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Reisen mit der Eisenbahn werden immer beliebter, die Nachfrage steigt stetig, zahlreiche Veranstalter sind auf Eisenbahnreisen spezialisiert. Die Zielgruppe 50 + entdeckt das bequeme Reisen mit der Bahn als reizvolle Alternative zur Kreuzfahrt. Der Reiseführer "101 Reisen mit der Eisenbahn" gibt zahlreiche Inspirationen für Genießer, für Entdecker und technisch Interessierte, für Bahnfans und solche, die es werden wollen. Der Autor Armin E. Moeller kennt sich aus, er ist die Strecken fast alle selbst mitgefahren, hat sich mit den Hintergründen der Entstehung einer Strecke, den baulichen Gegeben- und Besonderheiten, den Zügen selbst und den Gegenden, durch die sie fahren wird, ausgiebig befasst. 101 ausgewählte Strecken weltweit werden anschaulich vorgestellt: ganz kurze oder auch lange Strecken; Strecken, die durch malerische Landschaft führen, legendäre Strecken oder solche, die aus meist technischen Gründen skurril und daher einzigartig sind ... * Ein Drittel der beschriebenen Strecken liegt in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die Hälfte in Europa *
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Seitenzahl: 393
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Armin E. Möller
Die schönsten Strecken in aller Welt
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Widmung
Dieses Buch ist drei Eisenbahnern gewidmet, deren Engagement für die Schiene mitreißend ist. Laure Saillard, Frankreich, Christine Suchy, USA, und Karl-Josef Bales, Deutschland, begeistern, wenn es um die Eisenbahn geht.
101 Reisen mit der Eisenbahn – Die schönsten Strecken in aller Welt
1. Auflage 2013
© Reisebuchverlag Iwanowski GmbH
Salm-Reifferscheidt-Allee 37 • 41540 Dormagen
Telefon 0 21 33/26 03 11 • Fax 0 21 33/26 03 33
www.iwanowski.de
Titelfoto: Courtesy of the Indian Pacific
Alle anderen Farbabbildungen: siehe Bildnachweis Seite 246
Redaktion: Mareike Wegner, Maike Stünkel, Sebastian Thomson-Sabors
Layout: Ulrike Jans, Krummhörn
Umschlagkarten: Kartografie + Grafik Klaus-Peter Lawall, Unterensingen
Titelgestaltung: Point of Media, www.pom-online.de
Redaktionelles Copyright, Konzeption und deren ständige Überarbeitung: Michael Iwanowski
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ebook-Produktion:
Bookwire GmbH, Frankfurt/Main
ISBN epub: 978-3-86457-092-6
Einleitung
Deutschland
1
Nach dem Willen des Großherzogs: der „Molli“ von Bad Doberan nach Kühlungsborn West
2
Mit Tempo 30 über die größte deutsche Insel: Rügens „Rasender Roland“
3
Deutsch-polnischer Grenzverkehr: die Usedomer Bäderbahn
4
„Schweineschnäuzchen“ fährt donnerstags: die Borkumer Kleinbahn
5
Städtisches Wahrzeichen und Kulturdenkmal: die Wuppertaler Schwebebahn
6
Über Deutschlands höchste Eisenbahnbrücke: von Wuppertal nach Solingen
7
Start an der Brücke der Liebesschlösser: von Köln über Aachen nach Belgien/Frankreich
8
Mit Tempo 300 entlang der A 3: die Schnellstrecke von Köln nach Frankfurt am Main
9
Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal: von Koblenz nach Mainz/Wiesbaden und zurück
10
Der „Harzbulle“ ist ein Gipfelstürmer: von Wernigerode auf den Brocken
11
Zum Dampflokwerk Meiningen: ab Eisenach an der Werra entlang
12
Auf 81 Ziegelsteinbögen über die Göltzsch: von Leipzig nach Hof
13
Mehr Tunnel auf kurzer Strecke gibt es nicht: die Schwarzwaldbahn
14
Vorbei am Hirsch hoch in den Südschwarzwald: Höllentalbahn und Dreiseenbahn
15
Deutsch-österreichischer Grenzverkehr: die Mittenwaldbahn von München nach Innsbruck
Österreich
16
Hier wurden die Alpenbahnen erfunden: die Semmeringbahn von Gloggnitz nach Mürzzuschlag
17
Die höchste Eisenbahnbrücke Österreichs: die Tauernbahn von Schwarzach-St. Veit nach Spittal-Millstättersee
18
West-Ost-Verbindung über die Alpen: die Arlbergbahn von Bludenz nach Innsbruck
19
Ein Flussbett als Schienenweg: die Brennerbahn von Innsbruck nach Verona
Schweiz
20
Durch den Schweizer Jura: von La Chaux-de-Fonds nach Tavannes oder Glovelier
21
Zwei-Städte-Reise per Kurzstrecke: über das Grandfey-Viadukt von Bern nach Fribourg
22
Quer durch die Alpen: von Bern nach Brig mit dem Lötschberger
23
Zur Quelle des Rheins: von Winterthur nach Schaffhausen
24
Der alte und der neue Gotthardtunnel: von Luzern nach Chiasso
25
Entlang des Vierwaldstättersees in die Berge: von Luzern nach Engelberg
26
Golden Pass I: Nach dem fünften See wechselt die Spur: von Luzern nach Interlaken
27
Golden Pass II: Über den „Röstigraben“ und auf dem Käsepfad: von Interlaken über Zweisimmen nach Montreux
28
Top of Europe: von Interlaken zum Jungfraujoch
29
Oben auf der Höhe beginnt Frankreich: von Nyon nach La Cure
30
Entlang des abgestürzten Bergs: von Ilanz nach Reichenau
31
Wahnsinnsbahn in Graubünden: auf der Albulalinie von Chur nach St. Moritz
32
Bernina-Bahn: von St. Moritz nach Tirano
33
Von Locarno nach Domodossola: eine Reise über „gefühlte“ hundert Täler
Frankreich
34
Tour de France auf Schienen: im TGV von Deutschland ans Mittelmeer
35
Die beiden Bahnhöfe von Lille: In Lille-Flandres warten die Züge auf die Reisenden, in Lille-Europe ist es umgekehrt
36
Von U-Bahn-Ingenieuren gebaut: die „Schwalbenlinie“ von Saint Claude nach Dole
37
Unterwegs ins Bronzezeitalter: mit dem Train des Merveilles von Nizza nach Tende
38
Durch die Seealpen zu den Sauriern: der Pinienzapfenzug von Nizza nach Digne-les-Bains
39
Bergziegen in den Ostpyrenäen: im Train Jaune von Villefranche nach Latour-de-Carol
Großbritannien und Irland
40
Einsamkeit in malerischer Landschaft: die West Highland Line von Glasgow nach Oban oder über Fort William nach Mallaig
41
Die schönste Bahnstrecke Englands: von Settle nach Carlisle durch die Grafschaft Cumbria
42
Modernste Bahntechnik auf Londons ältesten Trassen: Docklands Light Railway
43
Bahnfahrt entlang der Grenze von Devon und Cornwall: die Tamar Valley Line
44
Eine Pferdebahn macht Karriere: die Looe Valley Line an die Küste Cornwalls
45
Die irische Bahn ist international: von Dublin nach Belfast oder Cork
Skandinavien
46
Über der Ostsee werden dänische Loks schwedisch: einmal rund um den Öresund
47
Ab durch Schwedens Mitte: von Kristinehamn nach Gällivare und weiter auf der Erzstrecke
48
Tunnel, handgehauen: mit der Bergenbahn von Oslo nach Bergen
49
Am Kjosfossen tanzen die Elfen: mit der Flåmsbahn die Berge am Aurlandsfjord hinauf
50
Wälder und Seen – Finnland kompakt auf der Nebenbahn: von Parikkala nach Savonlinna
Südeuropa
51
Entlang der Etsch ins Hochgebirge: von Meran nach Mals mit der Vinschger Bahn
52
Rund um den Ätna: mit der Ferrovia Circumetnea von Riposto nach Catania
