen haben. Aber sie gab keinen Kommentar dazu ab. Wofür Lorenz ihr in diesem Moment dankbar war.

Auf der kurzen Fahrt von Mainz nach Wiesbaden fragte Lorenz sie dann, wie es ihr gehe.

»Na ja. Geht so.«

»Was Neues seit vergangenem Jahr? Du hast mir erzählt, dass deine Tochter nicht zu dir ziehen will.«

»Ich glaube nicht, dass ich darüber jetzt reden will. Vielleicht magst du mir ja erzählen, ob du dich von deiner Frau getrennt hast.«

»Ich? Von meiner Frau trennen? Über so was habe ich nie geredet.«

Warum wirst du dann rot wie nach vier Stunden Solarium?, dachte Ricarda, erwiderte aber nichts. Sie wusste noch ziemlich genau, was er alles gesagt hatte. Und was er nicht gesagt hatte.

War eine seltsame Nacht gewesen, die sie an dieser Bar verbracht hatten. Zuerst war es Flirten gewesen. Dann ein so offenes Gespräch, wie sie es nie mit einem Mann zuvor geführt hatte. Ihren Ex eingeschlossen. Aber jetzt saßen sie nicht mehr an dieser Bar. Jetzt hatte Ricarda einen Fall an der Backe, den sie allein nicht lösen konnte.

»Cheers«, sagte Lorenz.

»Cheers«, antwortete Ricarda.

Lorenz hatte eine Flasche Mineralwasser bestellt. Auch Ricarda hatte sich gegen Alkohol entschieden. Also stießen sie mit Wasser an.

»Erzähl«, forderte Lorenz sie auf.

Sie sah sich um. Das Restaurant war gediegen, holzlastig. Ricarda mochte es eher luftig und hell. Aber Lorenz’ Wahl hatte einen großen Vorteil: Ihr kleiner Tisch war in einer Nische, und niemand konnte das Gespräch belauschen. »Ich habe dir ja am Telefon schon erzählt, dass wir diese neue Spur haben, die uns die Abteilung Tatortmunition geliefert hat.«

»Nein, erzähl’s mir einfach noch mal chronologisch. Dann kann ich mir ein besseres Bild davon machen.«

Lorenz’ Gesichtsausdruck hatte sich verändert. So hatte sie ihn erlebt, als er den Vortrag gehalten hatte. Professionell. Immer noch attraktiv, aber professionell. Wie später an jenem Abend an der Bar spürte sie auch diesmal bei seinem Anblick ein angenehmes Ziehen in der Körpermitte. Sie ignorierte es. Wie damals. Professionell konnte sie auch. Also berichtete sie: »Am Donnerstag, dem ersten August, also heute vor gut fünf Wochen, da fanden wir die Leiche von Mia Oloniak. Ihre Mutter, Monika Oloniak, hatte das kleine Mädchen in der Nacht von Sonntag auf Montag zuvor auf die Welt gebracht. Es war eine schwere Geburt gewesen. Kurz bevor sie einen Kaiserschnitt gemacht hätten, hat sich das Mädchen doch noch entschieden, den Körper der Mutter auf natürliche Weise zu verlassen. Um dreiundzwanzig Uhr fünfundfünfzig durchtrennte der Arzt die Nabelschnur.«

Ricarda spürte, wie ihr wieder Tränen in die Augen stiegen. Nein, sie würde nicht weinen, so wie in der Nacht, nachdem sie die Leiche von Mia Oloniak gefunden hatten. Abends, in ihrem Bett, in ihren eigenen Kissen – und sie schlief meistens mit dreien auf einmal –, da konnte sie sich gehen lassen, es war der einzige Ort, wo sie sich das erlaubte. Aber hier, vor Lorenz, da wollte sie nicht weinen. Also bemühte sie sich weiterhin um einen sachlichen Ton, der ihr bis dahin ja auch gelungen war.

»Am Donnerstagnachmittag kam der Notruf von einem Mann, der ein totes Baby im Wald gefunden hatte. Mia Oloniak war mit einem aufgesetzten Kopfschuss getötet worden. Kaliber neun Millimeter Parabellum. Jemand hatte ihr die Pistole auf die Stirn gesetzt und abgedrückt.« Ricarda machte eine Pause.

»War der Fundort auch der Tatort?«

»Ja. Wir haben das Projektil im Waldboden unter ihr gefunden. Die Hülse hat der Täter auch liegen lassen.«

»Irgendeine Ahnung, wer dafür hätte verantwortlich sein können?«

»Nun, Geld scheidet aus. Rache an der Getöteten auch. Ich meine, wer will sich wofür an einem Menschen rächen, der noch keine vier Tage gelebt hat. Es gibt eigentlich nur zwei plausible Motive: Jemand aus der Familie wollte sich des Mädchens entledigen. Oder jemand übte Rache an der Familie oder an einem Familienmitglied.« Wieder machte Ricarda eine Pause, die Lorenz erneut für eine Frage nutzte.

