111 Gründe, Vegetarier zu sein - Anne Lehwald - E-Book

111 Gründe, Vegetarier zu sein E-Book

Anne Lehwald

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Beschreibung

Vegetarier sind Kummer gewohnt. 'Körnerfresser', 'Öko-Hippies', 'Spaßbremsen' - um mal ein paar der netteren Beleidigungen zu nennen. Die Zahl der Vegetarier nimmt zwar kontinuierlich zu - in den 1980er-Jahren lebten in Deutschland nur 0,6 Prozent aller Menschen vegetarisch, jetzt sind es, je nach Definition und Quelle, bis zu 15 Prozent, der Vegetarierbund Deutschland geht von sieben Millionen Vegetariern in Deutschland aus. Aber solange Sprüche wie 'Ach, du bist Vegetarier - dann isst du also meinem Essen das Essen weg?' für Lacher sorgen, gibt's noch einiges zu tun an der Aufklärungsfront. Zum Glück sind Vegetarier sehr tolerant und friedliebend und vor allem sehr geduldig. Vielleicht liegt das daran, weil sie über die Jahre gelernt haben, mit Vorurteilen umzugehen. Vielleicht kommt die Entspanntheit und Zuversicht aber auch von dem Yoga, das viele Vegetarier praktizieren. Der weise Yogalehrer Pattabhi Jois sagte einst: 'Praktiziere es, der Rest kommt von selbst.' Vielleicht ist es mit dem Essen ja wie mit dem Yoga - es braucht einfach seine Zeit, bis (allen) die Erleuchtung kommt. EINIGE GRÜNDEWeil Fleischessen nicht in der Natur des Menschen liegt. Weil die Tiertötung grausam ist. Weil es paradox ist, dass Tier nicht gleich Tier ist. Weil man bewusster isst. Weil man ist, was man isst. Weil die Tierhaltung grausam ist. Weil es schwierige Kinderfragen, wie zum Beispiel 'Wird Shaun das Schaf auch mal ein Döner?' verhindert. Weil man Nicht-Vegetarier so gut schocken kann. Weil die ökologische Haltung und Tötung auch nicht viel besser ist. Weil pflanzliches Eiweiß viel gesünder ist als tierisches. Weil Vegetarier keine Mangelerscheinungen haben - auch nicht an Vitamin B12. Weil Vegetarier tolerant sind. Weil der legendäre Apple-Computer sonst möglicherweise Salami geheißen hätte. Weil es beim Veggie-Metzger nicht so blutig zugeht. Weil es gut gegen Krebs ist. Weil es gut für die Haut ist. Weil gesunde Ernährung gut fürs Gehirn ist! Weil jeder eine schöne Geschichte erzählen kann. Weil Liebe durch den Magen geht. Weil Tierschutz sogar für 'James Bond' ein Thema ist. Weil Vegetarier länger leben. Weil Vegetarismus so vielfältig ist.

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Anne Lehwald & Simone Ullmann

111 GRÜNDE, VEGETARIER ZU SEIN

•Weil Vegetarismus ein Trend ist 13

•Weil Vegetarier in bester Gesellschaft sind 18

•Weil für jeden was dabei ist 21

•Weil man es einfach machen kann 25

•Weil es den eigenen Horizont erweitert 29

•Weil es lecker schmeckt 33

•Weil es keine Ausreden gibt 35

•Weil in jedem von uns ein Vegetarier schlummert 38

•Weil es nie zu spät ist, sein Leben zu verbessern 40

•Weil vegetarisch Kochen so viel Abwechslung in die Küche bringt 43

•Weil so die meisten Zivilisations- krankheiten vermieden werden können 47

•Weil man weniger Zeit im Wartezimmer verbringt 50

•Weil es Übergewicht vorbeugt 54

•Weil es eine Herz(ens)angelegenheit ist 57

•Weil es gut gegen Krebs ist 60

•Weil es eine gute Vorbeugung gegen Typ-2-Diabetes ist 64

•Weil es besser vor Allergien schützt 67

•Weil gesunde Ernährung gut fürs Gehirn ist! 70

•Weil es gut für die Haut ist 74

•Weil es gut gegen »Frauenbeschwerden« ist 80

•Weil es gut gegen zu hohen Blutdruck ist 83

•Weil es rheumatische Beschwerden lindern kann 85

•Weil der Zahnarzt seltener bohren muss 88

•Weil Fleischessen so ungesund wie Rauchen ist 91

•Weil mehr Vitamine im Essen sind 95

•Weil es fitter macht 99

•Weil die Verdauung besser funktioniert 102

•Weil vegetarische Ernährung ein gesundes Säure-Basen-Verhältnis fördert 106

•Weil Vegetarier länger leben 113

•Weil Vegetarier früh lernen, gut mit Vorurteilen zurechtzukommen 116

•Weil Fleisch essen nicht in der Natur des Menschen liegt 119

•Weil Vegetarier keinen Eisenmangel haben 123

•Weil Vegetarier keinen Vitamin-D-Mangel haben 125

•Weil Vegetarier nicht öfter als andere einen Vitamin-B12-Mangel haben 129

•Weil pflanzliches Eiweiß viel gesünder ist als tierisches 131

•Weil es nicht zu Osteoporose führt 135

•Weil man nicht auf den Geschmack von Wurst und Fleisch verzichten muss 138

•Weil es Prominente irgendwie nahbar macht 142

•Weil Tierschutz sogar für »James Bond« ein Thema ist 145

•Weil der legendäre Apple-Computer sonst möglicherweise »Salami« geheißen hätte 148

•Weil Vegetarier Löffel verbiegen können 151

•Weil Vegetarier so musikalisch sind 154

•Weil sie sich so gut durchboxen können 158

•Weil sich Vegetarier besonders gut konzentrieren können 162

•Weil schon die alten Philosophen wussten, dass Töten keine gute Idee ist 164

•Weil sie einen guten Humor haben 168

•Weil sogar »Fleisch ist mein Gemüse« ein Veggie-Plädoyer ist 171

•Weil man keine (bzw. fast keine) Angst vor BSE haben muss 175

•Weil man keine Angst vorm nächsten Dioxinskandal haben muss 178

•Weil man keine Antibiotika im Essen hat 181

•Weil im Gemüse keine Hormone sind 185

•Weil man Botox im Gesicht nicht braucht und im Essen nicht hat 188

•Weil man weniger schädliche Zusatz- stoffe wie Glutamat zu sich nimmt 191

•Weil wir alles Ungesunde, das den Tieren verabreicht wurde, mitessen 193

•Weil wir der Politik nicht vertrauen können 196

•Weil beim Thema Ernährung Ärzte die falschen Ansprechpartner sind 200

•Weil es gut für die Welt ist 203

•Weil es das Mittel gegen den Welthunger ist 204

•Weil es unseren ökologischen Fußabdruck verkleinert 209

•Weil dadurch sehr viel Wasser gespart wird 211

•Weil dadurch Energie gespart wird 215

•Weil dadurch weniger schädliche Klimagase erzeugt werden 218

•Weil Vegetarier nicht für die Abholzung des Regenwaldes verantwortlich sind 222

•Weil es Kriege verhindern kann 224

•Weil man sich in Lokalen auf dem Land wie Meg Ryan in »Harry & Sally« aufführen kann 227

•Weil man online leicht den perfekten Partner findet 231

•Weil Liebe durch den Magen geht 233

•Weil Vegetarier besseren Sex haben 237

•Weil Vegetarier besser riechen 241

•Weil man Nicht-Vegetarier so gut überraschen kann 243

•Weil es ein ideales Small-Talk-Thema ist 246

•Weil man zum Weinkenner wird 248

•Weil man es so schön bunt treiben kann 250

•Weil es so vielfältig ist 254

•Weil man so viele neue Lebensmittel entdeckt 256

•Weil es beim Veggie-Metzger nicht so blutig zugeht 262

•Weil es schwierige Kinderfragen wie »Wird Shaun das Schaf auch mal ein Döner?« verhindert 266

•Weil man (fast) alle Studien und die Ernährungswissenschaft auf seiner Seite hat 269

•Weil man am 1. Oktober einen Grund zum Feiern hat 272

•Weil Weihnachten nicht in Gefahr ist 274

•Weil man ist, was man isst 279

•Weil der Mensch kein Fleisch essen muss 282

•Weil Vegetarier so tolerant sind 284

•Weil es gut fürs Karma ist 286

•Weil man als Eltern ein gutes Vorbild ist 289

•Weil in jedem ein Tierfreund steckt 293

•Weil man bewusster isst 295

•Weil man viel besser genießen kann 297

•Weil es wirklich so leicht ist, ein Lebensretter zu sein 300

•Weil man ein kritischerer Konsument wird 304

•Weil es paradox ist, dass Tier nicht gleich Tier ist 309

•Weil Schweine, Kühe und Co. mindestens so schlau, sozial und sensibel sind wie unser Haushund 311