53
Die schmalste der Schmalspuren: den Pilion hinauf nach Milies
Russland und Zentralasien
54
Unterwegs mit der Transsibirischen Eisenbahn: von Moskau nach Wladiwostok
55
Im Salonwagen der Sowjetführung durch Sibirien: der Zarengold-Sonderzug von Moskau nach Peking
56
Zum schönsten Platz Zentralasiens: mit dem Orient Silk Road Express entlang der Seidenstraße
Türkei und Naher Osten
57
Auf der Strecke der Bagdadbahn: mit dem Taurus Express von Istanbul nach Adana
58
Drei-Städte-Tour durch das Heilige Land: Haifa–Tel Aviv–Jerusalem mit Israel Railways
59
Einst der Stolz des Osmanischen Reiches: das letzte Stück der Hedjazbahn von Amman nach Al Jiza
Indien
60
Indische Expresszüge fahren in gemächlichem Tempo durch das Land: von Patna über Chennai nach Bangalore
61
Von der Megastadt zur Goldenen Festung: der Delhi Jaisalmer Express
62
Darjeeling, Tee und Tiger Hill: mit der Darjeeling Himalayan Railway zu den höchsten Gipfeln
63
Eine Bahn in die Sommerfrische der Briten: von Kalka nach Shimla
64
Mit der Nilgiri Blue Mountain Railway auf die „hill station“ Ooty: Erholung von Staub, Hitze und Lärm
China und Japan
65
Fahren mit der Uhr in der Hand: von Peking nach Nanjing
66
Von Xining nach Lhasa: auf Permafrostböden unterwegs
67
Xinjiang-Bahn: von Null auf 3.000 Meter Höhe
68
Pioniere der Hochgeschwindigkeit: der Tokaido Shinkansen von Tokyo nach Kyoto und Osaka
Südostasien
69
Der nasse Mann: im Nachtzug von Yangon nach Mandalay
70
Im Bummelzug zum Königsbad: von Bangkok nach Hua Hin
71
Die „Eisenbahn des Todes“: von Bangkok bis zur Brücke am Kwai und weiter nach Nam Tok
72
Luxus pur: mit dem Eastern Oriental Express von Singapur nach Bangkok
73
Verständigung mit Gesten und Handzeichen: im „Schnellzug“ von Surat Thani nach Bangkok
74
Durch malerische Häusergassen und entlang der Küste: im Wiedervereinigungszug von Ho-Chi-Minh-Stadt nach Hanoi
75
Quer durch Gummiwälder und den Dschungel: von Singapur nach Butterworth
76
In „Bisnis“ sitzen die netteren Leute: mit der Javabahn von Jakarta nach Yogyakarta
Australien und Neuseeland
77
Reisen im Zeichen des Kameltreibers: The Ghan von Adelaide nach Darwin
78
Stundenlang immer geradeaus: im Indian Pacific von Perth nach Sydney
79
Nostalgiezüge durch das nordaustralische Outback: Savannahlander und Gulflander
80
Durch die Südalpen zur Tasmansee: per TranzAlpine von Christchurch nach Greymouth
81
Am Ozean entlang: von Christchurch nach Picton mit dem Coastal Pacific
82
Von Auckland nach Wellington: der Northern Explorer fährt einmal über die gesamte Nordinsel
Afrika
83
Rote Felsen, ganz nah: mit dem Lézard Rouge durch das tunesische Atlasgebirge
84
Durch die namibische Wüste: mit dem Desert Express von Windhoek nach Swakopmund
85
Auf Gandhis Spuren: mit Shosholoza Meyl von Durban nach Johannesburg
86
Nostalgischen Luxus genießen: mit dem Rovos Rail durch das südliche Afrika
87
Ein Traum in Blau und Gold: der Blue Train von Pretoria nach Kapstadt
88
Tausendfüßer auf alten Schienen: im Shongololo von Johannesburg nach Livingstone zu den Victoriafällen
Nordamerika
89
Dem Sonnenuntergang entgegen: der Sunset Limited von New Orleans nach Los Angeles
90
Der mörderischste Pass der Sierra Nevada: mit dem California Zephyr durch den längsten Bahnschuppen der Welt
91
Quer durch den Norden der USA: mit dem Empire Builder von Chicago nach Seattle
92
Pacific Electric: Die Metro von Los Angeles fährt wieder – und das auf alten Trassen
93
Die Ostküste hinunter: mit dem Acela Express von New York City nach Washington, D.C.
94
An Sir Sandford erinnern Eier auf Rauchfleisch: der Rocky Mountaineer von Vancouver nach Calgary
95
1.700 Kilometer bis zu den Eisbären: über Permafrost-Böden von Winnipeg nach Churchill
96
Die Bahn, dank der British Columbia kanadisch wurde: The Canadian von Toronto nach Vancouver
97
Indian Summer und Eisenbahnhotels wie aus dem Märchenbuch: von Québec über Montreal nach Toronto
Mittel- und Südamerika
98
Kupferschluchten mit Gleisanschluss: im Chepe von Los Mochis nach Chihuahua
99
Auf den Spuren der Inka: von Cusco nach Machu Picchu oder Puno am Titicacasee
100
Lokomotivendampf statt Wolken: im Tren a las nubes von Salta nach La Polvorilla
101
Quer durch den atlantischen Regenwald: von Curitiba nach Paranaguá
Stichwortverzeichnis
Der Verleger nebst Gattin unterwegs von Sydney nach Perth …
ist unser Verlag jung, stets auf der Suche nach neuen Ideen, leserfreundlichen Informationen, modernen Konzepten – wie hier der Jubiläumsband 101 Reisen mit der Eisenbahn.
Vor ziemlich genau 30 Jahren führte mich eine meiner Australien-Reisen von Ost nach West, von Sydney nach Perth. Der Indian Pacific brachte mich über 4.352 Kilometer und nach rund 65 Stunden an den Indischen Ozean. Dazwischen liegt in der baumlosen Nullarbor-Ebene die längste gerade Schienenstrecke der Welt. Tausende Kilometer geht es auf einer endlosen Ebene dem Horizont entgegen.
Diese Zugfahrt ist noch heute für mich ein Erlebnis der besonderen Art. Nicht nur die wunderbaren Gespräche mit mitreisenden Australiern und Menschen aus aller Herren Länder, nein, abends wurde im Salon Musik aufgespielt, denn hier stand ein leicht verstimmtes Klavier. Aber das tat der Stimmung keinen Abbruch. Beim Genuss von australischem Bier und Wein wurde die „Waltzing Matilda“ geschmettert, jenes etwas melancholische Lied, das so gut zur Stimmung Australiens passt.
Und so weckte die Idee, im 30. Jubiläumsjahr einen Band „101 Reisen mit der Eisenbahn“ herauszugeben, alte Erinnerungen – und Begeisterung. Das Buch soll ein Ideengeber sein für eine andere Art des Reisens, für kommende Eisenbahn-Fans oder solche, die einfach nur einmalig eine Zugfahrt auf den verschiedenen Kontinenten oder Strecken mit hohem emotionalen Wert erleben möchten.
Immer geradeaus geht es mit dem Indian Pacific durch die Nullarbor Plain
Nun bitte, einfach stöbern, es geht los in die Abenteuerwelt der schönsten Bahnstrecken der Erde.
Michael Iwanowski
Stopp unterwegs
… die Zeit vertrieb man sich mit dem ein oder anderen Glas Wein und Pianomusik
Ohne die Eisenbahn gäbe es vermutlich keine ungarische Salami. British Columbia an der Pazifikküste wäre vermutlich ein Staat der USA und nicht kanadisch und einige der schönsten Ecken der Schweiz blieben für Touristen unerreichbar. Die Eisenbahn steckt voller Geschichten und hat Geschichte gemacht. Bevor die Eisenbahn durch Deutschland fuhr, gab es in jedem Fürstentum eine andere Zeit. Erst als die Bahn kam, musste man sich auf eine gemeinsame Uhrzeit einigen und der Wilde Westen Amerikas hörte auf, wild zu sein.