»Ihr habt die Eltern abgeklopft, das ganze soziale Umfeld?«

»Klar. Alles. Die Mutter lag im Krankenhaus, als ihre Tochter ermordet wurde. Um dreizehn Uhr bemerkte eine Schwester auf der Säuglingsstation, dass Mia nicht mehr da war. Sie muss in einem Zeitfenster von zehn Minuten geraubt worden sein.«

»Kameras?«

»Nein. ›Wir sind ein Krankenhaus, kein Hochsicherheitstrakt.‹ Zitat Stationsarzt. Bilder gibt’s von der Lobby und am Haupteingang. Nach der Auswertung hatten wir zumindest die Gewissheit, dass das Baby nicht durch den Haupteingang entführt worden ist. Was den Schluss zulässt, dass der Mörder – wenn er auch der Kindesdieb ist – sich ausgekannt haben muss. Also ein Mitarbeiter. Oder jemand, der sich schlaugemacht hat.«

»Die Mutter?«

»Die stand unter Schmerzmitteln. Die Geburt war brutal. Sie hatte einen Dammriss und eine Verletzung an der Schambeinfuge. Ziemlich schmerzhaft. Sie scheidet als Täterin aus. Zumal sie in einem Zweibettzimmer lag. Man hätte ihr Verschwinden bemerkt.«

»Okay. Der Vater?«

»Pjotr Oloniak. Geboren in Russland. Fünf Jahre älter als seine Frau, also sechsundzwanzig. Lebt in Deutschland, seit er zehn ist. Mehrere Jugendstrafen. Die letzte vor sieben Jahren. Hauptschule geschafft. Lehre als Kfz-Mechaniker abgebrochen. Blieb den Autos treu. Erst Taxifahrer, seit drei Jahren Lkw-Fahrer. War am ersten August nach Münster in Westfalen unterwegs, kam erst am frühen Abend zurück. Scheidet also auch als Täter aus. Sein Chef und der Fahrtenschreiber bezeugen das.«

»Oma? Opa? Family?«

»Pjotrs Eltern leben ebenfalls in Mainz. Sprechen nicht wirklich gut Deutsch. Er sitzt im Rollstuhl, sie arbeitet halbtags in einem Lebensmittelladen. Die Überwachungskameras hatten sie im Blickfeld, als sie an der Kasse saß. Sie waren kaum zu beruhigen, als sie vom Tod ihrer Enkelin erfahren haben. Monika Oloniaks Eltern leben in Stettin. Auch da war überhaupt kein Hinweis, der uns irgendwie weitergebracht hätte. Monika Oloniak selbst hat bis kurz vor der Geburt in einer Gaststätte gearbeitet, Vierhundert-Euro-Job. Auch da keine Auffälligkeiten. Wir haben die Konten unter die Lupe genommen, aber es kam nichts dabei raus. Nach einer Woche hatte unsere SoKo hundertzwanzig Überstunden zusammen, aber wir waren keinen Schritt weiter. Wir sind an die Öffentlichkeit gegangen – zweihundert weitere Überstunden, aber nur die üblichen Wichtigtuer und Idioten. Keine einzige Spur hat uns irgendwie weitergebracht.«

Lorenz nickte. »Ja. Kenn ich, solche Fälle.«

»Schon nach zwei Wochen haben sie die SoKo zurückgeschraubt, weil es einfach keinen Ansatz mehr gab. Das gesamte persönliche Umfeld liefert keine Spur, um weiterzuermitteln.«

»Was habt ihr gemacht?«

»Ich hab mir die Eltern von dem Baby noch mal vorgenommen. Bin sogar nach Stettin gefahren, um persönlich mit den Eltern von der Mutter zu reden. Ich hatte den Eindruck, dass der Vater von Monika nicht alles sagt. Aber auch da nichts Konkretes, und als Täter scheidet er aus. Er war in Begleitung seiner Frau beim Arzt, was der Arzt und auch die Arzthelferinnen bestätigt haben. Das war es dann auch. Bis ich dann gestern diese Nachricht von deinen Kollegen aus der Tatmunitionssammlung gelesen habe.«

Die Bedienung brachte das Essen, den Fisch für Lorenz und die Paella für Ricarda.

»Was haben die Kollegen von der Tatmunition dir gesagt?«, fragte Lorenz.

»Die haben sich gestern gemeldet, nachdem sie das Projektil von unserem Landeskriminalamt bekommen hatten. Deshalb hat’s auch ein bisschen gedauert. In unserem LKA konnten sie das Projektil keiner bekannten Waffe zuordnen. Erst das BKA hat herausgefunden, dass es zu einer Waffe gehört, die bei einem weiteren Mord benutzt worden ist. Aber eben nicht bei uns in Rheinland-Pfalz, sondern in Baden-Württemberg. Freitag haben sie das Ergebnis geschickt, gestern habe ich es gelesen und dich gleich angerufen.«

»Was für eine Waffe war das?«

»Eine Walther P38. Ein Modell, das im Zweiten Weltkrieg benutzt wurde. War damals die Pistole der Wehrmacht. Wurde mit einem Schalldämpfer abgefeuert.«

»Und wann ist diese Waffe schon mal benutzt worden?«

»Ein gutes Jahr zuvor. In Heidelberg. Der Tote war Reinhard Hollster. Damals einunddreißig Jahre alt. Er war schwul. Die Kollegen in Heidelberg haben damals seinen Lebensgefährten festgenommen. Ihm wurde auch der Prozess gemacht.«

»Und?«

»Freispruch. Aus Mangel an Beweisen.«

»Hast du mit den Kollegen gesprochen?«

»Ja. Kurz. Reppert, so heißt der damals leitende Ermittler, er hielt den Lebensgefährten für den Schuldigen.«

»Und die Waffe?«

»Wurde nicht gefunden. Die Kollegen in Heidelberg sind davon ausgegangen, dass er sie einfach in den Neckar geworfen hat. Plausibel. Bis zum Mord an Mia Oloniak.«

»Also?«

»Also gibt es jetzt genau zwei Möglichkeiten. Die erste: Jemand hat die Waffe benutzt und dann weiterverscherbelt, und sie ist jetzt hier in Mainz gelandet. Vielleicht hat er sie auch einfach weggeworfen, und jemand anderes hat sie gefunden und benutzt.«

