3 Western in 1: Canyon der Götter - Alfred Wallon - E-Book

3 Western in 1: Canyon der Götter E-Book

Alfred Wallon

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Beschreibung

Drei Western für zwei! Willkommen im Wilden Westen, wo Mut, Verrat und Gerechtigkeit auf dem Spiel stehen. Dieses Bundle vereint drei packende Romane der Erfolgsreihe „Das Gesetz des Westens“ – in einem Buch!

Canyon der Götter: Der Befehl lautet: Vertreibung der Navajos. Doch Häuptling Manuelito leistet Widerstand – und Kit Carson steht zwischen Loyalität und Befehl. Als ein Schamane seinen Freund und dessen Sohn als Opfer auserwählt, beginnt ein innerer Kampf zwischen Pflicht und Menschlichkeit. Wird Carson das Blutvergießen stoppen – oder endet der Konflikt in einer Tragödie?

Ein Galgen für McLintock: Colin McLintock flieht vor einem Mordurteil, das auf Lügen basiert. In Sonora gerät er in einen brutalen Machtkampf mit dem skrupellosen Minenbaron Tim Bolton. Als plötzlich ein alter Feind auftaucht, steht McLintock vor der Wahl: den Kampf aufnehmen – oder am Strick enden.

Verratene Ehre: Mexikanische Banditen unter Juan Hernandez wüten entlang der Grenze – und nur der Mountain Man Robert Coltrane stellt sich ihnen in den Weg. Doch der wahre Feind sitzt vielleicht im eigenen Lager: Ein amerikanischer Offizier spielt ein doppeltes Spiel. Als Hernandez Fort Leadville angreift, entscheidet sich, ob Mut und Loyalität stärker sind als Verrat und Blutgeld.

Über die Reihe „Das Gesetz des Westens“ Erleben Sie regelmäßig knallharte Abenteuer aus dem Wilden Westen – von legendären Western-Autoren wie Alfred Wallon, Peter Dubina, John Gray und vielen mehr. EK-2 Publishing bringt mit dieser Reihe das Flair von Pulverdampf, rauen Siedlern und einsamen Revolverhelden direkt zu Ihnen nach Hause.

Laden Sie den Colt, satteln Sie auf – und sichern Sie sich drei explosive Western in nur einem Band! Hinweis: Dieses Bundle enthält Neuauflagen gleichnamiger Romane.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Alfred Wallon

 

 

 

 

3 Western in 1Canyon der Götter

Drei Romane der historischen Western-Reihe „Das Gesetz des Westens“

 

Canyon der Götter

Ein Galgen für McLintock

Verratene Ehre

 

EK-2 Militär

 

 

Ihre Zufriedenheit ist unser Ziel!

 

Liebe Leser, liebe Leserinnen,

 

zunächst möchten wir uns herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie dieses Buch erworben haben. Wir sind ein Familienunternehmen aus Duisburg und jeder einzelne unserer Leser liegt uns am Herzen!

 

Mit unserem Verlag EK-2 Publishing möchten wir militärgeschichtliche und historische Themen sichtbarer machen und Leserinnen und Leser begeistern.

 

Vor allem aber möchten wir, dass jedes unserer Bücher Ihnen ein einzigartiges und erfreuliches Leseerlebnis bietet. Haben Sie Anmerkungen oder Kritik? Lassen Sie uns gerne wissen, was Ihnen besonders gefallen hat oder wo Sie sich Verbesserungen wünschen. Welche Bücher würden Sie gerne in unserem Katalog entdecken? Ihre Rückmeldung ist wertvoll für uns und unsere Autoren.

 

 

Schreiben Sie uns: [email protected]

 

Nun wünschen wir Ihnen ein angenehmes Leseerlebnis!

 

Ihr Team von EK-2 Publishing,

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Canyon der Götter

von Alfred Wallon

 

… als unsere Väter noch lebten, hörten sie, dass die Amerikaner über den großen Fluss nach Westen zogen. Wir hörten von Gewehren und Pulver und Blei – zuerst von Gewehren mit Steinschlössern, dann von solchen mit Zündhütchen und jetzt sind es Repetiergewehre, die die Weißen besitzen.

Wir sahen die Weißen zum ersten Mal bei Cottonwood Wash. Wir führten Kriege mit den Mexikanern und den Pueblos. Wir erbeuteten Maultiere von den Mexikanern und besaßen große Herden. Die Amerikaner kamen, um mit uns Handel zu treiben – und als sie kamen, veranstalteten wir ein großes Tanzfest, und sie tanzten mit unseren Frauen. Wir machten auch Geschäfte mit ihnen…

 

Historisch überlieferte Worte des Häuptlings Manuelito von den Navaho.

 

Unruhige Zeiten begannen, als der blutige Bürgerkrieg auch den fernen Westen erreichte und den Frieden dort zerstörte. Mit dem Krieg kamen entschlossene Offiziere aus dem Osten, die das Land und seine Bewohner nicht kannten. Sie wussten nichts von dem roten Volk außer dem, was die großen Zeitungen im Osten darüber berichtet hatten – und das waren fast alles nur Lügen. Aber hinter diesen Offizieren standen einflussreiche Politiker und Geschäftemacher, die schon mit dem Land spekulierten, das ihnen noch gar nicht gehörte.

Der grausame Feldzug gegen die Navaho zu Beginn des Jahres 1863, der so vielen Menschen das Leben kosten sollte – er wurde geführt aus Profitgier und Rassenhass. Dieser Roman ist die Geschichte des Häuptlings Manuelito und seines Volkes, der Navaho – Menschen, die die Weißen ausrotten wollten …

 

»Vamos!«, erschallte die Stimme des hageren Mexikaners, während er und seine Gefährten die kleine Karawane hastig antrieben. Sie hatten es eilig, mit ihrer Fracht endlich Taos zu erreichen, denn gestern waren sie von einem heftigen Regensturm aufgehalten worden, kurz nachdem sie Albuquerque verlassen hatten.

Stunden hatte es gedauert, bis das Unwetter wieder abgeflaut war, und nur deswegen waren sie noch nicht an ihrem Ziel angekommen, sondern befanden sich immer noch auf der steinigen Straße, die weiter nach Süden führte. Irgendwo dort, jenseits des Horizontes, lag die alte historische Siedlung Taos, wo sich auch die Indianeragentur befand, für die die Waren bestimmt waren.

Der Mexikaner fluchte, als sich die Maultiere nun schon zum wiederholten Male von ihrer störrischen Seite zeigten und sich erneut weigerten, ein schnelleres Tempo einzuschlagen. Erst unter großen Mühen gelang es ihm und seinen Gefährten, die Tiere dazu zu bringen, eine schnellere Gangart einzuschlagen. Die mexikanischen Maultiertreiber hatten auch einen guten Grund dafür. Denn sie passierten gerade ein von zahlreichen Basalttürmen und Sandsteinfelsen gezeichnetes Gelände, das ziemlich unübersichtlich war.

Pedro Baca, der Anführer der Frachtkolonne, spürte plötzlich ein eigenartiges Gefühl in seinem Magen, je länger er seine Blicke über das Gelände schweifen ließ. Noch war alles ruhig. Nur ein einsamer Bussard zog seine Kreise hoch am Himmel.

»Jefe, was ist?«, erkundigte sich nun der hagere Luca bei Baca, weil ihm natürlich nicht entgangen war, dass dieser in den letzten Minuten verstärkt das Gelände beobachtet hatte.

»Nichts«, erwiderte der schnauzbärtige Pedro Baca knapp. »Haltet trotzdem eure Gewehre bereit, Amigos – man kann nie wissen. Diese elenden Navaho sind zu allem fähig …«

»Sie werden sich hüten, uns anzugreifen!«, entfuhr es daraufhin dem untersetzten Esteban Armijo, der den kurzen Wortwechsel zwischen Baca und Luca mitbekommen hatte. »Wenn sie es wirklich wagen sollten, dann bekommen sie Ärger mit der Armee – und das werden sie nicht riskieren.«

»Da bin ich mir gar nicht so sicher«, hielt ihm Pedro Baca entgegen. »Im letzten halben Jahr ist zu viel passiert. Dinge, die die Navaho nie mehr vergessen werden. Es fing an, als dieses unselige Pferderennen in Fort Wingate veranstaltet wurde …«

»Was für ein Pferderennen?«, wollte Esteban Armijo wissen. »Davon weiß ich nichts. Zu dieser Zeit war ich noch drüben in Sonora …«

»Wenn du es wüsstest, dann hättest du es dir wahrscheinlich zweimal überlegt, die Fracht nach Taos zu bringen«, antwortete Pedro Baca mit einem wissenden, aber zugleich bitteren Lächeln. »Aber ich will es dir sagen, Amigo. Denn ich war damals selbst mit dabei und habe mit angesehen, was geschehen ist. Ja, es gab einmal eine Zeit, in der man nicht damit rechnen musste, überfallen und getötet zu werden. Damals herrschte noch Freundschaft zwischen den Weißen und den Navaho. Aber seit der Bürgerkrieg ausgebrochen ist und Carson mit einer Truppe Freiwilliger gegen die Rebellen drüben am Rio Grande kämpft, sind die Navaho auf sich allein gestellt. Trotzdem haben sie immer noch an einen dauerhaften Frieden zwischen Weiß und Rot geglaubt …«

»Nun erzähl doch schon«, forderte ihn der ungeduldige Armijo auf. »Was ist damals bei diesem Pferderennen geschehen?«

