8000AD - Pauline Dörfler - E-Book

8000AD E-Book

Pauline Dörfler

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Beschreibung

Wie sieht die Welt in 6000 Jahren aus? Als Idony aus dem Bio-Printer steigt, ahnt sie noch nicht, wie ihre Vergangenheit mit der letzten Epoche der Menschheit zusammenhängt. Zurückgezogen in der letzten Metropole, umgeben von Luxus und Dekadenz, fristet die Zivilisation ihr verkommenes Dasein. Gejagt vom Konzern MILLION Airs folgt die Reproduzierte den Spuren ihrer ursprünglichen Identität und erlebt, wie Menschen niedergemetzelt werden. Schon bald werden ihre Ideale auf eine harte Probe gestellt, wenn es heißt töten oder getötet werden. »Aber wenn das Gerücht stimmt und die Menschheit zum Aussterben verdammt ist«, rief Idony, »dann ist jedes weitere Opfer zu viel.«

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Inhaltsverzeichnis

1. Dawind: »Sie muss recycelt werden.«

2. Idony: »Bist du schon lange auf der Welt?«

3. Idony: »Es heißt, Menschen seien zu den Sternen gereist.«

4. Idony: »Ich finde, du hast das Recht über deine Möglichkeiten selbst zu bestimmen.«

5. Idony: »Nachtwache. Du passt auf, dass sie nicht entkommen.«

6. Xenit: »Ich musste ihn nicht töten, ich musste nur nah genug an ihn herankommen.«

7. Idony: »Dann ist er frei sein Leben zu leben.«

8. Idony: »Ich muss meinen eigenen Weg finden.«

9. Ceasar: »Eines Tages würde der Mistkerl für seine Taten bezahlen.«

10. Mersanace: »Würde sie doch ihm dieselbe Aufmerksamkeit schenken.«

11. Idony: »Eine Existenz ohne eigene Farbe. Das bedeutete es, keinen eigenen Willen zu haben?«

12. Idony: »Willkommen, Abide.«

13. Idony: »Du glaubst, du hast die Wahrheit herausgefunden?«

14. Xenit: »Ist das der Grund, warum du versessen darauf bist, die Rohstoffe der Reproduzierten zurückzubekommen?«

15. Idony: »Es wird Zeit, dich zu deinstallieren.«

16. Ceasar: »Nicht die Erste. Die Einzige.«

17. Ceasar: »Aber manchmal bekommen wir nicht, was wir uns wünschen.«

18. Idony: »Wie hast du das gemeint, ich sei eine Besonderheit?«

19. Idony: »Das bedeutet, du hast schon einmal gelebt.«

20. Ceasar: »Halte dich von ihr fern.«

21. Ceasar: »Sie hegen die Hoffnung auf eine Zukunft. Das macht diesen Ort zu einer Siedlung.«

22. Idony: »Niemals werde ich verzeihen, wer Cyndal Leid angetan hat.«

23. Idony: »So eine Gelegenheit bekomme ich nicht noch einmal im Leben.«

24. Idony: »Sie wollte jeden Moment aufsaugen und in ihrem Gedächtnis speichern.«

25. Xenit: »Lust auf ein kleines Abenteuer?«

26. Idony: »Niemand würde kommen und ihr helfen.«

27. Ceasar: »Ich bin es nicht gewöhnt zu vertrauen.«

28. Ceasar: »Wann war aus seinem Bestreben, die Siedlung zu gestalten, blinder Ehrgeiz geworden?«

29. Idony: »Wenn ich überleben will, muss ich tun, was nötig ist.«

30. Idony: »Du siehst verloren aus, kann ich dir helfen?«

31. Ceasar: »Ich mache das nur als allerletzte Möglichkeit, wenn es sein muss.«

32. Ceasar: »Dann kommst du endlich von den Gedanken an die Reproduzierte ab.«

33. Mersanace: »Auf dass wir immer zusammenbleiben.«

34. Idony: »Für dich mache ich es möglich.«

35. Idony: »Was für ein Geheimnis hältst du vor mir versteckt?«

36. Vela: »Am Morgen sehe ich direkt vom Hügel aus die Sonne aufsteigen.«

37. Ceasar: »Liebst du sie etwa nicht mehr?«

38. Ceasar: »Ich weiß nicht, wie lange ich ihn noch ernähren kann.«

39. Ceasar: »Das ist Wahnsinn. Beseize wird dich umbringen.«

40. Idony: »Warum stellst du mir immer wieder diese Frage?«

41. Groundstone: »Aber ich will hier ein neues Leben anfangen.«

42. Mersanace: »Ich habe ein Angebot für dich.«

43. Groundstone: »Das Mädchen mit den weißen Haaren?«

44. Idony: »Mir ist es ein Vergnügen.«

45. Idony: »Schau mir zu.«

46. Mersanace: »Mit denen kannst du machen, was du willst.«

47. Idony: »Und wieder bricht eine Heimat hinter mir weg.«

48. Ceasar: »Morgen.«

49. Ceasar: »Ich kann es mir nicht leisten, auf die Liebe zu setzen.«

50. Idony: »Durfte sie denn nicht mehr hoffen?«

51. Mersanace: »Aber er darf nichts davon erfahren.«

52. Idony: »Du machst dir ganz schön viele Feinde.«

53. Idony: »Ich dachte, ich sei dem Umstand ausgeliefert, dass eines Tages alle, die ich kenne, einem Scout zum Opfer fallen.«

54. Xenit: »Bist du nicht deswegen mein Scout geworden?«

55. Idony: »Was, wenn mich niemand wollte?«

56. Mersanace: »Stimmt das, was sie sagt?«

57. Idony: »Ich musste es herausreißen, damit es aufhörte zu schlagen.«

58. Idony: »So unschuldig, wie du glaubst, bist du nicht.«

59. Ceasar: »Deswegen haben wir beschlossen, unser zuhause zu verlassen.«

60. Ceasar: »Ich wollte meinen eigenen Weg gehen.«

61. Xenit: »Wie lebst du damit?«

62. Kin: »Xenit lebte.«

63. Idony: »Damit sind die Menschen zu den Sternen gereist.«

64. Idony: »Und deswegen wirst du verlieren.«

65. Xenit: »Ich werde die eintausend Opfer erbringen, egal wie.«

66. Ceasar: »Du hasst mich um des Hasses willen.«

67. Vela: »Lasst mich am Leben.«

68. Ceasar: »Wisst ihr denn nicht, wofür ihr sterben werdet?«

69. Xenit: »Er musste Mersanace weiter dienen.«

70. Idony: »Wir kommen aus einem bestimmten Grund.«

71. Idony: »Warum ein Wunder?«

72. Xenit: »Sah so das Ende der Menschheit aus?«

73. Idony: »Meinst du, sie hat sich verirrt?«

74. Idony: »Wir können es immer noch versuchen.«

75. Ceasar: »Nennst du das Frieden?«

76. Allot: »Ich habe es nicht sehen wollen.«

77. Ceasar: »So hat die Menschheit keine Chance.«

78. Mersanace: »Ein Wunsch?«

79. Idony: »Ich hatte meine Gründe.«

80. Mersanace: »Wenn du mir sagst, dass du mich liebst.«

81. Idony: »Lass meine Familie frei.«

82. Idony: »Ich freue mich, dich wiederzusehen, Abide.«

83. Sycamore/Astart: »Der Zugriff wird geblockt.«

84. Idony: »Solange du lebst, hat sie eine Zukunft.«

85. Sycamore/Astart: »Jetzt fängt der Spaß richtig an.«

86. Idony: »Er muss sterben.«

87. Idony: »Als gehörte ich zu den Sternen. Und die Sterne gehörten zu mir.«

88. Idony: »Kennst du einen Ort zum Leben?«

1. Dawind »Sie muss recycelt werden.«

Dawind hatte sich bis zur letzten Schublade vorgearbeitet. Nach drei Tagen des Sortierens. Endlich. Sein Zeigefinger strich über die Rücken der Chips, die aneinander gereiht in die Tiefe der Schublade verschwanden.

Er stieß auf eine Ausbuchtung. Dawind hob sie an und holte einen Chip heraus.

»Der Bio-Printer ist jetzt bereit«, rief die Kollegin.

»Jaa«, gab Dawind zurück, ohne aufzuschauen. Er betrachtete den Chip in seiner Hand.

Die feinen glänzenden Linien der Leseschnittstelle verliefen in Kreisen um die Mitte. Ganz anders als bei den Chips heutzutage, deren Linien gerade waren und in die Mitte zuliefen.

Dawind drückte auf die Ecke, um ein Hologramm mit Informationen abzurufen. Die Ecke brach ab.

»Oje. Ich sollte die Daten besser übertragen.« Er machte sich auf den Weg zum Bio-Printer, den Blick auf den Chip in seiner Hand gerichtet. »Wie alt dieser Chip wohl ist?«

Der Bio-Printer stand in der Mitte des Labors. Eine riesige Kugel inmitten eines weißen Saals mit hoher Decke. Sanftes Licht aus den Wänden erhellte den Raum.

Dawind ließ sich zum Setzen nieder. Unter ihm ploppte ein Hocker aus dem Boden. Er nahm Platz und schob den gebrechlichen Chip in den Schlitz und tippte auf die Oberfläche. Tasten leuchteten auf.

Mit einer Hand schlug er sich gegen die Stirn. »Ich brauche einen neuen Chip.«

Er sprang auf und bog um den Bio-Printer herum. Dabei traf seine Hand versehentlich gegen die Oberfläche.

Er eilte zur Datathek, holte einen Datenträger aus einer der vorderen Schubladen und kam zurück.

Er stockte. Der Bio-Printer brummte.