An so etwas darf man denken, wenn man per Bahn durch die Landschaft und ferne Länder rollt. Das kann gemächlich geschehen, wie in Vietnam oder mancherorts in den USA, wo die Bahnen noch mit Tempo 80 (oder langsamer) durch das Land fahren, oder in rasender Fahrt mit dem deutschen ICE 3, dem französischen TGV oder anderen vergleichbaren Zügen in Spanien, Italien, Japan oder China.
Auch an die Eisenbahningenieure soll erinnert werden, die es wagten „unmögliche“ Gebirgsübergänge in den Alpen, in den Anden, in den Rocky Mountains oder hinauf nach Tibet zu planen und zu bauen oder Schienen quer durch unendliche Wüsten zu legen.
Zugfahren ist eine besonders edle, weil anregend-entspannende Art zu reisen. Vom Flugzeug aus schaut man auf Wolken herab. Die sehen dann in aller Welt aus, wie die zuhause auch. Autofahren ist – wenn überhaupt – nur für Mitfahrer ein Vergnügen. Wer am Steuer sitzt, sieht den Vordermann, die Verkehrszeichen, das Navi und Probleme. Dazu versperren Lärmschutzwände die Sicht, und die gleichen sich rund um den Globus. Auf Eisenbahnen achtet niemand. Man fährt durch die Hinterhöfe thailändischer Siedlungen oder an Schweizer Villen vorbei. Dazu geht es über tollste Brücken, längste Tunnel und stundenlang durch australische Landschaft. Niemand ist am Sitz festgebunden. Man kann durch den Zug wandern und lernt viele Menschen kennen.
Geballte Zug-Kraft, in Meiningen (S. 32) werden Dampflokomotiven gewartet und sogar noch gebaut
Die Eisenbahn veränderte die Welt. Das war das Motiv für den mit-berühmtesten Präsidenten der USA, Abraham Lincoln, 1862 den Bahnbau in Richtung Pazifik voranzutreiben, und das durch unendliche Graslandschaften und Gebirge, in denen Trassen in Felswände hineingesprengt werden mussten, um überhaupt einen Weg für die Schienen und die Besiedlung des amerikanischen Westens zu ebnen. All das kann einem durch den Kopf gehen, wenn man wieder einmal – Eisenbahnfans sind Wiederholungstäter – am Fenster eines Zuges sitzt.
„Du lernst wieder zu staunen!“ Eisenbahnfahren ist für Armin E. Möller eine Leidenschaft. „Eine Ranch, viele schwarze Fleischrinder und 50 Minuten später die nächste Ranch und kein Haus dazwischen, das erlebst du nur vom Zug aus“. Die Freude an der Bahn begann in der Kindheit. „Der Schulweg in Emmendingen in Südbaden führte an der Oberrheinstrecke vorbei, da fuhren stets die interessantesten Züge, das prägt!“ Beruflich als Radiound Fernsehmann ist Armin E. Möller in der ganzen Welt unterwegs gewesen – immer gern per Bahn, wo es nur ging. Daran hat sich nichts geändert. Der Journalist ist auch nach vielen hundert Tagen (und Nächten) in Bahnen noch immer neugierig auf den nächsten Zug. Meist ist das ein durchaus bezahlbares Vergnügen: „Sehr empfehlenswert!“
Ein Danke geht an alle, die uns bei diesem Buch unterstützt haben: Frank Niggemann (fn), Edda, Michael und Gabriel Neumann (emgn), Volker Häring (vh), Roland Dusik (rd), Dieter Reichenbach (dr), Helmut und Uta Wicke für Australientipps, Josephine Wasch, die Hintergrundwissen zu den kanadischen Bahnen lieferte, Matthias Albrecht und Guido Aellig, Schweizer Bahnfans, die die Schweiz-Texte durchgesehen haben, Olaf Bock von Gersum, der jede Schwelle der mexikanischen Kupferschluchtenbahnen kennt, und Ursula Möller, die geduldig einen Text nach dem anderen auf Verständlichkeit durchgesehen hat und protestierte, wenn irgendetwas nur noch von „Pufferküssern“ verstanden wurde.
Eisenbahnfahren ist unvergleichlich. Und keine Strecke gleicht der anderen. Deshalb ist dieses Buch entstanden. Ein Buch mit 101 Eisenbahnen. Eine höchst willkürliche Auswahl nach der Art: Bahnstrecken, die ich liebe. Von denen ich erzählen möchte, die eine Fahrt lohnen.
Bleibt noch der Hinweis auf die ungarische Salami. Das Rezept dafür brachten italienische Metzger mit, die den italienischen Bahnarbeitern (sie sind Spezialisten im Bahnbau) folgten. Die Ungarn übernahmen die Idee für diese Spezialität. British Columbia entschied sich für Kanada, weil die Kanadier den Siedlern hier an der Pazifikküste eine Bahn vom Atlantik her versprachen. Der Zug The Canadian erinnert daran zwei bis drei Mal pro Woche. Und wer mit der Albula-Bahn nach St. Moritz fährt, sieht die Postkartenschweiz und die Kirche von Bergün gleich drei Mal, nur in Schleifen rund um den Ort gewinnt der Zug an Höhe. Und dann wäre da noch der russische Zar, der die Transsibirische Eisenbahn bauen ließ, um sein Reich zu einen…
Eisenbahn kann begeistern. Vom Zug aus kann man die Welt erleben. Hier sind 101 Vorschläge dafür.
Armin E. Möller
Wuppertaler Schwebebahn: über 100 Jahre alt und immer noch höchstmodern
„Was nutzt ein mondänes Seebad, wenn es nur unter Strapazen zu erreichen ist?“, dachte sich Friedrich Franz III. von Mecklenburg 1886. Deshalb wurde beschlossen, eine Eisenbahn von Bad Doberan, wo die Hauptbahn von Wismar nach Rostock hielt, nach Heiligendamm (s. Kasten) zu bauen. Der „allerhöchste Wille“ des Großherzogs sorgte dafür, dass es keinerlei Widersprüche gab. Dabei stört die Bäderbahn auch heute noch ganz erheblich, fährt sie doch ähnlich einer Straßenbahn mitten durch Bad Doberan. An einigen Stellen wird es so eng, dass sich die Fußgänger an die Häuserwände drücken müssen, wenn „Molli“ mit lautem Getöse naht.
Die Strecke beginnt am DB-Bahnhof von Bad Doberan. Schon dort einzusteigen wäre allerdings schade, denn hinter der Haltestelle „Stadtmitte“ sowie vor dem Stopp „Goethestraße“ gelingen die besten Fotos von der dampfenden und fauchenden Bahn vor der städtischen Häuserkulisse. Weil die Straßen hier schon zu Zeiten des Großherzogs nicht sehr breit waren, entschieden sich die Eisenbahnplaner für eine ungewöhnliche, weil sehr schmale Spurweite von 90 Zentimetern. Die Wagen zu beschaffen war einfach: Die Waggonfabrik in Wismar, nicht weit von Bad Doberan, baute Eisenbahnzüge in jeder gewünschten Spurweite. Die Dampfloks sind heute die Hauptattraktion. Deshalb werden sie auch ersetzt, wenn sie ihren letzten Pfiff mit der Dampfpfeife abgegeben haben.
Seit einigen Jahren müssen die Lokführer noch mehr als vorher darauf achten, ob sich ihnen und ihrer Bahn ein übereifriger Fotoamateur in den Weg stellt. Eisenbahnfans reisen von weither an, um die prominente Lok Nr. 99.2324 sehen. Sie wurde 2008/09 von der ersten Schraube bis zur Endlackierung im Dampflokwerk Meiningen (s. S. 32) nach den Vorbildern der Reichsbahn-Baureihe 99.32 neu gebaut. Eine Rarität, die man hier besichtigen kann, wurde in Deutschland doch vorher ca. 50 Jahre keine Dampflok mehr gebaut!