»Die Navaho kamen damals oft nach Fort Wingate, um Tauschgeschäfte zu machen«, berichtete Pedro Baca nun. »Sie verstanden sich mit den meisten Soldaten gut, und darum wurden oft Pferderennen veranstaltet. Auf diese Wettkämpfe waren sie ganz versessen. An solchen Tagen zogen Hunderte von Männern, Frauen und Kinder ihre besten Kleider an und ritten auf ihren schönsten Ponys nach Fort Wingate. An diesem Tag fanden mehrere Rennen statt, doch das Hauptrennen des Tages sollte erst am Mittag beginnen. Manuelito, der Häuptling des Stammes, wollte gegen einen Lieutenant antreten. Viele Wetten wurden abgeschlossen, und man setzte Geld, Vieh, Decken und Perlen. Die Pferde rannten zwar gleichzeitig los, doch nach wenigen Augenblicken konnte man schon erkennen, dass der Navaho Schwierigkeiten mit seinem Pferd hatte. Er verlor die Herrschaft über das Tier, und das Pony verließ deswegen die Rennstrecke.«

»Ja und?«, meinte Armijo daraufhin. »Er besaß eben das schlechtere Pferd und hat deswegen verloren.«

»Das dachte man zunächst auch«, fuhr Baca fort. »Aber nur so lange, bis sich herausstellte, dass jemand die Zügel von Manuelitos Pferd durchgeschnitten hatte. Die Navaho verlangten deshalb von den Schiedsrichtern – alles weiße Soldaten – dass das Rennen wiederholt wurde. Aber die lehnten ab und erklärten stattdessen den Lieutenant zum Sieger, der dann triumphierend seine Prämie in Empfang nahm.«

»Maldito!«, entfuhr es dem staunenden Esteban Armijo. »Ich kann mir gut vorstellen, dass das den Navaho nicht gefallen hat.«

»Sie waren sehr wütend«, fuhr Baca nun fort. »Natürlich verlangten sie Gerechtigkeit von den Soldaten, aber man schlug ihnen die Tore des Forts vor der Nase zu. Als ein Navaho mit Gewalt eindringen wollte, schoss ihn ein Soldat nieder. Das war der Moment, in dem das Blutbad begann. Die Navaho, ihre Frauen und Kinder rannten in alle Richtungen davon, während die Soldaten das Feuer auf sie eröffneten. Ich sah, wie ein Soldat zwei kleine Kinder und eine Frau ermordete. Ich rief ihm zu, aufzuhören, aber er lachte nur über mein Entsetzen. Inzwischen hatte der Colonel dem diensthabenden Offizier befohlen, mit einer Haubitze das Feuer auf die fliehenden Navaho zu eröffnen. Zuerst weigerte sich der Offizier, diesen Befehl zu befolgen, aber als ihm der Colonel dann mit dem Kriegsgericht drohte, führte er die Anweisung aus. Es gab weitere Tote, aber die Navaho schlugen sofort zurück. Sie überfielen einen Postreiter wenige Meilen außerhalb des Forts, verletzten ihn schwer und stahlen sein Pferd. Außerdem stahlen sie eine Viehherde und vertrieben die mexikanischen Hirten. Nach diesem Massaker ließ sich kein einziger Navaho mehr in der Nähe des Forts blicken.«

»Diese verdammten Soldaten!«, schimpfte Luca, der die Geschichte zwar kannte, aber sich immer noch nicht darüber beruhigen konnte, warum es überhaupt dazu hatte kommen müssen. »Wir müssten uns jetzt keine Sorgen wegen unserer Fracht machen …«

»Glaubst du wirklich, dass sie uns überfallen, Jefe?«, erkundigte sich Armijo, der nun sehr unsicher wirkte, nachdem er die Worte Bacas vernommen hatte.

»Ich gäbe meinen Monatslohn dafür, wenn ich es wüsste«, erwiderte Pedro Baca achselzuckend. »Bis jetzt haben die Navaho in diesem Bezirk ja Ruhe gehalten und ihre Überfälle jenseits der Landesgrenze veranstaltet. Aber das muss nichts heißen. Ich habe gehört, dass es unter den Stämmen gärt. Da reicht ein einziger Funke aus, um einen furchtbaren Krieg zu beginnen – und deshalb meine ich, dass wir verdammt vorsichtig sein sollten. Ich will meine Maria lebend wiedersehen, versteht ihr?«

Natürlich begriffen Bacas Männer, was ihr Anführer ihnen damit sagen wollte. Aber sie wirkten nun doch ziemlich eingeschüchtert, als sie mit den Maultieren das unübersichtliche Gelände durchquerten.

Schließlich hatten die Navaho durch dieses furchtbare Massaker viele Stammesmitglieder verloren, und der Friede, der jetzt herrschte, war mehr als trügerisch.

Pedro Baca und seine Gefährten waren so sehr damit beschäftigt, das felsige Gelände zu beobachten, dass sie gar nicht bemerkten, wie der Bussard hoch über ihnen plötzlich wild mit den Flügeln schlug, einen krächzenden Schrei ausstieß und dann in westlicher Richtung davonflog. Als ob ihn etwas von einem Augenblick zum anderen aus seinem Reich vertrieben hätte!

Die sieben Mexikaner hatten ihre Gewehre griffbereit, als sie sich einer Stelle näherten, wo der Weg durch einen Einschnitt in den Felsen führte. Zu beiden Seiten der steinigen Straße erhoben sich steile Felswände, die das Licht der Sonne kaum bis auf den Boden kommen ließen. Gut fünfhundert Yards weiter erstreckte sich wieder offenes Gelände.

Wenn Pedro Baca und seine Leute nicht einen größeren Umweg in Kauf nehmen wollten, dann blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Maultiere mit ihrer Fracht jetzt durch den engen Einschnitt zu treiben. Denn eine weitere Verzögerung wollte keiner der Männer mehr auf sich nehmen.

Die Blicke des Anführers richteten sich auf den oberen Rand der Felsen. Er schalt sich einen Narren, weil das unruhige Gefühl in ihm immer stärker wurde. Eigentlich gab es dafür doch überhaupt keinen Grund. Aber es lag wohl daran, dass die Erinnerungen an das schreckliche Massaker bei Fort Wingate wieder gegenwärtig geworden waren, als er Esteban Armijo davon berichtet hatte.

Die Sonne hatte ihren höchsten Punkt schon überschritten, als die Mexikaner in den Felseinschnitt kamen. Als der letzte der Reiter, der dicke Barquero Sanchez das offene Gelände hinter sich gelassen hatte, zerriss von einem Atemzug zum anderen das trockene Bellen eines Schusses die Stille.

Während das Echo von den sandsteinfarbenen Felswänden mehrmals zurückgeworfen wurde, bäumte sich der hagere Luca im Sattel kurz auf und wurde dann von einer unsichtbaren Faust vom Pferd gestoßen. Sein Todesschrei vermischte sich mit dem Echo des Schusses und wurde zu einer einzigen Symphonie des Todes in dem Moment, als weitere Schüsse fielen.

Pedro Baca brauchte nur Bruchteile von Sekunden, um zu begreifen, dass ihn die Stimme in seinem Inneren hatte warnen wollen. Aber nun war es zu spät dazu.

»Adelante, Amigos!«, schrie er seinen Gefährten zu. »Treibt die Tiere an, oder wir werden alle sterben!«

Unwillkürlich zog er den Kopf ein, als eine Kugel gefährlich nahe an seinem Schädel vorbei strich und gegen die Felsen schlug. Er drückte seinem Pferd die Hacken in die Weichen und riss gleichzeitig an den Zügeln der Maultiere, die er führte. Aber die Tragtiere waren angesichts dieser plötzlichen Schüsse vollkommen verstört und schrien gequält auf. Pedro Baca und seine Männer verloren genau die Zeit, die sie brauchten, um dieser Falle noch entgehen zu können.

Eine weitere Kugel wurde Baca entgegengeschickt. Diesmal streifte sie ihn schmerzhaft an der Schulter. Gleichzeitig erkannte der Mexikaner mehr als zwanzig bronzehäutige Gestalten, die nun aus ihrem Versteck hervorgekommen waren und sich mit schrillen Kriegsschreien auf ihre Gegner stürzten.

Baca und den übrigen Mexikanern stockte das Blut in den Adern, als sie erkannten, dass es Navaho waren, die hier auf sie gelauert hatten und ihnen nun den Garaus machen wollten. Grell bemalte Gesichter voller Hass waren es, die erneut Schüsse auf die Mexikaner abgaben, beseelt von dem Willen, alle zu töten!

Baca hatte eine so große Panik beim plötzlichen Auftauchen der Navaho erfasst, dass er zu keinem klaren Gedanken mehr fähig war. Er hatte nur noch eins im Sinn – so rasch wie möglich aus dieser Todesfalle zu entkommen.

Er duckte sich tief über den Hals seines Tieres und versuchte, den Kugeln zu entgehen, die ihm und seinen Gefährten nachgeschickt wurden. Die fünfhundert Yards, die ihn noch vom anderen Ende des Felseneinschnitts trennten, erschienen ihm wie eine unüberbrückbare Entfernung: Hinter ihm erklangen die durchdringenden Todesschreie seiner Gefährten, die es nicht mehr geschafft hatten, sich zu wehren. Sie waren gestorben, ohne begriffen zu haben, was überhaupt geschehen war.

Noch bevor Pedro Baca diesen Gedanken zu Ende gebracht hatte, erkannte er auf einmal die sehnige Gestalt eines Navaho-Kriegers, der seine Deckung zwischen den Felsen verlassen hatte und nun mit einer alten Flinte auf den flüchtenden Mexikaner zielte.