•Weil viel passiert, bevor Fleisch auf unserem Teller landet 315

•Weil die Tierhaltung grausam ist – Beispiel Schweinehaltung 318

•Weil die Tierhaltung grausam ist – Beispiel Rinderhaltung 323

•Weil auch Fische ein schreckliches Schicksal erleiden 328

•Weil die Tiertötung grausam ist 335

•Weil die ökologische Haltung und Tötung auch nicht viel besser ist 340

•Weil man fast immer Tierkinder isst 344

•Weil in jedem Land andere Tiere »heilig« sind und andere Sitten gelten 347

•Weil es die Menschen, die in der Fleischindustrie arbeiten, abstumpfen lässt 351

•Weil Tiere auch Gefühle haben 355

•Weil man mit Vegetarismus Geld verdienen kann 360

•Weil es Arbeitsplätze schafft und die Wirtschaft ankurbelt 362

•Weil man damit Geld sparen kann 365

•Weil es dem Steuerzahler viele Milliarden ersparen würde 369

•Weil es nur ein kleiner Sprung zum Veganer ist – die Sache mit der Milch 371

•Weil es nur ein kleiner Sprung zum Veganer ist – die Sache mit den Eiern 378

•Weil jeder Einzelne einen Unterschied macht 383

•Weil Vegetarierdörfer einen Versuch und eine Reise wert sind 387

•Weil es die Zukunft ist 390

•BÜCHER 395

•ZEITUNGEN & ZEITSCHRIFTEN (PRINT & ONLINE) 400

•WEBSITES 403

•FILME / DOKUMENTATIONEN / SENDUNGEN 408

WARNUNG

Statt eines Vorworts möchten wir diese Seite für einen eindringlichen Hinweis nutzen: Falls Sie kein Vegetarier sind und nicht auf freiwilligem Weg in Besitz dieses Buches gelangt sind (Partner/Freunde/Verwandte/Kollegen haben Sie beschenkt), bedenken Sie bitte, dass Sie bei der Lektüre auf den Geschmack kommen könnten. Sagen Sie also nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt!

Den Veggies unter Ihnen müssen wir zu diesem Punkt nicht viel erzählen. Sie wissen ja, was Sie essen und was nicht und vor allem warum. Aber sicher kennen Sie zur Genüge Situationen, in denen Sie solche oder ähnliche Sprüche zu hören bekommen:

»Vegetarier? Dann isst du meinem Essen ja das Essen weg!«

»Vegetarier? So ein Quatsch! Der Mensch braucht Fleisch!«

»Vegetarier? Dann kann ich dich ja gar nicht mehr zum Essen einladen?!«

»Aber Fleisch schmeckt doch so lecker!«

»Dann hast du ja ständig Eisenmangel!«

»Aber Fisch/Hühnchen/Biofleisch isst du, oder?«

»War Hitler nicht auch Vegetarier?«

»Aber die Kinder essen schon normal?!«

Da steht man dann meist sprachlos da und weiß nicht, wo man anfangen soll. Diese Zeiten sind jetzt aber vorbei! Mit diesem Büchlein bekommen Sie das Rüstzeug, damit Sie bei Stammtischparolen und gefährlichem Halbwissen in Zukunft auch mal das letzte Wort haben.

Aber egal, ob Sie schon jahrelang Vegetarier sind, einer werden wollen oder (noch) ein passionierter Fleischliebhaber sind: Das Thema Essen beschäftigt uns alle und polarisiert. Als die Dokumentation Vegetarier gegen Fleischesser – Das Duell zur besten Sendezeit im ZDF kurzfristig und ohne neuen Sendetermin aus dem Programm genommen wurde, löste das auf Twitter einen Shitstorm aus und sorgte für spannende Verschwörungstheorien im Netz.

Am Thema Vegetarismus kommt heute niemand mehr vorbei. Zwar sind schon seit Jahrhunderten einige der schönsten, klügsten und erfolgreichsten Menschen Vegetarier, aber heutzutage braucht man einfach viele gute Gründe, um der mächtigen Fleischindustrie etwas entgegenzusetzen. Wir haben schon mal 111 Gründe angerichtet.

Eine appetitanregende Lektüre wünschen

Anne Lehwald & Simone Ullmann

1

SO KOMMEN SIE AUF DEN GESCHMACK

1.

Weil Vegetarismus ein Trend ist

Dass das so ist, erkennt man vor allem daran, dass man in keinen Buchladen gehen kann, ohne dass einem ein Kochbuch entgegenfällt, das verspricht, einen fleischlos glücklich zu machen. Allein im Jahr 2013 wurden mehr als 50 neue vegane Kochbücher veröffentlicht. Acht von zehn Frauenzeitschriften beschäftigen sich mit Themen wie »Meet me – aber ohne meat«, »Veni, vidi, vegetarisch – so starten Sie jetzt durch«, »Vegan for sexy – lecker zur Bikinifigur«. Die Anzahl an Magazinen, die sich mit veganem oder vegetarischem Leben und Kochen beschäftigen, steigt von Monat zu Monat. In den hippen Style-Blogs, in denen früher über die wichtigste Nagellackfarbe der Saison diskutiert wurde, werden jetzt tolle Frauen interviewt, die ihr Lieblingsrezept für einen »Green Smoothie« verraten. Es gibt einen eigenen Radiosender für Vegetarier (www.veggieradio.de/live), und auch die großen Nachrichtenmagazine haben erkannt, dass sich Gesundheitsthemen auf dem Titel richtig gut verkaufen. Essen müssen wir eben alle!

Allein in Frankfurt haben in den vergangenen Jahren vier rein vegane Restaurants und Imbissläden, ein Café mit tierfreiem Kuchen und ein Supermarkt für Veganer aufgemacht. Spitzenreiter auf dem Veggie-Sektor ist Berlin. Dort gibt es inzwischen eine Auswahl von mehr als 20 Läden mit rein pflanzlichem Essen und mehrere spezielle Supermärkte. Auch bundesweit erweitern »herkömmliche Supermärkte« ihr Angebot um Tofu-Bratwürste, Seitan-Schnitzel und vegane Fertigburger.1 So ist das eben: Spätestens mit Mitte 20, wenn die ersten Wehwehchen kommen und man überlegt, ob man mal eine Familie gründen will, fängt man an, darüber nachzudenken, was man da eigentlich auf seinem Teller hat. Plötzlich geht es nicht mehr nur darum, dass es satt macht, schmeckt und schnell geht, sondern darum, ob es auch gesund ist.

An dieser Stelle mal ein dickes Danke an die Lebensmittelindustrie: Denn ohne all die Dioxin-Horrormeldungen, Rinderwahnsinn-Schlagzeilen, Hormonhühnchen-, Gammelfleisch- und Pferdefleisch-in-TK-Lasagne-Skandale hätten wir Veggies wohl noch ewig warten müssen, bis der Vegetarismus aus seiner Nische in die Mitte der Gesellschaft rückt. Helmut Maucher, der ehemalige Generaldirektor von Nestlé, dem größten Nahrungsmittelkonzern der Welt, sagt: »Der Trend ins Vegetarische ist unaufhaltsam. Vielleicht isst in hundert Jahren kein Mensch mehr Fleisch.«2 Man muss sich sogar die Frage stellen, ob es die Welt in 100 Jahren überhaupt noch gibt, wenn die Menschheit weiter so viel Fleisch isst. Denn um ein Kilo Steak zu »erzeugen«, muss ein Tier etwa 14 Kilo Getreide fressen. Und das muss ja auch irgendwo wachsen. Also: Runter mit dem (Regen-)Wald (siehe Grund 57: »Weil es gut für die Welt ist«)!