»Und die zweite Möglichkeit: Es gibt nur einen einzigen Täter, der sowohl diesen …?«

»Hollster.«

»… der sowohl diesen Hollster in Heidelberg als auch das Baby in Mainz auf dem Gewissen hat.«

»Genau. Und das ist der Grund, weshalb ich dich angerufen hab. Denn das Vorgehen ist bei beiden identisch: ein aufgesetzter Kopfschuss. Hollster saß in seinem Sessel, als er erschossen wurde. Mia lag auf dem Boden. Das sieht in beiden Fällen nach ’ner Hinrichtung aus.«

»Ein schwuler Einunddreißigjähriger und ein vier Tage altes Baby – wo soll da der Zusammenhang bestehen? Das wirkt in der Kombination mindestens genauso sinnlos wie der Mord an der kleinen Mia für sich allein betrachtet.«

»Ja. Wir sind auch keinen Schritt weitergekommen, als wir den Mord an Mia Oloniak untersucht haben. Es gab rein gar nichts, was uns in irgendeine Richtung weitergebracht hätte. Es gab nirgendwo auch nur den Ansatz eines Motivs. Aber das hab ich ja schon gesagt.« Ricardas Tonfall war müde, und das entsprach dem, wie sie sich fühlte. Seit fünf Wochen hatte sie in die unterschiedlichsten Richtungen ermittelt. Sie war nicht einmal gegen Wände gelaufen. Sie war immer nur jeweils in immer dichteren Nebel gelangt, bis nichts mehr zu sehen gewesen war. Und dann war sie umgekehrt. »Und nun stellt sich raus, dass mit dieser Waffe schon einmal ein Mord verübt worden ist. Vielleicht ist das ja ein neuer Ansatz. Wenn ich auch noch keine Idee habe, wie das zusammenhängen soll.«

Lorenz sah auf den Tisch, dann Ricarda direkt in die Augen. »Du weißt, dass wir von deinem Chef hinzugezogen werden müssen. Im ersten Schritt.«

»Ja.« Ricarda seufzte. Der kleine Dienstweg, den sie genommen hatte, war anders als der Weg, der durch Jürgen Hähnlein, den Präsidiumsleiter, vorgegeben war. Hähnlein war für Ricarda eindeutig ein »Trotzdem«. In der Therapie, die sie seit zwei Jahren machte, hatte ihr Therapeut ihr nahegelegt, für alles, was sie tat, eine Liste zu machen. Dann sollte sie herausfinden, ob sie das aus einem bestimmten Grund tat oder aus Trotz, weil da ein Widerstand war, gegen den sie sich wehrte. Das sorgte für Klarheit, auch wenn die Situation nicht immer gleich zu ändern war. Sie hatte vor nicht allzu langer Zeit eine Liste gemacht hinsichtlich ihres Jobs. Es gab eine ganze Menge »Weils«, doch in der Sparte der »Trotzdems« tauchte immer wieder der Name Jürgen Hähnlein auf. Er war ein Mensch, der einfache Dinge verkomplizierte und dies kraft seines Amtes auch durchsetzen konnte.

»Es gibt auch die Option, dass sich mein Chef einschaltet. Aber dafür brauchen wir einfach mehr. Ich schlage dir Folgendes vor: Du besuchst noch einmal die Eltern von dem toten Baby …«

»… von Mia Oloniak.«

»Genau, von Mia Oloniak. Und ich fahre nach Heidelberg und unterhalte mich mit diesem Kollegen Reppert. Und dann sehen wir, ob und wie wir zusammenkommen. Deal?«

»Aber wann machst du dich mit dem Fall vertraut? Ich meine, bislang weißt du nur, was ich dir erzählt habe.«

»Das mache ich jetzt. Fahren wir wieder in dein Präsidium?«

MONTAG, 9. SEPTEMBER

Lorenz mochte das Besprechungszimmer. Es war extra für die Abteilung SB eingerichtet worden. Mit Hightech vorn und hinten. Dazu ein toller Mahagonitisch, auf dessen Platte Platz für eine Carrera-Rennbahn gewesen wäre. Aber vor allem: mit bequemen Bürostühlen. Und einem guten Kaffeeautomaten. Denn die Besprechungen zogen sich manches Mal hin. Es war Montag, acht Uhr dreißig. Jeden Montag um diese Zeit hatten sie ihr Montagsmeeting. Es war der feste Termin, zu dem alle anwesend zu sein hatten, egal, an welchem Fall sie arbeiteten.

Seine Kollegen waren bereits da, als Lorenz den Raum betrat.

Bruno Gerber, den Lorenz am längsten kannte und für den er sich mehrfach eingesetzt hatte, hatte einen deutlichen Bauchansatz und trug den Bart immer ein wenig zu lang. Sein dichtes graues Haar erinnerte nicht nur von ungefähr an einen Wischmopp. In krassem Gegensatz dazu stand die rote Krawatte, die er zum stets beigefarbenen Hemd trug. Dazu Jeans und je nach Gusto Jackett oder Lederweste. Nein, nach seinem Äußeren sollte man Bruno nicht beurteilen. Die wachen Augen strahlten Ruhe aus. Bruno, der Bär, dachte Lorenz manchmal, wenn er den Kollegen sah.