Baca wollte im Galopp ebenfalls auf den Gegner zielen, schaffte es auch abzudrücken, aber der Schuss war viel zu hastig abgefeuert worden und traf deswegen das Ziel nicht. Der Navaho-Krieger dagegen hatte sich mehr Zeit gelassen. Seine Kugel erwischte Pedro Baca in der Brust.

Der mexikanische Händler spürte das Feuer, das sich mitten in seinem Körper ausbreitete und schrie wie ein Tier, als ihn seine Kräfte verließen und er sich nicht mehr länger im Sattel halten konnte. Seitwärts glitt er vom Pferd und fiel hart auf den steinigen Boden.

Bunte Schleier tanzten vor seinen Augen, als er verzweifelt etwas zu erkennen versuchte. Aber er registrierte nur noch die undeutlichen Umrisse einer Gestalt, die mit einem lauten, alles durchdringenden Kriegsschrei auf ihn zu gestürmt kam. Nur einige Sekunden später fühlte Baca, wie ihn jemand unsanft am Kopf hochriss und etwas Heißes über seine Kehle fuhr.

Der Schmerz, der sich dann ausbreitete, löschte jeden weiteren Gedanken aus. Pedro Bacas gepeinigter Körper gab auf, und seine Augen brachen, noch bevor er zurückfiel. Er hörte den Triumphschrei des Kriegers nicht mehr, der nun von seinem Opfer abließ und die Messerhand zum Sieg in den Himmel emporreckte.

 

*

 

Der schlanke Krieger mit der bronzefarbenen Haut und dem Stirnband blickte gedankenverloren auf die Krieger, die die getöteten Mexikaner ignorierten und sich nun auf die Waren stürzten, die die Maultiere trugen.

Es war ein schneller, problemloser Sieg gewesen, den die Navaho errungen hatten, denn die Mexikaner waren vollkommen ahnungslos gewesen. Als sie begriffen hatten, in welch tödliche Falle sie geritten waren, da war es schon zu spät gewesen.

»Die Götter sind auf unserer Seite, Manuelito«, erklang auf einmal eine tiefe Stimme dicht neben dem Häuptling. »Montezuma hat seine roten Kinder nicht vergessen. Nun werden wir uns für all das rächen, was uns die Weißen angetan haben. Auf diese Vorräte werden sie lange warten müssen …«

Ein höhnischer, menschenverachtender Ton klang in der Stimme des Mannes an, der der Schamane des Stammes war. Er hieß Nahato und hatte es sich nicht nehmen lassen, den Kriegertrupp selbst zu begleiten.

»Ich sehe dir an, dass du noch zweifelst«, sagte Nahato zu Manuelito. »Auch wenn du es nie zugeben wirst, so kann ich doch in deinen Augen erkennen, was du fühlst. Denkst du immer noch an den Frieden, den du mit den Weißen machen willst? Jetzt auch noch, wo unsere Toten Rache verlangen?«

»Rache ist kein guter Weg, Nahato«, erwiderte der Häuptling der Navaho. »Die meisten der jungen Krieger wollen sich von den Weißen nicht mehr den Weg zeigen lassen. Ich bin ihr Häuptling und führe sie an, weil die Götter zu dir gesprochen haben. Du hast uns reiche Beute versprochen, die uns über den Winter genug zu essen gibt – und es ist auch so geschehen.«

»Zweifelst du etwa an Montezumas Macht, Manuelito?«, stellte der Schamane mit etwas schärferem Ton die Gegenfrage und sah den Häuptling bei diesen Worten ganz besonders lange an.

Währenddessen plünderten die übrigen Krieger die Fracht und rissen an sich, was sie gebrauchen konnten – und das war eine ganze Menge. Laute Freudenrufe erfüllten die Luft, als die Krieger erkannten, wie sehr sich der Überfall gelohnt hatte.

»Der Wille der Götter bestimmt auch mein Leben, Nahato«, erwiderte Manuelito daraufhin und wich dem prüfenden Blick des Schamanen nicht aus. »Auch wenn ich zu den jungen Kriegern gesprochen habe, dass es gut ist, in Frieden zu leben. Zumindest glaubte ich das, bevor dieses Wettrennen in Fort Wingate begann …«

Seine Stimme war voller Trauer, denn der Häuptling der Navaho hatte an diesem verhängnisvollen Tag genau wie viele andere seines Stammes Freunde und Verwandte verloren.

»Die Weißen wollen aus uns ein Volk von Hirten und Bauern machen, Manuelito«, fuhr der Schamane dann fort. »Aber alles was sie mit uns vorhaben, beabsichtigt nur eins: sie wollen unser Land, und sie werden es an sich reißen, wenn wir uns nicht von Anfang an dagegen wehren. Alle predigen sie von Frieden – erst recht Rope Thrower Carson, den du deinen Freund nennst. Lässt es ein Freund zu, dass der Stamm seines Freundes gequält wird?«

Nahato erkannte, dass Manuelito nicht gleich darauf antwortete. Deshalb nutzte er diese Gelegenheit, um gleich fortzufahren.

»Rope Thrower Carson hat uns vergessen. Er ist mit den Soldaten weggegangen, um gegen seine eigenen Brüder zu kämpfen. Was aus den Navaho wird, interessiert ihn nicht. Damals ist es ihm gelungen, die Macht eines Schamanen zu brechen, der das Beste für unser Volk wollte. Ein zweites Mal wird ihm das aber nicht mehr gelingen …«

Manuelito wusste, was Nahato damit sagen wollte. Schließlich war Nahato ein eifriger Schüler des Schamanen Tengri gewesen, der damals einen Aufstand im Taos Pueblo angezettelt hatte – aber dies hatten Rope Thrower Carson und einige seiner Freunde noch im letzten Moment verhindern können.

»Glaube an die Macht des Montezuma, und du wirst immer siegen«, sagte der Schamane und hob beide Hände, um seine Worte zu bekräftigen. »Das war erst der Anfang, denn schon bald werden die Weißen fortfahren, uns zu bekämpfen – denn sie wollen uns bis auf den letzten Mann ausrotten. Sie sind erst dann zufrieden, wenn die Stimmen unseres Volkes ganz verstummt sind.«

»Du kennst die Zukunft, Nahato«, antwortete Manuelito. »Und nur deswegen bin ich mit allem einverstanden, was jetzt geschieht. Lass uns nun zu unserem Volk und zu unseren Familien zurückkehren …«

Nahato lächelte zuversichtlich, als er das hörte. Denn seit die regelmäßigen Lebensmittellieferungen für die Indianer des Taos Pueblo ausgeblieben waren, umso größer wurde die Unzufriedenheit, die sich unter den Navaho ausbreitete, und Nahato hatte diese Situation bis jetzt geschickt für seine eigenen Pläne ausgenutzt. Wäre Tengri noch am Leben gewesen, so hätte er seinen Schüler sicherlich bewundert …

Jedoch konnten Manuelito und Nahato zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen, was ihnen und dem Volk der Navaho noch zustoßen sollte. Denn eine bittere Ironie des Schicksals hatte dafür gesorgt, dass die Krieger ausgerechnet die Männer getötet hatten, die mit Waren und Lebensmitteln auf dem Weg zur Agentur gewesen waren. Kit Carson hatte das noch in die Wege geleitet, bevor er mit einer Truppe Freiwilliger in Richtung Rio Grande aufgebrochen war, um die Konföderierten Truppen am Vorstoß nach New Mexico zu hindern. So aber hatte das Schicksal bereits schon entschieden, ohne dass die Beteiligten davon wussten …

 

*

 

Judd Calhoun zog an den Zügeln des Pferdes, und das kräftige Tier, das den Pflug zog, hielt inne. Der junge Mann mit dem blonden widerspenstigen Haarschopf wischte sich den Schweiß aus der Stirn.

Gut drei Stunden arbeitete er jetzt schon auf dem Feld, um es umzupflügen und dann die Saat für das kommende Jahr zu setzen. Eine Menge harter Arbeit stand ihm noch bevor, denn auf ihm allein lastete sehr viel Verantwortung. Wie es eben der Alltag eines Farmers war, der sich und seine Familie ernähren musste.

Auch wenn es Tage gab, in denen Judd nach getaner Arbeit todmüde ins Bett fiel, so beklagte er sich doch nicht. Denn er war sehr zufrieden mit sich und seinem Leben. Er hatte eine junge hübsche Frau, die ihn liebte und ihm vor drei Jahren einen Sohn geschenkt hatte, der das Glück in der Familie nun komplett machte.

Der kleine Travis war der Stolz Rositas, Judds Frau. Hätte ihm vor einigen Jahren jemand gesagt, dass er sich irgendwann später einmal niederlassen und eine Familie gründen würde, dann hätte Judd ihn ganz bestimmt ausgelacht. Denn bevor Rosita in sein Leben getreten war, hatte Judd einige wilde Jahre erlebt. Jahre, in denen er auf der anderen Seite des Gesetzes gestanden hatte. Damals war er mit Paul Carrack, einem recht zwielichtigen Burschen, geritten und wäre sicherlich weiter ins Abseits geraten, wenn ihm Kit Carson nicht geholfen hätte.

Seit diesem Tag hatte Judd sich nicht nur dafür entschieden, den richtigen Weg einzuschlagen, sondern hatte sich auch mit seinem Vater wieder versöhnt. Die düstere Vergangenheit lag also weit hinter ihm und erschien ihm manchmal seltsam unwirklich, wenn er ab und zu einmal daran dachte.