„Molli“ dampft heran
Deutschlands ältestes Seebad ist sicher auch sein bekanntestes. Die „Weiße Stadt am Meer“ zog ab 1793 unter dem Motto „Freude empfängt dich hier, entsteigst du gesundet dem Bade“ Erholungssuchende an und wurde spätestens im 19. Jahrhundert zum favorisierten Urlaubsort des Geld- und des Hochadels. Zu DDR-Zeiten beherbergte das Ensemble eine Kunst- und Designschule und wurde von der Regierung als Kinderferienheim genutzt, nach der Wende befand es sich in keinem guten Zustand.
Frisch renoviert und von der Weltpolitikprominenz des 21. Jahrhunderts im Rahmen des G 8-Weltwirtschaftsgipfels im Juni 2007 besucht, rückte der Bad Doberaner Stadtteil wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Bereits 2003 eröffnete das Grand Hotel Heiligendamm seine Pforten, musste jedoch 2012, ein Jahr vor dem 10. Jahrestag des Hotels und dem 220. Jahrestag der Gründung Heiligendamms, Insolvenz anmelden. Der Hotelbetrieb läuft weiter, zzt. wird mit potenziellen Investoren verhandelt.
Die 15,4 Kilometer lange Fahrt bis zur Endhaltestelle „Ostseebad Kühlungsborn West“ führt ab „Goethestraße“ in Bad Doberan Richtung Heiligendamm. Am Zwischenhaltepunkt „Rennbahn“ stoppt der Molli nur an Renntagen oder zu sonstigen Veranstaltungen. Welche Prachtentfaltung möglich ist, wenn ein Großherzog etwas zu seinem Lieblingsprojekt macht, kann in Heiligendamm angeschaut werden.
Eisenbahnfreunde, die mit dem Auto anreisen und die Bahnfahrt mit einem Besuch im „Molli-Museum“ (s. Info) in Kühlungsborn West beginnen möchten, kommen meist mit erheblicher Verspätung an. Denn entlang der Fahrstrecke von Bad Doberan nach Heiligendamm gibt es verschiedene Standorte, von denen großartige Fotos der Bahn im Schatten einer Lindenallee gelingen. Die Bäume wurden übrigens gepflanzt, weil die gut situierten Fahrgäste es im Sommer nicht schätzten, wenn es in den Wagen zu warm wurde.
Bleibt noch eine Frage zu erklären: Wie kam die Bahn zu ihrem Namen? Es wird erzählt, dass daran ein Mops Schuld hat, der laut bellend auf den Zug zu stürmte. Seine Herrin rief daraufhin: „Molli, bliev stahn!“. Der Lokführer zog die Notbremse und die Bahn hatte ihren Namen weg.
Strecke: 15,4 Kilometer von Bad Doberan über Heiligendamm bis Ostseebad Kühlungsborn West
Information: Molli fährt ganzjährig, im Sommer von ca. 8–19 Uhr stündlich. In der Saison dürfen Fahrräder mitgenommen werden, die Radwege entlang der Ostsee beginnen an den Bahnhöfen. Ein Salonwagen mit Speisen und Getränken fährt von ca. 10–17 Uhr mit. Erw. 6,50 €, Kinder 6–14 J. 4,90 € (jeweils einfache Fahrt, ganze Strecke), Gruppen-, Familien- und 10er-Karten erhältlich. www.mollibahn.de.
Das Molli-Museum an der Endstation in Kühlungsborn West zeigt historische Prunkstücke und erklärt liebevoll die mecklenburgische Eisenbahngeschichte. Geöffnet ist es während des Sommerfahrplans täglich von 10–17.30 Uhr. Eintritt kostenlos, Spenden erbeten. Führungen für Gruppen sind nach Voranmeldung möglich. Angrenzendes Museumscafé.
Auf „seine“ Eisenbahn lässt Zugführer Martin Rehbein nichts kommen. Seit bald 40 Jahren fährt er die Rügensche BäderBahn von Lauterbach Mole nach Göhren und wieder zurück, 27 Kilometer eine Strecke. Die technisch hochgerüsteten Bahnen auf dem Festland sind für Rügener wie ihn keine „richtigen“ Eisenbahnen. Hier bei der Kleinbahn funktioniert alles noch mechanisch und manuell: Dampflokomotiven ziehen die Züge, Weichen werden mit Muskelkraft umgelegt und ein Heizer schaufelt Kohle unter den Kessel.
Der erste Streckenabschnitt von Putbus nach Binz wurde im Sommer 1895 eröffnet, als noch niemand an eine Landverbindung hinüber zum Festland dachte. Die Rügener hatten sich für eine Schmalspurbahn entschieden, weil man sich nicht vorstellen konnte, dass die Insel einmal an das deutsche Schienennetz angeschlossen werden würde. Kleinbahnen brauchen zudem weniger Land und können engere Kurven fahren – und ihr Bau kostet weniger, das war entscheidend. Die Rügener 75-Zentimeter-Spur ist in etwa halb so breit wie die international übliche Normalspur (1,435 Meter) der „großen“ Eisenbahnen.
Zunächst fuhr die Kleinbahn mit gerade einmal 20 km/h über die Insel. Vor etwa 80 Jahren wurde die Geschwindigkeit um 50 Prozent auf damals sagenhafte 30 km/h gesteigert, was dem Bähnchen den Spitznamen „Rasender Roland“ einbrachte. Warum gerade „Roland“ und nicht „Fritz“ oder „Emil“, das weiß heute niemand mehr. Wahrscheinlich war es die Alliteration, die sich anbot und vor allem bei der Werbung half. Während anderswo Dampfloks aufs Abstellgleis fuhren und durch Diesel- und Elektroloks ersetzt wurden, setzten die Rügener weiterhin auf Dampf.
Bei der Kleinbahn ist die Zeit stehen geblieben. Wie schon im vorvorigen Jahrhundert rufen die Zugführer laut und für alle hörbar „Einsteigen!“. Erst nach dem Ruf und einem Pfiff der Trillerpfeife fährt der Rasende Roland los. Für viele Fahrgäste ist dieses Drum und Dran wichtiger als die Aussicht auf Rügens landschaftliche Schönheiten. Schade eigentlich, denn die Trasse führt über sanfte Hügel, blühende Wiesen, weite Felder und mitten durch dichte Wälder. Deshalb wird auch an jedem Wagen vorsorglich auf die Waldbrandgefahr etwa durch weggeworfene Zigarettenkippen hingewiesen.
Roland „rast“ durch weite Felder
Neben den Schmalspurzügen fahren für die Rügensche BäderBahn auch Schienenbusse auf der Normalspur. Sie verbinden Bergen, wo man in die Intercity- und Regional-Express-Züge nach Stralsund umsteigen kann, mit Lauterbach Mole.
Die Schienenbusstrecke ist wegen ihrer Gleise mit drei Schienen eine Besonderheit. Das Gleis mit der Spurweite 75 Zentimeter wurde um eine Schiene daneben erweitert, damit auch die Normalspurzüge die Trasse nutzen können.
Es gibt sogar eine Bergstrecke: Von Binz aus geht es zum Haltepunkt „Jagdschloß“ hinauf. Das Jagdschloss Granitz mit seinem 38 Meter hohen Turm wurde auf dem 107 Meter hohen „Tempelberg“ Mitte des 19. Jahrhunderts in einem Laubwald errichtet.
Eisenbahninteressierte wollen als Fahrgäste einer solchen Bahn möglichst „historisch“ unterwegs sein. 1915 wurden die ältesten Wagen der Rügenbahn gebaut. Fünf der Dampfloks sind Vorkriegsmodelle, die letzten Neuanschaffungen wurden 1953 getätigt. Die Rügensche BäderBahn ist dennoch keine Museumsbahn: Die Loks und Wagen werden regelmäßig von Grund auf saniert und die Züge fahren ganzjährig streng nach Plan, wenn auch die meisten Bahnnutzer die sommerlichen Feriengäste sind.