Leah Gabriely stand an besagtem Kaffeeautomaten und hatte bereits zwei der vier Tassen gefüllt. An diesem Tag trug sie einen beigefarbenen Rock mit dunkelbraunem Karomuster. Knielang und passend zur dunkelgrünen Bluse. Lorenz beobachtete, wie sie einen guten Schwupp H-Milch in die Tasse gab – es war definitiv sein Kaffee, den sie gerade zubereitete. Das war nicht ihr Job. Und dennoch hatte sie diese Aufgabe übernommen, vom ersten Tag an, als sie die Abteilung gegründet hatten. Bruno trank den Kaffee schwarz, Leah selbst gab nur zwei Löffel Zucker in den Bohnensud. Und Daniel trank ohnehin nur Tee. Am liebsten grünen. Leah stellte seine Tasse mit dem Teebeutel unter die Wasserdüse und ließ das kochende Wasser ein.

Daniel saß bereits am Tisch, den Laptop vor sich aufgeklappt, immer bereit für irgendwelche Recherchen. Lorenz hatte darauf bestanden, den jungen Mann in seine Truppe zu bekommen, obwohl er vor zwei Jahren gerade ein Gerichtsverfahren am Hals gehabt hatte. Man hackte sich einfach nicht in die Server der Stadtverwaltung München. Lorenz hatte seinerzeit den Prozess mit einem unterdrückten Lächeln verfolgt. Daniel hatte keine Daten geklaut, kein System zerstört und auch den Inhalt der Seiten nicht manipuliert. Zumindest nicht den geschriebenen Inhalt. Allein der Ton hatte sich verändert: Penetrant und ohne dass man es hätte abschalten können, erklang beim Aufruf jeder Unterseite konstant die ehemalige preußische Hymne. Damit hatte Daniel Goldstein klargemacht, dass fast jedes Computersystem zu knacken war. Zur Geduld musste sich Können gesellen. Früher oder später kam man an alle Informationen heran, die man haben wollte.

Genau solch eine Fähigkeit brauchte man, wenn man Serientäter dingfest machen wollte, die überregional agierten. Das hatte schließlich auch der bayerische Innenminister Schöffer eingesehen. Und mit den Richtern einen Deal ausgehandelt. Lorenz war damals auf Daniel zugegangen und hatte ihm den Job in seinem Team angeboten. »Ich werde in wenigen Wochen verurteilt«, hatte der gesagt. »Nicht, wenn man vielleicht etwas gegen Innenminister Schöffer in der Hand hätte«, hatte Lorenz ihm geantwortet. Sieben Tage später hatte er eine SMS mit nur wenigen Zeichen bekommen: Zielperson, Bank Suisse Loan und eine zwölfstellige Nummer. Schöffer hatte dafür gesorgt – nun, eher dafür sorgen müssen –, dass Daniel wegen Mangels an Beweisen freigesprochen wurde. Und nun lebte er in Wiesbaden. Ja, Lorenz hatte durchaus das Gefühl, dass er da was richtig gemacht hatte. Auch für den deutschen Staat, getreu dem Motto: »Mache Feinde, die du nicht besiegen kannst, zu Freunden.«

Leah stellte die Teetasse vor Daniel auf den Tisch, dann ging sie um den Tisch herum und stellte die andere Tasse vor Lorenz hin.

»Danke.«

Leah setzte sich.

»Es gibt was Neues«, eröffnete Lorenz die kleine Sitzung.

»Im Fall Prigge oder bei den beiden Jugendlichen?«

»Nein. Kein ›Cold Case‹.« So nannten sie intern die kalten Fälle, jene, an denen nicht mehr aktiv gearbeitet wurde.

Daniel hob eine Augenbraue. »Keinen alten Fall? Wirklich was Aktuelles? Ist mir irgendwas entgangen?«

Lorenz griente und genoss den Moment: Es gelang ihm selten, Daniel zu überraschen oder ihm gar einen Schritt voraus zu sein. »Ja. Brandneu.«

Die Abteilung war vor eineinhalb Jahren mit großem Pomp gegründet worden. Endlich jemand, der über die Grenzen der Bundesländer hinweg ermitteln konnte, ausgestattet mit einigen Sonderrechten. Nach den Morden der Neonazizelle war es wichtig, auch nach außen zu demonstrieren, dass so etwas nie wieder vorkommen sollte. Wobei »so etwas« nicht genau definiert worden war. Anfangs waren sie zu acht gewesen. Und schon nach einem halben Jahr waren sie nur noch sechs.

Die Idee war goldrichtig gewesen, davon war Lorenz als Leiter der Abteilung überzeugt. Allein, es fehlte an Straftaten, die die neue Abteilung »SB« bearbeiten konnte. Das ganze Russenmafiathema hatten die Jungs von der Organisierten Kriminalität unter ihren Fittichen, das Problem »Italienische Mafia« ebenfalls. Die internationalen Drogenbanden bearbeiteten die Kollegen vom Rauschgift, um die Menschenhändler kümmerten sich die Kameraden von der Sitte.

Seit vier Wochen waren sie nur noch zu viert. Eine kleine Abteilung, der man alte Fälle zuschusterte, weil eben die anderen Abteilungen mauerten. Prigge war der falsche Name eines Betrügers, der in der ganzen Republik sicher zwei Millionen D-Mark ergaunert hatte. Die Währung allein verriet schon, dass der Fall seit über zwölf Jahren kalt war. Der Mord an zwei Jugendlichen, einer in Berlin, der andere in Frankfurt, war sechs Jahre alt. Sicher war, dass der Mörder aus der Stricherszene kam – aber das war dann auch schon alles an wesentlichen Erkenntnissen.

»KHK Ricarda Zöller aus Mainz hat mich am Samstag kontaktiert.« Dann berichtete er kurz, was er über den Fall der toten Mia Oloniak wusste. Er hatte den gestrigen Tag damit verbracht, die Akte komplett durchzugehen. Auch das wenige, das er vom Fall Hollster zu berichten wusste, teilte er seinen Kollegen mit.