Er wandte den Kopf und blickte zurück zum kleinen, aber dafür umso stabiler gebauten Farmhaus, das er mit Kit Carsons Hilfe errichtet hatte. Im Eingang stand Rosita mit dem Kleinen auf dem Arm und winkte Judd zu, als sie bemerkte, dass er zu ihr herüberschaute.

Judd lächelte und winkte zurück, bevor er wieder nach den Zügeln des Pferdes griff und seine Arbeit fortsetzen wollte. Dazu kam es aber nicht, denn in diesem Moment erklangen Hufschläge, die sich von Westen her der kleinen Farm näherten.

Es war ein einzelner Reiter, der sich der abgelegenen Farm näherte, und er schien es sehr eilig zu haben. Trotzdem vergingen einige Minuten, bis Judd schließlich erkannte, wer ihm und seiner Familie einen Besuch abstattete.

Der Mestize Pablito war es, der in der Indianeragentur zusammen mit seinem Schwager Hermosino in Taos für Kit Carson arbeitete. Aber seit Kit mit einer Truppe Freiwilliger in die Auseinandersetzungen des Bürgerkrieges eingegriffen hatte, existierte die Agentur praktisch nur noch auf dem Papier.

Insbesondere Pablito war ziemlich unglücklich darüber, dass sein Boss in den Krieg gezogen war, und seitdem tat er sein Bestes, um die Wogen nach diesen schrecklichen Ereignissen von Fort Wingate wieder zu glätten. Was ihm mehr schlecht als recht gelungen war, denn Pablito besaß natürlich nicht die Erfahrung eines Kit Carson!

Judd verließ nun den Acker und ging mit schnellen Schritten auf das Farmhaus zu, wo Pablito eben sein Pferd gezügelt hatte und dann hastig aus dem Sattel stieg. Judd hörte, wie der Mestize Rosita höflich begrüßte. Jedoch blickte er auch ziemlich ungeduldig Judd entgegen.

»Hallo, Pablito!«, rief ihm Judd zu. »Du kannst gleich mitkommen. Auf dem Acker gibt es noch jede Menge Arbeit zu tun …«

Er grinste bei diesen Worten, erkannte aber dann im selben Moment, dass Pablito heute seltsam ernst wirkte.

»Ich muss Sie sprechen, Señor Judd«, rückte der Mischling dann mit seinem Anliegen heraus. »Es ist sehr wichtig – können wir uns in Ruhe unterhalten?«

Er wich in diesem Moment Rositas Blicken aus, weil er mehr oder weniger dadurch zu verstehen geben wollte, dass er mit Judd allein sprechen musste.

»Was hast du denn wieder für Geheimnisse, die ich nicht erfahren soll, Pablito?«, zog ihn Rosita auf. »Aber nun gut, ich will dir den Gefallen tun. Ein Gespräch unter harten Männern muss wohl ab und zu mal sein …«

Sie zog sich mit dem kleinen Travis ins Innere des Farmhauses zurück. Pablito wartete ab, bis sich die Tür hinter Rosita geschlossen hatte und wandte sich dann erst an Judd.

»Sag mal – was ist eigentlich in dich gefahren mit dieser Geheimniskrämerei?«, kam ihm Judd nun zuvor. »Weshalb soll Rosita nicht wissen, was du mir zu sagen hast?«

Pablito brauchte einige Sekunden, um sich die passenden Worte zurechtzulegen. Man konnte ihm deutlich ansehen, dass es nicht leicht war, was er Judd zu berichten hatte.

»Die Navaho!«, stieß er dann aufgeregt hervor und bemühte sich trotzdem so leise zu sprechen, dass er auch sicher war, dass Rosita drüben im Farmhaus nichts verstehen konnte. »Sie haben die Männer überfallen, die mit neuer Fracht für die Agentur unterwegs nach Taos waren. Die Männer sind alle tot und die Waren gestohlen …«

Judd zuckte zusammen, als er das hörte. Ungläubig blickte er den Mestizen an.

»Woher weißt du das alles?«, wollte er von Pablito dann wissen. »Bist du wirklich ganz sicher, dass es die Navaho gewesen sind?«

»Si, Señor Judd«, antwortete der Mischling. »Eine Patrouille aus Fort Wingate hat die grässlich zugerichteten Leichen draußen bei den Basalttürmen gefunden. Die Männer sind in einen Hinterhalt geraten. Dios mios, was soll ich jetzt nur tun? Ich habe schon gehört, dass die Soldaten einen Vergeltungszug gegen die Navaho planen. Wenn Señor Carson jetzt nur hier wäre – er würde ganz bestimmt verhindern, dass es zu weiteren Auseinandersetzungen kommt. Aber ich weiß nicht, was ich tun soll. Jetzt brauche ich den Rat eines guten Freundes, Señor Judd.«

»Was ist mit Manuelito?«, erkundigte sich Judd nun bei dem Mischling. »Hat er seine Krieger nicht mehr im Griff? Ich kenne ihn doch und weiß, dass er den Frieden zwischen Rot und Weiß will. Er war auch schon öfters zu Besuch auf unserer Farm, und ich hatte immer einen guten Eindruck von ihm …«

Pablito machte eine vielsagende Geste, bevor er fortfuhr.

»Unter den Stämmen der Navaho gärt es, Señor Judd. Ich weiß nicht – aber ich habe ein verdammt ungutes Gefühl bei der ganzen Sache. Die Blicke, die mir die meisten Männer und Frauen des Stammes zuwerfen, wenn ich zu Besuch komme, sind alles andere als freundlich. Keiner hat mir bisher gedroht, aber ich war jedes Mal erleichtert darüber, als ich wieder aufbrach.«

Die Worte des Mestizen stimmten Judd nun doch ziemlich nachdenklich.

»Und ausgerechnet jetzt ist Kit Carson nicht da, wenn er am nötigsten gebraucht wird«, meinte er dann zu Pablito. »Er hätte lieber darauf verzichten sollen, sich in diesen verrückten Krieg einzumischen.«

»Er hätte es bestimmt nicht getan, wenn er gewusst hätte, dass die Situation einmal so weit eskalieren wird, Señor Judd«, fügte Pablito hinzu. »Señor Carson war ja schon auf und davon, bevor das Massaker in Fort Wingate begann. Trotzdem hat er noch alles Notwendige veranlasst, damit auch die Lebensmittellieferungen weitergehen. Aber da ist etwas nicht in Ordnung. Ich glaube, die in Washington wollen uns nur noch hinhalten und kümmern sich einen Dreck um die vielen Probleme, die wir hier haben …«

»Da könntest du recht haben, Pablito«, pflichtete ihm Judd Calhoun bei. »Ich weiß im Moment auch keinen Rat, der dir weiterhelfen könnte. Der Einzige, der hier wüsste, was zu tun wäre, ist Kit Carson. Wann wird er denn wieder zurück sein? Als ich das letzte Mal in Taos vor zwei Wochen war, habe ich gehört, dass die Konföderierten angeblich auf dem Rückzug sind, weil neue Unionstruppen nach New Mexico kommen sollen.«

»Das habe ich auch gehört, Señor Judd«, antwortete der Mestize daraufhin. »Aber ob das auch alles stimmt, ist eine andere Sache. Fest steht im Moment nur, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis der Jefe wieder zurück nach Taos kommt, und wenn wir Pech haben, dann wird es in den nächsten Wochen hier eine ganze Menge Ärger geben.«

»Versuche noch einmal mit Manuelito zu reden«, schlug ihm Judd vor. »Er ist besonnen genug, um einen Aufstand zu verhindern. Das wäre doch …«

»Not, Señor Judd!«, entfuhr es Pablito heftiger, als er es eigentlich beabsichtigt hatte. »Ich reite nicht mehr zu den Hogans der Navaho – nicht nach dem, was jetzt geschehen ist. Da ist mir mein Leben zu wertvoll. Das sollen andere entscheiden – aber nicht ich. Ich bin nur ein armer dummer Mischling, der seine Haut nicht leichtfertig riskiert, auch wenn ich Navahoblut in den Adern habe. Das scheinen jedoch die meisten Stammesmitglieder vergessen zu haben, wenn sie mich sehen. Sie halten mich für einen Abtrünnigen, und das werde ich wohl immer bleiben.«

»Eine verzwickte Angelegenheit ist das«, sagte Judd und strich sich gedankenverloren übers Kinn. »Die ganze Sache klingt verdammt danach, als ob jemand den ganzen Stamm bewusst gegen uns Weiße aufhetzt. Was meinst du denn dazu?«

»Ich weiß es nicht«, erwiderte Pablito achselzuckend. »Die Schamanen lassen sich nicht in ihre Karten schauen, Señor Judd. Uns bleibt nichts anderes, übrig als uns zu wappnen – besonders Sie. Denn Sie leben hier draußen allein. Wenn die Navaho wirklich Schlimmes planen, dann …«

Er sprach diesen Gedanken nicht zu Ende, aber an Judds angespannter Miene konnte Pablito auch so erkennen, an was der junge Farmer jetzt dachte.

»Du meinst, es wäre nicht mehr sicher hier draußen?«, fragte Judd den Mestizen und sah zu, wie dieser heftig nickte. »Trotzdem glaube ich nicht, dass wir in Gefahr sind. Manuelito ist mein Freund, und ich glaube ihm, wenn er sagt, dass wir zu den wenigen Menschen zählen, denen er Vertrauen schenkt. So ein Versprechen gibt man nicht leichtfertig, Pablito. Nein, meine Familie und ich werden hierbleiben und weiter unser Land bestellen.«

»Es ist Ihre Entscheidung, Señor Judd«, antwortete Pablito daraufhin. »Auf jeden Fall habe ich meine Pflicht getan und Sie rechtzeitig davor gewarnt. Jetzt muss ich aber wieder zurück nach Taos. Ich will in der Stadt sein, bevor die Sonne hinter den Hügeln versinkt.«

Er murmelte ein kurzes »Adios« und griff dann wieder rasch nach den Zügeln des Pferdes, bevor er aufstieg und dann dem Tier die Hacken in die Weichen drückte. Minuten später hatte Pablito die kleine Farm bereits verlassen und war am Horizont verschwunden. Nur die Staubwolke, die sich allmählich auflöste, zeugte noch davon, dass hier ein Reiter vorbei geprescht war.