Früher waren Vegetarier Außenseiter, galten sogar als Sekte, jetzt sind sie Trendsetter. Was für eine Entwicklung! So toll muss sich auch Scarlett Johansson gefühlt haben, als sie vom US-Männermagazin Esquire zum ersten Mal zur »Sexiest Woman Alive« gewählt wurde. Denn in der Schule wurde die Schauspielerin immer wegen ihrer Lippen gehänselt. Wir lernen: Eine bessere Zukunft ist möglich! Auch Vegetarier Albert Einstein prophezeite zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts: »Nichts wird die Gesundheit des Menschen und die Chancen auf ein Überleben auf der Erde so steigern wie der Schritt zur vegetarischen Ernährung.«3 Und bisher hatte der Vater der Relativitätstheorie ja eigentlich immer recht. Fakt ist: Immer mehr Menschen entscheiden sich, auf Fleisch zu verzichten. In den 1980ern lebten in Deutschland nur 0,6 Prozent aller Menschen vegetarisch, jetzt sind es – je nachdem, welche Quelle und welche Definition man nimmt – bis zu 15 Prozent. Der Vegetarierbund Deutschland geht von sieben Millionen Vegetariern in Deutschland aus. Die Zahl der vegetarisch lebenden Menschen hat sich in etwa 30 Jahren weit mehr als verfünfzehnfacht. Jede Woche entscheiden sich 4.000 Menschen in Deutschland, dass sie Veggie sein möchten. In England, das für seine Küche ja eher berüchtigt als berühmt ist, sind es sogar noch mehr! Nach Angaben der »Vegetarian Society« werden im Durchschnitt jede Woche 5.000 Menschen zu Vegetariern. Steve Collor, Sprecher der Vegetarischen Gesellschaft rechnet hoch: »Bei der derzeitigen Wachstumsrate werden die meisten Menschen in diesem Land bis zum Jahr 2030 Vegetarier sein.«4

Aktuell leben die meisten Vegetarier in Indien. Bei einer offiziellen Gesundheitsbefragung gaben 40 Prozent der Inder an, dass sie auf Fleisch verzichten. Das entspricht fast 400 Millionen Menschen. Weltweit gibt es mehr als eine Milliarde Vegetarier.5 Sogar in Frankreich, wo »Bœuf à la mode« (also Rinderschmorbraten) und »Coq au vin« (oder »Kokowääh«, wie Til Schweiger sagen würde) von der UNESCO zum »immateriellen Kulturgut« geadelt wurden, verzichten immer mehr Menschen auf Fleisch. Die französische Hobbyköchin Clea startete im Jahr 2005 ihren vegetarischen Food-Blog cleacuisine und hat mittlerweile sieben Kochbücher veröffentlicht.6 Französisch ohne Froschschenkel und Weinbergschnecken schmeckt offenbar auch ganz gut. Zumindest kommen immer mehr Franzosen auf den Geschmack, ab und zu Fleisch wegzulassen. Aktuell verzichten zwar erst zwei Prozent komplett auf Fleisch7 – aber jede Reise beginnt mit einem ersten Schritt. Auch Autorin Clea selbst ist gar keine echte Vegetarierin, sondern »Flexitarierin«. Das heißt: Sie isst fast nie Fleisch. Damit liegt sie im Trend (siehe Grund 74: »Weil es so vielfältig ist«)! Immer mehr Deutsche verzichten häufiger auf Fleisch. Der Fleischkonsum in Deutschland ist im Jahr 2013 durchschnittlich um zwei Kilogramm pro Einwohner zurückgegangen.8 Der Trend zu weniger Fleisch wird bleiben, ist sich Achim Spiller, Professor für Lebensmittelmarketing an der Universität Göttingen, sicher: »Die deutsche Agrar- und Fleischwirtschaft sollte daher verstärkt auf ›less but better‹ setzen«, empfiehlt der Experte.9 Eine Untersuchung der Universitäten Hohenheim und Göttingen hat 2013 herausgefunden, dass sich die Zahl der Vegetarier in Deutschland in den vergangen sieben Jahren verdoppelt hat und dass 60 Prozent der Deutschen bereit sind, weniger Fleisch zu essen.10 Kein Wunder, denn das Tolle am Veggie-Trend: Man macht automatisch alles richtig, wenn man mitmacht! Das trifft ja bedauerlicherweise nicht auf jeden Trend zu. Zur Erinnerung: Dauerwelle, Schulterpolster, Arschgeweih.

2.

Weil Vegetarier in bester Gesellschaft sind

Unter den Vegetariern dieser Welt sind einige der schönsten, erfolgreichsten, talentiertesten, klügsten, kreativsten, witzigsten, legendärsten und sportlichsten Menschen, die es gibt. Als Veggie sind Sie sind also in allerbester Gesellschaft! Das beweisen auch die zahlreichen Nobelpreisträger, die vegetarisch leben und lebten. Allen voran Albert Einstein, der sagte: »So lebe ich fettlos, fleischlos, fischlos dahin, fühle mich aber ganz wohl dabei. Fast scheint mir, dass der Mensch gar nicht als Raubtier geboren wurde.« Mal abgesehen von seiner persönlichen Erfahrung, stellte der Wissenschaftler fest: »Rein durch ihre physische Wirkung auf das menschliche Temperament würde die vegetarische Lebensweise das Schicksal der Menschheit äußerst positiv beeinflussen.«11 Relativitätstheorie hin oder her: Das erscheint uns absolut korrekt!

Zahlreiche Politiker, Wissenschaftler und Erfinder sind oder waren Vegetarier. Zum Beispiel Bill Clinton und Apple-Vater Steve Jobs, der leidenschaftlich gern Äpfel und andere Rohkost aß (siehe Grund 40: »Weil der legendäre Apple-Computer sonst möglicherweise ›Salami‹ heißen würde«). Auch Universalgenie Leonardo da Vinci, dem wir verdanken, dass wir heute fliegen können, war fleischlos glücklich und ein passionierter Tierschützer. Über ihn wird erzählt, dass er auf dem Markt in Florenz Vögel gekauft hat, um sie freizulassen – nicht, um sie zu essen. Menschen, die Fleisch aßen, nannte er »lebende Grabstätten«. Nach einem verstörenden Besuch in einem Schlachthof wurde auch der niederländische Maler Vincent van Gogh Vegetarier. (Zum Glück! Sonst müsste man im Museum nunmehr fettige Brathähnchen statt goldgelbe Sonnenblumen anschauen.)

Ebenso verzichte(te)n viele Schriftsteller und Philosophen auf Fleisch. Krieg und Frieden-Autor Leo Tolstoi war überzeugter Vegetarier. Es bereitete selbst kein Fleisch zu. Einmal kam eine Verwandte zum Essen, die partout der Meinung war, dass eine Mahlzeit immer auch aus Fleisch besteht. Tolstoi kaufte also ein Huhn und band es auf dem Stuhl der Dame fest. Auf den Tisch davor legte er ein Messer. »Was soll das?«, fragte die Verwandte. Tolstoi: »Du wolltest doch Huhn. Keiner von uns will es töten. Also haben wir alles vorbereitet, damit du es selbst tun kannst.«12 Der schlaue Pythagoras (Beweis: a²+b²=c²) erkannte schon etwa 500 vor Christus: »Alles, was der Mensch den Tieren antut, kommt auf den Menschen zurück«,13 und verzichtete auf Fleisch und Co. Getreu diesem Motto isst und arbeitet auch Designerin Stella McCartney. Ihre Kollektionen sind immer ohne Leder, Pelz, Wolle und Seide. Dennoch (oder vielleicht gerade deshalb) ist die Mode der Beatles-Tochter supererfolgreich.

Auch die Oscar-Preisträgerinnen Anne Hathaway (Les Misérables) und Natalie Portman (Black Swan) leben ohne tierische Produkte. Zur Hochzeit von Anne Hathaway gab es sogar eine vegane Torte. Auch die legendäre Brigitte Bardot – früher Aktivistin für den Bikini, heute Aktivistin für den Tierschutz – ist Vegetarierin. Wohin ein fleischloses Leben führen kann, zeigen die Supermodels Christy Turlington, Nadja Auermann und Tatjana Patitz. Sogar Skandalmodel Naomi Campbell, die ja eigentlich nie macht, was alle anderen machen, ist jetzt Vegetarierin. Das hat sie zumindest dem Magazin Harper’s Bazaar verraten: Demnach hat sie in einer Spezialklinik gelernt, ihren Körper innerlich und äußerlich zu reinigen. »Danach habe ich mich entschlossen, kein Schwein und kein Huhn mehr zu essen, von ungesunden Dingen überhaupt die Finger zu lassen.« Pro Woche mache sie zudem zwei bis drei Saftkuren.14 Sämtliche wissenschaftliche Studien zum Zusammenhang zwischen fleischloser Kost und tollen Haaren, samtweicher Haut, flachem Bauch und strahlendem Teint wirken in Anbetracht der Damen geradezu überflüssig. Auch Titanic-Star Kate Winslet und Striptease-Ikone Demi Moore sind Vegetarierinnen.