»Ich werde mit Bruno einen Ausflug nach Heidelberg machen. Dann wissen wir, ob der Fall vielleicht wirklich in unser Ressort fallen könnte. Heute Abend wissen wir mehr.«

Frank Reppert von der Kriminalinspektion Heidelberg K1 trug Krawatte und Jackett. Viele Haare hatte er nicht mehr auf dem Kopf, und die wenigen, die noch da waren, mussten sich mit einer Länge von acht Millimetern zufriedengeben.

»Mein Kollege Bruno Gerber«, stellte Rasper vor.

»Viel von Ihrer Abteilung gehört.« Reppert setzte keinen weiteren Kommentar ab, sondern bat die beiden Beamten, sich zu setzen. Die nahmen auf den Bürostühlen gegenüber von Reppert Platz.

»Herr Reppert, unsere Kollegin Ricarda Zöller hat Sie am Samstag angerufen.«

»Ja, hat Glück gehabt, dass sie mich erreicht hat. Eigentlich sitze ich samstags eher selten am Schreibtisch. Bin da meist auf dem Golfplatz. Meine Frau spielt auch.«

Bevor er noch einen Satz über sein Handicap anfügen konnte, sprach Lorenz einfach weiter. »Es gibt eine Übereinstimmung bei einer Tatwaffe, die bei Ihnen im Fall Hollster verwendet wurde.«

Wenn Reppert darüber verärgert war, dass sich offenbar niemand für seine Golfkünste oder seine Arbeitsauffassung interessierte, ließ er es sich nicht anmerken. »Hollster, ja, ich erinnere mich. Sein Gschpusi Gerald Gabinski war offenbar doch schlauer, als ich gedacht hatte. Muss die Waffe noch vertickt haben.«

»Gabinski – so hieß der Tatverdächtige?«

»Ja, so hieß er. Und ich und mein Team waren sicher, dass er nicht nur ein Verdächtiger war, sondern auch der Täter. Die Staatsanwaltschaft ebenfalls, sonst wär es ja nicht zum Prozess gekommen.«

»Erzählen Sie doch bitte einfach der Reihe nach.«

Reppert lehnte sich zurück. »Okay, der Reihe nach. Es war der vierte Juni vor einem Jahr, Montag. Um zehn Uhr kam der Anruf. Es war Gerald Gabinski selbst. Er sagte, sein Freund sei in der gemeinsamen Wohnung erschossen worden. Wir also hin.«

»Haben Sie die Bilder vom Tatort greifbar?«

Reppert griff zu einer Akte, die auf seinem Schreibtisch lag. »Hab alles rausgesucht, was wir hierhaben.« Er öffnete die Akte, blätterte kurz darin, dann schob er sie in Richtung Rasper und Gerber.

Beide sahen auf die Fotografien. Sie zeigten einen Mann, Anfang dreißig mit dunklem Haar, das ihm bis zur Schulter reichte. Der Bart wucherte üppig. Reinhard Hollster saß in einem Sessel. In der Stirn ein Loch. Die Einschusswunde. Ein anderes Bild zeigte die Austrittswunde. Die war deutlich größer. Dem Mann fehlte ein großer Teil des Schädels. Irgendwie fühlte sich Lorenz an das Bild des toten Präsidenten John F. Kennedy erinnert. Vielleicht war auch nur der Aufnahmewinkel daran schuld.

Hollster hatte einen deutlichen Bauchansatz, überhaupt wirkte er wie die sitzende Manifestation des Begriffs Unsportlichkeit. Er trug ein schlabberiges verwaschen-blaues T-Shirt, und die Jeans war ebenso ausgeblichen. Außerdem war er barfuß.

Reppert fuhr fort. »So haben wir ihn gefunden. Aufgesetzter Kopfschuss. Keine weiteren Gewaltspuren, keine Fesselungen, keine Kampfspuren. Übrigens in der ganzen Wohnung nicht.«

»Haben Sie noch weitere Bilder aus der Wohnung?«

»Nein, hier nicht. Die offiziellen Ermittlungsakten sind nach dem Prozess bei der Staatsanwaltschaft verblieben. Kann ich Ihnen aber besorgen. Aber wenn Sie sich die Wohnung ansehen wollen – meines Wissens wohnt Gabinski dort noch.«

»Okay. Gab es Einbruchspuren?«

»Nein. Wie gesagt, nirgends Spuren irgendwelcher Gewalt. Entweder hatte der Täter einen Hausschlüssel, oder Reinhard Hollster hat ihn selbst reingelassen.«

»Was hat Gabinski Ihnen denn erzählt?«

»Er war Brötchen holen für das Frühstück, das das Pärchen jeden Tag gemeinsam gegen zehn Uhr einzunehmen pflegte. Als er zurückkam, fand er seinen Freund erschossen im Sessel vor.«

»Um zehn Uhr? Ist das nicht ein bisschen spät für ein Frühstück am Wochentag?«

»Nein. Hollster arbeitete von zu Hause aus. Und Gabinski war Trainer in einem Fitnessstudio. Er machte meistens die späten Schichten.« Reppert rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.