Häufig wird Zugführer Rehbein in der Hochsaison gefragt, warum auf einigen Wagen außer dem Kürzel „RüBB“ der Name „Fichtelbergbahn“ steht. Die Antwort ist simpel: Im Sommer schicken die Erzgebirgler Wagen nach Rügen. Dafür hilft die Inselbahn aus, wenn am Fichtelberg die Skifahrer die Züge stürmen. Diese ostdeutsche Kleinbahn-Connection hilft hier wie da Kosten zu sparen und Saisonspitzen zu bewältigen.
Anders als früher steigen die Fahrgäste heute liebend gerne in die alten Dritte-Klasse-Wagen der Rügenschen Kleinbahn ein, denn die „Holzklasse“ wurde von oben bis unten aufgemöbelt. Wer neben einem Kanonenofen, mit dem im Winter geheizt wird, auf Holzbänken und vor Fenstern mit Gardinchen sitzend durch Rügen fährt, wird in Urgroßvaters Zeiten zurückversetzt.
Und wem das nicht reicht, der kann sich feste Schuhe, eine Latzhose, Arbeitshandschuhe und -jacke sowie eine Schirmmütze anschaffen und sich in 10 Tagen zum „Dampflokführer ehrenhalber“ ausbilden lassen. Dieser Spaß kostet 720 Euro, wenn der Kandidat laut Meldeliste an der Reihe ist – der Rasende Roland hat eben viele glühende Verehrer.
Strecke: 27 Kilometer von Lauterbach Mole über Putbus und die bekannten Ostseebäder Binz und Sellin nach Göhren auf der Halbinsel Mönchgut
Information: Fahrtzeit ganze Strecke ca. 2 Std.
In der Hauptsaison von Anfang Mai bis Anfang Oktober von 8–20 Uhr im Zwei-Stunden-Takt von Putbus (in den Kernzeiten von Lauterbach Mole) nach Göhren, stündlich bis 22.45 Uhr von Binz nach Göhren. Verschiedene Preisstufen: Einzelfahrt ganze Strecke (Preisstufe 5) Erw. 9 €, Kinder 6–13 J. 4,50 €, Familienkarte (2 Erw., 3 Kinder) 19 €. Auch Tages-, Wochen- und spezielle Fahrradkarten erhältlich. www.ruegensche-baederbahn.de.
Um „original pommersche Küche“ zu essen, geht man im Seebad Heringsdorf ins Bahnhofslokal. Hier werden keine Bierhähne auf- und zugedreht, vielmehr drückt und zieht der Wirt Hebel, die aus alten Stellwerken stammen, um Blondes oder Schwarzes zu zapfen. Folgerichtig heißt das Lokal, eine Mischung aus Eisenbahnmuseum und Restaurant, dann auch Stellwerk. Als nach der Wende 1990 die alte Reichsbahn-Mechanik durch elektronisch gesteuerte Technik ersetzt wurde, retteten die Usedomer Eisenbahnfreunde die ausrangierten Teile vor der Verschrottung und brachten sie hierher. Der etwas abgelegene Bahnhof konnte etwas mehr Betrieb durchaus gebrauchen, es war viel zu ruhig hier.
Das hing mit der Geschichte des 1894 erbauten Stationsgebäudes zusammen. Im Kaiserreich hatten die Heringsdorfer der Bahn diesen Platz zugewiesen, weil sie keine lauten und rauchenden Züge mitten durch ihren Ort fahren lassen wollten. Darunter leidet die Ecke rund um den Bahnhof bis heute. Auch wenn im Sommer die Triebwagen der Usedomer Bäderbahn (UBB) im 30-Minuten-Takt halten, fehlte es der Station lange an Besuchern. Deshalb wurde nach Attraktionen gesucht, mit denen sie aufgewertet und für Usedom-Gäste interessant gemacht werden konnte. Dass der Bahnhof so etwas verdiente, darüber gab es keinen Zweifel, schließlich hatte die Eisenbahn vor dem Ersten Weltkrieg erheblich zum Aufschwung der Insel beigetragen.
Bequemer als mit dem Zug konnte man in der Kaiserzeit nicht nach Usedom reisen. Dass es in den Zügen reichlich 1. Klasse-Abteile gab, war dem Klientel geschuldet: Bankiers, Industrielle und der Adel hatten sich auf Usedom Sommerresidenzen und Ferienvillen zugelegt. Und dass der Kaiser höchstselbst liebend gerne die Insel besuchte, trug zur Attraktivität erheblich bei. Dazu passte keine kleine Bahnstation, ein großzügiges Gebäude samt Bahnhofsgaststätte musste her. Hier traf sich der Geldadel zu den Rennen auf der Pferderennbahn gleich nebenan.
Ein GTW-Triebwagen der Baureihe VT 646 auf der Fahrt nach Świnoujście Centrum
Später dann galt der Kleinstadtbahnhof als überdimensioniert. Immerhin ist er seit 1994 der Verwaltungssitz der UBB, deren Triebwagen man an den mit aufgemalten blauen Wellen geschmückten Triebwagen erkennt. Mit ihr kann man an der Ostküste Usedoms entlang fahren, von Peenemünde über Zinnowitz (Umstieg) bis ins polnische Świnoujście – vor 1945 deutsch und als „Swinemünde“ bekannt – fahren. Auch wenn sie sich „Bäderbahn“ nennt, direkt entlang der Ostsee fährt sie nur an einer Stelle: Zwischen den Stationen Zempin und Koserow kann man von der Bahn aus sowohl die Ostsee auf der einen Seite der Insel als auch das Achterwasser auf der anderen Seite sehen. Die Fahrt dorthin führt an zwei Binnenseen vorbei und durch Buchenwälder hindurch.
Karnin ist ein Stadtteil von Usedom (Stadt). Hinter dem ehemaligen Bahnhofsgebäude, auf dessen Schild der Ortsname noch mit „C“ geschrieben wurde, hat man von den alten Schienen aus den besten Blick auf das technische Denkmal Hubbrücke.
Damit die Bahn die letzten eineinhalb Kilometer von der deutsch-polnischen Grenze hinter Ahlbeck in den polnischen Teil Usedoms (polnisch Uznam) fahren darf, musste die Bäderbahn die Tochterfirma UBB Polska gründen. Seit 2008 funktioniert dieser Schienen-Grenzverkehr bestens.
Schwere Züge gibt es auf Usedom nicht. Die Peenebrücke Wolgast, die die Insel mit dem Festland verbindet, ist dafür nicht gebaut. Die 54 Kilometer einspuriger Schienenweg auf der Insel werden von Diesel-Stadtbahnzügen (DB Baureihe 646) bedient, wie sie sonst rund um Großstädte üblich sind, wo es keine Elektrooberleitungen gibt. Dass sie auf der Normalspur über die Insel fahren, hat mit ihrer Geschichte zu tun, wie auch die Kilometerangaben dieser Eisenbahnlinie im offiziellen deutschen Eisenbahnatlas (Nr. 6768). Danach wird der Kopfbahnhof von Heringsdorf bei Bahnkilometer 208,6 erreicht. Bahnhofsform und Entfernungsangabe stammen noch aus der Zeit, als die Züge direkt von Berlin über Ducherow, Karnin und Usedom (Stadt) zum Endhaltepunkt Heringsdorf fuhren.