Überhaupt scheint Hollywood ein Mekka der fleischlos Glücklichen zu sein. Vielleicht, weil Obst und Gemüse in Südkalifornien dank durchschnittlich neun Stunden Sonneneinstrahlung pro Tag einfach so verdammt gut schmecken, dass sich die Frage nach Fleisch überhaupt nicht stellt. Auch Gwyneth Paltrow, Alien-Star Jamie Lee Curtis, Sex-Ikone Kim Basinger, Veronica Mars-Heldin Kristen Bell, Saturday Night Live-Comedian Kristen Wiig, Friends-Sweetie Lisa Kudrow und Kinski-Tochter Nastassja sind Vegetarierinnen. Ebenso die wundervolle Uma Thurman. Kill Bill: ja. Kill irgendein Tier: niemals! Die Liste der vegetarisch lebenden Hollywoodstars ist mindestens genauso lang wie die Liste der Frauen, die sich auf der Stelle bereit erklären würden, eine Nacht mit Ryan Gosling zu verbringen. (Natürlich ausschließlich, um mit dem Tierschützer über Tierrechte zu fachsimpeln, versteht sich!) Wirklich gute Gesellschaft eben.

3.

Weil für jeden was dabei ist

Vegetarier ist nicht gleich Vegetarier. Der Begriff »Vegetarier« stammt vom lateinischen »vegetare« bzw. »vegetus« ab, was »beleben« bzw. »frisch, lebendig, belebt« heißt.15 Im Gegensatz zu Fleischessern nehmen Vegetarier also nichts Totes zu sich. Schätzungen gehen von weltweit rund einer Milliarde Vegetariern aus. Und es werden immer mehr (siehe Grund 1: »Weil Vegetarismus ein Trend ist«). Doch manchmal kann Vegetarismus sehr verwirrend sein. So lässt sich der eine Milch schmecken und rührt keine Eier an, der andere hingegen lässt die Finger von (Kuh-)Milch, hat jedoch mit Eiern auf dem Teller kein Problem. Beide nennen sich Vegetarier. Wie das sein kann? Der Vegetarismus ist ein weites Feld mit vielen Ab- und Unterstufen. Um etwas Licht ins Dickicht zu bringen, hier die gängigen Formen, was unter Vegetarismus fällt:16

Die Ovo-Lacto-Vegetarier bevorzugen eine pflanzlich basierte Kost und meiden Fleisch und Fleischprodukte, Fisch, Weich- und Schalentiere, Erzeugnisse aus tierischen Schlachtfetten (Rindertalg, Schweineschmalz, Speck) und Gelatine, aber sie essen Eier und Milchprodukte. Der Lacto-Vegetarier unterscheidet sich dahin gehend vom Ovo-Lacto-Vegetarier, dass er zwar Milchprodukte, aber keine Eier isst. Der Ovo-Vegetarier hingegen isst zwar Eier, aber keine Milchprodukte. Veganer ernähren sich ausschließlich von pflanzlicher Kost und meiden auch Honig, Leder, Wolle, Seide und Daunen.

Natürlich gibt es auch viele Menschen, die sich in keine der Kategorien eindeutig einordnen lassen, sondern Mischformen leben. Ich bin so ein Beispiel: Ich ernähre mich eigentlich so gut wie vegan, werde aber ab und zu bei Käse schwach und kann auch nicht von mir behaupten, dass ich komplett auf Leder, Wolle oder Daunen verzichten würde. Auch in meinen beiden Schwangerschaften gab es Ausnahmen: Da aß ich etwa ein bis zwei Mal pro Woche ein Spiegelei, einfach, weil ich Gelüste darauf hatte.

Abgesehen von diesen verschiedenen Vegetarier-Abstufungen gibt es noch folgende mehr oder weniger verbreitete vegetarische Ernährungsformen: Eine eher seltene Form ist die des Frutariers, der sich rein pflanzlich ernährt und dabei der Natur keinen Schaden zuführen will. So ist das Pflücken von Obst, Nüssen oder Samen für ihn in Ordnung, weil der Baum selbst nicht verletzt wird. Das Ernten einer Möhre oder einer Fenchelknolle hingegen bringt die Vernichtung der Pflanze selbst mit sich, sodass der Verzehr abgelehnt wird. Sehr konsequente Frutarier nehmen ausschließlich auf natürlichem Wege vom Baum zum Boden gefallenes Obst zu sich. Ernährungswissenschaftler sehen im Frutarismus ein hohes gesundheitliches Risiko, da ihrer Meinung nach die Versorgung mit Proteinen, Kalzium und Vitamin B12 nicht ausreichend gegeben ist. Zuletzt seien noch die Rohköstler erwähnt, die nichts essen, was über 42 Grad Celsius erhitzt wurde, um einen Verlust an wichtigen Nährstoffen, Vitaminen und Enzymen durch den Erhitzungsprozess auszuschließen. Rohkost bedeutet aber nicht zwangsläufig, sich vegetarisch oder vegan zu ernähren. So verzehren viele Rohköstler beispielsweise Fisch, Eier, Wild und anderes Fleisch in roher Form. Ein Veganer, der sich gleichzeitig rohköstlich ernährt, wird als Rohveganer bezeichnet. Einen Herd brauchen sie in ihrer Küche nicht. Rohköstler arbeiten mit Mixern, Küchenmaschinen und Dörröfen. »Ab 42 Grad gehen viele Vitamine, Mineralstoffe und Enzyme verloren«, erklärt Rohkost-Koch Boris Lauser. »Zudem verändert sich die chemische Struktur von Proteinen und Fetten. Deshalb ist Rohkostgemüse gesünder.«17 Momentan ernähren sich etwa 20.000 bis 25.000 Deutsche rohköstlich.18 Schaut man sich die Vielfalt der entsprechenden Küchengeräte an, scheint die Nachfrage zu steigen. Es gibt Smoothie-Maker in allen Farben, mit allen Umdrehungen und zum Teil sogar teurer als ein Durchschnittsherd. Was der eine oder andere vielleicht von einer Fastenwoche oder einer Detox-Kur kennt, wird zum Alltags-Lifestyle. Die Rohköstler selbst sind sich sicher, dass ihr Weg der richtige ist. Warum es sich lohnt, zum Rohköstler zu werden, erklären sie ohne viele Worte. Während der Veggie-Expo 2014 in München verteilten siePostkarten, auf denen steht: »Rohkost macht sexy!«

Es herrscht also ein bunter Strauß an Möglichkeiten. Schubladendenken muss nicht sein. Jeder darf das für sich Passende finden, fröhlich zwischen den verschiedenen Möglichkeiten wechseln oder neue für sich stimmige Mischformen kreieren.

4.

Weil man es einfach machen kann

Mit dem Essen ist es wie mit Sex: Man kann ewig drüber reden oder einfach mal was Neues ausprobieren und schauen, wie’s gefällt. Vegetarisch leben ist keine Wissenschaft! Mit einem Funken gesundem Menschenverstand und einem intakten Internetanschluss kann eigentlich nichts schiefgehen. Man braucht keine Vorkenntnisse, keine besondere Ausrüstung, nicht mal einen besonderen Grund. Es gibt zwar mindestens 111 Gründe, aber Neugier reicht vollkommen aus. Wenn Sie die Welt retten, Tiere schützen oder in die Fußstapfen der großen Philosophen treten wollen – umso besser. Aber man kann es auch langsam angehen lassen.

Es ist ein bisschen so, wie, wenn man mit dem Rauchen aufhört. Das macht auch jeder anders. Die einen rauchen von heute auf morgen gar nicht mehr, manche rauchen jeden Tag eine weniger, andere rauchen nur noch einmal im Jahr einen Zigarillo. Mit dem Veggie-Werden machen Sie es am besten so, wie es sich für Sie gut anfühlt. Vielleicht starten Sie mit einem Veggie-Tag pro Woche oder Sie lassen Wurst und Fleisch mal für eine Weile weg – wie beim Fasten – und schauen, wie es Ihnen bekommt. Vermissen Sie was? Fühlen Sie sich besser? Neu-Veggies schwärmen von mehr Energie, weniger Mittagstiefs, besserem Schlaf und schönerer Haut. »Ernährungsumstellung« klingt zwar wahnsinnig anstrengend und kompliziert. Aber eigentlich geht es nur darum, sich mal Gedanken darüber zu machen, was man so tagein, tagaus in sich reinschaufelt, wo es herkommt und was Natriumnitrit, Kaliumlactat, Natriumacetat und Diphosphate in einem Wiener Würstchen verloren haben.