Was ging hier vor sich?

Er prüfte den Fortschritt. Die Rohstoffe Adenin, Thymin, Guanin, Cytosin und Desoxyribose liefen ein.

Dawind raufte sich die Haare. Er musste den Prozess stoppen. Dann käme nur ein lebloser Fleischklumpen heraus, den er direkt wieder recyceln konnte.

Das Brummen klang ab; Dawind fror in seiner Bewegung ein.

Die Klappe öffnete sich und aus dem Inneren fuhr eine Liege aus. Darauf lag ein Mädchen; mit dem Rücken zu ihm gedreht, die Arme und Beine an sich gezogen.

Dawind streckte sich vor. Aus dem Winkel sahen ihre Augen geschlossen aus.

»Ist das ein Auftrag?«

Dawind zuckte zusammen. Newa. Die leitende Laborantin und Vorgesetzte. Ausgerechnet jetzt. Sie war eine Frau mit kurzen grauen Haaren und ernster Miene. Vor allem zu besonderen Anlässen. Sein Magen zog sich zusammen.

»Ich kann mich nicht erinnern, dass heute eine Frau produziert werden sollte.« Sie prüfte die Kundenliste. »Dieser Körper steht da nicht. Was hast du gemacht?«

»Das war -nicht mit Absicht -« Er verstummte.

Newa starrte ihn an. Ihre Hand stemmte sie in die Hüften.

»Was hast du angestellt?«

Das Mädchen auf der Liege erwachte. Ihr Oberkörper erhob sich und sie drehte den Kopf. Langes platinweißes Haar fiel über ihren Rücken. Ihr Blick wanderte durch den Raum, bis er Dawind fand.

Mit kindlich neugierigen Augen sah sie in seine.

Ein Mädchen. Nicht älter als sechzehn. »Na wunderbar.« Seine Hand fuhr durchs Haar.

»Sie muss recycelt werden«, sagte Newa. Sie trat zum Bio-Printer und begann zu tippen.

»Warte.« Dawind hob eine Hand zwischen Newa und den Bio-Printer.

»Wir dürfen die Rohstoffe nicht verschwenden. Das weißt du«, sagte sie.

»Aber -sieh sie dir an. Wir können sie doch nicht einfach wiederich meine -«

Newa stöhnte auf. »Du warst schon immer ein wenig durcheinander. Aber dieses Mal sieht es ganz übel bei dir aus. Ich muss das melden.« Sie ging an ihm vorbei aus dem Laborsaal.

Das Mädchen setzte sich auf. Ihre Zehen berührten den Boden.

»A -ach ja.« Dawind zog seinen Kittel aus und hüllte ihn um das Mädchen. Mit ihren Fingern zog sie den Stoff zusammen.

»Cyndal«, rief Dawind.

Cyndal erschien. Er war ein Junge von zwölf Jahren, mit weißem welligen Haarschopf und Rehaugen mit einem Blick, als sei ihm gleich, was um ihn herum passierte.

Das Mädchen betrachtete ihn.

»Hilf mir, sie zu stützen.« Dawind hob das Mädchen von der Liege. Kaum berührten ihre Sohlen den Boden, knickten die Knie ein. Sie kippte um.

Er und Cyndal zogen sie hoch und stützten sie und gemeinsam durchquerten sie den Saal in Richtung der Mitarbeiterräume.

Aus einer Wand wuchs ein Lautsprecher und eine Stimme ertönte: »Dawind, begib dich umgehend zu MILLION Airs in die höchste Ebene. Ich wiederhole, begib dich zu MILLION Airs und bringe die Reproduzierte mit.«

»In die höchste -?« Er schluckte.

So hoch im Turm war Dawind noch nie gewesen. Er blickte auf die Etagennummer. Eintausendzweihundert. Ihm entwich ein Pfiff. Bisher kannte er nur das ‚Hargrawe Labor‘ in den untersten Ebenen. Obwohl er schon seit fünfundzwanzig Jahren hier arbeitete.

Der Aufzug öffnete sich. Dawind hakte das Mädchen unter und beide traten in den Flur.

Ein Diener, ein junger Mann, ebenfalls mit weißen Haaren und in Weiß gekleidet, begrüßte sie und führte die beiden drei Flure entlang zu einer Tür.

Sie glitt zur Seite. Kaum hatten sie das Büro betreten, kam ihnen ein Mann mit großen Schritten entgegen. Er hob die Arme und strahlte.

»Du musst Dawind sein.« Der Mann schüttelte seine Hand. Er reichte Dawind gerade so bis zur Nase. Falten um die Augen verrieten, dass er um die sechzig Jahre alt sein musste, schätzte Dawind, doch das perfekt nach hinten gelegte dunkle Haar ließ ihn jünger wirken.

»Es kommen nicht häufig Laboranten hoch zu mir. Mein Name ist Mersanace. Ich bin der Geschäftsführer von MILLION Airs.«

Dawind lächelte matt. Das wusste er. Mersanace wurde oft genug in den Medien gezeigt. »Darf ich eine Frage stellen?«

»Selbstverständlich.«

»Wie kommt es, dass sich der CEO persönlich um diese Belange kümmert? Ich meine -« Dawind machte eine Kopfbewegung zu dem Mädchen zu seiner rechten Seite, das sich an ihn klammerte.

Mersanace lächelte erneut. Genau genommen hörte er gar nicht auf zu lächeln.

»Wie du weißt gehört das ‚Hargrawe Labor‘ seit vierzig Jahren zu MILLION Airs. Ich trage die Verantwortung für MILLION Airs und somit auch für alles, was im Labor passiert. Es ist mir wichtig, die Nähe zum Geschehen im Konzern und natürlich auch im Labor zu halten. Ich kümmere mich gern persönlich um solche Situationen.« Mersanace ging ein paar Schritte im Büro. Hinter ihm stand ein massiver Schreibtisch.

»MILLION Airs bedeutet, das Leben von Tausenden von Menschen zu versorgen. Die Rohstoffe sind schwer zu beschaffen und daher darf nichts davon verschwendet werden.«

»Aber -« Wegen so einem kleinen Missgeschick?

Mersanaces Blick streifte das Mädchen. Ihre Kraft versagte und sie plumpste auf den Boden, wo sie eingehüllt im Kittel sitzen blieb. Mersanace starrte sie an.

Dawind bückte sich und zog an ihrem Arm, doch sie rührte sich nicht.

»Das verstehst du sicher, Dawind«, fuhr Mersanace fort. »Soweit ich in Kenntnis gesetzt wurde, ist diese Reproduzierte nicht aufgrund eines Kundenauftrags produziert worden. Wir können sie nicht verkaufen. Ihre Rohstoffe müssen zurück ins System gespeist werden.«

Dawind half dem Mädchen auf die Füße und Mersanace geleitete beide zur Tür.

»Du kennst das Protokoll. Den Bericht zur Bilanz der Ressourcen erwarte ich dann.«

Sieben Tage. Bis dahin mussten alle missglückten Projekte recycelt sein.

Dawind und das Mädchen kehrten in den Aufzug zurück.

Sie stand neben ihm und begutachtete einen Fussel am Kittel. Sie bemerkte seinen Blick und lachte auf. Dawind erwiderte und legte eine Hand auf ihren Kopf.

Im Labor wartete Newa auf ihn.

»Erledigen wir sie am besten sofort, wir haben noch viel zu tun.« Ihre Hände huschten über den Bio-Printer.

Dawind blieb stehen. »Jetzt schon?« Newa blickte auf.

»Das können wir später immer noch -«

»Dawind. Wenn du es nicht machen willst, dann erledige ich es.«

Sie packte das Mädchen am Arm und zog sie von ihm weg. Sie stolperte. Dawind fing sie auf und drückte sie an sich.

Newa hob eine Braue. »Was wird das?« Das Mädchen schaute zu ihm hoch.

»Überlass sie mir«, sagte er mit leiser Stimme.

»Du hast eine klare Ansage bekommen, oder etwa nicht?«

»Ich habe aber sieben Tage Zeit -«

Newa rollte die Augen. Sie beugte sich zu ihm vor und dämpfte ihre Stimme: »Dieses Mädchen wird dir nicht geben können, was du dir wünschst.« Sie schritt an ihm vorbei. »Erledige das.«

Das wusste er. Dennoch.

Das Mädchen beobachtete ihn fragend.

»Komm«, sagte er beschwingt, um sie nicht zu beunruhigen.

»Drucken wir dir erst einmal etwas zum Anziehen.« Er führte sie in einen Flur und in den Mitarbeiterraum.

Ein gläserner Kasten stand an der Wand.

Dawind tippte auf den Suit-Printer. Der Kasten summte auf, mechanische Arme mit Spritzen zuckten. Aus dem Nichts wuchs ein Oberteil. Das Mädchen schaute mit offenem Mund zu.

»Ich habe mal gelesen, angeblich schützt das Material vor Temperaturen bis zu -10 Grad.« Dawind lachte auf. »Aber das kann ich mir nicht vorstellen.« Das Mädchen legte den Kopf schief.

Nach wenigen Minuten falteten sich die Arme zurück.

Das Mädchen bekam einen simplen Zweiteiler in Weiß und Schuhe. Sie hob die Arme und betrachtete sich vorne und hinten.

Gegen Abend verließ Dawind das Labor. Mit dem Mädchen an der Seite nahm er einen Aufzug nach oben in die fünfzigste Ebene. Von dort gingen sie über den Vorplatz zu einem Tunnel.

In leuchtenden Buchstaben prangte Metropolitan tower tram an der Wand, Menschen sammelten sich und warteten.

Das Mädchen streckte einen Finger aus und sah Dawind mit runden Augen und offenem Mund an. Im Tunnel erschien ein Zug. Geräuschlos kam er zum Stehen.