»Okay. Aber Sie haben Gabinski seine Geschichte nicht abgekauft.«

»Nein, meiner Meinung nach hat Gabinski Hollster erschossen und fuhr dann los, um angeblich Brötchen zu holen und sich dann als der vermeintliche Entdecker der Tat auszugeben. Er hatte die Gelegenheit und ein starkes Motiv. Es gab nichts, was gegen ihn als Täter sprach. Und Sie wissen ja selbst, dass Beziehungstaten die Statistik bei Mord und Totschlag mit großem, großem Vorsprung anführen.«

»Aber Gabinski wurde freigesprochen.«

»Aus Mangel an Beweisen. Manchmal frag ich mich, was denn alles nötig ist, um die bösen Jungs wegzusperren.«

»Was hatten Sie denn gegen Gabinski in der Hand?«

»Erst mal das, was objektiv gegen einen anderen Täter spricht: Ich sagte schon, keine Gewalt. Ich meine, wer setzt sich in seinen Sessel und lässt sich erschießen?«

»Jemand, dem gerade ein anderer eine Pistole an die Stirn hält und ihn freundlich bittet, sich in den Sessel zu setzen?«

»Aber wie gesagt, es gab ja nur die Möglichkeit, dass entweder jemand mit Schlüssel in die Wohnung gekommen ist oder Hollster seinen Mörder reingelassen hat. Es ist auch nichts geklaut worden, also scheidet Raubmord aus. Wir haben dann den ganzen Freundes- und Bekanntenkreis auseinandergenommen. Aber da war nichts. Gar nichts. Aber als wir uns näher mit Gerald Gabinski beschäftigt haben, da wurde es sehr, sehr interessant.«

»Was fanden Sie heraus?«

»Hollster war einunddreißig. Und damit fast zehn Jahre älter als Gabinski. Hollster war gelernter Bankkaufmann. Arbeitete aber nicht in einer Bank. Er war ein Börsenzocker. Kaufen, verkaufen – damit machte er sein Geld. Alles, was er brauchte, waren sein Schreibtisch und ein paar PCs. Und er war ziemlich erfolgreich. Die Wohnung war gekauft und abbezahlt. Und die hat mehr gekostet als mein Reihenhäuschen.«

Bereits auf dem Foto des Toten hatte Lorenz wahrgenommen, dass die Möbel im Hintergrund nicht billig waren.

»Eine Penthouse-Maisonette-Wohnung in der Neuenheimer Straße«, fuhr Reppert fort. »Dachterrasse. Ohne störenden Blick von Nachbarn. Ach ja, direkt am Neckar. Und jetzt kommt das Motiv: Die Wohnung gehört jetzt ihm ganz allein.«

»Gabinski?«

»Ja, Gerald Gabinski. Zweiundzwanzig. Im Gegensatz zu Hollster ein armer Schlucker. Gabinski kommt aus miesen Verhältnissen. Hatte schon als Jugendlicher eine dicke Akte in Frankfurt. Körperverletzung, Diebstahl, all diese Dinge. Ging eine Zeit lang auf den Straßenstrich. Als er achtzehn war, nahm ihn Hollster unter seine Fittiche. Und Gabinski hat, nachdem er freigesprochen war, auch das gesamte Vermögen von Hollster geerbt. Die Wohnung, den Wagen, noch ein paar Immobilien und eine siebenstellige Euro-Summe.«

»Hat Hollster ein Testament hinterlassen?«

Reppert schnaubte. »Schlimmer. Die beiden waren – wie heißt das auf Neudeutsch – verpartnert. Homo-Ehe. Es sind schon Menschen für weniger umgebracht worden.«

Reppert war Lorenz durch und durch unsympathisch. Die spitzen und anzüglichen Bemerkungen gingen ihm einfach nur auf den Zeiger.

Bruno Gerber meldete sich das erste Mal zu Wort. »Ich habe auch kein Testament gemacht, Herr Reppert. Mein Mann wird auch alles erben, wenn ich sterbe.«

Repperts Augen weiteten sich. Dann brummte er was von »Jeder nach seiner Façon …« und sprach laut weiter: »Ich hoffe, Ihre Partnerschaft ist harmonischer als die von Gabinski und Hollster. Allein im Jahr vor dem Mord sind die Kollegen dreimal ausgerückt wegen Ruhestörung. Die beiden haben sich gestritten wie die Kesselflicker. Und immer wenn die Beamten dort aufgeschlagen sind, hatte Hollster Verletzungen, ein blaues Auge hier, eine geschwollene Wange dort. Die Nachbarn haben uns Storys erzählt … Aber da Hollster nie Anzeige erstatten wollte, waren den Kollegen die Hände gebunden.«

»Okay, das mit dem Motiv habe ich kapiert«, sagte Lorenz. »Wo sind jetzt die Punkte, die zu dem Freispruch geführt haben?«

»Erstens: Es wurde keine Waffe gefunden. Der Weg zum Bäcker führte über hundert Meter am Neckar entlang. Ich ging davon aus, dass Gabinski die Waffe einfach dort reingeschmissen hat. Aber die Taucher haben nichts gefunden.«

»Gab es Schmauchspuren an seiner Hand oder seinen Klamotten?«

»Fehlanzeige. Und dann kam die Aussage der alten Frau, die drei Häuser weiter wohnte. Sie hat zu der Zeit ihren Dackel Gassi geführt. Sie hat ausgesagt, dass sie ein Paketauto von DHL vor dem Haus gesehen habe, kurz nachdem Gabinski mit seinem Fahrrad das Haus verlassen hatte. Ein kleiner weißer Kombi mit einem gelben Aufdruck an der Seite: ›Im Auftrag von DHL‹. Die alte Dame meinte, der Mann habe an dem Haus geklingelt, sei reingegangen und fünf Minuten später, als sie schon wieder auf dem Rückweg war, wieder rausgekommen. Dann sei er fortgefahren. Wir haben das natürlich überprüft. Der DHL-Paketdienst fährt nicht mit solchen Autos. Und die Tour des großen DHL-Wagens führte erst am frühen Nachmittag in die Neuenheimer Landstraße. Hat auch keiner der Nachbarn an dem Tag ein Paket bekommen. Wir haben natürlich auch die Nachbarn der Umgebung befragt. Es gab noch einen Rentner, der ebenfalls ein paar Häuser weiter wohnte und seinen Hund viermal am Tag ausgeführt hat. Ihm war ein weißer Skoda Octavia Kombi aufgefallen, der immer wieder in der Straße stand.