Judds Gedanken brachen erst dann ab, als er wieder Schritte hörte. Er drehte sich um und sah Rosita in der Tür, während drinnen in der Küche die laute Stimme des kleinen Travis zu hören war, der Hunger hatte.

»Mama kommt gleich, Travis!«, rief Rosita ins Haus hinein. »Gleich gibt’ s was zu essen für alle. Daddy kommt dann auch mit an den Tisch!«

Rosita Calhouns Worte schienen den Kleinen zu beruhigen. Die schwarzhaarige Italienerin nutzte diesen Moment und ging auf Judd zu, hängte sich bei ihm ein und schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln.

»Pablito scheint es heute aber besonders eilig zu haben«, meinte sie dann. »Sonst lässt er doch keine Gelegenheit aus, sich an einen gedeckten Tisch zu setzen.«

»Er hat in Taos noch eine Menge zu tun«, erwiderte Judd ausweichend und strich seiner Frau zärtlich durchs Haar. »Seit Kit in den Krieg gezogen ist, hat er eben die doppelte Arbeit am Hals.«

»Und was wollte er heute von dir?«

»Nichts Besonderes, Liebling«, antwortete Judd eine Spur zu rasch und erreichte damit genau das Gegenteil von dem, was er vorgehabt hatte. Rosita löste sich jetzt aus seinem Arm und sah Judd fragend an.

»Du verschweigst mir etwas, Judd Calhoun – und ich möchte wissen, was das ist. Schließlich bin ich deine Frau und habe ein Recht zu erfahren, was hier geschieht. Oder willst du es mir nicht sagen?«

»Es wird dir nicht gefallen, Rosita«, sagte der blonde Farmer schließlich nach reiflicher Überlegung. Denn er kannte Rosita und wusste, dass sie nicht lockerlassen würde, bis sie erfahren hatte, was sie wissen wollte. »Aber gut – ich will dir nichts vormachen …«

Er berichtete seiner Frau in kurzen Sätzen, was er von Pablito erfahren hatte und sah dabei, wie Rosita erschrocken zusammenfuhr.

»Gütiger Himmel, Judd!«, entfuhr es ihr dann voller Sorge. »Das heißt doch, dass wir hier nicht mehr sicher sind. Denk doch nur an Travis. Ich will, dass er in Sicherheit aufwächst und nicht um sein Leben fürchten muss. Vielleicht sollten wir die Farm für eine Weile verlassen und nach Taos gehen, bis sich alles wieder beruhigt hat. Das ist sicherlich das Beste für uns alle.«

Judd überlegte lange, bevor er zu einer Antwort ansetzte, denn davon hing viel ab.

»Rosita«, wandte er sich dann an seine Frau. »Wir werden ganz gewiss nicht überfallen werden. Hast du denn vergessen, dass Manuelito schon mehrmals bei uns zu Gast war? Er ist unser und Kit Carsons Freund! Nein, diese Farm ist unser Zuhause, und ich möchte es nicht aufgeben.«

Die letzten Worte klangen so endgültig, dass Rosita nicht noch einmal widersprach. Aber hätte Judd jetzt einen Blick in ihr Gesicht geworfen, so wäre ihm sicherlich aufgefallen, dass Rosita immer noch jede Menge Zweifel hatte.

Stattdessen behielt sie ihre Meinung vorerst für sich und ging mit Judd zusammen ins Farmhaus, wo der kleine Travis schon ungeduldig auf seine Eltern wartete.

 

*

 

Sie waren auf dem Rückmarsch nach Taos. Eine Truppe von gut 100 Mann, alle bewaffnet und von den Strapazen der letzten harten Wochen und Monate gezeichnet. Staub haftete auf ihren Jacken und Hosen, und gar mancher von ihnen war etwas hagerer geworden in dieser Zeit.

Sie hatten gegen die Konföderierten am Rio Grande gekämpft, die versucht hatten, den Südwesten zu besetzen. Aber das war den Rebellen nicht gelungen, denn die Männer unter der Führung Kit Carsons hatten sich tapfer geschlagen und es schließlich geschafft, die Gegner zurückzudrängen.

Den Ausschlag für die endgültige Niederlage war jedoch die überraschende Tatsache gewesen, dass Carsons Männer überraschend Verstärkung bekommen hatten.

Von Westen her war eine ganze Schwadron kampferfahrener Blauröcke unter Führung des Generals James E. Carleton gekommen, die sich stolz ›California Columm‹ nannte, und die dann in die Auseinandersetzungen eingegriffen hatte. Diesen Soldaten hatten es Carson und seine Leute zu verdanken, dass sie schließlich doch noch den Sieg davongetragen hatten und nun wieder den Rückweg in ihre Heimat antreten konnten.

Natürlich gab es keinen unter den Männern, der darüber nicht erleichtert gewesen wäre. Denn viele von ihnen hatten ihre Familien seit vielen Monaten nicht mehr gesehen und sehnten sich danach, endlich wieder nach Hause zu kommen. Deshalb war die Stimmung in der Truppe gut, als sie den Ort des Kampfes verließen, und Freude zeichnete sich in den stoppelbärtigen Gesichtern der Männer ab, die die Kämpfe überlebt hatten. Andere wiederum hatten ihr Leben in den harten Schlachten verloren und ruhten nun in einsamen Gräbern jenseits des Rio Grande-Tales.

An all das dachte Kit Carson, während er an der Spitze des Trupps weiter in Richtung Nordwesten ritt und dem Lauf des Rio Grande folgte, der weiter im Norden durch felsiges Gebiet führte. Weit jenseits des Horizontes im Westen erstreckte sich die Mogollon Mesa und nördlich davon Warm Springs.

Fort Wingate war noch einen halben Tagesritt entfernt, und er fieberte danach, endlich seine Frau Josefa, die Tochter des reichen Don Francisco Jaramillo, wieder in die Arme schließen zu können. Wahrscheinlich wartete sie schon ungeduldig auf ihn, denn die Nachricht von der Rückkehr der Truppen hatte sich wahrscheinlich schon in Fort Wingate herumgesprochen. General James Carleton selbst hatte bestimmt dafür gesorgt, denn er hatte sich seinen Truppen nach den Kämpfen am Rio Grande schon einige Tage früher nach Fort Wingate begeben und dort sein Hauptquartier aufgeschlagen. Dort würde Kit auch formell seinen Abschied aus der Armee nehmen.

Kit Carson hatte genug vom Kämpfen. Er wollte sich stattdessen mehr seiner Familie und auch der Agentur widmen, die er in den vergangenen Monaten so sehr vernachlässigt hatte. Ein Lächeln schlich um seine Züge, als er an den Mestizen Pablito dachte, der jubeln würde, wenn Kit wieder zurück war.

Die Zeit verrann träge, bis sich schließlich am fernen Horizont die markanten Umrisse von Fort Wingate abzeichneten. Als die Männer das sahen, stießen sie laute Freudenrufe aus und trieben ihre Pferde noch schneller an.

Eine knappe halbe Stunde später erreichten die Männer unter Carsons Führung das Fort. Kit ließ seine Leute draußen vor den Mauern des Forts kampieren, während er selbst das Tor passierte, im Innenhof abstieg und die Zügel des Tieres einem jungen Rekruten in die Hand drückte. Ein Sergeant näherte sich daraufhin Kit und blickte ihn erwartungsvoll an.

»General Carleton erwartet Sie bereits, Sir. Wenn Sie bitte gleich mitkommen wollen …?«

Kit nickte nur und folgte dem Sergeant zum Quartier des Generals. Augenblicke später stand er dann dem Mann gegenüber, der hier in Fort Wingate zukünftig das Sagen hatte. Kit bemerkte sofort, dass die Miene des Generals seltsam angespannt wirkte, als dieser ihn mit knappen Worten begrüßte und aufforderte, Platz zu nehmen.

»Ich freue mich, dass Sie und Ihre Männer endlich wieder zurück sind, Carson«, begann er dann. »Es gibt hier verdammt viel zu tun.«

»Ich glaube nicht, General«, ergriff Kit jetzt das Wort. »Für mich ist das Kämpfen endgültig vorbei. Ich möchte meinen Abschied nehmen.«

General Carletons Augen blitzten kurz auf, bevor er Kit dann mitten ins Wort fiel und ihn erst gar nicht sein Anliegen zu Ende bringen ließ.