Weil es so viele Komiker gibt, die Witze auf Kosten von Vegetariern erzählen, haben sich Sprüche wie »Von Gemüse kann man doch nicht satt werden«, »Dann isst du meinem Essen ja das Essen weg« und »Der Mensch ist nun mal ein Fleischesser« wie Allgemeinwissen in vielen Hirnen festgesetzt. Aber eigentlich zeigen diese Aussagen nur, wie wenig viele Leute eigentlich über ihr Essen wissen. Als gäbe es nur Fleisch und Gemüse! Trotz des etwas sperrigen Begriffs »Ernährungsumstellung« also, ist das Tolle, dass man sich endlich mal ausführlich mit der Ernährung beschäftigt. Was braucht der Körper? Was braucht er nicht? Wie haben sich die Ernährungsdogmen über die Jahre verändert? Oft hört man die Frage: »Was soll ich denn essen, wenn ich kein Schnitzel, keine Wurst, keine Fischstäbchen mehr essen kann?!« Langjährige Vegetarier irritiert die Frage. Der legendäre Claus Leitzmann, Professor für Ernährungswissenschaften und Pionier für die Aufklärung zum Vegetarismus in Deutschland, sagte in einem Interview mal ziemlich prägnant: »Veganer essen auch alles – nur keine tierischen Produkte.«19

Früher wurde bei vegetarischen Gerichten häufig einfach nur das Fleisch weggelassen. Statt Roulade, Klößen und Rotkohl gab es eben Rotkohl und Klöße. Statt Nudeln mit Würstlsoße gab’s Nudeln mit zerlassener Butter drauf oder mit Ketchup aus der Flasche. In den vergangenen Jahren hat sich die vegetarische Küche weiterentwickelt. Veggies sind vom Außenseiter zum Trendsetter für gesundes Essen geworden. Es gibt kreative Kreationen und Fleischersatzprodukte, die zum Teil nicht vom »echten Fleisch« zu unterscheiden sind.

Alles, was Sie zum Kochen brauchen, finden Sie mittlerweile im Supermarkt. Rezepte gibt es in den einschlägigen Online-Kochbüchern oder in klassischen Kochbüchern aus dem Buchladen. Die Auswahl ist riesig. Es steht also schon mal fest: Monoton wird es nicht! Wer den berühmten Tritt in den Hintern braucht, kann sich beim Vegetarierbund Deutschland (VEBU) kostenlos für einen 30-tägigen Schnupperkurs anmelden. Per E-Mail bekommt man jeden Tag ein einfaches und leckeres Rezept und ein paar allgemeine Infos zum Thema »vegetarisch leben«. Das ist ziemlich sinnvoll, denn eine Ernährungsumstellung beginnt nicht auf dem Herd, sondern im Kopf. Im Alltag blenden wir gern aus, dass Klimawandel, Massentierhaltung und »Erste Welt«-Krankheiten tatsächlich was mit unserem Essen zu tun haben. Der Newsletter vom VEBU regt zum Nachdenken an, ohne zu missionieren. Beim VEBU finden Interessierte auch Gleichgesinnte, mit denen sie sich austauschen können, die sogenannten »Veggie-Buddys«.

Wer nicht so gern selber kocht, findet aufwww.fleischlos-geniessen.de viele vegetarische Restaurants. Auch in vielen Betriebskantinen gibt es mittlerweile mindestens ein Veggie-Gericht und Salatbars, die ihren Namen verdient haben. Es gibt Kurse an der Volkshochschule, Food-Blogs, Koch-Apps, und wer das Gefühl hat: »Da geht noch was«, der kann eine Zusatzausbildung zum Veggie-Koch machen – gefördert von der Europäischen Union. Auch vegetarische Fertiggerichte kann man mal essen – aber die sind ungefähr so gesund wie eine TK-Pferdefleisch-Lasagne. »Je frischer, desto besser« gilt beim Essen immer – ob Veggie oder nicht. Es gibt online viele Foren, in denen sich Neu-Veggies austauschen. Wer von Anfang an alles richtig machen will, kann bestimmte Lebensmittelkombinationen bevorzugen. Denn dann werden alle Nährstoffe ideal aufgenommen. Zum Beispiel ist Vitamin C super für die bessere Aufnahme von Eisen aus pflanzlichen Produkten. Ideale Kombinationen sind:

Ein Glas Organgensaft zum Essen

Kartoffeln mit Paprikagemüse

Spätzle mit Sauerkraut

Rührei mit Bratkartoffeln

Kartoffel-Gemüse-Omelette20

Mit anderen Worten: Es gibt eigentlich keinen Grund, nicht Vegetarier zu sein. Na gut, außer vielleicht Sie sind ein Inuit und leben im Nordpolarkreis, der Chefredakteur vom Magazin Beef, der Cheflobbyist der deutschen Rinderzüchter oder eine Prominente, die einen lukrativen Werbevertrag für Fleischsalat hat. Aber einen richtig guten Grund haben nur die Eskimo! Denn in der Arktis kann man wirklich schlecht Obst und Gemüse anbauen.

5.

Weil es den eigenen Horizont erweitert

Kennen Sie noch die Hymne Heal the World von Michael Jackson? (Sorry, dass Sie jetzt einen Ohrwurm haben!) Als der Song Anfang der Neunziger rauskam, war ich elf Jahre alt. Meine Freundin M. war ein großer Fan des »King of Pop«. Feinsäuberlich hatte sie ein Poster von ihm aus der Bravo getrennt und an ihre Kinderzimmertür geklebt. Wir hörten den Song von Kassette, sangen im Fantasie-Englisch mit und lasen uns irgendwann im Bravo-Songbook (Anmerkung für jüngere Leser: so was wie songtexte.com, bevor es das Internet gab) die Übersetzung durch. Die Welt heilen? Hä? Das schien uns unmöglich. Außerdem hatten wir dafür überhaupt keine Zeit. Wir hatten viel zu viel anderes zu tun: Schule, Musikschule, Sportverein, erster Kuss und natürlich pünktlich um sechs zu Hause sein.

Heute, 20 Jahre später, ist das Lied aktueller denn je. Auch, wenn die persönliche Tages-To-do-Liste deutlich länger ist, kann das, was sich Michael Jackson damals gewünscht hat, noch wahr werden. Denn die Rettung der Welt fängt beim Essen an. Zugegeben, die Welt mit Messer und Gabel zu retten klingt bescheuert und pathetisch zugleich. Aber wenn man sich mal die Zeit nimmt, sich mit den Zusammenhängen zwischen dem Schnitzel auf dem Teller, dem Regenwald in Brasilien, der globalen Klimaerwärmung, den steigenden Kosten für Gas und Öl und der Wasserknappheit zu beschäftigen, dann stellt man fest: Das kann funktionieren. Wenn man als leidenschaftlicher Fleischesser zu dieser Erkenntnis gekommen ist, fühlt man sich erst mal nicht sooooo super. Wie auf einer Anzeigentafel im Flughafen fächern sich Fakten wie diese vor dem inneren Auge auf:

Mit der Energie, die benötigt wird, um ein Steak herzustellen, könnte man einen Tag lang 40 hungernde Menschen ernähren.21

Das Trinkwasser, das bei der Herstellung von einem 250-Gramm-Steak gebraucht wird (4.000 Liter), würde 200 Menschen einen Tag zum Trinken, Kochen, Waschen – zum Überleben reichen.22

Für jeden Hamburger, den man isst, werden sechs Quadratmeter Regenwald zerstört und in Weideland umgewandelt.23

Mehr als 1.000 Tiere werden im Leben eines Nicht-Veggies für ihn getötet, nämlich: vier Rinder, vier Schafe, zwölf Gänse, 37 Enten, 46 Schweine, 46 Puten und 945 Hühner.24

Die Menge an Treibhausgasen, die in die Atmosphäre geblasen wird, ist bei Fleischessern fünfmal so hoch wie bei Vegetariern.25

Wenn man all das erst mal weiß, fällt es enorm schwer, so weiterzuessen wie bisher. Denn schon Spider-Mans Onkel Ben wusste: »Aus großer Kraft folgt große Verantwortung.« Dasselbe gilt natürlich auch für Wissen: Wer viel weiß, kann nicht einfach so weitermachen wie bisher. Zumindest nicht ruhigen Gewissens. Das wäre in etwa so schlau, als würde man ein Stauende sehen und noch mal aufs Gas treten.