Sie zeigte auf die kurze Spitze, an der die Lichtlinien der Tunnelbeleuchtung zusammenliefen. Dawind lächelte. Er legte dem Mädchen die Hand an den Rücken und sie reihten sich in die Menschenmenge und stiegen ein.

In Sekundenschnelle glitt der Zug durch einen Tunnel vom Turm MILLION Airs zum nächsten.

Sie stiegen aus und wandten sich zu einer breiten Passage.

Der Boden, die Wände und die hohen Decken leuchteten in Weiß. Bildschirme alle zehn Meter strahlten Nachrichten aus, Werbung und Interviews. Auf der äußeren Innenseite des Turmes folgten eine Tür neben nach der anderen in die Apartments. Auf der inneren reihten sich Boutiquen an Lokale und Spiele-Center. Von irgendwoher plärrte Musik.

Dawind lenkte zu einer breiten Treppe, die sie hochführte.

Eine neue Passage. Dutzende von Menschen strömten an ihnen vorbei, allesamt in Blautönen.

Das Mädchen drehte den Kopf in alle Richtungen, als wollte sie alles um sich herum aufsaugen. Ein Mann, der entgegenkam, verzog die Brauen. Zwei Frauen staksten zischend und flüsternd an ihr vorbei.

Dawind lenkte zu einer Tür und hielt seine Handfläche vor einen kleinen Bildschirm. Rotes Licht scannte sie und die Tür glitt zur Seite. Er schob das Mädchen hinein.

Endlich Ruhe. Er zog die Schuhe aus und half dem Mädchen, es ihm gleichzutun.

»Odraa.«

Eine Frau erschien im Flur. Das Mädchen musterte sie, ihre Kleidung, das weiße Haar, das sich in Wellen an die Wangen schmiegte, und dann sich selbst.

»Das ist Odra.« Dawind begrüßte sie mit einem Kuss auf den Mund; sie erwiderte nicht.

»Kommt«, sagte er und ging in die Küche.

Dawind tippte auf die Oberfläche des Food-Printers, der über einem Tisch an der Wand befestigt war. Das Gerät summte auf.

Das Mädchen stellte sich davor. Auf der Unterseite des Gerätes begann eine Spritztülle emsig zu drehen. Das Mädchen folgte jeder Bewegung. Auf der Unterlage wuchs mit jeder Runde, die die Spritztülle drüberfuhr, ein kleiner Berg.

Als der erste handgroße fertig war, nahm Dawind ihn und schon machte sich der Food-Printer an die nächste Portion. Nachdem auch der dritte produziert worden war, setzten sich Dawind und Odra an einen Tisch.

»Komm essen«, sagte er zum Mädchen und sie nahm Platz.

Sie schaute ihm und Odra zu, wie sie in ihre Meal Buns bissen.

Sie nahm ihren in die Hand. Vorsichtig knabberte sie daran. Auf einmal machte sie einen großen Bissen. Sie schlang ein Stück nach dem anderen, bis sie sich verschluckte. Dawind klopfte ihr auf den Rücken. Mit Tränen in den Augenwinkeln lächelte sie und kaute weiter.

Wie konnte er nur so fahrlässig gehandelt haben? Sie kostete die ersten Eindrücke eines Lebens, das ihr nicht zustand. Und das er ihr in sieben Tagen wieder entreißen musste. Wie grausam.

2. Idony »Bist du schon lange auf der Welt?«

Drei weitere Tage behielt Dawind das Mädchen bei sich.

Als er abends die Tür öffnete, begrüßte sie ihn mit fliegenden Händen. Sie zupfte an seinem Oberteil und plapperte, was sie neu entdeckt hatte.

»Warte mal, lass mich reinkommen«, erwiderte er vor der Tür.

Das Mädchen streckte ihre Arme hoch, er packte ihre Handgelenke und angehoben trug er sie hinein. Sie kicherte.

Er strich sich durch das schwarze wellige Haar. Das machte er ständig, ohne darauf zu achten.

»Ich habe heute was aus dem Labor mitgehen lassen.« Er zog aus seiner Tasche zwei Applikatoren und klebte sie behutsam an die Schläfen des Mädchens. »Das ist zwar nur eine simple Sofware, doch das dürfte ausreichen.«

Er tippte auf einen kleinen Handcomputer. Die Applikatoren leuchteten auf.

Das Mädchen kniff die Augen zu, ihre Hand langte an ihre Stirn. Sie keuchte. Nach wenigen Minuten erloschen die Applikatoren und Dawind nahm sie ab.

»Wie geht es dir? Hast du Kopfschmerzen?«

»Ein wenig«, kam es aus ihrem Mund. Sie schrak auf. »Was -«

»Diese Software installiert in deinem Gehirn die Fähigkeiten zu sprechen, lesen, schreiben und rechnen. Und einen ersten Wortschatz.« Dawind warf einen prüfenden Blick auf das Inhaltsverzeichnis auf dem Computer.

»Warum?«

»Ich möchte, dass du die Welt ein bisschen besser verstehst, bevor du -« Er presste die Kiefer zusammen. »Genieße die paar Tage.« Seine Hand strich über ihren Kopf. Er ging in die Küche, wo Odra neue Meal Buns produzieren ließ.

»Was ist das, was wir essen?«, wollte das Mädchen wissen.

»Meal Buns.«

»Woraus sind die?«

»Also -« Dawind schluckte herunter, »das, woraus alles Leben gemacht ist, die Rohstoffe, daraus wird auch das Essen produziert.«

Das Mädchen öffnete erneut ihren Mund. »Und jetzt lass uns in Ruhe essen«, fuhr er fort.

Am nächsten Tag nahm Dawind sie mit zur Arbeit.

Sie standen im Aufzug zum Labor. Den ganzen Weg hatte er nichts gesagt und wirkte abwesend.

Sie betraten den Saal mit dem Bio-Printer.

Newa drehte ihren Kopf. »Bringst du sie endlich mit, um sie zu recyceln?«

»Noch ist Zeit«, murmelte Dawind und führte das Mädchen weiter. Damit ließ sich Newa nicht abwiegeln.

»Bist du dir bewusst, was du tust? Diese Reproduktion ist Besitz von MILLION Airs. Dir ist nicht gestattet, sie zu behalten.«

Das Mädchen wechselte ihren Blick von Newa zu Dawind. Er wirkte verschlossen.

Newa fuhr fort. »Du willst dich doch nicht gegen MILLION Airs stellen?« Sie drehte sich von ihm ab und warf eine Handbewegung hinterher. »Wenn du deine Stelle verlieren willst, mir egal. Aber ich habe keine Lust die ganze Arbeit alleine machen zu müssen.«

Die Stelle verlieren? Das Mädchen öffnete den Mund. Dawind erstickte ihren Laut mit einer Hand.

»Sei still«, flüsterte er. »Newa darf nicht merken, dass du reden kannst. Das fehlt mir noch, wenn sie erfährt, dass ich dir eine Schulung installiert habe.«

»Aber -«

Newa starrte sie an. »Hat sie gerade etwas gesagt?«

»Nein.« Er schob das Mädchen hinter sich.

»Worauf wartest du dann noch? Erledige sie.« Newa schnipste in Richtung Bio-Printer. »Ich meine, ist dir die Reproduktion so viel wert?« Sie wartete noch einen Moment auf seine Antwort. Als keine kam, kehrte sie zurück an ihren Arbeitsplatz.

Dawind schnaubte. Er setzte sich an den Bio-Printer.

Das Mädchen trat zu ihm. So nahe, dass ihre Knie seinen Oberschenkel berührten.

»Was bedeutet das, Arbeit verlieren?«

»Das braucht dich nicht zu sorgen.«

»Ist das was Schlechtes?«

Er beugte sich auf und sah ihr entnervt in die Augen.

»Ich muss jetzt arbeiten.«

Minutenlang blieb sie still.

»Hast du dann ein Problem? Wegen mir?« Dawind verlor den Faden.

»Ohne einen ausreichenden Verdienst würde ich das Apartment abgeben müssen und in eine der unteren Ebenen ziehen«, erklärte er geduldig. »Wer Wert auf sein Wohlergehen legt, würde dorthin nicht freiwillig herabsteigen.«

Sie schluckte. »Deswegen hast du mich hierher gebracht.« Ein schmerzlicher Ausdruck verzog sein Gesicht.

»Ich darf es mir nicht mit MILLION Airs verscherzen.«

»Ich will nicht, dass du -« Sie verstummte. »Darf ich dir zuschauen?«

»Jaja, bleib in meiner Nähe, nur rede nicht.«

Das Mädchen beobachtete, wie Dawind die Kundenliste für heute durchging. Er tippte auf der Oberfläche des Bio-Printers herum, prüfte den Bestand der Rohstoffe, dann ging er zu den Schränken mit den Chips. Das Mädchen folgte ihm.

Hinten im Saal, unter einer Halbetage, reihten sich dutzende Schubladen, die in die Wände eingelassen waren, und alle waren sie voll mit DNA-Chips.

Dawind suchte in einer der vorderen einen heraus. Das Mädchen lief ihm zur Maschine nach. Newa schritt vorbei mit Cyndal im Schlepptau.

Das Mädchen hob die Hand zum Winken, doch Dawind zog sie wieder runter.

»Cyndal ist ein Diener. Er gehört Newa«, zischte er. Das Mädchen pustete eine Wange auf.

Er setzte sich vor den Bio-Printer und vertiefte sich in einen Bildschirm. Minutenlang passierte nichts mehr.