Für diese Strecke war 1933 die Hubbrücke Karnin über den Peenestrom zur Insel gebaut worden, als Herzstück einer 360 Meter langen Brückenanlage. Das 35 Meter hohe und 52 Meter lange Hubgerüst steht heute noch wie ein riesiges Tor mitten im Wasser. Die beiden Brückenteile, die es links und rechts mit der Insel und dem Festland verbanden, wurden am 30. April 1945 gesprengt, um der Roten Armee den Zugang nach Usedom zu versperren. Der Schienentrog der Hubbrücke war zuvor hochgefahren worden, damit deutsche Marineeinheiten mit ihren Schiffen Sicherungsfahrten durchführen konnten, bevor sie am 5. Mai 1945 vor den Russen flohen. Weil die alte Trasse über das nach dem Krieg polnische Swinemünde führte, wurde der Zustand der Karniner Brücke zu Zeiten der DDR – wohl aus Kostengründen – so belassen. Auf Usedom aber kämpft man jetzt zusammen mit den Polen um die Wiederinbetriebnahme der Brücke, damit sie nicht länger ein Eisenbahndenkmal bleibt, sondern Insel und Festland wieder verbindet – die Inselbahn hätte es verdient!
Strecke: Die 13 Kilometer lange Nebenstrecke ab Peenemünde endet in Zinnowitz und trifft hier auf die Hauptstrecke, die über die Station „Wolgaster Fähre“ vom Festland her kommt. Ca. 30 Kilometer geht es weiter über die Seebäder Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck nach Świnoujście.
Information: Die Nebenstrecke wird stündlich bedient, die Hauptstrecke halbstündlich (Sommer-Fahrplan). Von Peenemünde nach Świnoujście gilt Preisstufe 4, einfache Fahrt Erw. 8 €, Kinder 6–14 J. 4 €. Usedom-Ticket für 4 Pers. 29 €. www.ubb-online.de.
Wo beim Schienenbus T 1, der in den 1940er-Jahren in Wismar gebaut wurde, vorn und hinten ist, weiß niemand. Die Konstrukteure haben sich seinerzeit am Aussehen der Lastwagen orientiert. Diese hatten einen Vorbau, in dem ein bulliger Motor wummerte. Der T 1 hat gleich zwei davon, einen vorn und einen hinten, und zwei Führerstände dazu. 1998 stieg man von Benzin- auf Dieselmotoren um. Das Vorne-wie-hinten-Prinzip erspart ein aufwändiges Getriebe mit einem Rückwärtsgang. Wenn der Schienenbus die Fahrtrichtung ändern soll, wechselt sein Fahrer einfach die Seite und fährt dorthin zurück, woher er gekommen ist. Das rot-gelbe Gefährt ist eine der Attraktionen der Borkumer Kleinbahn und wird wegen seines Aussehens scherzhaft „Schweineschnäuzchen“ genannt.
Die Insel Borkum ist die westlichste der deutschen Nordseeinseln und die größte in der Gruppe der Ostfriesischen Inseln. Die Borkumer Kleinbahn verbindet auf der Insel den Anleger Borkum-Reede, wo die Fähren von Emden Außenhafen und Eemshaven in den Niederlanden anlegen, mit Borkum-Stadt. Sie ist eine „richtige“ Bahn, ihre 7,6 Kilometer lange, doppelspurige Strecke steht deshalb auch unter Nummer 9153 im amtlichen Eisenbahnatlas der Deutschen Bahn.
Je nach Zug bewegt man sich mit 20–30 km/h über die Insel, für Borkum ist das schon schnell. Was aus dem Zugfenster heraus zu sehen gibt, lässt sich mit Friesland kompakt einigermaßen treffend beschreiben. Bis zur Station „Jakob-v-Dyken-Weg“, dem einzigen Haltepunkt entlang der Strecke, geht es vom Hafen durch die Wattlandschaft der Insel, durch Woldedünen und danach durch Buschland, das bei den Insulanern schon als Wäldchen gilt.
Die Dampflok Borkum mit dem Sonderwagen 39 sowie den Personenwagen 101 und 104
Die Bahn hatte lange Zeit militärische Bedeutung: Borkum war bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges militärisches Sperrgebiet und die Feuerstände wurden per Inselbahn versorgt. Militärzüge fuhren auf den 90-Zentimeter-Gleisen kreuz und quer über die Insel. Sie nutzten auch die ersten Trassen, die von 1888 stammen. Nicht gar so alt sind die Dieselloks, die vor die Züge mit ihren bis zu acht Wagen plus Gepäckwagen gespannt werden. Sie wurden, auch wenn sie alt aussehen, erst 1993/94 angeschafft.
Auf Borkums Nachbarinsel Juist fuhr ab 1898 auf einer 2,8 Kilometer langen Strecke die erste motorbetriebene Inselbahn Deutschlands, leider nur bis zur Stilllegung 1982. Die Militärbahn Norderney (bis 1947) war nicht für Badegäste bestimmt, ebenso wenig die Baltrumer Inselbahn, mit der bis 1985 nur Güter transportiert wurden. Gäste der Insel Langeoog können sich wie auf Borkum vom Fährhafen in den Ort fahren lassen (www.schiffahrt-langeoog.de), ebenso auf Wangerooge (www.siw-wangerooge.de). Das in der Mitte liegende Spiekeroog hatte bis 1981 eine Inselbahn, die heute nur noch als Museumspferdebahn betrieben wird.
Zur Bahn gehört hier ein eigenes Eisenbahninstandsetzungswerk – eine Pilgerstätte für Eisenbahnfans. Jeden ersten Freitag von April bis November (im Juli/August und Oktober sogar an jedem Freitag) werden hier Wagen und Loks vorgeführt, darunter der Stolz der Borkumer: ihr Salonwagen von 1905, der zu besonderen Anlässen als „Kaiserwagen“ eingesetzt wird. Die Dampflok „Borkum III“ war 30 Jahre außer Betrieb, bevor sie im Dampflokwerk Meiningen (s. S. 32) wieder instand gesetzt wurde. Sie wird dann unter Dampf gesetzt, wenn die Dampfloktage im Veranstaltungskalender stehen (s. Info).
„Schweineschnäuzchen“ in Inspektion
Selbstverständlich ist auch der Schienenbus T 1 an den Besuchertagen ein Star. Wenn er donnerstags fährt, sind seine 39 Plätze schnell ausgebucht. Man sollte auf der Insel nie etwas Schlechtes über die Kleinbahn sagen, die 2013 125-jähriges Jubiläum feierte. Die Borkumer lieben sie – und das einzigartige „Schweineschnäuzchen“ ganz besonders.
Strecke: 7,6 Kilometer von Borkum-Reede nach Borkum Bahnhof
Information: Täglich ca. von Mitte März bis Ende Oktober zwischen 7.15 und 17.40 Uhr, die Abfahrtzeiten richten sich nach den Abfahrten/Ankünften der Schiffe. Einfache Fahrt Erw. 2,40 €, Kinder 4–11 J. 1,20 €. Sonderfahrten mit dem T 1 jeden Donnerstag von März bis Dezember, Erw. 5,80 €, Kinder 2,90 €. Dampflok- und Triebwagentage im gleichen Zeitraum, vor allem an den Wochenenden, im Sommer auch unter der Woche. Die Borkumer Kleinbahn bietet zudem Werkstattführungen und einen Kurs als Ehren-Dampflokführer an. Für Feste, insbesondere für Hochzeiten, können der Kaiserwagen und der Gesellschaftswagen gemietet werden. www.borkumer-kleinbahn.de.
So etwas wie das Sonnborner Viadukt gibt es nicht noch einmal: Ganz oben auf dieser Steinbogenbrücke fahren die ICEs und Regionalzüge der Deutschen Bahn. Ganz unten, auf der Straße, ist der Verkehr so dicht, dass man kaum die Straßenseite wechseln kann. Und dann gibt es noch das Hochparterre: Hier in das Brückenrund wurden die Stelzen für die Schienen hinein gesetzt – Einschienenhängebahn ist dabei die korrekte technische Bezeichnung der berühmten Wuppertaler Schwebebahn.
In über 110 Jahren Fahrbetrieb ereigneten sich wenige Unfälle. Zwei davon gingen in die Geschichte ein:
Im Juli 1950 fiel die zu Werbezwecken für einen Zirkus eingesetzte Elefantenkuh „Tuffi“ aus der Bahn in die Wupper. Sie verletzte sich nur leicht und wurde folgend zur Markenbotschafterin eines Milchwerkes.