»Carson, wissen Sie eigentlich, was in der Zwischenzeit hier geschehen ist? Die Navaho haben unsere Soldaten provoziert und das Fort angegriffen, und vor drei Tagen ist eine Gruppe Mexikaner überfallen und getötet worden, die Waren und Lebensmittel für die Indianer des Taos Pueblo abliefern wollten.« Er bemerkte den schockierten Gesichtsausdruck Kits. »Sind das die friedlichen Indianer, von denen Sie mir erzählt haben?«

»Ich bin vollkommen überrascht, das zu hören, General«, erwiderte Kit und bemühte sich, ruhig zu bleiben. Obwohl in diesem Moment ein Gedanke den anderen jagte. »Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat, aber ich bin sicher, dass sich das alles aufklären wird. Haben Sie denn schon mit den Häuptlingen im Pueblo gesprochen? Manuelito ist ein sehr erfahrener und weiser Mann, der niemals zulassen würde, dass unschuldige Menschen getötet werden. Es muss sich um ein Missverständnis handeln – eine andere Möglichkeit halte ich für undenkbar.«

»Sie haben diese roten Teufel wahrscheinlich mit Samthandschuhen angefasst, Carson«, antwortete Carleton bissig. »Aber eins können Sie mir glauben – diese Zeiten haben ein für alle Mal ein Ende. Man muss den Roten zeigen, wer hier der Herr ist. Das sind doch nur Wölfe, die durch die Berge streifen und die endlich gezähmt werden müssen. Es ist eine wahre Verschwendung, dass dieses Land nicht weiter genutzt wird – und zwar in unserem Sinne, Carson. Ein königliches Reich voller prachtvoller Weiden und Bodenschätze wartet auf denjenigen, der es für die Zivilisation erschließt. Dazu sind diese primitiven Heiden doch gar nicht imstande.«

»Sehen Sie diese Karte?«, fuhr Carleton fort und bemerkte gar nicht, wie besorgt Kit Carson dreinblickte. Stattdessen wies er auf einen bestimmten Punkt, den er dick markiert hatte. »Das hier ist die Reservation von Bosque Redondo. Die Mescalero leben schon dort und haben sich mit ihrem neuen Schicksal abgefunden. Auch den Navaho wird nichts anderes übrigbleiben, als in die Reservation zu gehen. Ich lasse diesen roten Halunken Zeit bis zum 20. Juli – danach wird jeder Navaho, der sich außerhalb der Reservation aufhält, als Feind betrachtet und dem entsprechend von meinen Soldaten behandelt. Die offene Tür, die ich diesen Wilden biete, wird nach diesem Tag geschlossen sein!«

»Sir, ich glaube, dass wir noch einmal mit den Navaho sprechen sollten«, warf Kit vorsichtig ein. »Ich lebe schon viele Jahre in diesem Land und kenne die Navaho. Sie sind gewiss nicht die Wilden, die Sie …«

»Sagen Sie das mal den Familien der Mexikaner, die von diesen Teufeln grausam getötet worden sind!«, unterbrach ihn General Carleton. »Mensch, Carson – versuchen Sie es doch zu begreifen! Diese Indianer passen nicht mehr in unsere Zeit der wachsenden Zivilisation. Ihre Zeit ist schon längst vorbei, und das muss man ihnen klarmachen. Also – wollen Sie wirklich Ihren Abschied einreichen? Ich könnte einen erfahrenen Mann wie Sie gut gebrauchen.«

In diesen so entscheidenden Sekunden ging Kit Carson eine Menge durch den Kopf. Er kannte die Indianer wirklich gut, hatte auch monatelang mit ihnen gelebt, ohne einem anderen Weißen zu begegnen. General James Carleton dagegen kannte er erst seit Kurzem, spürte aber dennoch, dass hinter diesem Offizier eine geballte politische Macht aus der Hauptstadt Washington stand, für die der Untergang der Indianer bereits beschlossen war.

Wenn er jetzt wirklich die Armee verließ, dann musste er ohnmächtig zusehen, wie das Schicksal seinen Lauf nahm. Wenn er aber seinen Abschied hinauszögerte, so konnte er vielleicht noch eingreifen und versuchen, das Beste aus dieser verfahrenen Situation zu machen.

»Gut, General«, sagte er dann nach reiflicher Überlegung. »Ich habe mich entschieden und ziehe mein Abschiedsgesuch zurück. Ich werde mit den Navaho reden und versuchen, sie von einer friedlichen Lösung zu überzeugen. Das ist sicher auch in Ihrem Sinne.«

»Natürlich ist es das«, erwiderte Carleton mit einem süffisanten Grinsen, weil es ihm gelungen war, Carson zum Bleiben zu bewegen. »Sie haben alle Freiheiten von mir, die Sie benötigen, um die Sache zu einem vernünftigen Ende zu bringen. Verhandeln Sie mit den Roten, aber vergessen Sie eins nicht – es gibt keine Alternative zur Reservation in Bosque Redondo. Die Navaho haben nur noch die Wahl, ob sie in Frieden in die Reservation gehen wollen, oder ob der ganze Stamm so weit dezimiert wird, dass nur noch eine kümmerliche Handvoll Indianer am Leben bleibt. Genau so können Sie es diesen roten Wölfen klarmachen!«

»Habe ich Zeit, vorher nochmals meine Familie zu sehen?«, erkundigte sich Kit bei dem General. »Meine Frau – ich war wochenlang von ihr getrennt.«

»Natürlich können Sie das, Carson«, antwortete Carleton mit übertriebener Gelassenheit. »Sie haben einen Tag, um Ihre persönlichen Angelegenheiten zu regeln – das muss ausreichen. Denn es wird keine leichte Sache sein, wenn Sie mit den Navaho verhandeln wollen. Im Taos Pueblo werden Sie nur noch Alte und Kranke vorfinden. Die Krieger und ihre Familien haben sich schon in die Berge zurückgezogen – diese Teufel wissen genau, was sie tun.«

Kit erwiderte nichts darauf. Er wusste nur, dass er jetzt nicht nur so schnell wie möglich seine Frau in Taos wiedersehen wollte, sondern sich auch dringend selbst ein Bild über die augenblickliche Lage machen musste. Nur wenige Monate war er im Krieg gewesen – aber in dieser Zeit musste sich alles so sehr verändert haben, dass er große Mühe hatte, all das zu glauben, was er eben gerade gehört hatte.

Deshalb verabschiedete er sich rasch von dem General und verließ dessen Hauptquartier. Seine Männer, die New Mexico Volunteers, würden alles andere als erfreut sein, wenn sie erfuhren, dass Mexikaner von Navaho überfallen und getötet worden waren. Denn ein großer Teil seiner Männer waren Mexikaner, und die hatten in der Vergangenheit eine Menge durchmachen müssen, weil insbesondere die Mescalero und Pueblo immer wieder mexikanische Dörfer jenseits der Grenze heimgesucht und geplündert hatten. Diese Nachricht würde den alten Hass wieder aufflackern lassen …

 

*

 

Im offenen Kamin brannte ein Feuer und vertrieb die Kälte der Nacht, die auch im Sommer um diese Jahreszeit in New Mexico herrschte. Kit blickte gedankenverloren in die flackernden Flammen, während seine Frau Josefa ihm ein Glas Rotwein einschenkte und dann zu ihm ging. Aber er war so sehr mit seinen Problemen beschäftigt, dass er Josefa im ersten Moment gar nicht wahrnahm. Erst ein verlegenes Räuspern des Mestizen Pablito, der an diesem Abend ebenfalls Gast in Kit Carsons Haus war, machte ihn darauf aufmerksam.

»Entschuldige, Josefa«, sagte er und nahm das Glas entgegen. Seine Frau lächelte nur, denn sie konnte sich gut vorstellen, was Kit in diesem Augenblick empfand. Seit auch Pablito vor wenigen Stunden hier eingetroffen war und Kit berichtet hatte, was in den letzten Monaten in Taos und Umgebung geschehen war, hatten die beiden Freunde ein langes und ausführliches Gespräch geführt.

Kit kannte nun die Einzelheiten, die zu diesem Konflikt geführt hatten und verwünschte die Tatsachen, dass er zum Zeitpunkt des verhängnisvollen Pferderennens nicht in Fort Wingate gewesen war. Bestimmt hätte er eine Eskalation dann verhindern können. So aber hatte es das Schicksal anders bestimmt, und das Wissen darum machte dem ehemaligen Scout und Fährtensucher schwer zu schaffen.

»Manuelito hat sich geändert, Jefe«, ergriff nun Pablito wieder das Wort, während Kit einen Schluck Rotwein trank. »Er ist nicht mehr der besonnene Häuptling, den wir beide kennen. Jemand hetzt ihn auf, jemand, der über große Macht verfügt.«

»Wir hatten schon einmal Ärger mit einem der Schamanen«, erinnerte sich Kit. »Aber ich hatte gehofft, dass jetzt Ruhe herrscht. Ich muss Manuelito einfach davon überzeugen, dass er sich fügt und Carletons Befehle akzeptiert. Sonst gibt es einen Krieg, der das ganze Land überziehen wird.«

»Die Navaho werden doch nicht freiwillig in die Reservation gehen«, ergriff nun Josefa Carson das Wort. »Was würdest du denn tun, wenn auf einmal jemand bestimmt, dass du dieses Haus und deinen Besitz aufgeben sollst? Du würdest dich doch mit allen Mitteln dagegen wehren, oder?«

Natürlich wusste Kit, dass seine Frau Recht hatte. Umso schwerer fiel es ihm ja, den Navaho das klarzumachen. Denn er hatte auch Freunde unter ihnen, Menschen, die ihm bisher vertraut hatten.

Das würde sich aber rasch ändern, wenn Manuelito und sein Volk erst erfuhren, was der einflussreiche General Carleton geplant hatte. Und vor diesem Moment fürchtete sich selbst ein Mann wie Kit Carson – weil er wusste, welche Konsequenzen das mit sich zog!