Das Mädchen ließ ihre Augen durch den Saal wandern. Wie auch in den Passagen und im Apartment strahlten die Wände sanftes Licht aus. Die riesige Kugel in der Mitte, vor der Dawind saß, glänzte. Das Mädchen lugte zu ihm, doch der beachtete sie nicht.

Sie schlich zum Flur, der zu den Mitarbeiterräumen führte, wo Dawind Kleidung für sie gedruckt hatte. Das Mädchen wagte einen Schritt, dann noch einen. Sie blickte nach hinten, doch der Saal war nicht mehr in Sichtweite. Sie ging weiter.

Neben ihr an der Wand wuchs ein Loch. Die Umrisse breiteten sich aus und formten sich zu einem Durchgang.

»Komm ruhig herein«, sagte eine Stimme wie aus dem Nichts. Ein Schauer kroch über ihren Rücken, sie blickte sich um. Niemand war zu sehen.

Der Durchgang führte zu Stufen, die in der Tiefe verschwanden.

Sie setzte einen Fuß vor den anderen, die Hand glitt die Wand entlang und Stufe um Stufe stieg sie hinab.

Das Mädchen blickte in einen weitläufigen leeren Raum. Bis auf einen Aufbau in der Mitte. Darauf thronte ein Kopf. Der Kopf eines Mannes.

Dem Mädchen verschlug es den Atem. Am liebsten hätte sie kehrtgemacht.

Der Kopf lächelte. »Es ist lange her, dass ich Besuch hatte.«

Das Mädchen wagte sich vor. Unter dem Kopf wuchs der Ansatz zu einem Oberkörper. Wo die Brust hätte sein sollen, verschwand er in einem Gefäß voll seltsamer Flüssigkeit. In der Tiefe die Schatten von Organen.

Sie schluckte, doch ihr Hals war trocken.

»Hast du Angst vor mir?«, sagte der Kopf.

Aus der Nähe betrachtet, erkannte das Mädchen Falten um die lachenden Augen und um die Mundwinkel. Die glatte Haut auf dem Haupt glänzte.

»Ich heiße Hargrawe.«

»Äh, ich -« Stimmt, einen Namen hatte sie nicht.

»Du bist noch nicht so lange auf dieser Welt, nicht wahr?«, sagte er. »Ich freue mich dich kennenzulernen.«

»Bist du schon lange auf der Welt?«, fragte das Mädchen, jetzt, da sie sich an seinen Anblick gewöhnt hatte.

»Seit dreihundert Jahren.«

Das Mädchen machte runde Augen.

»Vor zweihundervierzig Jahren habe ich das Geheimnis entlüftet. Das, was die Menschheit seit Jahrtausenden suchte. Das ewige Leben«, erzählte er. »Ich errichtete dieses Labor zum Zweck, den Weg in die Unsterblichkeit zu erforschen.«

»Und was passierte dann?« Das Mädchen lauschte mit offenem Mund.

»Ich probierte die Methode an mir selbst aus. Mein Körper alterte nicht mehr und ich lebte weitere zweihundert Jahre.« Hargrawe machte eine Pause. »Doch dann, vor etwa vierzig Jahren, begann mein Körper zu zerfallen. Seither versorge ich meine Überreste mit dieser Lösung.« Hargrawe sah runter zum Aufbau. Die Flüssigkeit gluckerte.

Das Mädchen schaute ihn an. »Wirst du noch lange leben?«

»Das weiß ich nicht. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis mein Körper gänzlich zerfällt.«

Die beiden schwiegen.

»Aber wenn du willst, kannst du mich morgen wieder besuchen.« Das Mädchen lächelte und nickte. Beim Hinauslaufen winkte sie.

Zurück im Saal, kam Dawind auf sie zu. »Wo warst du? Du kannst nicht einfach verschwinden.«

»Dawind? Gibst du mir einen Namen?«

Nach der Arbeit nahm Dawind sie wieder nach Hause, auch wenn er das nicht durfte.

»Sollte ich dich etwa im Labor lassen?« Er kniff ihre Nase. »Damit du anfängst zu reden und Newa erfährt, dass ich dir eine Schulungssoftware installiert habe?«

Sie kicherte.

»Ich sitze auch so schon tief im Dilemma.«

Nach dem Abendessen widmete er sich seinem Hobby am Bildschirm.

Das Mädchen stellte sich hinter ihn. Listen und Tabellen liefen herunter. Sie blieben stehen. Dawind beugte sich vor, kopierte eine Zeile und fügte sie in ein neues Dokument ein.

Er streckte die Arme und gähnte. Und schreckte auf.

»Seit wann stehst du hier?«

»Ich will einen Namen.«

»Wozu?«

»Aber du hast einen«, rief sie, »und Odra. Und Cyndal. Und alle anderen.« Sie legte ihre Hand an seine. »Deine Haut ist viel dunkler als meine. Warum sind deine Haare schwarz und meine nicht? Und Odra -und Cyndal -«

»Du hast es also gemerkt.«

Er erhob sich und wechselte auf ein Sofa, das aus dem Boden gewachsen kam. Sie nahm neben ihm Platz.

»Odra und du, und auch Cyndal«, begann er. »Ihr seid Reproduzierte.« Sie sah ihn fragend an.

»Ihr habt schon einmal gelebt.«

Schon einmal gelebt?

»Odra habe ich vor acht Jahren zum ersten Mal getroffen.«

Dawinds Mundwinkel hoben sich. »Sie saß in einer ruhigen Ecke in einer Passage. Ganz leise, nur für sich selbst, hat sie gesungen. Sie dachte vielleicht, dass niemand sie hörte. Seit jenem Tag kam ich jeden Abend von der Arbeit an diesen Platz. Wir unterhielten uns. Ich wollte ihre Familie kennen lernen. Doch dann starb sie an einer Krankheit.« Dawinds Stimme fiel tiefer. Nach einer Pause fuhr er fort. »Ich besorgte ihren DNA-Chip und setzte einen Auftrag auf, um sie ins Leben zurückzuholen. Damit ein Auftrag aber stattgegeben wird, musste ich sie nach der Fertigstellung installieren.«

»Installieren? So wie mich?«, fragte das Mädchen.

»Du hast eine Schulungssoftware erhalten. So wie sie Kinder installiert bekommen. Was ich Odra angetan habe -« Sein Blick verweilte auf der Frau, die ihm gegenüber saß.

Sie war wenige Jahre jünger als er. Ein Leberfleck oberhalb ihrer Lippe zierte das Gesicht und ihr Blick war zu Boden gerichtet, als wartete sie auf einen Befehl.

»Ich habe ihren Willen gelöscht. Ich habe sie zu meiner Dienerin gemacht.«

Er stellte seine Ellbogen auf die Knie und bedeckte sein Gesicht.

»Das Einzige, was ich wollte, war Odra bei mir zu haben. Aber zu welchem Preis?« Das Mädchen beobachtete seine Miene.

»Sie erwidert meine Küsse nicht, singt nicht mehr und sieht mir nicht in die Augen.« Er blickte Odra an. »Was würde ich darum geben, ihr ihren Willen wiederzugeben.«

»Mach das doch«, sagte das Mädchen. Er lächelte gequält.

»Das Installieren funktioniert nur in eine Richtung.«

Dawind schaute zu ihr runter. »Odra habe ich verloren. Die mir noch bleibt, bist du.« Mit einer Hand strich er über das Haar des Mädchens; warm und schwer und ein wenig unbeholfen.

»Und warum haben Odra und ich weiße Haare?«, kam das Mädchen auf ihre Frage zurück.

Dawind verzog die Brauen. Er hatte wohl gedacht, das Gespräch sei vorbei.

»Früher wurden Reproduzierte häufig mit Originalen verwechselt, also wird inzwischen während der Produktion der Großteil des Melanin gelöscht. Damit man euch von uns unterscheiden kann.« Er stand auf.

»Und ein Name für mich?« Das Mädchen zog an seinem Oberteil. Er schüttelte den Kopf.

3. Idony »Es heißt, Menschen seien zu den Sternen gereist.«

Am nächsten Tag erwartete das Mädchen kaum, Hargrawe zu besuchen. Sobald Dawind in seiner Arbeit vertieft saß, schlich sie sich in den Flur. Sie tastete die Wand ab. »Lass mich rein«, murmelte sie.

Ein Loch erschien. Die Ränder wuchsen, formten Ecken und bildeten einen Durchgang. Hüpfend lief sie die Stufen hinunter und zu Hargrawes’ Saal.

Seine Stimme hallte ihr entgegen. »Ich erwarte euch. Der Eingang wird frei sein.«

Sie betrat den Saal. Er bemerkte sie. »Du bist es. Ich habe dich gar nicht kommen sehen.« Er lächelte zur Begrüßung.

Mit wem hatte er gesprochen? Niemand sonst war hier.

Hargrawe schmunzelte beim Anblick ihrer verdutzten Miene.

»Worüber wollen wir heute reden? Ich weiß. Du hast noch nicht viel gesehen außer das Labor.« Das Mädchen korrigierte ihn.

»Ich war schon bei Dawind zu Hause.«

»Verstehe«, sagte Hargrawe. »Lass mich dir etwas Neues zeigen.«

Wellen erschienen. Sie brachen sich an den Wänden, füllten den Saal, umspülten das Mädchen.

Mit offenem Mund und aufgerissenen Augen drehte sie sich zu allen Seiten. Ihre Hand streckte ins Wasser. Doch nichts war zu spüren.

»Das ist ein Hologramm. Eine meiner Spezialitäten.« Er amüsierte sich an dem Staunen des Mädchens.

»Was ist das?«

»Das Meer.«

Das Blau wiegte, Möwen segelten in der Höhe, ihr Kreischen hallte. Das Herz des Mädchens zog sich zusammen. Ihre Hände griffen in die Wellen.