Wir haben die alte Dame dann ziemlich durch den Wolf gedreht, aber sie blieb bei ihrer Aussage. Beschrieb den Mann als Mitte fünfzig. Er habe eine DHL-Uniform angehabt, ein Basecap und eine Brille. Das Gesicht habe sie nur kurz gesehen, als er aus dem Wagen stieg und als er aus dem Haus zurückkam. Er habe eine schwarze Tasche dabeigehabt, ähnlich einer Tasche, wie sie früher Briefträger getragen hätten. Ich hab den Prozess verfolgt. Die Verteidigung hat von Anfang an die Strategie gefahren, dass Gabinski der Mord nicht zu beweisen wäre. Dass es keine Beweise für seine Schuld gäbe, nur Indizien. Was daran läge, dass Gabinski Hollster nicht umgebracht hätte. Wer der wirkliche Mörder wäre, das herauszufinden wäre Job der Polizei gewesen. Dabei hat er mich angesehen, dieser Idiot.« Reppert schien das persönlich zu nehmen.

»Und jetzt taucht die Waffe wieder auf.«

»Ich sagte doch, Gabinski hat die Waffe vertickt.«

»Aber verwunderlich ist schon, dass auch jetzt mit einem aufgesetzten Kopfschuss getötet wurde.«

Reppert schwieg.

»Können Sie uns die genaue Adresse von der Zeugin geben und die von Gabinski?«

»Die Zeugin ist tot. Natürlicher Tod kurz nach ihrer Aussage im Prozess. Aber die Adresse und Telefonnummern von Gabinski hab ich natürlich.«

»Das ist nicht dein Ernst, oder?« Das war die Stimme von Ricardas Kollegen Werner Berghold. Und der war richtig sauer.

»Doch. Es ist mein Ernst. Wie sollen wir weiterkommen, wenn nicht mit Rasper und seinen Leuten?«

»Da hat jemand eine Waffe benutzt und dann vertickt. Was hat das mit unserem Fall zu tun? Ein Schwuler und ein vier Tage altes Mädchen. Was hängt da zusammen?«

»Werner, wir brauchen Hilfe. Was haben wir in den letzten fünf Wochen erreicht? Was?« Nun wurde auch Ricarda laut. Kein Fall war ihr jemals so nahegegangen wie dieser. Und sie waren keinen Schritt weitergekommen, keinen einzigen. »Wir treten auf der Stelle. Und weißt du, warum? Weil sich der Fall eben nicht nur um dieses Mädchen dreht. Es ist was Größeres.«

Werner war der Kollege, mit dem Ricarda Zöller am liebsten zusammenarbeitete. Er war korrekt, er hatte eine schnelle Auffassungsgabe, er konnte gut kombinieren. Und er konnte auch gut mit Zeugen umgehen, aus ihnen genau das herauskitzeln, was sie nicht preisgeben wollten. Und trotz all seiner Fähigkeiten waren sie in fünf Wochen dem Mörder der kleine Mia Oloniak keinen Schritt näher gekommen.

Was den Grund dafür anging, waren Werner und sie absolut nicht einer Meinung. Werner meinte, sie hätten die Zeugen nicht hart genug rangenommen. Ricarda hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, dass der Täter nicht nur dieses Mädchen auf seiner Liste hatte. Als die Tatortmunition dann die Information geliefert hatte, dass die Waffe schon gut ein Jahr zuvor verwendet worden war, sah sich Ricarda bestätigt.

»Ricarda, wann wolltest du mir sagen, dass du diesen Affen aus Wiesbaden eingeschaltet hast?«

Werner Berghold war offenbar kein Fan von Lorenz Rasper. Das mochte auch daran liegen, dass Berghold sich zweimal vergeblich beim BKA beworben hatte, jenem BKA, das sich Lorenz Rasper geholt hatte.

»Werner, ich will einfach allen Möglichkeiten nachgehen.«

»Aber das ist eine Sackgasse.«

»Mag sein. Aber dann haben wir das wenigstens geklärt.«

»Nein, da ist gar nichts geklärt, Ricarda. Wir werden wieder zehn Leute in die falsche Richtung ermitteln lassen. Und in vier Wochen machen wir dann da weiter, wo wir heute stehen.«

Ricardas Handy schlug an. Sofia Karlsson intonierte »Jåg väntar«. Für Ricarda die schönste Melodie der Welt. Mit ihrer Tochter auf der Terrasse des Stora Henriksvik auf Långholmen sitzen, mit Blick nach Westen über den Garten auf die Stockholmer Seenlandschaft – es war ein perfekter Moment gewesen, vor vier Jahren, der letzte gemeinsame Urlaub. Durch die Melodie des Liedes der schwedischen Sängerin wurde er immer wieder in Erinnerung gerufen, wenn ihre Tochter Esther anrief. »Sorry«, sagte sie zu ihrem Kollegen.

»Hi, Mami!«

»Hi, mein Liebes, wie geht es dir?« Die Frage war überflüssig. In dem Moment, in dem sie die Stimme ihrer Tochter hörte, wusste sie, dass es der gerade phantastisch ging.