»Ich werde versuchen, mit Manuelito zu sprechen, Pablito«, sagte er dann zu seinem Gehilfen. »Auch wenn er und der größte Teil des Stammes sich mittlerweile in die Berge zurückgezogen haben, so hoffe ich, dass er mich anhört. Ich werde mit einigen Ute-Scouts und einer Handvoll Männer morgen früh bei Sonnenaufgang aufbrechen und mein Glück versuchen.«

Pablito blickte Kit ungläubig an, als er das hörte. Aber ein kurzer Blick in das Gesicht von Kit zeigte ihm, dass dieser wirklich fest entschlossen war, seinen Plan in die Tat umzusetzen.

 

*

 

Die Dämmerung der Nacht wich der aufgehenden Sonne, die das Tal mit ihren wärmenden Strahlen überschüttete. Judd Calhoun war auch an diesem Morgen wieder zeitig wach geworden. Während Rosita in der Küche das Frühstück für ihn bereitete, war er schon im Stall, um das Vieh zu füttern.

Judd hatte es sich angewöhnt, diese Arbeit als Erstes zu erledigen, damit er sich die Zeit nehmen konnte, um wenigstens mit Rosita und dem kleinen Travis anschließend zusammen am Tisch zu sitzen und sich für den bevorstehenden Tag zu stärken.

Judd besaß zwei Milchkühe und vier Pferde. Als er den Stall betreten hatte, war es noch ziemlich dunkel gewesen, und jetzt, wo er mit der Arbeit fertig war, hatte der Morgen die Nacht endgültig vertrieben.

Drüben vom Farmhaus her erklang auch schon die laute Stimme seines kleinen Sohnes, der schon wach geworden war. Der Junge erfüllte das Haus mit Leben, und Judd musste unwillkürlich lächeln, als er hinüber zu seinem Haus blickte und er den Duft von frisch gebackenen Bisquits roch.

Dieses Lächeln erlosch allerdings von einem Augenblick zum anderen wieder, als er plötzlich die Silhouette des einsamen Reiters oben auf der Hügelkuppe bemerkte. Wie lange der Reiter dort schon ausgeharrt und die kleine Farm beobachtet hatte, wusste Judd nicht.

Eine eigenartige Unruhe erfasste ihn, als er sah, wie nun zwei weitere Reiter neben dem ersten auftauchten und dann wenige Augenblicke später hinunter zur Farm ritten.

Judd versuchte ruhig zu bleiben, als er in einem der Reiter Manuelito, den Häuptling der Navaho, erkannte. Warum er sich in diesem Moment nach seinem Gewehr sehnte, wusste er selbst nicht. Aber wahrscheinlich hätte er sich dann sicherer gefühlt als waffenlos zu sein.

Rosita musste drinnen im Haus die näherkommenden Hufschläge ebenfalls gehört haben. Sie blickte kurz aus dem Fenster und erkannte die Reiter ebenfalls.

»Bleib im Haus und verschließe die Tür!«, rief Judd seiner Frau knapp zu. »Hast du das verstanden, Rosita?«

Sein Ton drückte aus, dass er keine Widerrede duldete. Aber die schwarzhaarige Italienerin hatte auch so den Ernst der Lage begriffen und tat das, was Judd ihr aufgetragen hatte. Das Herz schlug ihr bis zum Halse, als sie dann anschließend vom Küchenfenster zusah, wie die drei Navaho mittlerweile den Hof der kleinen Farm erreicht hatten und ihre Tiere unweit von Judd zügelten, der immer noch ganz ruhig blieb.

»Ich grüße dich, Manuelito!«, rief Judd dem Häuptling der Navaho zu und wich dessen prüfendem Blick nicht aus. »Du kommst sehr früh an diesem Morgen – aber ich heiße dich und deine Gefährten trotzdem willkommen. Steigt ab und kommt mit. Ihr könnt mit uns essen, wenn ihr wollt …«

Keiner der Navaho machte jedoch Anstalten, der Einladung Judd Calhouns zu folgen. Stattdessen ergriff nun Manuelito das Wort.

»Ich habe deine Gastfreundschaft nicht vergessen, Judd Calhoun«, begann er. »Aber es ist nicht der Tag dafür. Weißt du eigentlich, dass Rope Thrower Carson wieder zurück in Taos ist?«

Jetzt war Judd wirklich überrascht, als er das erfuhr, und das sah man ihm auch an.

»Nein, Manuelito«, antwortete er ehrlich. »Ich bin schon seit einigen Tagen nicht mehr in der Stadt gewesen, weil ich hier auf der Farm jede Menge zu tun habe.«

»Wie lange hast du Rope Thrower Carson nicht mehr gesehen?«, wollte Manuelito nun wissen, ohne auf Judds Bemerkung direkt einzugehen.

»Einige Monate schon – seit er in den Krieg gezogen ist«, sagte Judd. »Aber ich verstehe immer noch nicht, worauf du jetzt hinauswillst, Manuelito. Warum sagst du mir nicht einfach, was du vorhast? Oder bin ich nicht mehr deines Vertrauens würdig?«

»In diesen Tagen wird viel von Vertrauen gesprochen, Judd Calhoun«, bekam er dann von dem Navaho-Häuptling zu hören. »Aber mein Volk ist misstrauisch geworden. Rope Thrower ist zurückgekommen und hat seine Freunde noch nicht besucht, weder dich noch mich. Und ein neuer Chief ist nach Fort Wingate gekommen, der mein Volk hasst. Es sind schlechte Zeiten für die Navaho angebrochen – vielleicht solltest du mit deiner Familie besser weggehen von hier.«

»Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr«, antwortete Judd. »Manuelito, du musst es mir glauben – ich bin nur ein einfacher Farmer und bekomme kaum etwas mit von dem, was in Fort Wingate geschieht. Das Einzige, was ich weiß, ist der Überfall auf die Mexikaner, die …«

Erst jetzt wurde ihm bewusst, was er gerade hatte sagen wollen. Er hielt inne und wich Manuelitos Blicken für Sekundenbruchteile aus. Natürlich entging das dem Häuptling der Navaho nicht. Judd nahm daraufhin all seinen Mut zusammen und beschloss trotzdem, Manuelito das zu fragen, was ihm schon seit Pablitos Besuch im Kopf herumging.

»Warum, Manuelito?«, entfuhr es ihm dann. »Warum habt ihr die Mexikaner getötet und die Waren gestohlen? Ihr wisst doch, was das für Folgen haben wird. Die Soldaten werden kommen und …«

»Wir waren einmal frei und stolz«, schnitt ihm Manuelito das Wort ab. »Bis die Weißen kamen und einen Teil unseres Landes haben wollten. Wir gaben es ihnen, denn wir wollten in Freundschaft mit ihnen leben. Aber dann schickten sie unsere Brüder, die Pueblo und Mescalero in den wertlosen Landstrich, den sie Bosque Redondo nennen – eine Reservation für die Indianer. Rope Thrower Carson scheint dem neuen Soldatenchief zu folgen, denn meine Späher haben mir berichtet, dass sich in der Umgebung des Forts sehr viele Soldaten aufhalten. Was das wohl zu bedeuten hat? Rope Thrower weiß es wohl, aber er scheint seine Freunde vergessen zu haben, denn auch du bist ahnungslos. Genau wie ich und mein Volk. Aber wir werden bald wieder stark und mächtig sein wie früher. Montezuma vergisst seine roten Kinder nicht. Deshalb sage ich es noch einmal – verlasst dieses Land und geht besser weg von hier. Solange ihr es noch könnt!«

»Du weißt, dass das nicht so einfach möglich ist«, hielt ihm Judd entgegen. »Ich habe drei Jahre hier hart gearbeitet. Weshalb soll ich das auf einmal aufgeben? Ich bin immer dein Freund gewesen und will es auch bleiben, Manuelito – oder willst du keinen Weißen mehr zum Freund haben?«

»Ich habe dich gewarnt«, sagte der Häuptling der Navaho, ohne Judds Frage direkt zu beantworten. »Aber du musst wissen, wie du dich entscheidest …«

Er wartete nicht mehr darauf, ob Judd dem noch etwas hinzuzufügen hatte. Stattdessen wendete er sein Pferd und ritt einfach los, gefolgt von seinen beiden Begleitern. Augenblicke später waren die drei Navaho hinter der nächsten Hügelkuppe wieder verschwunden.

»Verdammt, was geht hier nur vor?«, murmelte Judd kopfschüttelnd. Er konnte darüber aber noch so lange nachdenken – zumindest in diesem Moment fand er keine Antwort darauf.

 

*

 

Major Joseph Cummings blickte misstrauisch zu den zahlreichen Basaltfelsen und Schluchten, die sich vor seinen Augen erstreckten. Ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, dass der Soldatentrupp wahrscheinlich jetzt schon von unsichtbaren Augen längst beobachtet wurde.

»Genauso ist es auch, Major«, vollendete Kit Carson die Gedankengänge des Offiziers, der neben ihm ritt. »Natürlich wissen die Navaho schon, dass wir kommen. Deshalb werden die meisten Männer auch hier draußen unter Ihrem Kommando abwarten, bis ich wieder zurück bin. Sie werden nichts unternehmen. Keinen eigenmächtigen Vorstoß, keine Provokationen, absolut gar nichts. Haben Sie das verstanden, Major?«

»Natürlich, Mr. Carson«, versicherte ihm der erfahrene Offizier. »Trotzdem halte ich das für ein großes Risiko, was Sie vorhaben. Wer sagt Ihnen eigentlich, dass Sie von diesem Ritt lebend wiederkommen?«

»Das mag der Himmel wissen«, erwiderte Kit abwinkend. »Ich verlasse mich lieber auf meinen gesunden Menschenverstand. Glauben Sie mir, Major – ich kenne die Navaho schon seit vielen Jahren und weiß, dass sie eine mutige Entscheidung respektieren. Ich bin ganz sicher, dass sie abwarten werden, was ich tue. Es bleibt bei meiner Entscheidung. Führen Sie die Männer dort hinüber zu der kleinen Quelle zwischen den Büschen. Stellen Sie Wachposten auf und warten Sie ab. Wenn meine Scouts und ich nicht bis zum Einbruch der Dunkelheit zurück sind, dann reiten Sie auf schnellstem Weg zurück nach Fort Wingate und alarmieren General Carleton. Er wird dann wissen, was zu tun ist.«

Major Cummings kam nicht umhin, Kit für dieses Vorhaben im Stillen zu bewundern. Er hätte sich an Kits Stelle ziemlich unwohl in seiner Haut gefühlt.