»Warst du schon mal da?«

»Ja. Vor langer Zeit.«

Das Wasser verblasste.

»Gibt es noch andere Dinge? Zeig mir mehr«, bat das Mädchen.

»Es gibt eine uralte Geschichte, eine Legende.« Das Mädchen sah ihn gespannt an.

»Es heißt, Menschen seien bis zu den Sternen gereist.«

»Sterne -«

»Sogar zu anderen Planeten. Zum Mars. Und zum Mond Titan -« Hargrawe brach ab. Das Mädchen drehte sich um.

»Hier bist du.« Dawind kam in den Saal geeilt.

»Sie stört nicht«, versuchte Hargrawe zu erklären.

Dawind nickte nur zum Abschied und bugsierte das Mädchen in den Flur und die Treppe hinauf, zurück ins Labor.

»Dawind?«

Er legte seine Arme um sie und drückte sie an sich. Durch die Brust spürte sie sein Herz schlagen.

»Ich dachte, du wärst Newa in die Hände gefallen. Ich dachte - ach egal, wie hast du es bis ins Erdgeschoss geschafft?«

Sie schmiegte ihre Finger in den Stoff seines Kittels. Dawinds Umarmung war warm und behutsam. Hier wollte sie für immer bleiben. Langsam schüttelte sie den Kopf und wischte dabei Strähnen ins Gesicht. »Mir geht es gut.«

Er ließ sie los und beugte sich zu ihr. »Ich möchte nicht, dass du dich bei Hargrawe aufhälst.«

»Du kennst ihn?«

»Nur die wenigsten im Labor tun das. Für die Öffentlichkeit existiert er nicht.« Dawind senkte die Stimme. »Es geht das Gerücht um, er wüsste über alles Bescheid, was hier vor sich geht. Vertraue ihm besser nicht zu sehr -«

»Dawind, begib dich zur obersten Ebene. Mersanace erwartet dich. Bringe die Reproduktion mit.« Die Stimme aus dem Lautsprecher ertönte unüberhörbar im gesamten Saal.

»Jetzt schon?« Er überlegte und ballte seine Hand. »Komm«, sagte er leise. »Lass uns gehen.«

Erneut erschienen Dawind und das Mädchen im Büro. Mersanace begrüßte ihn dieses Mal mit ernster Miene.

»Dawind, sag mir, woran liegt es, dass du meine Anweisung nicht befolgst?«

Dawind schürzte die Lippen. »Sie assistiert mir im Labor. Sie lernt schnell. Newa hat ja auch einen Diener -«

»Du hattest eine klare Anweisung«, unterbrach Mersanace. »Es geht nicht, dass willkürlich Reproduzierte produziert werden und sie dann behalten werden, wie es passt.«

»Aber -«

»Jetzt muss ich die Angelegenheit in die Hand nehmen. Ich entbinde dich von deinen Pflichten im Labor.«

Dawind starrte ihn an. Das Mädchen wechselte ihren Blick von Dawind zu Mersanace und zurück.

Es ging um sie. Das erste Mal hatte sie noch kein Wort verstanden, doch jetzt brauchte sie keine Erklärungen.

»Ich werde meine eigenen Leute beauftragen«, sagte Mersanace.

Hinter ihm erschien ein Mann. Er war hochgewachsen und schlank, seine schwarzen langen Haare halb nach hinten gebunden. Er stand einen Meter hinter Mersanace, gelassen und distanziert, mit ruhigen Augen, doch sein Blick nahm jede Bewegung wahr, bereit, sofort zu reagieren.

»Das ist Xenit. Er kümmert sich um die Rohstoffe.«

Das Mädchen versteckte sich hinter Dawind. Er wollte sie doch nicht an diese Männer hergeben, oder?

Eine Durchsage unterbrach: »Mersanace, du wirst gebraucht. Komme in die zehnte Ebene. Ich wiederhole, Mersanace, du wirst in der zehnte Ebene erwartet.«

Mersanace blickte zu Xenit und nickte, bevor er rausging.

Xenit trat auf Dawind zu. »Die Reproduzierte ist Eigentum von MILLION Airs. Du hast die Pflicht sie für das Recycling freizugeben.« Seine Stimme klang tief und entspannt, geradezu beiläufig und gleichzeitig strahlte er Konzentration aus.

Dawind spannte sich. Das Mädchen hielt den Atem an.

4. Idony »Ich finde, du hast das Recht über deine Möglichkeiten selbst zu bestimmen.«

Xenit griff nach dem Mädchen. Dawind drehte sich rum und schützte sie mit seinem Körper. Er packte sie am Arm. Beide rannten los. Durch die Tür, durch den Gang bis zum Aufzug. Sie sprangen in die Kabine. Die Tür glitt zu und der Aufzug rauschte abwärts.

Das Mädchen schaute zu Dawind hoch. Sein Gesicht war blass, auf seiner Schläfe hingen Schweißtropfen.

Es fehlten nur noch wenige Etagen bis zum Labor. Der Aufzug blieb stehen. Leute stiegen ein und drängten sie nach hinten.

Dawind drängelte sich zwischen sie und zog das Mädchen heraus. Sie liefen durch die Flure. Eine Treppe. Doch die führte nach oben. Weiter.

Die Luft stach in ihrer Lunge. »Dawind, warte -«

Dawind blieb stehen, sie stieß in seinen Rücken.Von unten kamen Männer eine Treppe hinauf. Sie hetzten die Stufen hoch, in ihren Händen klobige Geräte. Der Älteste von ihnen, ein Mann mit weißem Haar und Bart, bemerkte Dawind und das Mädchen.

Er zielte mit seinem Gerät auf Dawind.

»Die Reproduzierte, gib sie her.«

Dawind stolperte zurück und rannte mit ihr in einen Gang zur Linken, die Männer folgten. Nach zwei Minuten landeten die beiden wieder bei der Treppe. Hinter ihnen die Männer.

Sie sprangen die Stufen hoch und rannten die Flure entlang. Dem Mädchen versagten die Beine. Ihre Knie knallten zu Boden.

Dawind half ihr auf. Schritte kamen näher. Die Verfolger holten auf.

»Hier rein.« Mit einem Satz in den nächsten Raum entwichen sie den Augen der Männer. Die liefen vorbei.

Das Mädchen rang um Atem. Dawind beobachtete den Flur, dann trat er zu ihr. »Geht es wieder?«

»Warum -warum tust du das alles für mich?« Sie konnte außer Puste kaum sprechen. »Du hast deine Arbeit verloren. Wegen mir?«

Dawind nahm auf dem Boden Platz. Einzelne schwarze Wellen klebten an der Stirn. Er atmete durch den Mund, der Kittel war unter den Ärmeln nass geschwitzt.

Wie so oft legte sich seine Hand auf ihren Kopf.

»Nichts von dem, was passiert, ist deine Schuld.« Er lächelte.

»Wie könnte es?«

Sie schluckte und nickte. »Aber was hast du jetzt vor?«

»Ich will zurück in mein Apartment gelangen. Ich will Odra holen und dann -« Sein Blick ruhte auf dem Mädchen.

»Aber wie sollen wir dein Apartment erreichen? Diese Männerwer sind die?«

»In den Medien wurde schon früher mehrmals über diese Gruppe berichtet. Sie rauben Reproduzierte.«

»Was?«

Dawind gebot ihr zu schweigen. Er prüfte den Flur, dann schlichen sie weiter. Sie erreichten einen breiten Hauptgang. Nur noch ein Stück.

Xenit bog in den Gang. Dawind und das Mädchen sprinteten los. Er setzte ihnen nach. Auch die Männer tauchten auf. Dawind und das Mädchen erreichten einen Tunnel. Ein Zug glitt ein. Gerade rechtzeitig.

»Rein da!«

Die Tür schloss sich, der Zug fuhr los. Der Älteste der Truppe schoss einen Eingang kaputt. Er sprang auf, seine Mitstreiter folgten. Auch Xenit schaffte es noch hinein. Dawind blickte zurück.

»Die holen uns ein -los!« Er bugsierte das Mädchen durch den Gang. Sie stolperten über die Füße der Fahrgäste.

»Pass doch auf.«

»Was soll das?«

»Weiter, weiter«, drängte Dawind. Die Männer stießen durch die Massen. Dawind und das Mädchen kämpften sich weiter vor. Sie erreichten das vordere Ende des Zuges.

»Sobald die Tür aufgeht, sofort raus.«

Das Mädchen blickte zurück. Xenit schlug den hintersten Mann der Truppe nieder. Die Menge um ihn herum schrie. Panik erbebte. Xenit schob sich durch und setzte weiter vor.

Was war passiert?

»Raus hier. Komm.« Dawind schob das Mädchen aus dem Zug. Sie rannten los. Die Männer und Xenit folgten. Dawind zog das Mädchen eine Treppe abwärts. Sie drehte den Kopf nach hinten und sah gerade noch, wie Xenit den Ältesten eingeholt hatte. Sie liefen gleichauf. Der Älteste streckte ein Bein vor Xenit. Er stolperte, blieb aber auf den Füßen und rammte seinen Gegner. Die beiden verkeilten sich ineinander. Dawind und das Mädchen gewannen Abstand. Die nächste Tunnelverbindung kam in Sicht.

Sie liefen auf den Steig. Der Zug verschwand gerade in der Dunkelheit. »Verdammt.«

Das Mädchen schnappte nach Luft. Bis der nächste Zug kam, schwand der Abstand zu den Verfolgern.

Dawind trat auf es zu. Seine Miene hatte sich verändert, als ob er einen Entschluss gefasst hätte. Er zog etwas aus der Tasche.