»Phantastisch!«

Ricarda warf Werner einen kurzen Blick zu. Er verstand und verließ das Büro. Esther schien vor Freude zu platzen. Ricarda zählte eins und eins zusammen und kam ungefähr bei zwei raus: Am kommenden Samstag würde ihre Tochter sechzehn werden. Seit drei Monaten stand in Ricardas Kalender: »Frühstück mit Esther!« Und sie war sich sicher, sie würde gleich hören, dass Esthers Vater ihr eine Geburtstagsüberraschung präsentiert hatte, die dieses Date mit ihrer Tochter torpedieren würde.

»Papa geht mit mir auf ein Konzert von Katey Sagal! Ist das nicht toll?«

»Cool.« Ricarda war schon froh, dass sie wenigstens wusste, über wen ihre Tochter gerade sprach. Esther war derzeit ganz verrückt auf die Serie »Sons of Anarchy«, die von einer Motorradgang handelte. Die Begeisterung gründete sich wohl primär auf den Schauspieler Charlie Hunnam, den dynamischen, gut aussehenden, gerechten Helden der Serie. Zehn Poster von ihm hatte Esther in ihrem Zimmer hängen. Und Katey Sagal spielte dessen Stiefmutter. Und sie sang auch, nicht mal schlecht, wie Ricarda fand. »Wann ist denn das Konzert?«

»Sonntagabend. Es ist so irre.«

Okay. Sie hatte ihrem Ex wohl unrecht getan.

»Aber, Mami, ich kann dann nicht am Samstag mit dir frühstücken.«

Das verstand Ricarda nun nicht auf Anhieb.

»Wir fliegen am Samstag schon um zehn Uhr.«

»Fliegen? Wo spielt sie denn? In London?« Und wieso Samstag, wenn das Konzert am Sonntag war?

»Nein. Sie spielt in Los Angeles. Wir fliegen extra am Samstag, damit wir uns am Sonntag noch etwa ausruhen können. Und Papa will mir auch noch ein wenig von L. A. zeigen. Am Montag fliegen wir wieder zurück.«

Nein. Das ist nicht toll, das ist unfair. Montag hast du außerdem Schule. Und was kostet das? 5000 Euro für ein Wochenende?

»Papa hat sogar eine VIP-Karte. Ich lerne Katey kennen. Und vielleicht ist ja auch Charlie da, das wäre total abgefahren, Mami, ich bin ja so aufgeregt, das wäre so toll!!« Wenn ihre Tochter außer sich war vor Freude, dann machte sie immer den kleinen Klitschko, wie ihr eigener Vater das genannt hatte. Sie formte die Hände zu Fäusten und bewegte sie schnell hin und her, etwa in der Bewegung, mit der sie eine Schneekugel schütteln würde. Seit sie ein Handy hatte, musste sie die Begeisterungsstürme zumindest beim Telefonieren etwas zügeln.

Als Ricarda und ihr Mann sich getrennt hatten, vor vier Jahren, da war Esther bei ihrem Papa geblieben. Es hatte Ricarda fast zerrissen damals. Aber aus Esthers Perspektive konnte sie es verstehen: Er war Gymnasiallehrer, arbeitete nachmittags meist zu Hause. Sie hingegen hatte immer unregelmäßige Arbeitszeiten, und bei kniffligen Fällen fiel ein Wochenende nach dem anderen den Bösen der Stadt zum Opfer. Aber so viel Geld für ein Wochenende? Musste das sein?

»Du gönnst es mir nicht. Hab ich mir schon gedacht.« Ricarda war immer wieder erstaunt, wie schnell sich Esthers Stimmlage von Euphorie in eisige Kälte wandeln konnte. »Aber Papa hat ein Schnäppchen gemacht, beide Flüge kosten nicht mal 600 Euro. Und er hat in der Schule ganz offiziell für mich um einen freien Tag gebeten. Und für sich natürlich.«

Ricarda schluckte. Sie wollte gar nicht wissen, mit welchen Räuberpistolen er diesen freien Tag begründet hatte. Sie zwang sich zu den Worten: »Alles gut, mein Schatz. Es ist toll, dass du die Gelegenheit hast, Katey Sagal live zu sehen. Man wird nur einmal sechzehn.« Plattitüden. Mehr bekam sie nicht heraus. Das, was sie sagen wollte, wäre viermal so lang gewesen, achtmal so scharf und sechzehnmal so wahr.

»Mami, wir holen das nach, ich möchte doch auch mit dir frühstücken gehen.«

Aber gegen Katey Sagal kann ich nicht anstinken, dachte Ricarda bitter. Und gegen ihren Ex Lucas auch nicht. »Vielleicht können wir uns ja am Freitagabend sehen.«

»Da muss ich packen.«

»Klar. Donnerstag?«

»Nein, da bin ich mit Mathilde verabredet.«

Es war grausam, wenn ihre Tochter ihr deutlich machte, welchen Platz Ricarda in ihrem Leben noch hatte. Sie wollte gerade eine spitze Bemerkung loslassen, als Werner im Türrahmen erschien: »Ricarda, wir müssen los. Sie haben eine tote Frau gefunden.«

Ricarda beendete das Telefonat, ohne noch etwas mit ihrer Tochter abmachen zu können.

»Jåg väntar« hieß der Titel des Liedes von Sofia Karlsson. Ricarda konnte kein Schwedisch. Aber den Titel hatte sie sich einmal übersetzen lassen: »Ich warte.«

Ende der Leseprobe