Ohne Frage: Eine solche Erleuchtung ist starker Tobak. Tausend Fragen kreisen einem durch den Kopf. Allen voran: War ich ein schlechter Mensch, weil mich all das bisher nicht interessiert hat? Die Antwort ist: nein! Wichtig ist einzig und allein, was man aus dem neuen Wissen macht. Mein Kollege G., zum Beispiel, liebt den Geschmack von Fleisch. Trotzdem isst er es seit sieben Jahren nicht mehr. Für ihn ist das tatsächlich ein großer Verzicht. Denn er hat bisher noch nichts Vegetarisches gefunden, was ihm so gut schmeckt wie einst Steak oder Bratwurst. Aber trotzdem testet er unermüdlich eine Tofuwurst nach der nächsten. »Ich glaube, Fleisch würde mir auch gar nicht mehr schmecken«, sagt er. »Wenn man einmal weiß, was die Fleischindustrie für die Welt und das Klima bedeutet, dann kann man es doch nicht mehr genießen.«

Für viele ist Vegetarismus deshalb viel mehr als nur eine Ernährungsweise, sondern eine Lebenseinstellung. Neues Wissen ändert nämlich nicht nur, was Sie essen, sondern im Idealfall auch viele andere Bereiche des Lebens. Schon der Philosoph Friedrich von Schlegel wusste: »Je mehr man schon weiß, je mehr hat man noch zu lernen.«26 Diese Reise lohnt sich aber, denn im Leben geht es ja auch darum, mal über den Tellerrand hinauszuschauen und was Neues zu wagen. Was heute als »neu«, »mutig« und für manche »irgendwie komisch« gilt, wird in ein paar Jahren so selbstverständlich sein wie heute das Internet. Wahrscheinlich werden Kinder ihre Eltern in 20, 30 Jahren fragen, warum sie keine Vegetarier waren. Da dürfte es extrem schwierig werden, überzeugende Argumente zu finden. Denn Eltern und erfahrene Babysitter wissen: »Weil es mir geschmeckt hat« und »Weil das eben so war« sind keine überzeugenden Antworten für Vier- bis Achtjährige. Später, wenn der Nachwuchs lesen kann, findet er sowieso dieses Buch in einer digitalen Bibliothek und dann haben Sie richtige Probleme. Sagen Sie also nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt!

6.

Weil es lecker schmeckt

Logisch! Denn wenn man vollkommen ohne schlechtes Gewissen essen kann, dann fällt Genuss leicht. WIE gut vegetarisch schmeckt, ist allerdings schwer zu beschreiben, wenn das Gegenüber nicht weiß, wovon man spricht. Das ist spätestens seit dem Film Stadt der Engel klar. Darin spielt Meg Ryan eine Herzchirurgin, die sich in einen Engel (Nicolas Cage) verliebt. Irgendwann sind die beiden zusammen auf dem Wochenmarkt und Meg Ryan kauft Obst. Weil Engel nichts schmecken können, fragt Cage, wie denn eine Birne schmeckt. Ryan antwortet vage: körnig und saftig. Das stimmt schon – beschreibt aber nicht annähernd den tatsächlichen Geschmack.

Deshalb gilt: Wer wissen will, wie lecker vegetarisch wirklich ist, der sollte es einfach mal probieren. Das ist ziemlich einfach, denn die Zahl der vegetarischen und veganen Restaurants und Cafés in Deutschland, Österreich und der Schweiz nimmt ständig zu. Die Tierrechtsorganisation PETA hat eine Liste mit vegetarischen und Vegetarier-freundlichen Lokalen in Deutschland erstellt. Darauf stehen aktuell27 469 Restaurants von Aachen über Bautzen und Oberhausen bis Zeltingen-Rachtig.

Am unkompliziertesten ist es, statt ins Stammlokal mal in ein vegetarisches Restaurant zu gehen und »es« einfach mal zu wagen. Dank digitaler Schwarmintelligenz im Internet kann man sich schon vorher informieren, wie es den anderen dort schmeckt, zum Beispiel auf Bewertungsportalen: »Einfach nur köstlich! Ich bin mindestens einmal die Woche da. Vollgepumpt mit guten Sachen! Gibt Kraft, macht satt und glücklich und schmeckt wie der Himmel«, schreibt Hobby-Kritikerin Helen S. über ein vietnamesisch-vegetarisches Restaurant in Berlin.28

Ex-Fleischfan Stephan K. hat ein vegetarisches Kebaphaus in München getestet: »Vor meinem Entschluss, Vegetarier zu werden, war der gute alte Döner sehr regelmäßig auf meinem Speiseplan und auch nach meinem Entschluss war die Teigtasche mit dem gegrilltem Fleisch vom Spieß für mich oft eine zu große Verlockung.« Bis ein Freund ihm den Tipp gab, doch mal den vegetarischen Döner zu probieren. Das abschließende Urteil: »Ein Geschmackserlebnis, das kein Vegetarier/Veganer missen sollte, ich jedenfalls habe kein Bedürfnis mehr nach einem normalen Döner.«29

Recht abenteuerlich, aber lecker war der Besuch eines Users in einem vegetarischen Lokal in Leipzig: »Schummrige Gegend, nebenan fand eine Razzia mit Großaufgebot statt und die Fassade ist/war von einem Gerüst eingezäunt. Aber das Essen – was war denn das? Der Koch gehört in die Sterneküche! Toll angerichtet, geschmacklich zum Niederknien.«30

Michael B. ist zwar kein Vegetarier, aber trotzdem Stammgast bei einem vegetarischen Imbiss in Dortmund: »Dieses Café tut besonders Vegetariern und Veganern gut! Obwohl ich mich selbst zu keiner dieser Gattungen bekehre, komme ich immer wieder gerne hierher. In erster Linie liegt das wohl daran, dass der Soja-Burger einfach zum Umwerfen gut schmeckt. Mein absoluter Favorit ist der Vollkorn-Bratling in Zusammenspiel mit der süß-sauren Sauce.«31 Na dann: Guten Appetit!

7.

Weil es keine Ausreden gibt

Wer in Arnis oder Neumark (mit knapp 300 und knapp 500 Einwohnern die kleinsten Dörfer Deutschlands) nach Seitan, Tempeh oder Reismilch sucht, wird im örtlichen Tante-Emma-Laden sicherlich nicht fündig. Doch das ist kein Grund, nur Nudeln mit Tomatensoße, Müsli und rohes Gemüse zu essen und somit dem Klischee des sich mangelhaft ernährenden Vegetariers zu entsprechen. Denn inzwischen gibt es eine wachsende Zahl von Internetplattformen, die auch Nicht-Großstädtern die Möglichkeit eröffnen, sich mit allem, was das Veggie-Herz begehrt, zu versorgen. Hier eine kleine Auswahl (ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn die Online-Läden sprießen wie Pilze aus dem Boden):

•www.alles-vegetarisch.de: Nach eigener Angabe Europas größter Online-Shop für rein pflanzliche Spezialitäten. Hier gibt es von der Tofu-Wurst bis hin zu Büchern alles. Toll sortiert und sehr easy zu handhaben. Das Unternehmen wurde 2001 gegründet und hat seinen Sitz in der kleinen Stadt Nabburg in Bayern.

•www.radixversand.de: Veganer Online-Laden, den es schon seit 17 Jahren gibt. Hier finden sich nur Produkte, die völlig auf Tierisches verzichten (also keine Eier, kein Käse, kein Honig). Sogar vegane Tiernahrung gibt es hier zu bestellen!

•www.clematis-naturkosmetik.de: Hier gibt es neben Lebensmitteln v. a. auch vegane Kosmetik und Wellness-Produkte.

•www.veganbasics.com: Hier findet man eine riesige Auswahl an Büchern, tierversuchsfreie Kosmetik, ein großes Arsenal an lederfreien Portemonnaies und Taschen, Gürtel, Tiernahrung.

•www.smilefood.de: Ebenfalls vegan, sehr schön aufgemacht und fotografiert.

•www.vega-trend.de: Hat sich auf tierfreie Schuhe spezialisiert.

•www.veganWonderland.de: Ebenfalls ein reichlich ausgestatteter veganer »Supermarkt«, der keine Wünsche offen lässt.

Das Tolle am Online-Shoppen: Man steht nicht, wie manchmal im Supermarkt, vor dem Regal und weiß plötzlich nicht mehr: Was war noch gleich Kamut? Welche Zutaten brauche ich für das leckere Amaranth-Gericht von neulich? Ein Klick, und man ist schlauer. Die meisten Shops bieten ohnehin viele Vorschläge, Rezepte und Infos, sodass es sich stundenlang dort stöbern lässt. Als Bewohner von Arnis oder Neumarker braucht man also nicht zu verzagen, sondern kann sich mit Freude in die unendlichen Weiten des vegetarischen Internet-Shoppings stürzen.