»Das ist für dich.« Er legte einen Chip in ihre Hand. »Dieser Chip beinhaltet deinen DNA-Code. Er ist wertvoll.«

Das Mädchen betrachtete das Geschenk.

»Ich finde, du hast das Recht über deine Möglichkeiten selbst zu bestimmen.« Er zog sie in seine Arme. Seine Wärme umhüllte sie.

»Gib mir einen Namen«, wisperte sie.

Er legte seine Stirn an ihre. »Dann soll es ein besonderer sein.«

Er überlegte. »Idony.«

Drei Männer näherten sich. Dawind wirbelte herum. Der Zug fuhr ein.

»Idony, du fährst weiter.«

»Nein, Dawind -«

Die Türen glitten auf, Dawind packte Idony und stellte sie ins Innere des Zuges.

»Dawind!«

»Warte nicht auf mich -« Die Tür schloss. Der Zug rührte sich. Idony schlug gegen die Scheibe. Dawind stand mit dem Rücken zu ihr. Die Männer erreichten ihn.

Idony drückte ihr Gesicht an die Tür. Der Zug nahm Fahrt auf. Ein Schuss. Sie schlug sich die Ohren zu. Ihr Herz raste.

Was war das?

Noch ein Schuss. Klirren. Splitter flogen ins Innere. Die Männer sprangen in den Zug. Idonys Magen verkrampfte sich.

Sie rannte zum anderen Ende, hinter ihr die Männer. Vor ihr stand eine Gruppe Leute. Sie zwängte sich zwischen sie und weil sie zierlich war, schlüpfte sie durch sie hindurch. Ihre Verfolger hatten weniger Glück. Die Gruppe schimpfte und zeterte. Mit Ellbogen keilten sich die Männer ihren Weg bahn.

Idony verließ den Zug. Sie orientierte sich kurz und rannte zu den Treppen. Die Männer holten sie ein. Einer bekam sie zu fassen und rang sie zu Boden.

»Nein! Lass mich los.«

Er hob sie über die Schulter, Idony schrie und schlug um sich. »Wir müssen Howl finden. Wo ist unser Treffpunkt?«, sagte er. »Wir gehen zum Turm des Konzerns zurück.«

Als sie zum Zug zurückschritten, kam ihnen der Rest der Truppe entgegen. Der Älteste blutete aus der Nase und aus einem Riss über dem rechten Auge.

»Wir werden abgeholt. Der Flieger kommt vor den Parkraum«, sagte er.

»Lasst mich los. Ich will zu Dawind«, schrie Idony aus voller Lunge.

Der Älteste sah sie an. »Für eine Dienerin ist sie aber wild.«

Gemeinsam machtzen sich die Männer auf den Weg zu einer Doppeltür. Die Flügel glitten zur Seite und die Männer liefen in einen weitläufigen Raum.

Zu beiden Seiten standen Maschinen nebeneinander geparkt. Sie durchquerten ihn bis zur anderen Wand.

Idony drehte ihren Kopf so weit, dass sie ein Tor erkannte.

Einer der Männer drückte einen Knopf. Die Torflügel fuhren auseinander. Wind stieß hinein. Idony kniff die Augen zusammen.

Als sie wieder hinschaute, klaffte ein Ausgang. Weißes zog in der Ferne über den Rand der Welt. Idony fröstelte.

Nach wenigen Sekunden erschien eine große Maschine. Sie drehte sich mit dem Heck zur Öffnung und eine Klappe neigte sich ab, sodass die Männer einsteigen konnten. Idony wurde mit hineingetragen.

Um sie herum verdunkelte es. Die Klappe schloss sich und die Maschine wendete.

Die Luft roch muffig. Der Mann ging in die Knie, sodass Idony von seiner Schulter glitt. Der Boden vibrierte. Idony tastete nach einer Möglichkeit zum Festhalten.

Um sie herum saßen oder standen neun Männer. Sie redeten über den Einsatz im Labor und wie es bei MILLION Airs verlief. Und über die Prügelei.

Idony wandte sich um. Hinten an einer Wand saß ein Junge mit weißem Haar.

»Cyndal.« Sie kroch zu ihm und kniete sich hin.

Ihn hatten die Männer auch mitgenommen?

Cyndal schien nicht verletzt, doch seine Miene war wie versteinert. Idony setzte sich neben ihn. Hinter sich bemerkte sie ein Fenster.

Der Frachtflieger glitt zwischen den Türmen der Metropole vorbei. Weiß leuchtend versanken die Türme in der Tiefe und streckten sich gleichzeitig in den Himmel. Sie waren gigantisch. Zwischen ihnen spannten sich die Mtt-Tunnel.

In der Mitte stand der Turm von MILLION Airs, der niedriger war als die anderen vier um ihn herum.

Vor sie rückten weitere Türme, die kleiner waren und nicht leuchteten, als wären sie verwelkt. Sie schrumpften, je weiter der Flieger die Metropole hinter sich ließ.

»Wir gehen tiefer«, kündigte der Mann an, der am Steuer saß.

Die Maschine sank ab. Idonys Körper schien abheben zu wollen. Ihre Finger krallten auf den Boden.

Ein Feld aus zerbrochenen Wolkenkratzern, der Dunkelheit anheimgefallen, wuchsen an ihnen vorbei.

Der Flieger bremste seinen Sinkflug ab. Das Bild im Fenster wechselte. Hier war es schummrig, weil die Schatten der Gebäude das Tageslicht nicht hinunterließen. Die Gebäude säumten den Weg. Der Flieger schlängelte sich gekonnt dazwischen. Straßen, übersät mit kaputten Flugmaschinen und Brocken aus den Seiten der Häuser, flossen wie graue Flüsse unter Idony.

Der Flieger hob sich um eine Grenzmauer. Der Mann am Steuer drehte die Geschwindigkeit hoch. Der Boden vibrierte.

»Setz dich besser hin.«

Idonys Herz sprang auf.

Ein junger Mann saß die Beine ausgestreckt ihr gegenüber auf der anderen Seite des Fliegers.

Sie setzte sich.

Der Flieger ließ die äußeren Bezirke hinter sich. Mit jeder Sekunde schrumpfte die Metropole, bis sie im Dunst verblich.

Was war mit Dawind passiert? War er wohlauf, ging es ihm gut? Sie wollte zurück zu ihm, zurück in die Geborgenheit seiner Umarmung, gleich, welche Schwierigkeiten damit verbunden sein würden. Sie wollte einfach nur zu ihm.

5. Idony »Nachtwache. Du passt auf, dass sie nicht entkommen.«

Es war bereits dunkel geworden, als der Frachtflieger in Sinkflug ging.

Obwohl Idony die Müdigkeit schwer in den Knochen lag und ihre Augen brannten, konnte sie nicht in den Schlaf sinken. Cyndal rührte sich nicht.

Was würde mit ihnen geschehen, wohin wurden sie gebracht? Würde sie jemals wieder frei sein?

Sie zog die Knie ans Kinn und umschlang sie.

Der Flieger setzte sich auf unebenen Boden und endlich standen die Männer auf. Idony und Cyndal wurden hinausgeführt.

Frische Luft strich über ihr Gesicht. Ein würziger Geruch, wie sie ihn nicht kannte, kitzelte die Nase.

Zwei Männer packten sie und Cyndal an den Schultern und führten sie durch die Dunkelheit.

»Lass mich.« Idony versuchte sich aus dem Griff zu befreien.

»Ich muss zurück in die Metropole. Ich will zu Dawind.«

Der Mann lachte auf. »Versuch es. Mal sehen, wie weit du kommst in der Wildnis.«

Wildnis? Sie sah um sich. Spitze Silhouetten ragten wie schwarze Mauern zu allen Seiten auf.

Der Mann drängte sie voran. Wenige Lichter umrissen die Kanten eines Gebäudes.

Drinnen war es noch dunkler. Die Männer stellten ihr Gepäck ab und verteilten sich. Der Älteste wies Idony und Cyndal einen Platz, wo sie schlafen konnten, und legte ihnen Decken hin.

Er hielt einen der Männer auf, der seinen Weg kreuzte.

»Nachtwache. Du passt auf, dass sie sich nicht davonschleichen.«

Idony setzte sich an eine Wand. »Komm hierher, Cyndal«, wisperte sie. Der Junge legte sich neben sie.

So gerne sie endlich ihre Ruhe finden wollte, die Ereignisse des Tages ließen Idony immer wieder aufschrecken.

Sie sah sich um. Das einzige Licht kam vom Mond, der durch ein Fenster schien.

Plötzlich bemerkte sie Augen. Gegenüber von ihr saß derselbe junge Mann, wie zuvor im Flieger. Er hatte einen Ellbogen aufs Knie abgestellt und die Hand schirmte sein Gesicht gegen das hereinfallende Licht ab. Doch er war wach.

Idony senkte ihre Augen. Und hob sie.

Mit seinem direkten, ernsten Blick sah er sie an. Die beiden schauten sich eine Weile an.

Mit dem Zeigefinger seiner Hand am Kopf deutete er nach unten. Sie wandte ihren ab. Wärme stieg in ihre Wangen, die Handinnenflächen kribbelten. Er war ein Fremder. Aber -zog nicht genau das sie an?

Behutsam hob sie Cyndals Kopf von ihrem Schoß, stand auf und ging zum Mann. Sie setzte sich neben ihn. Ihr Herz hämmerte. Was jetzt? Sie lugte zu ihm hoch.

Ihre Augen trafen sich. Er betrachtete sie von der Seite. Niemand sagte ein Wort.

Lärm weckte Idony. Sie regte sich.