Am 12. April 1999 war der schwärzeste Tag der Schwebebahn. Der erste Morgenzug fuhr auf eine nach nächtlichen Bauarbeiten vergessene Schienenkralle auf, entgleiste und stürzte in den Fluss. Fünf Fahrgäste starben.
Schon von den Straßen links und rechts aus gesehen ist die Schwebebahn eine Sehenswürdigkeit. So viel Spaß es auch macht, die Bahn von unten zu bewundern und entlang der Strecke die Stützen zu zählen (wer auf 468 kommt, hat alle gesehen), die Schau von unten ist nur eine halbe Sache – man muss unbedingt eine Fahrt erleben, und das am besten von Wuppertal-Vohwinkel aus: Die Wagenhalle und die große Werkstatt sind schon Grund genug, die Schwebebahnerkundung hier zu beginnen. Wer nun einsteigt, wird merken, dass die Bahn über die Mitte befahrener Straßen hinweg „schwebt“. Dieser Abschnitt mit seinen drei Stationen wird in Wuppertal Landstrecke genannt. Die Fahrt geht bergab Richtung Wupper, nach der Station „Sonnborner Straße“ beginnt dann die Wasserstrecke, die Bahn schwebt ab hier auf ihrer Fahrt zum anderen Ende der Stadt über den Fluss.
Die Station „Kluse/Schauspielhaus“ liegt auf der „Wasserstrecke“
Jeder der 20 Bahnhöfe, an denen die Schwebebahn hält, ist eine Sehenswürdigkeit für sich. Das hat sich auch nicht geändert, nachdem sie ab 1995 renoviert wurden. Stellenweise scheint noch der Bürgerstolz durch, ohne den sich die Menschen des Bergischen Landes zu Kaisers Zeiten nie für ein solch aufwändiges Bauvorhaben begeistert hätten. Historisch gesehen geschah 1887 etwas Sensationelles: Die damals noch selbstständigen Schwesterstädte Elberfeld und Barmen – aus ihnen wurde 1929 die Stadt Wuppertal – beschlossen den Bau einer gemeinsam Hochbahn. Wer weiß, wie sich Nachbarstädte oft bekämpfen, kann darüber nur staunen. Sogar die damals selbstständige Gemeinde Vohwinkel schloss sich an.
Die Platznot im Tal der Wupper spielte bei der Entscheidung für eine Schwebebahn eine ebenso wichtige Rolle wie die große Bedeutung der Wupperregion zu dieser Zeit. Entlang des Flusses gab es schon früh Industrie. Die Menschen kamen von weither, um hier Arbeit zu finden, und entsprechend hoch war der Bedarf an einem leistungsfähigen Transportmittel. An Geld für ein Bahnprojekt fehlte es dank der florierenden Wirtschaft nicht. Nur war in Elberfeld und Barmen alles so eng bebaut, dass es fast unmöglich war, das Gelände für eine Bahntrasse zu finden. Aber über der Wupper, dem Fluss, der längs durch die 1929 zusammengeschlossenen Stadtteile fließt, war genug Raum vorhanden.
Vater des Schwebebahnprojektes war der geniale Ingenieur Eugen Langen aus Köln (s. a. Kasten S. 24). Das Know-how, wie zwischen den 21–33 Meter hohen Tragestützen die Tragebalken (man spricht auch von „Brücken“) für die Schienen zu montieren waren, stammte von Anton von Rieppel, der auch die Pläne für die in der Nähe gebaute höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands – die Müngstener Brücke (s. S. 22) – ausgearbeitet hatte. Von Rieppels Konstruktion, die in genialer Form die von den Zügen auf die Tragegerüste übertragenen Kräfte aufnimmt und ableitet, ist beispielhaft und bewährt sich bis heute.
Während des Vohwinkeler Flohmarktes
Die Schwebebahn fährt seit dem 1. März 1901 im Taktverkehr und ist bis heute das Wahrzeichen Wuppertals. Und noch heute ist sie als Stadtbahnlinie 60 des Verkehrsverbundes Rhein Ruhr (VRR) das Rückgrat des Wuppertaler Stadtverkehrs. Das eingetragene „Kulturdenkmal“ (seit 1997) ist mit Tempo 60 unterwegs und wird täglich von etwa 85.000 Menschen genutzt. Weil Jahr für Jahr die Fahrgastzahlen ansteigen, wird daran gearbeitet, die Taktzeiten an Werktagen von 3–4 auf 2 Minuten zu verkürzen.
Strecke: 13,3 Kilometer von Wuppertal-Vohwinkel bis -Oberbarmen
Information: Mo-Fr alle 3–4 Min., Sa alle 5–8 Min, So alle 7–9 Min. Erw. 2,50 €, Kinder 1,50 € (einfache Fahrt), Gruppen-Tagesticket (bis 5 Pers.) 13 €. www.schwebebahn.de.
Tipps für die Fahrt: Wer es einrichten kann, fährt die Strecke hin und zurück. Dabei schaut man sich schwebend einmal die Stadteile rechts der Wupper und danach die links davon an.
Wie die Bahnhöfe früher einmal ausgesehen haben, lässt sich an der Station „Werther Brücke“ erkennen. Hier sind noch viele Jugendstilelemente aus der Zeit um 1900 auszumachen, weshalb dieser Bahnhof mit der berühmteste der Schwebebahn ist. Der Ausstieg lohnt sich!
Ausflugstipp: Ein Besuch der Schwebebahn lässt sich bestens mit einer Tour zur Müngstener Brücke (s. S. 22) verbinden.
Die Bahnen, die das Bergische Land durchfahren, sind keine Gebirgsbahnen, wie es sie im Schwarzwald oder in den Alpen gibt. Sie kommen deshalb ohne Haarnadelkurven und Spiraltunnel aus. Die Strecke von Wuppertal nach Solingen führt durch einen einzigen Tunnel – und der ist so kurz, dass es sich kaum lohnt, ihn zu erwähnen. Dennoch: Gerade diese Eisenbahnlinie hat es 1997 zu ihrem 100-jährigen Bestehen auf eine Sonderbriefmarke geschafft.
Das liegt am Streckenabschnitt zwischen Remscheid-Güldenwerth und Solingen-Schaberg. Diese Stationen sind nur 2,25 Kilometer Luftlinie voneinander entfernt, auch das ist kaum der Rede wert – doch zwischen Güldenwerth und Schaberg fließt die Wupper. Der Fluss war für Eisenbahnbauer lange Zeit ein schier unüberwindbares Hindernis, denn sein Tal war hier über 100 Meter tief.
Im späten 19. Jahrhundert wurde hier dennoch dringend eine Bahn benötigt. Entlang der schnell fließenden Wupper gab es damals schon viele Industriebetriebe, die die kräftige Strömung nutzten, um per Wasserkraft ihre Maschinen anzutreiben. Nur mit dem Warenverkehr haperte es. Weil die Schlucht bei Müngsten eine direkte Verbindung von Barmen und Elberfeld – aus den Schwesterstädten wurde 1929 die Stadt Wuppertal – nach Solingen unmöglich machte, waren die Fuhrleute 42 Kilometer lang unterwegs, um den Fluss zu überqueren. Eine Eisenbahn und eine Eisenbahnbrücke sollten diese Umwegfahrten ein für alle Mal beenden.
Als der Bau der Müngstener Brücke (ehemals Kaiser-Wilhelm-Brücke) beschlossen wurde, baute man die meisten Brücken noch aus Stein. Diese Bauweise schied aber aus, weil eine Steinbrücke über die Wupper zu wuchtig und zu teuer geworden wäre. Der Ingenieur Anton von Rieppel schlug stattdessen vor, eine Brücke ganz aus Eisen zu konstruieren. Ein einziger Stahlbogen mit 170 Metern Stützweite sollte den Fahrweg tragen. Dabei, so sein Plan, sollte die Brücke aus normierten Teilen zusammengesetzt werden, ähnlich wie beim Spiel mit einem Metallbaukasten. Auch das war völlig neu.