Auch für alle, die öfter im Restaurant essen, gibt es Hilfe: Auf www.happycow.net gibt es fleischlose Essens- und Einkaufsmöglichkeiten auf der ganzen Welt sowie einen Terminkalender mit veganen und vegetarischen Veranstaltungen. Die Seite www.veganguide.org bietet eine umfangreiche Übersicht veganer und veganfreundlicher Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten speziell für den deutschsprachigen Raum.

8.

Weil in jedem von uns ein Vegetarier schlummert

Ein gemütlicher Abend mit Freundinnen. Es gibt viel zu erzählen und dazu Sushi vom Lieferservice – mit Fisch und vegetarisch. Freundin B., eine leidenschaftliche Fleisch- und Fischesserin, mixt die Röllchen auf ihrem Teller. Mit einem Avocado-Maki zwischen den Stäbchen sagt sie: »Ich weiß noch ganz genau, wann ich das Wort ›vegetarisch‹ zum ersten Mal gehört habe.« Das war Ende der 1980er-Jahre, sie war in der Grundschule in einem kleinen Ort in Oberbayern. »Kein Mensch wusste damals, was ein Vegetarier ist«, sagt sie kopfschüttelnd. »Aber ich hatte eine in der Klasse.« Die vegetarische Mitschülerin war wie ihre Eltern bei den Rosenkreuzern, einer Glaubensgemeinschaft, die aus verschiedenen Geheimbünden hervorgegangen ist. (Für entsprechende Verschwörungstheorien unbedingt bei Umberto Eco und Dan Brown nachlesen.) Bei einem Kindergeburtstag erzählte das Mädchen, dass sie wegen ihres Glaubens keine Grillwürstchen essen darf. Denn sie sei Vegetarierin. »Vegetarierin?!«, fragte Freundin B. besorgt nach – das klang wie eine unheilbare Krankheit. Das Wort hatte sie noch nie gehört. Nach der Erklärung, was das denn sei, war Freundin B. noch verwirrter als zuvor. »Für mich war das absolut erstaunlich, dass jemand ganz auf Fleisch verzichtet, wo es doch so gut schmeckt!« Zu Hause erzählte sie ihren Eltern sofort diese verrückte Geschichte. »Meine Eltern konnten mit dem Begriff was anfangen, waren aber sehr skeptisch.« Die Mama referierte darüber, dass eine einseitige Ernährung nie und nimmer gesund sein könne, und dass »solche Leute« sicherlich einige Mangelerscheinungen hätten. Der Vater schlug im Lexikon nach, das brachte aber auch keine weiteren Erkenntnisse. Internet gab’s damals nicht, somit war das Thema vorerst erledigt. Weil der Vater sich den Namen der Mitschülerin nie merken konnte, sprach er fortan immer nur von der »Körnerfresserin«. »Aber damals beschwerte er sich auch noch, wenn nicht täglich Fleisch auf den Tisch kam«, relativiert Freundin B. Davon, dass zu viel Fleisch ungesund ist, konnte Freundin B. ihren Vater erst viele Jahre später überzeugen.

Damals, vor 30 Jahren, war Vegetarismus eine Ausnahmeerscheinung. Heute sieht das anders aus: Vegetarismus ist vom Nischenthema zum Trend geworden. Die Hamburger Wochenzeitschrift Die Zeit geht sogar so weit zu behaupten: »Vegetarisch essen ist heute so normal wie morgens aufstehen.«32

Für Freundin B. kam ein vegetarisches Leben aber trotzdem nie infrage. »Noch zu Unizeiten war ich überzeugt, dass nur eine durch und durch indische Ernährungsweise mit vielen Hülsenfrüchten den Eisen- und Proteinmangel aufwiegen kann, und da unsere westliche Küche nun einmal andere Zutaten verwendet, habe ich es nicht für möglich gehalten, dass man sich hier bei uns ausgewogen vegetarisch ernähren kann.« Aber dann trat ein Mensch in ihr Leben, der ihr zeigte, dass das sehr wohl funktioniert. Ihr heutiger Ehemann. Mittlerweile brutzelt auch die leidenschaftliche Hobbyköchin fast nur noch ohne Fisch und Fleisch. Dass sie selbst mehr und mehr zu »Körnerfresserin« wird, muss sie nur noch ihrem Vater schmackhaft machen. Vielleicht ja irgendwann mal bei einem Kürbis-Maki und einem Sake? Prost!

9.

Weil es nie zu spät ist, sein Leben zu verbessern

Es gibt ein paar Leute, die haben noch nie Fleisch gegessen, die britische Sängerin Joss Stone zum Beispiel. Sie sagt: »Ich wurde bereits als Vegetarierin geboren. Es gibt keinen Grund, einem anderen Lebewesen Schmerz oder Schaden zuzufügen. Wir haben doch so viel anderes, was wir essen können. Ich habe in meinem ganzen Leben noch kein Fleisch gegessen – und ich bin über 1,75 Meter groß und falle nicht gerade von den Knochen.«33 Damit ist die Sängerin aber eher die Ausnahme. Die meisten Menschen, die heute vegetarisch leben, haben irgendwann mal angefangen aufzuhören, Fleisch zu essen. Das Tolle am Vegetarismus: Es ist nie zu spät, damit zu beginnen. Denn jedes Steak, das nicht gegessen wird, tut dem Körper gut und macht einen Unterschied für die Umwelt.

Die Friedrich-Schiller-Universität Jena hat 4.000 Vegetarier nach ihren Motiven für ein Leben ohne Fleisch gefragt und herausgefunden, dass es im Wesentlichen drei »Arten« von Vegetariern gibt: moralische Vegetarier, Gesundheitsvegetarier und emotionale Vegetarier. Alle essen kein Fleisch, verzichten aber aus verschiedenen Gründen darauf und haben zu unterschiedlichen Zeiten in ihrem Leben damit angefangen. Wer aus gesundheitlichen Gründen auf Fleisch verzichtet, tut das im Durchschnitt ab seinem 28. Lebensjahr. Wer sich aus moralischen Gründen dazu entscheidet, Vegetarier zu werden – also weil er gegen Massentierhaltung und Tierquälerei ist –, ist sieben Jahre jünger. Am frühesten – mit 18 Jahren – verzichten die emotionalen Vegetarier auf Fleisch; ihr Motiv: Ihnen schmeckt es einfach nicht. Am wichtigsten bei der Entscheidung, kein Fleisch mehr zu essen, sind die moralischen Gründe: Für fast zwei Drittel (63 Prozent) der Vegetarier spielen Tierschutz und Tierrechte die größte Rolle. Gesundheitliche Überlegungen waren für ein Fünftel der Befragten der Anlass, kein Fleisch mehr zu essen, und jeder Zehnte hatte emotionale Gründe.34

Der amerikanische Bestseller-Autor Jonathan Safran Foer (Alles ist erleuchtet) war in seiner Jugend öfter mal Vegetarier, um sich von anderen abzugrenzen (»Ich wollte ein Motto, das ich vor mir hertragen konnte, ein Thema, um die peinliche halbstündige Schulpause zu überbrücken, eine Gelegenheit, um den Brüsten von Aktivistinnen näher zu kommen.«35). Aber erst, als er Vater wurde, beschäftigte sich der New Yorker wirklich ernsthaft mit der Frage, warum wir Tiere essen und ob wir das tun sollten. Für sein Buch Tiere essen machte er sich undercover auf zu Farmen, Mastbetrieben, Fabriken und Schlachthöfen. In den USA werden allein zu Thanksgiving unvorstellbare 45 Millionen Truthähne verspeist! Das Essen ist – dort wie hier – ein Teil der Kultur, ein Stück Geschichte, ein verbindendes Element. Dennoch: »Sobald wir unsere Gabeln heben, beziehen wir Position«, schreibt Foer. »Keine Entscheidung zu treffen – also zu essen ›wie alle anderen‹ – heißt, die einfachste Entscheidung zu treffen, eine, die zunehmend problematisch ist.« Denn wer heute einfach nur isst und nicht darüber nachdenkt, obwohl er die Wahl hat, der kann irgendwann der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. »Unser Tropfen ist vielleicht nicht der entscheidende, aber der Akt wird wiederholt – jeden Tag in unserem Leben und vielleicht jeden Tag im Leben unserer Kinder und Kindeskinder …«36 Denn schlussendlich verbessert man als Vegetarier nicht nur sein eigenes Leben – und das seiner Kinder –, sondern tut auch drei Mal am Tag (Frühstück, Mittag, Abendbrot) etwas, um die Welt ein bisschen besser zu machen.