Ihr Körper fühlte sich an, als wäre der Frachtflieger über sie drübergerattert. Der Kopf pochte und der Hals schmerzte vor Trockenheit. Sie lag noch immer an der Stelle, an die sie sich in der Nacht gesetzt hatte. Eine Decke fiel von ihren Schultern. Cyndal war nicht da. Idony schrak hoch.

Auf der Suche nach ihm, erkannte sie im Tageslicht das Gebäude als eine alte Lagerhalle. Schlaflager und Hängematten füllten die Ecken aus und dazwischen privater Kram, der auf Kisten abgestellt lag.

Die Männer räumten auf, unterhielten sich oder liefen durch ein Tor hinaus ins Freie.

Die Sonne blendete, als Idony hinaustrat.

Sie fand Cyndal beim Ältesten. Idony zog Cyndal zu sich und verbarg ihn in ihren Armen. »Was hast du mit Cyndal vor?« Ihre Stimme krächzte.

Der Älteste richtete sich auf. Er war jünger als Dawind, doch die Sonne hatte ihm Furchen um die Augen gezogen, sodass er älter wirkte. Er war kräftig und sein Haar und Bart silberweiß.

»Ich werde dir alles erklären«, brummte er. »Aber später.«

Er rief eines seiner Mitglieder herbei. Der junge Mann erschien. Dieselben direkten, entschlossenen Augen wie letzte Nacht.

Idony lenkte ihren Blick ab und kämpfte mit der Hitze, die in ihre Wangen stieg. Jetzt bei Tageslicht erkannte sie erst, wie groß er war. »Das ist Ceasar. Er wird dir zu trinken geben.«

Ceasar grinste. »Der Wasservorrat ist da hinten.« Er winkte, damit sie ihm folgte.

Idony sah sich um. Die Halle stand auf einer Lichtung, die staubig und kahl getreten war und außen von Fichten geschützt. Der Frachtflieger, mit dem sie gekommen waren, daneben. Vor dem Eingang lagen Baumstämme um eine Feuerstelle.

»Wie heißt du?«

Idony blickte zu ihm auf. »Idony.« Sie senkte wieder ihren Kopf und zögerte. »Darf ich dich auch was fragen?«

»Klar.«

»Hast du schon immer hier so gelebt? Ich meine, mit Männern. Im Wald.«

Ceasar sah sie verwundert an.

»Seit zwei Jahren. Ich war siebzehn, als ich zu Howls Gruppe dazustieß. Ich komme aus der Metropole.«

»Dann hast du dich selbst dazu entschieden, hierher zu kommen?«

»Ja, warum? Ich finde es gut, was Howl macht.« Idony schwieg. Sie erreichten den Wassertank.

Mit einer selbstgebauten Kelle schöpfte Ceasar Wasser ab und reichte sie Idony.

Sie schluckte das kühle Nass. Es schmeckte anders als in der Metropole. Weicher und erdiger. Sie strich mit einem Arm über den Mund.

»Howl ist nicht so schlecht, wie du glaubst«, sagte Ceasar. »Wir tun das alles zu einem Zweck.«

Zweck? Sie zu entführen, von Dawind zu trennen und in diese Einöde zu bringen, hatte einen Zweck?

Er führte Idony zurück zur Halle.

Die Männer verbrachten den Vormittag damit im Wald nach Nahrung zu suchen, Nüsse auf einem Stein zu mahlen und Holz zu spalten.

Idony wäre am liebsten davongeschlichen. Doch da sie unter ständiger Beobachtung stand, wäre sie sofort geschnappt worden.

Ihr blieb nichts anderes übrig, als sitzenzubleiben und auf den passenden Moment zu warten.

6. Xenit »Ich musste ihn nicht töten, ich musste nur nah genug an ihn herankommen.«

Xenit stand in Mersanaces Büro. Mersanace saß hinter seinem Schreibtisch.

»Ich höre.« Seine Knöchel knackten.

»Der Überfall belangte nicht ausschließlich das Labor, wie dir bereits berichtet wurde«, begann Xenit.

»Worauf noch? Die Schäden im Labor kosten schon genug.«

»Sie haben Reproduzierte mitgenommen. Einen Diener von einem der Laboranten, soviel ich weiß. Und das Mädchen«, sagte Xenit.

Mersanace blickte auf. »Dieses Mädchen -die überflüssige Reproduktion dieses Narren. Die Rohstoffe hätten niemals das System verlassen dürfen. Bring es mir.«

Xenit zog die Brauen zusammen.

»Ich war zwei Jahre draußen und bin erst seit zwei Tagen wieder in der Metropole. Du hast mir sieben Tage zugesichert. Du hast genug andere Scouts zur Verfügung.«

»Achja, Kin und das Kind.« Mersanace stand auf und lief um den Tisch herum.

»Du sagtest, du willst dich um sie kümmern. Und alles für sie tun.« Er lächelte breit.

Xenit öffnete den Mund, doch Mersanace unterbrach ihn.

»Was sind das eigentlich für Wunden?« Er deutete auf Xenits Gesicht.

»Die sind von einem der Eindringlinge.«

»Sie verschaffen sich seit Jahren Zutritt. Wenn ich nur wüsste, wie«, sagte Mersanace. »Aber bisher wurden sie noch nie gestellt.« Xenit nickte.

»Und? Hast du ihn getötet?«

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Ich musste ihn nicht töten. Ich musste nur nah genug an ihn heran kommen«, sagte Xenit. »Ich habe dem Mann, mit dem ich gekämpft hatte, einen DNA-Tracker angeheftet.«

Mersanace weitete die Augen.

»Sobald sich der Tracker im Sonnenlicht auflädt, sendet er ein Signal.«

»Hervorrangend.« Mersanace hob die Hände. »Genau deswegen bist du mein bester Mann. Was brauchst du?«

Xenit atmete aus. Mit Mersanace zu streiten, war zwecklos. Besser, er erledigte es und hatte es hinter sich.

»Männer, Waffen und einen Flieger.«

»Die Vorbereitungen laufen. Die anderen sieben Scouts werden dich begleiten«, kündigte Mersanace an.

»Wir fliegen bei Sonnenuntergang los«, sagte Xenit.

»Ausgezeichnet.«

Xenit nickte zum Abschied und wandte sich zum Gehen.

»Warte. Ich habe etwas für dich«, rief ihn Mersanace zurück.

Er hob einen langen, schmalen, weißen Kasten auf den Tisch.

Xenit trat näher. Mersanace strich über den Deckel.

Der Deckel verschwand und gab Sicht frei auf den Inhalt.

Ein Schwert und die Scheide lagen darin.

»Sehr aufwendig zu produzieren. Sehr teuer. Aber für meinen besten Mann genau das richtige.«

Xenit hob das Schwert hoch.

Es erreichte hundert Zentimeter Länge. Die Klinge war leicht gebogen und glänzte weiß.

»Hydroxylapatit«, sagte Mersanace. »Extrem hart und stabil.«

Das Heft war dunkel und bestand aus mehreren zusammengesteckten Segmenten, in denen die Speicher integriert waren.

»Ich verlasse mich auf dich.«

»Du bist erst seit zwei Tagen hier«, sagte Kin. »Warum musst du schon wieder gehen?« Sie hielt ein kleines Mädchen im Arm, das an ihrem Fäustchen kaute.

Kin hatte ihr schwarzes Haar locker hochgesteckt, aber ein paar Strähnen hatten sich gelöst und umrahmten ihr ovales Gesicht. Über den zusammengezogenen feinen Brauen bildeten sich Grübchen.

»Der Einsatz wird nicht lange dauern. Ich komme bald zurück«, erwiderte Xenit und schnallte sich die Schwertscheide an den Gürtel. Kin verzog den Mund.

Er trat zu ihr und küsste ihre Stirn. Sie hob ihren Kopf und ihre Hand strich über seinen Bart.

»Du hast dich verändert, seit damals. Ich wünschte, du würdest weniger arbeiten und öfters bei mir sein.«

»Das wäre mir auch lieber.« Ihre Lippen trafen sich.

Wie sehr er sie vermisst hatte all die Zeit. Er drückte sie an sich, seine Küsse wurden schneller, drängender. Ihr entwich ein Seufzen. Langsam lösten sie sich voneinander.

Kin legte ihre Stirn an seine. »Ich warte auf dich. Das werde ich immer tun, das weißt du.«

Er nickte, die Augen noch geschlossen. »Ich komme so schnell es geht. Morgen.«

Er beugte sich vor, um der Tochter einen Kuss zu geben. Sie wandte sich ab.

»Hey, das ist dein Papa«, sagte Kin. Doch die Kleine versteckte ihr Gesicht in der Halsbeuge ihrer Mutter.

Sie kannte ihn nicht. Seine Brust zog sich zusammen.

»Sie hat dich erst zwei Mal gesehen«, erklärte Kin entschuldigend. Er verpasste das Aufwachsen seiner Tochter. Die wichtigsten Jahre seines Lebens. »Ich muss jetzt los.« Er drehte sich ab zum Gehen. »Wenn du wiederkommst, könnt ihr euch richtig kennenlernen«, sagte Kin.

Xenit nickte.

7. Idony »Dann ist er frei sein Leben zu leben.«

Idony und Cyndal bekamen Schüsseln gereicht. Sie saßen auf einem der Baumstümpfe und nach und nach versammelten sich die Männer zum Essen.

Idony starrte auf die befremdliche Nahrung. »Was ist das?«

»Gekochte Fichtenspitzen, Morcheln und Brunnenkresse, dazu Brot aus Eichelnüssen und Wildroggen und rote Brombeeren«, sagte der Älteste. »Wir sammeln und essen das, was die Natur uns gibt.«

Idony schaute ihn skeptisch an, doch ihr Magen knurrte und so überwand sie sich zu kosten. Sie knabberte eine Beere an. Der

Saft lief ihr über das Kinn. Sauer, aber auch ein wenig süß.

