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Drabbles, kleine Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen müssen und eine Pointe haben sollten, stellen selbst an geübte Autoren eine Herausforderung da, denn es gilt, zielgerichtet zu schreiben und deshalb jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, ohne Inhalt und Aussage der Geschichte zu vernachlässigen. Die vorliegende Sammlung unterliegt zusätzlichen Einschränkungen: Zu jedem Buchstaben des Alphabets hat die Autorin einen Begriff gewählt, dem jeweils vier Drabbles zugeordnet sind, was insgesamt 104 Drabbles ergibt. Wieso ausgerechnet Drabbles? Sie regen die Phantasie des Autors an, aktivieren seinen Wortschatz, ermahnen ihn zur Disziplin und fördern die Freude am Schreiben, und vielleicht motivieren sie den einen oder anderen Leser dazu, seine Alltagserfahrungen selbst einmal in Drabbles festzuhalten.
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Seitenzahl: 55
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Ilka-Maria Hohe-Dorst
26 x 4 Drabbles
von A wie Apfel bis Z wie Zeit
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort
A wie APFEL
B wie BLUME
C wie CINEMA
D wie DUFT
E wie ENGEL
F wie FREITAG
G wie GLÜCK
H wie HOTEL
I wie ILLUSION
J wie JUWEL
K wie KUNST
L wie LIEBE
M wie MAUER
N wie NAGER
O wie OPER
P wie PRODUKT
Q wie QUALITÄT
R wie REISE
S wie SUCHE
T wie THEMA
U wie UNGLÜCK
V wie VOGEL
W wie WIND
X wie XANTHIPPE
Y wie YETI
Z wie ZEIT
Impressum neobooks
Was ist ein Drabble?
Diese Frage bekam ich immer wieder gestellt, wenn ich Bekannten und Freunden von meinem Drabble-Projekt erzählte, einer Sammlung von Drabbles zu Oberbegriffen von A bis Z, und zwar vier für jeden Buchstaben des Alphabets bzw. jeden Oberbegriff, insgesamt also 104 Drabbles.
Nach allgemeiner Definition ist ein Drabble eine meist pointierte Geschichte, die aus exakt 100 Wörtern bestehen muss (ohne Überschrift). Das stellt den Autor vor die Herausforderung, sich auf das Wesentliche zu beschränken, also strikt nach der Regel „kill your darlings“ vorzugehen, wenn der Text zu viele Wörter enthält, ohne aber durch die notwendigen Streichungen die Aussagekraft zu schmälern. Was ursprünglich aus einer Idee zu einer vermeintlich anspruchslosen Wortspielerei entstand, hat sich somit zu einer Prosa-Gattung entwickelt, die dem Autor durchaus Kopfzerbrechen bereiten kann, weil sie ihn dazu zwingt, tief in die Wortschatzkiste zu greifen und jeden Begriff auf die Goldwaage zu legen.
Das vorliegende Büchlein ist in der Absicht verfasst, den Leser mit dieser Gattung bekannt zu machen und ihn zu motivieren, sich selbst ans Schreiben von Drabbles heranzuwagen oder sich im Freundeskreis in spielerischer Weise daran zu vergnügen.
Ilka-Maria Hohe-Dorst
Dezember 2018
Zwei Äpfel auf dem Küchentisch ertragen geduldig den Radau eines Rührgeräts. Einer der beiden ist schon sichtlich gelb geworden. „Jetzt sind wir bald dran! Mir wird ganz übel.“
„Wie meinst du das?“
„Sag mal, heißt du Boskop oder Schafskopp?“
„Boskop. Und weiter?“
„Siehst du nicht das Kneipchen und das Backblech?“
„Doch. Na und?“
„Sag mal, wo bist du zu Hause, du Naivling? Erst kommen Fett und Teig auf das Backblech und dann wir.“
„Ich liege gerne weich.“
„Aber nicht gehäutet, in zwölf Teilen und bei 230 Grad!“
„Mir wird auch schlecht!“
„Mama, die Äpfel sind auf einmal ganz schrumpelig geworden!“
Zufrieden wuchtet der Obsthändler eine Steige frischer Äpfel auf die schräge Verkaufsfläche. Dabei löst sich ein Apfel und kullert nach unten in das Territorium einer anderen Sorte. „Bloß nicht bewegen und auffallen,“ denkt sich der Apfel, wird aber prompt angesprochen.
„Wer bist du denn?“
„Ariane de France. Und du?“
„Duke of Devonshire. Du bist ja ganz rot. Etwa schüchtern?“
„Nein, reif. Du kommst mir aber ziemlich grün vor für einen Duke.“
„Verlass dich nicht drauf, Schöne. Ich kann sehr süß sein.“
„Ist das Anmache?“
„Na, wenn ich dich so betrachte, bin ich sicher, wir beide könnten ein köstliches Mus abgeben.“
Ein Apfelbaum im Frühjahr. Drei junge Früchtchen plaudern über ihre Zukunft.