So filigran sieht die Brücke von unten aus
Der kürzeste Weg zur Brücke beginnt an der Autobahn 1, Abfahrt Remscheid-Lennep, und von dort auf der kurvenreichen Bundesstraße 229 den Berg hinab in Richtung Solingen. Genau am Talgrund ist das Ziel erreicht, die Wupper bei Müngsten. Hier wird das Auto abgestellt, bis zur Brücke muss man dann ein paar Meter zu Fuß gehen. Nach der Besichtigung bietet es sich an, nach Wuppertal weiter zu fahren und der Schwebebahn (s. S. 20) einen Besuch abzustatten.
Dass sein Konstruktionsprinzip funktionieren würde, stand für von Rieppel fest. Als Generaldirektor der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) hatte er Erfahrung mit vergleichbaren Bautechniken sammeln können, wenn auch an deutlich kleineren Objekten. Sensationell war für seine Zeit auch die Idee, die Brücke im „freien Vorbau“ zu errichten. Das ersparte die Aufstellung von Baugerüsten.
Statt wie früher Tragebögen in mehreren Etagen zu bauen, nieteten die Stahlbauer nun Gitterstücke zusammen. Der Fachbegriff „Stahlfachwerk“ beschreibt, worum es dabei geht. Mit ihren Fachwerkelementen überbrückten sie auf 465 Metern in 107 Metern Höhe die Wupper. Eine Meisterleistung, denn eine höhere Eisenbahnbrücke gibt es in Deutschland bis heute nicht.
Früher kannten nur Eisenbahnhistoriker und -interessierte dieses Bauwerk. Inzwischen muss das Auto meist schon auf den Parkplätzen entlang der Bundesstraße 229 abgestellt werden, um danach entlang der Wupper zur Brücke zu gehen. Die Briefmarke und das Jubiläum machten sie populär. Zudem wurde zur Regionale 2006 der Müngstener Brückenpark ausgewiesen, wo Events stattfinden und jedes Jahr im Oktober ein Brückenfest gefeiert wird.
Eisenbahnbrücken altern. Deshalb müssen heute beachtliche Mittel investiert werden, damit die über 115 Jahre alte, zweigleisige Brücke befahrbar bleibt. Für den Güterverkehr ist sie ohnehin schon seit langem gesperrt, und Personenzüge dürfen sie nur befahren, wenn sie unter einem bestimmten Gesamtgewicht bleiben. Eine Komplettsanierung bis 2016 ist beschlossen, dafür wird die Brücke zwischendurch längere Zeit gesperrt, weil Teile ausgetauscht werden müssen. Die dafür notwendigen statischen Berechnungen sind mindestens genauso kompliziert wie die Rechenwerke, die Anton von Rieppel zur Kaiserzeit erarbeitet hat. Aber über zwei Dinge sind sich alle Verantwortlichen einig: Erstens darf die Müngstener Brücke auf keinen Fall ein nutzloses Baudenkmal werden, zweitens muss die Verbindung über die Wupper zwischen westlichem und östlichem Bergischen Land erhalten bleiben.
Strecke: 35 Kilometer von Wuppertal-Oberbarmen nach Solingen Hbf (42 Kilometer ab Wuppertal Hbf)
Information: Die Regionalbahn 47, genannt „Der Müngstener“, fährt derzeit nicht umstiegsfrei von Wuppertal über die Müngstener Brücke nach Solingen, es muss in Remscheid Hbf umgestiegen werden. Es gilt Preisstufe B des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR), Erw. 5,10 €, Kinder 1,50 € (einfache Fahrt), Gruppen- und Tagestickets erhältlich. www.vrr.de.
Die Strecke von Köln nach Aachen ist deutlich älter als der Kölner Hauptbahnhof selbst. 1841 fuhr hier schon die erste Bahn, damals gab es in Deutschland erst sechs Bahnlinien. Bald gingen vier weitere Bahngesellschaften mit ihren Strecken und eigenen Bahnhöfen in Betrieb, der Bau eines Großbahnhofes war jetzt eine Notwendigkeit. Und der sollte kein nüchterner Zweckbau werden, sondern ein Prunkstück. Er musste, darauf bestand die preußische Obrigkeit, im Schatten des Doms gebaut werden, sozusagen als „Kathedrale des Fortschritts“. Das war durchaus ein politisches Statement: Das Königreich wollte dem Klerus zeigen, wer Herr im Staate Preußen war. 1859 hielten dann die ersten Eisenbahnzüge im neuen Centralbahnhof und fuhren über die gleichzeitig eröffnete Dombrücke. Der Bahnhof stieß schon bald an seine Kapazitätsgrenzen, es musste ein größerer Bau her.
Vor dem Bahnhof Köln Messe/Deutz steht ein Denkmal, das einen der ersten Otto-Motoren darstellt. Diese Motorenart arbeitet heute noch in Autos und wurde hier in Köln-Deutz von Nicolaus August Otto unter Mitwirkung von Eugen Langen, dem Vater der Wuppertaler Schwebebahn (s. S. 20), erfunden.
Der neue Hauptbahnhof sollte, so wünschte man es sich Berlin, „grandios“ werden. Neueste Bautechniken waren dafür gerade gut genug. Das Ergebnis war 1894 fertig: Eine Halle von 255 Metern Länge, 64 Metern Breite und mit einer Scheitelhöhe von 24 Metern – Ausmaße, wie es sie in Deutschland kein zweites Mal gab. Die Bogenträger aus Stahl halten Eisenrahmen mit Glas. Solche Glaspaläste gab es sonst nur in England, wo diese Technik beim „Crystal Palace“ zur Weltausstellung 1851 in London erstmals angewandt wurde. An der Themse stand auch eine noch größere Bahnhofsbogenhalle, die der St. Pancras Station, 74 Meter breit.
Die Dombrücke wurde 1911 durch die Hohenzollernbrücke ersetzt. Sie führt wie ihre Vorgängerin genau in der Verlängerung der Längsachse des Kölner Doms über den Strom, dies hatte ursprünglich der König von Preußen höchstselbst bestimmt. Heute lohnt sich der Spaziergang auf dem Fußgängerweg an der südlichen Seite der Hohenzollernbrücke nicht nur wegen des Ausblicks auf das grandiose Stadtpanorama, sondern auch, weil sich hier zeigt, wie subtil das Königreich achsengenau die hohe Geistlichkeit zu ärgern verstand.
Aber nicht nur wegen des Panoramas gehen sowohl Touristen als auch Einheimische über die Brücke. Liebespaare hängen Vorhängeschlösser mit ihren eingravierten Namen und den Kennenlern- oder Hochzeitsdaten in das Gitter, das die Bahngleise vom Fußgängerweg trennt. Danach werfen sie die Schlüssel als Schwur für die Ewigkeit in den Fluss. Inzwischen sind es so viele Schlösser, dass an vielen Stellen nichts mehr vom Gitter zu sehen ist und sich manch einer schon Sorgen um die Statik der Brücke machte.
Für Eisenbahnfans ist die Fahrt vom rechtsrheinischen Bahnhof „Köln Messe/Deutz“ zum linksrheinischen Hauptbahnhof Pflicht. Und das nicht nur, weil die Hohenzollernbrücke die meistbefahrene Eisenbahnbrücke Deutschlands ist, sondern auch die beidseitige Aussicht auf den Rhein lohnt die Kurzstreckenkarte. Wer sich für mehr als die Eisenbahn interessiert, sollte die Standbilder an den Brückenrampen beachten, sie zeigen die vier Preußenkönige und -kaiser hoch zu Ross.
Die Schlösser an der Hohenzollernbrücke, im Hintergrund der Dom
Die Fahrt von Köln nach Aachen