Vegetarier-Werden ist wie Nichtraucher-Werden: Es geht auf viele Arten. Entweder von jetzt auf gleich, etappenweise oder mit vielen Anläufen. Der eine lässt erst mal das Schnitzel am Donnerstag in der Kantine weg, ein anderer isst partout kein Rind mehr, aber ab und zu noch Bio-Hühnchen. Ein Dritter verzichtet nach einer Schlachthofreportage komplett auf alles Tierische und schmeißt sogar seine Leder-Loafers in den Altkleidercontainer. Für alle, die auf Wettbewerb und Herausforderungen stehen, ist der neueste Trend das Richtige: ein vegetarischer oder veganer Selbstversuch. Nachzulesen in unendlich vielen Blogs, zum Beispiel dem des Stern-Grafikers Derik Meinköhn, der eigentlich nur 60 Tage auf alles Tierische verzichten wollte, aber dann dabei geblieben ist, weil er sich ohne Fleisch fitter, gesünder und belastbarer fühlte.37 Egal, wie man’s angeht: Einen Versuch ist es wert, versprochen!

10.

Weil vegetarisch Kochen so viel Abwechslung in die Küche bringt

Ganz ehrlich, liebe Fleischesser: In der Küche zu stehen und Garnelen den Darm rauszupulen, einen toten Truthahn mit Maronen vollzustopfen oder in die Knopfaugen eines Karpfens zu schauen, bevor man ihn filetiert – das kann sich doch nicht wirklich gut anfühlen, oder?!

Beim vegetarischen Kochen geht es gänzlich unblutig zu. Auch volle Därme kann man nicht aus Versehen mitessen und die einzigen Herzen, mit denen gekocht wird, stammen von der Artischocke. Vegetarisch kochen ist wie nicht-vegetarisch kochen – nur eben ohne den Tod in der Küche und noch abwechslungsreicher. Das heißt: Je nach Interesse und Talent kann man einfach loslegen, einen Kurs in einem Kochstudio oder der Volkshochschule machen oder ein Kochbuch kaufen, studieren und rumexperimentieren.

Statt des traditionellen »Fleisch mit Kartoffeln/Klößen/Reis und einer Handvoll zerkochtem Alibigemüse« könnte es dann tolle Sachen wie diese hier geben:

•Maki-Wraps mit Avocado und Bohnen-Ingwer-Creme

•Gnocchi und dicke Bohnen mit Pesto und Mandeln

•Mangold-Tarte mit Haselnuss-Feta-Streuseln

•Gefüllte Tomaten mit Quinoa-Sprossen, Avocado und Algen

•Chili sin Carne (mit Einkorn statt Hackfleisch)

•Kichererbsen-Avocado-Burger mit Cranberrysoße

•Auberginen-Senf-Tortellini mit Johannisbeersoße

•Marinierte Zucchinispaghetti

•Avocado-Erdbeer-Tatar auf Feldsalat mit Oregano-Baguette38

So, wem jetzt nicht das Wasser im Munde zusammengelaufen ist, der werfe den ersten Stein. Fakt ist: Als Neu-Veggie lernt man viele Lebensmittel kennen, mit denen man zuvor nie oder selten zu tun hatte: zum Beispiel Polenta, Quinoa, Tofu, Beluga-Linsen oder Einkorn, ein Urgetreide, das seit der Steinzeit nicht wesentlich weitergezüchtet wurde. Dennoch: »Ausgewogene, vegetarische Mahlzeiten zusammenzustellen ist letztendlich keine Hexerei«, erklärt die französische Veggie-Köchin Clea. Wichtig ist, dass rohes oder gekochtes Gemüse dabei ist, Kohlenhydrate aus Getreide, Nudeln oder Kartoffeln und eine Eiweißquelle, wie zum Beispiel Hülsen- oder Ölfrüchte. Der Tipp vom Profi: »Haltet euch am Anfang an die Vorgaben.« Mit etwas mehr Erfahrung kann man später variieren und muss nicht mehr streng nach Rezept kochen.39

Der Münchner Veggie-Koch Sebastian Copien sieht das noch entspannter. Er ist überzeugt davon, dass jeder Mensch »das intuitive Gespür und die Fähigkeit« besitzt, die Lebensmittel auszuwählen, die Körper und Geist gerade brauchen.40 Und nicht nur das: Der Profikoch ist sicher, dass es jeder schafft, aus einem Kühlschrank voller Lebensmittel ein leckeres Veggie-Menü zu kredenzen. Dabei gibt der Profi in seinen Kursen gern Starthilfe. Im 18-stündigen Basiskurs, zum Beispiel, bringt er Neu-Veggies bei, wie aus Gemüse Genuss wird und worauf man beim Einkaufen und der Nährstoffversorgung achten sollte. Außerdem auf dem Stundenplan: kreative Küchentechniken. Sein Motto darf man dann gern an den eigenen Herd mitnehmen: Vegetarisch kochen heißt nicht Verzicht, sondern mehr Genuss. Da sind wir d’accord!

2

FIT, FITTER, VEGETARIER

11.

Weil so die meisten Zivilisations-krankheiten vermieden werden können

Denn viele Krankheiten haben direkt oder indirekt damit zu tun, dass Menschen zu viel Fleisch essen. Würde man sich ausschließlich von Fleisch ernähren, würde man an einer inneren Vergiftung sterben, sagt Ernährungsberaterin Ilse Gutjahr von der Gesellschaft für Gesundheitsberatung. Diese Erkenntnis wurde früher in Asien angeblich sogar als »gewaltlose Hinrichtungsmethode« genutzt: Wer zum Tode verurteilt war, bekam über mehrere Wochen nur Fleisch zu essen.41 Heute steht übermäßiger Fleischkonsum vor allem in Verbindung mit den sogenannten Volkskrankheiten Fettsucht (Adipositas), Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes (Typ 2). Aber auch mit Krankheiten wie Krebs, Osteoporose, Gicht und Demenz. Die gute Nachricht: Zahlreiche Studien zeigen, dass vollwertige vegetarische Kostformen das Potenzial haben, die meisten dieser Zivilisationskrankheiten zu verhindern. Darüber hinaus können sie erfolgreich bei der Behandlung vieler dieser Krankheiten eingesetzt werden.42

Die Zahlen sind alarmierend: Allein in Deutschland leben sechs Millionen Menschen mit Diabetes. Ändert sich nichts an der Ernährung, wird die Zahl der Diabetiker bis zum Jahr 2030 auf acht Millionen Menschen steigen. Das heißt: Jeder zehnte Deutsche würde dann zuckerkrank sein.43 Noch beunruhigender sind die Zahlen zum Gewicht der Deutschen: Über die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland ist zu dick. Fast jeder Vierte sogar fettleibig!44 Das Problem: Wer zuckerkrank oder adipös ist, hat auch ein erhöhtes Risiko für Erkrankungen wie Nierenschäden, bestimmte Formen von Krebs, Bluthochdruck und Beeinträchtigungen des Herz-Kreislauf-Systems. Aktuelle Forschungen bestätigen: Die Ernährung spielt bei der Entstehung dieser Erkrankungen eine zentrale Rolle.

Verschiedene Studien zeigen schon seit Jahrzehnten, dass esbesser ist, kein Fleisch zu essen. Bereits die weltweit erste große Vegetarierstudie – die Adventist Mortality Study – kam zu diesem Ergebnis. Ab 1960 wurden dafür die Lebens- und Essgewohnheiten von 15.000 US-Amerikanern analysiert. Nach 26 Jahren wissenschaftlicher Beobachtung sah es für die Veggies unterm Strich deutlich besser aus.

Zu Beginn der 1980er-Jahre belegten in Deutschland drei große Vegetarierstudien der Universität Gießen, des Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg und vom Bundesgesundheitsamt Berlin unabhängig voneinander, dass Vegetarier bessere Werte bei Blutdruck, Körpergewicht und Krankheitshäufigkeit haben. Außerdem sei ihr Risiko geringer, an bestimmten Krebsarten zu erkranken. Das bestätigt auch eine Untersuchung der London School of Hygiene and Tropical Medicine mit 11.000 Teilnehmern. Zwölf Jahre lang wurde der Gesundheitszustand von Vegetariern mit dem von Mischköstlern verglichen. Das Ergebnis: Wer sich fleischfrei ernährte, hatte einen niedrigeren Blutdruck, geringere Blutfettwerte, eine bessere Nierenfunktion und ein gesünderes Körpergewicht. Außerdem leben Vegetarier nicht nur gesünder, sondern auch länger (siehe Grund 29: »Weil Vegetarier länger leben«). Die Wahrscheinlichkeit zum Beispiel, an Krebs zu sterben, war bei den Vegetariern um 40 Prozent geringer als bei den Allesessern.45