„Sag, Greenhorn, was willst du mal werden?“
„Immobilienmakler, das ist total lukrativ. Hab schon jede Menge Anfragen von fetten Maden.“
„Und du, Sommersprosse?“
„Ich gehe in die Schweiz und werde Requisit bei den Wilhelm-Tell-Festspielen.“
„Den Job machst du aber nur einmal!“
„Miesmacher! Hast du etwas Besseres?“
Das junge Äpfelchen lächelt stolz.
„Exklusiv-Vertrag mit der Evchen & Reptil Gesellschaft in Eden. Dort sind meine erkenntnistheoretischen Fähigkeiten gefragt.“
„Du forderst Gottes Zorn heraus! Warum?“
„Damit Adam und Eva zusammen mit mir aus Eden rausfliegen. Dann gehört meinen Samen die ganze Welt.“
Ein Apfel auf der Höhe seiner Reife verliert den Halt und landet unsanft auf der feuchten Erde an den Wurzeln seines Baums, genau neben einem Apfel-Greis, der keinem weiteren Nutzen zugeführt wurde, als zu vergammeln.
„Du bist ja ganz braun!“
„Das macht der Alkohol, Jungchen. Ich bin im Gärungsprozess und schon ziemlich matschig.“
„Hm - du riechst auch übel.
„Warte erst, bis ich in die schwarze Phase übergegangen bin!“
„Wird mir das auch mal passieren?“
„Nicht, wenn dich ein Mädel oder ein Bub aufliest, bevor du weiche Dellen unter der Haut bekommen hast. Dann verrottest du nicht, sondern wirst gefressen.“
Ein Krokus quält sich mit letzter Kraft durch die Erde und entfaltet sein strahlendes Gelb. Zufrieden schaut er sich um: Rundum steht fettes Gras, und über ihm leuchten Magnolienblüten in zartem Weiß und Rosé. „Schön,“ denkt er und lässt sich von der Frühlingsluft umschmeicheln. Doch sein Blick auf eine benachbarte Krokus-Maid lässt ihn erschauern. Vorsichtig spricht er sie an. „Du bist ein hübsches Ding, aber weshalb bist du so blau?“
Die Blaue seufzt: „Bin zu früh gekommen. Dieser herzlose März war bitterkalt.“
Der Gelbe nickt verständnisvoll. „Ich durfte noch warten, weil meine Muhme gedachte, mich in den April zu schicken.“
Eine Ringelblume und eine Kornblume streiten, wer bei den Insekten die Begehrtere sei.
„Meine Blüten leuchten so gülden wie die Sonne,“ prahlt die Ringelblume.
„Meine Blüten strahlen so blau wie der Sommerhimmel,“ kontert die Kornblume.
Eine Biene setzt sich auf die Ringelblume, nascht von ihrem Nektar und hebt wieder ab. „Komm bald zurück,“ ruft die Ringelblume ihr nach. Die Biene antwortet nicht.
Derweil ist ein Falter auf der Kornblume gelandet und kostet ihren Duft. „Komm bald wieder,“ ruft die Kornblume dem Falter nach, als er davonfliegt.
„Daraus wird wohl nichts,“ ruft dieser zurück, kurz bevor der Mähdrescher beide Blumen köpft.
Jan schaut gedankenverloren aus dem Fenster. Das Herbstlaub der Bäume leuchtet in der Sonne. Er spürt die Hand seines Kollegen auf der Schulter. „Alles in Ordnung, Alter?“
Jan schüttelt den Kopf. „Gestern habe ich meiner Frau eine Rose mit nach Hause gebracht.“
„Das ist ja großartig, so viel Romantik hätte ich einem Buchhalter gar nicht zugetraut.“
„Seit unserer Hochzeit habe ich ihr jeden Tag eine rote Baccara-Rose geschenkt.“
„Das Symbol der Liebe. Deine Frau muss ein glücklicher Mensch sein.“
„Als ich ihr gestern die Rose überreichte, sah sie mich kaltlächelnd an, knickte den Stil und ließ sie zu Boden fallen.“
Für Lisa war ein Rosenstrauß am Empfang abgegeben worden. Sie holte ihn ab, verwundert, von wem er sein könnte, denn ihm lag keine Karte bei.
Jeden Tag erhielt sie einen neuen Rosenstrauß, und die Kolleginnen warfen ihr fragende Blicke zu, denn Lisa war verheiratet. Weil sie nicht in Verdacht geraten wollte, hieß sie die Empfangsdame, den nächsten Strauß nicht mehr anzunehmen.