»Cyndal, das hier schmeckt nicht schlecht, probier mal.«

Cyndal drehte den Kopf zu ihr und öffnete den Mund. Idony schob ihm eine Beere hinein.

»Wie schmeckt es?«

Cyndal kaute und würgte hinunter. »Nach nichts.«

»Was? Aber das kann nicht sein. Es schmeckt doch sauer«, redete sie auf ihn ein. »Und das da, und das?« Sie fütterte Cyndal mit

Brot und Fichtenspitzen.

Zwei Männer kamen aus dem Wald und sprachen Ceasar an.

Sie zeigten eine Axt aus Holz und einer Klinge aus geschliffenem Stein. Die Klinge war beim Schlagen in einen Baum aus dem Stiel gebrochen. Ceasar schaute sich das an und ging in die Halle.

Nach wenigen Minuten kehrte er mit einem neuen Stiel zurück.

Mit der Klinge spaltete er ein Drittel, setzte sie ein und band mit Seil fest zusammen. Er gab die neue Axt an seine Freunde, die ihm auf die Schultern klopften.

Idony wandte ihren Blick von ihm ab.

Nach dem Essen zogen sich alle zurück in die Halle, um der Mittagssonne zu entkommen.

Idony saß mit dem Rücken angelehnt am Tor und blickte nach draußen. Über dem Boden flimmerte die Hitze.

Drinnen herrschte gesellige Ruhe. Die Männer redeten, ruhten sich aus oder forderten sich gegenseitig im Armdrücken heraus.

Die meisten waren kräftig oder bullig gebaut, es gab aber auch eins oder zwei schmächtige. Ceasar, wie sie erkannte, war der Jüngste.

Er saß auf einem Stumpf und drückte gegen den Arm eines Kontrahenten. Umstehende feuerten sie beide an. Ceasar presste die Kiefer zusammen, er gab seine gesamte Kraft in den Arm und knallte die Knöchel seines Gegners gegen den Tisch. Hände patschten auf Ceasars Rücken, er lachte und schlug mit den Fäusten aus. Er bemerkte ihren Blick.

Zu spät wurde ihr klar, dass sie ihn angestarrt hatte. Hitze schoss in die Wangen. Sie lenkte ihren Blick nach unten.

Ein anderer nahm seinen Platz ein und Ceasar kam auf sie zu.

Er ließ sich ihr gegenüber auf dem Boden nieder.

Er war zu nah.

»Wie lange lebst du schon?«

»Was?« Sie schaute auf. Sein Lächeln. Sie kämpfte mit ihren Gesichtsmuskeln, um nicht in ein Grinsen zu verfallen und setzte eine desinteressierte Miene auf.

»Wann wurdest du reproduziert?«

Idony zählte in Gedanken. »Vor acht Tagen.«

»Warum bist du nicht installiert?«

Idony stockte.

Warum fragte er sie aus?

»Dawind wollte das nicht.«

»Dawind? Ist er dein Besitzer?«

Sie nickte und suchte einen Fleck am Boden, um Ceasar nicht anschauen zu müssen.

»Das kann nicht sein, dass er dich nicht installieren lassen wollte«, sagte Ceasar. »Alle Reproduzierten werden installiert. Alle.«

»Aber so war es«, nuschelte Idony, ohne aufzublicken.

»Hm«, machte Ceasar skeptisch. »Und was hast du vor zu tun, wenn wir dich und den Jungen zu den GI gebracht haben?« GI?

»Wer?«

»Die GI leben weit im Osten, Howl arbeitet seit Jahren mit ihnen zusammen.«

Osten? Was war ein Osten? Bedeutete das, wenn sie und Cyndal erst im Flieger saßen, würde sie nicht mehr so schnell in die Metropole zurückkommen? Sie musste weg von hier, so schnell wie möglich.

»Hey, Kleine.« Ceasar foppte ihre Nase.

Hitze schoss in ihr hoch. Sie sprang auf und flitzte hinaus.

Um die Halle herum. In den Schatten. Ihr Rücken knallte gegen die Hinterwand. Ihre Wangen brannten. Er hatte sie berührt, er hatte sie wirklich -Moment. Sie war unbeobachtet. Die Chance. Wenn sie es in den Wald schaffte, das kurze Stück, um sich zu verstecken-

Sie rannte los. Staub wirbelte über ihren Schuhen auf. Die Sonne sengte auf Kopf und Schultern. Heiße Luft stach in den Lungen. Noch wenige Meter. Die Dunkelheit unter den Fichten voraus.

Schritte holten auf. Ceasar. Sein Körper prallte gegen ihren und stieß sie von den Füßen. Seine Hände zogen sie zurück. Ihr Gesicht landete an seiner Brust.

»Was hattest du vor? Abhauen? Warum?«

»Lass mich los.« Idony wand sich in seinen Armen.

»Wir wollen euch helfen«, sagte Ceasar.

»Helfen?«, rief Idony. »Ihr habt mich entführt.«

»Hör zu -«

»Ceasar.«

Howl, der Älteste, erschien vor der Halle. »Kommt«, forderte er sie mit einem Wink hinein. Ceasar nahm Idony an der Schulter.

»Nein.« Sie schlug seine Hände weg.

»Er wird dir alles erklären«, redete er auf sie ein und fügte hinzu, »du solltest hören, was er zu sagen hat.«

Idony sah Ceasar an. Konnte sie ihm vertrauen?

»Wir haben dich und den Jungen nicht entführt. Wir wollen euch helfen.«

Er legte seine Hand auf ihre Schulter. Idony ließ ihn gewähren. Er führte sie in die Halle.

Howl saß auf einer Kiste im hinteren Bereich. Cyndal stand vor ihm. Idony nahm neben ihm Platz.

»Mein Name ist Hollow. Mein Vater gab mir diesen Namen. Er war ein Originaler, meine Mutter dagegen eine Reproduzierte.«

»Deswegen nennen wir ihn Howl«, warf Ceasar ein, der sich hinzugesellte.

Howl ließ sich nicht stören. »Wir holen so viele Reproduzierte aus der Metropole ab, wie uns möglich ist und bringen sie hierher. Damit kein reproduzierter Mensch mehr das erlebt, was meine Mutter erleiden musste. Sie sollten in der Lage sein, sich zu wehren.«

Idony setzte sich auf. »Und was ist mit Dawind geschehen? Ich will zu ihm zurück.«

Howl stutzte. »War er der Mann, der dich besessen hatte?«

»Er hat mich erschaffen«, erwiderte Idony. »Was ist mit ihm?« Howl rief einem Burschen zu.

»Was ist mit dem Mann, der mit ihr zusammen war?«

Idony erkannte ihn als einen, der sie und Dawind verfolgt hatte.

Der Bursche schüttelte den Kopf. Howl verzog den Mund.

Idony verstand nicht.

»Das bedeutet, er kommt nicht mehr wieder«, sagte Ceasar. Idony starrte ihn an. »Dawind ist weg?«

Ihr Herz zog sich zusammen. Sie sackte ab.

Ceasar und Howl wechselten Blicke.

»Aber hat er dich nicht schlecht behandelt? Alle Reproduzierte werden schlecht behandelt«, sagte Ceasar. »Das ist so.«

»Nein.« Ihre Stimme wurde brüchig. »Er war immer gut zu mir gewesen, Dawind hat sich um mich gekümmert.«

Ein schmerzhafter Kloß saß in ihrem Hals. Bedeutete das, sie würde ihn nicht mehr wiedersehen? Nie wieder? Stechen in der Brust breitete sich aus. Idony krümmte sich.

Ceasar beugte sich vor und musterte sie genauer.

»Wie kommt es, dass du nicht installiert bist? Liegt das auch an diesem Dawind?«, fragte Howl weiter.

Idony keuchte. »Ich glaube, er hat mich nicht mit Absicht erschaffen. Deswegen sollte ich recycelt werden. Aber Dawind hat das nicht zugelassen.«

Ceasar durchbohrte sie mit seinem Blick, als wollte er in ihren Verstand eindringen, um mehr Informationen zu finden. Seine Brauen waren zusammengezogen.

»Verstehe.« Howl strich sich über seinen Bart. »Aber dieser Junge ist installiert. Wir bringen ihn zu den GI. Sie werden ihn deinstallieren.«

Idony schaute auf.

»Dann ist er frei sein Leben zu leben«, erklärte Ceasar. »Morgen ist der Flieger wieder flugbereit.«

Idony drehte sich auf dem kalten Boden um. Dawind war nicht mehr da. Sie schnappte Luft. Doch das Herz blieb schwer. Wenn Dawind nicht mehr lebte, gab es keinen Grund mehr in die Metropole zurückzukehren.

Sie wandte sich auf den Rücken. Neben ihr das Atmen Cyndals. Sie waren abgeschnitten von ihrem früheren Leben. Heimatlos.

Sie stand auf und ging zum Eingang. Kühle. Sie atmete ein. Am allerliebsten hätte sie geschrien. Da draußen war nur Dunkelheit.

Sie setzte sich auf einen liegenden Baumstamm vor der Halle. Was machte es noch für einen Sinn in die Metropole zu wollen? Dort würde man sie sofort recyceln.

Hinter ihr Schritte. Ceasar erschien. Er nahm neben ihr Platz.

Idony blickte zu Boden. Ihr war nicht nach Reden zumute.

»Da. Schau.« Ceasar zeigte nach oben.

Idony sah hoch. Ihr stockte der Atem. Lichter, versprenkelt über den ganzen Himmel. Idony wusste gar nicht, wohin mit ihren Augen. So viele winzige Punkte.

»Was ist das?«