»In Ordnung«, versicherte ihm Cummings und winkte den Soldaten dann zu, ihm zu folgen. Kit Carson selbst und drei Ute-Scouts blieben zurück und lenkten stattdessen ihre Pferde einen schmalen Pfad hinauf, der in höhere Regionen des Felsmassivs führte.

Es war eine eigenartige Welt, die Kit und die drei Indianer nun durchquerten. Vor ihnen erstreckte sich ein riesiges gebirgiges Land voller tiefer Canyons, steiler Arroyos und von Schluchten gesäumter Mesas. Irgendwo dort oben befand sich auch der Canyon de Chelly, der sich von den Chuska Mountains fünfzig Kilometer weit westwärts erstreckte – ein heiliger Ort für das Volk der Navaho.

Kit war einer der wenigen Weißen, die diese heilige Stätte der Navaho schon einmal zu sehen bekommen hatten. Mit Manuelito war er schon einmal dort gewesen, vor fast zwei Jahren. Er erinnerte sich noch gut an die roten Felswände des Canyons, der sich an manchen Stellen auf fünfzig Yards verengte und an anderer Stelle über dreihundert Fuß hoch anstieg.

Wenn sich die Navaho wirklich bis in diese Regionen zurückgezogen hatten, dann würde es umso schwieriger werden, mit den herkömmlichen Methoden zu operieren.

Kits Gedanken schweiften ab. Stattdessen richtete er sein Augenmerk auf den Pfad, dem er und die drei Scouts folgten. Die Utes hatten ihre Gewehre griffbereit und spähten vorsichtig nach allen Seiten. Auch ihnen erschien die felsige Landschaft umso unheimlicher, je tiefer sie in diese unwegsamen Regionen vorstießen. Die Unsicherheit stand in ihren bronzefarbenen Gesichtern geschrieben, aber sie folgten Kit Carson weiter, verließen sich ganz auf ihn.

Eine gute halbe Stunde war vergangen, als plötzlich der laute Warnschrei eines Bussards ertönte, dessen Echo von den Felswänden hin und her geworfen wurde. Nur wenige Sekunden später erkannte Kit Carson dann die einsame Gestalt oben am Rand des Abgrunds, die warnend beide Hände hob, bevor dann eine Stimme erklang, die Kit sofort erkannte. Sie gehörte Manuelito, dem Mann, den er bisher als seinen Freund betrachtet hatte.

»Bleib wo du bist, Rope Thrower!«, erklang Manuelitos drohende Stimme. »Für dich und diese Ute-Hunde geht es hier nicht mehr weiter!«

In diesem Moment tauchten zwanzig weitere Krieger zu beiden Seiten der engen Schlucht auf. Alle hielten sie Gewehre in den Händen und schienen nur auf ein Zeichen Manuelitos zu warten. Kit begriff sofort, wie groß die Gefahr war. Deshalb deutete er den drei Ute-Scouts mit einer raschen Handbewegung an, ihre Pferde zu zügeln, während er selbst hinauf zu der Stelle blickte, wo Manuelito verharrte.

»Ich bin gekommen, um mit dir zu reden, Manuelito!«, rief er hinauf. »Von Mann zu Mann. Ich komme in Frieden und trage keinen Hass in meinem Herzen. Glaubst du mir das?«

Es vergingen einige Augenblicke, bis der Navaho-Häuptling schließlich antwortete.

»Du kannst kommen – aber nur du, Rope Thrower. Und dann wirst du mir sagen, warum du mit so vielen Soldaten gekommen bist, die draußen in der Ebene warten!«

»Wir werden darüber reden – als Freunde!«, rief Kit zurück und stieg dann vom Pferd. Um seine friedliche Absicht zu unterstreichen, schnallte er das Revolverholster ab und band es am Sattelhorn seines Pferdes fest. Auch die Utes hatten angesichts der drohenden Gefahr ihre Waffen sinken lassen und wagten sich kaum zu rühren. Denn jeder von ihnen wusste, dass sie hier unten sichere Zielscheiben für die Navaho-Krieger darstellten.

Kit näherte sich vorsichtig einer Stelle, die es ihm ermöglichte, dem Häuptling näherzukommen. Aber Kits Absicht war schon erkannt worden. Zwei Krieger ließen ein Seil hinunter, und Kit zögerte nicht. Er band es sich fest um die Hüften und gelangte so mit Hilfe von Manuelitos Kriegern nach oben zu der Stelle, wo ihn der Häuptling bereits mit steinerner Miene erwartete.

Kit konnte sehen, dass in den Augen der meisten Navaho nur Hass zu erkennen war. Selbst bei denjenigen, die Kit mit Namen kannte. Es schien fast so, als habe es niemals Frieden gegeben, wo die Waffen geschwiegen und Vernunft geherrscht hatte.

»Du bist spät gekommen, Rope Thrower Carson«, ergriff nun Manuelito als Erster das Wort, als Kit vor ihm stand. »Ich frage mich, warum du dir so viel Zeit gelassen hast. Oder ist es vielleicht deshalb, weil Star Chief Carleton dir befohlen hat, die Freundschaft zu uns zu vergessen?«

»Was weißt du von General Carleton?«, fragte Kit mit sichtlichem Erstaunen. »Manuelito, es ist nicht so, wie du denkst. Ich bin gekommen, weil ich unbedingt mit dir sprechen muss. Und mit deinem Volk. Es sind Dinge geschehen, die viel ändern werden.«

»Das wissen wir«, erwiderte Manuelito und sah, wie seine Krieger nickten. »Also sprich: was willst du von mir?«

Kit suchte verzweifelt nach den passenden Worten. Denn davon hing eine Menge ab.

»Star Chief Carleton und die Politiker in Washington wollen, dass die Navaho in die Reservation nach Bosque Redondo gehen, zu ihren Vettern, den Mescalero und Pueblo«, rückte Kit mit der Wahrheit heraus. »Ich habe davon auch erst erfahren, als ich zurückgekehrt bin, und das musst du mir glauben, Manuelito.«

»Ihr wollt unser Land, Rope Thrower«, hielt ihm Manuelito entgegen. »Und du machst dich zum Sklaven von Star Chief Carleton. Diese Worte aus deinem Mund verdunkeln mein Herz. Es gibt keine Freundschaft mehr zwischen meinem Volk und Rope Thrower Carson. Nahato hatte recht, als er uns vor allen Weißen warnte.«

»Nahato?«, entfuhr es Kit. »Wer ist Nahato?«

»Ein heiliger Mann unseres Volkes, der von nun an unser weiteres Handeln bestimmen wird. Er hatte eine Vision, in der Montezuma ihm den Weg unseres Volkes aufzeigte. Du bist zu spät gekommen, Rope Thrower Carson. Es gab einmal eine Zeit, in der ich und mein Volk einen Freund unter den Weißen brauchten. Aber du warst nicht da, und vielleicht wollte es das Schicksal auch so. Vielleicht bedurfte es erst solch einer Situation, um wieder zu den Wurzeln unseres Volkes zurückzufinden. Geh wieder zurück zu Star Chief Carleton und sag ihm, dass er unser Land nicht bekommen wird. Eher werden wir alle sterben!«

»Weißt du, was du jetzt sagst, Manuelito?«, versuchte es Kit noch ein letztes Mal. »Du kennst nicht die Macht der Soldaten. Es werden noch mehr Blauröcke ins Land kommen und mit euch Krieg führen. Die Frauen und Kinder werden es dann büßen müssen. Willst du wirklich, dass Unschuldige sterben müssen?«

»Montezuma ist auf unserer Seite«, hielt ihm Manuelito mit felsenfester Überzeugung entgegen. »Wenn Star Chief Carleton Krieg mit den Navaho führen will, dann soll er kommen. Unser Volk wird sich zu wehren wissen. Und jetzt geh – unsere Freundschaft ist erloschen. Wenn wir uns wieder begegnen, werden wir es als Feinde tun!«

Kit musste einsehen, dass seine Worte kein Gehör mehr bei den Navaho fanden. Manuelito hatte sich so sehr verändert, dass Kit Mühe hatte, den Häuptling der Navaho überhaupt wiederzuerkennen. Dieser Nahato, der Schamane des Volkes, von dem Manuelito gesprochen hatte, schien wirklich ganze Arbeit geleistet zu haben. Der Wille zum Kampf gegen die Weißen bildete jetzt eine gewaltige Kluft zwischen Kit und den Männern, die er einmal seine Freunde genannt hatte.

In diesem Moment verfluchte er die Tatsache, dass er in den Krieg gezogen war und die Agentur in Taos fast unbeaufsichtigt zurückgelassen hatte. Jetzt rächte sich das auf folgenschwere Weise, und zwar in einem Ausmaß, wie es Kit Carson nicht für möglich gehalten hatte. Alles war umsonst gewesen – Manuelito blieb hart in seiner Entscheidung!